Cercle und Cité ein neues kulturelles Zentrum

Das „Centre socio-culturel” reiht sich schließlich bot sich die Gelegenheit zum in die lange Liste jener Kultureinrichtungen Kauf des Ciné Cité. Eine Verbindung des ein, welche Staat und Stadt seit den Kultur- Cité mit dem Cercle herzustellen gehörte jahren 1995 und 2007 in der Hauptstadt gleich zum Plan1 – bot die Parzelle des ehe- geschaffen haben: , Philharmo- maligen Kinos doch die einzige realistische nie, MNHA, , städtisches Mu- Möglichkeit, beide Gebäude miteinander seum, Centre culturel de rencontre abbaye zu verbinden. de Neumünster (CCRN), Naturmusée usw. Am 29. Januar 2004 gingen die Lichter Die Idee zur Schaffung neuer Räum- definiv im ehemaligen Ciné Cité aus. Am lichkeiten für die Stadtbibliothek, einer 20. April desselben Jahres genehmigte der Mediathek und eines kleinen Amphithe- Gemeinderat das definitive Projekt, und die aters reifte kurz nach dem Kulturjahr von Abbrucharbeiten zum Bau des sozio-kultu- 1995, ging es doch darum, das historische rellen Zentrums mit Stadtbibliothek, Media- Stadtzentrum mit neuen kulturellen Aktivi- thek, Restaurant, Foyer für Ausstellungen täten zu beleben, um so seine Attraktivität und einem Amphitheater mit 185 Sitzplät- weiter zu steigern. Kongresszentren gab es zen für Kongresse und Vorträge begannen zu jener Zeit nur in perizentraler Lage. 1998 ein Jahr später2.

4 Elegant spannt sich eine Glas- und Stahlbrücke vom Centre socio-culturel Cité hinüber zum altehrwürdigen Cercle-Gebäude. Cité und Cercle bilden nunmehr ein kulturelles Zentrum inmitten des historischen Zentrums

der Hauptstadt. imedia 5 imedia

Das Architektenbüro Beng, das als Sie- Glasfassaden wirken komplementar, wobei Rue du Curé ist den Dienstboten und Kü- ger eines Architekturwettbewerbs hervor- das Cité den geschichtsträchtigen Charak- chenanlieferungen vorbehalten. In diesem ging, hatte sowohl den Symbolcharakter ter des Stadtpalastes noch unterstreicht. Trakt befinden sich ebenfalls Duschanlagen des Gesamtprojektes verinnerlicht als auch und Umkleideräume für das Personal. Die die vorgeschriebenen Funktionen des Neu- Was geschah mit dem Cercle? Ausdehnung der Küchenanlage im ersten baus und der Rehabilitation des Cercle-Ge- Stock verlangte eine Verlegung der Pfört- bäudes respektiert. Im Einverständnis mit Doch allein das Cité mit dem Cercle zu nerloge und eine Verkleinerung der Garde- dem Schöffenrat setzte es auf Authentizi- verbinden genügte nicht. Der ehrwürdige robe. tät, denn nur diese schafft Raumgefühl und Stadtpalast musste, um überhaupt noch Das zweite Stockwerk stellt mit sei- Identität. Man kann zwar zentrale Stadtla- baurechtlich nutzbar zu sein, vollständig nen Empfangs- und Prunkräumen und gen in die Peripherie verlegen, doch dann überholt werden. Er musste den neuen dem großen Festsaal nach wie vor die „Bel schwindet das Identitätsgefühl und somit gesetzlichen Bestimmungen in Sachen Si- étage” dar. Hier mündet die des die Verbundenheit der Bevölkerung mit ih- cherheit, Zugänglichkeit für Behinderte Cité in die „Salle flamande” ein. Dem sonst rer Stadt3. und Nachhaltigkeit angepasst werden. Zu neben der Ehrentreppe etwas abgelegenen Authentizität wurde hier geschaffen diesen Maßnahmen gehörten ebenfalls das Salon kommt jetzt die Funktion eines Vor- durch qualitativ hochwertige Architektur. Ersetzen der abgenutzten Parkettböden zimmers zugute. Ohne auf seine wertvolle Das Amphitheater als „schwimmende Bla- sowie das Einrichten einer neuen Küche Ausschmückung zu verzichten, verbindet se” in der Glasfassade des neuen Cité setzt mit Kälteräumen im ersten Stockwerk. Um er die zeitgenössische Architektur des Cité resolut auf Zeitgenössisch, ohne jedoch dem Workflow eines modernen Zentrums mit dem eklektizistischen Historismus des marktschreierischen Eventcharakter aus- gerecht zu werden, wurde der Innenhof, Cercle. Die Verbindung der beiden Gebäu- zustrahlen und ohne das bauliche Umfeld der zur Beleuchtung und Belüftung der de an dieser Stelle erlaubte den Erhalt der zu erdrücken. Ganz im Gegenteil, die hel- nach hinten gelegten Räume angelegt wor- Ehrentreppe und des Foyer in seinem ur- len Farben der modernen Baumaterialien den war, mit in den Bau einbezogen. Somit sprünglichen Glanz. Dazu kommt, dass die der Fassade stehen komplementär zu den konnten bessere Verbindungswege inner- „Salle flamande” nunmehr auch Zutritt zu historischen, in Stein errichteten Gebäuden halb des Gebäudes geschaffen, die Küche neuen, behindertengerechten Sanitäranla- der Nachbarschaft. Die Gesimshöhe des vergrößert und ein kleines Amphitheater gen bietet. Cité erlaubt es dem Neubau, sich sinnvoll eingerichtet werden. Die Einbeziehung des Innenhofes in und ästhetisch ins Stadtviertel einzufügen. Schade eigentlich um das Jugenstiltrep- das Projekt erlaubte es, einen kleinen Raum Der Kontrast zwischen dem zeitgenössi- penhaus zur Lantergässel hin. Es musste gleich hinter dem leicht zurückversetzten schem Cité und dem historistischen Cercle einer schmaleren Treppe weichen, welche Ausschank im Foyer zu schaffen. In direk- ist äußerst gelungen und sorgt dafür, dass Zugang zu den Personen- bzw. Frachtauf- ter Verbindung mit der darunterliegenden Alt und Neu sich ergänzen. Die Stein- und zügen schafft. Der Fahrstuhl zur Seite der Küche erleichtert er die Bedienung in den

6 ßen Wert auf die reichen Auschmückungen in Etappen in den Jahren 1971 bis 1976 Cercle und Cité der Friesen, Stuckdecken, Kolonnen und durchgeführt, denn das Gebäude musste ein neues Wandverzierungen6. schließlich während der Arbeiten zumin- Somit bot sich damals das Cercle- dest teilweise zugänglich bleiben11. kulturelles Gebäude in neuem Glanze regelrecht für Der Stadtpalast war inzwischen sechzig Staatsempfänge, Galadiners, akademische Jahre alt, und er hatte von 1952 bis 1969 Zentrum Sitzungen, Vorträge und Kolloquien, Bälle, auch als Sitzungssaal des Gerichtshofs der Konzerte und Theateraufführungen, Aus- Europäischen Gemeinschaft für Kohle und stellungen und Bazars an. Stahl (CECA) gedient, da die zum EGKS- Dabei muss gesagt werden, dass der Gerichtshof umfunktionierte Villa Vauban Cercle eigentlich nie „nur” ein Festsaal mit über keinen geeigneten Versammlungssaal angrenzenden Salons und Prunkräumen verfügte. Auch der besondere Ministerrat war. Er hatte immer eine doppelte Funk- der EGKS tagte im Cercle12. Die Vereini- tion, nämlich Verwaltungsbau und Fest- gung „Caméra ” verfügte saal der Hauptstadt. Das 1957 über einen Arbeitsraum im Stadtpa- Tourist Office verließ das Cercle-Gebäude last, während die belgische Fluggesellschaft Empfangsräumen. Dem Archikturteam Ende 2006. Das ehemalige Empfangsbüro SABENA im Erdgeschoss Räumlichkeiten ging es hier ebenfalls um die Bewahrung für Touristen dient jetzt als so genannte angemietet hatte13. Die Abnutzung der und Aufwertung der historischen Archi- „Vitrine” des hauptstädtischen Geschäfts- Infrastrukturen war groß, und einige Gips- tektur. Die farbenfrohe Glaskuppel über verbandes. säulen waren an mehreren Stellen einge- dem Ausschank wurde beibehalten. Durch Als 1978 das Centre Hamilius fer- schlagen14. Unter der Leitung von Architekt künstliches Licht wird sie von außen ange- tiggestellt war, konnten der „service de Michel Heintz15-16 wurden umfangreiche strahlt, und so verleiht sie dem Foyer bei l’architecte”, der „service des travaux” Renovierungsarbeiten durchgeführt und Empfängen eine stilvolle und noble Atmo- und der „service de topographie et des verschiedene Verbesserungen und Mo- sphäre. Diese Anlage erlaubte es ebenfalls, biens communaux” neue Räumlichkeiten dernisierungen vorgenommen. Auch neue den Innenhof in der dritten Etage mit ein- an der Rue Aldringen beziehen. Sie waren Nutzungsmöglichkeiten des Gebäudes wur- zubeziehen. Somit konnte dieses gesamte seit 1909 im Cercle in den oberen Stock- den vorgesehen. Am 31. Januar 1972 legte Stockwerk als kleines Kongresszentrum werken untergebracht7. Die letztgenannte Michel Heintz seinen Kostenvoranschlag hergerichet werden, mit Auditorium (acht- Dienststelle kehrte schließlich in den Cercle für Arbeiten im Umfang von 26 200 000 undvierzig Sitzplätze) und vier modern zurück. Franken vor. Die alte Zentralheizung hat- eingerichteten Sitzungsräumen seitens der Im ehemaligen Ratskeller, der seit 1976 te ausgedient und musste ersetzt werden, Lantergässel und der Paschtoueschgaass. als Ausstellungsraum der Stadt figurierte8, was bereits 23% dieser Summe verschlang. Das Auditorium schließt einen Teil der ehe- wurde 1981 eine Kopie des Modells der 850 000 Franken waren für eine neue maligen Orchesterloge des Festsaals mit Festungsstadt aus dem Jahre 1805 zur Kücheneinrichtung vorgesehen, 250 000 ein. Sanitäranlagen und Sicherheitstreppen Besichtigung aufgestellt. Hier verblieb das Franken flossen in die Neugestaltung und vervollständigen diese neue Infrastruktur. Modell bis zu seiner Übernahme ins neue Vergrößerung der Räumlichkeiten des Syn- Unter dem Dachstuhl befinden sich städtische Geschichtsmuseum im Jahre dicat d’Initiative et de Tourisme (heute nunmehr die Pförtnerwohnung sowie tech- 1996. Zu Beginn der 1980er Jahre wurden LCTO). Die restlichen finanziellen Mittel nische Anlagen. einige Instandsetzungsarbeiten durchge- waren exklusiv den öffentlich zugänglichen Nach diesen umfangreichen Umbau- führt, wovon die markanteste wohl das Hallen, den Salons und dem Festsaal vor- arbeiten verfügt der Cercle nunmehr über Entfernen der Dachreiter war. Aus Sicher- behalten. Zu den Verschönerungsarbeiten 317 qm Sitzungs-, 806 qm Empfangs- und heitsgründen wurden damals an mehreren 320 qm Verwaltungsräume sowie über öffentlichen Gebäuden die Dachreiter ent- 490 qm Ausstellungsflächen im Erdge- fernt, was zur optischen Folge hatte, dass schoss inklusive Ratskeller4. diese Bauten nunmehr in ihren eleganten 1 Hansen, Josée, Débat culturel, la culture dans la Rue Proportionen gestört waren und nun sehr http://www.land.lu/html/dossier debat cult/itw flesch plump und schwerfällig wirken. In diese Zeit 23022001.html; Die Rolle des Cercle 2 Kieffer, Sophie, Deux grands chantiers de Luxembourg- in der Stadtgeschichte fällt auch das Anbringen der Monumental- ville: la bibliothèque sur le site de Ciné Cité et le Cercle, kohlenskizze „Golgotha” des ungarischen in d'Wort, 21 décembre, 2006; 3 Mäckler, Christoph, Verborgene Schönheiten vom Die letzte größere Renovierung des Meisters Michael Munkacsy im „Salon Hofraum zum Stadtraum, in Stadtvisionen 1910/2010, Cercle vor den jetzigen Umbauarbeiten bleu”. Das 1884 entstandene Werk kannte Vilnius, 2010, p. 456-459; 4 Ville de Luxembourg; Luxconsult- Ingénieurs-conseils, geht auf die Jahre 1990/1991 zurück5. Die einen großen Erfolg und wurde seinerzeit Centre socio culturel Cercle municipal, fête du bouquet Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag der in Europa und in Amerika ausgestellt. Die 2007, p. 7-10; 5 Ville de Luxembourg, LU 11IV/5 N° 3730 14 (travaux de Luxemburger Dynastie verlangten nach Luxemburger Gattin des Künstlers, Cecile restauration du cercle 1990-1991); einem geeigneten prunkvollen Rahmen. Papier, schenkte die Skizze ihrer Heitmat- 6 Vermast, Elisabeth, Der Cercle - ein Stück Stadtgeschichte, in ons stad, N° 37, Luxembourg, 1991, Die reich verzierten Wandtäfelungen wur- stadt. Lange Jahre schmückte das Bild den p. 11-13; den von ihren verschiedenen Farbschichten Gemeinderatssaal der Hauptstadt, bis es 7 Archives de la Ville de Luxembourg, LU P IV/2 B, N° 135; 8 Archives de la Ville de Luxembourg, LU IV/D, N° 1011; befreit, die Prunkräume in dezenten Far- 1982 fachmännisch restauriert wurde und 9 Mersch Jules, Madame de Munkacsy, in Biographie ben gestrichen, die Salons mit wertvollen schließlich im Cercle einen neuen würdigen nationale, Luxembourg, 1954, p. 460; Kohnen, Joseph, Munkacsy und Luxemburg, 2008, p. 103; Tapeten bespannt, die Säulen im Foyer im Platz fand9. 10 Archives de la Ville de Luxembourg, LU 11 IV/4 Trompe l’oeil N° 1009; - -Verfahren im Marmorstil 1969 hatten einige Dringlichkeitsar- 11 Idem, LU IV/D, N° 1011; bemalt. Das Parkett im Festsaal wurde neu beiten an der Zentralheizung und verschie- 12 www.ena.lu; 10 13 Archives de la Ville de Luxembourg, LU 11 IV/4 N° 931 versiegelt, feierliche rote Vorhänge wurden dene Dichtungsarbeiten den Auftakt zu et LU 32.2, N° 99; aufgehängt, Entlüftungs-und Belüftungs- größeren Arbeiten gegeben. Provisorische 14 Erinnerungen des Verfassers; 15 Archives de la Ville de Luxembourg, LU11 IV/4 N° 1009; anlagen geschaffen oder ausgebaut. Bei Zwischenwände im Festsaal wurden zu- 16 Michel Heintz war Architekt in Diekirch; er war am den damaligen Renovierungsarbeiten legte nächst wieder entfernt, und die Planung Wiederaufbau der Basilika in Echternach beteiligt gewesen, und arbeitete mehrfach für den Luxemburger das Architekturbüro der Stadt durch Schat- einer weitgehenden Renovierung wurde Staat (Frieden, Camille, Erwähnte Baugestalter nebst tierungen und farbliche Abstufungen gro- im folgenden Jahr vorbereitet. Sie wurde Kartographen, Luxembourg, 1996, p. 19.);

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gehörte auch das Ersetzen der Granit- und und der Gesangverein „Orpheon” seinen reiche Luxemburger Unternehmen an den Plattenbodenbeläge und der Kalksteinstu- Probesaal verlassen, denn der Schöffenrat Umgestaltungsarbeiten beteiligt, so die fen durch Travertin und Marmorstufen im investierte über eine Million Franken in die Marbrerie Jacquemart, der Malerbetrieb Peristyl, Promenoir und Foyer, das Anbrin- Neugestaltung des Ratskellers. Doch erst Regenwetter, Tapis Hertz u.v.a.19. gen einer Balustrade an der Orgeltribüne, am 18. März 1976 beschloss er dessen neue In den Zwischenkriegsjahren war der das Aufhängen von Vorhängen mit fest- Bestimmung. Er sollte für kleinere Anlässe, Festsaal des Cercle ein beliebter Treffpunkt lichem Charakter sowie die Anschaffung Rezeptionen, Vorträge und Ausstellungen des städtischen Bürgertums. Das durch einer angemessenen Einrichtung für die genutzt werden18. Wenig umstritten, wenn die Eingemeindung von 1920 geschaffene Konferenzsäle und den Festsaal. Hervorzu- überhaupt, war das Schaffen eines Vorzim- neue Territorium der Stadt bot nun weit- heben ist hier ebenfalls das Anbringen ei- mers zur besseren Trennung der öffentlich gehend Platz zur Auslagerung an die Pe- nes kunstvollen Farbfensters im Ratskeller zugänglichen und der Verwaltungsräume. ripherie einiger seit 1909 im Cercle etab- durch den Artisten Michel Heintz17 sowie Die seit 1934 für das „Syndicat d’Initiative lierter Dienststellen. 1929 konnten die seit der Einbau von Farbfenstern im Foyer. Zu et de Tourisme” bereitgestellten Räumlich- 1921 geschaffene Berufsfeuerwehr und den Renovierungsarbeiten gehörte auch keiten mussten vergrößert, der Empfangs- der Krankenwagendienst ihren Sitz am Pa- ein Lastenaufzug, der die Arbeiten zur Her- raum der touristischen Informationsstelle radeplatz verlassen20. Ab 193421 nutzte das richtung des Festsaals und Konferenzsäle verschönert und den modernen Erforder- „Syndicat d’Initiative et de Tourisme de la wesentlich vereinfachte, die Erneuerung der nissen der Kundschaft angepasst werden. ville de Luxembourg” die Räumlichkeiten elektrischen Anlagen, die Herrichtung neu- Zur Vergrößerung der Verwaltungsbüros des Krankenwagendienstes als Auskunfts- er öffentlicher Toiletten im Untergeschoss des „Syndicats” wurde die Wohnung des büro. Damit wurde dem Paradeplatz seine und im ersten Stockwerk sowie der Einrich- Pförtners im ersten Stock durch eine Wen- hohe urbane Funktion gesichert und wei- tung einer Bar im Foyer. Auch die Akustik deltreppe mit den Büros im Erdgeschoss terhin unterstrichen. im Festsaal wurde verbessert. Zusammen verbunden. Der Pförtner zog in eine neue Im Erdgeschoss befand sich seit der mit dem Dirigenten der Luxemburger Mi- Wohnung im dritten Stockwerk. Diese Eröffnung des Hauses, neben den bereits litärmusik wurde eine Analyse der Tonlage Räumlichkeiten waren zuvor von der Bau- genannten Dienststellen, zur Seite der durchgeführt. Daraufhin wurde die Decke tenverwaltung genutzt worden, die jetzt Lantergässel auch das städtische Polizei- des Festsaals mit Rustikputz Caparol ver- ins Zwischenstockwerk zur Seite der Rue du kommissariat. Hier tagten auch mehrere sehen, die Vorhänge mussten aus Samt Curé zog. Der „service des biens” etablier- Aufsichtskommissionen, so etwa jene der angefertigt werden und eine elektrische te sich in den Räumlichkeiten der Agenten Verwaltung der Hospize, der Schulen und Tonanlage wurde angeschafft. Die neuen der „Zone bleue”. Die für Büros als zu hoch des Wohltätigkeitsbüros. Im Keller waren Nutzungsformen blieben nicht unumstrit- empfundenen Decken wurden damals ab- von der Rue du Curé her, öffentliche Toilet- ten. Das „Centre Culturel et de l’Education gesenkt. Wie beim Bau des Cercle-Gebäu- ten zugänglich. Die Pförtnerwohnung be- Populaire” musste seine Bibliothek räumen des waren auch diesmal mehrere traditions fand sich im ersten Stockwerk, gleich hinter

8 Im Sommer 1909 war die Innenein- 17 Michel Heintz, (1944): Kunststudien in Nanzig und Cercle und Cité richtung fertiggestellt. Seit März 1906 Paris. Mitglied des Cercle Artistique de Luxembourg. Werke: Brunnen an der Place Guillaume II (heute an der ein neues arbeiteten die Schreiner Kolbach, Hent- Rue de Strasbourg neu errichtet); St Willibrord Statue in zen, Lenertz, Feller und Linster an den Echternach; Monument zu Ehren der amerikanischen Befreier in Clervaux. (Herr, Lambert, Signatures kulturelles reich verzierten Türrahmen, Täfelungen, portraits et autoportrait, Luxembourg, 2001, p. 123.); Treppen und Geländern. Mit den Anstrei- 18 Archives de la Ville de Luxembourg, LU 11 IV/4, Zentrum N° 1011; cherarbeiten betraute die Stadt im Juli 19 Ibidem; 1906 die städtischen Handwerkerbetrie- 20 Vingt-cinq années au service de la ville de Luxembourg, in mémoriam Gaston Diderich, Luxembourg, 1946, be J. B. Schiltz, Welker & Scharpegge, Fr. p. 12; Burkel und Nik. Beicht. Jacques Bradtké 21 Pinnel, Roland, Des premiers pas du «Syndicat d'Initiative» vers le LCTO, in ons stad, N° 88, beschaffte 28 große Spiegel und besorg- Luxembourg, 2008, p. 51; te die Glaserarbeiten. Das Luxemburger 22 Archives de la Ville de Luxembourg, LU P IV/2 B, N° 121; 23 Philippart, Robert, L, Luxembourg, de l'historicisme au Unternehmen Nouveau-Printz lieferte die modernisme, de la ville forteresse à la capitale nationale, Kücheneinrichtung, Jacquemart die Mar- t. 2, Luxembourg-Louvain-la-neuve, 2006, p. 682-683; 24 Tony Dutreux (1838-1933) Zivilingenieur, Stadtrat mor- und Plattenböden der Empfangsräu- und liberaler Abgeordneter. Berater der Regierung zur me, Michael Funck legte die Mosaik- und Öffnung der Festung Luxemburg, zur allegorischen Ausschmückung der Abgeordnetenkammer, zur Wandplatten in den der Öffentlichkeit Einrichtung des Regierungssitzes, zum Bau eines nicht zugänglichen Räumen27. Neun aus- Nationalmuseums. Kommissar Luxemburgs anlässlich der Weltausstellungen von 1867, 1868, 1889 und ländische Firmen aus Paris, Berlin, Lüttich, 1900. Kurator bei der Fondation Pescatore. Beteiligt den Empfangs- und technischen Räumen22. Dresden und Frankfurt-am-Main reichten an den Plänen zu Errichtung der Denkmäler «Amalia» und «Wilhelm II». Promotor der Idee zum Bau Der Dachboden sollte, genau wie bei den ihre Kostenvoranschläge für 88 Bron- eines Museums für die Bildersammlung Jean-Pierre Staatsverwaltungen, als Archiv dienen23. ze- und Kristalleuchter ein. Die Firma des Pescatores. Vorsitzender des Elektrizitätswerkes, 24 der Wilhelm Luxemburg Eisenbahnnetzes, der Tony Dutreux hatte 1925 der Gemeinde Architekten Wilhem Maus aus Frankfurt- Museumsgesellschaft, Vizepräsident der ARBED vorgeschlagen, im Festsaal eine Konzert- am-Main wurde mit diesen Ausführun- und Ehrenvorsitzender der Banque Internationale (Philippart, Robert L., Luxembourg, historicisme et orgel einzubauen, da die städtische Musik- gen beauftragt, da die Bestimungen der identité visuelle d'une capitale, Luxembourg, 2007, schule hier regelmäßig sinfonische Konzer- Zollunion den deutschen FirmenVorteile p. 98.); 25 25 28 Archives de la Ville de Luxembourg, LU 52.1, N° 33; te gab . Dieser Vorschlag entsprach auch verschafften . Das Unternehmen Mölle- 26 Jourdain, Guy, Histoire du conservatoire, in 100 e dem von dem damaligen Abgeordneten ring aus Hannover erstellte die Zentralhei- anniversaire Conservatoire de musique de la ville de 29 Luxembourg, 2006, p .45; und Bürgermeister Gaston Diderich einge- zung , und die Firma Bembé aus Mainz, 27 Idem, LU 11 IV/2, N° 954; reichten Gesetzesprojekt über die staatli- die bereits für den großherzoglichen Pa- 28 Idem, LU 11 IV/2 N° 1529; 29 Koltz, J(ean)-P(ierre), Baugeschichte der Stadt und che Beteiligung an den Kosten des Musik- last gearbeitet hatte, fertigte die Parkett- Fstung Luxemburg, t. 3, Luxembourg, 1951, p. 103-104. konservatoriums26. böden an30. 30 Archives de la Ville de Luxembourg, LU 11 IV/2, N° 954;

Ausstellungsraum Ratskeller © Photothèque de la Ville de Luxembourg Auditorium Henri Beck 9 © Photothèque de la Ville de Luxembourg Salon de la coiffure et de la mode (1950)

Vom 23. bis zum 31. März 1985 fand im Eingang des Cercle eine von den „Femmes Socialistes“ Luxemburg organisierte Ausstellung über die Hexen statt. Die auf historischen Forschungen begründete Ausstellung zeigte die Entstehungsgeschichte und die Verbreitung des Hexenwahns im Laufe der Jahrhunderte.

Die Symbolträchtigkeit Aldringen waren nahezu abgeschlossen. politische Macht kam bisweilen nur wenig des Cercle-Gebäudes Das Staatslaboratorium wurde auf einer zum Vorschein. Die „alte” Badanstalt am allgemein sichtbaren Anhöhe errichtet, die Bäderplatz war ebenso wenig repräsen- Das Cercle-Gebäude ist für den Stadt- Fondation Pescatore, das bischöfliche Kon- tativ wie das städtische Theater oder das besucher von weither sichtbar. Es ragt vikt oder der Sitz der Banque Internationa- Rathaus. Nur die Aldringen-Schule stellte durch seine Höhe und seinen Turm aus der le am Boulevard Royal gehörten damals zu einen gemeindeeigenen Monumentalbau Dächerwelt der Altstadt deutlich empor. den Großbauten der Stadt. Die staatlichen dar. Als die Gemeinde Hollerich einen Wo- So erkennt man gleich die Place d’Armes, Behörden diskutierten emsig um den Bau chenmarkt erlaubte, diskutierte der haup- denn der Cercle stellt eine deutliche Re- eines Nationalmuseums, einer Nationalbi- städtische Gemeinderat über den Bau einer ferenz im Stadtbild dar. Das war auch so bliothek, über eine weitere Vergrößerung Markthalle an der Place Guillaume II. Ein gewollt, denn historistische Architektur sah des Justizpalastes, den Bau einer Industrie- Turmbau sollte diese rein städtische Funk- alle Gebäudefunktionen als gleichwertig bzw. einer Handwerkerschule. Die Avenue tion unterstreichen und sie weithin sicht- an. Mithin rivalisierten im Stadtgebiet öf- de la Liberté wurde als Prachtstraße ge- bar machen. Private Eigentumsverhältnisse fentliche und private Bauten untereinander, plant, der Bau der Adolfbrücke begonnen. verhinderten jedoch die Ausführung dieses um ihre gesellschaftliche Wichtigkeit und In kirchlichen Kreisen erwog man den Bau Projekts34. Die Idee des Turmes als Symbol Macht darzustellen, die Aufmerksamkeit einer neuen Kathedrale am Pferdemarkt der öffentlichen städtischen Macht wur- auf sich zu ziehen oder um den Charakter (Glacis). de allerdings wieder beim Bau des Cercle ihrer zentralen Lage zu unterstreichen31. Dieser Drang nach Monumentalbau- übernommen. Geschäftsbauten wurden am Anfang des ten war nicht allein das Resultat einer guten Der Wunsch nach eigener Darstellung zwanzigsten Jahrhunderts mit drei Stock- wirtschaftlichen Lage oder der Sehnsucht im Stadtbild war groß, besonders auch, werken zuzüglich Mansardendachs in den nach Repräsentativität im Stadtbild. Man weil die Gemeinderäte der „neuen” Städte Hauptverkehrsstraßen errichtet. Befanden hatte erkannt, dass die Unterbringung von im Süden des Landes repräsentative Rats- sie sich an Straßenecken, wurden sie durch sich immer weiter spezialisierenden Ver- häuser planten. Der Stadtrat zog somit sein Rotunden, Eckrisalitten oder Kuppeln her- waltungen in ineinander verschachtelten Interesse am Bau eines Festsaales im Rah- vorgehoben. Hotels und Geschäftsbauten alten Wohnhäusern nicht einer modernen men eines Nationalen Museums zurück. bestimmten somit nach und nach die Skyli- Arbeitsweise und schon gar nicht neuen Daraufhin musste der Staat seine diesbe- ne der Stadt32. Auch der Staat machte sich Sicherheitskriterien entsprechen konn- züglichen Pläne überarbeiten und sein Pro- im Stadtgebiet durch Verwaltungsbauten te. Eine moderne Funktionalität, optimale jekt zurückstutzen35. Ein Monumentalbau, immer mehr wahrnehmbar. Prosper Biwer Beleuchtung und Belüftung der Innenräu- dem man 1910 den Titel „Stadtpalast” hatte eben das Haus de Gerden um einen me musste geschaffen werden33. Und die verlieh36, mit einem Turmbau als städti- Flügel erweitert; die Pläne zum Bau eines Machtverhältnisse mussten im Stadtbild sches Machtzeichen, sollte die Rolle der repräsentativen Postgebäudes an der Rue klar in Erscheinung treten. Die kommunal- Gemeinde unterstreichen, und die Bürger

10 mit der Monarchie des Landes unterstrei- Künstler schließlich zurückgezogen49. Für Cercle und Cité chen42. Das moderne Stadtwappen sowie den Sockel des Cercle-Gebäudes wurde ein neues das frühere aus burgundischer Zeit sollten Luxemburger Stein aus Ernzen, Dillingen, klar die Besitz- und Machtverhältnisse re- Born, Bollendorf, Bettendorf und Larochet- kulturelles flektieren. Als gemeindeeigener Bau ziert te verarbeitet50. Dennoch wurden für die auch das Stadtwappen den Seiteneingang Verzierungen französische Steine aus der Zentrum in der Rue Genistre sowie die Hauptpforte Bourgogne, der Provence, der Loire und des Festsaals. Kastanienblätter schmücken der Lorraine erlaubt51. Sie wurden häufig die Kapitäle der mächtigen Säulen, welche für Schlösser verwendet und sollten die die Terrasse tragen. Diese Ausschmückung kulturelle Nähe Luxemburgs zu Frankreich sollte auf die Naturschönheiten des Landes unterstreichen. hinweisen. Sie stehen in gewolltem Gegen- Historistisch eklektizistisch ist das Cer- satz zu den mediterranen Akanthusblät- cle- Gebäude nicht nur der vermischten Stil- tern neuklassizistischer Architektur43. Die richtungen der Fassaden und Ausschmüc- Ehrentreppe sollte durch ein farbenfrohes kungen wegen, sondern ganz besonders Glasfenster beleuchtet werden, das den auch durch die bewusste Verwendung der Stadt an einem öffentlichen Ort verei- Auszug der preußischen Garnison aus der neuer Baumaterialien. Der Luxemburger nen. Hinzu kommt, dass die Stadt damals Hauptstadt darstellt. Die Aufhebung der Sandstein kleidet ein Stahlbetongerüst plante, das 1902 geschaffene neue Musik- Festungsstadt im Jahre 1867 sollte klar und ein52 – wobei man bemerken muss, dass konservatorium im Cercle unterzubringen. deutlich zeigen, dass nunmehr Luxemburg man dem Dommeldinger Zement das La- In diesem Sinne wurde im Festsaal eine seine volle Freiheit erlangt hat44. Auf eine Orgeltribüne miteingebaut, die allerdings aufwändige Deckenmalerei im Festsaal nie für diesen Zweck genutzt wurde. 1906 wurde verzichtet, obwohl dies damals üb- hatte die Gemeinde ihre Musikschule, im lich war. Die Innenausschmückung sollte 31 Loyer, François, Paris XIXe siècle, Paris, 1994, p. 276- Rahmen der inzwischen erfolgten Schen- eher neutral sein: Blumengirlanden aus 277; 32 Philippart, Robert L., Luxembourg, historicisme et kung und Stiftung Eugénie Pescatore- Stuck sollten im Peristyl und in den „Pro- identité visuelle d'une capitale, Luxembourg, 2007, Dutreux, in der Rue du St Esprit eröffnet37. menoirs” den festlichen Charakter unter- p. 90-91; 33 Idem, Luxembourg, de l’historicisme au modernisme…. Der Bau des Cercle mit „Ratskeller” und stützen, ebenso wie Musikinstrumente an op. cit., t. 2, p. 794-815; Festsaal reiht sich ebenfalls in die europä- der Decke des Festsaals. Ganz im histori- 34 Koenig, Jean-Pierre, Avant-projet de passage et de marché couvert pour la ville de Luxembourg, in Bulletin ische Bewegung zum Bau von unzähligen stischen Sinne sollte auch jeder Saal sei- mensuel, organe officiel de l’association des ingénieurs Theater- und Kleintheatersälen ein. Die nen eigenen Stil haben, so der „Salon des et indsutriels luxembourgeois, N° 11, Luxembourg, 1906, p. 175. LU P IV/2/B, N° 22; großen „Brasseries” kannten einen unge- Dames”, der kleine Rauchersalon neben 35 Archives Nationales Luxembourg, Travaux Publics, ahnten Aufschwung. Dahinter verbarg sich dem „Grand Salon” mit Monumentalkamin N° 540; 36 Friedrich, Evy, 70 Jahre Cercle, in Tageblatt, Esch/ der Wunsch des gebildeten städtischen (spätere „Salle flamande”) oder das Kon- Alzette, 1976, N° 277, p. 5; 37 Conservatoire de la Ville de Luxembourg, Conservatoire Bürgertums, seine zunehmende Freizeit zu ferenzzimmer („Salon bleu”), das auch als e . de Musique de la ville de Luxembourg, 75 anniversaire, nutzen, um sich zu treffen, Geschäfte zu Buffet dienen sollte. Ob Adelspalast, Grand Luxembourg, 1981, p. 57 & 86; machen oder sich selbst zu feiern38. Das Hotel oder Stadtvilla, jedes Zimmer taucht 38 Pinchon, Jean-François, Edouard Niermans, architecte de la Café-Society, Liège, 1991, p. 215; Cercle-Gebäude garantierte in einer ideo- den Besucher in eine andere Epoche, in ei- 39 Archives de la Ville, LU P IV/2 B, N° 126; 40 Pinnel, Roland, Le Cercle… op. cit., p. 231; logisch stark geteilten Welt ein neutrales nen anderen Kulturraum. Man zeigt sich 41 45 Philippart, Robert L., Luxembourg, de l'historicisme au Terrain. Der „Ratskeller” im Erdgeschoss gebildet und nennt sich Erdenbürger! modernisme… op. cit., t. 2, p. 981-987; zur Rue du Curé hin bot dem Bürger eine Doch damit nicht genug. Das Cercle- 42 Peporte, Pit, Ermesinde, in Lieux de mémoire au Luxembourg, Luxembourg, 2007, p. 59; kleine Bar mit angrenzender Küche sowie Gebäude gibt sich auch betont luxembur- 43 Vandenbreeden, Jos; Dierkens-Aubry, De 19de eeuw in einen Tanzsaal mit Orchesternische39. gisch. Staatsminister Paul Eyschen war België, architectuur en interieurs, Tielt, 1994, p. 105; 44 Archives de la Ville de Luxembourg, LU 11 IV/2 N° 952- Bei den Diskussionen um den Bau ging engagierter Befürworter des „Heimat- 953; gar die Rede davon, das Cercle-Gebäude stils”, und so sollten auch alle öffentli- 45 Mihail, Benoît, Nationalism an architecture in nineteenth-Century France, in Sources of Regionalism, auch als Rathaus zu nutzen. Das bestehen- chen Bauten diesen heimischen Charakter in the nineteenth Century, Leuven, 2008, p. 59-71; de Gemeindehaus am „Knuedler” könnte vertreten46. Die an ausländische Künstler, 46 Philippart, Robert L., Dans quel style allons-nous construire? L’historicisme à Luxembourg, Syllabus du somit zum Museum umfunktioniert wer- Handwerker und Steinbruchbesitzer ver- cours Cycle «Histoire de l'architecture de l'ingénierie et den40. gebenen öffentlichen Aufträge hatten vie- de l'urbanisme au Luxembourg, savoirs, méthodes et 47 pratiques pour construire dans l'existant, Luxembourg, Historistische Architektur wurde als le Luxemburger in ihrem Stolz verletzt . 2009, p. 54-55; dauerhafte Architektur geplant. Sie soll- 1896 hatte Eyschen die Handwerkerschule 47 Idem, Luxembourg, de l’historicisme au modernisme… op. cit., t. 2, p. 886-887; te die Funktion eines Gebäudes durch ein zur Förderung Luxemburger Kunsttalente 48 Pierre Federspiel (1864-1924) hatte an den symbolträchtiges Dekor hervorheben und geschaffen. Demnach sollten es auch Lu- Kunstakademien in München und Berlin, sowie an der Académie Julian in Paris studiert. Er war Mitgleid so auch das Charisma des Besitzers dar- xemburger Architekten sein, welche diesen des Cercle Artistique in Luxemburg. Er gewann die stellen. In diesem Sinne schuf der Gemein- Großauftrag erhalten sollten, und es sollten Goldmedaille beim Prix de Rome (1894). Er schuf die Skulpturen des Dicks-Lentz Monumentes und die derat eine Arbeitsgruppe, der Nicolas Van auch Luxemburger Bildhauer mit ins Projekt Büsten am Bahnhofsgebäude. Er war Kunstlehrer in Werveke angehörte und die Stadt hier in einbezogen werden. Pierre Federspiel48, Luxemburg. (Herr, Lambert, Signatures… op. cit., p. 77.); Sachen historische Ausschmückung des und nicht etwa ausländische Künstler, wie 49 Archives de la Ville de Luxembourg, LU 11 IV/2 N° 1529 Gebäudes beraten sollte. Der Autor der es bei den Denkmälern für Prinzessin Ama- Jean Mich (Machtum 1871-Paris+/-1919) hatte an den Kunstakademien von Paris und München studiert, und „Kulturgeschichte des Luxemburger Lan- lia, König-Großherzog Wilhelm II. oder der war Mitglied des Cercle Artistique Luxembourgeois. des” 1902 erhielt er den Grossherzog Adolf Preis. Arbeitet in hatte den Staat bereits mehrfach in Ausschmückung der Kathedrale der Fall Paris, Luxemburg und Wuchang. Grabmal von Ernest ähnlicher Mission beraten, so z. B. bei der gewesen war, zeichnet die Bildhauerwerke derulles und Laurent Menager, Bildhauerarbeiten am Sitz der Sparkasse. (Philippart, Robert L, Eugène Gestaltung des großherzoglichen Palastes der Fassade. Der damals in München stu- Ruppert à l'origine des plus grandes usines de Chine, in oder dem Bau eines Nationalmuseums41. dierende Luxemburger Kunsthandwerker Le Jeudi, 31 décembre 2009, p. 11.); 50 Archives de la Ville Luxembourg, LU 11 IV/2 N° 954 & Die Überreichung des Freiheitsbriefes durch Jean Mich hatte den ersten Preis zur Erstel- 955; Gräfin Ermesinde an die Stadt Luxemburg lung des Kunstfensters an der Ehrentreppe 51 Audun-le-Tiche, Méreuil, Ravières, Chantenay, Maxéville (Archives de la Ville de Luxembourg, LU 11 sollte die Erlangung städtischer Freiheiten gewonnen. Aufgrund von Meinungsver- IV/2 N° 1527-1528; darstellen und die Verbundenheit der Stadt schiedenheiten mit der Jury hat sich der 52 Idem, LU P IV/2 B, N° 122;

11 © Photothèque de la Ville de Luxembourg 1905

bel „national” verlieh53. Beton ist stabil, er- Erziehung der Stadtbevölkerung über ihre fentliche „Arbeitszeit”. Der Mensch des laubt weite Spannweiten und bietet größ- Geschichte. Trotzdem mussten die Pläne den Industriezeitalters entwickelte somit ein ten Brandschutz. Der Innenhof war mit Wünschen der Jury, der Stadtväter und des neues Verhältnis zur Zeit, ganz anders emaillierten Backsteinen eingekleidet, um Staates angepasst werden. Jugendstilallüren als es die Agrargesellschaft inne hatte. 59 so das Sonnenlicht besser aufzufangen und mussten entfernt werden. Dem damaligen Tony Dutreux zahlte aus eigener Tasche auf die Glas- und Stahlkuppel weiterzulei- Verständnis nach hatte nur der Historismus den Aufpreis für das nachts von innen her ten. Trotz Einsatz von Beton, Glas und Stahl offiziellen Charakter und durfte das Stadt- beleuchtete gläserne Ziffernblatt der Uhr. war man noch nicht bereit, die Schönheit bürgertum reflektieren. In manchen Städten Der Stadtrat hatte nämlich ein billigeres aus dieser neuen Baumaterialien klar zur Schau ging man sogar so weit, dass man Jugend- Stein vorgesehen60. zu stellen, obwohl die Grey-Träger54 in stilbauten in Zentrumslagen verbot56. Schließlich verzichteten die Entscheider Differdingen hergestellt wurden und zu Den Grand-Hotels oder Stadtpalästen auf jene Figuren, die den Giebel des linken den zukunftsträchtigsten Industrieproduk- nachempfunden, musste der Cercle über Eckrisalitten abschließen sollten. Bei Fragen ten des Landes zählten. Die Stahlträger in- einen Approach zu erreichen sein. Der Be- zu Verzierungen an öffentlichen Gebäuden des wurden, wie es damals üblich war, in sucher konnte somit trockenen Fußes un- sprachen sich die Verantwortlichen gene- Gipssäulen eingekleidet55! ter den Arkaden seinem Wagen entsteigen rell für ein Maximum an Sobrietät aus61. und sich ins Innere des Gebäudes bege- Auch sind die Ausschmückungen im In- Die Architektur des Cercle-Gebäudes ben57. Dadurch konnte eine große Terrasse nenbereich viel bescheidener ausgefallen als weiteres Foyer des Festsaals gewonnen als ursprünglich geplant. So wurde auf jede Aus dem anonymen Architekturwett- werden, die auch für offizielle Kundgebun- figürliche Darstellung im Peristyl oder im bewerb der Jahre 1903/1904 (siehe den gen genutzt werden konnte. Das Anlegen Festsaal verzichtet. Beitrag von Evamarie Bange auf den Sei- des geräumigen Approach verlangte, dass Die endgültigen Pläne zum Bau des ten 40-43) ist das Projekt „Coq” von Paul sich der Stadtturm als Ausladung erst ab Cercle-Gebäudes wurden am 10. Sep- & Pierre Funck aus mehreren Gründen als der ersten Etage erhebt. tember 1904 angenommen. Trotz einiger Sieger hervorgegangen. So zeigte es deut- Der Mittelteil des Gebäudes wurde Einsparungen bei der Ausschmückung der lich die Funktion des Innern nach außen durch eine von Doppelsäulen flankier- Fassade und des Innenbereichs war das hin. Man kann die Lage des Festsaals an der te Stadtuhr hervorgehoben58. Die Uhr Budget von 750 000 auf 1 228 000 Franken Fassade ablesen. Es ist das einzige einge- hat besonderen Symbolcharakter: In der angestiegen62. Die Arbeiten begannen ein reichte Projekt, das die Idee des historischen städtischen Gesellschaft ist es die öffent- halbes Jahr später. Als Unternehmer wur- Stadtturms aufgreift. Als einziges Projekt er- liche Macht, die an das Einhalten der Zeit den die Betriebe Scholler und Ledrut mit laubt die Fassadengestaltung, zur Seite des gemahnt. Die Wirtschaft wird durch die den Erdarbeiten und dem Rohbau beauf- Paradeplatzes und zur Rue du Curé hin, das Zeitabläufe der Produktion reguliert. Die tragt. 1909 konnte das Gebäude bezogen Anbringen großer Reliefs zur pädagogischen Zeit teilt sich in private „Freizeit” und öf- werden63.

12 der Rue Genistre, die an die Hauptwache und Handelsschule zur Verfügung stellte Cercle und Cité der Garnison grenzte. Nach den Plänen des und sich finanziell am Bau dieser Schu- ein neues Stadtarchitekten Dagobert Chauchet er- le und des geplanten Nationalmuseums richteten sie hier im Jahre 1830 ihren Ver- beteiligte. Darüber hinaus verlangte der kulturelles einigungssitz65. Wahrscheinlich aufgrund Staat, dass der zukünftige Cercle-Bau ein der Wirren durch die belgische Revolution Monumentalgebäude mit „originellem Zentrum fehlten schließlich die Mittel, um den Bau Charakter” werde72. Auch geschichtsbe- abzuschließen. Um sich einige Einkünfte zu wusst zeigte man sich damals: Das Lasten- verschaffen, vermietete der „Cercle litté- heft zum Abriss der bestehenden Gebäude raire” seinen großen Saal für Feste, Kon- verlangte, dass historische, archäologische zerte und Theateraufführungen66. Die Stadt oder numismatische Gegenstände, welche kaufte der Vereinigung 1855 ihren Sitz für vor Ort gefunden wurden, der Gemeinde- 60 000 Franken ab. Der „Cercle littéraire” verwaltung gemeldet wurden73. konnte sich nun auflösen. Die Gemeinde Joseph Heintz erwarb übrigens die stellte den Bau fertig und brachte hier die Steine der ehemaligen Hauptwache und Musikschule sowie die Kinderbewahrschule errichtete sie 1902 im Park seiner Tabak- Der Ursprung des Namens unter. Im ersten Stockwerk nutzte die „So- manufaktur Heintz van Landewijk in Hol- ciété de Gymnastique” den Theatersaal für lerich. Hier steht sie bis heute mit ihrem Der Name des Cercle führt auf eine ihre Aufführungen67. Nach der Schleifung nach ursprünglichem Muster angelegten ehemalige Kasino-Gesellschaft zurück, wel- der Festung und dem Abzug der Garni- Vorplatz74. Es bleibt zu hoffen, dass die- che den Namen „Cercle littéraire” trug und son konnten nun die Musikschule und die ses historische Zeitzeugnis im Rahmen der am 19. November 1826 gegründet worden „Crèche” in die Artilleriekaserne umziehen, Neuurbanisierung dieses Stadtteils voll zur war (siehe auch den Beitrag von Germaine und die „Société de Gymnastique” konnte Geltung gebracht werden könnte. Goetzinger auf den Seiten 48-51). Sie war das ehemalige zur Festungsbäckerei umge- hervorgegangen aus der „Société du Ca- wandelte Kapuzinerkloster als Theater nut- sino”, die im gleichen Jahr aufgrund eines zen. Somit war das Cercle-Gebäude in der Duells zwischen Mitgliedern dieser Verei- Rue Genistre frei geworden, und die Stadt nigung und belgischen Handelsreisenden verpachtete das Haus für 4 000 Franken erfolgt war64. Die Mitglieder des „Cercle an Frl. Marguerite Faber, die hier ein be- littéraire” trafen sich zuerst im Restaurant liebtes Restaurant führte. 1877 erstand sie Schrobilgen in der Rue de l’Eau. Ein Jahr das Gebäude für 72 000 Franken. Seit der später erwarben sie das Haus „Metz” in Öffnung der Stadt war der Grundstück- Robert L. Philippart preis bereits um 25 Prozent gestiegen! Jean Lentz, Erbe des Anwesens, fügte dem Bau ein drittes Stockwerk hinzu und machte den Festsaal zum Mittelpunkt des haupt- städtischen Gesellschaftslebens68. 1901 53 Archives Nationales Luxembourg, Travaux Publics, erwarb die Gemeinde erneut das stattliche N° 566; Gebäude für den Preis von 185 000 Fran- 54 Archives de la Ville de Luxembourg, LU 11 IV/2 954; 55 Vandenbreeden, Jos; Dierkens-Aubry, De 19de eeuw in ken, was etwas mehr als dem dreifachen België, architectuur en interieurs, Tielt, 1994, p. 105; Preis von 1855 entsprach. Kurz zuvor hat- 56 Bekaert, Geert, La reconstruction ou l'heure de vérité, in Resurgam, Gand, (1994), p. 28-29; te sie das Gesuch des späteren Gewinners 57 Schmitt, Michael, Palast-Hotels,, Architektur und des Architekturwettbewerbs, Pierre Funck, Anspruch eines Bautyps 1870-1920, Berlin, 1982, p. 45; 58 Archives de la Ville de Luxembourg, LU-Imp. IV/2 abgelehnt, der hier für den Unternehmer N° 0187; Kummer ein Luxushotel mit 100-110 Zim- 59 Remy, Jean; Voye, Liliane, Ville, ordre et violence, Paris, 69 1981, p. 63; mern hochziehen wollte . Die Stadt wollte 60 Archives de la Ville de Luxembourg, LU 11 IV/2 N° 1172- auf diesem Grundstück und der angrenzen- 1176; 61 Philippart, Robert L, Luxembourg, historicisme et den Parzelle der „Hauptwache” ihre „städ- identité… op. cit., p; tische Festhalle” errichten70. 62 Pinnel, Roland, Der Cercle…op. cit., p. 229; 63 Koltz, J(ean)-P(ierre), Baugeschichte… op. cit., t. 3, Die anliegende Hauptwache war 1827 luxembourg, 1951 p. 104; im neo-klassizistischem Stil errichtet wor- 64 Baldauff-Beck, Simone, Un duel à l'origine du Cercle, in Biennale de l'antiquité et des arts, Luxembourg, 1997, den und ersetzte die alte Hauptwache aus p. 16; der französischen Zeit (1795-1814). Nach 65 Archives de la Ville de Luxembourg, LU-Imp. III-alt- Période LU III (1814-1843) procès-verbal de la pose de der Schleifung der Festung kam der Bau la première pierre pour le bâtiment du cercle littéraire; laut Code civil an den Staat. Hier war in 66 Koltz, J(ean)-P(ierre), Baugeschichte… op. cit., t. 3, Luxembourg, 1951, p. 103; der Folgezeit das Jägerbataillon bis 1881 67 Un duel… op. cit., p. 17; untergebracht und die wichtigste Polizei- 68 Rupprecht, Alphonse, Logements militaires à Luxembourg, Luxembourg, 1979, p. 260-262; stube der Hauptstadt eingerichtet71, und 69 Koltz, J(ean)-P(ierre), Baugeschichte… op. cit., t. 3, hier wurden das Feuerwehrmaterial und Luxembourg, 1951, p. 103; 70 Die städtische festhalle, in Luxemburger Wort, N° 222, die Krankenwagen abgestellt, alles Funktio- Luxemburg, 1941, p. 3; Cercle 71 Vue de la Place d’Armes à Luxembourg avec l’ancien nen, die auch das spätere -Gebäude Corps de garde (Hâptwuecht) en 1902, in Les cahiers innehaben wird. luxembourgeois, N° 4, Luxembourg, 1957, s.p; 72 Archives Nationales Luxembourg, Travaux Publics, Nach langen und schwierigen, seit N° 12; Archives de la Ville de Luxembourg, LU 11 IV/2 1884 geführten Debatten trat schließlich N° 1529; Ville de Luxembourg, Bulletin communal, N° 9, © Nationalarchiv Luxemburg Luxembourg, 1901, p. 142; der Staat das 4,8 Ar umfassende Grund- 73 Archives de la Ville de Luxembourg, LU 11 IV/2 N° 955; stück der Hauptwache an die Stadt ab. 74 Netgen, Eric, Quand c'est parti, c'est parti, que deviendra la garde principale de la place d'Armes? in Le Bedingung hierfür war, dass die Stadt dem Jeudi, N° 34 (20 août 2009), Esch-sur-Alzette, 2009, Staat ein Gelände zum Bau der Industrie- p. 10.

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