Verfolgung Von Saatkrähen (Corvus Frugilegus) Im Nördlichen Markgräflerland
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Verfolgung von Saatkrähen (Corvus frugilegus) im nördlichen Markgräflerland Franz Schneider Summary: SCHNEIDER, F. (1998): Persecution of the Rook (Corvus frugilegus) in the northern Markgräflerland.- Naturschutz südl. Oberrhein 2: 211-216. Despite legal protection Rooks are still being persecuted in the northern Markgräflerland. In 1997 at least 110 breeding adults were poisoned. In one colony nest trees were cut down in the early breeding season as well as other forestry work conducted. In the health resort of Bad Krozingen complaints were raised in public discussions against the noise and droppings of the Rooks and birds were disturbed. As an answer the initiative ‘Help the Rooks’ was founded. Keywords: Corvus frugilegus, persecution, poisoning, Upper Rhine plains. 1. Einleitung hunderts folgendermaßen ab (nach ANDRIS 1996): Erste Kolonien wurden 1956 oder 1957 bei Schlatt Die Saatkrähe war bis vor etwa zehn Jahren in und 1959 im Schloßpark Feldkirch gegründet; in den Baden-Württemberg ein sehr seltener Brutvogel beiden Kolonien waren im Jahr 1960 insgesamt 99 (HÖLZINGER 1987), der in der Roten Liste der Vögel Nester besetzt. Die beiden Ansiedelungsversuche Baden-Württembergs in Kategorie A.2/ „stark wurden sehr schnell durch „Vergiftung, Abschuß und gefährdet“ eingeordnet werden mußte (HÖLZINGER et Herunterspritzen der Nester“ zunichte gemacht. al. 1981). Erst in der letzten Fortschreibung der Im damaligen Militärflugplatz Bremgarten gab es Roten Liste konnte die Art in Kategorie 5 herabge- dann seit 1962 zumindest bis 1970 mehrere Kolo- stuft werden, so daß sie jetzt nur noch als „scho- nien, die zwar immer wieder gestört, aber nicht end- nungsbedürftige Art“ gilt (HÖLZINGER et al. 1996). gültig beseitigt werden konnten. Bis 1978 existierte Es gab über viele Jahrzehnte im ganzen Land nur ver- zwölf Jahre ungestört eine Kolonie im Rheinwald auf einzelte, mehr oder weniger instabile Kolonien (HÖL- Gemarkung Oberrimsingen mit durchschnittlich 150 ZINGER 1987), die meist starker Verfolgung ausge- Paaren, bis in der Nähe ein Campingplatz angelegt setzt waren und z.T. noch sind (z.B. Schemmerhofen wurde und die Krähen diese Stelle völlig aufgaben. und Laupheim im Landkreis Biberach, BOMMER Das Gebiet der Stadt Neuenburg am Rhein wurde 1993, HAVELKA et al. 1994). Besonders hier halten die erstmals 1980 besiedelt, und fünf Jahre später ent- illegalen Stör- und Vertreibungsaktionen (teilweise stand die erste Kolonie in Bad Krozingen. auch Vergiftungen) bis heute an, obwohl die Krähen Ab 1985 begann eine anhaltende Zunahme und Aus- nach der EU-Vogelschutzrichtlinie von 1979 streng breitung - wohl bedingt durch die nachlassende Ver- geschützt sind. HÖLZINGER (1987) schreibt in seinem folgung - so daß zehn Jahre später in neun Brut- Grundlagenwerk zur auch am Ende des 20. kolonien im nördlichen Markgräflerland mindestens Jahrhunderts noch immer anhaltenden Verfolgung 994 besetzte Nester registriert wurden, davon fast die der Krähen zutreffend: „Die Verfolgung einer seit Hälfte im Bereich von Neuenburg (ANDRIS 1996). langem geschützten Vogelart mit zum Teil mittelal- Somit gehören mehrere Kolonien im nördlichen terlich anmutenden Methoden ist einer Kulturnation Markgräflerland zu den größten in Baden-Württem- unwürdig.“ berg, wo 1994 ein Brutbestand von landesweit 2690 Das Gebiet, von dem die folgenden Ausführungen Paaren ermittelt wurde (HÖLZINGER 1997). Von die- handeln, umfaßt etwa die südliche Teilfläche des sen wiederum brüteten etwa 2000 in der südbadi- Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald (FR) in der schen Oberrheinebene (ANDRIS 1996). Rheinebene, ca. 15 km südlich von Freiburg (etwa Linie Bad Krozingen - Breisach) bis zur Kreisgrenze im Süden bei Auggen -Steinenstadt. In diesem Ge- 2. Langjährige Verfolgungen biet, das hier als nördliches Markgräflerland bezeich- net wird, verlief die Bestandsentwicklung und Es ist nicht immer einfach, die Gründe festzustellen, Besiedelung in der zweiten Hälfte unseres Jahr- wenn Saatkrähen eine bestehende Kolonie (wieder) Naturschutz südl. Oberrhein 2 (1998): 211-216 211 aufgeben. Oft sind es natürliche Fluktuationen und der Aussaat von Saatmais entgegen. Denn das für die Umsiedlungen - ohne daß Störungen durch Men- Mais-Vaterlinie verwendete Saatgut kann bei schen dahinterstecken müssen. Andererseits halten bestimmten Sorten nicht gegen Krähenfraß gebeizt die Vögel oft an einem Standort jahrelang fest - gele- werden ... In dieser Situation könnte der Abschuß gentlich trotz massiver Störungen. von Rabenvögeln abhelfen, wenn er genehmigt wür- ANDRIS (1996) dokumentiert an acht verschiedenen de ... Ein Kurzbericht (mit Bild) zu diesem Thema Stellen im Markgräflerland gravierende Eingriffe stand am 27. Sept. 1995 dann in der „Badischen durch Menschen an und in Kolonien und nennt dabei Zeitung“: „Unübersehbare Schäden verursachen der- als die gängigsten „Abwehrmaßnahmen“: Mutwil- zeit die Raben auf den Saatmaisfeldern in der lige Störungen, Herunterspritzen und Herunterstoßen Region. ... Durch den Artenschutz sehen sich die der Nester durch die Feuerwehr, Schüsse in die Brut- Erzeuger mit dem Problem auch weiterhin konfron- kolonien, gezielter Abschuß, Vergiftung von Nest- tiert.“ Auf dem Bild waren angefressene und aufge- lingen und Altvögeln. An einigen aktuellen Bei- pickte Maiskolben an den kurz vor der Ernte stehen- spielen sollen beide Situationen (Vertreibung, aber den Maisstengeln zu sehen. auch Festhalten am einmal gewählten Standort) ver- deutlicht werden: 2.2 Schloßpark in Bad Krozingen Kleine Parkanlage mit etwa 15 alten und großen 2.1 Pappelwäldchen bei Bad Krozingen-Biengen Bäumen, vor allem Platanen, Roßkastanien, Eichen Hybridpappeln, etwa 30 bis 80 cm Durchmesser; und drei Nadelbäumen, Durchmesser bei fast allen Höhe meist über 20 m, überwiegend dichtes Unter- etwa 80 bis 120 cm, Park am südlichen Ortsrand, holz; etwa 100 m vom Ortsrand entfernt, Kolonie aber inmitten der allgemeinen Bebauung. Die Kolo- zwischen L 120 und dem hier vorbeifließenden Neu- nie besteht seit 1986 mit anfänglich 7, in den letzten magen, sonst freie Feldflur, überwiegend mit Mais- Jahren mit 80 bis 100 Nestern (1996: 97 N., 1997: 98 anbau. N., 1998: > 80 N., F. SCHNEIDER). 1995 wurde dieses Wäldchen gleich von etwa 240 Seit 1988 im Schloßpark die Zahl der Brutpaare auf Paaren besiedelt, wohl eine Umsiedlung aus dem etwa 60 angestiegen ist, gibt es dort Proteste einiger ehemaligen, etwa 7 km südlich gelegenen Flugplatz Anwohner, die sich vor allem über den Lärm und den Bremgarten, wo fast alle vorhandenen Nester plötz- Schmutz beklagen (Leserbriefe im Ortsanzeiger, lich im Frühjahr aus unbekannter Ursache verlassen Briefe und Beschwerden beim Bürgermeister usw.). wurden (ANDRIS 1996). Im darauffolgenden Jahr 1990 entschied der damalige Bürgermeister, nichts 1996 wurden zum Ausgang des Winters und im zei- gegen die Krähen zu unternehmen, obwohl dies von tigen Frühjahr - also in der Zeit, in der die Vögel in einigen Leuten lautstark gefordert worden war. die Kolonie zurückkehren - größere Baumfäll- Nach der Wahl eines neuen Bürgermeisters (1997) aktionen durchgeführt, die wohl zur zeitweisen fast wurden sofort die alten Forderungen zur Bekämp- völligen Aufgabe der erst ein Jahr bestehenden fung der Krähen wieder laut. Im Sommer 1998 Kolonie geführt haben. Dafür siedelten sich die wurde dieses Thema im Gemeinderat diskutiert und Krähen teilweise näher am Ortsrand von Biengen an, in der anschließenden Abstimmung (bei einer und wahrscheinlich erfolgte auch eine Umsiedlung Stimmenthaltung!) gefordert, daß die Verwaltung bei nach Bad Krozingen an den nördlichen Rand des den zuständigen Behörden einen Antrag stelle, nach Kurparks, etwa 2 km von Biengen entfernt, auf eine der Brutzeit die Nester zu beseitigen und in einem Pappelreihe entlang des Neumagens. zweiten Schritt einen Nesterneubau zu verhindern, Die Urheber der Baumfällaktion sind nicht bekannt. und zwar nicht nur im Schloßpark, sondern auch im Interessant in diesem Zusammenhang dürfte aber ein Kurpark und beim Parkstift St. Ulrich. Von Seiten der Presseartikel in der „Badischen Bauernzeitung“ vom Gemeinde wird vor allem betont, daß man an ein 21.4.1995 sein, in dem unter der Überschrift Eingreifen denken müsse, wenn es durch die Krähen- „Schäden durch Raben“ folgendes ausgeführt wird: kolonien zu einer massiven Schädigung des Frem- „Eine Rabenkrähen-Kolonie mit etwa 200 Nestern denverkehrs bzw. des Kurwesens oder zu gesund- hat sich in einem Pappelbestand bei Biengen einge- heitlichen Beeinträchtigungen der Anwohner kom- nistet. Alarm geschlagen hat deshalb der BLHV- me. Kurze Zeit nach der Gemeinderatsentscheidung Ortsverein beim zuständigen Landratsamt. Große bildete sich eine Bürgerinitiative von Anwohnern des Mengen Mais haben die Raben bereits an den noch Schloßparkes zum Schutz der Krähen in Bad gefüllten Maishäuschen gefressen ... Mit noch größe- Krozingen. In einer größeren Versammlung unter rer Sorge sieht der BLHV-Ortsvereinsvorsitzende ... Leitung der Gemeindeverwaltung tauschten Krähen- 212 F.SCHNEIDER: Verfolgung von Saatkrähen im Markgräflerland freunde und Krähengegner ihre Argumente aus. Der freigelassen werden konnte. weitere Verlauf der derzeitigen Auseinandersetzung Man muß also von mindestens 110 bis 120 vergifte- bleibt abzuwarten. ten Vögeln ausgehen, wobei mit einer erheblichen Dunkelziffer zu rechnen ist, denn nicht alle verende- 2.3 Weitere Kolonien in Bad Krozingen und ten Tiere konnten im dichten Gebüsch und auf den Umgebung weitläufigen Ackerflächen gefunden werden. Auch Es gibt im Ortsbereich von Bad Krozingen auch