Verfolgung von Saatkrähen (Corvus frugilegus) im nördlichen Markgräflerland

Franz Schneider

Summary: SCHNEIDER, F. (1998): Persecution of the Rook (Corvus frugilegus) in the northern Markgräflerland.- Naturschutz südl. Oberrhein 2: 211-216. Despite legal protection Rooks are still being persecuted in the northern Markgräflerland. In 1997 at least 110 breeding adults were poisoned. In one colony nest trees were cut down in the early breeding season as well as other forestry work conducted. In the health resort of complaints were raised in public discussions against the noise and droppings of the Rooks and birds were disturbed. As an answer the initiative ‘Help the Rooks’ was founded. Keywords: Corvus frugilegus, persecution, poisoning, Upper Rhine plains.

1. Einleitung hunderts folgendermaßen ab (nach ANDRIS 1996): Erste Kolonien wurden 1956 oder 1957 bei Die Saatkrähe war bis vor etwa zehn Jahren in und 1959 im Schloßpark Feldkirch gegründet; in den Baden-Württemberg ein sehr seltener Brutvogel beiden Kolonien waren im Jahr 1960 insgesamt 99 (HÖLZINGER 1987), der in der Roten Liste der Vögel Nester besetzt. Die beiden Ansiedelungsversuche Baden-Württembergs in Kategorie A.2/ „stark wurden sehr schnell durch „Vergiftung, Abschuß und gefährdet“ eingeordnet werden mußte (HÖLZINGER et Herunterspritzen der Nester“ zunichte gemacht. al. 1981). Erst in der letzten Fortschreibung der Im damaligen Militärflugplatz Bremgarten gab es Roten Liste konnte die Art in Kategorie 5 herabge- dann seit 1962 zumindest bis 1970 mehrere Kolo- stuft werden, so daß sie jetzt nur noch als „scho- nien, die zwar immer wieder gestört, aber nicht end- nungsbedürftige Art“ gilt (HÖLZINGER et al. 1996). gültig beseitigt werden konnten. Bis 1978 existierte Es gab über viele Jahrzehnte im ganzen Land nur ver- zwölf Jahre ungestört eine Kolonie im Rheinwald auf einzelte, mehr oder weniger instabile Kolonien (HÖL- Gemarkung Oberrimsingen mit durchschnittlich 150 ZINGER 1987), die meist starker Verfolgung ausge- Paaren, bis in der Nähe ein Campingplatz angelegt setzt waren und z.T. noch sind (z.B. Schemmerhofen wurde und die Krähen diese Stelle völlig aufgaben. und Laupheim im Landkreis Biberach, BOMMER Das Gebiet der Stadt Neuenburg am Rhein wurde 1993, HAVELKA et al. 1994). Besonders hier halten die erstmals 1980 besiedelt, und fünf Jahre später ent- illegalen Stör- und Vertreibungsaktionen (teilweise stand die erste Kolonie in Bad Krozingen. auch Vergiftungen) bis heute an, obwohl die Krähen Ab 1985 begann eine anhaltende Zunahme und Aus- nach der EU-Vogelschutzrichtlinie von 1979 streng breitung - wohl bedingt durch die nachlassende Ver- geschützt sind. HÖLZINGER (1987) schreibt in seinem folgung - so daß zehn Jahre später in neun Brut- Grundlagenwerk zur auch am Ende des 20. kolonien im nördlichen Markgräflerland mindestens Jahrhunderts noch immer anhaltenden Verfolgung 994 besetzte Nester registriert wurden, davon fast die der Krähen zutreffend: „Die Verfolgung einer seit Hälfte im Bereich von Neuenburg (ANDRIS 1996). langem geschützten Vogelart mit zum Teil mittelal- Somit gehören mehrere Kolonien im nördlichen terlich anmutenden Methoden ist einer Kulturnation Markgräflerland zu den größten in Baden-Württem- unwürdig.“ berg, wo 1994 ein Brutbestand von landesweit 2690 Das Gebiet, von dem die folgenden Ausführungen Paaren ermittelt wurde (HÖLZINGER 1997). Von die- handeln, umfaßt etwa die südliche Teilfläche des sen wiederum brüteten etwa 2000 in der südbadi- Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald (FR) in der schen Oberrheinebene (ANDRIS 1996). Rheinebene, ca. 15 km südlich von (etwa Linie Bad Krozingen - Breisach) bis zur Kreisgrenze im Süden bei Auggen -Steinenstadt. In diesem Ge- 2. Langjährige Verfolgungen biet, das hier als nördliches Markgräflerland bezeich- net wird, verlief die Bestandsentwicklung und Es ist nicht immer einfach, die Gründe festzustellen, Besiedelung in der zweiten Hälfte unseres Jahr- wenn Saatkrähen eine bestehende Kolonie (wieder)

Naturschutz südl. Oberrhein 2 (1998): 211-216 211 aufgeben. Oft sind es natürliche Fluktuationen und der Aussaat von Saatmais entgegen. Denn das für die Umsiedlungen - ohne daß Störungen durch Men- Mais-Vaterlinie verwendete Saatgut kann bei schen dahinterstecken müssen. Andererseits halten bestimmten Sorten nicht gegen Krähenfraß gebeizt die Vögel oft an einem Standort jahrelang fest - gele- werden ... In dieser Situation könnte der Abschuß gentlich trotz massiver Störungen. von Rabenvögeln abhelfen, wenn er genehmigt wür- ANDRIS (1996) dokumentiert an acht verschiedenen de ... Ein Kurzbericht (mit Bild) zu diesem Thema Stellen im Markgräflerland gravierende Eingriffe stand am 27. Sept. 1995 dann in der „Badischen durch Menschen an und in Kolonien und nennt dabei Zeitung“: „Unübersehbare Schäden verursachen der- als die gängigsten „Abwehrmaßnahmen“: Mutwil- zeit die Raben auf den Saatmaisfeldern in der lige Störungen, Herunterspritzen und Herunterstoßen Region. ... Durch den Artenschutz sehen sich die der Nester durch die Feuerwehr, Schüsse in die Brut- Erzeuger mit dem Problem auch weiterhin konfron- kolonien, gezielter Abschuß, Vergiftung von Nest- tiert.“ Auf dem Bild waren angefressene und aufge- lingen und Altvögeln. An einigen aktuellen Bei- pickte Maiskolben an den kurz vor der Ernte stehen- spielen sollen beide Situationen (Vertreibung, aber den Maisstengeln zu sehen. auch Festhalten am einmal gewählten Standort) ver- deutlicht werden: 2.2 Schloßpark in Bad Krozingen Kleine Parkanlage mit etwa 15 alten und großen 2.1 Pappelwäldchen bei Bad Krozingen-Biengen Bäumen, vor allem Platanen, Roßkastanien, Eichen Hybridpappeln, etwa 30 bis 80 cm Durchmesser; und drei Nadelbäumen, Durchmesser bei fast allen Höhe meist über 20 m, überwiegend dichtes Unter- etwa 80 bis 120 cm, Park am südlichen Ortsrand, holz; etwa 100 m vom Ortsrand entfernt, Kolonie aber inmitten der allgemeinen Bebauung. Die Kolo- zwischen L 120 und dem hier vorbeifließenden Neu- nie besteht seit 1986 mit anfänglich 7, in den letzten magen, sonst freie Feldflur, überwiegend mit Mais- Jahren mit 80 bis 100 Nestern (1996: 97 N., 1997: 98 anbau. N., 1998: > 80 N., F. SCHNEIDER). 1995 wurde dieses Wäldchen gleich von etwa 240 Seit 1988 im Schloßpark die Zahl der Brutpaare auf Paaren besiedelt, wohl eine Umsiedlung aus dem etwa 60 angestiegen ist, gibt es dort Proteste einiger ehemaligen, etwa 7 km südlich gelegenen Flugplatz Anwohner, die sich vor allem über den Lärm und den Bremgarten, wo fast alle vorhandenen Nester plötz- Schmutz beklagen (Leserbriefe im Ortsanzeiger, lich im Frühjahr aus unbekannter Ursache verlassen Briefe und Beschwerden beim Bürgermeister usw.). wurden (ANDRIS 1996). Im darauffolgenden Jahr 1990 entschied der damalige Bürgermeister, nichts 1996 wurden zum Ausgang des Winters und im zei- gegen die Krähen zu unternehmen, obwohl dies von tigen Frühjahr - also in der Zeit, in der die Vögel in einigen Leuten lautstark gefordert worden war. die Kolonie zurückkehren - größere Baumfäll- Nach der Wahl eines neuen Bürgermeisters (1997) aktionen durchgeführt, die wohl zur zeitweisen fast wurden sofort die alten Forderungen zur Bekämp- völligen Aufgabe der erst ein Jahr bestehenden fung der Krähen wieder laut. Im Sommer 1998 Kolonie geführt haben. Dafür siedelten sich die wurde dieses Thema im Gemeinderat diskutiert und Krähen teilweise näher am Ortsrand von Biengen an, in der anschließenden Abstimmung (bei einer und wahrscheinlich erfolgte auch eine Umsiedlung Stimmenthaltung!) gefordert, daß die Verwaltung bei nach Bad Krozingen an den nördlichen Rand des den zuständigen Behörden einen Antrag stelle, nach Kurparks, etwa 2 km von Biengen entfernt, auf eine der Brutzeit die Nester zu beseitigen und in einem Pappelreihe entlang des Neumagens. zweiten Schritt einen Nesterneubau zu verhindern, Die Urheber der Baumfällaktion sind nicht bekannt. und zwar nicht nur im Schloßpark, sondern auch im Interessant in diesem Zusammenhang dürfte aber ein Kurpark und beim Parkstift St. Ulrich. Von Seiten der Presseartikel in der „Badischen Bauernzeitung“ vom Gemeinde wird vor allem betont, daß man an ein 21.4.1995 sein, in dem unter der Überschrift Eingreifen denken müsse, wenn es durch die Krähen- „Schäden durch Raben“ folgendes ausgeführt wird: kolonien zu einer massiven Schädigung des Frem- „Eine Rabenkrähen-Kolonie mit etwa 200 Nestern denverkehrs bzw. des Kurwesens oder zu gesund- hat sich in einem Pappelbestand bei Biengen einge- heitlichen Beeinträchtigungen der Anwohner kom- nistet. Alarm geschlagen hat deshalb der BLHV- me. Kurze Zeit nach der Gemeinderatsentscheidung Ortsverein beim zuständigen Landratsamt. Große bildete sich eine Bürgerinitiative von Anwohnern des Mengen Mais haben die Raben bereits an den noch Schloßparkes zum Schutz der Krähen in Bad gefüllten Maishäuschen gefressen ... Mit noch größe- Krozingen. In einer größeren Versammlung unter rer Sorge sieht der BLHV-Ortsvereinsvorsitzende ... Leitung der Gemeindeverwaltung tauschten Krähen-

212 F.SCHNEIDER: Verfolgung von Saatkrähen im Markgräflerland freunde und Krähengegner ihre Argumente aus. Der freigelassen werden konnte. weitere Verlauf der derzeitigen Auseinandersetzung Man muß also von mindestens 110 bis 120 vergifte- bleibt abzuwarten. ten Vögeln ausgehen, wobei mit einer erheblichen Dunkelziffer zu rechnen ist, denn nicht alle verende- 2.3 Weitere Kolonien in Bad Krozingen und ten Tiere konnten im dichten Gebüsch und auf den Umgebung weitläufigen Ackerflächen gefunden werden. Auch Es gibt im Ortsbereich von Bad Krozingen auch eini- ist völlig unklar, wieviele tote Krähen in den Nestern ge Teilkolonien, wo die Krähen seit Anfang der gelegen haben. Koloniegründungen unbehelligt brüten können, Die toxikologische Untersuchung ergab, daß die Krä- obwohl die Brutbäume zum Teil in unmittelbarer hen durch den Wirkstoff Parathion vergiftet worden Nähe von Häusern stehen, z.B. auf dem Gelände waren. Im Untersuchungsbericht heißt es: „Parathion einer Privatklinik (hier fand die erste Ansiedlung im ist als Wirkstoff in verschiedenen Insektizid-Prä- Jahr 1985 statt) und in der Kirchhofenerstraße am paraten des Handels enthalten (z.B. „E 605 forte“ nördlichen Ortsrand, wo alljährlich seit 1988 zwi- oder „Parathion forte“). Der Stoff gehört zur Gruppe schen 30 und 50 Paare brüten. der Thiophosphorsäureester und ist für alle Warm- An allen (?) übrigen Orten und Teilkolonien gab es blüter von hoher Toxizität. Nach diesem Untersu- bisher Proteste und/ oder Störaktionen, die nach chungsergebnis ist davon auszugehen, daß die Aussage von Ortskundigen teilweise bis zu Baum- Saatkrähen aufgrund der Aufnahme von Getreide- fällungen gingen. Der gesamte Brutbestand im Ort körnern verendet sind, die mit Parathion behandelt selbst und in den Randbereichen betrug 1997 maxi- waren, um als Giftköder zu dienen“ (F. BAUM mal 289 Paare und 1998 etwa 330 Paare verteilt auf briefl.). sechs Kolonien, wobei die größte mit etwa 90 Paaren Etwa 20 Tage später wurde von einem Jäger in etwa mehrere hundert Meter vom Ortsrand entfernt am 300 m Entfernung von der Krähenkolonie neben nordwestlichen Ende des Kurparks angesiedelt ist. einer toten Saatkrähe ein verendeter Mäusebussard Die nächstgrößere Ansiedlung befindet sich am gefunden, der von der Saatkrähe offensichtlich vor Eingang zum Kurpark gegenüber dem Bahnhof allem Kropf- und Mageninhalt gefressen hatte, wie (1997: 74 Nester, 1998: 84 Nester). Praktisch alle die Untersuchung ergeben hat Auch beim Mäuse- Kolonien in und um Bad Krozingen liegen so nah bussard wurde Parathion als Todesursache festge- beieinander, daß die Vögel zu allen Kolonien Sicht- stellt (F. BAUM briefl.). Dies ist ein eindeutiger kontakt haben, man kann wohl auch davon ausgehen, Beweis dafür, daß das Gift in die weitere Nahrungs- daß alle Teilkolonien miteinander in Kontakt stehen, kette eingegangen ist. Auch hier wird es eine erheb- denn sehr oft sieht man einzelne Vögel oder kleine liche Dunkelziffer geben, denn es ist davon auszuge- Gruppen von einer Kolonie zur anderen fliegen. hen, daß weitere Greifvögel und andere Beutegreifer bzw. Aasfressser (wie Marder, Fuchs, Dachs, Wiesel, 2.4 Vergiftungsaktion bei Neuenburg Ratten, aber auch Rabenkrähen, Elstern u.a.) sich an Am 3. April 1997 kontrollierten Dr. HAVELKA von der der leichten Beute von geschwächten oder toten Staatlichen Vogelschutzwarte in Karlsruhe und der Krähen vergiftet haben. Verfasser alle Krähenkolonien im Markgräflerland, Leider hatten auch polizeiliche Ermittlungen (auf- um den Brutbestand zu erfassen. Dabei wurden in der grund einer entsprechenden Anzeige gegen Unbe- Kolonie bei der Richtbergsiedlung östlich des kannt) bisher keinen Erfolg. Über den möglichen Neuenburger Stadtgebietes etwa 90 tote Saatkrähen Täterkreis und deren Motive für diese Vergiftungs- gefunden, die verstreut unter den Brutbäumen lagen. aktion kann deshalb nur spekuliert werden. Ein Er- Die meisten waren erst seit kurzem tot, ungefähr 40 gebnis liegt allerdings vor: Die Krähenkolonie blieb lagen offensichtlich schon länger. Die noch frischen 1997 stark geschwächt zurück und war im Jahr 1998 Tiere wurden eingesammelt und zur toxikologischen fast völlig verwaist. Nur 21 Nester waren besetzt, Untersuchung an Herrn Dr. Frank BAUM von der von den letztjährigen waren trotz der Winterstürme Chemischen Landesuntersuchungsanstalt Freiburg noch viele vorhanden, aber nicht beflogen. In den übergeben. Eine weitere Suchaktion in der Umge- Jahren zuvor hatten allein in dieser Teilkolonie bung der Kolonie und im weiteren Umkreis auf den jeweils mehr als 300 Paare gebrütet. Feldern und Wiesen in einer Entfernung bis zu 1 km ergab weitere Funde von etwa 20 toten Vögeln und 2.5 Holzarbeiten zum Beginn der Brutzeit einer lebenden, aber sehr geschwächten und flugun- Ende März 1998 wurde der Verfasser von Anwoh- fähigen Krähe, die nach ein paar Tagen Pflege wieder nern darauf aufmerksam gemacht, daß in einer

Naturschutz südl. Oberrhein 2 (1998): 211-216 213 Saatkrähenkolonie am Rand der Stadt Neuenburg nis, daß zu Beginn der 1990er Jahre fast 90% aller Bäume gefällt würden. Die sofortige Kontrolle er- Brutvögel in unmittelbarer Nachbarschaft zum gab, daß in einer weiteren Kolonie, die lediglich 300 Menschen brüteten (ANDRIS 1996). Eine ähnliche bis 400 m von der Kolonie bei der Richtbergsiedlung Entwicklung hat in anderen Gebieten schon früher (Kap. 2.4) entfernt liegt, schon acht Bäume gefällt eingesetzt, was von vielen Autoren als „Schutz- und an zahlreichen anderen Bäumen die unteren Äste flucht“ gegenüber den anhaltenden Störungen in der abgesägt worden waren, obwohl oben in den Bäumen offenen Landschaft gedeutet wird (vgl. z.B. GLUTZ teilweise schon gebrütet wurde. Natürlich herrschte VON BLOTZHEIM & BAUER 1993). Die neuere Ent- unter den Krähen dieser Teilkolonie mit mindestens wicklung im nördlichen Markgräflerland scheint 62 Brutpaaren helle Aufregung, was bereits aus diese Beobachtung zu bestätigen, denn derzeit gibt es großer Entfernung am lauten Geschrei und an den nur zwei Kolonien (bei Auggen-Hach und am ehe- Flügen über der Kolonie zu erkennen war. Nach maligen Flugplatz Bremgarten, Rotläuble-Wald), die Unterrichtung der zuständigen Naturschutzstellen mehr als 500 m von der nächsten Siedlung entfernt und der Stadtverwaltung Neuenburg und einem sind. Allerdings weist schon ANDRIS (1996) darauf Vororttermin mit den Verantwortlichen der hin, daß am rechtsrheinischen südlichen Oberrhein Maßnahmen (DB- Anlagenverwaltung) wurden die die Ortschaften erst dann verstärkt besiedelt wurden, Holzarbeiten eingestellt. Der zuständige als die Verfolgung der Saatkrähen stark nachgelassen DB-Angestellte erklärte, daß die in Auftrag gegebe- hatte und eine direkte Schutzflucht nicht mehr gege- nen Arbeiten zur Verkehrssicherung nötig seien, da in ben war. den letzten Wochen und Monaten wiederholt Äste Durch diese Verlagerung haben sich die Probleme und Zweige abgebrochen und auf den (nichtöffentli- verschärft, denn jetzt klagt nicht nur die Landwirt- chen) Weg gefallen seien. Die Ausführung der schaft über Schäden an den Feldfrüchten, sondern Arbeiten habe sich aus verwaltungstechnischen zunehmend die Wohnbevölkerung über Lärmbelästi- Gründen verzögert, so daß inzwischen die Vögel an gung, Verschmutzung u.a. Daß zumindest punktuell die Brutplätze zurückgekehrt seien. Er bedaure die heute erheblich größere Schäden in der Landwirt- Störungen der Vögel, betonte aber übereinstimmend schaft auftreten können, liegt sicher auch an verän- mit der ausführenden Firma, daß kein Baum mit derten Anbauformen, etwa wenn wertvolle Saat- Nestern gefällt worden sei. Dies konnte allerdings mais-Vermehrung auf großen Flächen oder Sonder- nicht mehr zweifelsfrei geklärt werden. Spätere kulturen wie Erdbeeren, Frühkartoffeln, Spalierobst Kontrollen ergaben, dass die anwesenden Brutpaare u.ä. betroffen sind. Auch die Lagerung von Mais in von nun an unbehelligt dem Brutgeschäft nachgehen offenen Maishäuschen im freien Feld war früher so konnten. massiert nicht üblich. Ein entscheidender Faktor scheint aber vor allem zu sein, daß seit dem Beginn der 1960er Jahre in unse- 3. Diskussion rer Landschaft alle Wiesenflächen bis auf kleine Restvorkommen verschwunden sind und heute auf Seit Beginn der Ansiedlung von Saatkrähen im nörd- weiten Strecken Maismonokulturen vorherrschen. In lichen Markgräflerland gab und gibt es Störungs- und dieser Situation haben die Krähen gar keine andere Vertreibungsaktionen an fast allen Standorten. Nur Möglichkeit mehr, als auf intensiv genutzten Äckern an ganz wenigen Plätzen konnten die Vögel über Nahrung zu suchen. Und so ist es wohl kein Zufall, einen längeren Zeitraum ungestört brüten und Junge daß sich gerade auf dem ehemaligen Flugplatz Brem- großziehen. Zum Anfang der Besiedlung bezogen die garten mit etwa 300 ha Wiesenflächen über drei Jahr- Krähen fast ausnahmslos Standorte außerhalb von zehnte hinweg -trotz zeitweise stärkster Verfolgung - Siedlungen in Feldgehölzen (z.B. Schlatt 1956 - Saatkrähenkolonien an wechselnden Standorten 1960; Eschbach 1980 - 1982), sogar im Rheinwald gehalten haben, denn die überwiegend extensiv ge- direkt am Rheinufer (Oberrimsingen, Karpfenhod nutzten Wiesen bieten den Vögeln das ganze Jahr 1967 - 1978 und in der Nähe der Kreismülldeponie hindurch gute Nahrungsbedingungen, ohne daß es zu bei Neuenburg 1980 - 1984) und im weitläufigen, Schäden für die Landwirtschaft kommt. überwiegend unbewohnten Gelände des Flieger- Heutzutage klagen viele Menschen über die ver- horstes Bremgarten (wohl mit Unterbrechungen seit schiedensten Lärmbelästigungen in ihrer Umgebung, 1962 bis heute). Vgl. ANDRIS 1996. und so kann es eigentlich nicht ausbleiben, daß direkt Erst ab etwa 1985 ziehen die Krähen in die Sied- Betroffene auch über den „Lärm“ klagen, der von lungen selbst oder an die Ortsränder, mit dem Ergeb- einer Krähenkolonie ausgeht, zumal wenn die Brut-

214 F.SCHNEIDER: Verfolgung von Saatkrähen im Markgräflerland bäume in unmittelbarer Nachbarschaft zur Wohnung offiziell genehmigten Vertreibungsaktion - wie sie stehen. Aber wie bei anderen Lärmimmissionen auch von einigen Bürgern und vom Gemeinderat gefordert hängt es sehr stark von der subjektiven Einstellung wird - diametral entgegen, und man kann die zustän- und Empfindlichkeit ab, was als störender oder gar digen Behörden nur auffordern, das Gesetz ohne unerträglicher Lärm empfunden wird. Wenn und Aber anzuwenden und keinerlei Ausnah- Dieses Problem der Lärmbelästigung wird an einigen megenehmigung zu erteilen. Stellen in Bad Krozingen immer wieder angeführt Nur ist damit das Problem noch nicht gelöst, denn und meist sehr schnell in Verbindung mit dem heimliche Störungen, Vertreibungs- oder gar Vergif- Kurwesen und dem Fremdenverkehr gebracht. So tungsaktionen sind damit nicht unbedingt ausge- betonen immer wieder etwa Hotelbesitzer oder pri- schlossen und in aller Regel auch schwer nachzuwei- vate Zimmervermieter in der Nähe der Schloßpark- sen. Kolonie, daß (Kur-) Gäste sich wegen des Krähen- Daher versucht der Naturschutzbund Deutschland, geschreis insbesondere am frühen Morgen beschwe- NABU-Gruppe Müllheim, durch Information und ren und gar mit der frühzeitigen Abreise drohen, was Aufklärung für die Vögel und ihr ungestörtes natürlich mit finanziellen Einbußen verbunden wäre. Lebensrecht zu werben, sozusagen als flankierende Allerdings sind meines Wissens solche Aussagen und ergänzende Maßnahmen zur eindeutigen For- bisher nie konkretisiert oder gar mit Beispielen oder derung, daß die Naturschutzgesetze strikt einzuhalten Zahlen belegt worden. Und sicher kann der Rück- sind. Die Information und Aufklärung gegenüber der gang im Kurbereich, der landauf, landab beklagt Gemeindeverwaltung, gegenüber dem Gemeinderat wird, in keiner Weise mit der Krähenproblematik in und gegenüber der Bevölkerung kann und muß in Verbindung gebracht werden. verschiedenster Hinsicht erfolgen: Seltsamerweise hört man nie, daß etwa der Verkehrs- 1. Die seit Beginn der Ansiedlung von Krähen all- lärm (Straßen, Eisenbahn, Flugverkehr) zu wirt- jährlich erhobenen Daten werden zur Verfügung schaftlichen Einbußen führt, obwohl dieser Lärm den gestellt, um übertriebenen Aussagen zur Überhand- ganzen Tag und das ganze Jahr hindurch vorhanden nahme der „Hitchcock-Vögel“ entgegenzuwirken ist, während die Saatkrähen lediglich drei bis vier und die Diskussion zu versachlichen (besonders im Monate pro Jahr in der Kolonie anwesend sind. Bereich der Schloßpark-Kolonie). Es gibt allerdings auch Anwohner von Kolonien, die 2. Klarstellung, daß Störungs- und Vertreibungs- sich über die Anwesenheit der Saatkrähen freuen, die aktionen ungesetzlich sind und mit Strafanzeige ge- ihnen bei ihrem Treiben zusehen und das interessan- rechnet werden muss. te Verhalten der Vögel intensiv beobachten. Sie beto- 3. Aufklärung darüber, daß „offizielle“ Vertreibungs- nen die Bereicherung des Lebens und Wohnens aktionen sehr aufwendig und teuer sind und das durch die Tiere in ihrer unmittelbaren Umgebung Problem nicht lösen, da es erfahrungsgemäß dadurch und setzen sich teilweise vehement für den ungestör- nur zu Verlagerungen und zur Aufspaltung der Kolo- ten Verbleib der Vögel ein (siehe Gründung der nien über den ganzen Ort kommt. Bürgerinitiative „Krähenhilfe“!). Es wäre sehr schön, 4. Es ist davon auszugehen, daß inzwischen eine wenn viel mehr Menschen sich so gut in Einklang Obergrenze des Bestandes erreicht sein dürfte. mit der Natur bringen und stärker das Positive sehen 5. Wenn im Umland keine Störaktionen wie in Bien- könnten. gen oder an der Möhlin mehr stattfinden, wird sich Neben dem Lärm wird besonders die Verschmutzung mit Sicherheit ein Teil der Krähen wieder in der offe- der Gehwege, Straßen und der parkenden Autos her- nen Landschaft und näher bei den Nahrungsquellen vorgehoben. Für manche Kurgäste und Passanten ansiedeln (im Jahr 1998 gibt es die ersten Anzeichen scheint es eine große Belästigung oder gar eine Be- dafür). drohung zu sein, wenn sie am Eingangsbereich des 6. Kontaktaufnahme zu den örtlichen Schulen, um Kurparks unter den Brutbäumen hindurchgehen müs- vor allem bei der Jugend aufklärend zu wirken. sen; denn sie haben Angst, durch Kot beschmutzt 7. Information besonders bei den Landwirten, daß oder von herunterfallenden Zweigen und Nist- Saatkrähen nicht nur von Feldfrüchten leben, son- material getroffen zu werden. Auch wird angeführt, dern durch Aufnahme von Bodenlebewesen (z.B. daß es für gehbehinderte und ältere Menschen nicht Drahtwürmer, Engerlinge, Mäuse) einen erheblichen ungefährlich sei, auf den „mit Nistmaterial übersäten Nutzen erbringen. Diesen sieht man allerdings nicht Wegen“ zu gehen. so leicht wie die Schäden! In dieser Sache zu vermitteln ist nicht einfach. Natür- 8. Hinweise auf die langfristige Aufgabe (auch der lich steht die eindeutige gesetzliche Regelung einer Gemeinden), Natur und Landschaft wieder natur-

Naturschutz südl. Oberrhein 2 (1998): 211-216 215 näher zu gestalten und zu nutzen (z.B. durch Anlegen bot an die Gemeinde und an die Kur- und Bäder- von Wiesenstreifen u.a.). verwaltung, durch naturkundliche Führungen im Darüber hinaus unterstützt die NABU-Gruppe Müll- Kurpark und in der Umgebung und durch Dia- und heim die Bürgerinitiative „Krähenhilfe“ und möchte Filmvorträge die Angebote im Kurort zu erweitern. dabei mithelfen, die Akzeptanz und positive Ein- Vielleicht läßt sich so längerfristig auch erreichen, stellung in der Bevölkerung und bei den Kurgästen daß etwa solche Maßnahmen wie die beschriebenen der Natur gegenüber zu erhöhen, auch wenn diese Holzarbeiten in Neuenburg mit mehr Sensibilität für hin und wieder lästig wird. Daher besteht das Ange- die Belange der Natur durchgeführt werden.

Zusammenfassung: Trotz des gesetzlichen Schutzes werden Saatkrähen im nördlichen Markgräflerland weiterhin verfolgt. 1997 wurden mindestens 110 brütende Altvögel vergiftet. In anderen Kolonien wurden am Anfang der Brutzeit umfangreiche Forstarbeiten durchgeführt und Horstbäume gefällt. Im Kurort Bad Krozingen wurden in öffentlichen Auseinandersetzungen immer wieder Klagen über Lärm und Verschmutzung erhoben und Störaktionen durchgeführt. Als Gegenreaktion wurde eine Bürgerinitiative „Krähenhilfe“ gegründet.

Literatur

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Anschrift des Verfassers: Franz Schneider, Im Bachacker 21, Gallenweiler, D-79423 Heitersheim.

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