Nr 93 2010 EDITORIAL

Freischaffender Künstler in einem kleinen Land?

Luxemburg ist ein solides Land. Was hier in der Regel geschafft, nicht geschaffen wird, dient vor allem Handel und Wirtschaft, dem Häuserbau, dem Eigenheim, dem Auto, der Ferienreise. Hier ist man dass man gewisse Vorlieben hat, gewisse Sachen Europa- oder Staatsbeamter, Banker, Lehrer oder man gerne macht, aber vor allem hat Kunst etwas mit Mut arbeitet in der Privatwirtschaft. zu tun. Man muss den Mut haben, die Bilder und Von der großen Masse wird Kunst als Hobby Landschaften, die man im Kopf hat, ausdrücken zu betrachtet, das man zum Beispiel alljährlich in der wollen. Das ist der erste, der wichtigste Schritt. Wenn Sommerakademie erlernen kann. Zeitgenossen, die es du erst einmal versucht hast, das, was dir oben liegt, sich leisten können, investieren in Kunstwerke wie in in ein Bild oder eine Skulptur zu verwandeln, dann Aktienpakete und Immobilien. Dabei geht es vor allem merkst du natürlich, dass du dazu die Technik und das um Geldanlage und Rendite. Handwerk brauchst. Und das kann man dann lernen.“ Wo aber bleiben die Künstler, besonders die Aber diese Aussage ist dreißig Jahre alt. Für Freischaffenden, in Luxemburg? einheimische Künstler der jungen Generation ist Sicher, es gibt sie. Aber sie sind fast so rar wie die Lage heute viel schwieriger geworden. Es gibt weiße Wale. Lucien Wercollier hat von seinen immer weniger Galeristen, dafür aber Tempel der Skulpturen leben können, aber seine Frau war eine zeitgenössischen Kunst wie etwa das oder das gut verdienende Zahnärztin. Der geachtete Surrealist Casino Luxemburg. Und die sind eher international Foni Tissen musste sich bis zu seiner Pensionierung als orientiert oder sie rekrutieren für ihre Ausstellungen Zeichenlehrer im Escher Knabenlyzeum abmühen. Künstler aus der Großregion. Eine Generation später schien es bereits ein klein Auch eine Einladung auf die Biennale von Venedig oder bisschen einfacher: Robert Brandy, Wil Lofy, Patricia auf die Kasseler documenta ist für einen Luxemburger Lippert, Moritz Ney, Charly Reinertz und ein gutes Kreativen längst kein Freifahrschein mehr in eine Dutzend Kolleginnen und Kollegen haben es geschafft, selbständige Zukunft als Kunstschaffender. sich als Berufskünstler durchzuschlagen. Auch in dieser ons stad-Nummer, die der „Kunst“, hat Moritz Ney 1981 einmal gesagt, „hat Kunstgeschichte in der Stadt Luxemburg gewidmet ist, für mich eigentlich wenig mit Talent zu tun. Vielleicht, gibt es mehr Fragen als Antworten.

r.cl.

Titelbild: imedia SOMMAIRE

4 57 Die Stadt im Bild und weitere Sie sind jung und An- und Aussichten brauchen das Geld... Statt einer lexikalischen Reihung Jung sein und Künstler spielen ist einige persönliche Überlegungen nicht gar nicht so einfach. Überle- zur Geschichte der Kunst in gungen von Luc Caregari Luxemburg. Von Paul Bertemes 58 11 Kill your Idols Nikolaus Hein: Luxemburg par Vincent Artuso Ahnung und Gegenwart Eine bisher unveröffentlichte lite- rarische Trouvaille, entdeckt von 62 Professor Joseph Groben. Gore war gestern Die Wandlung der Anne Lindner 12 von Claire Barthelemy Vamos a la Villa Das zweite Museum der Stadt Luxemburg, die , 64 wird im Mai seine Pforten öffnen. Charly Reinertz: ons stad hat schon jetzt einen Der stille Perfektionist Blick hinter die Kulissen werfen können. Ein Porträt von René Clesse Eine Reportage von Christiane Walerich 66 Wil Lofy (1979) Bürger und ihre Stadt: Kunstschenkungen in Luxemburg Eine historische Recherche von 26 44 Stadtarchivarin Evamarie Bange Musée National d‘Histoire Patricia Lippert über ihren et d‘Art: Werdegang und den ihrer Das Allround-Museum Generation 69 Was bedeuten die Michel Polfer, Direktor des Mu- Ein Interview mit ihrem Straßennamen der Stadt? sée National d’Histoire et d’Art, Alter-ego Treppil Cirtap über die Aufgaben eines Natio- Eine Serie von Fanny Beck nalmuseums und den Bezug zur zeitgenössischen Kunst. 50 Im Interview Hände weg von der Malerei! 70 mit Christiane Walerich Eine strenge feuilletonistische Cité-Bibliothek Warnung von Michel Raus 31 74 Ein Foto und 52 Musée d’Histoire de seine Geschichte La photographie la Ville de : Noch eine hohe Dame, au Luxembourg Les années soixante... die für Luxemburg reiste… Une scène artistique prolifique Souvenez-vous ! Eine Rubrik von Simone Beck par Paul Di Felice Une visite guidée 16 par Georgette Bisdorff La villa Vauban: 32 56 Symbole de culture Musée d‘Art Moderne 78 et d’identité historique Grand-Duc Jean E Vernissage wéi aus dem Billerbuch Der Kulturpapst par Isabelle Yegles Vom Pei-Musée zum Mudam Eng Lëtzebuerger Short-Story Eine satirische Ballade Eine Retrospektive vum Josy Braun von Jacques Drescher 20 von Vesna Andonovic Künstler auf der Schläifmillen 37 Henri Fischbach unterhielt sich Casino Forum mit einigen ziemlich unkonventio- d‘art contemporain Laboratorium der nellen Zeitgenossen, die seit 1987 Gegenwartskunst ons stad avril 2010 auf einem alten Industriekomplex, N° 93 von Vesna Andonovic einer ehemaligen Tuchfabrik, ihre Recherche internet: onsstad.vdl.lu Conception: Georges Fondeur Kreativität ausleben. Périodique édité par Coordination: René Clesse l’administration communale Layout: Dieter Wagner 41 de la Ville de Luxembourg Illustrations: Pit Weyer 25 Manet, Van Gogh , paraissant trois fois par an Photos: imedia, Guy Hoffmann, Cézanne, Renoir, Photothèque de la Ville de Luxembourg Der Maler Pablo Picasso Matisse, Picasso & Co Fondé en 1979 par Henri Beck † schreibt an seinen Tirage: 54 000 exemplaires Kunsthändler Daniel-Henry Guy May erinnert an eine wahr- Distribution gratuite Photocomposition: haft historische Ausstellung im Dynamo s.à.r.l., Luxembourg Kahnweiler à tous les ménages hauptstädtischen Cercle aus dem de la Ville de Luxembourg Imprimé sur les presses de von Robert Gernhardt Jahr 1937. La revue ne peut être vendue I’lmprimerie St-Paul S.A., Luxembourg Die Stadt im Bild und weitere An- und Aussichten

Statt einer lexikalischen Reihung einige persönliche Überlegungen zur Geschichte der Kunst in Luxemburg

euilletonistisch soll der Beitrag sein, ge- Ftragen von vielen Namen, keine bloße lexikalische Anordnung, dafür ein lockerer, möglichst konziser Überblick. Kurz: die Quadratur des Kreises ohne akademisch geometrische Abstraktionen. Journalis- tische Auftraggeber huldigen auch in der Post-Spaßgesellschaft wohl noch gern dem Spruch Karl Valentins: Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. Es geht hier um Kunst und ihre Geschichte, um Künstler und ihr Schaf- fen in der Stadt, was im kleinen Luxemburg zwangsläufig auch außerhalb der Stadt meint. Gibraltar des Nordens wurde die Stadt genannt. Bastionen und Bollwerke auf schroffen, von Kasematten durchzoge- nen Sandsteinfelsen, die nicht vom Meer, sondern von dem kleinen Fluss Alzette und dem Bach Petruss umgeben sind. Melusina, die alte ewig junge Fischfrau wartet derweil im Schilf, die über tausendjährige traurige Konsequenz eines Blickes des neugierigen Gatten durch ein verbotenes Schlüsselloch.

Erotische Verlockung. Die Festung prägt © MNHA die Landschaft und den Geist, auch nach Tobias Verhaeght, Vue du château de Mansfeld der Schleifung der militärischen Anlagen und trotz zunehmender kosmopolitischer Öffnung der neuen Stadt unter goldenen Münsterabtei ernannt und 1574, im Alter schreibt der Historiker und ehemalige Di- Sternen am blauen Europa-Himmel. Grä- von 30 Jahren, zum Abt gewählt. Später, rektor des Nationalarchivs Paul Spang in ben bleiben zu überwinden, auch im Kopf. 1595 dann, wird ihm die Leitung der Willi- der Einleitung seines im Jahre 1984 bei RTL- Versuchen wir es mit einigen persönlichen, brordus-Abtei von Echternach übertragen. Edition erschienenen Buchs Bertels Abbas eher subjektiven Betrachtungen und Über- Der Name von Johannes Bertels ist eng mit Delineavit 1544-1607. Die Zeichnungen legungen, ohne Anspruch auf Vollständig- der hiesigen Kunstgeschichte verbunden. von Abt Bertels, wohl die Bekanntschaft keit und exemplarische Parität. Das hängt auch damit zusammen, dass des Zeichners gemacht. „Vielleicht wohnte damals wichtige illustrierte geographische dieser sogar in der Münster-Abtei… Jo- Werke geschaffen wurden. Etwa die von hannes Bertels war der erste Nachbar des reifen wir also beherzt in die Schatz- Georg Braun und Franz Hogenberg in Köln Gouverneurs (Mansfeld, d.Red.) und ging Gkiste, in das Fach des 16. Jahrhunderts. herausgegebene Reihe Civitatis Orbis Ter- in dessen Clausener Palast, einem Wun- Wir stoßen auf den Benediktinermönch und rarum (1572-1617), in deren fünftem Band derwerk der Architektur der Renaissance späteren Abt Johannes Bertels. Im Jahre (1598) ein Kupferstich der Stadt Luxemburg ohne Schwierigkeiten ein und aus. Der 1561 kommt der 17-Jährige aus Löwen nach enthalten ist, dem Jahrhunderte hinweg Gouverneur pflegte ihm diskrete Aufträge Luxemburg, um ins Kloster Unserer Lieben Modellcharakter zukommt. Das Blatt zeigt anzuvertrauen. So könnte er ihn auch ge- Frau, die Münsterabtei, einzutreten. Johan- zudem das Schloss La Fontaine des Gou- beten haben, sich des fremden Zeichners nes Bertels macht eine schnelle Kloster- verneurs Graf Peter Ernst von Mansfeld und anzunehmen…“. Was den Herausgeber Karriere. 1566 wird er zum Verwalter der die Igeler Säule. Johannes Bertels habe, so des Buches, Nic Weber, zur Anmerkung

4 © MNHA

La Ville de Luxembourg, Nicolas Liez (1870) verleitet: „Gerne möchte ich wissen, was et d’art im Jahre 2007, „war ein bedeu- des Schlosses von Mansfeld, die Tobias sie verband und was sie sagten – der Geist- tender Kunstkenner und Sammler“. Seine Verhaeght zugeschrieben wird, zeigt die liche und der Streiter – wenn sie unten am politische Stellung habe es ihm erlaubt, als Schlossanlage in ihrer vollen Pracht. Doch Fuß der Stadt, an den Ufern der Parkweiher „principe architetto“ zu handeln: „Er ver- der Glanz hält nicht lange. Das Ölbild Das spazieren gingen. Wandte der Benediktiner wirklichte mit dem prachtvollen Schlossbau Schloss von Mansfeld, das der Dominika- den Blick ab von den nackten Göttern und La Fontaine sein Arkadien, Traum eines nerpater Joachim Laukens 1665 malt, zeigt Göttinnen der unchristlichen Zeit, während jeden Humanisten.“ La Fontaine ist dem- erste Verfallserscheinungen. Den Werken draußen vor den Toren die Hexen gejagt nach im 17. Jahrhundert ein wichtiger Bau von Laukens und Verhaeght kommt neben wurden?“ Jedenfalls hat Johannes Bertels der Renaissance in den alten Niederlan- dem Kunstwert auch dokumentarische Be- selbst Zeichnungen, dynamische ikonogra- den. Die Kunstwerke, mit denen der Palast deutung zu. So wie zu jener Zeit auch an- fische Dokumente über Ortschaften des ausgestattet ist, sind bedeutend. Auch das deren Abbildungen der Stadt Luxemburg damaligen Luxemburg und des täglichen hat die Ausstellung im Jahr 2007 gezeigt. – etwa von Adam-Frans Van Der Meulen, Lebens gefertigt. Enthalten sind sie im von Gemälde, die Mansfeld dem spanischen Alexandre Jean Noël oder dem zeichnen- ihm eigenhändig verfassten Verzeichnis König Philipp III. vererbt hat, befinden den Leutnant der Artillerie Christoph Wil- der Besitztümer und Einkünfte der Abtei. sich heute in der Sammlung des Prado in helm Selig. Darunter sind auch eine Ansicht der Stadt Madrid. Selbst in Florida wird im Zuge der Luxemburg und eine der Abtei Altmüns- Vorbereitungen für die Ausstellung ein Bild ter. Gouverneur Mansfeld, so schreibt Jean aufgefunden, das von Mansfeld in Auftrag m Jahre 1777 wohnt der aus Saint- Luc Mousset anlässlich der Ausstellung Der gegeben wurde und die Schlacht von Mon- IHubert stammende Maler Pierre-Joseph Renaissancefürst Peter Ernst von Mansfeld contour darstellt… Eine in brauner Tinte Redouté in der Festung Luxemburg – ehe er (1517-1604) im Musée national d’histoire ausgeführte und mit Aquarell gehöhte Sicht in eine große Künstler-Karriere macht. Ob das schon etwas mit Rosen zu tun hat? Abtei Neumünster, Zeichnung von Antoine Stevens (1602) uchen wir weiter in der Künstler- SSchatzkiste. Natürlich, wir stoßen auch auf Johann Wolfgang von Goethe, der im Jahr 1792, als er seinen Herzog Carl August von Sachsen- wohl eher widerwillig als Berichterstatter auf dessen Kampagne in Frankreich begleitet, in der Festung ist. Er hält fest: „Wer Luxemburg nicht gesehen hat, wird sich keine Vorstel- lung von diesen an- un d übereinander ge- fügten Kriegsgebäuden machen…”. Eine ly- rischere Anmerkung des Autors ist auf dem Goethestein festgehalten, den Luxemburg ihm zu Ehren mit Blick auf das Pfaffenthal, den Bockfelsen und Clausen aufgestellt hat. Wir lesen begeisterte Worte: „Hier findet sich soviel Größe mit Anmut, soviel

© Archives générales du Royaume, Bruxelles Ernst mit Lieblichkeit verbunden, dass wohl

5 Die Stadt im Bild

zu wünschen wäre, Poussin hätte sein herr- liches Talent in solchen Räumen betätigt.” Dabei hat Goethe selbst in lavierten Zeich- nungen Stadt-Erinnerungen festgehalten, die sich heute im Goethemuseum in Wei- mar befinden: so der Blick auf den „Mans- Handzeichnung Goethes: Das Tor zum „Breedewee“ (1792) feldfelsen“ und das „Tor zum Breitenweg in Stadtgrund“. Eine von vielen Künstlern bevorzugte Perspektive, ganz im Sinn des as zeigt – luxemburgische Kunstent- urück zum 19. Jahrhundert. Nehmen „schönsten Balkons Europas“ wie Batty Dwicklung hat immer mit ausländi- Zwir Jean-Baptiste Fresez, der 1800 in Weber viel später die Corniche nennt. schen Einflüssen zu tun. Die Ansätze einer Longwy geboren ist, an der Akademie in kulturellen Identität entwickeln sich ja im Brüssel studiert, zuerst als Zeichner in der Spannungsgefüge von germanischen und Porzellan-Manufaktur in Mettlach arbeitet, leich neben Goethe finden wir in der romanischen Impulsen und Überlagerun- dann in Luxemburg unterrichtet. Er ist als GSchatzkiste den britischen Maler Jose- gen. Parallel zur Festigung des real existie- detaillinteressierter Porträt- und Land- ph Mallord William Turner. Der ist zweimal renden Nationalstaates in seiner heutigen schaftsmaler bekannt. In seinem Beitrag La in Luxemburg: im Sommer 1824 und im geopolitischen Form hat sich ebenfalls pro- Peinture de la Renaissance à la Première Sommer 1839. Er fertigt Skizzen, die er in gressiv ein Kunstleben entwickelt. Ob sich Guerre mondiale, enthalten im Buch L’art Aquarelle überträgt – in seiner unverkenn- dabei eine „richtige“ luxemburgische Kunst au Luxembourg - de la Renaissance au dé- bar graphisch geprägten abstrahierenden – gar eine luxemburgische Schule – heraus- but du XXIe siècle (2006), schreibt Jean- Zeichensprache, die mit dem Licht zu ma- kristallisiert, wage ich zu bezweifeln. Es Luc Koltz: „Jean-Baptiste Fresez a eu tant len scheint. Zwei Aquarelle, die sich im Be- gibt eher – und das bis heute – Kunstwerke d’élèves qu’on est tenté de parler d’une sitz des Musée national d’histoire et d’art von luxemburgischen und in Luxemburg le- école de Fresez. Parmi eux, nous retenons: befinden, zeigen die Stadt aus verschiede- benden nicht-luxemburgischen Künstlern, Jean-Nicolas Bernard, Jean-Auguste Marc, nen Perspektiven. Der Bockfelsen steht im die in luxemburgischen Ateliers entstehen. Franz Heldenstein, Pierre Brandebourg qui Zentrum der beiden Interpretationen, die in Doch das schmälert keineswegs die Wertig- devient photographe et Michel Sinner.“ bläulich kalten Farbtönen gehalten sind. keit der so entstandenen Werke. Unter den Schülern ist auch der 1809 in Neufchâteau in den Vogesen geborene Nicolas Liez – „le disciple de Fresez pro- bablement le plus doué“. Liez arbeitet als Vue de Luxembourg depuis Fetschenhof, William Turner (1839) Lithograph, als Radierer, Architekt, Bild- hauer, Dekorateur und Lehrer. Einige Bilder von Nicolas Liez – zum Beispiel das Öl- gemälde La Ville de Luxembourg von 1870 – gehören zum Grundstock der luxembur- gischen Stadtikonografie. Dabei schlägt Ni- colas Liez für das damalige luxemburgische Kunstverständnis behutsam neue Wege ein. Im Katalog zur Retrospektive, die 1960 im damaligen Staatsmuseum stattfindet, schreibt Georges Schmitt: „Liez, transpo- sant de sa manière ‘sensible’ nos paysages en lithographie et appliquant à d’humbles objets de la vie quotidienne des décora- tions tendres et subtiles, initia un large public à cette vue ‘romantique’ des choses qu’il fut le premier à avoir chez nous.“ Einer der letzten Schüler von Jean-Baptiste Fre- sez ist Michel Engels, der mit chirurgischer Präzision Landschaft- und Stadtansichten analysiert und bildlich umsetzt (Vue de Luxembourg vers le Sud, depuis la tour de la cathédrale). © MNHA

6 Schaack, … sie lassen grüßen. Sie besuchen in München die Akademie, verspüren dort frischen Kunstwind, lernen in Ausstellungen auch Werke französischer Künstler wie Cézanne kennen. Der Kopf ist entgrenzt. Und auch einige „traditionel- lere“ Künstler wie Claus Cito oder Auguste Trémont schließen sich ihnen an. Nach dem zweiten Salon de la Sécession im Jahr 1929 beruhigen sich die Wellen. Das luxembur- gische Modell hat eine lange Tradition.

oseph Kutter setzt sich in einigen Arbei- Jten mit dem Thema Stadt Luxemburg auseinander – insbesondere im Zusammen- hang mit dem großformatigen Ölbild La Ville de Luxembourg. Wie

© MNHA ist er beauftragt, die künstlerische Gestal- Jean-Baptiste Fresez, L’usine Godchaux à Schleifmühl tung des luxemburgischen Pavillons bei der Weltausstellung 1937 in Paris auszuführen. Rabinger arbeitet in seinen Bildern Indus- uch am Übergang zum 20. und selbst Affaires culturelles“ Marie-Josée Jacobs: triestandorte auf, Kutter macht die Stadt Aim 20. Jahrhundert bleibt die Stadt „Quand on pense aux bouleversements qui Luxemburg und Clerf zu seinem Thema in Thema. Im Fahrwasser der Impressionisten ont secoué le monde de l’art depuis 1893, seinem ihm eigenen schwermütigen, faszi- ziehen Künstler wie Franz Seimetz, Guido on ne peut que s’émerveiller de la survie nierenden expressionistischen Stil. Der jun- Oppenheim, Pierre Blanc, Eugène Mousset du Cercle artistique de Luxembourg… ge Joseph Emile Müller, der Kunstkenner und Pierre Beckius zwar Naturlandschaften L’histoire du Cercle n’est pas un long fleuve und Museumsmann, der sich wie kein zwei- im Spiel von Farben und Licht vor, für einige tranquille. On y trouve des hauts et des ter um die Akzeptanz neuer Kunstströme Meister des Aquarells aber bleibt die Stadt bas, des péripéties dramatiques, des épiso- im Land verdient gemacht hat, schreibt in ein wesentlicher Schwerpunkt ihrer Arbeit. des houleux, des désaccords retentissants, den 1930er Jahren im Buch In subtilen und qualitätvollen Annäherun- notamment ceux qui ont mené aux Séces- (Edition de l’union des intellectuels luxem- gen widmen sie sich der Stadt. Insbesondere sions de 1921 et de 1926, on y entend des bourgeois): „Joseph Kutter ist der erste, der Namen wie Sosthène Weis, Julien und Nina cris d’anathème et des bruits de portes qui in Luxemburg große Malerei geschaffen Lefèvre sind hier zu nennen. Den Wert ihrer claquent. Comment en serait-il autrement hat. Er ist auch bis jetzt der einzige, er ist Arbeit mindert auch nicht, dass bis in die dans une institution où se rencontrent et ebenfalls der erste, der eine gültige luxem- 1970er und 1980er Jahre – und noch spä- se confrontent des artistes, c'est-à-dire des burgische Malerei geschaffen hat, der dem ter – einige andere den Weg dieser Künstler personnalités fortes exigeantes, parfois vo- Namen Luxemburg für die Kunstkenner in mit unbeschwerter Fröhlichkeit für sich ver- latiles ?“ Auch das gehört zur Stadt im Bild. der Welt einen Sinn gegeben hat und ein einnahmen und munter die eingefahrenen Joseph Kutter, Jean Noerdinger (er wandert würdiges Gesicht.“ Nachzulesen in Lambert Gleise aushöhlen. Doch Epigonen bringen 1925 in die USA aus), Harry Rabinger, Jean Herrs Anthologie des Arts au Luxembourg. nie die Kraft der Künstler auf, die als Initiato- ren – oder zumindest als Wegbereiter – einer Stilrichtung stehen und deren Werk einen Sosthène Weis (1931) persönlichen, kontinuierlichen, selbstkriti- schen und mitunter auch akzentesetzenden Verlauf nimmt. Das ist auch so eine Kunst- Konstante – nicht nur im hiesigen Schaffen.

ine Kunstentwicklung, die diesen Na- Emen verdient, muss sich entwickeln, beständig hinterfragt werden. Konfronta- tionen und offene Auseinandersetzungen bleiben da nicht aus, sie sind sogar notwen- dig. Außer man zieht es vor, im Schatten des Kirchturms einen ausgedehnten Sonn- tagsschlaf zu halten. Das zeigt sich eben- falls beim Wühlen in der luxemburgischen Kunst-Schatzkiste. Künstlerische Arbeit ist das Gegenteil von Trägheit, Kunst ist intel- lektuelle, auch emotionale und rationelle Bewegung. Mit bloßem Schönmalen ist es nicht getan. Im umfangreichen Katalog zum hundertjährigen Bestehen des Cercle Artistique (Le Cercle Artistique de Luxem- bourg. 1893 – 1993, Luxembourg 1993)

schreibt die damalige „Ministre délégué aux © MNHA

7 Die Stadt im Bild

oseph Kutter hat dieses intellektuelle und Jkünstlerische Querdenken bis zu seinem Tode im Jahre 1941 konsequent durchge- halten – und dabei grenzüberschreitende Kunst geschaffen. Doch es sind nicht nur die Expressionisten, die sich gegen Skle- rose und verstaubten Akademismus auf- lehnen. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in den 1950er Jahren, bilden die Künstler der Abstraktion um Michel Stoffel, Lucien

Wercollier, , François Gillen © MNHA die Salons der Iconomaques. Der Kunstkri- La Ville de Luxembourg, Joseph Kutter (1936/37) tiker Lucien Kayser schreibt im Katalog zur Ausstellung Michel Stoffel, peintures – Lu- cien Wercollier, , die 1989 in der s sind diese Künstler, die den Boden ir scheinen jetzt weit entfernt vom hauptstädtischen Villa Vauban stattfindet, Ebereiten für das weitere, heute sehr WThema „Stadt im Bild“ und unsere der erste Salon des Iconomaques im Jahr vielschichtige Kunstschaffen in Luxemburg. Schatzkiste ist bald bis auf den Boden 1954 „sonna définitivement l’heure de l’art Wohl kommt dabei der nichtgegenständli- umgewühlt. Doch diese Künstler sind eng moderne dans notre pays“. Doch, so sa- chen, oft nach Paris und auf die „Ecole de mit der Stadt verbunden. Viele von ihnen gen Edmond Thill und Séverinne Zimmer in Paris“ orientierten Kunst eine maßgebliche haben hier ihr Atelier – und die Stadt Luxem- ihrem Beitrag L’oeuvre de Michel Stoffel im Bedeutung zu. Parallel jedoch zu dieser ly- burg stellt selbst ja jungen Kunstschaffen- Katalog zur Stoffel-Retrospektive, die das rischeren Sprache entwickelt sich auch die den einige Ateliers in der Schleifmillen zur Nationalmuseum für Geschichte und Kunst geometrische Abstraktion, mit Auswirkun- Verfügung. Vor allem aber: in der Stadt im Dezember 2003 organisiert hat: „Triom- gen bis hin zur „konkreten kunst“, zu „op- befindet sich ein großer Teil der kulturellen phe de l’art moderne et contemporain, cer- art“ und „colorfield-painting“. Vermehrt Institutionen, Galerien, Kulturinstitute und tes, mais triomphe accompagné de multi- zeigen sich später auch Einflüsse der neuen Museen, die das künstlerische Schaffen be- ples réticences, de débats houleux…“. Aufbrüche im deutschen Kunstschaffen. gleiten, aufarbeiten sollen. Nicht Stadt im Bild, sondern Stadt fürs Bild also.

Joseph Probst, Le Viaduc en Fleurs (1976) n der Kulturpolitik Luxemburgs sind in Iden vergangenen Jahren – und dies ins- besondere nach den beiden europäischen Kulturjahren 1995 und 2007 – erfreulich positive Aufbrüche zu verzeichnen. Längst überfällige Infrastrukturen wie etwa die Philharmonie, das MUDAM, das Kultur- zentrum Abtei Neumünster… sind in einer stattlichen Anzahl errichtet worden, be- stehende Kultur-Gebäude wie etwa das Musée national d’histoire et d’art sind aufwändig und architektonisch wertvoll in Stand gesetzt und ausgebaut worden. Auch die Stadt Luxemburg hat sich bewegt: das Musée d’histoire de la Ville, die museale Aufpolierung der Villa Vauban. Parallel dazu ist das kulturelle Angebot kräftig an- gewachsen und es hat eine bestimmte In- ternationalisierung stattgefunden. Die ist prinzipiell zu begrüßen, weil sie die Möglich- keit bietet, das eigene Kunstschaffen in ei- nen breiteren Kontext zu stellen. Schließlich hat ja Luxemburg selbst in vielen Aspekten

© Photothèque de la Ville de Luxembourg eine internationale Öffnung erfahren.

8 ür Selbstzufriedenheit besteht dennoch Fkein Anlass. Insbesondere, weil sich in einem Sektor des luxemburgischen Kul- turlebens, auf dem Feld der darstellenden und plastischen Kunst, eine doch wichtige Parzelle Brachland mitten in der üppigen Kulturvegetation auftut. Die Erklärung ist schnell formuliert: Wo gibt es den zusam- menhängenden, umfassenden, ständig zu- gänglichen, hinterfragend aufgearbeiteten und publizistisch dokumentierten Über- blick über das Schaffen der Maler, Radie- rer, Bildhauer, Material- und Textilkünstler, Keramiker, Photographen, Konzept- und Installationskünstler, die in Luxemburg zum Beispiel in den vergangenen sechzig Jahren gearbeitet haben? Ein Ort also, an dem auch Künstlernachlässe aufgearbeitet und dem Publikum zugänglich gemacht werden könnten. Eine solche Institution, ob es sich nun um eine Stiftung aus privaten und/ oder öffentlichen Mitteln oder um ein Mu- seum handelt, besteht derzeit nicht, oder besser, noch nicht. © Moritz Ney Vue op d’Schlassbréck vum Bett aus, Moritz Ney (1995) o ist ein Loch entstanden zwischen Sneu geschaffenen und altehrwürdigen, aufpolierten Einrichtungen. Und so riskie- an hat es bislang vorrangig den Ga- Sektoren der Druckgraphik, der Radierung, ren viele der Künstlerinnen und Künstler, Mlerien überlassen, diesen Anforde- Lithografie, des Holzdrucks, daneben auch die nicht in die Schablone passen, mit der rungen Genüge zu tun. Wobei man frei- der Siebdrucke und Künstlerbücher von lu- derzeit der Begriff contemporain defi- lich auch die Namen einiger Bankinstitute xemburgischen und nicht-luxemburgischen niert wird, in ein Vakuum zu geraten. Die hinzufügen könnte. Sie alle sind Förderer Künstlern eine umfassende Sammlung des Erklärung: Die überwiegende Mehrzahl aus dem privaten Sektor, die eine gewich- künstlerischen Schaffens zusammengestellt dieser Künstler finden weder Einlass ins in- tige Arbeit in diesem Sinne leisten. Freilich hat. Eine ähnlich hervorhebenswerte Rolle ternationale Avant-Garde-Verständnis des gibt es ebenfalls öffentliche Institutionen, spielt das Centre National de littérature in MUDAM noch in das Programm des Ca- die sich der Verantwortung bewusst sind. Mersch im Bereich der Künstlerbücher und sino Luxembourg-Forum d’art contempo- Ich möchte ausdrücklich auf die Arbeit der Wechselwirkungen von aktueller Lite- rain, das sich konsequent, kompromisslos, der Nationalbibliothek in Luxemburg ver- ratur und Kunst. aber sehr professionell und mit sichtlichem weisen, die ihrem Auftrag gemäß auf den internationalen Erfolg – man denke nur an die Manifesta-Veranstaltungen – auf sei- nen contemporain-Auftrag konzentriert.

© MNHA s wurde wohl vergessen, eine ausrei- Echende Verbindung zwischen dem in- ternationalen Vorpreschen im Lande und der luxemburgischen kulturellen Veranke- rung herzustellen. Das hat nichts mit kultu- rellem Hurra-Patriotismus zu tun, sondern ist gerade darauf zurückzuführen, dass in Luxemburg keine repräsentative öffentli- che Kollektion mit Werken von in Luxem- burg arbeitenden Künstlern zu sehen ist.

Forteresse, Gast Michels (1984)

9 © Casino Luxembourg Simone Decker, Ghosts, vue de l’exposition Point of view, Casino Luxembourg (2004)

amit aber ist noch keine dauerhaft Mett Hoffman, Jean-Pierre Thilmany, Will nen Jahrtausends“ bietet, mit figurativen Dzugängliche, umfassende und aus- Dahlem, Henri Dillenburg über Jean-Pierre Federzeichnungen von Roger Bertemes, sagekräftige „Öffentliche Sammlung“ Junius, Ben Heyart, Gust Graas, Roger Frantz Kinnen, Félix Mersch und Jang Thill. ge-schaffen. Und so riskieren neben Zeu- Bertemes, Yola Reding, Marie-Thérèse In Ruhe durchzublättern. gnissen des aktuellen Kunstschaffens auch Kolbach hin zu Raymond Weiland, Nico Künstlernachlässe, ganze Lebenswerke, Thurm, Berthe Lutgen, Guy Michels, in Bild wird gemalt, nicht geredet, vergessen zu werden. Mit jedem Tag der Jeannot Lunkes, François Schortgen, Epflegte mein Vater, der Maler Roger vergeht, gehen Wissen und Erinnerungen Marc-Henri Reckinger und später Renée Bertemes, zu sagen. In einem Brief, den verloren. Wie viele kunstinteressierte Mens- Oberlinkels, Robert Brandy, Moritz Ney, Le Corbusier an Camille Frieden, von 1972 chen in Luxemburg sind sich noch bewusst, Anna Recker, Gast Michels, Roland Schauls, bis 1992 Präsident des CAL, geschickt hat, welche Pionierrolle ab den 1930er Jahren Jean-Marie Biwer, Isabelle Lutz, Patricia heißt es: „Il faut que chacun fasse sa part et ein Michel Stoffel für die Entwicklung der Lippert, Marie-Paule Schroeder, Rafael petit à petit les choses avancent“. Kunst ist nicht-gegen-ständlichen Malerei in Luxem- Springer, Jean Fetz, The’d Johanns (der mit schön, macht aber viel Arbeit. Die Stadt im burg gespielt hat? Auch interessierten neuen Bild-Technologien arbeitet) – um Bild bleibt eine Herausforderung. ausländischen Besuchern wird das nicht nur diese Namen zu nennen – im Span- ersichtlich. Wie viele wissen, wer die Ico- nungsgefüge zwischen Deutschland und Paul Bertemes nomaques waren? Und dass zu ihnen auch Frankreich (und darüber hinaus) ihren per- ein Hüttenarbeiter namens Emile Kirscht sönlichen Weg gegangen sind und gehen. gehörte, der als Autodidakt zu einem der Es geht auch um die Arbeiten von „Außen- Weiterführende Literatur authentischsten Künstler in Luxemburg seitern“ wie Foni Tissen. Oder von Künst- Paul Bertemes/ Abbaye Neumünster. wurde? Es geht darum zu zeigen, welche lern wie Ota Nalezinek oder Ger Maas, die Jean Colling Le Centre Culturel de Rencontre, mediArt Luxembourg 2004; Wege in der modernen Skulptur ein Lucien sich beide mit dem Thema „Stadt Luxem- Id. Visites d’atelier–Atelierbesuche. Wercollier (eine größere Auswahl seiner burg“ beschäftigt haben. Es geht schlicht 4 Volumes. Werke ist zumindest im Kulturzentrum der um ein Gesamtbewusstsein mit Rückblick Luxembourg, 2005-2008; Abtei Neumünster zu sehen), ein Charles und Ausblick. Stéphane Ceccaldi Le Luxembourg vu par les peintres, Paris 1998; Kohl oder Künstler wie Jean-Pierre Georg, Cercle Artistique Rétrospective. Maggy Stein, Liliane Heidelberger, später de Luxembourg Cent ans d’art luxembourgeois. Tom Flick… gehen. Es ist notwendig zu s kann dabei nicht so sein, dass eine 2 volumes, Luxembourg 1993; illustrieren, mit welcher Kraft der andere EKunstrichtung gegen eine andere aus- J.P. Erpelding Luxemburg tausend Jahre, Hüttenarbeiter der Luxemburger Kunst, der gespielt wird. Die globale Sicht ist gefor- Luxembourg 1963; Lambert Herr Anthologie des Arts Eisenplastiker Jeannot Bewing, aus Schrott dert. Auch Künstlernachlässe sind in dieses au Luxembourg, Kunststücke formte. Und es wäre span- Spannungsfeld einzubinden. Damit bleibt Luxembourg 1992; nend zu wissen, wo und wie der Bildhauer die Stadt im Bild. Alex Langini L’art au Luxembourg. (sous la direction de) De la Renaissance Bertrand Ney an internationalen Skulptu- au début du XXIe siècle. ren-Symposien teilgenommen hat. Oder Fonds Mercator, Bruxelles 2006; wie Plastiker wie Jhemp Bastin und Patrick leibt am Ende noch ein besonde- Jean-Luc Mousset Pierre Ernest De Mansfeld Ripp mit Geometrie in ihrer zeitgenössis- (sous la direction de) (1517-1604): Bres Fundstück in der Schatzkiste: das Un prince de la Renaissance. chen Kunstsprache umgehen. Oder wie es Buch Luxemburg tausend Jahre. Kulturge- Publications du Musée national d’histoire et d’art, Pit Nicolas im Bereich der Keramik-Skulptur schichtliche Entwicklung der Stadt von 963 Luxembourg 2007; zu internationaler Anerkennung gebracht bis 1963. (Luxemburg 1963). Das Werk Michel Pauly Luxemburg und Europa – bevor hat. Oder wie Textil-Künstler wie Françoise ist zum tausendjährigen Bestehen Luxem- es EU- Présidencen gab. Maas-Meeûs und Iva Mrazkova mit We- burgs im Auftrag des Schöffenkollegiums Forum, Ausgabe September 1997; Paul Spang Bertels Abbas Delineavit 1544- rkstoffen unserer Zeit arbeiten. Es wäre vor der Stadt von Jean-Pierre Erpelding ent- 1607. Les dessins de l’abbé Bertels. allem dringend angebracht zu untersuchen, worfen und ausgeführt worden. Illustriert Die Zeichnungen von Abt Bertels. Préface Nic Weber. wie die verschiedenen Malergenerationen ist der Band, der in großen Zügen „einen RTL-Edition, Luxemburg 1984; von Frantz Kinnen, Théo Kerg (er hat eine Überblick über die kulturgeschichtliche Ent- Edmond Zwank Le Cercle Artistque du Luxembourg ganze Serie von Stadtansichten gefertigt), wicklung der Stadt während des verflosse- 1893-1993, Luxembourg 1993.

10 Macht. In Rathaus und Regierung werden Nikolaus Hein: LUXEMBURG seit Jahrzehnten die Geschicke des kleinen Staates geleitet. Halte vor jenem Schulge- bäude bei der Post inne und wisse: hier im AHNUNG UND GEGENWART deutschen Hauptquartier fiel Anfang Sep- tember 1914 die schicksalhafte Entschei- dung, ging der Auftrag aus, der der Marne- schlacht die entscheidende Wendung gab. (...) Ein „auf- und übereinander getürm- tes Kriegsgebäude“ in einem labyrinthisch Beim Sichten der hinterlassenen Jahrhunderte lang aber ging das Da- verschlungenen Talgewirr voll Anmut und Papiere von Nikolaus Hein (1889-1969) sein Luxemburgs in den engen winkligen Lieblichkeit – so sah Goethe 1792 die Stadt wurde ein handschriftlicher Entwurf Gassen und den Unterstädten seinen be- Luxemburg. Auch heute noch ist Luxem- „Luxemburg – Ahnung und Gegenwart“ scheidenen Gang. Dir müssen die grossen burg vor allem die Festungsstadt, mag aus frühen Jahren gefunden, der wahr- Tage dieser Zeiten wie auch die Schicksals- auch das düstere Gesicht der kriegerischen scheinlich in der Zeit des Ersten Weltkriegs tage der späteren Jahrhunderte gegenwär- Trutzbauten längst dahingeschmolzen sein entstanden ist. Das letzterwähnte Ereig- tig sein, Leid und Freude der hingegange- in der Sonne langer Friedensjahre. nis der Stadtgeschichte ist mit September nen Geschlechter. Denn nicht die behäbige Geruhsam- 1914 datiert. Trotz ihres fragmentarischen Sieh, wie die Glorie des Kaisertums keit der Villenstrassen im Westen, nicht – und fast belehrenden – Charakters be- über der Burg am Bockfelsen strahlt, dem der grossstädtisch aufgemachte Betrieb der sitzt diese historisch-kulturelle Skizze des Stammhaus der vier Kaiser aus luxem- Geschäftsviertel prägen das Gesicht der jungen Dichters eine poetische Dimension, burgischem Hause. Höre den Jubel des Stadt, sondern gegen Ost und Süd diese die es rechtfertigt, dass sie nach fast 100 Bürgertums über die Verleihung des Frei- verwinkelten Flussschleifen mit den in en- Jahren als literarische Kuriosität veröffent- heitsbriefes durch Ermesinde (1244), über gem Talraum zusammengedrängten Unter- licht wird. die Gründung der Schobermesse durch Jo- städten, den zerschründeten und von alten Joseph Groben hann den Blinden (1340), fühle das Selbst- Kriegsbauten starrenden Hügelflanken, wo bewusstsein der trotz Krieg und Not und auf Schritt und Tritt die Felspartien selber Pestzeiten aufstrebenden Stadtgemein- wie Bollwerke vorspringen, und mit den schaft, bis mit der Einnahme durch Philipp wehrhaft ragenden Umwallungstürmen von Burgund (1444) Stadt und Land dem hüben und drüben. (...) Ränkespiel fremder Herrschaften anheim- (...) Höre Melusinas Lied, der Wasserent- fallen. Zwischen den Bürgerhäusern wach- Luxemburg ist auch die Stadt der Kase- stiegenen, die ihr Geheimnis hütend ins sen Kirchen und Klöster empor, in Clausen matten. Nach allen Seiten hin durchziehen Urdunkel zurücksinkt, als die Zeit eintritt ersteht Graf Mansfelds prächtiges Schloss, die in den Felsen gesprengten Stollen den in die Helle der Geschichte. Sieh, wie im Vaubans Ingenieure ziehen um die Stadt Boden, ein vielverzweigtes Netz von Gän- Stecknadelzauber am Krispinusfelsen die den grossartigen Festungsgürtel. Weder gen und Kammern mit einer Gesamtlänge alten Geister noch tastend lange in das Ge- Fürstenhof noch Bischofssitz, bleibt Luxem- von 23 km. Es sind gewiss keine Katakom- webe des Schicksals eingreifen, da schon burg die Stadt der Kasernen und Klöster, ben, und keine geistige Atmosphäre haucht ringsum die neue Welt sieghaft sich durch- arm an künstlerischen Grossbauten, da der einen hier an. Aber sie sind eine technische setzt. grosse Bauherr fehlte. Durch immer neue Sehenswürdigkeit und lebendig verknüpft Vorüber gezogen sind wie Schatten die Wirren und Drangsale ringt sie sich durch, mit dem Schicksal der Stadt. Völker der Dämmerzeit, Ligurer und Kelten umworben, umstritten, von Kriegsdonner Eindrucksvoll wirken vom aus und in schon hellerem Licht der Römer ei- umbraust, immer wieder wechseln auf ih- gesehen auch die andern Wahrzeichen senumblitzte Legionen. Sieh sodann, auf ren Toren die Wappen der Landesherren, Luxemburgs: die Viadukte. In weitem dem Kiem marschieren sie nach und immer wehen unruhevoll die Fahnen auf Schwung überqueren sie auf vielen Bo- zur Rheingrenze. Bis von dort die Völkerflut ihren Türmen. gen die Talschluchten, und hoch über den hereinbricht und die fränkischen Eroberer Höre die Eisenkugeln der französischen Strassen und Häusern der Unterstädte we- bleibend hier siedeln. Belagerer prasselnd einschlagen in die Dä- hen die weissen Rauchfahnen der in die Neue Staaten, neuer Glaube. Aus dem cher der Stadt von 1683 und 1795, höre das Welt brausenden Züge. Ein Sinnbild dafür, Felsenheiligtum der St. Greinskapelle weht Rollen der Pestkarren in den schauerstillen wie aufgeschlossen und weltoffen und sehr dir die… frühmittelalterliche Gläubigkeit Gassen von 1636, höre der durchziehenden lebendig diese zu einem Verkehrszentrum entgegen. Und sieh: schon hat auch Graf Heereskolonnen rasselnden Marschschritt gewordene Stadt ist, die nicht friedsamer Siegfried auf dem Bock seine Burg errichtet und kriegerisches Lied, deutsche Lands- Erstarrung anheimfallen und in versponne- (963), glanzvoller Jahrhunderte stolzer Be- knechtslieder und spanische Cancionen, die ner Winkelromantik verkümmern, sondern ginn. Mit der Macht des Grafengeschlechts Marseillaise und die Lieder der deutschen teilhaben will am Weltgeschehen. wächst auch die kleine Siedlung im Burg- Befreiung. Sieh dazwischen den Zug hoher Dabei bleibt sie die Stadt auf dem Lan- bereich, bürgerliches Leben entfaltet sich Gäste, wie sie im Festgedränge einziehen de. Spürbar, ja bis in den Stadtkern sichtbar und sprengt bald die zu eng gewordenen oder still durch die Gassen gehen, Karl der schaffen des Landes Kräfte ringsum. Rosen Umwallungen. Kühne, Maximilian, Ludwig XIV., Racine, blühen in allen Gärten, auf nahen Hügeln Sieh, hier „Am Graben“ war seit 1050 Joseph II., Goethe, Napoleon. wogt der Weizen, sogar ein Weinberg birgt die Stadtgrenze. Geh vom „Graben“ zur Steh vor den alten Bauten still, es re- sich drunten am alten Münsterhang, in Philippsgasse und weiter zum Königsring den die Steine. Um die Kathedrale wogt Talausschnitten ragen hohe Schlote, und und du erlebst das langsame Wachsen der das flutende Gedränge betender Wallfah- in diese Symphonie des Lebens klingt wie Stadt durch die Jahrhunderte mit, bis die rerscharen, aus dem Athenäum dringt das ferner Orgelton das Brausen der grünen Schleifung der Festungswerke (1867) den Stimmengewirr wissensdurstiger Jugend Wälderkuppen. drängenden Lebenskräften nach allen Sei- aus drei Jahrhunderten; im Arbedgebäude ten den Raum freigibt… wächst die aufstrebende wirtschaftliche

11 L'exposition Luxembourg et Vauban ne veut pas célébrer un fait de guerre – en assiégeant et en bombardant Luxembourg en temps de paix, les Français n'avaient, en effet, point fait preuve de courtoisie à l'égard de nos aïeux –, elle cherche plutôt à honorer Vauban, commissaire des fortifications, que Louis le Grand, après la réduction de Luxembourg, chargea de remanier la forteresse. Assurément de ce grand architecte et ingénieur militaire, notre ville porte la griffe!

Extrait de l’avant-propos de la brochure de l’exposition „Luxembourg et Vauban“, décembre 1984 Vamos a la Villa

it dem Slogan „Where past meets Pescatore, vom Bankier Leo Lippmann Mpresent“ oder mit dem leicht laszi- und von Eugénie Dutreux-Pescatore erhal- ven Spruch „La Villa Vauban se dévoile“ ten hatte und die ab 1959 in der im Jahre versuchen die Verantwortlichen, das Inte- 1949 von der Stadt erworbenen Villa Vau- resse für einen neuen Kulturtempel in der ban gezeigt wurden, waren gegen Ende Hauptstadt zu wecken: Ab Mai wird die nicht mehr wirklich ein Publikumsmagnet. Villa Vauban – nach fünfjährigen Renovie- Für die Sammlungen, im Wesentlichen rungs- und Erweiterungsarbeiten – endlich bestehend aus niederländischer Malerei wieder dem Publikum zugänglich sein. des 17. Jahrhunderts und französischen Rund 140 Jahre zählt die 1869-1873 Landschafts- und Historiengemälden des erbaute Stadtvilla nun schon. Ihr Name 19. Jahrhunderts, war die als Privathaus geht auf keinen geringeren als Sébastien Le konzipierte Villa ein unzureichender Aus- Prestre, Marquis de Vauban zurück, fran- stellungsort: Die Gemälde konnten nur zösischer Festungsbaumeister unter Lud- bruchstückhaft in der viel zu kleinen Villa wig XIV. Nicht dass der Marquis, der rund gezeigt werden. Auch verlor das Publikum anderthalb Jahrhunderte vorher gelebt das Interesse an den alten Gemälden, die hat, irgendwie seine Hände beim Bau mit zudem in den 1980er und 90er Jahren von im Spiel gehabt hätte. Jedoch wurde das Sonderausstellungen mit Werken namhaf- imedia Haus auf den Überresten des von Vauban ter Künstler wie Dalí, Chagall oder August entworfenen Forts errichtet. Ein Teil der Macke wortwörtlich in den Hintergrund Das zweite Museum der Stadt eindrucksvollen Außenmauer dieses Forts gedrängt wurden. Luxemburg, die Villa Vauban, wurde im Rahmen der Sanierung konser- In Zukunft soll das alles anders werden, wird im Mai seine Pforten öffnen. viert und ist im Untergeschoss der Villa zu so die Absicht der Verantwortlichen. „Wir ons stad hat schon jetzt einen Blick sehen. wollen die Villa Vauban für alle Arten von Nun hat die Villa Vauban nicht nur Besuchern zugänglich machen. Und die be- hinter die Kulissen werfen können. äußerlich ein Facelifting bekommen. Auch stehenden Sammlungen sollen vorteilhaf- was die konzeptuelle Ausrichtung der hier ter ausgestellt werden“, meint Danièle Wa- gezeigten Ausstellungen anbelangt, sollen gener, Direktorin der neuen Villa Vauban neue Wege beschritten werden. Denn die sowie des Musée d’Histoire de la Ville de Gemälde aus den Schenkungen, die die Luxembourg. Die Bauzeit von 5 Jahren er- Stadt Luxemburg in der Vergangenheit scheint lang, doch waren den eigentlichen vom Tabakhändler und Bankier Jean-Pierre Ausbau- und Restaurierungsarbeiten noch

12 © Roger Wagner

Bauuntersuchungen und eine Asbestsanie- Auch die alten Türrahmen wurden, wo rung vorausgegangen. Der ganze Um- und möglich, erhalten. Die insgesamt siebzehn Ausbau der Villa, der insgesamt rund 14 Ausstellungssäle mit Höhen von 4.50 bis Millionen Euro gekostet hat, sei aus vie- 5.60 Meter, massivem Eichenholzboden, lerlei Gründen unumgänglich gewesen: So großzügigen Ausblicken auf den umgeben- gab es beispielsweise vorher keine Rampen den Park, Sichtbeton und spitz zulaufenden und keinen Fahrstuhl. „Die renovierte Villa Wandfluchten im Treppenhaus geben dem ist dagegen gut für Menschen mit Behin- Altbau eine kühle Schlichtheit durch die derungen zugänglich“, erklärt Danièle Wa- klare und transparente Bauweise. gener. Auch sei ein Rundgang mittlerweile Rund 1 000 m2 Ausstellungsfläche auf viel einfacher: Ursprünglich war die reprä- drei Ebenen, pädagogische Räume und ein sentative Villa aus dem 19. Jahrhundert als Auditorium für Vorträge sowie ein kleines Privathaus mit drei Geschossen konzipiert Zwischenlager für die Aufbewahrung von worden und nie auf ein größeres Publikum Leihgaben bieten ganz neue Möglichkei- ausgerichtet gewesen. „Die Villa war recht ten. „Das Gebäude wurde ganz flexibel klein. Wir konnten die Sammlungen aus konzipiert, so dass einerseits eine Ausstel- über 300 Gemälden nie wirklich simultan lung im ganzen Gebäude geplant werden mit Sonderausstellungen zeigen“, so Wa- kann, andererseits aber auch kleinere Aus- imedia gener. Zudem seien die Ausstellungsbe- stellungen und Rundgänge möglich sind“, Direktorin Danièle Wagener (links) dingungen, insbesondere Sicherheit, Klima so Danièle Wagener. Ziel sei es, die beste- mit der neuen Kuratorin Eva Maringer und und Beleuchtung, nicht optimal gewe- henden Sammlungen, bei denen es sich vor sen. Das sei nun anders. allem um europäische Malerei handelt, in Die Architektur des neuen Museums, den Kontexten verschiedener Wechselaus- renoviert und um einen Neubau des Lu- stellungen zu zeigen. Vier Module bilden xemburger Architekturbüros Diane Heirend den Leitfaden der neuen Ausstellungskon- + Philippe Schmit architectes ergänzt, ist zeption: „Das erste Modul besteht dar- ein Ensemble aus Alt und Neu. Denkmal- in, zu bestimmten Themen ausländische schützerische Kriterien sind in die Planung Sammlungen ergänzend zu den bestehen- mit eingeflossen und wurden zum Teil be- den einzuladen“, so Eva Maringer, welche rücksichtigt: Die Stuckdecken des 19. Jahr- als Kuratorin und Kunsthistorikerin mit der hunderts wurden restauriert und mit einem Spezialisierung Europäische Malerei des modernen Beleuchtungskonzept versehen. 16. bis 19. Jahrhunderts zukünftig für die

13 Rijksmuseum, gehalten sowie Workshops brachte und sich neben Schlössern und ei- für (Schul-)Kinder angeboten werden. ner Orchideenzucht eine standesgemäße „Mit den vorhandenen Gemälden vom Kunstsammlung zulegte. 17. bis zum 19. Jahrhundert lässt sich ein Der Sammlungsbestand soll also nicht guter Überblick über die europäische Kunst- nur ausgestellt, sondern auch wissenschaft- geschichte gewinnen“, glaubt Eva Marin- lich aufgearbeitet und der Allgemeinheit in ger. Ungewöhnlich sei an dem Bestand, Publikationen zugänglich gemacht wer- dass es sich um drei große Privatsamm- den. „Jede Ausstellung, welche die Bilder lungen handelt, die der Stadt Luxemburg in einen neuen Kontext stellt, ist auch ein als Konvolut geschenkt wurden. „Somit Beitrag zur Forschung“, meint Boris Fuge, lässt sich gut erkennen, wie Privatleute im Pressesprecher der Museen der Stadt Lu- 19. Jahrhundert gesammelt haben; nach xemburg. So geht es in der Eröffnungs- welchen Kriterien ihre Kunstsammlungen ausstellung der Villa Vauban „The Golden imedia zusammengestellt wurden und worin sich Age Reloaded“ (2. Mai bis 31. Oktober der persönliche oder zeitgenössische Ge- 2010) um die holländische Malerei des 17. schmack ausdrückt“, meint Maringer. So Jahrhunderts und ihre Rezeption durch das Vamos a la Villa habe sich der Bankier und Luxemburger Großbürgertum im Frankreich des 19. Jahr- Generalkonsul in Amsterdam, Leo Lipp- hunderts. Die Holländer haben im 17. Jahr- mann, in seinen Gemäldesammlungen auf hundert auch sakrale, mythologische oder die Historienmalerei des 19. Jahrhunderts, an der Geschichte orientierte Sujets gemalt aber auch auf die holländische Malerei des – aber bekannt waren sie vor allem für ihre Sammlungen der Villa Vauban verantwort- 17. Jahrhunderts spezialisiert – eine Zu- Landschafts- und Genremalerei. „Diese Ge- lich ist. Das zweite Modul ist den Sammlern sammenstellung, die recht typisch für seine mälde sind – obwohl sie im 19. Jahrhundert und ihrer Motivation gewidmet. Im dritten Epoche und seine gesellschaftliche Stellung als Abbildung der Realität gesehen wurden Modul geht es darum, den Lebensweg ei- war. Darüber hinaus bieten die Sammlun- – Bilder mit sehr hohem Symbolgehalt“, nes Gemäldes nachzuzeichnen, von seiner gen die Gelegenheit, historische Umstände erklärt Fuge. Man sei schnell verführt, die Entstehung im Künstleratelier über den zu klären, etwa der Frage nachzugehen, Gemälde als einfache Wiedergabe einer Verkauf bis hin zur Restaurierung. Auch die wie der Lebensweg des Tabakhändlers historischen Wirklichkeit zu begreifen, da Rahmung soll hier ein Thema sein: So ha- Jean-Pierre Pescatore aussah, der es in Pa- sie so detailreich sind und viele Alltagssze- ben viele Bilder des 17. Jahrhunderts statt ris als Bankier zu einem großen Vermögen nen zeigen. Dagegen will die Ausstellung ihrer schlichten Rahmung aus ihrer Entste- hungszeit nachträglich angefertigte Gold- rahmen erhalten. Das letzte Modul besteht Adam Pynacker (ca. 1621-1673), Hirschjagd in einer hügeligen Landschaft, darin, ein einzelnes Bild in den Mittelpunkt zu stellen, um Thema und Stil eines Künst- lers zu kommentieren. Das Ganze wird darüber hinaus von einem pädagogischen und kulturellen Rah- menprogramm ergänzt. „Wir haben uns verschiedene Zielpublika vorgenommen, das sind einmal ältere Menschen, dann junge Berufstätige und schließlich Kinder, wobei wir das große Publikum nicht ver- gessen wollen“, verdeutlicht Mady Mail- liet, zuständig für das Programm (Ech hun nie matt der Madame Mailliet geschwaat, sondern Maringer soot daat). Etwa arbeite man intern seit ein paar Monaten mit der Fachhochschule für Mode und Design in Trier zusammen. Studenten beschäftigen sich hier mit der Mode des 17. Jahrhun- derts, und der Art und Weise, wie Mode gesellschaftliche Realitäten wiedergibt. Die aus diesen Überlegungen entwickel- ten zeitgenössischen Kreationen sollen im Juli in der Villa Vauban vorgeführt werden und ein Publikum von Designinteressier- ten begeistern. „Eine weitere Idee war es, einen Restaurator von Bilderrahmen ein- zuladen, der erklärt, wie die Rahmung sich durch die Jahrhunderte verändert hat“, so Mailliet. Die Überlegung hierbei sei, ein Publikum anzusprechen, welches sich für Holzarbeiten interessiere. Daneben sollen in der Villa aber auch Führungen statt- finden und Vorträge von Luxemburger Forschern oder Kooperationspartnern,

wie z.B. Experten aus dem Amsterdamer © Villa Vauban – Musée d’Art de la Ville de Luxembourg

14 Die Villa Vauban fungierte in den achtziger Jahren als Galerie d’Art Municipale de la Ville de Luxembourg mit einem vielfältigen Ausstellungsprogramm

Govaert Flinck (1615-1660), Die Korporalschaft von Kapitän Albert Bas und Leutnant Lucas Conijn, 1645, „The Golden Age Reloaded“ den wahren Bildgehalt offenlegen und gleichzeitig die Rezeptionsgeschichte erläutern. Neben den Werken aus der eigenen Sammlung werden im Mai auch Werke des Rijksmuse- ums Amsterdam gezeigt. Überhaupt will die Villa Vauban in Zukunft stärker mit an- deren Museen kooperieren. Willkommen sind auch weiterhin Schenkungen. Es sollen jedoch immer die Zeitepochen des 17., 18. und 19. Jahrhunderts sein, die in der Villa im Mittelpunkt stehen. Somit vermeidet die Villa Vauban Überschneidungen etwa mit dem Nationalmuseum, welches sich vor allem auf die Epochen davor und danach konzentriert und ansonsten mit seinen Sammlungen komplementär ist. Die Verantwortlichen sind um eine ei- gene Identität des Projektes bemüht und versuchen, auch mit der einzigartigen Lage der Villa Vauban inmitten des Stadtparks zu punkten. Nicht nur die Dach- und Fas- sadenverkleidung aus Rotmessing sticht ins Auge, sondern auch der Park, der die Villa Vauban umgibt: Vom bekannten französi- schen Landschaftsplaner Édouard François André im 19. Jahrhundert entworfen, soll die Grünanlage wieder in ihre ursprüngli- che Form gebracht werden. Sie ist Teil des Restaurierungsprojektes. „Besucher sollen über die Geschichte des Parks informiert werden“, erläutert Wagener. Diese „grü- ne“ Topographie wiederholt sich in abs- trakter Form auch im Logo der Villa Vau- ban, welches ein grünes Dreieck beinhaltet. „Die umgeklappte Ecke soll außerdem den Blick hinter die Gemälde, hinter die Kunst symbolisieren“, erklärt Fuge. Ob es den Museen der Stadt tatsäch- lich gelingen wird, diese Neugierde zu we- cken, wird man ab Mai wissen. Denn es ist zweifellos eine Herausforderung, das heu- tige Publikum für die Kunst des 17., 18. und 19. Jahrhunderts zu begeistern.

© Image department, Rijksmuseum Amsterdam Christiane Walerich

15 La villa Vauban © Photothèque de la Ville de Luxembourg Symbole de culture et d’identité historique

Le Musée d’Art de la Ville de Luxem- en périphérie des deux musées les plus ré- bourg que l’on approche par l’avenue Emile cents de la ville par rapport au vieux noyau Reuter (anciennement citée comme la historique génère pour le MUDAM, musée «percée de l’Arsenal») se compose d’un d’art moderne, et le Musée d’Art de la Villa bâtiment néoclassique du XIXe siècle et Vauban, art non-moderne, l’image de por- d’une nouvelle partie contemporaine plus tes symboliques. Ces deux nouveaux points basse encadrée par un écran d’arbustes et d’attraction engendrent une nouvelle prise d’arbres parfois séculaires. Le site bénéfi- de conscience de l’espace urbain, notam- cie de la proximité du centre animé de la ment d’un tissu ancien aux valeurs patri- , centre économique et politique moniales qui demande à être préservé. de notre pays, mais également de celle des Quand on franchit le seuil du musée en quartiers résidentiels périphériques, fort question, on est très vite capté par la dua- Le temps de la forteresse prisés pour leur qualité de vie. Au musée lité du lieu, par sa combinaison judicieuse et à son contexte paysager exceptionnel entre vestiges du passé et expression ar- Sous la pelouse et les parterres plan- reviennent une place de centralité, de tran- chitecturale contemporaine. L’appellation tés se trouvent à ce jour les vestiges du fort sition et d’osmose. du site par le nom prestigieux de Vauban Vauban, dénommé selon son constructeur, La vocation culturelle de ce lieu revi- (1633-1707), ingénieur militaire français au le déjà mentionné Sébastien Le Prestre vifié est amenée à enrichir durablement service du roi Louis XIV, renvoie à son ri- Marquis de Vauban (1633-1707), qui a notre ville, et faire naître un espace public che passé. Le mur de fortification date des laissé ses marques à peu près sur tous les avec sa propre dynamique sur la base du années 1730; la villa néoclassique des an- ouvrages fortifiés antérieurs au XVIIIe siècle dénominateur commun des arts anciens. nées 1870. D’autres marques de l’histoire à Luxembourg. Les dommages causés lors Chaque lieu est porteur d’une riches- de ce haut-lieu ne sont pas identifiables, du du siège par ce même Vauban en l’année se symbolique particulière qui définit son moins à première vue, telles que les gale- 1684 ont exigé réparation, reconstruction importance hiérarchique par rapport à ries souterraines de la forteresse, et encore et nouvelles constructions tant de bâti- d’autres lieux centraux, comme nous allons moins les différentes affectations au fil des ments civils que militaires. Sur le terrain du le découvrir au fil de cet article. La situation décennies. musée, Vauban fit construire un réduit, à

16 l’image de la tour et de son fossé qu’on peut Les premières heures de la Villa Vauban ble, qui pourrait s’étendre jusqu’au fossé actuellement voir à côté du parking Monte- de l’enveloppe. Ne faudrait-il pas entendre rey. L’ingénieur souhaita renforcer les rem- Après les heures de gloire de notre par là que la villa actuelle qu’on attribue à parts de la ville au niveau de sa deuxième forteresse réputée imprenable, le Traité l’architecte Jean François Eydt ne fut pas ligne de défense extérieure, appelée aussi de Londres du 11 mai 1867 va marquer construite alors? (ons stad, nr 58/1998, le front de la plaine. Cela explique pourquoi un tournant dans l’historie du Grand-Du- 9.14). L’autorisation d’agrandir la parcelle Vauban installa en alternance de nouvelles ché. La garnison prussienne va quitter les était peut-être liée au projet de construire tours fortifiées (Lambert, Vauban, Royal) lieux et les autorités locales vont déman- une villa en dur, telle qu’elle figure sur les entre les tours existantes espagnoles (Pe- teler la ville fortifiée pour la convertir en levés anciens et sur deux assiettes signées ter, Louvigny, Marie, Berlaimont). ville ouverte. Les premiers grands chantiers des frères Zens d’Echternach de 1883 A la suite de la courte période de sou- concernent «la percée de l’Arsenal» reliant (ons stad 38/1991 p. 31,32). Bien que les veraineté française (1684-1697), la maison la Grand-rue à la route d’Arlon (loi du 26 autorités locales y fussent favorables déjà d’Autriche reprit le pouvoir après la guerre mai 1868). La même année, le 28.11.1868, en 1871, le paysagiste parisien André s’y de succession (1715-1795) et engagea le réduit Vauban est acquis par vente aux opposa: «Réponse V.G, Monsieur André sous la direction de l’ingénieur militaire de enchères par Gabriel Mayer, gantier, et s’oppose de toutes ses forces à ce que l’on Beauffe de très grands travaux. La zone son épouse Stéphanie Levy et les emplace- vende le terrain en question, je parlerais à fortifiée avec le réduit Vauban est amé- ments à construire dans la percée de l’Arse- monsieur Mayer» Or, les observations ar- nagée en zigzags, formées de fossés et de nal (bd Emile Reuter) et le réduit Louvigny chéologiques réalisées en 2007, confirment levées de terres, maintenues par des murs sont vendus à d’autres particuliers. Dans la ce différend. Le mur de forteresse longeant inclinés. On parle d’enveloppes militaires convention signée entre l’Etat et la ville de la propriété Mayer est resté indemne, tan- qui entourent ou devancent les réduits. Tel Luxembourg le 17.04.1875, «Le Gouverne- dis que le tronçon destiné au parc public est est le cas pour le réduit Thüngen qui est ment se réserve de disposer, dans l'intérêt démantelé sur une certaine hauteur (photo doté d’une enveloppe sur laquelle se dresse de l'agrandissement de la Villa Vauban, et plan d’Edouard André de mai 1871 in aujourd’hui le MUDAM. Aussi le musée de la parcelle de terrain comprise entre le ons stad nr 58/1998, p.3) Un an plus tard, d’Art de la ville s’installe en partie à cheval mur de clôture latéral de cette propriété et en septembre 1872 l’expert-architecte bel- sur une enveloppe militaire autrichienne le fossé extérieur adjacent, figuré au plan ge Delaing se prononce en faveur de la de- et en partie dans son fossé. Les architec- sous les lettres ABCD, d'une contenance mande du gantier Mayer pour agrandir son tes démontrent une grande sensibilité pour approximative de 500 mètres» (5 ares). Les terrain de 5 mètres en largeur, donc jusqu’à la mise en valeur des vestiges du passé en archives nationales en disent d’avantage. Le la pointe de l’enveloppe délimitée par l’an- l’associant à une construction contempo- 8 novembre 1871 le sieur Mayer demande cien fossé. Selon l’historiographie, l’année raine, capable de nouer un dialogue tout à au directeur des Travaux publics de pou- 1873 serait la date d’achèvement de la Villa fait passionnant avec les valeurs identitai- voir agrandir sa parcelle afin de construire Vauban. Dans une lettre datant de juillet res du passé. à côté de son pavillon une maison habita- 1873 adressée par l’ingénieur Worré à son Quelques images spectaculaires prises en 2007 illustrent le moment de la redé- couverte de l’enveloppe autrichienne du XVIIIe siècle lors des travaux de terrasse- ment du musée d’Art. Une pierre millési- mée de 1739 forme avec son mur des té- moins authentiques de cette prestigieuse demeure culturelle.

Croquis signé par l'ingénieur Worré en 1872 montrant l'emprise de la propriété Mayer avec à l'angle, la construction de son pavillon. Par un trait bleu est indiqué l'emprise

© I. Yegles du terrain supplémentaire que le propriétaire souhaite acquérir. (Anlux H- 379/2)

17 La Le 20 janvier 1949, la ville de Luxembourg acquiert l’ancienne propriété villa Le Gallais de Gargan au prix de 5 millions de francs avec le soutien financier Vauban de la famille Dutreux-Pescatore.

Travaux en été 2007: découverte de fortifications. L'ancien fossé de l'enveloppe est dégagé. supérieur Vannérus, directeur général de la Justice, il est question de la qualité des tra- vaux réalisés par M. Mayer confirmant en quelque sorte la construction de la villa: «il n’y a absolument aucun inconvénient à lui accorder l’objet de son désir, d’autant plus que Mr Mayer est le seul qui fait des sa- crifices dans l’intérêt de l’embellissement du Parc par les travaux de luxe qu’il fait dans sa propriété Vauban.» La reconstruc- tion du mur démantelé devait figurer aussi parmi ces travaux de luxe. Ces travaux sont réalisés avec le plus grand soin. La pointe de l’ouvrage est reconstruite de pierres an- gulaires et l’allure générale du plan incliné du mur est respectée. Il s’agit donc ici d’un acte de restaura- tion du mur de forteresse, qui n’est pas le seul sur les derniers 150 ans, mais peut être l’un des premiers. Le baron Charles Joseph de Gargan (1831-1920), issu d’une illustre famille si- dérurgique de Lorraine, fuyant la guerre franco-prussienne de 1870-71 et son épouse Emilie Pescatore (1840-1913), fille unique du premier mariage de Pierre-An- toine Pescatore, s’installèrent à Luxem- bourg. Ils acquirent en 1874 la propriété du gantier Mayer. En 1912, la propriété passa à leur fille Anne-Marie de Gargan (1866-1946) qui épousa en octobre en secondes noces, Norbert Le Gallais (1860- 1934), maître de forges et député libéral. Le couple est resté sans enfants et An- ne-Marie est allée vivre dès 1934 dans le sud de la . Le domaine de la Villa Vauban est par la suite confisqué par l’oc- cupant nazi qui y installa le ministère de l’agriculture et dès juillet 1940 l’office des prix (LW 11.07.1940). Après la guerre, la villa est habitée durant trois ans par Hen- riette Pescatore (1914-1984) et son époux Pierre Werner (1913-2002), homme poli- tique d’Etat. Les héritiers des familles Le Gallais-de Gargan procédèrent en 1948 et en 1949 à la vente aux enchères du mobi- lier et de l’immobilier.

Le mur d'enveloppe La Villa Vauban revient de 1739 démantelé en partie au niveau de au domaine public sa pointe (1868-1871). Le propriétaire privé du Le 27 mai 1948 eut lieu la grande terrain de la Villa Vauban vente aux enchères du mobilier de la villa, souhaitant agrandir son terrain, il est amené à comptant meubles de style, porcelaine de reconstruire la partie Meissen, service en argent, tableaux d’arts démantelée, notamment des XVI- XIXe siècle etc. L’affluence lors des la pointe, pour y faire reposer la clôture de jours de visites aurait été très importante,

la propriété (1875). © I. Yegles eu égard au grand nombre de curieux.

18 La ville a pu apporter sa pierre dans cette construction communautaire. A la Villa Vauban revient donc l’honneur, nous l’avons dit, d’avoir hébergé la cour de jus- tice CECA à ses débuts. Depuis 1959 la Villa allait recueillir définitivement les col- lections d’arts de la ville réunissant les legs des mécènes J.P. Pescatore, Léo Lippmann et Eugénie Dutreux-Pescatore. Cette riche collection d’art ancien est exposée en al- ternance avec des expositions temporaires, généralement accessibles durant les mois d’été. Entre 1991 et 1995, au moment de la restauration du Palais grand-ducal, le Grand-Duc Jean et son épouse Joséphine Charlotte y avaient trouvé leur lieu de rési- dence. Après le vote du conseil communal en 2006 d’agrandir et de restaurer les lo- caux du musée, la phase chantier pouvait démarrer en 2007. Le site et la Villa Vauban ont traversé plus de 300 ans qui furent associés à des moments et à des événements forts de l’histoire: le fort Vauban avait la fonction de bouclier au temps de la forteresse puis

Théo Mey © Photothèque de la Ville de Luxembourg se métamorphosa en luxueuse villa de la La Villa Vauban en 1955 haute bourgeoisie au moment où la ville fut délivrée de son carcan fortifié. Nous avons raconté la genèse de la villa, son importan- En 1949 est annoncée la vente de la villa roseraie dès l’été 1950 et des travaux de ce pour les débuts de l’histoire européenne et de son terrain comme suit: «Le jeudi. 20 rénovation suivaient de 1950 à 1952. (Ta- communautaire, relevé le fait de son héber- janvier 1949, à 3 heures de l'après-midi, les geblatt 10.08.1950). Toutefois l’exposition gement vicariant pendant les années 1990 héritiers de feu Madame LE GALLAIS-de des collections d’art allait devoir patienter de leurs Altesses, abstraction faite de son GARGAN feront vendre publiquement la encore quelques années, dans cette période passé muséal de galerie d’art de la ville. Au VILLA VAUBAN à Luxembourg-Ville, sise politiquement cruciale pour Luxembourg, fil de cette longue histoire, la villa, témoin Avenue de l'Arsenal No. 18, avec aisances, qui était en train de jouer sa carte diploma- d’événements importants, s’est chargée dépendances et grand parc, d'une super- tique internationale dans la construction de de symboles forts concernant notre mé- ficie de 62.12 ares. La Villa comprend: Au la Communauté européenne du Charbon moire collective. Quelle belle occasion, au sous-sol: 2 cuisines, office et vastes caves. et d’Acier (CECA). La haute Autorité de la moment de l’ouverture du musée agrandi, Au rez-de-chaussée: Terrasse, Grand Hall, CECA allait avoir son siège dans le bâtiment de célébrer son destin retrouvé de musée 3 salons, salle à manger avec buffet et dres- de la Caisse d’Epargne et la Cour de Justice d’art de la ville de Luxembourg, porteur de soir, une chambre avec cabinet de toilette. appelée à trancher les litiges de la CECA eut culture et d’identité pour les générations Au premier étage: 5 chambres, salle de à sa disposition des bureaux dans la Villa futures. bains et grande terrasse. Au second étage: Vauban entre les années 1952 et 1959. 7 chambres. Dans le parc de la propriété, Au début les audiences se faisaient dans la Isabelle Yegles-Becker entrée spéciale pour les casemates du ré- villa dans des locaux trop étriqués. Par la duit Vauban. Par sa situation unique, face suite, la ville transformait périodiquement au soleil, en plein centre de la ville, au mi- le Cercle municipal en salle d’audience. lieu du Parc municipal, longeant l'Avenue (www.ena.lu) Un courrier daté de 1953 et de l'Arsenal sur une étendue de 70 mètres, signé par le président de la cour de justice la Villa Vauban est une des plus belles pro- Massimo Pilotti souligne le besoin d’une priétés de Luxembourg.» (annonce du no- cinquantaine de bureaux et d’une grande taire Georges FABER, LW 12.01.1949) salle d’audience. Il disait être prêt à démé- Le 20 janvier 1949, la ville de Luxem- nager provisoirement à Mondorf-les-Bains, bourg acquiert l’ancienne propriété Le comme les conditions matérielles requises y Gallais de Gargan au prix de 5 millions de étaient présentes. L’Etat chargea dès 1953 francs avec le soutien financier de la famille le bureau d’architecte Schmit-Noesen d’une Dutreux-Pescatore. Le bourgmestre Emile étude pour la construction d’un bâtiment en Hamilius déclare explicitement devant le extension de la Villa Vauban à Luxembourg conseil communal que la ville serait main- au profit de la cour de justice de la CECA, Références: tenant en mesure de tenir ses engagements un projet qui n’a jamais vu le jour. Alors au - Danièle Wagener, Galerie municipale de peinture, in ons stad, nr 38/1991, p.51-53; signés en 1872 et désormais pourrait offrir moment de la démolition de l’ancien casino - Antoine Wehenkel, Chronique de la famille Pescatore, A.L.G.H, Luxembourg, 2002; un cadre adéquat à la collection Pescatore. militaire, côte d’Eich, et de la construction - Linda Eischen, La collection de tableaux de Dans la confiance en la réussite de ce pro- d’un bâtiment administratif, l’opportunité Jean-Pierre Pescatore, Luxembourg, 2004; - Mario Hirsch, La villa Vauban, victime de son succès, jet, un legs de 50 œuvres du peintre Sei- se présenta pour la cour de justice d’investir in ons stad, 9/1982, p. 14, 15 metz alla enrichir la collection d’art de la ces locaux en 1959, qui resteront les siens - ons stad, nr 58, 1998; - Les demeures de la justice, Du Palais de justice ville en mars 1949. (Tageblatt 5.08.1949) jusqu’en 1972, année d’achèvement du bâ- à la cité judiciaire, SIP, 2009 ; Les alentours de la villa sont aménagés en timent de la cour de justice au Kirchberg. - Anlux, H- 379/2 et archives des bâtiments publics.

19 Auf Initiative der damaligen Bürgermeisterin Lydie Polfer hat die Stadt Luxemburg 1987 der Asbl Schläifmillen, einer Vereinigung hauptstädtischer Künstler, die ehemalige Tuchfabrik in der Rue Godchaux zur Verfügung gestellt.

20 Guy Hoffmann

Robert Mancini

Rafael Springer, seit 1982 im Kunst- bereich aktiv, würde am liebsten auf der Schleifmühle wohnen. Er bezeichnet die Werkstätten, die die Stadtverwaltung den Künstlern zur Verfügung stellt, als einen einmaligen Glücksfall. Springer hat eine be- sondere Beziehung zur „Schläifmillen“, da sein Großvater als Müller arbeitete. „Man kann sowohl im Gebäude als auch draußen arbeiteten. Große Kunstwerke beispiels- weise können auf der grünen Wiese ent- Rafael Springer (2010) stehen. Darüber hinaus ist die Schleifmühle ein Lebensraum, in dem die meisten von uns den größten Teil ihrer Zeit verbringen. Auch wenn vom ihrem Wesen her sehr ver- schiedene Leute hier arbeiten, ist das Klima eher gut. Wir besuchen uns gegenseitig in unseren Ateliers, und im Sommer wird auch ass die Schleifmühle heutzutage als das Dach des Hauptgebäudes. Nach und mal gemeinsam draußen gegrillt. Beson- DKünstlerstätte funktioniert, ist unter nach wurden weitere Renovierungsar- ders wichtig ist unsere „Porte ouverte“, die anderem Robert Mancini zu verdanken. beiten wie das Ersetzen einzelner Fenster bereits zur Tradition geworden ist und die Anfang der achtziger Jahre war der Journa- und die Verankerung der Fensterrahmen, alljährlich zahlreiche Besucher ins Alzette- list und Bildhauer auf der Suche nach einer die Installation eines Wasseranschlusses tal lockt.“ geeigneten Werkstatt, als ein Freund ihm mit zwei Waschbecken und einer Toilette erzählte, er wolle auf der Schleifmühle woh- und anderes mehr ausgeführt. Im Dezem- nen. Allerdings war das besagte Gebäude ber 1987 gründeten wir, das heißt Patricia Rafael Springer zu jener Zeit noch eine regelrechte Baurui- Lippert, Schorsch Mayer, Bertrand Ney, ne, und die wenigen intakten Räumlichkei- Marie-Paule Feiereisen, Jean-Marie Weber ten waren von verschiedenen Abteilungen und ich selber schließlich eine Vereinigung der Stadt Luxemburg besetzt. „Es gab kein ohne Gewinnzweck, die zum Ziel hatte, das fließendes Wasser, keine sanitären Anla- Gebäude nach bestimmten Kriterien selber gen, die elektrischen Installationen waren zu verwalten.“ defekt und die Fenster waren größtenteils In den Statuten der „Asbl Schläifmil- aus den Rahmen gerissen“, so Mancini. „Es len“ steht, dass nur Künstler hier arbeiten war demnach undenkbar, dass jemand in dürfen, die sich aus Geldmangel kein eige- einem solchen Gebäude wohnen könnte. nes Atelier leisten können. Die Aufnahme Uns als Künstler interessierte allerdings das neuer Mitglieder muss einstimmig erfol- Industriegebäude. In der Folge intervenier- gen. Wer seine Werkstatt nur sehr selten te ich bei der damaligen Bürgermeisterin der benutzt, kann aus der „ Asbl Schläifmillen“ Stadt Luxemburg Lydie Polfer, die meinem ausgeschlossen werden. Da nicht genü- Vorschlag, die „Schläifmillen“ hauptstäd- gend Raum für sämtliche Künstler, die auf tischen Künstlern als Werkstatt zur Verfü- dem Gebiet der Stadt Luxemburg leben, gung zu stellen, positiv gegenüber stand. vorhanden ist, stellen manche Künstler ihre 1983 richtete ich meine Werkstatt in dem Werkstatt während einer längeren Abwe- alten Industriekomplex ein. Danach zogen senheit jüngeren Kollegen und Kolleginnen Marie-Paule Schroeder und Patricia Lippert zur Verfügung. ein. 1983 erneuerte die Stadt Luxemburg

21 Künstler auf der Schläifmillen

Dani Neumann ist eine der wenigen ein- Liane Reckinger teilt sich seit 1982 Schorsch Mayer, 1940 in heimischen Künstlerinnen, die versucht, ihre Werkstatt mit ihrem Lebensgefähr- geboren, glaubt nicht, dass im Ausland in von ihrer Kunst zu leben. Sie geht zwar ei- ten Schorsch Mayer. Sie arbeitete früher Sachen Kunst alles besser sei als in Luxem- ner kleinen Beschäftigung nach, den Groß- als Zeichenlehrerin mit einer so genannten burg. Kunstprovinz gebe es überall, nicht teil ihres Einkommens macht allerdings der „mi-tâche“, zuerst im „Lycée Technique nur im Großherzogtum. Dabei solle man Verkauf ihrer Kunstwerke aus. „Man kann des Arts et Métiers“ und danach im „Lycée nicht vergessen, dass die Konkurrenz unter hier in Luxemburg sehr wohl von der Kunst Technique du Centre“. Für Liane Reckinger Künstlern in Brüssel oder Paris viel größer leben, allerdings macht man damit keine ist die „Schläifmillen“ ein generöses Ge- sei als hier zu Lande. großen Sprünge. Man muss eine gewisse schenk der Stadt Luxemburg. Sie arbeitet Mayer begann seine künstlerische Disziplin an den Tag legen, da man keine figurativ und fertigt hauptsächlich Portraits Laufbahn in der Zeit der Studentenbewe- regelmäßigen Einkünfte hat und das Geld aus Terracotta oder Bronze. gung. Seine Kunstwerke sind denn auch für das relativ teure Material ja auch vor- eher politische Botschaften und Emanzi- strecken muss.“ pationsbilder. Er ist Mitglied der Münche- Dani Neumann benutzt verschiedene ner Sezession. Seine Bilder sind figurativ Techniken wie zum Beispiel die klassische und zeigen den Menschen in seinem all- Ölmalerei oder den Holzschnitt. Sie ist der täglichen Umfeld. Zum Beispiel den Hüt- Ansicht, dass seit dem Kulturjahr 1995 die tenarbeiter in der Minetteregion oder die Möglichkeiten im Großherzogtum, sich mit Fließbandarbeit im Mercedes-Werk. In ei- Kultur auseinanderzusetzen, enorm zuge- ner seiner letzten Produktionen setzt sich nommen haben. der Maler mit den Lebensbedingungen der Obdachlosen auseinander. Interessant war auch Mayers Beteiligung an den Kunstwo- chen in Florenz, wo Künstler aus aller Welt die schwierigen Bedingungen, unter denen Immigranten in Italien leben, verbildlichten und so auch das Immigrantenviertel in Flo- renz ästhetisch aufwerteten.

22 Guy Hoffmann

Fränz Dasbourg sieht sich selber als jemanden, der Freude an der Kreativität besitzt. Seit seiner frühesten Kindheit greift er be- reits zu Bleistift und Pinsel und versucht, seine Ideen künstlerisch umzusetzen. Während vor Jahren eher Holzskulpturen im Vorder- grund standen, widmet sich Dasbourg in letzter Zeit vermehrt der Portraitmalerei.

Doris Sander hat seit 1991 eine Werk- statt auf der Schläifmillen. Nach ihrem Abi- tur studierte sie Kunst und Biologie in Köln. Seit einigen Jahren stellt sie eine Verände- Menni Olinger ist seit 1991 als rung in der Luxemburger Kunstszene fest. Bildhauer auf der Schleifmühle tä- Dies ist vor allem den Kunstmuseen und tig. Er ist zudem der einzige Musiker der Teilnahme luxemburgischer Künstler an der Künstlergemeinschaft. Zusam- Ausstellungen und Wettbewerben im Aus- men mit Thierry Kinsch arbeitet er land zu verdanken. als Schlagzeuger an mehreren Mu- Für Doris Sander ist die Zusammenar- sikprojekten. beit mit anderen Künstlern sehr wichtig. So lädt die Artistin ab und zu Künstlerfreunde aus Portugal in ihre Werkstatt ein oder stellt auch mal in Portugal aus. Im Jahr 2000 hat sie sich einen langgehegten Wunsch er- füllt: die Schaffung der Künstlerinnengrup- pe „autour du bleu“. Fünf Frauen – Doris Sander, Gudrun Bechet, Pina Delvaux, Flo- ra Mar und Karin Kraus. Die fünf Künstle- rinnen haben vor einigen Jahren eine inte- ressante Performance anlässlich der „porte ouverte“ auf der Schläifmillen gezeigt, die zum Ziel hatte, die historische Bedeutung Rita Sajeva studierte Architektur an der des alten Industriekomplexes darzustellen Universität in Palermo, unterrichtete sieben und die schwierigen Bedingungen, unter Jahre lang Kunstgeschichte und Zeichnen denen Frauen im vorvergangenen Jahrhun- an der Universität in Rom and wanderte dert arbeiten mussten, zu visualisieren. schließlich mit ihrem Lebensgefährten nach Luxemburg aus. Für die gebürtige Italienerin ist die Schleifmühle ein idealer Arbeitsplatz. „Ich mag meine Werkstatt, und es ist ein großes Privileg für uns alle, mitten in der Natur ar- beiten zu dürfen.

23 Bildrestauratorin Linda Kinsch, Jahrgang 1954, hat ihr Atelier im Vorbau der Schläifmillen. Sie restauriert vor allem Gemälde, Skulpturen und Wandmalereien.

Dany Prum

„Hommage à Matisse“: Eisenskulptur von Moritz Ney und Denis Brassel (2006)

„Dany peint des humains et des animaux. Alors qu’on a l’impression que l’artiste a découpé le corps de certains humains, comme le pape, les curés ou le flic, pour n’en montrer qu’une partie, les animaux sont toujours représentés dans leur intégralité voire, dans leur majesté.“

Als Kunstschmied und Bildhauer arbeitet er viel mit Künstlerkollegen zusammen: Denis Brassel, seit 1991 auf der Schläifmillen. Hier sieht man ihn zusammen mit dem Designer Claude Kalmes beim Aufbau einer Eisenskulptur.

Größere Arbeiten wurden 1990 auf der Schleifmühle vorgenommen, als der Vorbau komplett renoviert und Duschen sowie mehrere Toiletten im Hauptgebäu- de installiert wurden. Die Stadtverwaltung übernimmt die Nebenkosten wie Wasser und Strom. Für das Beheizen der einzelnen Werkstätten mittels Holzofen muss jeder selber sorgen. Wer mehr über die Aktivitäten der Künstler auf der Schläifmillen wissen will, der sollte sich die Internetseite www. schlaifmillen.com ansehen oder Mitte Juli die „porte ouverte“ besuchen. Oder ein- fach mal an einem sonnigen Nachmittag ganz spontan an der Tür dieser oder jener Werkstatt anklopfen.

Guy Hoffmann Henri Fischbach

24 Der Maler Sehr geehrter Kunsthändler Kahnweiler, Den haben sie durch Spott versehrt – Wir hatten einen Deal gemacht, heut wird der Mann als Gott verehrt. Pablo Picasso der hat bis jetzt nicht viel gebracht. Wie wenig ein Verriss bewegt, Erst hab ich blau in blau gemalt, hat eben erst Matisse belegt. schreibt an Sie haben äußerst mau gezahlt. Zwar hat er einen Schreck gekriegt, Dann hab ich’s mit Rosé versucht, doch den hat rasch Ihr Scheck besiegt. doch nichts im Portmonnaie verbucht. Solang Sie ihm die Bilder zahln, seinen Kunsthändler wird Henri wie ein Wilder maln, Nun also wären Kuben dran – Sie schaffen nicht mal Tuben ran. da jeder, sofern Bares lacht, Daniel-Henry gern Schönes, Gutes, Wahres macht. Wird ich nicht nach Tarif bezahlt, Kahnweiler wird ab sofort naiv gemalt. Zwar beißt die Maus kein Faden ab, Mit vorzüglicher Hochachtung dass ich davon den Schaden hab, Pablo Picasso, Kunstmaler doch trudeln keine Mäuse ein, stürzt langsam mein Gehäuse ein. Postscriptum: Mein Herr! Sie haben Braque bedacht, und der hat nichts als Quack gebracht. Ein Vorschlag zur Güte: Sie haben Juan Gris bezahlt, Zunächst wird kräftig angezahlt, und der hat ziemlich mies gemalt. sodann wird wie Cézanne gemalt, Zwar stimmt es, dass die Pressewelt der Gegenstand wird kleingehackt vor meinem Werk die Fresse hält, und so viel Schotter eingesackt, doch lässt mich unser Blätterwald dass jeder der Picasso kennt, samt selbsternannter Retter kalt. ihn nur noch Herrn Incasso nennt. Den haben sie mit Dank bedacht – die Nachwelt hat sich krankgelacht. Robert Gernhardt Zeichnung © Robert Gernhardt

25 Musée National d’Histoire et d’Art

26 ons stad: Mit der Eröffnung des Casinos, ons stad: Wie situieren Sie sich gegenüber Das des Geschichts- und Naturmuseums sowie der Villa Vauban? des Mudam hat das Nationalmuseum seine Monopolstellung in Luxemburg eingebüßt. Michel Polfer: Die Sammlungen der Villa Allround- Was ist ihrer Meinung nach heute die Rolle Vauban sind mit unseren nur in kleinen Be- eines Nationalmuseums? reichen deckungsgleich, dies aufgrund der unterschiedlichen Geschichte des Zustan- Museum Michel Polfer: Glücklicherweise gibt es die dekommens der Sammlungen. Im Fall der Monopolstellung des Nationalmuseums Villa Vauban sind es Privatsammlungen, die heute nicht mehr, denn das heißt ja, dass der Stadt Luxemburg geschenkt wurden. Michel Polfer, Direktor des Musée interessante neue Museen hinzugekom- Sie illustrieren den Geschmack einer ge- National d’Histoire et d’Art, über die men sind. Ich glaube, wir haben heute eine wissen Zeit und einer bestimmten Gesell- Aufgaben eines Nationalmuseums doppelte Aufgabe. Einerseits die Mission, schaftsschicht. Unsere Sammlung ist vom und den Bezug zur zeitgenössischen das nationale Kulturerbe in den Bereichen Entstehungsdatum der Werke her dagegen Kunst. der Archäologie, der Geschichte bis hin zu breiter angelegt. Auch handelte es sich von den Schönen Künsten zu sammeln, wissen- Beginn an um eine öffentliche Sammlung, schaftlich zu erforschen und dem Publikum die seit dem zweiten Weltkrieg mehr oder zugänglich zu machen – letzteres, sofern weniger systematisch aufgebaut wurde. Ich das vom Platz her überhaupt möglich ist. glaube daher nicht, dass es hier zu großen Andererseits wollen wir im Bereich der Bil- Überschneidungen kommt. Ich bin auch denden Kunst dem Publikum die Möglich- sicher, dass wir in Zukunft das eine oder keit bieten, sich mit der kunstgeschichtli- andere thematische Projekt gemeinsam auf chen Entwicklung vertraut zu machen. Es die Beine stellen werden. gibt keine andere öffentliche Sammlung in Luxemburg, die das leistet – außer der Villa ons stad: Und welche Rolle spielt moderne Vauban, die ja demnächst ihre Türen wieder Kunst im Kontext des Nationalmuseums? öffnet, wo das jedoch in einem zeitlich be- schränkten Rahmen passiert. Was die Kunst Michel Polfer: Die Kunst des 21. Jahrhun- des 21. Jahrhunderts anbelangt – hier stel- derts wird zurzeit ja vor allem vom Mudam len sich natürlich Fragen. Hier muss man und von uns gesammelt. Hier gibt es noch sehen, wer in Zukunft – das Mudam, das keine Absprachen. Dennoch stellt sich für Casino oder wir – Ausstellungen organisiert mich die Frage, ob es auf Dauer sinnvoll und vor allem auch Sammlungen aufbaut. ist, die internationale Kunst des 21. Jahr-

27 hunderts in Luxemburg in zwei öffent- xemburger Kunst zeigt, sowohl in ihrer his- Musée lichen Sammlungen zu sammeln. Auch torischen Entwicklung wie in ihrer aktuel- National stellt sich die Frage, wo denn in Zukunft len Produktion. Zu diesem Zweck bräuchte luxemburgische Kunst des 21. Jahrhun- man zunächst einmal zusätzliches Personal. d’Histoire derts gesammelt werden soll. Dies isoliert Denn wir haben im Moment im Bereich der vom internationalen Kontext zu tun, macht Schönen Künste nur anderthalb Posten, et d’Art meiner Ansicht nach keinen Sinn und wür- welche sich um Ausstellungen, Sammlun- de nur zu einer Gettoisierung führen, die gen und wissenschaftliche Aufarbeitung ja niemand ernsthaft wünschen kann. Wir kümmern. Neben dem Personal erfordert sammeln im Moment noch internationale eine solche Nationalgalerie natürlich auch wie luxemburgische zeitgenössische Kunst. Ausstellungsflächen. Hier im Hause gibt es Das letzte Bild, das wir erworben haben, diese nicht. Dennoch wäre es – u.a. aus lo- ist ein Gemälde von Jean-Marie Biwer, das gistischen Gründen – sinnvoll, eine solche noch nicht geliefert wurde – zeitnaher geht Nationalgalerie in der Nähe des National- es nicht. Es ist also nicht so, wie zum Teil in museums anzusiedeln. Wir hatten gehofft, der Öffentlichkeit vermutet wird, dass wir dass der Flügel des alten Justizpalastes in überhaupt keine Luxemburger Kunst kau- der Wiltheim-Straße dafür umgebaut wer- fen, nur haben wir hier im Haus leider nicht den könnte. Das wäre eine einfache Lösung genug Platz, sie zu zeigen. gewesen. Nun kommt jedoch wie es aus- sieht das Außenministerium hierhin. Ob ons stad: Wie wollen Sie sich denn positi- sich in dieser Frage in nächster Zeit etwas onieren? bewegen lässt, hängt also von den Mitteln ab, welche uns zur Verfügung gestellt wer- Michel Polfer: Das ist abhängig von einer den. Ein weiterer Aspekt, der hinzu kommt ganzen Reihe von zusammenhängenden und oft mit der eigentlichen Sammlungs- Faktoren. Das erste Problem ist der Platz- strategie der Museen selbst verwechselt faktor. Wir haben im Moment schon für die wird, ist die staatliche Kunstförderung so- vorhandenen Sammlungen an Luxembur- wie der Ankauf von Kunst für den öffentli- ger Kunst fast keinen Raum. Wir brauchen chen Raum und die Ausstattung staatlicher – und meine Vorgänger haben das schon Bauten. Hier plädiere ich für eine zentrale gefordert – eine an das Nationalmuseum „Commission d’achat“, in der auch Ver- angegliederte Nationalgalerie, welche Lu- treter der Museen sitzen würden. Dies mit Kuratorin Malgorzata Nowara

28 dem Ziel, diese staatliche Ankaufpolitik mit- tel- und langfristig so auszurichten, dass sie auch im Hinblick auf den systematischen Auf- und Ausbaus der Museumssammlun- gen sinnvoll wäre. So könnten etwa Werke, die sich im Rückblick als wichtig erweisen, in die Museumssammlungen integriert und dauerhaft öffentlich zugänglich gemacht werden, statt dass Museen mit ihren ohne- hin zu knappen Budgets noch einmal Bilder der gleichen Künstler ankaufen.

ons stad: Inwiefern sollen in Zukunft le- bende Künstler im Nationalmuseum ausge- stellt werden?

Michel Polfer: Im Nationalmuseum gab es immer die Regel, dass lebende Luxem- burger Künstler in der Dauerausstellung nicht gezeigt wurden und werden – was übrigens in fast allen Nationalmuseen der Welt so gehandhabt wird. Aus mehreren Gründen. Einmal aus Konkurrenzgründen: Sie können sich ja vorstellen, dass dann alle Luxemburger Künstler hier vertreten sein wollen. Aber auch Qualitätsüberlegungen spielen hier eine Rolle: erst mit einem ge- wissen Abstand kann entschieden werden, welche Künstler einer Generation dauer- haft ausgestellt werden sollen Das Kriteri- um zu erfüllen, Luxemburger zu sein oder in Luxemburg zu arbeiten, reicht hierzu ja wohl nicht aus. Auch deshalb glaube ich, dass es wichtig ist, neben dem National- museum eine Nationalgalerie zu haben, die auch die aktuelle Produktion zeigt und in ihrem Kontext thematisiert.

In den kommenden drei Jahren werden ons stad: Dennoch stellt sich die Frage, wo die zum Nationalmuseum gehörenden Häuser der Sammlungsauftrag des Nationalmuse- auf der gegenüberliegenden Seite der Wiltheim-Straße ums aufhört? modernisiert, so dass dort dann eine ganze Etage Michel Polfer: Insgesamt wurde Luxem- für Wechselausstellungen zur Verfügung steht. burger Kunst bisher in unserer Daueraus- stellung tatsächlich vielleicht nicht genü- gend berücksichtigt. Wir planen für den Herbst eine neue Hängung, mit der wir die bisherige Fläche der Dauerausstellung im Bereich Bildende Kunst praktisch verdop- peln können. Wo es möglich ist, werden wir im Herbst dann auch Werke einheimi- scher Maler in die internationale Hängung mit hinein nehmen – wohl gemerkt aber aus den genannten Gründen keine leben- den Luxemburger Künstler. Möglich wird dies dadurch, dass in den kommenden drei Jahren die zum National- museum gehörenden Häuser auf der ge- genüberliegenden Seite der Wiltheim-Stra- ße modernisiert werden, so dass dort dann eine ganze Etage für Wechselausstellungen zur Verfügung stehen wird.

ons stad: Wäre es denn nicht sinnvoll in Zu- kunft, um Platz zu schaffen, gewisse Fach- bereiche auszulagern – etwa die Fotografie ins Centre National Audiovisuel zu geben? imedia

29 ons stad: Die Qualität eines Museums immer und überall die gleiche Intensität lie- Musée hängt viel vom Personal und der wissen- fern können. Ich will aber nicht falsch ver- National schaftlichen Recherche ab. standen werden. Ich bin nicht eifersüchtig auf andere, ich würde mir nur wünschen, d’Histoire Michel Polfer: Das Nationalmuseum hat dass wir in einigen Bereichen durch neue im Moment 92 Mitarbeiter, wären es mehr, Mitarbeiter unsere Arbeit verbessern könn- et d’Art könnten wir natürlich noch mehr machen. ten, so etwa im Bereich Kommunikation. Wir sind verantwortlich für die gesamte ar- Die wird im Nationalmuseum immer noch chäologische Bodendenkmalpflege und die nebenher von den wissenschaftlichen Mit- archäologische Forschung in Luxemburg. arbeitern und unserem museumspädago- Wir betreuen einen großen Teil des materi- gischen Dienst erledigt, denn unser Haus ellen Kulturerbes – keine andere Sammlung verfügt nicht über eine einzige Person, die in Luxemburg ist annähernd vergleichbar. für Kommunikation zuständig ist. Allein im Wir betreuen einen großen Teil des künst- letzten Jahr haben wir drei neue Standorte lerischen Erbes des Landes. Wir organisie- übernommen: die Römervilla samt Muse- ren im Schnitt vier bis fünf Wechselausstel- um in Echternach, Dalheim sowie das Mu- Michel Polfer: Nein, das glaube ich nicht. lungen pro Jahr, geben vier Mal im Jahr das sée Draï Eechelen. Für mich liegt auf der Ausstellungsfläche gewinnen wir dadurch Musée-Info heraus und ein Mal im Jahr Hand, dass ohne Verstärkung im Bereich ohnehin nicht. Wir haben eine recht um- unser Jahrbuch Empreintes, darüber hinaus der Kommunikation nach außen das Natio- fangreiche Fotosammlung, die aber vor mehrere Ausstellungskataloge und wissen- nalmuseum trotz seiner vielfältigen und im- allem historisch wertvolle Aufnahmen um- schaftliche Monographien usw. Wenn ich mer zahlreicheren Aktivitäten an Visibilität fasst. Im Bereich der Kunstphotographie sehe, wie viel Personal andere Häuser zur gegenüber anderen Institutionen verlieren ist für uns vor allem die Edward Steichen- Verfügung haben, die nur einzelne Berei- wird. Sammlung sehr wichtig, die häufig im che abdecken, dann ist klar, dass wir nicht Interview: Christiane Walerich Ausland gezeigt wird. Diese Sammlung ist wichtig, um Beziehungen mit anderen Mu- seen aufzubauen. ons stad: Inwiefern ist ein Ausbau der Ausstellungsfläche für Dauerausstellungen überhaupt sinnvoll, wenn ohnehin ein gro- ßer Teil des Fundus nie gezeigt wird?

Michel Polfer: Das ist in den meisten Mu- seen der Welt so, außer vielleicht in einigen amerikanischen Museen, die selbst keine großen Sammlungen haben, sondern eher Durchlauferhitzer für Wechselausstellun- gen sind. Ich hoffe nicht, dass wir in Europa diesen Weg einschlagen. In jedem größeren europäischen Museum sind 9/10 der Wer- ke dem Publikum nicht ständig zugänglich. Und das gilt nicht nur für Kunst. Vieles was wir sammeln, etwa historische oder archäologische Objekte, hat ja keine eige- ne ästhetische Qualität, sondern vor allem einen historischen Wert, der oft besser in Sonderaustellungen zur Geltung kommt. Und ohne den Fundus der Sammlungen wären ja Wechselausstellungen überhaupt nicht möglich. ons stad: Wie oft organisieren Sie themati- sche Wechselausstellungen?

Michel Polfer: Wir haben im Durchschnitt vier, fünf Wechselausstellungen pro Jahr, sind also – auch im Vergleich – denke ich, nicht schlecht aufgestellt. Auch kommt es nur sehr selten vor, dass wir eine fertige Ausstellung aus dem Ausland übernehmen. Wir erarbeiten die meisten Ausstellungen selbst, so etwa auch die aktuelle James En- sor-Ausstellung. Wir haben die Sammlung über Kontakte in Belgien selbst aufgetan. Ich kann mir allerdings gut vorstellen, dass der Sammler diese Ausstellung anschlie-

ßend noch woanders zeigen will und wird. imedia

30 Une photo et son histoire Noch eine hohe Dame, die für Luxemburg reiste…

Nachdem die diplomatische Mission das bezeichnenderweise die Widmung „A der „Gëlle Fra“ in allen Zeitungen, Blogs la Princesse Henri des Pays-Bas“ trägt. Auf oder Biertischrunden ausgiebig kommen- der Sitzbank, die das Denkmal umgibt, sind tiert worden ist, schien es mir nicht sinn- die Namen der 12 Kantone eingetragen, voll, die Rubrik „Une photo et son histoire“ um zu zeigen, dass das ganze Luxemburger auch noch der Statue des Luxemburger Land der Prinzessin in Ehrerbietung zuge- Künstlers Claus Cito zu widmen. Vieles tan war. ist aus kompetenter Feder (z.B. von Lotty Karitativer Einsatz und moderne Kin- Braun-Breck) über Cito gesagt worden, und dergartenkonzepte hätten aber wohl kaum dieses ist nicht die Stelle, sich zu fragen, ob als Begründung für ein Denkmal dieser es sinnvoll ist, die „Gëlle Frau“ nach China Größenordnung gereicht, das durch eine zu schicken. Zumal wir ja noch nicht wis- nationale Ausschreibung wenigstens teil- sen, wodurch unser Land sich in Schanghai weise bezahlt werden konnte. Die mehr sonst noch präsentiert. als 2 Meter hohe Statue ist ein Werk des Ich würde daher gerne diese Rubrik Metzer Künstlers Charles Pêtre und gilt einer Frau widmen, die auch in diploma- als das erste öffentliche Denkmal Luxem- tischer Mission für Luxemburg gereist ist burgs. Womit hat Amalia sich diese Ehrung (oder gereist sein soll) : Prinzessin Amalia verdient? wird die Schleifung der Festung beschlos- von Sachsen-Weimar-Eisenach, auf Luxem- 1867 wird die europäische Diploma- sen und somit ein internationaler Zankapfel burgisch liebevoll-diminutiv „d’Ammeli“ tie durch die so genannte „Luxemburg- aus der Welt geschafft. mit Betonung auf der ersten Silbe. krise“ erschüttert: der französische Kaiser Am 1. Mai 1872 stirbt Amalia kinderlos Am 5. Februar 1850 ernennt der nie- Napoléon III war daran interessiert, sein in Walferdingen. Sie wird in der Niewe Kerk derländische König-Großherzog Wilhelm Herrschaftsgebiet durch den Erwerb Lu- in Delft bestattet. III. seinen jüngeren Bruder Heinrich zum xemburgs und seiner mächtigen Festung Wenn auch zahlreiche Namen, Plät- Statthalter in Luxemburg. Drei Jahre später, zu erweitern, um die französische Posi- ze und Gebäude den Namen des Prinzen am 19. Mai 1853 heiratet Heinrich Prinzes- tion gegenüber Preußen zu stärken. Er Heinrich und seiner Frau Amalia tragen, so sin Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach, hatte sich schon vorher die geheime Zu- macht sich seit der zweiten Hälfte des 20. die jüngste Tochter des Herzogs Bernhard stimmung Bismarcks gesichert: gegen das Jahrhunderts eine kritischere Analyse breit. von Sachsen-Weimar-Eisenach. Am 14. Versprechen Frankreichs, sich nicht in den War Amalia etwa gar nicht in St. Peters- August 1853 trifft das junge Paar in Wal- deutschen Einigungsprozess einzumischen, burg? War Prinz Heinrich wirklich nur „de ferdingen, seinem Residenzort in Luxem- hätte Bismarck nichts gegen den Kauf nicht gudde Prënz“? burg ein. deutscher Gebiete einzuwenden. Da der Wie dem auch sei, Amalia auf ihrem Relativ rasch wird Prinz Heinrich der niederländische König Wilhelm III. und Sockel im Park hat als Person und als Denk- Niederlande „de gudde Prënz Hari“, eine „Besitzer“ Luxemburgs in Geldnöten ist, mal lange Zeit die Rolle der Landesmutter positive Einstellung, die sich auch auf sei- willigt er ein, Luxemburg für 5 Millionen gespielt, bis sie die Fackel an Charlotte ne elegante junge Ehefrau niederschlägt. Florins an Frankreich zu verkaufen, macht weiterreichte. Es ist schon interessant, wie Wenn 1875 der 25. Jahrestag seiner Statt- aber den Verkauf von der Zustimmung Bis- abgehoben die (männlichen) Künstler die halterschaft gefeiert wird, werden er und marcks abhängig. Auf Druck der deutschen „Landesmütter“ sehen, ob sie reale Fürs- seine (schon verstorbene) Gattin in Hym- Öffentlichkeit rät Bismarck Wilhelm III. tinnen waren oder vergoldete Verkörpe- nen und Ansprachen als die Garanten der schließlich von dem Verkauf ab. rungen von Freiheit und Widerstand. Wei- Luxemburger Unabhängigkeit geehrt. Die In Luxemburg waren französische te Reisen im Interesse Luxemburgs haben Verdienste des Prinzen um die ersten Eisen- Agenten aktiv geworden, um für die Sache Amalia, Charlotte und die „Gëlle Fra“ je- bahnlinien und den wirtschaftlichen Aus- ihres Kaisers zu werben, aber die meisten denfalls gemeinsam. bau des Landes werden hervor gestrichen Luxemburger wollten „bleiwe wat mer und der soziale Einsatz seiner Gattin immer sinn“, ein Begehr, das auch bei dem Statt- Simone Beck wieder betont. So soll sie beispielsweise halter der Niederlande in Luxemburg, dem Kindergärten, die nach dem pädagogischen „gudde Prënz Hari“ ein offenes Ohr fand. Modell von Friedrich Fröbel arbeiteten, in In diesem Zusammenhang soll Prinzessin Bibliographie: Luxemburg eingeführt haben. Amalia nach Sankt-Petersburg gereist sein, - 150 Joer Gemeng Walfer 1851-2000. Ed. 1876, vier Jahre nach dem Tod der um bei ihrem Verwandten, dem Zar Ale- Administration communale de Walferdange 2000; - Christiane Huberty, Prënz Hary an Amalia, in: Lieux Prinzessin, wird im Stadtpark in Luxemburg xander II. gegen die Annexionsabsichten de mémoire au Luxembourg. Ed. Sonja Kmec, Benoît ein Denkmal zu Ehren Amalias errichtet, Frankreichs Unterstützung zu suchen. 1867 Majerus, Michel Margue, Pit Péporté Luxembourg 2007

31 zum Mudam Vom Pei-Musée Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean

Eigentlich ist es verwunderlich, So schön die Aussicht und imposant dass sich nicht schon so mancher der Standort des ehemaligen Fort Thüngen, Wünschelrutengänger auf irgendwie dürfte seine militärische Vergan- Kirchberg eingefunden hat, um genheit sich in einer gewissen „Unruhe“ herauszufinden, ob denn hier auswirken, wie die beiden Fallbeispiele des irgendetwas mit den unterirdischen Musée d‘Art Moderne Grand-Duc Jean, Strömen nicht stimme. Vielleicht kurz Mudam, und das Festungsmuseum ließe sich ja durch besondere „Dräi Eechelen“ andeuten. Doch eine Ge- schichte wäre nicht wirklich schön, hätte geologische Verwerfungen erklären, sie nicht ein glückliches Ende, wenn auch weshalb das Plateau für museale ganze 16 Jahre Planung und Arbeit, aber Institutionen ein nicht auf Anhieb auch Diskussionen, Gerichtsprozesse und fruchtbarer Boden zu sein scheint. Unterbrechungen dazwischen liegen...

32 der benachbarten Philharmonie (übrigens 123 Millionen) erbauten Türme kosteten 91 bzw. 85 Millionen. Wenngleich der Ar- chitekt vorab bemüht war, Altes – sprich das Fort Thüngen – mit Neuem, seinem Glas- und Beton-Entwurf und dem späte- ren Inhalt des Museums, zu verbinden, so wurde der Standort heftig diskutiert. Denk- malschützer wehrten sich gegen die Pläne, wenngleich Pei beteuerte, ein auf gegen- seitigem Respekt basierendes „Wechsel- spiel zwischen Vergangenheit und Gegen- wart, der Vergangenheit und der Zukunft“ verwirklichen zu wollen. „Die Kunst, Massen, Körper und Flä- chen zu freien Räumen und zu großer Skulptur zu formen, sie aber zu bändigen und zu ordnen durch Geometrie... Es ist die Kunst, die Menschen durch Architektur für Kunst und Wissenschaft zu begeistern“, würdigte Florian Mausbach, Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumord- nung, das Gesamtwerk des sino-amerika- nischen Architektur-Visionärs Pei anlässlich der Verleihung des „Orient- und Okzident- Preises“ der Erwin-Wickert-Stiftung am 3. Juli 2006 in dem drei Tage zuvor feierlich und in Anwesenheit zahlreicher auch ge- krönter Ehrengäste eröffneten Mudam. Was hier eher technisch formuliert wird, erlebt der Besucher des Museums als lichtdurchflutete hohe Volumina, die das Gesamtbild des Museums prägen. Die

Guy Hoffmann Verwandtschaft zur gläsernen Pyramide des „Grand Louvre“ – die übrigens anfangs ebenso in Frage gestellt wurde, heute je- doch nicht mehr wegzudenkender Teil des äußeren Erscheinungsbildes von Paris‘ be- Stein(e) des Anstoßes echtes Kunstwerk.“ Der 22. Januar 1999 kanntestem Museum darstellt – ist nicht zu markiert den offiziellen Baubeginn, doch übersehen. Wie ein wohlwollender „genius Der „eigentliche Auslöser“ zum Bau vor der feierlichen Eröffnung am 1. Juli loci“ scheint die Persönlichkeit des zierli- eines „Centre d‘art contemporain“, wie das 2006 gilt es noch einige Hindernisse zu chen, stets freundlich blickenden Baumeis- heutige Museum damals genannt wurde, überwinden. ters beider Orte im Raum zu schweben. war laut Jacques Santer, Präsident des Ver- Manche Institutionen müssen einen „Architektur ist Licht“, fasst der Luxem- waltungsrates der „Fondation Musée d‘Art steinigen Weg zurücklegen, bevor sie sich burger Architekt Georges Reuter, der mit Moderne Grand-Duc Jean“, die Wahl Lu- auf ihre eigentliche Mission konzentrieren Pei am Mudam arbeitete, das Credo seines xemburgs als europäische Kulturhauptstadt können. Dass diese Redewendung durch- illustren Kollegen zusammen. 1995: „Was die Infrastrukturen anbelangt, aus nicht nur metaphorisch zu verstehen 43 Meter hoch ist die Glaskuppel im war die Kultur in den achtziger Jahren ein ist, sondern ganz konkrete Formen anneh- Eingangsbereich, und es scheint, als ob sie Stiefkind. Durch das Kulturjahr 1995 gab es men kann, verdeutlicht die Polemik um das Tageslicht bündele, um dem Raum eine einen neuen Impuls für das kulturelle Le- die hellen, burgundischen Kalksteine, auf majestätische und dennoch kontemplative ben“, so der damalige Premierminister. denen der Architekt bestand. Doch nicht Ruhe zu verleihen. „Ich habe nahezu alle Bereits im November 1990 deponiert nur bei den 14 500 Quadratmeter „Ma- Museumsbauten, die I. M. Pei entworfen die Regierung ein entsprechendes Geset- gny doré – Qualité Louvre“, die mit 10,7 hat, besichtigt, und das Gebäude hier in zesprojekt und der 1917 in China geborene Millionen Euro zu Buche schlugen, lag der Luxemburg ist ein kleines Juwel. Ich bin amerikanische Stararchitekt Ieoh Ming Pei, sprichwörtliche Stein des Anstoßes, der vor allem fasziniert von seiner Art, mit dem Absolvent des renommierten Bostoner MIT den bewegten Weg der Entstehungsge- Licht umzugehen“, erklärte schon Marie- und der Harvard University, wurde mit dem schichte des Mudam pflasterte. Zahlreiche Claude Beaud. Und in der Tat, die schier Entwurf des Museums beauftragt. „Ein Abstriche mussten im weiteren Projektver- unendlichen Diskussionen um den Bau entscheidendes Element im Konzept war lauf gemacht werden. Und so gab es nicht verstummten fast gänzlich nach dem Er- der Vorschlag, ein Gebäude zu schaffen, nur gleich drei Anpassungen der Entwürfe, öffnungswochenende des 1. Juli 2006: Peis das – in Ermangelung einer eigenen Kollek- sondern ebenfalls mehrere Baustopps und Vision, die in Sichtbeton, Glas, Metall und tion – von sich aus Sammler und Künstler so manches Gerichtsverfahren. Letztlich Stein umgesetzt wurde, besticht durch eine anzieht. Konkret hieß das, für das Projekt wurde nicht nur die ursprünglich geplante natürliche, ausgewogene Harmonie. Dass musste ein großer Architekt gewonnen Größe des Projekts halbiert, auch die Kos- sich dahinter eine ungeheure Präzision werden“, führt Jacques Santer weiter aus. ten wurden auf die Hälfte reduziert, so verbirgt, dürften die meisten nicht einmal „Wir wussten, wenn wir Pei für die Sache dass sie letzten Endes 88 Millionen Euro annähernd ahnen. Dass dies der Fall ist, gewinnen können, wird das Museum ein ausmachten. Im Vergleich: die zwei neben beweist unter anderem Peis Entscheidung,

33 (1984-1994) und dem Mudam die dritte Institution, die sie aus der Taufe hebt. „‚To- morrow Now‘ war eine historische Ausstel- lung. Die Majerus-Retrospektive war unge- heuer wichtig. Und ich denke auch, dass es ebenso wichtig war, den Turner-Preisträger Grayson Perry hier zu haben wie Jeff Ko- ons“, fasst sie ihre Zeit als Direktorin zu- sammen. Die „importierte“ Kunsthistorikerin sorgte in der Luxemburger Kunstszene hinter vorgehaltener Hand für Kritik und Unmut. Dabei stellte Beaud ihre Fach- Oregonkiefer zur Schalung des Betons zu Vom Eldorado kenntnisse unter Beweis, indem sie die Lu- benutzen, da die Maserung dieses Weich- in eine Schöne Neue Welt xemburger Künstlerin Su-Mei Tse 2003 zur holzes hier besonders zur Geltung kommt. Kunstbiennale nach Venedig schickte, und „Wir verfügen über jeweils zwei große Dass Kunst im Allgemeinen, und zeit- diese prompt mit dem „Goldenen Löwen“ Räume im Unter-, Erd- und Obergeschoss, genössische umso mehr oft als entbehr- heimkehrte. Ihrem Nachfolger soll es nicht die perfekt auf Ausstellungsanforderungen licher Luxus angesehen wird, ist eine – in besser ergehen: Ihm wird vorgehalten, kein zugeschnitten sind“, äußert sich der aktu- Krisenzeiten – verbreitete Meinung. Dabei ausländischer Experte zu sein. elle Mudam-Direktor Enrico Lunghi. In den könnte sich das Kirchberger Kulturhaus ei- „Ein Museum muss Mittel und Wege Übergangsbereichen zwischen letzteren sei nes noch unverhohlen erscheinenden Lu- finden, die Besucher zu verführen, sie in es derweil die Architektur, die einen stär- xus brüsten, nämlich dem, gleich mehrere einen Traum mit hineinzuziehen, sie aber keren Eindruck hinterlasse und somit vor- Namen zu besitzen. So tat sich das „Centre auch gleichzeitig zu dieser Auseinanderset- dergründig sei. „Natürlich heißt dies nicht, d‘art contemporain“ lange schwer damit, zung zu ermutigen, indem man ihnen Dinge dass sie zu Ausstellungszwecken ungeeig- den Diskussionsballast unter anderem um zeigt, die sie kennen, die sich vergleichen, net sind“, so der Museumsleiter. „Man die Magny Doré-Steine, die ebenfalls am bewerten, erkennen lassen“, erklärt Marie- muss nur eben ein gewisses Feingefühl Erweiterungsbau des Deutschen Histori- Claude Beaud. „Es geht darum, den Besu- beweisen und die passenden Werke für schen Museums in Verwendung fan- chern zu versichern, dass sie schon etwas diese Standorte finden.“ Mit 70 000 Kubik- den, abzuwerfen, und wurde lange – eher wissen, aber noch mehr erfahren können.“ metern Volumen, wovon 50 000 unter der abfällig – als „Pei-Musée“ betitelt. Selbst Im Gegensatz zum „Casino Forum Erde liegen, und einer Gesamtfläche von die Bezeichnung „Musée d‘Art Moderne d‘art contemporain“ besitzt der Mudam ein 10 000 Quadratmetern, von denen 4 800 Grand-Duc Jean“ könnte zu so manchem wirksames Lockmittel: eine eigene Samm- für Ausstellungszwecke gedacht sind, bie- Missverständnis führen, steht doch im lung, die mittlerweile 423 Werke von 295 tet das Museum nicht nur seinen aktuell 48 Zentrum des Museums nicht die moderne, internationalen Künstlern umfasst. „Es gibt Mitarbeitern genug Platz. sondern die zeitgenössische Kunst – ein keine spezielle Einkaufspolitik für Luxem- Doch nicht nur das Innere des Kunst- vielleicht kleiner, aber durchaus feiner Un- burger Künstler“, so Lunghi, der von solch hauses, auch seine Umgebung soll eine terschied. „Es herrscht ein Missverständnis, einer „Ghettoisierung“ nicht viel hält. „Wir wahre Oase der Beschaulichkeit sein: 2010 was die Begriffserklärung der ‚Modernen kaufen Werke, die ihren schlüssigen Platz ist das erste Jahr, in dem der umliegen- Kunst‘ anbelangt“, hatte Marie-Claude Be- in der Sammlung haben und diese inhalt- de Park komplett fertiggestellt ist. Er soll aud erläutert. Für manche hört diese näm- lich ergänzen – nicht weil sie dieser oder Besucher nicht nur zum Besuch, sondern lich mit Picasso auf. „Glücklicherweise hat jener entworfen hat.“ Dass mit Jean-Marie ebenfalls zum Verweilen einladen. Er habe sich die ehemalige Direktorin den Namen Biwer, Simone Decker, Doris Drescher, Tina „Kontinuität zwischen Vergangenem, der ‚Mudam‘ einfallen lassen“, sinnt ihr Nach- Gillen, Paul Kirps, Antoine Laval, M+M, Gegenwart und – hoffentlich – auch der folger. „Der Mudam widmet sich ganz Zukunft“ schaffen wollen, so der Architekt. klar dem zeitgenössischen Kunstschaffen. Hält man sich beim Schlendern durch das Müssten wir mit den uns zur Verfügung Museum und drum herum genau dies vor stehenden Mitteln Werke der Moderne Augen, eröffnet sich hier ein fruchtbarer kaufen, wären wir schnell am Ende. Mehr Dialog. noch, wahrscheinlich würde ein Jahrzehnt unserer Finanzmittel nicht einmal dazu rei- chen, einen einzigen Pollock zu erstehen“, so Lunghi. Enrico Lunghi Für die ersten Einkäufe für das neue Museum zeichnet eine Expertenkommis- sion mit u.a. Bernard Ceysson, damaliger Direktor des „Musée d‘art contemporain“ in Saint-Etienne, verantwortlich. Über den Fonds culturel werden so 88 Werke ange- sammelt, woran die im Jahr 2000 ernannte erste Direktorin des Museums anknüpft. Neun Jahre lang, davon sechs ohne „festen Wohnsitz“ da das Museum noch eine Bau- stelle ist, steht die französische Kunstex- pertin Marie-Claude Beaud ihm vor, ehe sie im Dezember 2009 ihre Segel gen Monaco setzt, um dort das neue Nationalmuseum

aufzubauen – nach der Fondation Cartier Guy Hoffmann

34 Michel Majerus, Isabelle Marmann, An- Chapelle toine Prum, Pasha Rafiy, Eric Schockmel, Wim Delvoy Jean-Louis Schuller, Marc Scozzai, Bert Theis, Su-Mei Tse, Vera Weisgerber, Wen- nig & Daubach sowie Bruno Baltzer (der zwar französischer Nationalität ist, jedoch in Luxemburg lebt und arbeitet), dennoch immerhin ein ganzer Reigen Luxemburger in der Sammlung vertreten ist, sieht er als durchaus positives Zeichen: „Das ist über- haupt nicht schlecht für ein kleines Land!“, meint er anerkennend. Dass die große Michel-Majerus-Retrospektive unter der Herrschaft des „Blauen Hirschen“ ganze 41 546 Besucher anzog, zeugt indes vom regen Interesse der Bevölkerung an „ihren“ Künstlern. Hatte Marie-Claude Beaud das Muse- um mit einem ersten Einblick in die hausei- gene Sammlung eröffnet (Eldorado wurde von 59 393 Besuchern gesehen), so führt ihr Nachfolger diese Tradition weiter, indem er Besucher bis Ende Mai zu einer Reise in eine „Schöne Neue Welt“, frei nach dem gleichnamigen Titel von Aldous Huxleys Zukunftsroman, einlädt. Dass bei 423 Objekten nicht alle zeit- gleich ausgestellt werden können, ist ein- leuchtend: „Ein Teil wird im Keller bzw. einem externen Depot in Contern ver- wahrt“, erklärt Hausherr Lunghi. „Andere wiederum gehen auf Reise und werden in renommierten Kunstinstitutionen ausge- stellt.“ Dass die Anfragen zahlreich sind, wertet der Direktor als klares Qualitätszei- chen und indirekte, internationale Aner- kennung des Mudam. Ist Thomas Hirsch- horns „World Airport / Flugplatz Welt“ aus dem Jahre 1999 das eine Mindestfläche von 400 Quadratmeter benötigt, das größ- te Kunstwerk, so ist der „Untitled (Puff)“ (2007) mit den Maßen 8 x 5 x 6 Zentimeter von Miguel Branco derzeit das kleinste Ob- jekt der Sammlung. Neben Käufen beste-

35 Guy Hoffmann Su-Mei Tse, en collaboration avec Jean-Lou Majerus: Many Spoken Words (2009)

hender Werke hat das Museum sich auch de des Museums, Jacques Santer, bei seiner zur Aufgabe gemacht, Auftragsarbeiten an Eröffnungsrede gesagt und hinzugefügt: verschiedene Künstler zu erteilen, um die „Dies soll ein offenes Haus sein, wo Men- Sammlung so gezielt zu bereichern. schen aus allen Schichten der Bevölkerung Dass Werke wie beispielsweise Joe schon von jungen Jahren an Freude an der Scalans „Pay Dirt“ (2003), eine zur Mu- Kunst haben.“ Seit seiner Eröffnung am dam-Sammlung gehörende Erdinstallation, 1. Juli 2006 haben bis zum 8. März 2010 die anlässlich der Eröffnungsausstellung 271 843 Besucher im Mudam vorbeige- „Eldorado“ zu sehen war, vom Publikum schaut (im ersten Öffnungs(halb)jahr wa- nicht auf Anhieb verstanden werden, ja ren es deren 66 042). 5 946 Besucher zählte verstörend und gar irritierend wirken kön- bislang die am 30. Januar eröffnete „Schö- nen, ist für Enrico Lunghi durchaus nicht ne Neue Welt“-Schau. Nach beispielhaftes- entmutigend: „Zeitgenössische Kunst ist ter Milchmädchenrechnung-Manier dürfte stets ein Wagnis, und birgt folglich immer hier ein jeder das von ihm erwartete und Quellen: ein gewisses Risiko. Auch wir können uns folglich seine Sicht des Musée d‘art moder- - Sonderbeilage des Luxemburger Wort zur Eröffnung des Mudam, 1. Juli 2006. nicht wirklich hundertprozentig sicher sein, ne Grand Duc-Jean bestätigende Resultat Katalog der Eröffnungsausstellung „Eldorado“; ob sich die Wahl eines Werkes und sein finden... - Marie-Laure Rolland: „Je ne regrette rien!“ Luxemburger Wort, 18 Dezember 2009; Einkauf letztlich als richtig erweisen. Man - Birgit Reichert: „Ein Haus der Künstler“, Trierischer muss jedoch Mut beweisen, um Akzente Vesna Andonovic Volksfreund, 3. Juli 2006. setzen zu können“, so der Direktor, der beteuert, dass man trotzdem stets hinter den eigenen Entscheidungen stehe. Schuld am Unverständnis ist ihm zufolge sicher- lich die Tatsache, dass Zeitgenössisches auf den Schullehrplänen nicht vertreten ist, und zwar nicht nur was die Kunst an- belangt, sondern ebenfalls die Geschichte. „Deshalb fehlt es uns auf dem Gebiet des Zeitgenössischen an Referenzen, und das bringt mit sich, dass Vorurteile entstehen, auf die oftmals leider Ablehnung folgt“, sinniert er und wundert sich: „Weshalb tun wir uns so schwer, Künstler, die in unserer Zeit leben und sich mit den gleichen Fragen und Problemen auseinandersetzen wie wir selbst, zu verstehen?“ Auch dass manch- mal nicht ein materielles Werk, sondern ein Konzept an sich die eigentliche „Kunst“ ist, erklärt Lunghi mit einem überraschenden Vergleich: „Musik ist ja eigentlich auch ein ‚Konzept‘, denn die Noten bedürfen der Interpreten, um das Werk entstehen zu lassen.“ Was nunmehr als wohl größte Mission nicht nur auf den Mudam als Institution, sondern ebenfalls auf Enrico Lunghi als ihren Leiter wartet, ist, den Besuchern die Tore zur Gegenwartskunst aufzustoßen, sie sanft über die Hemmschwellen zu tragen und ihnen die Schlüssel in die Hand zu le- gen, damit sie sich im Museum wirklich zu Hause fühlen können. „Die moderne Kunst darf keine Ge- heimsprache einer arroganten, abgehobe- nen, privilegierten und elitären Minderheit sein“, hatte der Verwaltungsratsvorsitzen-

36 „Kulturinstitution in hervorragend hende Stadtbild integriert, doch birgt das genommen. 1931 folgen dann unter der zentraler Lage mit unschlagbar schöner vermeintlich biedere Äußere so manche Federführung des Architekten Joseph Nou- Aussicht – jung genug, um noch voller Überraschung, wie Maurizio Nannucci veau weitere Änderungen, vornehmlich im Tatendrang zu sein, jedoch mit 15 Jahren provokativ mit seinem „All Art Has Been Inneren des Gebäudes. Düsterer geht es eingesessen genug, um sich einer gewissen Contemporary“-Neonschriftzug behaup- während des Zweiten Weltkrieges zu, als Erfahrung brüsten zu können sucht inter- tet, der 2000 für die „Light Pieces“-Aus- das Gebäude vom deutschen Besatzer zum essierte Kunstwerke zwecks angeregten stellung angefertigt wurde, später vom „Haus Moselland“ umfunktioniert wird. Dialogs“, könnte die Kleinanzeige des Fo- Mudam erworben und nun als Dauerleih- Nach Plänen des Luxemburger Architek- rum d'art contemporain lauten. Seit dem gabe den als „Aquarium“ bezeichneten ten René Maillet und einer Idee von Jean 13. Januar 1995 hat diese Kultureinrich- Pavillon ziert. Trouvé, einem der federführenden europä- tung nicht nur auf 41, rue Notre-Dame ischen Baumeister, der in Luxemburg unter eine ständige Bleibe gefunden, sondern Mondäne und musische Vergangenheit anderem den Eingang des Kinos „Mari- auch dem Großherzogtum Luxemburg ein vaux“ entwarf, wird 1958 an der Südseite kleines, aber beachtliches Fleckchen auf Geschichtsträchtig ist das Gebäude in das „Aquarium“ hinzugefügt. der internationalen Landkarte der zeitge- der rue Notre-Dame allemal, wurde dessen Das Casino war seit seiner Gründung nössischen Kunst verschafft. Errichtung doch 1882 von der am 1. Sep- ebenfalls eine reiche musische Plattform. Nichts währt länger als ein Proviso- tember 1880 gegründeten und bis 1959 Daran erinnert heute nicht nur eine an der rium, heißt es bekanntlich. Hierfür kann bestehenden „Société anonyme du Casino Fassade angebrachte Gedenktafel, die da- es grundsätzlich nur zwei Gründe geben: Bourgeois“, unter deren Gründungsmit- rauf verweist, dass Franz Liszt (anlässlich Entweder es bietet sich keine bessere Al- gliedern sich unter anderem die Familien eines Besuchs bei seinem Freund Mihály ternative an, oder was auf Zeit gedacht Metz oder Godchaux befinden, in Auftrag Munkácsy in Colpach) hier am 19. Juli 1886 war, erweist sich als schlüssig und somit gegeben. Als Standort wird eine Parzelle am Ende eines Wohltätigkeitskonzerts sei- dauerhaft lebensfähig. Im Falle des Casi- zwischen der Rue Marie-Thérèse und dem nen letzten öffentlichen Auftritt hatte (die no Forum d'art contemporain dürfte wohl Boulevard du Viaduc – heute Rue Notre- heutige Kulturinstitution wartet pünktlich letztere Option die richtige sein, konnte Dame und Boulevard Roosevelt – ausge- zu jedem Jahrestag mit einem Liszt-Konzert es sich doch auch nach der Eröffnung, am wählt, die die Gesellschaft bereits im Juni auf). Klaviervirtuosen wie Vladimir Horo- 1. Juli 2006, des Mudam auf Kirchberg – es 1880 zu erstehen gedenkt. Die Architekten witz oder Arthur Rubinstein, aber auch die war eigentlich bis zur dessen Fertigstellung Pierre und Paul Funck werden mit dem Pro- Comedian Harmonists oder das Orchester gedacht – als schlüssige und notwendige jekt des Zentrums für Kultur, Gastronomie von Radio Luxemburg unter Henri Pensis Kulturinstitution behaupten. und Freizeit beauftragt. machten gleich mehrmals Zwischenstati- Als wohl wichtigstes Überbleibsel des Erste Umgestaltungsarbeiten am me- on in der Rue Notre-Dame. Illustre Gäste ersten Kulturhauptstadtjahres hat sich diterran-barocken Bau werden bereits zehn wie Winston Churchill (am 15. Juli 1946) das Casino zwar nahtlos in das beste- Jahre nach der Fertigstellung in Angriff würden im Casino empfangen.Neben The-

37 umbenannte Gebäude in einen fünfjähri- umzuwandeln und alte Bausubstanz mit gen Dornröschenschlaf, aus dem das erste neuer Bestimmung optimal zu verbinden. Kulturhauptstadtjahr 1995 es wachküssen Die Ausstellung „Luxe, calme et volup- wird. Seit dem 13. Januar 1995, 11.30 Uhr, té – Regards sur le post-impressionnisme“ verfügt auch Luxemburg nun über sein ei- läutet für das ehemals mondäne Zentrum genes Zentrum für zeitgenössische Kunst, eine neue Ära ein. Die weiteren Schauen das, wie internationale Kunsthallen, über „Swinging Sixties – Sparkling Nineties“, keine eigene Sammlung verfügt. „Edward Steichen – photographe“, „Wege des Expressionismus“ und „Main Stations – Art's Corner Nouveaux départs“ ziehen, bis zum 3. März 1996, getragen von der 95er landesweiten Urs Raussmüller, Direktor der Halle für Kultureuphorie, 102 744 Interessenten an. Neue Kunst im Schweizer Schaffhausen, Anlässlich der ersten Ausstellung nach wird von Paul Reiles, dem damaligen Direk- dem Kulturhauptstadtjahr („Arrêts sur ateraufführungen und Filmprojektionen, tor des Nationalen Museums für Geschichte Images“) wird dem Casino ab dem 22. standen ebenfalls Ausstellungen wie bei- und Kunst, zu Rat gezogen, um das Projekt März 1996 ein „Forum d'art contempo- spielsweise der Salon des „Cercle Artistique in Angriff zu nehmen. Indem er die seit den rain“ hinzugefügt. Dass das Luxemburger Luxembourg“ auf der Tagesordnung. 60er Jahren gebrauchten „white cubes“, i.e. „Forum“ seinem antiken Vorbild des öf- 1959 erwirbt der Staat das Casino weis-neutrale Würfel, heute zwölf an der fentlichen Platzes, wo Überzeugungen dar- das bis 1990 an den Kulturkreis der Eu- Zahl, in die vorhandenen Sälen integriert, gelegt, Standpunkte ausgetauscht, Fragen ropäischen Gemeinschaft vermietet wird. vermag er 460 Quadratmeter Bodenfläche gestellt und Diskussionen geführt werden, Danach verfällt das in „Foyer Européen“ in 290 Quadratmeter Ausstellungsfläche gerecht wird, dürften auch die an zeitge-

ausgiebig über die bevorstehende Geburt natürlich nicht, dass ich keine eigene Mei- Vier Fragen zu freuen. Der Funken ist auch gleich über- nung habe. Sie jedoch Einfluss nehmen zu an Jo Kox, administrativer Direktor gesprungen zwischen Marie-Claude Beaud lassen auf meine Arbeit und meinen Auf- des Casino und Enrico Lunghi. Folglich konnte über- trag – der darin besteht, hinter den künst- haupt kein Konkurrenzkampf entstehen. lerischen Projekten zu stehen und die Ku- Wenn aus einem Provisorium ein Dauerzu- Die Mudam-Direktorin hat nie versucht, ratoren und Künstler in ihrem Schaffen zu stand wird, werten Sie das als... das Casino zu unterdrücken und ihre Vor- unterstützen –, wäre falsch. machtstellung auszuspielen. Selbst meine ... einerseits, dass unser Projekt ge- „Scheidung“ von Enrico hat sich absolut Das Casino setzt verstärkt auf Kinder- und glückt ist und die Richtung, die wir damals friedlich vollzogen. Wir sind demnach nicht Jugendprogramme. Ist hier ein offeneres eingeschlagen haben, die richtige war. An- nur total komplementär, sondern vermit- Publikum vorzufinden, und wenn ja wes- dererseits, dass die Qualität, die wir gezeigt teln uns sogar gegenseitig Besucher, Künst- halb? haben, den gebührenden Anklang gefun- ler oder ausländische Kritiker. den hat, und zwar nicht nur bei den Behör- Eigentlich müsste der Soziologe Fer- den, sondern vor allem beim Publikum und Wie weit können oder dürfen Sie sich als nand Fehlen einmal eine Studie darüber den Künstlern selbst. Hinzu kommt, dass administrativer Leiter des Casino in seine führen. Die Kinderprogramme in sämtli- der Zufall uns doch wohlwollend zugespielt künstlerische Ausrichtung einmischen? chen Luxemburger Kulturinstitutionen – hat und das Casino so die Möglichkeit er- Stehen Sie hinter allem, was hier gezeigt vom Casino über den MNHA bis hin zur hielt, eine ständige Einrichtung zu werden. wird? Philharmonie – sind sehr gut besucht, sogar Wenn der Mudam schneller fertiggestellt komplett ausgebucht. Um es frech auszu- worden wäre, hätten wir sicherlich dort Wenn ich mich einmischen würde, drücken: Für manche ist es ein intelligentes Quartier bezogen. Doch die Verzögerung wäre ich hier fehl am Platz! Die Zeiten, als Babysitting, wo den Kindern wenigstens hatte letztlich zur Folge, dass Luxemburg ich mit Enrico lange Diskussionen geführt etwas Wertvolles vermittelt wird. Deshalb heute wesentlich reicher ist: Neben einem habe, sind seit langem vorbei. Das heißt ist es absolut notwendig, hierfür Gelder Kunstmuseum haben wir nun auch eine bereitzustellen! Kinder haben keine Vorur- Kunsthalle – eine Traumkonstellation für teile, sie sind weder von Geschmack noch jede Stadt, die sich nach außen hin öffnen Ideologie beeinflusst; die tauchen erst spä- möchte. ter auf. Erwachsenen fehlt da einfach das zum Verständnis notwendige Wissen auf Mudam und Casino: Konkurrenz, gezwun- dem Gebiet der zeitgenössischen Kunst. genes Miteinander oder Liebeshochzeit? Das große Problem taucht beim Übergang zur Sekundarschule auf: Die Jugendpro- Ganz eindeutig letztere Option! Von gramme sind überall ein Desaster. Einen Anfang an war klar, dass wir durch den einzelnen Jugendlichen zu mobilisieren Mudam und wegen des Mudam entstan- scheint ein Ding der Unmöglichkeit. Aus den sind. Wir waren ihm stets verbunden, ihrer Sicht ist es „uncool“, der zehnte Mu- heute als große Schwester, früher als Kind. seums- oder Theaterbesuch ist eine Qual... Ehedem konnten wir ihn als „Baby“ be- Ein Jugendlicher lässt sich einfach nicht trachten, das wir mit ausgetragen haben. mehr von der Mutter samstagnachmittags Die Schwangerschaft hat so lange gedau- an der Museumspforte abliefern – das ist ert, dass wir genügend Zeit hatten, uns ein Phänomen, das pubertär erklärbar ist.

38 eine Ausstellung kommt, lässt sich nicht so Vier Fragen leicht verführen. an Kevin Muhlen, In meinen Ausstellungen möchte ich künstlerischer Leiter des Casino: den Besuchern zeigen, dass es nicht nur um Verständnis und Fachwissen geht, sondern Sie haben nach dreizehn Jahren von Enrico auch um Gefallen und Freude. Lunghi, nach dessen Umzug ins Mudam, Die Idee von „Konzept“ schreckt viele das Zepter des künstlerischen Leiters über- ab, doch dass es hier oft auch noch andere nommen. Welchen Schwerpunkt möchte Anliegen gibt, wird vielfach vergessen. der Neue an der Spitze des Casino seinem Forum geben? Wie schwierig oder leicht ist es für einen künstlerischen Leiter, den persönlichen Es ist in der Tat nicht so einfach, nach Geschmack außen vor zu lassen, oder dreizehn Jahren ein Haus neu zu beleben. muss er diesen im Gegenteil in seiner Ar- Vieles wurde erreicht in dieser Zeit. Doch versuchen, immer auf dem letzten Stand beit pflegen? ich denke, auch dies macht es spannend der Entwicklungen zu sein. Eine Kunsthalle und gibt Mut zur Neufindung. Nun geht es wie das Casino ist ja schließlich nicht nur Der persönliche Geschmack ist natür- darum, neue Einflüsse in das Casino einzu- da, um etablierte Künstler zu zeigen. Auch lich präsent und prägt auch die künstleri- bringen, ohne jedoch von der Spur abzu- wenn dies berechtigt bleibt, wenn in einer sche Linie. Man soll ja auch selbst Freude kommen. Mir geht es hauptsächlich darum, Gruppenausstellung zum Beispiel ein Dia- und Gefallen an seinen eigenen Ausstel- eine neue Generation von Künstlern, aber log mit jüngeren Standpunkten entsteht. lungen haben. Natürlich entwickelt dieser auch Kuratoren und andere Personen, die Geschmack sich mit der Zeit, was auch in- in der zeitgenössischen Kunst aktiv sind, Für viele ist der Begriff „Zeitgenössische teressant zu beobachten ist. einzubeziehen, um so auch diese neue Ära Kunst“ entweder mit Unverständnis oder Doch man muss die richtige Balance zu prägen. Unser Publikum soll merken, gar Ablehnung gleichzustellen. Wie versu- halten können. So ist es wichtig, in einer dass das Casino immer noch nach vorne chen Sie dies zu ändern? thematischen Ausstellung die Auswahl der schaut und sich nicht auf seinen Lorbeeren Künstler und Arbeiten so breit wie möglich ausruht, sei es in der Auswahl der Künst- Falsch ist es zu denken, man müsse un- zu halten. Nur so können sich die Arbeiten ler oder in den Ausstellungskonzepten und bedingt die Kunst verstehen, um eine Aus- entfalten und interessante Dialoge entste- den Rahmenprogrammen. stellung zu besuchen. Bei der Kunst, auch hen. Dies gilt auch für das Programm. Es Eine international vernetzte Arbeits- der zeitgenössischen, kann man sich gerne wäre schade, wenn es eintönig, nur nach weise ist für ein Kulturhaus wie das Casino von den Werken verführen lassen, sei es auf dem Geschmack des künstlerischen Leiters einerseits notwendig. Muss man jedoch an- ästhetischer Basis, weil eine Arbeit einem gestaltet wäre. dererseits nicht befürchten, dass man sich einfach nur gefällt, oder weil die Thematik Das Einladen von Gastkuratoren er- in einer Komfort-Schiene festfährt, was ja einen anspricht. Die Interpretation kann als möglicht es ja die Auswahl der Künstler für ein zeitgenössisches Haus fatal wäre? zweiter Schritt dazukommen. Diese kann breiter zu fächern, andere Ideen mit einzu- Genau dies meinte ich vorhin. Wenn man frei für sich selbst finden oder sich in beziehen und das Netzwerk der Kontakte man zeitgenössisch sein möchte, muss man der Arbeit vertiefen. Eigentlich gibt es keine auszudehnen. permanent nach neuen Künstlern Ausschau Regeln. Man soll nur offen für neue Ideen halten, neue Medien mit einbeziehen und sein. Wer schon mit vorgefertigten Ideen in

39 Casino Forum d’art contemporain

Skandale und Skandälchen Mansfeld-Schau des MNHA – auch nicht bei allen Besuchern auf Verständnis stößt. Dass Luxemburg eine Plattform für Beide geben sogar Anlass zu parlamentari- zeitgenössische Kunst braucht, lässt bereits schen Anfragen. „Man kann mit Skanda- das öffentliche Interesse an der niederlän- len leben, und sie können durchaus einen disch-luxemburgischen Ausstellung „Ren- Mentalitätswandel herbeiführen“, so der dez-vous provoqué“ 1994 im Nationalen aktuelle Mudam-Direktor der sich in 13 Museum für Kunst und Geschichte anklin- Jahren als künstlerischer Leiter des Casino gen. Frei nach dem „Nomen est omen“- seine Sporen auf dem Gebiet der zeitge- Prinzip und eigentlich eher ungewollt sor- nössischen Kunst verdiente, gelassen. gen Enrico Lunghi und sein niederländischer „Geburtstage sind nur dann von Wert, Co-Kurator Wim Beeren, der die drei Lu- wenn sie Brücken in die Zukunft schlagen“ xemburger Künstler Simone Decker, An- – diesen Satz des ehemaligen französischen toine Prüm und Bert Theis aussucht, für Staatspräsidenten Jacques Chirac stellte nössischer Kunst Uninteressiertesten vor- reichlich Gesprächsstoff: Die Installation die damalige Kultur-Staatssekretärin, und behaltlos unterzeichnen können. Um auf „Genera Virola“ von Berend Strik, in der heutige Ministerin Octavie Modert ihrem einen aktuelleren Vergleich mit dem Lon- eine ausgestopfte Katze anzutreffen ist, Vorwort zum Katalog anlässlich des 10. Ju- doner „Speaker's Corner“ zurückzugreifen, trifft nicht jedermanns Geschmack und ruft biläums des Casino voran. Betrachtet man darf man das Haus auf Nummer 41 in der Proteste unter anderem von Tierschützern das Schaffen der nationalen Kunstszene, Rue Notre-Dame durchaus als „Art's Cor- hervor. Der Präzedenzfall für öffentlich die zu internationalen Kunstinstitutionen ner“ bezeichnen, da es Künstlern eine öf- ausgetragene Diskussionen über Sinn und geknüpften Verbindungen und die spürbar fentliche Plattform bietet, um ihre kreative Zweck zeitgenössischer Kunst ist geschaf- geweckte Neugier für Zeitgenössisches, Vision anschaulich – sprich: in passender fen. „Ich war es nicht, der den Skandal dürfte wohl erwiesen sein, dass das Casino Umgebung – darzubieten. verursacht hat, sondern die Künstler. Es seinen Auftrag als Gegenwartspodium und Das Casino versteht sich vor allem als handelte sich nicht um programmierte Ort mit richtungsweisendem Charakter Laboratorium der Gegenwartskunst. Da es Skandale, weil man nie im Voraus weiß, mehr als nur erfüllt hat. Und bekanntlich nicht unter Zwang steht, Besuchern eine was möglicherweise die Volksstimmung ist ja das einzige, was einer Brücke gefähr- eigene Sammlung zu präsentieren, ist es brüskieren kann“, verrät Lunghi. lich werden kann, der Marsch im Gleich- durchaus reaktiver – in Bezug auf aktuelle Auch weiterhin ist der Weg des Casi- schritt... Entwicklungen der zeitgenössischen Kunst. no mit mehr oder minder kleinen und gro- 1998 war die Ausrichtung der zweiten, von ßen Diskussionen, Polemiken, Skandalen Vesna Andonovic Stadt zu Stadt ziehenden, europäischen und Skandälchen gepflastert: „Lady Rosa of Luxembourg“, die schwangere „Gëlle Kunstbiennale „Manifesta“ ein Dreh- und Quellen: Angelpunkt in der ansonsten reich gefüll- Fra“-Interpretation der kroatischen Künst- Katalog „Traces de parcours 1996-2006“; Katalog „Ceci n’est pas un Casino“, mit u.a. Beiträgen von: ten Ausstellungsagenda des Casino. lerin Sanja Ivekovic scheint einen sensiblen - Didier Damiani: Doch nicht nur im geschichtsträchtigen Punkt des Luxemburger Nationalgefühls zu Du Casino Bourgeois au Forum d’art comtemporain; - Marc Jeck: Un Casino pas comme les autres: Gebäude versucht die Casino-Mannschaft berühren, während Wim Delvoyes „Cloa- L’histoire d’une institution au fil des temps; ihr Publikum zu erreichen: 2001 und 2005 ca“ – die immerhin im Kulturhauptstadt- - Paul Reiles: Le hasard et la nécessité: L’origine du Casino Luxembourg; wagt sie sich „extra muros“ vor und nimmt jahr 2007 genau 9 404 Besucher anzieht, „De Notre-Dame au Mudam“ von Sonia da Silva, mit der Ausstellung „Sous les ponts, la rivi- mehr als die zeitgleiche Pierre-Ernest-de- La Voix du Luxembourg, 24.11.2009. ère“ gleich das ganze Petrußtal in Beschlag, um vielleicht zufällige, aber umso verblüf- fendere Begegnungen mit der zeitgenössi- schen Kunst zu provozieren. Unter ande- rem Daniel Burens Projekt „D'un cercle à l'autre: le Paysage emprunté“ sprengt, in- dem es ihn hervorstreicht, den klassischen Postkartencharakter der Stadt und eröffnet dem Betrachter neue Perspektiven auf Alt- bekanntes. Kollektive, thematisch ausgerichte- te Ausstellungen, aber auch regelmäßige monographische Schauen internationaler Kunstschaffender wie Jacques Charlier, Pe- ter Friedl oder Wim Delvoye, sowie hiesi- ger Künstler wie Simone Decker, Bert Theis oder Su-Mei Tse bieten eine willkommene Vitrine für deren Werke. Daniel Buren Neben einer systematischen Veröf- „D'un cercle à l'autre: fentlichungs- und Konferenzpolitik, die das le Paysage emprunté“ Casino über die Jahre hinweg verfolgt, wird gleichfalls das musikalische Erbe gepflegt. Auch hier wird oft, ohne andere Genres wie Jazz oder Klassik zu vernachlässigen, Zeit- genössischem der Vortritt gelassen.

40 noch in den diplomatischen Archiven des Quai d’Orsay (Papiere der französischen MANET Botschaft in Luxemburg) offizielle Doku- mente zur Ausstellung erhalten sind kann man davon ausgehen, dass die praktische Umsetzung ohne besondere staatliche Hil- VAN GOGH fe erfolgte. Zum Commissaire général der Ausstel- lung war der Pariser Autor und Kunstkritiker CEZANNE Claude Roger-Marx bestellt worden. Ehren- präsidentin des Comité d’organisation war Frau Aline Mayrisch, als Präsident fungier- RENOIR te Robert Stumper; das Comité technique wurde vom Kunstmaler Joseph Kutter ge- leitet; Frantz Clément stand dem Comité MATISSE d’éducation artistique vor und Zeitungs- direktor A. Schmitz führte das Comité de presse an. PICASSO & Co Im Rauchzimmer von Joseph Kutter, berichtet Frantz Clément, hatten wir uns an einem Abend in knapp einer halben Stunde über die betreffenden Namen von Wenn auch keine 27 Stadtluxembur- in Rahmen dieser Veröffentlichung in Erin- Künstlern geeinigt, so sicher und einmü- ger wissen wo gegenwärtig das Pescatore- nerung gerufen zu werden. Eine gleichwer- tig waren wir jedenfalls über das, was wir Dutreuxsche Vermächtnis an Gemälden tige Kunstausstellung hat bis heute – trotz wollten. Die selbe Einmütigkeit herrschte eingesehen werden könnte und wir keiner- einiger Ansätze während zwei sogenann- auch von Anfang an zwischen den hiesi- lei Gemäldemuseum haben, so wird doch ten Kulturjahren – in Luxemburg nicht gen Organisatoren und dem Pariser Gene- dank privater Initiative fast alle vierzehn mehr stattgefunden. Es ist die Ausstellung ralkommissar der Ausstellung. Demnach Tage eine Gemäldeschau geboten, die uns die unter dem Titel La peinture française - waren die Weichen ohne Probleme zügig Provinzlern ein klein wenig aus dem le- de Manet à nos jours, nach einer Idee von gestellt worden und das Vorhaben konnte bendigen Fluss der Kunstströmungen zu Robert Stumper (1895-1977), dem rühri- kaum noch scheitern. trinken gibt. Neben der großen Schau im gen Präsidenten der Luxemburger Volksbil- Wegen der Weltausstellung in Paris, in Cercle-Gebäude, die zu versäumen gera- dungsvereine, verwirklicht worden war und der auch die Kunst eine Zentralrolle spiel- dezu Sünde wäre, gibt es bei Wierschem vom 10. bis 25. April 1937 im hauptstädti- te, konnte von Anfang an, trotz Bereit- die romantisch wie Gral-Landschaften pa- schen Palais Municipal (Cercle) zu besich- willigkeit und Großmütigkeit der Pariser tinierten Bildzeichnungen von Sosthène tigen war. Regierung und der Generaldirektion der Weis, die in eine Stube gehängt, eine heili- R. Stumper und seinem Verband der Künste (LZ), nicht mit Leihgaben aus fran- ge Stimmung verbreiten… Volksbildungsvereine war es gelungen, zösischen Museen gerechnet werden. Ob Diese Zeilen kann man in der Obermo- zusammen mit den Amis du Musée, der das die Arbeit der Kuratoren vereinfachte sel-Zeitung vom 24. April 1937 nachlesen. Action Française d’Expansion Artistique à oder erschwerte ist im Nachhinein nicht Zu dem erwähnten Vermächtnis die erfreu- l’Etranger sowie dem Cercle Artistique das zu beurteilen. Die im Cercle ausgestellten liche Nachricht, dass die lange “heimatlo- Vertrauen der Regierung Bech zu gewinnen. Werke kamen schlussendlich hauptsächlich se” wertvolle Sammlung nun endgültig ein Durch Vermittlung des Schwiegersohnes aus französischen und luxemburgischen passendes Zuhause in der restaurierten und von Frau Emile Mayrisch-de Saint-Hubert, Privatsammlungen. Die Kunstsammlerin erweiterten Villa Vauban (an deren Anbau dem damaligen französischen Unterstaats- und Mäzenin Aline Mayrisch, die ausge- man sich aber erst noch gewöhnen muss) sekretär am Quai d’Orsay Pierre Viénot- zeichnete Beziehungen zu Künstler- und im Stadtpark gefunden hat. In Zukunft kön- Mayrisch, hatte die französische Regierung Sammlerkreisen im In- und Ausland hatte, nen dort Teile der Sammlung, eingebunden ebenfalls ihre Unterstützung zugesagt. unterstützte tatkräftig die Bemühungen in dauernd wechselnden Ausstellungen, Da weder im Luxemburger Nationalarchiv der Kuratoren. Ebenso der Direktor der besichtigt werden. Auch die Kunstabtei- lung des Nationalen Museums für Kunst und Geschichte am Fischmarkt hat in den vergangenen Jahrzehnten eine sehenswer- te Sammlung mit Werken von anerkannten einheimischen und ausländischen Artisten, durch Ankauf oder Schenkung, zusammen- stellen können. In dieser Nummer von ons stad, die anlässlich der feierlichen Eröffnung der Villa Vauban – Musée d’Art de la Ville de Luxembourg erscheint, wollen wir auf die grosse Schau, ein außergewöhnliches, aus Privatinitiative entstandenes und ausge- führtes Kulturereignis zurückblicken, das vor über 70 Jahren die Spalten der einhei- mischen Zeitungen füllte, einen bis dahin nicht gekannten Publikumserfolg aufwei- sen konnte und es somit absolut verdient, Pierre Viénot-Mayrisch Aline Mayrisch de Saint-Hubert

41 Einige der in Luxemburg ausgestellten Gemälde (A-Z Luxemburger Illustrierte 16/1937)

9) André Derain: Nature morte 12) Pablo Picasso: La cage d’oiseaux 5) Edouard Vuillard: Portraits 11) Amedeo Modigliani (1884-1920): Portrait 4) Paul Cézanne (1839-1906): Nature morte

42 Tuchfabrik Schleifmühle, der aus Deutsch- Die feierliche Eröffnung der Ausstel- Da die Veranstaltung zum Teil mit der Ok- land emigrierte Erich Goeritz-Sternberger, lung – die unter dem Protektorat der lu- tave zusammenfiel, bot sich Besuchern und der selbst u.a. einen kostbaren Manet und xemburgischen und der französischen Re- Vereinen aus allen Teilen des Landes eine einen charakteristischen Monet zur Verfü- gierung stand - fand am Nachmittag des willkommene Gelegenheit, sich im Cerc- gung gestellt hatte, vermittelte aus seinem 10. April 1937 in Anwesenheit von Prinz le umzusehen. Viele Schulklassen wurden Freundeskreis ein halbes Dutzend seltener Felix und der französischen Staatssekretä- durch die Ausstellung geführt; die Lehrer- Bilder von Cézanne, van Gogh und Gau- rin im Unterrichtsministerium, Mme Léon vereinigung besuchte dieselbe geschlossen guin. Da die meisten ausgestellten Bilder Brunschvicg – die mit allen Ehren im Fürs- an einem schulfreien (!) Nachmittag. We- in privaten Salons abgenommen werden tenpavillon am Bahnhof von Regierung gen des nicht abreißenden Besucheran- mussten war die Dauer der Ausstellung aus und Stadtverwaltung empfangen worden drangs konnte die Schau, im Einvernehmen Rücksicht auf die Leihgeber auf nur zwei war - sowie zahlreichen Diplomaten und mit den Leihgebern, um immerhin vier Tage Wochen begrenzt worden. Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Kul- – bis zum 29. April – verlängert werden. Nicht weniger als hundert Gemälde tur und Wissenschaft aus beiden Ländern Wir bezweifeln, dass es heute sowohl waren ausgewählt worden. Wir wollen statt. Auch viele einheimische Künstler hat- aus Sicherheits- als auch aus Kostengrün- dem interessierten Leser die Liste der 66 ten sich eingefunden. Frau Aline Mayrisch den noch möglich wäre, eine solch reiche Artisten nicht vorenthalten und bringen sie und Pierre Viénot-Mayrisch - ohne deren Sammlung an unschätzbaren Kunstwerken in alphabetischer Reihenfolge. Wenn nicht tatkräftigen Einsatz die außergewöhnliche an einem Ort zusammenzubringen. Sicher- anders vermerkt waren sie mit je 1 Werk Retrospektive nie zustande gekommen lich hatten damals noch nicht alle Künstler vertreten. Yves Alix, Maurice Asselin, wäre – haben aus unbekannten Gründen den hohen Stellenwert den sie heute ha- Pierre Bonnard (3), Eugène Boudin, der Eröffnungsfeier nicht beigewohnt. ben. Dass eine Privatinitiative zu solch ei- Jean-L. Boussingault, Georges Braque, Abgesehen von den unvermeidlichen nem Publikumserfolg geführt hat und dass Maurice Brianchon, Hughes C. Caillard, Besserwissern, die es auch damals gegeben durch diese Ausstellung den Leuten über Edmond Ceria, Paul Cézanne (4), Auguste hat, waren die Reaktionen beim Publikum Presse und Rundfunk das Interesse an der Chabaud, Marc Chagall, Henri-Edmond und in der Presse durchweg positiv. Frantz Kunst näher gebracht oder vertieft wurde, Cross, Edgar Degas (2), Maurice Denis, Clément kam in der Luxemburger Zeitung gereicht Robert Stumper und seinen rühri- André Derain (2), Charles G. Dufresne eventuellen Kritikern zuvor: Wenn auch gen Mitstreitern zur Ehre, bis heute. (2), Raoul Dufy (3), André Dunoyer de schon gleich bei der Eröffnung die Ausstel- Doch wir sind zuversichtlich, dass auch Segonzac (3), Othon Friesz, Juan Gris, lung die oft enthousiastische Anerkennung die jetzigen Verantwortlichen der Villa Marcel Gromaire (2), J.B. Guillaumin, aller wirklichen Kenner einheimste – es Vauban - Musée d’Art de la Ville de Lu- Louise Hervieu, Adrien Holy, Edmond gibt auch vermeintliche Kenner, die viel xembourg keine Mühe scheuen werden, Kayser, M. Kisling, R. de la Fresnaye, A. schlimmer sind als Ignoranten -, so wis- in- und ausländischen Kunstbegeisterten de la Patellière, Pierre Laprade, Marie sen die Organisatoren am besten, dass ihr fortan interessante und hochwertige Aus- Laurencin, Fernand Leger, Raymond Werk nicht vollkommen ist. stellungen zu bieten, wenn auch nicht un- Legueult, André Lhote, Robert Lotiron, Joseph-Emile Muller und Frantz Clé- bedingt mit Matisse und Co. Maximilien Luce, Edouard Manet, Jean ment führten täglich durch die Ausstellung. Guy May Marchand, Pierre A. Marquet, Henri Matisse (3), A. Modigliani, Claude Monet (4), Luc. Albert Moreau, Roland Oudot, Jules Pascin, André Planson, Pablo Picasso (2), Camille Pissaro (2), Odilon Redon, Auguste Renoir (3), Georges Rouault (2), K.-X. Roussel, Georges P. Seurat, Paul Signac (2), Alfred Sisley (2) H. Soutine, Henri de Toulouse-Lautrec, Maurice Utrillo © Staatsgalerie Stuttgart (3), Suzanne Valadon, Kees van Dongen, Vincent van Gogh (2), Henri Vergé-Sarat, Maurice Vlaminck (3), Edouard Vuillard (3) und Henri de Waroquier. Im Vorfeld und während der Ausstel- lung hatten Kunstkritiker wie Joseph-Emile Muller (L), Paul Bruck (L), Claude-Roger Marx (F), Paul Fierens (B)… Vorträge über moderne französische Kunst in Luxem- burg-Stadt und in Esch/Alzette gehalten. Luxemburger Wort, Luxemburger Zeitung, Luxembourg, Escher Tageblatt, Volksblatt, Obermosel-Zeitung… haben wissenschaft- liche Beiträge oder Besprechungen von Frantz Clément, Théo Kerg, Paul Bruck u.a. veröffentlicht. Das Wort Kultur war da- mals noch Teil des geläufigen Wortschat- zes bei Radio Luxemburg und so wurden über Wochen Plaudereien über moderne französische Malerei von Jean Bruck so- wie französische Musik ausgestrahlt. Alle ausgestellten Werke waren in einem hand- lichen Katalog - jedoch ohne Angabe der Henri Matisse, Besitzer – aufgeführt worden. La coiffure, 1907

43 Patricia Lippert über ihren Werdegang und den ihrer Generation

Ein Interview mit ihrem Alter-ego Treppil Cirtap

Treppil Cirtap: Sie haben in den sieb- Jeden Morgen fuhr ich per Autostopp ziger Jahren eine Ausbildung am Lycée zur Schule - war einfach interessanter als Technique des Arts et Métiers absolviert, Busfahren und schneller. In meinem Dorf, anschließend haben Sie Ihr Studium in in Hesperingen kämpften wir für ein selbst- Deutschland fortgesetzt und 1982 an der verwaltetes Jugendzentrum, organisierten Hochschule für Gestaltung in Offenbach Partys und Ausstellungen. Nach dem Mot- am Main abgeschlossen. to: Schön, dass hier „nichts los“ ist, dann Welche Erinnerungen und Eindrücke können wir selber „was los“ machen. Ver- haben Sie aus Ihrer Studienzeit? bote waren da, um sie zu umgehen. Was hieß es damals, als freischaffende Es war eine im besten Sinne verrückte Künstlerin nach Luxemburg zurückzukom- Zeit. Und man hat sich seitdem viel Mühe men? gegeben, „die Kirche wieder ins Dorf zu Wie sah das kulturelle Umfeld aus, das uns nicht mit deutscher oder französischer bringen“, wie man so schön sagt. Aber so Sie vorfanden? Grammatik, man unterrichtete uns in Philo- ist es ja auch in der Kunst, auf jede Bewe- Patricia Lippert: Nun, in den siebzi- sophie und Literatur. (Der Inhalt war wich- gung folgt eine Gegenbewegung. Als ich ger Jahren Schüler und Student gewesen tiger als die Form!) Wir hatten kein Turnen, nach Luxemburg zurückkehrte, hatten vie- zu sein hat in der Tat bleibende Eindrücke sondern Ballett. Auf unseren Taschen und le meiner Mitschüler aus dem Arts et Mé- hinterlassen (grinst). Die Welt war damals Schachteln standen neben Versen von Bob tiers zur gleichen Zeit Ihr Studium beendet noch viel größer, viel neuer als heute. Die Dylan und Jim Morrison Zitate von Bau- und man hatte sich zu diversen Gruppen- Schüler waren überaus politisiert, es gab delaire, Rimbaud, von Rilke und von Trakl, ausstellungen wieder eingefunden (z.B. kein Internet, stattdessen gab es Bücher deren Gedichte wir verschlangen; von Konschthaus beim Engel / Fischmarkt). Ich und einen unbeschreiblichen Hunger nach Marx, Nietzsche oder Freud, deren Ideen erinnere mich besonders an eine im Cercle Abenteuer (nicht virtuellen) und nach Er- wir verstehen wollten. Die Schuldirektoren Municipal der Stadt Luxemburg, die ein kenntnis. An der Handwerkerschule waren hatten Angst vor den Artikeln der Schü- Luxemburger Kommilitone aus Deutsch- wir nur eine Hand voll Schüler pro Klasse. lerzeitung Rout Wullmaus. Man installier- land organisierte: Roby Flick. Bei dieser Die Sparte Beaux-Arts wurde gerade erst te uns Aschenbecher in der Vorhalle der Ausstellung verkaufte ich mein erstes Bild ausgebaut. Unsere Lehrer waren jung und Schule, damit wir bei schlechtem Wetter (mit Teesäckchen) an Robert Brandy, den hatten gerade Ihre Ausbildung auf bel- nicht draußen rauchen mussten und kein ich damals kennenlernte. Brandy – ein paar gischen, deutschen oder französischen Lehrer seine Zeit opfern musste, um uns Jahre älter als ich – kam damals gerade aus Akademien abgeschlossen. Man plagte beim Rauchen zu erwischen. der Provence nach Luxemburg zurück und

44 Villa Vauban 1982 hatte sich als einer der ersten freischaf- Als ich nach Deutschland ging, gab „La Femme dans la fenden Maler seiner Generation schon ei- es nicht einmal eine Handvoll Galerien in peinture luxembougeoise“ nen Namen gemacht. Er war schon einen Luxemburg. Als ich zurückkam, (fünf Jah- Die ausstellenden Künstler: Schritt weiter, er hatte sogar eine „Gale- re später), schossen sie wie Pilze aus dem 1) Unbekannt 14) Unbekannt rie“, die ihn vertrat, damals ein absolutes Boden. 2) Schorsch Mayer 15) Abbes Hever Must, um anzufangen. Die Generation vor mir hatte es viel 4) Steve Kaspar 16) Moritz Ney 5) Lucien Kayser 17) Roger Bertemes Der oder die Galerist(in) stellte näm- schwerer gehabt, sich in Luxemburg als 6) Unbekannt 18) Paul di Felice lich nicht nur in regelmäßigen Abständen Freischaffende zu etablieren, ohne auf ir- 7) Raymond Weyland 19) Marie-Paule ihre Räumlichkeiten zur Verfügung. Der gendeinen Job zurückgreifen zu müssen, 8) François Schortgen Schroeder 9) Henri Kraus 20) Dieter Wagner Galerist wurde zum Agenten des Künstlers, ganz einfach weil es nur ein paar Gale- 10) Jean-Pierre Junius 21) Charly Reinertz zu seinem Händler, umgekehrt verpasste rien gab; oder diejenigen die da waren dem 11) Lydie Polfer 22) Robert Brandy die Galerie dem jeweiligen Künstler ihre Geschmack ihres konservativem Publikums 12) Pit Wagner 23) Patricia Lippert „Marke“. Die Galeristen kamen ja nicht nachkamen (Ausnahmen gab es natürlich 13) Henri Reckinger von irgendwo her. Fest verankert in der auch, es sei an die Galerie Horn erinnert oder einheimischen Bourgeoisie verpflichteten an Jean Aulner mit seiner Galerie Brück). 3 1 5 7 6 9 10 sie sich mit Ihrem Namen und Ihrem Status Das Bildungsbürgertum hatte sich bis 2 4 8 12 16 17 13 14 für den Wert eines Künstlers. Die Künstler dahin sowieso meistens mit Kunst aus Paris 11 15 waren ja noch unbekannt. Ich bin sicher, oder Köln eingedeckt.

18 dass die „Clientèle“ am Anfang nicht sag- Das nationale Museum hatte sich eine 20 19 te, ich habe ein Bild von diesem oder jenem Sammlung der „Ecole de Paris“ angeeig-

21 22 23 Künstler erworben, sondern: Ich habe bei net und ihr Verfechter Joseph Emile Müller Monsieur oder Madame X ein Bild gekauft. hatte es fertig gebracht, dass sich die Bour- Umgekehrt verpassten gewisse berühmte geoisie auch „Ecole de Paris“ in ihren Villen Namen wiederum der Galerie ihre Marke. aufhängten. Das änderte sich in den acht- Es gab und gibt immer ein Legitimations- ziger Jahren. Die neuen Galerien vertraten spiel und eine subtile Hierarchie in dieser plötzlich andere Kunstrichtungen und sie Kunst-Waren-Welt! zeigten nicht nur die Werke „großer Na- Ähnliche Ausstellungen kenne ich aus Rolle, sondern vor allem die neue Schicht Patricia Lippert Stuttgart oder Frankfurt von ansässigen gutverdienender Angestellter. Der Bausek- über ihren Werdegang Kunstvereinen. Es geht bei diesen Ausstel- tor blühte, es wurde gebaut und eingerich- lungen nicht darum, Leute auszugrenzen, tet. Die Sammler waren oft jünger als die und den sondern die Produzenten und das Publikum Galeristen. Die Regierung begann sich für zu vereinen. Diese Feste und Vernissagen eine neue nationale Identität zu interessie- ihrer Generation waren die heute sogenannten Events der ren. Während der sozial-liberalen Koalition Woche, und man bewegte sich oft in gan- mit Robert Krieps begann sich erstmals ein zen Scharen von einer Galerie zur anderen Kulturministerium für die nationale Kultur- durch die Oberstadt. Die Galerien hatten produktion zu interessieren. Robert Krieps sich die lokalen Künstler aufgeteilt, und je- genehmigte Subsidien für die Einrichtung der Künstler fand es normal, bei der Eröff- von Ateliers, gewährte Zuschüsse für den men“ aus dem Ausland, sondern auch jun- nung der Ausstellung eines Kollegen dabei ersten Katalog, stellte in Aussicht, dass ge Luxemburger Künstler fanden Einlass in zu sein. Damals! demnächst die Prozentklausel für Kunst am ihren „Renn-“ bzw. „Malstall“. Die Kunstkritiker Joseph-Paul Schnei- Bau angewandt würde usw. Der Bildungsauftrag wurde also größ- der, Lucien Kayser, Rich Audry, Elisabeth Dreißig Jahre lang landeten die Anmel- tenteils von den Galerien übernommen. Vermast, Françoise Pirovalli, um nur ein paar dungsformulare für die Biennale von Vene- Wären sie nicht gewesen, hätte kein kunst- zu nennen, hatten bei einer solchen Vitali- dig im Müllkorb. Als ich 1988 im Ministe- interessiertes Publikum entstehen und tät der Kulturszene alle Mühe, ihre Artikel rium nachfragte, warum Luxemburg nicht sich entwickeln können. Auch das Centre zu schreiben. Ihre Kritiken waren von un- daran teilnehme, bekam ich zur Antwort: Culturel Français spielte damals in der Kul- schätzbarem Wert für das Verständnis und Wie? Willst du dahin gehen? Ein paar Mo- turlandschaft eine große Rolle. Es bot vielen die Unterstützung der lokalen Kulturpro- nate später nahm ich mit Moritz Ney an der jungen Künstlern die Gelegenheit für eine duktion. Auch das Publikum hatte sich ver- Biennale teil, im Pavillon bei den Drittwelt- erste Einzelausstellung. Eine andere wich- ändert. Die Villen des Boulevard Royal hat- ländern. Immerhin... tige Instanz war damals die Asbl Cercle ten den Bankklötzen weichen müssen, und In den frühen achtziger Jahren wurde artistique unter den Fittichen von Jos die Banken ließen neue Kunstsammlungen unter Führung von Jean-Pierre Adam der Welter, der eigentlich noch zu Lebzeiten ein entstehen. Doch nicht nur die Banken in Versuch unternommen, eine Kunstgewerk- Denkmal verdient hätte, denn er vermoch- ihrer Eigenschaft als Mäzene spielten eine schaft zu gründen. Wir trafen uns ein paar te es, obwohl Jahre lang im Schatten irgend eines repräsentativen Präsidenten stehend, die Fäden zu ziehen, um aus einem eher biederen Verein, aus Professionellen, Auto- NOMMO didakten, Freischaffenden und Sontagsma- Participation lern bestehend, das Ereignis des Jahres, das du Grand-Duché den Auftakt zur Saison gab, zu inszenieren: de Luxembourg à «l’Europe den Salon, der alljährlich zur gleichen Zeit des Créateurs», im Herbst stattfand. Dieses Event hatte Paris, Grand Palais eindeutig einen festiven Charakter und bot (1989) nicht nur manchen Neuankömmlingen in der Kunstszene die Gelegenheit, ihre ers- ten Werke zu zeigen, Preise zu gewinnen oder Kritiker zu überzeugen. Es war in ers- ter Linie ein Fest für Publikum und Macher, Produzenten und Konsumenten, eingebun- den in die Bestandsaufnahme der aktuellen lokalen Kunstproduktion.

Designer Jean-Marie Weber † (1991)

46 Mal mit OGBL-Vertretern, mit Schauspie- stein für die Asbl Schläifmillen, eine Ateli- Jedesmal, wenn ich an einem größe- lern, Tänzern und Schriftstellern. Aber lei- ergemeinschaft, legten. Die Gemeinde Lu- ren Event teilnehmen durfte (Biennalen, der waren die Anliegen und die Probleme xemburg stellte uns gratis die alte Färberei Bicentenaire in Paris usw.) schrieb ich ellen- von damals zu verschieden, um einen ge- der Tuchfabrik in Hamm zur Verfügung, lange Briefe an den zuständigen Minister, meinsamen Nenner zu finden. in der heute nach mehreren Vergrößerun- was man beim nächsten Mal, wenn man Jean-Pierre Adam lernte ich als Präsi- gen und Renovierungsarbeiten sechzehn jemand anders hinschickt, besser machen dent der Sommerakademie kennen. Un- Künstler gratis arbeiten können. Auch sollte – man muss einen Katalog haben, ter seiner Anleitung entstand das Projekt ich, ein Gründungsmitglied der Asbl, hat- man sollte die Reise, das Hotel bezahlt be- „Konschthaus“. Wir (Moritz Ney, Charly te dort ein Atelier bezogen und arbeitete kommen und der Kommissar oder Kurator Reinertz, Pépé Pax, Harald Schmit und zwischen 1985 und 1997 (einmal sechs ebenfalls – man sollte von seiner Botschaft Jean-Pierre Adam) mieteten eine Villa und einmal zwei Jahre), bevor ich aufs die Einladungen zur Eröffnung der Biennale mitten in der hauptstädtischen Großgas- Land zog. bekommen anstatt bei der Eröffnung vor se. (Heute befindet sich dort die Einkaufs- T.C.: Haben Sie es nie bereut, dass Sie der Tür zu stehen! galerie Beaumont). Die Villa lag inmitten nach Ihrem Studium nach Luxemburg zu- Wenn man in einem Land ausstellt, in eines verwilderten Gartens, in dem so rückgekehrt sind? dem die belgische Botschaft auch für Lu- manches Konzert und nicht wenige Partys P.L . : Ich habe es zwar nie bereut. xemburg zuständig ist, sollte nicht nur für stattfanden. Aber ich habe mich natürlich öfters geär- den belgischen Künstler eine Pressekonfe- Das Projekt war der Versuch, ein gert. Womöglich hätte ich mich woanders renz mit Cocktail stattfinden, sondern auch privates, autonomes Kulturzentrum mit über etwas anderes geärgert. Wenn man für den Luxemburger Künstler, sonst steht Ateliers und Kunstkursen zu führen. Ein Pionierarbeit leistet, stößt man immer auf man wie ein Depp daneben … und … und Versuch, der nach zwei Jahren mangels Hindernisse, aber man hat auch Komplizen … und. finanzieller Unterstützung (wir teilten die statt Konkurrenten. Diese Missstände sind heute wahr- Kosten der Miete und gaben unsere Kurse T.C.: Könnten Sie das etwas ausführen? scheinlich alle behoben, weil nämlich viel umsonst!!, da die Einnahmen durch unse- P.L . : Nun ja, wenn man irgendwo mit mehr Leute mit dem so genannten Kul- re Schüler ebenfalls in die Miete flossen) etwas beginnt und andere beginnen unter turmanagement ihr Geld verdienen wie eingestellt werden musste. Es war 1985, den gleichen Konditionen, dann sind diese damals. Es würde mich zum Beispiel inte- als wir (5 Künstler) mit Lydie Polfer, der anderen keine Konkurrenz, sondern sie sind ressieren, wie viel Gelder für die Gehälter damaligen Bürgermeisterin, den Grund- Mitstreiter, also Komplizen. dieser Kulturbeauftragten ausgegeben

Bijoux arboricoles, Jean Hilger Peintures, Patricia Lippert Oeuvre musicale, André Mergenthaler Eléments sculpturaux, Gast Michels Arbre pleureur, Jean Marie Weber Installation du projet, Claude Kalmes

Jean Hilger † (1993)

47 © Tom Hermes Moritz Ney

Robert Brandy Denis Brassel: Vom Bauwagen zum «petit musée»

werden und wie viel Geld zur Unterstüt- Um im Jahre 1989 die Souveränität un- zung nationaler Kulturproduktion bereit seres Landes mitzufeiern, organisierte ich steht. Wahrscheinlich ist es auch gar kein eine Ausstellung mit neunzehn freischaf- Anliegen mehr, nationale Kulturprodukti- fenden Künstlern im Cercle Municipal: Vi-

© René Clesse on zu unterstützen. Wir hatten mal eine ens sous ma tente, 150 Joer Fisematenten Agence culturelle, die bemühte sich vor mit plastischen Installationen. allem, Kulturgüter und teure Leihausstel- Im gleichen Jahr organisierte ich Nom- lungen einzuführen, anstatt nationale mo im Grand-Palais in Paris im Rahmen Kulturproduktion zu exportieren. Und das der Feiern zum Bicentenaire der französi- nicht nur für die bildende, sondern eben- schen Revolution. Ein Projekt mit Musiker falls für die darstellende Kunst, für Musik André Mergenthaler, Designer Claude und Theater. Luxemburger Produktionen Calmes und Jean-Marie Weber, mit werden etwa acht Mal aufgeführt, und Schmuckdesigner Jean Hilger, Bildhauer damit basta. Gast Michels. Sechs Jahre später, 1995 – Der typische luxemburgische Minder- Luxemburg war Kulturhauptstadt – stan- wertigkeitskomplex hat sich langsam aber den wir mit unserem Petit musée d'art sicher durch die Hintertür wieder herein- contemporain auf dem Plateau du St. Es- geschlichen. Sogar unsere Architekten sind prit – ein Bauwagen. Damals stellten zehn anscheinend nicht gut genug, um Prunkge- Künstler aus. bäude zu entwerfen. Man kann mit ihren Einige Jahre später hatten wir die Asbl Namen international nicht genug angeben. New Fluxus gegründet. Unter dem Ti- Ja, sogar unsere Steine sind nicht gut ge- tel Or-ne-ment? vereinnahmten fünfzig nug (hihi)... Künstler die Schaufenster der Geschäfte in

© Jochen Herling T.C.: Was war Ihr schönstes und was der Stadt Luxemburg und verwandelten sie Joseph-Paul Schneider war das ärgerlichste Erlebnis aus Ihrem Be- in Kunsträume. Kunstkritiker († 20 janvier 1998) rufsleben? Das ärgerlichste Erlebnis war zugleich P.L . : Nun ja, es gab viele schöne Er- auch ein positives Ereignis. 1987 wurde lebnisse in diesen dreißig Jahren. Ich selbst zum ersten Mal der Prix de Raville von der habe mehrmals große Gruppenausstellun- UCL-Bank vergeben. Das waren 500 000 gen organisiert oder mitorganisiert. Die Franken. Die Jury befand, das sei sehr viel Zusammenarbeit mit Kollegen war zwar Geld und beschloss, den Preis zu teilen. oft aufreibend und arbeitsintensiv, aber im Also erhielt ich den Preis zusammen mit Nachhinein bleiben vor allem die positiven Gast Michels. Aber die Ministeriumsbeam- Aspekte in Erinnerung. ten, die das Geld verwalten sollten, befan- den, dass die aufgeteilten 250 000 Francs

48 immer noch zu viel für einen einheimischen ge Künstler für ihre kostspieligen Projekte Künstler seien, er könnte sie mit einem zuerst Sponsoren finden müssen. Und Mal ausgeben, sich ein Auto kaufen oder nicht zuletzt, weil die ehemaligen Sponso- so, oder vielleicht 250 Pinsel? Dasselbe er- ren – die Banken – ihre eigenen kreativen lebte Jean-Marie Biwer zwei Jahre später Projekte haben, um das ihnen anvertraute bei seiner Preisverleihung. Er musste zwar Geld zu verspielen oder als Bonifikationen nicht teilen, aber man überwies den „Preis“ auszuteilen. in monatlichen Raten während 20 Mona- T.C.: Welchen Rat würden Sie den jun- ten – ohne Zinsen, versteht sich – Künstler gen angehenden Künstlern in Luxemburg verstehen ja nichts von Geld! geben? T.C.: Ist es denn heute leichter, hier P.L . : Sich nicht einschüchtern zu lassen. freischaffender Künstler zu sein? Nicht darauf zu warten, dass jemand sie P.L . : Vielleicht sind ein paar Dinge entdeckt. Neue Strukturen erfinden. Selber einfacher geworden. Es gibt ja jetzt dieses „was los“ machen. Nicht nur wie Groupies Statut des Künstlers, das man jede zwei auf Events rumhängen. An sich selber glau- Jahre neu anfragen muss. Das tut natürlich ben. Neue Ateliergemeinschaften gründen niemand, der wirklich davon lebt. Aber das (wie die Schläifmillen, vielleicht diesmal zur kann einer tun, der anfängt, dann hat er Abwechslung vom Staat ein Gebäude ein- während dieser zwei Jahre und immer wie- fordern!). Die feste Überzeugung haben, der Recht auf so was wie Künstlerarbeitslo- dass es sich lohnt, ein Leben zu führen, das senhilfe. So was gab es vormals nicht. Al- es erlaubt zu spielen, zu denken, in Frage lerdings ist es doch viel besser, wenn man zu stellen, zu kritisieren!... und sogar den auf diese Unterstützungsgelder verzichten Menschen mit ihren Produkten Freude zu kann, weil man von seiner Arbeit lebt. Dies bereiten! Keinem Diktat zu gehorchen. ist nicht leichter geworden. Die Kreativität ist wie das Wasser: sie Erstens, weil fast die Hälfte der nam- findet immer einen Weg, um sich zu mani- haften Galerien in der Stadt Luxemburg festieren, um Strukturen aufzuweichen und ihre Tätigkeit eingestellt haben (sei es aus um Autoritäten zu unterhöhlen, auch und Patricia Lippert ökonomischen oder aus Altersgründen). vielleicht erst recht in einer systemischen Celtic ornaments, 2010 Zweitens, weil die öffentlichen Auf- Krise. träge allzu selten sind und die Architek- ten die Kunst-am-Bau-Projekte oft selbst T.C.: Frau Lippert, ich danke Ihnen für realisieren. dieses Gespräch. Drittens, weil die Malerei bis vor kur- P.L . : Nichts zu danken! zem wiedermal verpönt war und viele jun-

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Hände weg von der Malerei!

ch hätte auf Freund René Clesse’s An- solcher anzumerken; in der Tat verwende Klopp noch überhaupt nicht malen können. Isinnen, mich für ons stad zur Wieder- ich – übrigens zum Leidwesen von Klopps Überhaupt, lassen Sie sich’s gesagt sein, eröffnung und Erweiterung der städtischen Tochter Rosemarie, die zur Buchpremiere von diesem Klopp kann man höchstens das Kunstgalerie Villa Vauban möglichst in eigens aus Ägypten anreist – mehr liebevol- eine oder andere späte, kurz vor seinem Feuilletonform auszulassen, nicht eingehen le Sorgfalt auf den Menschen als auf den frühen Tod gemalte und dazu unfertige sollen. Maler Nico Klopp. Auch von der Auswahl Bild gelten lassen.“ Nach reiflicher Überlegung weiß ich der Motive, die im Vierfarbendruck die fer- Basta ! aber, wie ich dem Angebot vielleicht doch tige Monographie bebildern sollen, halte Ich leugne sie ja nicht, meine große halbwegs gerecht werde. Dafür muß ich al- ich mich in voller Absicht fern. Aber sogar Schwäche für das Werk des leider jung lerdings weiter ausholen und heim in mei- Verleger Martin Gerges selbst ist enttäuscht vollendeten Künstlers Nico Klopp; und ne Kindheit und Jugend leuchten. Bei uns über die zu diesem Zweck von Kunstpapst ich gestehe auch liebend gern, diese von zu Hause hat nämlich, so weit ich denken Joseph-Emile Muller ausgespähten Bild- Kindsbeinen auf gehegte Schwäche ist kann, in der Salon genannten guten Stube muster. Ja, es hat den Anschein, dem nach- stark lokalpatriotischer Natur: Hof Remich eine von Nico Klopp gemalte Straßenszene weislich kloppophoben bzw. kutterophilen spielt, wenngleich zu ungleichen Zeiten, gehangen, die, so wird erzählt, der chro- Kunstwart Muller sei es drum zu tun ge- in unserer beider Leben eine starke Rol- nisch klamme Künstler meinen Eltern zur wesen, qualitativ zweifelhafte, ungelenke le. Doch erst viel später lerne ich ein bei Hochzeit geschenkt habe. Nicht nur aus Stillleben gegen charakteristische Mosel- Klopp besonders ausgeprägtes Talent ken- Nostalgie oder Sentimentalität hab ich das szenen auszuspielen und Klopp vielleicht nen und schätzen, eine Kunstfertigkeit, die Bild, das der handwerklich geschickte Maler auf Umwegen als Maler zu diskreditieren. ihn zweifelsfrei vorteilhaft von den Malern selbst aus wohlfeiler Fichte gerahmt hatte, Mullers mehr denn merkwürdige seiner Generation, seinen Freunden und über zahlreiche Umzüge und Ortswechsel Auswahl bringt mich auf die Idee, einmal Mitstreitern bei der legendären Sezessi- hinweg bis heute in Ehren gehalten. Die so- wenigstens einer Autorität auf den Zahn on, den Kutters, Rabingers, Schaacks etc. gar bei Kennern heimischer Malerei kaum zu fühlen, die jahrzehntelang nahezu un- unterscheidet: Klopp ist der bedeutendste bekannte, impressionistisch fahlgrün und umstritten über Luxemburgs Kunstszene Holz- und Linolschneider der Luxemburger eigelb und blaßblau glimmende Platanenal- herrscht. Ich ersuche dafür den Experten Kunstgeschichte, Klopp hat mit seinen gra- lee zeige, so Klopp selber, den ehemaligen bei Gelegenheit höflich, mein Gemälde mit fischen Beiträgen angesehene Zeitschriften Düsseldorfer Schulweg seiner Frau Elfriede. der Düsseldorfer Alleeszene künstlerisch zu und markante Bücher zu bibliophilen Ra- Als Kind hab ich mir freilich sehr früh eig- bewerten. In seinem Amtszimmer hocho- ritäten gemacht, Klopp ist der anerkannte ne Reime auf diese nahezu menschenöde ben im alten Fischmarkter Kunstmuseum Ahnherr und heimliche Lehrmeister mehre- Malszene gemacht. zieht sich der extrem kurzsichtige Joseph- rer Generationen talentierter Luxemburger Jedenfalls ist seinerzeit nicht damit zu Emile das Bild deslängeren dicht vor Augen, Kunstgrafiker. rechnen gewesen, Martin Gerges, unver- nimmt sogar die Lupe zu Hilfe, winkt dann Auf Nico Klopp, den fleißigen, originel- gesslicher Herausgeber der „Publications jedoch plötzlich barsch ab und tut leise len und innovativen Holz- und Linolschnei- Mosellanes“, werde mir eines Tages den einen Schrei des Abscheus. Erst wenn er der berufe ich mich denn auch gern und oft, Auftrag erteilen, für seine Serie über Mo- merkt, daß er mich damit gehörig verstört, wenn mich Fragen nach dem Eindruck und selmaler eine Monographie über Leben meint er schließlich ziemlich mokant: „Ich dem Wert eines Ölgemäldes in Verlegen- und Werk von Nico Klopp zu schreiben. muß Sie enttäuschen, junger Mann, das heit bringen, wenn ich nicht bereit bin, of- Dem biographischen Essay „Das Licht der Werk taugt so gut wie gar nichts, denn, fen und laut zu gestehen, daß ich mir schon Schatten“ ist viel Respekt vor Ölmalerei als sehen Sie, es ist anno 1923 gemalt, da hat deshalb kein fundiertes Urteil gestatte, weil

50 ich zu wenig über die jeweilige Maltechnik weiß. Ohnehin glaube ich, Ölmalerei ist leichter und griffiger mit sprachlichen An- leihen in der Musik zu fassen, Schreiben dagegen ist von sich her Grafik pur… Doch schon ein paar Jahre bevor ich mich im biografischen Essay „Das Licht der Schatten“ mit Nico Klopp befasse, verleidet mir der eigne Cousin die Lust an der Ölma- lerei so nachhaltig, daß ich mich eigentlich bis heute immer wieder hinter meiner Vor- liebe für gute Grafik verschanze, wenn man von mir ein Urteil über ein Gemälde oder einen Maler erwartet. Vom Hörensagen glaube ich zu wissen, „Land“-Leser unterscheiden in den sechzi- ger und siebziger Jahren sorgfältig zwischen J.-P.R., dem Kunst- und M.R., dem Litera- turkritiker. Einmal jedoch vermischt „Land“- Herausgeber Leo Kinsch aus redaktioneller Not – J.-P.R. ist unabkömmlich – die beiden persönlichen Spielwiesen. Flehentlich bittet er M.R., ihm doch um Himmelswillen ei- nen Beitrag über eine Frantz-Gillen-Schau

in der seinerzeit kleinen, feinen Galerie © MNHA Horn am Boulevard Royal zu liefern. Leo François Gillen: Feuilles mortes (1957) Kinsch fühlt sich wegen des Entwurfs für ein Farbfenster in seinem Haus auf Bierger- kreiz dem in Paris lebenden Frantz Gillen verbunden. Und so steckt M.R., weil er den allem seine fachliche Inkompetenz hat er „Also Junge, Du verstehst vermutlich mehr Verlegerfreund nicht enttäuschen möchte, in seinem „Land“-Beitrag nur notdürftig von Literatur als ich, ich aber rate dir ein für ganz hübsch in der Bredouille. Denn er hinter Höflichkeiten für den Maler Gillen alle Male: „Hände weg von der Malerei !“ weiß, trotz Horns liebenswürdig beflisse- verstecken können. Und so kommt es denn Basta ! ner Beratung, mit den abstrakten, penibel wie es kommen muß: Ein paar Jahre drauf bringt der Maler geometrischen Ölbildern des angesehenen Die Druckerschwärze unter der ver- Frantz Gillen nicht nur mich noch einmal Malers Gillen nicht viel anzufangen. Nicht unglückten Gillen-Rezension ist vermut- arg in Verlegenheit. Der um spinnerte, nur die Wissens- und Gewissensbisse, an lich noch nicht trocken, da meldet sich der doch lukrative Einfälle selten verlegene denen M.R. während seiner Arbeit über hörbar verärgerte J.-P.R. beim Cousin und Auto-Revue-Verleger François Mersch lädt die Gillen-Vernissage leidet, auch und vor meint in seiner saloppen Ausdrucksweise: mit Architekt Paul Retter zum Dîner in die „Bar des Empereurs“. Es gilt den bei Gil- len bestellten Entwurf für den von Mersch jahrzehntelang hartnäckig verfolgten Plan Nico Klopp: Norddeutsche Landschaft (undatiert) eines Denkmals für die „Klëppelkrieger“ zu begutachten. Auf dem Restaurant-Tisch, doch bereits ausser Sicht geschoben, Gil- lens Entwurf: Eine leeres, nacktes Sperr- holzbrett auf dem um die zwei Dutzend schlanke, vierkantige, längliche Hölzer – vermutlich tapfere Öslinger – Mikado- stäben gleich mehr und weniger aufrecht stehen. François Mersch und Paul Retter sind hörbar bemüht, über Gillens peinlich mageren Entwurf hinweg der Konversation zu pflegen. An meiner Miene ist wohl abzu- lesen, daß ich mir ebenfalls ein angemesse- nes Urteil unbedingt zu verbeißen trachte. Und dabei hätte ich damals ausgerechnet dank des auf Luxemburgs Kunstszene hoch gehandelten Meisters Frantz Gillen nicht mit meiner – inkompetenten – Meinung über Ölmalerei herausrücken müssen.

Michel Raus

51 La photographie au Luxembourg

Bruno Baltzer Simone Decker Caroline, de la série After Midnight So weiß, weißer geht’s nicht

’abord marquée par la présence de photographiées à différents endroits de Ve- turnes abandonnés de la foire sous forme de Dphotographes humanistes comme nise, de l’autre dans la série So Weiß, weißer reconstruction photographique, devient une Norbert Ketter (1942 -1997) ou plus tard geht’s nicht elle s’est servie accessoirement projection décalée de spatialité et de tempo- Yvon Lambert (toujours actif) puis par des de projecteurs de cinéma, de la surexposi- ralité où se mélange l’objectivité de la prise photographes liés au groupe zone 6 comme tion et de la lenteur du temps de pose pour de vue avec la subjectivité de la perception. Luc Ewen, Yvan Klein, Jean Luc König, Mi- effacer les façades des maisons d’une agglo- Plutôt que d’exprimer le mouvement de la chel Medinger ou Roger Wagner, la photo- mération sociale en Allemagne. foule dans une ambiance foraine diurne, graphie luxembourgeoise s’est depuis la fin Cette approche plasticienne de la l’artiste cherche la confrontation formelle en des années 80 de plus en plus développée photographie qui privilégie la construction déconstruisant les représentations collecti- dans le domaine de la recherche photogra- conceptuelle de l’image plutôt que l’ins- ves «typiques» de la fête foraine. phique dite plasticienne. tant décisif s’est déployée sous différents Plus qu’une simple opération d’en- Encouragés par la présence d’insti- aspects au Luxembourg depuis les années registrement, la photographie de Baltzer, tutions comme le centre Nei Liicht et le 90. La photographie luxembourgeoise s’est comme on le constate aussi dans sa nou- CNA, mais aussi le Mudam et le Casino vue ainsi explorer de nouvelles formes pour velle série La gloire de mon père, est un Luxembourg Forum d’art contemporain, aborder les thèmes sociétaux contempo- questionnement permanent des propres de nombreux plasticiens se sont consacrés rains. De la mise en scène narrative aux représentations confrontées aux possibili- à la photographie en expérimentant les dif- reconstructions du réel les photographes tés photographiques. férentes facettes du médium. poussent le questionnement du médium Pour Pasha Rakiy, photographe d’origi- Des artistes comme Simone Decker jusqu’aux limites du virtuel. ne iranienne, vivant au Luxembourg, cette avec sa série Chewing and folding in Venice, Le jeu de l’échelle et de la perspec- dimension critique de la représentativité du présentée à la Biennale de Venise, en 1999, tive photographique accompagné d’une médium photographique se traduit dans sa ont su explorer le «photographique» en réflexion sur la présence et l’absence, sur série NYC Ghost I-X 2008 par ce que Chris- jouant sur le point de vue et la temporalité le plein et le vide trouve dans la série After tian Gattinoni et Yannick Vigouroux appel- de la photographie. D’un côté elle l’a fait en Midnight de Bruno Baltzer une expression lent «l’écriture d’une fiction documentaire» suggérant une monumentalité sculpturale dialectique qui se situe entre le réel et la fic- (dans La photographie contemporaine, éd. à partir de petites formes de chewing gum tion. Chaque image, montrant les lieux noc- Scala 2009).

52 Une scène artistique prolifique Elvire Bastendorff D’après «La mer écrite» de Marguerite Duras 2007

La question actuelle des mutations du Si les transmutations du réel ont généra- On retrouve ce degré d’abstraction de médium (du photographique à l’artistique lement leur source dans l’image enregistrée, la photographie dans les dialogues photo- et de l’analogique au numérique) est posée au contraire chez Elisabeth et Carine Krecké graphiques avec la nature dans les séries en terme purement photographique chez l’origine de l’image est fictive. Leur démar- poétiques de Raymond Clement comme Geneviève Biwer dans sa série intitulée Sé- che est particulière dans la mesure où la pho- dans l’approche sculpturale de Gérard rie Bleue exposée dans le cadre du Mois tographie est le résultat d’une construction Claude explorant d’autres espaces et traces Européen de la Photographie à la galerie qui part d’une image mentale pour aboutir photographiques. Nosbaum&Reding en 2006. Comme des à une solution «photographique». En com- Du côté du rapport au corps dématé- strates d’immatérialité ces paysages nar- mençant par le dessin de mémoire elles font rialisé, la photographie de Vera Weisgerber ratifs nous emportent dans le mouvement émerger par traitement numérique et tirage s’inscrit dans un processus de déconstruc- presque pictural des surfaces bleues qui ab- photographique l’image glamour des figu- tion et de reconstruction révélant des dé- sorbent l’image. res mythiques d’Hollywood sous forme de tails qui par leur force interactive créent des Issue de cette génération d’artistes grandes photographies en noir et blanc. liens inattendus entre intérieur et extérieur, pour laquelle les images photographiques La jonction entre réel et fiction est entre concept et affect. L’installation au sont avant tout construites, Carole Chaine aussi à la base des œuvres de Laurent Friob centre Nei Liicht dans le cadre de l’exposi- de son côté excelle dans la mise en scène Dans la série Réalisme abstrait, il s’ap- tion Faire la peau de l’inconscient en 2009 infographique de sujets qui illustrent aussi proprie les représentations de la grande a témoigné de cette force de mutations de les mutations de la représentation. Pho- peinture de l’expressionnisme abstrait en l’image photographique. tographe plasticienne ou «scanographe» photographiant des pans de murs dans dif- Cette façon d’explorer une certaine comme récemment défini dans le diction- férentes villes européennes. A partir de la quotidienneté en transformant le privé et le naire de la photographie, elle fait tout pour réalité urbaine, il crée des «all over» pho- public en images déconstruites contempo- brouiller les pistes et tromper nos percep- tographiques qui par la décontextualisation raines présuppose une démarche concep- tions, notamment dans ses séries Fleurs du et le grand format deviennent elles-mêmes tuelle qui se traduit différemment selon les mal et I scream for ice-cream. des œuvres abstraites. sensibilités des artistes.

Carole Chaine Elisabeth & Carine Krecké I scream for ice cream, 2004 Untitled de la série Photographies fictives, 2006

53 La photographie au Luxembourg

Tom Lucas Vue de l’installation du kiosque Mike Lamy, à travers sa verve graphi- que explore une certaine métaphysique du banal en isolant des objets dans des com- positions très simplifiées tandis que pour Véronique Kolber le quotidien est lié à l’his- toire personnelle. Chez elle la photographie participe à créer des fictions de la mémoire où autoportrait et images d’albums de fa- mille fusionnent. Les fictions chez Elvire Bastendorff s’inspirent souvent de ses lectures comme c’est le cas de la série de photographies d’après La mer écrite de Marguerite Du- ras. L’ambiance durassienne qu’on retrouve dans la plupart de ces images révèle cette caractéristique partagée d’une certaine su- blimation ou transfiguration du banal. A quelques exceptions près, comme en témoigne la série de Galbats présentée dans le cadre de Great expectations. Contem- porary photography looks at today’s Bitter Years au Casino Luxembourg, Forum d’art contemporain, en 2009, la photographie contemporaine à Luxembourg ne traite que peu les sujets sociaux décrivant les situa- tions de précarité et de marginalisation. En revanche on trouve chez les jeunes photographes luxembourgeois une certaine sensibilité esthétique par rapport aux ques- tions existentielles surtout en confrontant différents genres d’images dans une même série comme le montrent les photographies de Thierry Frisch et de Christian Aschmann ainsi que plus récemment celles d’Armand Quetsch. Dans la série Ephemera ce dernier procède par correspondances formelles, chromatiques, structurelles par lesquelles il construit une trame narrative aléatoire comme trace d’une vie (celle de son grand- père) arrivée à son terme. Souvent à travers l’allégorie la pho- tographie contemporaine cherche une échappatoire à la réalité, ou pour le dire autrement, essaie de dépasser le caractère réducteur du statut de l’image en tant que simple enregistrement du réel. C’est le cas pour Andrés Lejona, Es- pagnol vivant au Luxembourg, pour qui la photographie est synonyme de complicité ludique et théâtrale entre photographié et photographe. Le lieu de la rencontre est fortement lié à la mise en scène qui s’en suit. Le lien avec son modèle, Jeanine Un- sen le cherche aussi mais de façon plus dis- Geneviève Biwer tanciée. Interpellée par un personnage, ins- Série Bleue pirée par une situation, elle développe ses

54 Qu’ils se définissent plasticiens ou que des participations à d’autres festivals photographes, les acteurs de la scène pho- internationaux comme les Rencontres d’Ar- tographique au Luxembourg contribuent les, la triennale Backlight à Tampere ou le tous à forger un nouveau regard sur l’ima- festival photo de Pingyao en Chine, les ge contemporaine. Certes, les exemples photographes luxembourgeois sont ame- d’œuvres d’artistes participant à ce chan- nés à confronter leurs recherches photo- gement de paradigme sont nombreux et graphiques à l’exigence de la scène inter- notre choix, dans le cadre de cette petite nationale. présentation, ne prétend aucunement à De même, les galeries luxembourgeoi- l’exhaustivité. ses et les collections privées et publiques Récemment la deuxième édition de participent activement à cette diffusion de la Portfolio night 2010 au CNA a révélé l‘art photographique. la diversité ainsi que la grande qualité des Ces échanges, plus que d’installer des propositions photographiques luxembour- regards croisés sur la création photographi- geoises. Cette initiative qui rencontre aussi que constituent un terrain de recherche des un grand succès populaire encourage les plus prometteurs pour l’avenir de la photo- échanges entre générations et approches graphie au Luxembourg. différentes. En profitant des réseaux comme le Mois Européen de la Photographie où le Luxembourg est partenaire de Paris, Berlin, Vienne, Rome, Bratislava et Moscou ainsi Paul di Felice Andrès Lejona Béatrice

Jeanine Unsen Série Odd, Small and beautiful, 2009 (Commande du Musée d’histoire de la ville de Luxembourg) tableaux photographiques en construisant des décors où interviennent les protagonis- tes sous sa régie. Chaque photographie est le résultat d’un minutieux travail de recher- che iconographique en amont qui consti- tue la base d’un décor spécialement conçu pour chaque prise de vue. Sa série Odd, small and beautiful, une commande du Musée d’Histoire de la Vil- le de Luxembourg dans le cadre du Mois Européen de la Photographie en 2009, dé- construit les représentations touristiques du Luxembourg à travers des situations artificielles imaginées dans son studio. Les quatre photographies de cette série contri- buent chacune à relativiser le point de vue entre appropriation et distanciation. L’installation Time shift de Tom Lucas au kiosque, à l’occasion de l’invitation de la critique d’art Romina Calò en hiver 2007- 2008 dans le cadre de l’AICA, est un exem- ple pertinent de ce questionnement sur le point de vue photographique, On y voyait trois images géantes jouant sur la tempora- lité, montrant des moments figés des alen- tours du kiosque enregistrés quelques mois auparavant et destinés à être confrontés aux regards comparatifs des passants. Là aussi on peut dire que l’enregistre- ment photographique du réel est d’abord déconstruit, puis reconstruit, voire décalé par l’intermédiaire du spectateur. Les vues photographiques construites dans un dis- positif se mélangent aux vues optiques des passants créant ainsi un nouvel univers à partir de représentations quotidiennes.

55 E Vernissage wéi aus dem Billerbuch

n der Gemengegalerie „Le Chevalet“ an Ader Reenertstrooss ass et zéng vir fën- nef. De Charel Baustert an seng Fra Virginie mengen hei nach eppes réckelen, do nach eppes ofstëbsen, e lescht Schampesglas konrolléieren ze missen, an der Fra hir Suerg, et géing net duer mat den Afennëss, muss de Charel sech fir d’drëtt unhéieren. Gutt,

datt se keng deier Schnittercher bestallt Guy Hoffmann hunn, d’Gérante vu der Galerie, d‘Madame Tanton, hat och dervun ofgeroden. Fir seng éischt Ausstellung huet de Charel ronn honnert Invitatiounskaarten an hie géif natierlech e puer Wuert soen, sech sollten sech haut schonns dee schéine d’Landschaft geschéckt. Leider stoung net am Viraus awer entschëllegen, datt en duer- Concert virmierken, deen den Cäciliechou- drop, datt d’Leit sech sollen umellen, a lo no net laang kéint bleiwen. D’Harmonie krit er e Sonndeg z’Owend an der Kierch zum weess de Charel net, ob der achtzeg kom- ëm sechs vum Geschäftsverband eng déck Beschte géif. Madame Baustert, Här Baus- men oder nëmmen aacht. Vun hire Frënn Tromm, an do kéim hien net derlaanscht, fir tert, prost op Iech a vill Succès!“ hunn der e puer versprach ze kommen, dat en Acte de présence ze maachen. De Charel Alles klappt, de Riedner drénkt aus, gëtt wiere mol déi. D’Press ass och agelueden, mä versteet dat a mengt, den Här Schäffe kéint dem Virginie an dem Charel d’Hand, kléckt vu Molerkollege weess de Charel, datt vun seng Usprooch lo direkt halen, ‘t wiere jo eng och nach zwéi Parteifrënn, a fort ass en, de deene meeschtens keen opdaucht; héchs- drësseg Leit hei, do kéimen der doudsécher Charel kritt mol net Zäit, fir him Merci ze tens deen décke Pier, dee fir dräi, véier Zei- net méi ganz vill no. soen. tunge knipst an d’Billerzeile selwer schreift. Den Här Alberti kuckt kuerz ronderëm Iwwerdeems nach véier Jonker rakom- Vun den zwéi bekannte Kritiker kënnt och sech a freet, ob kee vun der Press kéim. De men, ginn anerer virun d’Dier eng fëmmen. keen, dofir sinn déi sech vill ze schued. ‘t Charel kritt net z’äntweren, well an deem De Charel mengt, och e puer Wuert missen ass och grad sou gutt, wie weess, wat déi Moment käicht deen décke Pier duerch ze soen, wëllt dat awer kuerz maachen, hie sech géifen aus dem Bic suckelen. ‘t geet d’Dier an huet de Fanger schonn um Ausléi- wier kee grousse Riedner: schonn duer, wann de Kulturschäffe kënnt, ser vum Fotoapparat. „E Merci un Iech all, datt Der komm vläicht keeft d’Gemeng jo e Bild. Nëmmen de „Moien, Här Alberti, wou hu mer de sidd, an och en décke Merci un d’Gemeng Schampes an d’Nëss stellen, dat mécht haut Moler? Stellt Iech mat deem virun dat dote wéinst der Galerie an dem Schampes. Ech déi lescht kleng Gemeng iwwer Land, dacks Bild! A, Dir sidd de Kënschtler, Moment mol, hoffen, datt meng Biller Iech gefalen, an datt souguer mat richtegen Amuse-bouchen der- richteg, ,Charel Baustert‘ hunn se mer hei Der nach eng Grëtz an eiser Gesellschaft bäi, naja. „Virginie, fëll séier e puer Glieser, ‘t opgeschriwwen. Da kommt, ech hunn net bleift. Prost!“ komme Leit!“ vill Zäit, d’Musek kritt ëm sechs eng Tromm. Him fält weider net vill an, well iwwerem De Charel luusst op seng Auer an ass Iwwerdeems de Charel säi Virginie fir Rieden huet e gemierkt, datt déi véier mat zefridden: ‘t ass der just fënnef, a lo sinn hi- mat op d’Foto fëscht, gëtt de Kulturschäf- den ëmgedréite Baseballkapen sech vum Vir- rer well eng Dosen heibannen. D’Virginie ka fen dem décke Pier e Blat. „Hei, eng Kopie ginie scho fir d’zweet rausschëdde loossen an kucken, datt et mam Schampes eens gëtt, vu menger Ried, du weess jo, wéi s de dat d’Kakuetten aus de Schësselcher an de Grapp hie muss sech lo ëm seng Gäscht këmme- méchs.“ schëdden.Déi ware just fir d‘Schnittercher ren. Hie kennt déi meescht, awer net all; „Sou, da laacht eng Kéier!“, seet de Pier. hei, denkt de Charel, där et awer gottseidank deene leschte brauch en nëmme frëndlech „Ee Moment, nach eng.Voilà! Entschëllegt keng gëtt. Déi véier laachen sech bal futti, d’Hand ze ginn, da stellen déi sech scho sel- mech, wéi gesot, ech muss.“ wéi en eeleren Här, dee mat enger Lupp vu wer vir. Aus der Aart a Weis, wéi se mam De Vertrieder vun der Kultur hemmst Bild zu Bild geet an d’Präisser studéiert, iw- Schampesglas laanscht d’Biller trëppelen an eng Kéier, waart, bis nach véier Leit zur Dier wer e Spot fält. Dat schéngt deen eenzegen an engems mateneen tuschelen, schléisst de ra sinn a leet da lass: Nees eng Kéier hätt e ze sinn, deen sech fir Konscht intresséiert. Charel: Vun deene keeft keen e Bild. E Ge- Matbierger bewisen, datt d’Konscht an der Déi aner Gäscht stinn a Gruppen, schnëssen spréich vun enger Koppel schnaapt hien op: Gemeng groussgeschriwwe géif, wéi dat an dréien de Biller de Réck. „’t gesäit ee jo net, wat et ass!“ D’Äntwert jo scho jorelaang um Chrëscht-Salon vum Déi lescht gi kuerz no hallwer siwen. ass och net z‘ iwwer héieren: „Dat do kéint „Club des Artistes“ ze konstatéiere wier. D’Virginie zitt de Carnet mat de roude Punk- ech och.” Wien der Däiwel sinn déi? Dem Här Charel Baustert, dee fir d’éischt géif ten aus engem Tirang a bekuckt se laang. De Den Här Kulturschäffen Corneille Al- ausstellen, hätt d’Gemeng natierlech a spon- Charel fëllt him an sech eng Coupe aus där berti kënnt kuerz duerno. Eng eeler Dame, tan d’Galerie „Le Chevalet“ zur Dispositioun leschter, nach hallef voller Fläsch. De Bléck déi net ze wësse schéngt, wien deen Här am gestallt, a géif him e groussen Erfolleg wën- geet iwwer seng Wierker, an hie seet méi zu Armanis-Kostüm ass, freet hien, ob et hei schen. Net fir näischt krit och d’Harmonie sech wéi zur Fra: „Iergendeppes hänkt hei keng Äschentellere géif. De Schäffen dréit hir lo an e puer Minutten eng fonkelnei déck schif.“ de Réck, steiert op de Charel lass, a mengt, Tromm vum Geschäftsverband, an d’Leit Josy Braun

56 Sie sind jung und brauchen das Geld...

Jung sein und Künstler spielen Um diesen speziellen Status zu erklä- Denn eigentlich sollte der Künstler doch ist gar nicht so einfach. ren, kann man einerseits an das typisch unabhängig vom Staatsäckel agieren und Zum einen stellt sich die Frage luxemburgische Stereotyp des Künstlers nicht aus der Hand des Ministeriums oder als „armen Poeten“ zurückgreifen – der der kommunalen Geldgeber leben. So sind des Lebensstils, zum anderen Artist als Pariafigur und Bürgerschreck. die staatlichen Fördermittel immer auch ein die seiner Finanzierung. Ein Klischee, dem die wenigsten entspre- zweischneidiges Schwert: Einerseits werden chen wollen, wenn man sich die heutigen sehr wohl Talente gefördert, und nicht we- Vernissagen und andere „Kulturevents“ nige profitieren davon. Andererseits gerät anschaut. Der Künstler muss auch was der Künstler, der auf solche Gelder vertraut, „Ordentliches“ machen, wenn er in dieser schnell in einen Sog der Abhängigkeit sei- Gesellschaft Akzeptanz sucht. nem Auftragsgeber gegenüber. Man sieht, Auf der anderen Seite spielt natürlich dass das Künstlerdassein im Jahre 2010 auch die fehlende – oder falsch funktio- immer noch eine Gratwanderung ist. Aber nierende – Infrastruktur eine Rolle. Sicher- auch kein Ding der Unmöglichkeit, wie die lich gibt es heutzutage eine viel breitere nachfolgenden Porträts zweier Luxembur- Unterstützung für Künstler als noch vor ger Künstler zeigen. dreißig Jahren. Aber lediglich auf Subven- tionen, Konventionen und andere Förder- Filip Markiewicz programme zu zählen, bringt auch nichts. Luc Caregari

ugegeben, ein Dossier über junge ZKünstler in Luxemburg zusammenzu- stellen war keine einfache Sache. Wer ist jung oder nur jung geblieben? Wo hört der Hobbykünstler auf und wo fängt der Lebenskünstler an? Und – vor allem – wo sind diese jungen Menschen überhaupt zu finden? Aber zuerst einmal muss die Frage gestellt werden: „Was ist überhaupt ein Künstler? Und zumal, was ist ein Künstler in Luxemburg?“ Das Großherzogtum ist nicht unbe- dingt bekannt für eine langjährige künst- lerische Tradition. Und Luxemburg war und ist immer noch kein kulturelles Epizentrum wie das Paris der zwanziger Jahre. Eher das Gegenteil ist der Fall: Wer sich in den hie- sigen Gefilden das Etikett „Künstler“ an die Brust heften will, sollte zumindest ein zweites Standbein haben. Denn von der Kunst alleine zu leben, das funktionierte in Luxemburg bisher nur in Einzelfällen. So kommt es auch, dass viele, die in der lu- xemburgischen Kunstszene aktiv sind, ne- benbei als Professoren oder Lehrer arbeiten müssen. Sogar Altmeister wie Foni Tissen entkamen diesem Schicksal nicht. So un- terrichtete der „luxemburgische Surrealist" eher widerwillig jahrzehntelang in seinem "Brotberuf" als Zeichenlehrer im Escher Jongelycée.

57 et son Armée rouge. En 1973 ils doivent se résoudre à quitter le pays et s’installent fi- nalement au Luxembourg, où Filip voit le jour en 1980. «Lorsque j’ai eu 12 ans, se souvient-il, mes parents ont obtenu la na- tionalité luxembourgeoise, qui m’a donc été donnée aussi, parce que j’étais mineur. Cela a été un moment crucial pour moi car j’ai été amené à réfléchir à mon identité. A un moment j’ai pu craindre d’en perdre une partie. Désormais je me dis aussi bien Longtemps il aura mûri à l’abri d’un une lippe blasée, les yeux éternellement Luxembourgeois que Polonais, cette dua- personnage: Raftside. Après avoir brûlé ce enfumés par des verres censés les protéger lité fait partie de moi.» qu’il avait adoré, Filip Markiewicz entame d’une lumière du jour qu’ils n’entrevoient La mère de Filip est artiste peintre et une phase de sa carrière plus profonde, qu’exceptionnellement. pédagogue en art. A la maison les jouets plus austère et finalement plus personnelle. En cet après-midi de mars, quelques sont rares, on leur préfère le matériel de Si cet artiste aux multiples talents – plasti- heures avant l’ouverture de sa dernière dessin. A voir Filip Markiewicz assis sous ses cien, vidéaste, auteur-compositeur – reste exposition, ce n’est toutefois pas le musi- grands panneaux réalisés au crayon, mis en fasciné par la société du spectacle, ce n’est cien mais le plasticien qui reçoit en la ga- valeur par les rayons du soleil hivernal, l’on plus tant par les désirs qu’elle nourrit que lerie beaumontpublic. L’endroit est d’une peut encore s’imaginer sans mal l’enfant par les zones d’ombre qu’elle dissimule. sophistication discrète, un quadrilatère de calme remplissant feuille sur feuille. «Ma Portrait d’un iconoclaste. verre et de béton, situé à l’arrière d’une mère favorisait mes élans créatifs. Quant à Vincent Artuso villa trapue du quartier de Bel-Air. Cette mon père, il m’a appris l’importance de la institution privée accueille régulièrement rigueur. Il était celui qui me ramenait à la les œuvres d’artistes contemporains aussi réalité. Cela m’a donné un équilibre. Pour incontournables que Jan Fabre et Wim Del- moi l’art est bien sûr un jeu, c’est une sur- «Bonjour, dit-il timidement: Filip Mar- voye ou bien les productions dionysiaques face d’expression. Mais il est aussi primor- kiewicz». L’information est d’une élémen- de l’autrichien Hermann Nitsch. dial que cette expression soit encadrée.» taire politesse. Elle n’est néanmoins pas Très tôt va s’exprimer en lui ce besoin de superflue, tant le personnage qui la déli- Tâtonnements toucher à plusieurs formes d’expression, vre diffère de celui que l’on pourrait s’at- tout en les domestiquant pour en tirer une tendre à rencontrer. Pour beaucoup, Filip Les parents de Filip Markiewicz sont œuvre. Markiewicz c’est d’abord Raftside. Un originaires de Pologne. Ils se sont rencon- L’école, en revanche, est vécue comme auteur-compositeur à l’image de dandy un- trés durant leurs années d’études à Wro- une contrainte. Filip suit sa scolarité au derground soigneusement entretenue, qui claw. Tous deux sont des opposants au ré- Luxembourg jusqu’en 4e, au Lycée Michel dans ses clips autoproduits apparaît chemi- gime communiste imposé après la Seconde Rodange de Luxembourg, puis ses parents se mi-ouverte, la barbe insolente encadrant Guerre mondiale par Staline, le «libérateur», décident de l’envoyer à Metz, au Lycée

58 Sainte-Chrétienne. Il s’agit certes d’un éta- En 2003 sort le premier album signé blissement catholique, mais il propose un Raftside. Totalement autoproduit, il porte bac littéraire avec option théâtre. Le lauréat pour titre «Antistar». Filip fait ses premiè- va ensuite entamer des études de commu- res apparitions en live. Il est d’emblée re- nication avant de s’inscrire aux Beaux Arts, marqué tant ses apparitions tranchent avec à l’Université Marc Bloch de . celles des autres représentants d’une scène Après avoir consciencieusement as- musicale luxembourgeoise qui souffre d’un similé les cours qui lui étaient prodigués, manque de confiance en soi chronique. pendant près de deux semestres, Filip Mar- Deux ans plus tard, sort «The Des- kiewicz passe aux travaux pratiques – et il perate Life of Johnny Sunshine». Déjà un se choisit lui-même pour support. changement est perceptible et Josée Han- «Raftside est né comme une sorte de sen, qui le suit attentivement depuis ses dé- Pour l’album suivant, il voit en tout cas blague, un jour je me suis dit: Je vais deve- buts, se demande, mais toujours avec bien- les choses en grand et rompt avec le Lo-Fi nir le Bob Dylan luxembourgeois.» Il inven- veillance, dans un article du Land daté du dont il s’était fait une marque de fabrique. te alors ce personnage tout droit sorti de la 22 juillet 2005, s’il ne risque pas de tomber «Disco Guantanamo» est enregistré en stu- Factory de Warhol. «J’étais passionné par dans son propre piège: «En l’espace d’un dio, à Bruxelles, produit par Rudy Coclet,. cette grande période de la fin des années an, depuis qu’il est soudain apparu comme Ce dernier est connu pour avoir travaillé 1960 et du début des années 1970, ses fi- par un tour de magie, Raftside est devenu avec des artistes comme Arno, Sharko, gures marquantes: Lou Reed, David Bowie, l’un des musiciens les plus hype de la scène Mudflow, Dominique A ou An Pierlé. Mais Iggy Pop. Ces rockstars qui ont explosé le locale: bars, avant-parties de groupes à la Markievicz ne sort-on pas de l’ambiguïté à cadre de la musique en mettant en scène Kulturfabrik, Fête de la musique, caves et ses dépens? Le Land, quotidien qui l’avait leur propre corps, en devenant des icônes – autres lieux plus ou moins vraisemblables… sans cesse dorloté, réserve une critique ou bien des marques déposées. Mais ce serait dommage – et absolument acerbe au nouvel opus. faux – de réduire Raftside à de la décon- La critique fait mouche. «Face à cet ar- Raftitude nade.» ticle, j’avais deux possibilités, raisonne l’ar- La parution d’«Opinion Lieder», en tiste à présent. Soit je me braquais, en me Dès le début il y a une ambiguïté. Raft- 2007, est une étape supplémentaire. Raft- disant que le journaliste n’avait absolument side est-il un rôle ou bien un double? Œu- side, jusque-là projet solo, canular, devient rien compris, soit je commençais à me dire vre d’art totale ou exutoire? Si la mise en un groupe. Sur scène, Filip s’entoure de que je ne tenais plus le concept.» Ces paro- scène permet à Filip Markiewicz de s’épa- musiciens. Le public suit. Le clip de «Flower les sont prononcées sans passion. «J’aime nouir dans l’expression de son art, en s’em- for the Mood», premier extrait de l’album, tourner les pages, enchaîne-t-il. Là j’ai l’im- parant des clichés de la pop-culture, il lui atterrit à la première place du classement pression que la musique est une parenthèse rend en effet un autre service. Il permet à de Planet RTL: du jamais vu au Luxem- qui va se refermer.» cette nature sensible et introvertie de bri- bourg, surtout pour une production artisa- La performance qu’il a organisée fin ser sa propre bulle, quitte à s’emmêler dans nale. La blague vire au sérieux et peut-être 2008, à la Philharmonie de Luxembourg, son propre dispositif. commence-t-il à ce moment à se fondre avec le vidéaste Bruce Geduldig, avait avec son personnage. d’ailleurs des airs de cérémonie sacrificielle.

59 La route de Guantanamo tion». «A cette occasion, j’ai voulu parler de l’adolescence. Une catégorie extensible, «Longtemps j’ai refusé d’exposer, si propre à notre société de consommation. avoue Filip Markiewicz, je ne me sentais Après tout, on ne parle pas d’adolescence pas prêt. La première manifestation à l’oc- en Afrique, où le passage de l’enfance à casion de laquelle j’ai montré des œuvres l’âge adulte a lieu de façon abrupte. s’appelait «Commercial Suicide», à la Kul- Sous le titre «Empire of Dirt», il intro- turfabrik.» Il fait une moue gênée, puis duit une bande de punks dans le cadre raf- enchaîne: «Je n’en ai pas vraiment honte, finé de la galerie. «Pourquoi ce titre? Tout c’est juste qu’il y avait quelque chose d’ina- simplement parce que c’était vraiment sale! chevé. J’avais donné comme consigne à ces mecs En 2006, René Kockelkorn l’invite, au de se lâcher. Il y avait des canettes de bières nom de l’AICA (Association internationale un peu partout, ils criaient, maculaient les des Critiques d’Art), à monter une instal- murs… Bref, ils ont fait tout ce que j’avais lation dans le kiosque mpk. Celle-ci s’ap- toujours rêvé de faire; ils sont devenus ma pellera «Zollzeit». L’idée: un trajet abstrait surface de projection. Je me contentais de entre la Pologne des années 1970 et le superviser.» Luxembourg des années 2000. «Ce fut un Filip revient à plus de sobriété, à tra- travail plus sérieux, plus autobiographique vers son installation «Disco Guantanamo», dans lequel j’ai abordé des sujets qui me au Mudam, en 2008. Pour la première fois, Dans une débauche de sons saturés et de sont chers: l’immigration, le post-commu- il passe des couleurs vives au crayon. Et cris tranchants comme des lames de ra- nisme et une certaine Ostalgie – même si je même si son personnage de Raftside est soirs, il s’appliqua à déconstruire l’œuvre n’aime pas cette expression qui ressemble encore présent – le titre de l’exposition est du Velvet Underground, comme on met fin un peu trop à une formule touristique. aussi celui de son dernier album -, le chan- à une relation passionnelle. «Je ne pouvais L’année suivante, Filip Markiewicz est gement est notable, tant sur le fond que sur pas indéfiniment rester l’enfant de Wa- pour la première fois accueilli par la gale- la forme. «Disco Guantanamo», derrière rhol! indique-t-il. A la Philharmonie, je lui rie beaumontpublic. Martine Schneider- son ironie encore criarde, est une critique ai rendu un hommage alors que, jusque-là, Speller, la directrice, lui fait confiance et lui de notre époque, de la violence arbitraire j’avais voulu être comme lui, c’était un fan- demande de livrer une contribution à l’ex- qu’elle cache sous ses dehors festifs et le tasme, un désir.» position collective «Exposed for Destruc- halo de ses néons.

60 peuvent contenir un corps.» Tout à coup, l’on se rend compte que la nef d’église re- produite à travers ce dispositif n’est pas que symbolisme de circonstance, que l’«al- terviolence» renvoie aux vanités de l’âge baroque, que dans leur juxtaposition les extrêmes ne s’annulent pas tout à fait, Alterviolence qu’au-delà des logos il y a le Logos. Après le déluge post-moderne, ce sont les codes du Filip Markiewicz se lève. Pendant près Le dernier mur est occupé par une catholicisme qui réemergent dans l’œuvre d’une heure et demie il s’est livré à cet grande fresque au crayon, galerie de fi- de Filip Markiewicz. exercice un peu bizarre qui consiste à re- gures extraites du maelström médiatique. Une autre clé nous est donnée au constituer différents morceaux de sa vie en Au centre, le pape Benoît XVI tient en- sous-sol, où est projetée une vidéo. Filip essayant d’y déceler de la cohérence. «Ma tre ses mains la tête de Michael Jackson, Markiewicz l’a tournée dans l’église Saint- confession», lâche-t-il à un moment en comme celle de Saint Jean présentée sur Pierre-aux-Nonnains de Metz. riant. Désormais, ce qu’il souhaite surtout, un plateau. Deux requins aux mâchoires L’on y voit deux boxeurs s’affronter. c’est en présenter l’aboutissement provi- largement ouvertes cernent le pontife: «A bien y regarder, indique l’artiste, ces soire, cette exposition que le public décou- «On se demande qui ils vont dévorer ou boxeurs ne sont qu’un seul et même per- vrira dans quelques heures et qui durera s’ils comptent vraiment dévorer quelqu’un. sonnage. Le combat qui est représenté est jusqu’au 24 avril. «Le concept d’«Altervio- Cette ambivalence est l’essence même de un combat contre soi.» On songe alors de lence», qui donne son nom à l’installation, cette œuvre. Comme dans le personnage nouveau à Raftside, l’alter ego, et l’on com- est à mi-chemin entre l’«ultraviolence» et de Hans Landa (l’officier SS du dernier film prend désormais mieux ce cheminement qui l’«altermodernisme» défini par l’essayiste de Tarantino, Inglorious Bastards), que l’on a mené Filip Markiewicz du fétichisme pour Nicolas Bourriaud. découvre sur la droite. les images scintillantes qui l’entouraient à Lorsqu’on entre dans la principale sal- Au centre de la pièce, au milieu de ces une réflexion aux accents iconoclastes: le d’exposition, on fait d’abord face à un icônes qui s’interpellent au-delà du bien «Les images sont pourries mais c’est tout autel, sur lequel est déposé une guitare. Le et du mal, une baignoire est posée sur un ce qui nous reste.» tout est dominé par un grand tableau, re- bac peu élevé, empli de terre. «Le début et présentant un Johnny Cash en croix avec la fin, indique Filip Markievicz, tous deux Vincent Artuso ces mots «Your own personal Justice»: «C’est un clin d’œil à la chanson de Depe- che Mode, reprise par Cash. Mais je fais aussi un parallèle avec George W. Bush et ses lois d’exception, qui ont mené à l’ouver- ture du camp de Guantanamo; sa façon de s’emparer d’une rhétorique de guerre des religions dans un dessein arbitraire.» Le mur de gauche à partir de l’entrée est, quant à lui, occupé par cinq oriflam- mes noires. Leur rigoureux espacement pa- rallèle évoque immanquablement l’esthéti- que totalitaire. Sur chacune de ces bandes de tissu, un mot; tous ces mots mis bout à bout forment une phrase: «Hell is around the corner». Chaque oriflamme est éga- lement ponctuée par un tableau - dessins au crayon - dont celui du milieu représente Neda Agha-Soltan, cette étudiante iranien- ne tuée par les balles de la police au cours de l’une des manifestations de juin dernier, à Téhéran.

61 Gore war gestern Die Wandlung der Anne Lindner

Anne Lindner ist eine Als absolutes Lieblingswerk nennt Anne „Ich hatte überhaupt keine Ahnung freischaffende Allround-Künstlerin, sein bekannteste Werk, „Der Garten der wo ich eigentlich hingehörte und es ist die Multimedia, Performance und Lüste“, ein Triptychon auf dem der Künstler mir auch heute egal was auf meinem Pass seine Vision der Schöpfungsgeschichte, des steht“ erklärt sie, und klingt dabei ein biss- Malerei miteinander verbindet. Ihre Gartens der Lüste und der Unterwelt illust- chen verbittert. Verständlich, denn damals Sicht der Dinge hat sich kürzlich rierte. Themen wie die Todsünde, Wollust, hat diese ständige Kategorisierung ihr zu maßgebend verändert: wieso man Liebe und Folter sind detailliert und sehr schaffen gemacht. So sehr, dass Künstlerin sich erst jetzt Annes Bilder ins explizit dargestellt. In Annes frühen Wer- sich in ihrem Schaffen damit auseinander- ken spiegeln sich ähnliche Themen wider, setzte. „Ich hatte so ein altes Nazi Propa- Wohnzimmer hängen kann, erklärt die durch die Natur des Projektes mehrere gandabuch, in dem natürlich sämtliche re- die 28-jährige im Interview. Sinne des Zuschauers beanspruchen: Per- tuschierte und inszenierte Fotos von Hitler formance Kunst, Installation, Malerei und zu sehen waren. Die habe ich dann mit Blitz „Es war damals alles negativ. Ich fand Multimedia bilden ein Ganzes. „Für mein fotografiert und jedes Mal entstand dann die ganze Welt kacke und wollte auch jedem Projekt namens 'The Anarchy and Chaos durch die Abspieglung eine Art Heiligen- zeigen wie kacke sie ist,“ lacht Anne Lind- Theory of Little Anne's Confused Brain' schein auf Hitlers Kopf. So habe ich sozusa- ner. Dass dies mit einem konventionellen habe ich weisse Maleranzüge angezogen, gen eine doppelte Fälschung aus den Fotos Job nicht möglich war, war ihr früh klar. Was Luftballons mit Farbe gefüllt und die dann gemacht. Die habe ich dann für eine Aus- sie allerdings studieren sollte, wusste sie an- aufgeschlitzt. Durch die tropfende Farbe stellung benutzt. “Die Installation bestand fangs nicht. Während ihrem ersten Studium - entstand langsam ein Bild.“ aus einer braunen Wäscheleine, auf der Kunstgeschichte und Englisch- fand sie nicht Mit Anzügen und Ballons arbeitete sie die Fotos hingen und deren Ende zu einem die erhoffte Erfüllung. „Ich habe drei Jahre auch bei ihrem nächsten Projekt: für „The Strick verknotet war. An dem Strick hing lang rumstudiert und habe mir dann irgend- Seven Deadly Sins“ füllte Maleranzüge mit die Erklärung des Werkes. Die Eindrücke wann gedacht 'nee, das ist es nicht'. Selbst Ballons, setzte ihnen Masken auf, malte der Besucher waren unterschiedlich. „In Kunstgeschichte langweilte mich. Ich fühlte, sie rot an und platzierte sieben von ihnen England waren die Leute zwar sehr inter- dass ich etwas selber machen musste.“ nebeneinander. Jede Figur stand für eine essiert, aber nicht sonderlich erschrocken.“ So reiste Anne nach Leicester in Groß- der Todsünden, die Anne weiterhin in Fo- Dies war nicht der Fall in Luxemburg, wo britannien um an der De Montfort Uni- tografie und Kurzfilmen interpretierte: auf die Installation auf dem Musikfestival „Out versity Kunst zu studieren, wo sie sich mit einem Foto küsst sie eine der Sünden und of the Crowd“ in Esch zu sehen war. mehrere Medien experimentierte. „Ich in einem Video befindet stopft sie in einem „Manche haben sich total aufgeregt war mir nicht sicher in welche Richtung dunklen Raum die sieben Maleranzüge und gefragt, was denn diese Nazi Scheisse ich gehen wollte, und habe so mehrere Sa- mit Ballons. Kontrovers und provokativ, so auf einem Musikfestival zu suchen hätte. chen probiert. Meine Tutoren auf der Uni mochte Anne am Liebsten arbeiten. Es hat sich dann herausgestellt, dass genau haben mir allerdings gesagt, ich solle nur „Während meinem Studium, da war diese Besucher den Text am Ende der Ins- Video und Fotografie machen, nichts an- ich an allem interessiert was gore war“, tallation nicht gelesen hatten und gar nicht deres.“ Die Künstlerin ließ sich jedoch nicht erklärt sie. Die Wut, die in ihrer Kunst zu verstanden, um was es überhaupt ging.“ in ihrer Experimentierfreudigkeit bremsen. spüren ist, weist Anne heute auf das Ge- Das Provokative war natürlich ein wichtiger „Ich mochte immer noch gerne malen und fühl der Entwurzelung zurück, das sie in Aspekt des Stückes. „Ich wollte provozie- Skulpturen machen und eigentlich interes- ihrer Jugend und während ihrem Studium ren, weil ich ja damals auch immer provo- siere ich mich auch für alle anderen Sachen. spürte. Die gebürtige Kölnerin ist in jungen ziert wurde. Mit der Ausstellung wollte ich Ich fand die Ansicht meiner Tutoren ziem- Jahren öfters umgezogen, und als sie im halt sagen, dass man mich einfach in Ruhe lich bescheuert.“ alter von fünf Jahren mit ihren Eltern von lassen soll und mir nicht eine Vergangen- Als großes Vorbild nennt Anne den Köln nach Mühlenbach zog, musste sie er- heit ins Gesicht reibt, mit der ich nichts zu niederländischen Maler Hieronymus Bosch. fahren, dass sie eine Fremde war. „Hier war tun habe“, erklärt sie. „Dessen Bilder hingen schon bei meinen El- ich am Anfang halt immer der 'Preis' oder Doch die Wut von damals scheint wie- tern den Wänden; ich bin also quasi mit sei- der 'Nazi'. Nachher hat sich das jedoch der vergangen, Anne fühlt sich heute ruhi- nen Werken aufgewachsen. Ich glaube die wieder gelegt.“ Ein paar Jahre später zog ger und entspannter. Sie erklärt, dass die Tatsache, dass ich Bosch schon ewig ken- die Familie nach Beggen. Die Umzüge und Geburt ihrer Tochter letztes Jahr der Aus- ne, ist einer der Gründe, wieso ich so gerne ihre Zeit in Leicester trugen dazu bei, dass löser für diese Wandlung war. Die Schwan- male.“ Die expliziten Bilder haben Anne al- viele Freunde und Verwandte ihr verschie- gerschaft hat dazu beigetragen, dass „nicht lerdings erst nach einer Weile in ihren Bann dene nationale Identitäten zuschrieben. So mehr alles so düster und negativ ist“, und gezogen. „Wenn du kleiner bist, kuckst du wurde sie in England als Luxemburgerin an- auch Anspielungen auf Themen, die sie in dir die Bilder an und bist interessiert. Später gesehen, in Luxemburg war sie ein „Preis“ früheren Werken verarbeitet hat – wie Tod, stellst du dann plötzlich fest wie atembe- und bei Verwandten in Deutschland war Sünde, Verzweiflung – fallen ihr heute nicht raubend dieser Maler eigentlich ist.“ sie wiederum Luxemburgerin. mehr so leicht. „Ich kann keinen Tatort

62 oder Nachrichten mehr kucken, es ist mir len ihren Freunden, dass sie da ein Mä- zu brutal“ erzählt sie. „Seit der Schwan- del kennen das malt und die beauftragen gerschaft ist die Welt doppelt grausam und mich dann halt wenn sie etwas brauchen. ich kann diese Sachen einfach nicht mehr So läuft das momentan Alles sehr gut.“ kucken“. Diese neue Sicht der Dinge hat Anne erstellt jedoch nicht nur Malerei auf demnach grundliegende Veränderungen in Anfrage. Die Künstlerin schöpft aus ihrer ihrer Kunst mit sich geführt. „Ich würde sa- Vielseitigkeit um ihren Kunden zum Bei- gen, dass ich jetzt eher schöne, ästhetische spiel ein Dienst namens „Forget-me-not“ Kunst mache. Ich gehe gerade in eine Rich- anzubieten, eine Art persönliches Multime- tung, die definitiv nicht mehr so provokativ dia Dokument, bei dem die Künstlerin die ist.“ Kurz: „Jetzt kann man meine Sachen Produktion übernimmt. ins Wohnzimmer hängen, vorher konnte Ein anderes Projekt ist im künstle- man das nicht“, lacht sie. Und was bei Lind- rischen Neustart entstanden.„Ich habe ners an den Wänden hängt, soll vor allem wieder angefangen zu zeichnen und den- den Nachwuchs nicht verstören. „Mit der ke dran, ein Kinderbuch zu verfassen“, so Kleinen möchte ich nicht so düstere Sachen Anne. Die Idee kam Anne im Schlaf und die machen. Ich will sie ja nicht verkorksen mit Geschichte handelt vom Träumen. „Es geht meiner Kunst,“ so die Künstlerin. um ein Mädel, das Alpträume essen kann. Die Begeisterung für Polemik hat sie Als sie sich eines Tages jedoch entscheidet, trotzdem nicht verloren. „Ich find kont- auch die guten Träume zu vernaschen, roverse Sachen noch immer super, und in passiert ein Unglück“ erzählt Anne. Wie es meiner Jugend dachte ich halt auch, dass weiter geht, kann man vielleicht bald nach- ich als Künstlerin so sein muss. Aber das lesen, denn Anne plant, das Werk zu veröf- hat sich jetzt geändert. Vielleicht kommt fentlichen. Projekte sind für jeden Künstler das nach einer Zeit zurück und ich werde wichtig, und so hat sich Anne zur Aufgabe wieder die Sau rauslassen, aber im Moment gemacht, eine Galerie für die nötige Unter- eben nicht“, sagt sie. stützung zu finden. Ihr Ziel ist es, auf inter- Momentan tobt Anne sich eher mit nationalen Festivals teilzunehmen. Materialien aus. „Ich male sehr gerne mit „Ich würde halt gerne eine Galerie Acrylfarben, Schellack und Sand. Jetzt finden, die mich auf Kunstfestivals wie Art habe ich entdeckt dass man mit Federn oder Frieze Art Fair in London un- tolle Sachen machen kann. Eigentlich be- terstützt“, so Anne. nutze ich gerade alles was mir unter die Die Idealvorstellung der Künstlerin ist Finger kommt.“ Rezente Bilder der Künstle- allerdings, eine Ausstellung selbst zu ge- rin zeichnen sich durch ungegenständliche stalten. „Ich würde gerne einen Laden für Kompositionen aus. In der „Abstract“ Se- ein oder zwei Wochen mieten und darin rie, die Anne mit Acryl Farben und Schel- machen, was ich will,“ erklärt Anne und lack gemalt hat, stechen überwiegend war- beschreibt somit das Konzept der „Pop- me Farben hervor. „Blue Sea“, eines der up“ Shops. Dies sind eine Art temporäre Bilder der gleichen Reihe, wirkt durch den Kunstinstallation, die von Läden zu Läden Gebrauch von klarem Cyanblau auf den reist und vor allem in Grossbritannien seit ersten Blick aufwühlend, erinnern dann längerem sehr beliebt sind. Bis ein solches plötzlich doch an einen Tag am Meer. In Konzept sich in Luxembourg durchgesetzt „Erinnerung I“, II und III bedecken grauen hat, wird wohl noch eine Weile vergehen. Flächen die wärmen Farben und wirken wie Bis dahin können immer noch spontanere bedrohliche, unheilverkündende Wolken. Veranstaltungen geplant werden, wie zum Die Autorin der Bilder wirkt allerdings Beispiel spontane Kunstveranstaltungen alles andere als bedrückt oder beängstigt. unter freiem Himmel: „Im Sommer gibt es „Ich weiss momentan was ich machen will, ja die ganzen Kunstfestivals, da dachte ich eben wegen meiner Tochter und auch be- mir ich könnte meinen Garten in eine Open ruflich. Ich will mein eigener Boss sein und Air Galerie umfunktionieren. Man könnte nicht in irgendeinem Büro sitzen.“ Genau halt Flugblätter verteilen und schauen wer das hat Anne verwirklicht indem sie sich im vorbeikommt“, so Anne. Februar als freischaffende Künstlerin ange- Pläne und Ideen hat Anne demnach meldet hat. „Ich bin quasi ins kalte Wasser reichlich, und man ist gespannt auf die gesprungen“, sagt sie. „Vorher war ich in nächsten Entwicklungen der freischaf- der Babypause, habe natürlich weiterhin fenden Künstlerin. Unabhängig von der Kunst gemacht, aber nicht so intensiv. Das Richtung, die sie in ihrer Kunst einschla- Jahr 2009 war so mein Start für das was ich gen wird, sind zwei Sachen für die frei- jetzt mache.“ schaffende Künstlerin momentan wichtig: Annes Neuanfang kündigt sich jeden- „Networking und Organisation“. Auf die falls viel versprechend an; im Interview ver- Frage, welches denn ihr wichtigstes Projekt rät sie, dass sie gerade wieder einen Auftrag momentan sei, antwortet sie jedoch ohne erhalten hat. Sie besitzt zwar eine Internet- zu zucken: „Baby, baby, baby, baby!“ und seite, doch ihren Erfolg hat sie grösstenteils lacht. den Weiterempfehlungen ihrer Kunden zu verdanken.„Leute die mich kennen erzäh- Claire Barthelemy

63 Charly Reinertz Der stille Perfektionist

Charly Reinertz, 1944 in Diekirch ohl kaum ein Spaziergänger ahnt, Sein Atelier ist im Obergeschoss, gleich geboren, ist ein bescheidener und Wdass dieser unscheinbare, aber gut unterm Dach. Alles sauber aufgeräumt, ein freundlicher Mensch. Seit 1986 lebt durchtrainierte Freizeitsportler, inzwischen strenges, fast klösterliches Ambiente. Seine er in einer Schlafsiedlung ganz oben 65 Jahre alt, eine markante Luxemburger neuen Kreationen lehnen an der Wand und in der Rue de Reckenthal, die dort Künstlerpersönlichkeit ist. Denn im Gegen- wirken auf den ersten Blick hyperrealistisch. satz zu vielen anderen Kollegen seiner Ge- Man denkt sofort an moderne Spritzkom- von der Hauptstadt in die Gemeinde neration macht er kein großes Aufhebens pressormethoden. Strassen übergeht. Fast jeden Tag um seine Person. Aber nix da. Der Künstler erklärt sich: begegnet man dem Künstler im Als wir ihn vor Wochen in seinem Alles minutiös mit dem Pinsel gemalt. Char- Bambësch, wo er seine zwanzig Haus besuchten, waren wir zuerst einmal ly nennt es Lasurmischtechnik aus Öl und oder dreißig Kilometer auf dem erstaunt über die Innenarchitektur. Pop- Acryl. Schichtenweise aufgetragen. Fast Mountainbike herunterkurbelt, um Art, , sechziger Jahre: das wie vor Hunderten von Jahren. Reinertz ist ein Geduldsmensch, ein begnadeter Kunst- sich fit zu halten. waren so die Klischees, die uns spontan einfielen, als wir die durchgestylten und handwerker, ein stiller Perfektionist. farbenfrohen Wohnzimmermöbel erblick- ten. Charly hat sie zusammen mit einem bekannten Luxemburger Schreiner selbst entworfen und anfertigen lassen. Design pur, und an den Wänden von ihm kreierte Lichtbilder, die, einmal an die Steckdose angeschlossen, einen kühlen Charme aus- strahlen.

64 Diskrete Lehr- und Meisterjahre Seine Figuren wirken clownesk, Malen, aber vor allem Zeichnen, sei schon immer seine Leidenschaft gewesen, grotesk, surreal, um erzählt er uns. 1970 habe er die Limperts- mit beiden Füßen berger Ecole des Arts et Métiers besucht, in der Surrealität habe in den sechziger Jahren aber zuerst einmal einen ganz normalen Brotberuf aus- zu landen. Sehr oft geübt. Zum Beispiel einige Jahre lang als sind gemeinsame Busfahrer. Später einige kleine Aufträge als Gesichtszüge mit dem PR-Grafiker für Luxemburger Firmen. Frust. Künstler selbst zu Ende der sechziger Jahre dann erkennen. schwappte der Pariser Mai auch nach Lu- xemburg über. Künstler und Literaten grün- deten die Consdorfer Scheune. Es herrschte Aufbruchsstimmung. Charly Reinertz schreibt sich 1971 auf der Freien Kunstschule in Stuttgart ein, ein Jahr später wechselt er – von 1972 bis 1976 – auf die Stuttgarter Staatliche Akademie für Bildende Kunst über. Nach einer Stage- zeit im Atelier des charismatischen Wiener Künstlers Alfred Hrdlicka wird er schließlich selber Lehrbeauftragter (bis 1978) an der Stuttgarter Akademie. Viele seiner ehe- Zurück nach Luxemburg sind gemeinsame Gesichtszüge mit dem maligen Schüler gedenken ihrem einstigen Künstler selbst zu erkennen. Seine Bilder Lehrmeister noch heute mit Respekt in ih- Seine erste Einzelausstellung hat Charly zeigen Verwandtschaften mit den Figuren ren Internet-Biographien. 1976, also mit zweiunddreißig Jahren, in von Fellini und Beckett. Ob sie vielleicht seiner Heimat Luxemburg. Ein damaliger auf Godot warten?" Kritiker skizzierte den Künstler wie folgt: Bei Charly Reinertz fallen einem Na- "Man erkennt seine Vorliebe für die Über- men wie Joseph Kutter und Foni Tissen ein. spitzung, öfters schwimmen seine Figuren Auch diese Luxemburger Künstler waren in übergroßen Hemden und Hosen, tragen einsame Sucher nach dem Ich, der Welt zu kleine Hüte und Mützen, von Weinran- und dem Sinn des ganzen Zaubers. Und sie ken umhangene oder gekrönte Häupter. waren, genau wie Charly, Perfektionisten. Die darin enthaltene Symbolik ist nicht Ihr einziger Fehler: Sie fuhren nicht zu übersehen. Seine Figuren wirken clow- Mountainbike. nesk, grotesk, surreal, um mit beiden Fü- ßen in der Surrealität zu landen. Sehr oft René Clesse

65 «Nature morte (Moulin à café, pots et oignons)», Denis Pierre Bergeret (Collection Elise Hack) Bürger und ihre Stadt Christof Weber © Collections d'Art de la Ville de Luxembourg

Kunstschenkungen in Luxemburg

Die kulturelle Entwicklung einer Stadt été filliale“ der Stadt Luxemburg vermachen Räumung von Havards Wohnung endgül- hängt oftmals vom Wohlwollen ihrer möchte1. Endlich, im Jahr 1922, schenkt Elise tig an die Stadt Luxemburg über. Fräulein Bürger ab, die durch Schenkungen von Hack, geboren in Jahr 1886 in Echternach, Elise Hack verstirbt im Jahr 1933 im Alter Kunst- oder Geldwerten den Bau von Mu- verstorben 1933 in Paris, der Stadt Luxem- von 47 Jahren in Paris. seen anregen bzw. die Allgemeinheit in burg ihre aus zehn Ölbildern, neun Aquarel- Eine Sammlung ganz anderer Art ist die- den Genuss von Kunstwerken bringen. So len und elf Drucken, drei Zeichnungen sowie jenige des luxemburgischen Malers Frantz auch geschehen in Luxemburg durch die drei Terrakotta-Statuen bestehende Kunst- Seimetz, der im Jahr 1899 in Grevenmacher Schenkung der Kunstsammlung des Jean- sammlung, die von Paul Mersch, damaliger geboren wurde und am 26. Oktober 1934 Pierre Pescatore (1856) und der Einsetzung Konsul des Großherzogtums in Paris, fol- in der Rue François Boch im Rollingergrund eines Fonds zum Bau eines angemessenen gendermaßen beschrieben wurde: verstarb. Seine Witwe, die aus Arlon stam- Museumsgebäudes durch seine Schwester „La collection artistique de Mlle Hack mende Mimi Bourger, schenkt der Stadt Elisabeth Pescatore und ihren Mann Antoine se compose de peintures à l’huile, aquarel- Luxemburg im Jahr 1949 eine bedeuten- Dutreux (1886). Weitere Schenkungen les, gravures et terres cuites provenant de de Sammlung des Luxemburger Künstlers von Kunstsammlungen folgten durch Léon la collection de Monsieur Henry Havard, bestehend aus über fünfzig Bildern sowie Lippmann (1883) und Eugénie Pescatore- ancien Directeur Général des Beaux-arts en zwanzig weitere Kunstwerke als Dauerleih- Dutreux (1902). Die Namen Pescatore, France, décédé il y a quelques années et qui gabe. Es handelt sich dabei meist um Land- Lippmann und Dutreux sind demnach mit a fait don d’une partie de sa collection à la schaftsmalereien, die er in der Heimat, aber der Entwicklung der städtischen Kunst- Ville de Dijon et l’autre à Mlle Elise Hack, qui auch während seiner Auslandsaufenthalte sammlungen eng verbunden und müssen l’offre de son côté au Musée de la Ville de schuf, sowie zahlreiche Portraits. Mit dieser als deren Ursprung betrachtet werden. Luxembourg. La collection comme ensem- Sammlung besitzt die Stadt Luxemburg ein Doch auch in späteren Jahren hat die ble a été constituée par un grand écrivain bedeutendes Zeugnis Luxemburger Kunst.2 Stadt Luxemburg immer wieder Schenkun- artistique et un homme de goût qui entre- Lambert Schaus, ehemaliger Schöffe gen erhalten. Dabei kann es sich um einzel- tenait des relations amicales avec la plupart der Stadt Luxemburg, Minister, Mitglied ne Kunstwerke, wie den Christus am Kreuz des artistes formant sa collection, et dont des Staatsrats und der europäischen Kom- von Mihaly Munkácsy handeln, aber auch les tableaux portent presque tous une dé- mission, vermacht der Stadt Luxemburg im um ganze Sammlungen, von denen im Fol- dicace de l’auteur.“ Fräulein Hack stand in Jahr 1976 eine Sammlung bestehend aus genden vier vorgestellt werden sollen. Paris in enger Beziehung zu dem 48 Jahre Drucken und Lithographien von histori- Im Jahr 1905 nimmt Fräulein Elise Hack älteren Kunstkritiker Henry Havard, dessen schen Persönlichkeiten, Plänen und An- erstmals Kontakt mit dem damaligen Bür- Publikationen im 19. Jahrhundert Grund- sichten der Stadt und des Landes Luxem- germeister Alphonse Munchen auf und teilt lagen der kunsthistorischen Ausbildung an burg. Die gesamte Sammlung umspannt ihm mit, dass sie ihre über zwanzig Jahre bedeutenden Universitäten wie Princton den Zeitraum von 1581-1830 und ist eine entstandene Kunstsammlung und Kunstbi- bildeten. Nach Havards Tod im Jahr 1921 unvergleichliche Quelle zur Illustration der bliothek „comme un témoignage de ma pi- ging die Sammlung von Elise Hack nach der urbanistischen Entwicklung der Stadt.

66 «Nature morte (Moulin à café, pots et oignons)», Denis Pierre Bergeret (Collection Elise Hack) «Le Jeune Prosp. der Statt LÜTZEMBURG», Mathaeus Merian (Collection Lambert Schaus) Imedia © Musée d'Histoire de la Ville de Luxembourg

«Vue de Luxembourg, prise de la Porte de Trèves», Jean-Baptiste Fresez (Collection Lambert Schaus)

«Dilly Paysage (cour oriental)» Georges Hippolyte «Nu assis vue de dos», Frantz Seimetz (Collection Elise Hack)

«Rochers d'Antibes», Frantz Seimetz Christof Weber © Collections d'Art de la Ville de Luxembourg

67 Kunstschenkungen Ein Kunstwerk der ganz besonderen Art gerecht wird. Der Park Neuman umfasste ist der Parc Tony Neuman, der zusammen bis zu 600 verschiedene Pflanzensorten in mit einem Wohnhaus an der Avenue de la und diente gleichzeitig als Ausstellungsort Luxemburg Faïencerie testamentarisch im Jahr 1979 an von Skulpturen bedeutender Luxemburger das Rote Kreuz vermacht wurde, allerdings und ausländischer Künstler. In dem inzwi- mit der Auflage, den Park mit den sich darin schen dicht besiedelten oberen Limperts- befindlichen Skulpturen von Henri Laurens, berg bietet der Park mit seinen Skulpturen Alicia Penalba, dem Luxemburger Künstler den Bewohnern einen Kunstgenuss der be- Lucien Wercollier sowie Chaim Haber für sonderen Art.4 neunzig Jahre an die Stadt Luxemburg zu Die hier beschriebenen Kunstwerke verpachten, um ihn zusammen mit seinen verschiedener Gattungen bereichern die Darunter befinden sich Ansichten von Kunstwerken den Bewohnern zugänglich Sammlungen der Stadt Luxemburg und Luxemburg sowie den Luxemburger Schlös- zu machen. sind ein beredtes Zeugnis ihrer Stifter für sern und Burgen von Jean Baptiste Fresez Tony Neuman, Vorstandsvorsitzender die Verbundenheit mit ihrer Heimat und und Jean de Cloet aus den Jahren 1823- der ARBED und Präsident des Luxemburger deren Bewohnern. 1830, Drucke von Nyon nach Vorlagen Roten Kreuzes, hatte sein Anwesen in der von Antoine-François van der Meulen über Avenue de la Faïencerie im Jahre 1947 Evamarie Bange die Belagerung Luxemburgs in den Jahren gekauft. Der zunächst von Henri Luja im 1683/1684, sowie frühe Zeugnisse für die symmetrischen Stil der französischen Schu- Stadtentwicklung ab dem 16. Jahrhundert le angelegte Park wurde in seiner weiteren 1 LU 52.1-28 (Brief vom 26.9.1905); von Braun & Hogenberg (1598) und Meri- Entwicklung unter dem Gärtner Alphonse 2 Zu Franz Seimetz gibt es zahreiche Publikationen. an (1654). Hinzu kommen viele Karten, die Hollmann mehr und mehr zu einem engli- Akte zur Schenkung von 1949: Archives de la Ville: LU 52.1-53; die Entwicklung des Herzogtums Luxem- schen Garten, dessen Stil der Natur in ihrer 3 Archives de la Ville: LU 52.1-58; burg skizzieren.3 ursprünglichen zum Teil wilden Form eher 4 Archives de la Ville LU 11 IV/5-370

Bronze: Henri Laurens

Der Park Neuman umfasste bis zu 600 verschiedene Pflanzensorten und diente gleichzeitig als Ausstellungsort von Skulpturen bedeutender Luxemburger und ausländischer

imedia Künstler

68 (Rue du) äußerst umfangreichen literarischen Schaf- Was bedeuten Verger fen, das außer seinem lyrischen Werk auch Diese Bonneweger Straße verbindet die rue Theaterstücke, Erzählungen und Literatur- die Straßennamen de Bonnevoie mit dem boulevard de la Fra- kritiken umfasste. ternité. Sie tägt ihren Namen seit dem 16. Es ist nicht leicht, Verhaeren einer bestimm- der Stadt? Mai 1925 und heißt auf luxemburgisch Bon- ten literarischen Gattung zuzuordnen. Vom geschgewan. Naturalismus beeinflusst, widmete er seine ersten Werke mit einem etwas gröberen Vokabular den rauen Sitten seiner flämischen Heimat. Von einer schweren Krankheit heim- gesucht, verfiel er in eine Krise tiefer Nieder- geschlagenheit, deren mystische Folge sich Verdun (Boulevard de) auch in seinen Gedichten widerspiegelt. Er Der Boulevard de Verdun verbindet im überwand jedoch diese Prüfung und fand die Stadtviertel Belair die Avenue Gaston Kraft, sich der Welt und ihrer Schönheit zu Diderich mit der Avenue du X Septembre. öffnen, die er in stark gefühlsbetonten Versen Sein Name erinnert an die Festungsstadt Ver- besang: die tiefe Liebe zu seiner Heimat, die dun, die im Ersten Weltkrieg Schauplatz einer Schönheit ihrer Städte, das mächtige Streben der längsten und mörderischsten Schlachten der Menschen nach Glück und Gerechtigkeit. der Kriegsgeschichte war. In den düsteren Kriegsjahren des Ersten Welt- Vom 21. Februar bis zum 19. Dezember 1916 krieges verfasste er tief empfundene patrioti- standen sich hier deutsche und französische sche Gedichte. Verhaeren starb 1916 auf tragi- Truppen gegenüber, mit dem von deutscher sche Weise bei einem Unfall im Bahnhof von Seite erklärten Ziel, die französische Armee Rouen, wo er von einem Zug erfasst wurde. auszubluten. Von französischer Seite war es Man hat ihn „un grand barbare doux“ genannt. zunächst Général Pétain, der die Operatio- Manche Kritiker beanstanden seinen manch- nen leitete, während später Général Nivelle mal etwas holperigen Stil, seine gröbere das Verdienst zukam, die deutsche Offensive Emile Verhaeren Wortwahl, was sie aber nicht daran hindert, gestoppt zu haben. Auf beiden Seiten hatte in Emile Verhaeren einen großen Dichter zu dieses entsetzliche Morden zwischen 600 000 Verhaeren (Rue Emile) sehen. Ein Kritiker nennt ihn gar „un chantre und 800 000 Tote, Verwundete und Vermisste de l’énergie humaine“. Jedenfalls drang sein gefordert, ohne dass es zu einer militärischen Diese Straße, die nach dem flämischen Dich- literarischer Einfluss weiter über die Grenzen Entscheidung gekommen wäre. Auch der ter französischer Sprache Emile Verhaeren seines Landes hinaus. massive Einsatz von Kriegsmaterial wie Gra- benannt ist, befindet sich auf Belair. Zwischen naten, der Verdun zur ersten modernen Mate- der Kirche und der Rue des Aubépines zweigt rialschlacht der Geschichte macht, konnten sie rechts von der Avenue Gaston Diderich ab Verte (Rue) einen eindeutigen Sieg nicht herbeiführen. und mündet in dem hier neu erschlossenen Doch der heldenhafte Widerstand der fran- Viertel in die Rue Charles IV. Durch Beschluss des Gemeinderates vom zösischen Soldaten gilt noch heute als Sym- Emile Verhaeren wurde 1855 in Saint- 4. Juli 1930 erhielt diese in Cessingen gele- bol eines selbstlosen Mutes und einer bedin- Armand-sur-Escaut geboren. Nach seinen gene Straße ihren Namen. Ausgehend von gungslosen Hingabe. Gymnasialstudien in Gent studierte er der Cessinger Kirche zweigt sie in die Rue Eine weitere Bedeutung Verduns für unsere Rechtswissenschaften in Lüttich. Abgesehen Kohlenberg, um mit ihr gemeinsam in die Geschichte führt uns zurück in fernere Jahr- von einer kurzen journalistischen Tätigkeit Route d’Esch zu münden. hunderte, und zwar in die Mitte des 9. Jahrhun- aber widmete er sich ausschließlich seinem Fanny Beck derts, als das Karolingerreich sich auflöste. Auf den Tod Ludwigs des Frommen, des Sohnes Karls des Großen im Jahre 840 folgten Jahre Mémorial de Verdun blutiger Wirren, bis seine Söhne sich das Erbe ihres Großvaters im Vertrag von Verdun (843) teilten. Karl der Kahle erhielt den westlichen Teil und Ludwig der Deutsche den östlichen Teil. Das Mittelreich, dessen gewaltige Gebie- te sich von der Nordsee bis nach Italien an die Grenzen des Kirchenstaates erstrecken, fielen mit der Kaiserkrone an Lothar I. Nach seinem Tod wurde das Reich 855 in der Teilung von Prüm unter seine drei Söhne aufgeteilt. Unse- re Gegend fiel an Lothar II., den Lothringen seinen Namen verdankt und der bis zu seinem Tod im Jahre 869 fränkischer König mit Resi- denz in Aachen war. Nach Lothars Tod teilten sich die Brüder seines Vaters sein Erbe. 870 erwarb Ludwig der Deutsche im Vertrag von Meersen die östliche Hälfte Lotharingiens, die er so an das Ostreich anbinden konnte, das ihm beim Vertrag von Verdun zugesprochen worden war. Der westliche Teil Lotharingiens fiel an das Westreich und Karl den Kahlen.

69 15 janvier 2010: Ouverture officielle de l’Auditorium du Cité en présence des autorités communales

Avec le nouvel ensemble Cercle-Cité, la Ville dispose d’une infrastructure en plein centre ville comprenant – outre la bibliothèque- médiathèque – des salles représentatives, un centre de conférences ainsi que des espaces d’exposition, sans oublier la petite cuisine d’un excellent sushi-restaurant. Le Cercle-Cité remplit plusieurs missions dans le cadre de l’amélioration de l’image de marque de la Ville et de l’attrait et de la convivialité du centre ville. Le comité de gérance est présidé par Madame Lydie Polfer, échevin des affaires culturelles et est composé de quatre représentants de la Ville, de deux représentants de l’Agence Luxembourgeoise d’Action Culturelle et de deux personnes nommées par le LCTO en tant qu’observateurs. Depuis l’ouverture officielle, l’auditorium du Cité (142 places) est disponible pour y tenir des conférences et des séminaires.

70 Dënschtes, den  & Samstag, den 04.05.2010 2010 17+30  18.30 Auer 05.06.2010 4+  $ # Liesung an der Cité-Bibliothéik !  ! $ Lesung mit dem  bekannten Erënnerungen un d’Schrëftstellerin 1+     %  ! Kinderbuchautor Ry Boissaux 1900-1986 ,   " ) "  "-*    *     Martin Klein Virgestallt vun hirer Duechter 

Fanny Haas-Michel 6+ " Mat der Participatioun  von 10.30-11.30 Auer Vun dem Mady Thomé 5+       %   im Cité-Auditorium 2. Stock !+. "* " Anmeldung an der Rolande Wagener   / T. : 4796-2732 Réservatioun um Tel. 4796-2732  [email protected] Email: [email protected]  

  

71 Aktuelles aus der Cité-Bibliothéik

PRUM, Dany EISCHEN, Linda WEITEN, Marco STERNTHAL, Barbara Editions Saint-Paul La collection de tableaux de Histoires naturelles Gustav Klimt 160 p. Jean-Pierre Pescatore: 1793-1855 Editions Schortgen Random House Audio, 2006 Ed. Schortgen, 2004 159 p. 2 CDs (ca. 140 min.) Ce grand ouvrage explique le par- ISBN: 2-87953-707-X Vorgetragen von cours artistique de Dany Prum de En se promenant à travers Paris Peter Simonischek 1986 à 2009. Il s’agit d’une monographie assor- les lions de pierre, tout comme les ISBN: 978-3-86604-240-7 Après la réalisation d’œuvres tie d’un catalogue raisonné de la conceptuelles en collaboration lions vivants du Jardin des plan- précieuse collection de peintures tes, ont fasciné le jeune Marco Der Maler Gustav Klimt ist der be- avec Jerry Frantz, Dany revient, en du 17e, 18e et 19e siècle que Jean- rühmteste Vertreter des Wiener 2004, à la peinture figurative. Weiten. Pierre Pescatore a légué à la Ville L’amour de l’artiste pour le monde Jugendstils, von dem entschei- Ses œuvres sont audacieuses et de Luxembourg et qui sont expo- dende Impulse für die kulturelle captivantes, on y voit des sujets animalier est né très tôt. Marco Entwicklung des 20. Jahrhunderts sés à la Villa Vauban, galerie d’art Weiten aime la couleur, il peint les réalistes, surpris et immobilisés de la Ville de Luxembourg qui ausgehen. Seine Visionen sind par l’artiste. animaux courant, sautant ou bon- prall gefüllt mit Leben und zu- vient d’ouvrir ses portes après de dissant, leur fourrure au vent dans Dany peint des humains et des ani- longs travaux de restauration et gleich immer dem Tod VErbunden. maux. Alors qu’on a l’impression d’agrandissement. L’ouvrage de une profusion de couleurs. Vor allem aber ist er gefesselt von que l’artiste a découpé le corps de Linda Eischen publié en 2004, au Dans le monde magique de l’ar- einem Thema: der Schönheit der certains humains, comme le pape, moment où se sont concrétisés les tiste, les animaux sauvages enva- Frauen. Klimt selbst hat eine le- les curés ou le flic, pour n’en mon- nouveaux projets, contient égale- hissent les espaces humains, ainsi benslange platonische Beziehung trer qu’une partie, les animaux ment des renseignements précieux les éléphants se promènent devant zu seiner Muse und Mäzenin Emi- sont toujours représentés dans sur la vie du banquier qui s’est le bâtiment de la Caisse d’Épargne lie Flöge. Zahlreiche uneheliche leur intégralité voire, dans leur constitué en plus une importante et un renard traverse en courant Kinder bezeugen aber Beziehun- majesté. Cette façon de peindre bibliothèque, a cultivé des orchi- la place Guillaume II. Les peintures gen zwischen dem Maler und sei- les animaux (surtout les chiens qui dées et est devenu producteur de de Marco dégagent des sensations nen Modellen. Barbara Sternthal sont installés dans des fauteuils) vin en achetant le domaine viticole fortes: énergie, liberté, puissance beschreibt dieses bewegte, aber est significative pour l’artiste car, bordelais du château Giscours. et amour de la vie. auch oft zurückgezogene Leben, pour elle, les animaux ne sont pas Le livre richement illustré montre Les adultes, mais aussi les enfants und Peter Simonischek haucht die- que des sujets, ce sont des amis. l’évolution de la collection d’art ont accès au monde enchanteur ser Biografie mit seiner eindrucks- Avec sa façon de peindre les ani- de ce mécène, depuis les premiers de l’artiste grâce aux histoires vollen Stimme Leben ein. maux Dany tient à souligner à quel achats jusqu’au transfert spectacu- pour enfants de Mireille Weiten- point ils sont importants pour les laire des œuvres à l’Hôtel de Ville de Waha, magistralement illustrés hommes. de Luxembourg. par son époux, Marco.

Autorenlesung mit der Stadtschreiberin Frauke Birtsch und Roland Harsch im Cité-Auditorium Am 13. April gab Frauke Birtsch als Stadtschreiberin vom Städtenetz Quat- tropole (Trier, Saarbrücken, Metz und Luxemburg) ihre Abschlusslesung in der Cité-Bibliothek, zusammen mit dem Luxemburger Autor Roland Harsch. Zum ersten Mal hielt eine Stadtschreiberin sechs Monate lang ihre Beobach- tungen und Eindrücke vom Alltag und den Besonderheiten der Menschen literarisch fest. Frauke Birtsch hielt während dieser Zeit Vorträge und Lesun- gen in den vier Städten von Quattropole ab. Dieses neue Projekt wurde vom Städtenetz Quattropole in enger Zusam- menarbeit mit dem Verein Stadtschreiber Trier e.V. durchgeführt. Ihre Ein- drücke, die sie in Prosatexten und Interviews weitergeben wird, sollen einen Beitrag zum Zusammenwachsen der Großregion leisten. Im Rahmen der Mardis littéraires erlebten wir eine Lesung mit zwei Schrift- stellern, deren Texte sich sehr voneinander unterscheiden. Roland Harsch mit seinen satirischen Texten und Frauke Birtsch ihren präzisen und originel- len Beschreibungen. Der Abend wurde von dem jungen Violonisten Constantin Ricardi aus dem hauptstädtischen Konservatorium musikalisch umrahmt.

72 In memoriam Robert Angel †

BERTEMES, Fernand Corps et graphies Auguste Trémont: Sa vie, son œuvre Documentaire Réalisateurs: Beryl Koltz, Georges Fautsch Centre national de l‘audiovisuel, 2006 Entre Luxembourg et Paris, sa vie en société et son amour pour les ani- maux, son statut d’artiste et sa pro- fession de foi d’artisan, le peintre et sculpteur luxembourgeois Auguste Trémont (1892-1980) a laissé der- rière lui une œuvre foisonnante et multiple empreinte d’un indéniable savoir-faire. Le documentaire, réa- lisé par la jeune réalisatrice luxem- bourgeoise Beryl Koltz, raconte les évènements marquants de la vie de l’homme, retrace le parcours pro- lifique de l’artiste ne couvrant pas Am Sonntag, den 4. April 2010 verstarb fünfundachtzigjährig der Arzt und sozia- moins de soixante ans de création, et listische Politiker Robert Angel. Der Kardiologe, der sich 1994 von der politischen tente de s’interroger, plus de vingt- Bühne verabschiedet hatte, war zeitlebens ein unentwegter Streiter für linkes cinq ans après sa mort, sur la place qu’occupe l’œuvre d’Auguste Tré- Gedankengut. Als konsequenter Rationalist bekämpfte er jede Art von Obsku- mont aujourd’hui, à l’intérieur com- rantismus und Konservatismus. me à l’extérieur de nos frontières. Der junge Arzt bemühte sich in den sechziger Jahren für die Schaffung einer kommu- Né dans le bassin minier luxembour- geois, Fernand Bertemes s’installe en nalen Klinik, Ursprung des heutigen CHL und erste nichtreligiöse Einrichtung die- France à l’âge de vingt ans. Peintre ser Art in der Hauptstadt. Er förderte die Entwicklung dieses öffentlichen Spitzen- résolument figuratif et puissamment coloré, il explore dans son travail la krankenhauses während Jahrzehnten als Mitglied des Verwaltungsrates. Zeit- combinaison de son amour pour l’art lebens setzte er sich für die unentgeltliche Blutspende ein und war maßgeblich classique et de son tempérament an der Entwicklung einer breiten Bewegung von freiwilligen Blutspendern be- expressif. En 2002, répondant à une commande du Centre de Recherche teiligt. 1965 war er einer der Gründungsmitglieder des „Planning familial“. Public Henri Tudor, Fernand Berte- Im Interesse der öffentlichen Schule trat er für gemischte Schulklassen, für Laien- mes entreprend un cycle de sept fres- moralkurse in der Primärschule und für die außerschulische Betreuung der Kin- ques sur le thème de la cohabitation du monde animalier et du monde der ein. Die Merler und Belairer verdanken seinem Einsatz die Schaffung des technique. Ce film documentaire de schönen Parks inmitten ihrer Ortschaft, den er gegen starke Partikularinteressen Georges Fautsch retrace sur trois an- nées la conception, la réalisation et für die Allgemeinheit rettete. le montage de ces peintures monu- Die Leichenverbrennung, der Bau des Krematoriums und von Urnenplätzen auf mentales. Pour illustrer le constant den Friedhöfen waren weitere Anliegen, für die er sich konsequent einsetzte. feed back entre musique et peinture chez Fernand Bertemes, une bande Der volksnahe Politiker war von 1984 bis 1994 in der Abgeordnetenkammer in son originale a été écrite par quatre den Bereichen der Gesundheits-, Kultur- Außen- und Entwicklungspolitik tätig. musiciens de renom. Für den kleinen und armen afrikanischen Inselstaat Cap Vert war er lange Jahre Ehrenkonsul und als solcher im Dienste der vielen kapverdianischen Einwanderer in unserem Land. Robert Angel, der neben seiner politischen Arbeit seinen Arztberuf ausübte, war ein kontaktfreudiger und volksnaher Mensch, der durch seine Humanität und seine Lebensfreude bestach. Cité-Bibliothèque Seiner Frau Edith, die ihn in den letzten Jahren mit viel Hingebung pflegte, sowie 3, rue Génistre seinen drei Söhnen Frank, Tom und Marc, entbieten wir unser herzliches Beileid. L-1623 Luxemburg Tél.: 47 96 27 32 e-mail: [email protected]

Heures d’ouverture: du mardi au vendredi 10 à 19 h samedi 10 à 18 h

Fermée le lundi

73 Les années Vic Fischbach, décembre 1969 60

„Héich geéierten Här Direkter, Dir Hären Professeren, Léiw Kollegen vun VII. VI. V. IV. an III.II.I… Mä haut si mer traureg. D’Schicksal Mir traueren nët eleng. Mat äis zu Hommes et Dames vun den héijeren Häff, selwer konnt nët anescht. An den Institut déifst getraff kräischt d’Bléih vun onser Pédagogique, section féminine, um Gees- weiblecher Jugend. Atheneum, ille nobile urbis, de Kol- sekneppchen mecht ons seng Diren op. Dat Wou ass hiren Stolz an hier moralesch léisch, den Nuebel vun der Stad, sit de… wat onsen Urgrousspäpp befirstoung, fällt Stëtz. decus Luxemburgi. Sou hun am Joer 1603 elo hei erbarmungslos op äis erof. Mir hun déi weiss Jesuiten, äis illuster Päpp, ge- déi déiw a schmerzensvoll Obligatioun, Wou bleiwt dat männlecht Element duecht, an hun den Kolléisch gebaut. E ons venerabel Bud verloossen därfe kön- An hierer sophistescher Welt? klengen histe...ö..historeschen Iwerbléck nen ze missen; Et deet ons Leed, mir musse goen, géif äis weisen wéi, non solum an der Mat déiwem Erschrecken an entsetz- An egal wat d’Schwesteren soen, grousser Lëtzebuerger Geschicht, etiam ter Konsternatioun, hu mir déi fatal Com- Mir sin iech ëmmer trei vero an der Universalgeschicht quasi wéi munikien vum Här Direkter entgéintgehol. Wa mir och nët bleiwen hei. e Kenkischäin, hien seng Weisheet ausges- Alea iacta est. Mir mussen eraus. D’Stonn vum Äddi huet geschloen, trahlt huet. Eraus aus denen kulturbeleckten Maue- Vum Kolléisch iwer collège royal, éco- ren, eraus aus dëser plato-aristotelescher mä mir wëllen nët hei eraus ouni maxima le centrale, collège communal, Athénée cicero-kartéiescher Idee-enwelt, eraus aus cum gratia all deenen groussen Leit ze royal, Athénée royal grand-ducal si mir dëser kléischterlecher, idyllischer Gebuer- gedenken, déi hei eraus hätten können zum Athénée Grand-ducal eropgesonk. genheet. ervirgoen.

74 Souvenez-vous !

elle fut l’oraison funèbre prononcée le T20 mars 1964 par Jean Bour, élève de première, lors de cette journée de deuil, où les élèves de l’ancien Athénée et des cours supérieurs ont à tout jamais quitté ce haut lieu d’études fondé en 1603 par les Pères Jésuites d’où étaient sortis les esprits les plus brillants de notre passé, afin d’em- ménager au «Geesseknäpppchen» dans un nouveau bâtiment spécialement conçu pour accueillir un plus grand nombre d’élè- ves et bien mieux adapté aux exigences d’un enseignement moderne. Le jour de l’enterrement officiel de l’Athénée, j’ai quitté la maison tout de noir vêtue, portant le manteau prêté par ma mère et le chapeau-melon de mon père. Je faisais partie des pleureuses qui devaient accompagner, en poussant de hauts cris de lamentation, le corbillard symbolisant l’Athénée lors du cortège funèbre à travers les rues de la ville, cortège précédé par des porteurs d’une banderole où était inscrit: Sic transit gloria Athenaei. C’est aux roule- ments d’un tambour que nous avons éga- lement déposé une gerbe au pied du tilleul séculaire qui se trouve d’ailleurs toujours dans la cour de l’ancien Athénée. Un autre événement me vient à l’es- prit quand je repense aux années soixante, c’est l’exposition du Millénaire organisée en 1963 dans les halls de l’ancienne foire au pour célébrer dignement les mille ans de notre ville dont les origi- nes remontent à 963. La commune avait recruté une quarantaine de guides et hô- tesses parmi les élèves des classes termina-

Vic Fischbach, 1967 les. C’était pour nous l’occasion de se faire un peu d’argent de poche, car à l’époque les jobs de vacances n’étaient pas encore à la mode. Mes parents voyaient d’ailleurs d’un mauvais œil ces après-midis de «tra- vail» qui réunissaient garçons et filles et qui se terminaient inévitablement tard chaque Sic perivit, sic transivit, (Ainsi passe, ainsi s’en va soir à la Taverne Henri VII autour d’un pot Athenéi Gloria, La gloire de l’Athénée, et d’un croque-monsieur. Pour compren- In quo nos et professores, Où élèves et professeurs dre leurs réticences il faut souligner que Dormientes ac quientes En dormant paisiblement dans les écoles la mixité n’existait pas en- Dies nostros trivimus. Nous avons consumé nos jours. core et ne fut introduite que vers la fin des Intra te et intra muros Dans ton sein, dans ton enceinte années soixante. L’apparition de la pilule Crevit sapientia. A grandi notre savoir. contraceptive sur le marché européen fut Relinquemus et dolemus En exil à grand regret d’ailleurs aussi très mal accueillie tout com- Sicut veram patriam. Nous partons, ô vraie patrie. me l’ouverture du Planning Familial. De Atheneum «tanto caro» Ô Athénée tant chéri même à l’époque toute jeune fille risquait In memoria aeterna Tu seras à tout jamais le renvoi de l’école quand elle était vue en Semper eris apud nos. Gravé dans notre mémoire. train de boire un café «chez Walther», le Eheu, eheu,eheu, omnes, Pleurons, pleurons, pleurons tous nouveau milk-bar. Nunc est tempus finiendi. C’est le moment des adieux. Collis Caprarum nunc expectat nos." La Butte des Chèvres nous attend.)

75 Les années

entre la période de croissance de l’après- bengelchen» traditionnel avec une mèche guerre et le choc pétrolier de 1973, alors enrobée de cire et non pas des lampions à que déjà la société de consommation se ampoule électrique. 60 dessinait à l’horizon. Tout le monde n’avait Mais mine de rien un changement pas encore de voiture. En 1960 le Luxem- qui devait être radical s’annonçait déjà. Le bourg comptait trente mille voitures, en développement économique permettait Musée d’Histoire 1970 il y en avait cinquante mille de plus. l’éclosion de la place financière et l’installa- On roulait sans ceinture de sécurité ni air- tion de nouvelles banques à Luxembourg. de la Ville bag; on trouvait son chemin sans GPS et Le réseau routier est étendu, la Moselle ca- on pouvait se garer sur la Place Guillaume, nalisée. Après l’inauguration du Nouveau de Luxembourg dont la transformation en parking payant a Théâtre la construction du Pont Grande- fait couler beaucoup d’encre, de même que Duchesse Charlotte au-dessus de l’Alzette l’introduction progressive de la zone bleue. ouvrait la porte vers l’urbanisation du Pla- Si vous avez envie vous aussi de vous En 1962 avec son Fokker Friendship teau du Kirchberg où le bâtiment du Parle- replonger dans l’atmosphère des années s’envolait pour la première fois vers Paris. ment Européen est achevé en 1966. Le pre- soixante, qui font partie de notre passé D’un autre côté fumer une cigarette n’était mier supermarché Cactus ouvre ses portes et de celui de notre ville, il suffit de vous pas mal vu, mais permettait de s’évader du à Béreldange en 1967. La même année une rendre au Musée d’Histoire de la Ville de quotidien et de goûter au «Duft der großen femme, Madeleine Frieden, devient secré- Luxembourg, qui y consacre au premier weiten Welt» comme l’annonçait une publi- taire d’Etat puis ministre et Colette Flesch étage une petite exposition limitée à deux cité de la marque Peter Stuyvesant. Quant se retrouve en 1970 bourgmestre de la Ville salles mais riche en objets évocateurs où les aux enfants ils avaient encore le «Liichte- de Luxembourg. nostalgiques du passé trouveront certaine- ment leur compte. Divisée en plusieurs sec- tions groupant l’enfance, la jeunesse, la vie urbaine et les loisirs, l’exposition réunit en dehors des affiches de Pél Schlechter, des photos, des extraits de revues, des objets design, des appareils électroménagers, des caméras, des machines à écrire qui sem- blent dater de temps préhistoriques mais qui sont autant de témoins de la vie à l’épo- que des années soixante. Parmi les objets exposés se trouve aus- si un transistor. Cette radio portable à an- tenne qu’on pouvait emmener partout était devenue indispensable pour nous les jeunes d’alors. Le Père Noël m’en avait apporté un tout rouge. Il me permettait d’écouter dans ma chambre mes émissions préférées. Le transistor a envahi bien vite les parcs, les cours de récréation, où il fut bientôt défen- du, les rues, les places publiques, les ter- rasses de café, les piscines, même si à tout déplacement il fallait le tourner dans toutes les directions et rechercher avec l’antenne la meilleure position pour capter au mieux les ondes. Les tourne-disques avec leurs micro- sillons en vinyle jouissaient également d’un grand succès tout comme les juke-box. Et ce fut aussi le temps où Luxembourg a rem- porté par deux fois le Grand Prix Eurovision de la Chanson avec Jean-Claude Pascal en 1961 et France Gall en 1965. Dans mes souvenirs c’étaient des an- nées calmes, même s’il faut y situer l’assas- sinat du président Kennedy et de Martin Luther King, la guerre du Vietnam, la crise de Cuba avec sa menace de guerre nucléai- re. Mais nous avons également assisté au Printemps de Prague et aux premiers pas sur la Lune. Sans nous en rendre compte nous vivions une époque de transition

76 En 1960 le Luxembourg comptait trente mille voitures, en 1970 il y en avait cinquante mille de plus

«The Smile» (de gauche à droite): Norry Thewes, Constant Wagner, Steve Schummer, Raymond Linden Vic Fischbach, 1968

A part l’une ou l’autre petite mani- bourgeoise en dehors d’un petit mouve- locale. La vocation du Musée d’Histoire de festation, mai 68 s’est passé sans heurts. ment de contestation dont les membres se la Ville de Luxembourg est aussi sociétaire. Pourtant un vent de liberté commençait à réunissaient dans les granges de Consdorf Il entend faire revivre et susciter en même souffler tout doucement. Alors qu’Antoine devenues un foyer d’expérimentation et temps un questionnement social, politique, chantait ses élucubrations, les femmes dé- d’introduction de nouvelles idées artisti- éthique et religieux. Si les grandes expo- couvraient la minijupe et les hommes les ques influencées par les courants interna- sitions d’art sont organisées par d’autres cheveux longs. Jeune institutrice à l’Ecole tionaux. Leur action la plus spectaculaire institutions muséales, le Musée de la Ville Professionnelle et Ménagère du Verloren- fut en 1969 «la Ligne brisée», où les artis- de Luxembourg ne néglige pas pour autant kost je m’étais à ma façon révoltée contre tes se sont promenés nus dans la Vallée de l’aspect artistique avec parfois des expo- les conventions en refusant par un jour la Pétrusse. Mais ce mouvement est vite sitions ciblées soulignant d’autres aspects, de canicule de porter chapeau, gants et tombé dans l’oubli. d’autres domaines de l’art, comme en té- bas nylon pour la procession de clôture de Si cette exposition paraît insolite c’est moigne la récente exposition sur l’art de la l’Octave, tel que le dictait le règlement de que non seulement elle s’étend sur deux table avec les créations de Villeroy et Boch l’école, semant ainsi le scandale parmi mes ans, mais elle vous permet également d’y ou l’importance accordée en 2008 dans collègues, des religieuses de la Doctrine apporter votre contribution à tout mo- l’exposition «Greetings from Luxembourg» chrétienne, et m’attirant le regard désap- ment en déposant au musée des objets in- aux dessins de Fresez et aux affiches, où on probateur du directeur de l’école, l’abbé téressants, témoins de ces années-là, afin pouvait retrouver les noms de nos meilleurs Joseph Wagner. d’aider à documenter l’histoire du passé de peintres comme Schaack, Rabinger, Gillen, Au point de vue artistique et culturel notre ville et de notre pays, à témoigner des Heyart, Gerson et bien d’autres. mai 68 n’avait pas non plus de grandes développements de la société luxembour- retombées sur la scène artistique luxem- geoise, de la vie quotidienne et de l’histoire Georgette Bisdorff

77 „Sie können nicht lesen, es ist doch ein Witz“, „So ist mir die Kunst im Zweifel auch lieber“, Sinnt Gregor, und ihm kommt ein Geistesblitz: Sagt der gichtige Gregor im Endzeitfieber. „Was den Reichen die Schrift, ist den Armen das Bild, Doch später, als Gregor schon längst in der Gruft, Es ist doch die Kunst, die die Kirchen füllt.“ Verschafften die Künstler sich Freiheit und Luft.

„Nur so kann man ihnen Geschichten erzählen, Der Einsatz der Kunst, wie ihn Gregor betrieb, Aus der Bibel, und solche, die die Päpste wählen. Ist heute auch anderen Päpsten noch lieb. Kulant will ich sein, so auch bei den Riten, Sie treten mit Füßen die Neunte im Staub, Dann gewinne ich sogar die Gunst der Briten.“ Doch Beethoven stellt sich einfach taub.

Und also spricht Gregor, der oberste Christ: Denn seine Musik ist wie die Kunst der Alten. „Ich benutze statt Folter auch einmal die List. Man kann nach ihr greifen; sie ist nicht zu halten. Das Volk der Angeln wird Weihwasser saufen, Der wirkliche Künstler, frisst er auch Kreide, Und König Ethelbert lässt sich taufen.“ Bleibt im Grunde genommen immer ein Heide.

Papst Gregor der Große las einst in der Bibel, Doch Rom, das einst in herrlicher Pracht „Und statt barbarische Laute zu lallen Jacques Drescher Die Kunst sei verwerflich und also von Übel. Als Weltmacht dastand, war zusammengekracht. Und zu Wöden, Erce und Horsa zu wallen, Die Büsten der Götzen der heidnischen Welt „Es ist wie ein Schiff mit uralten Planken“, Soll Britanniens Volk Hallelujah singen Verscheuchten die Vögel im Gurkenfeld. Denkt Gregor und macht sich so seine Gedanken. Und damit auf ewig die Götzen bezwingen.“

Zu mehr taugt sie nicht, die griechische Kunst, „Von überall dringt schon das Wasser herein, Sie hat nur die Menschen verdummt und verhunzt. Ich steure das Schiff und bin doch zu klein. Nur Toren beten vor Bildern und Steinen Das Unwetter droht und mir ist so bang. Und warten vergeblich, dass Geister erscheinen. Ich fürchte endgültig den Untergang.“

Sie können nicht reden, auch muss man sie tragen, „Einst hatte die Stadt an die tausend Paläste, – die Statuen –, nicht gehen, man soll nicht verzagen; Heut sind es nur Trümmer, es bleiben noch Reste. Sie sind nicht zur Hilfe bereit, noch imstand, Sie zeugen von Blüte und griechischer Kunst, Auch schaden sie kaum, das ist doch bekannt. Von Wohlstand und Größe, doch höllischer Brunst.“

Man liest in den Psalmen und hört von Propheten: „Es ist zwar die Schönheit antiker Skulpturen Erkühnt euch nur nicht und hört auf zu beten, Dem christlichen Glauben abhold, doch Figuren, Vor leblosen Steinen und güldenem Tand. Die müssen nicht Ebenbild Gottes sein, Es ist doch so zwecklos wie Sprechen zur Wand. Es reicht schon das Abbild als Mahnung allein.“

Papst Gregor, gewiss, war auch kein Gerechter, „Wie soll die Barbaren ich ernstlich bekehren, Betätigt sich gern mal als Menschenschlächter. Wenn ich mich versteife, die Kunst zu verwehren. Die Folter, er wandte sie gegen die Heiden – Sie schnitzen und malen, sie schmieden ihr Gold, Er konnte die Langobarden nicht leiden. Wenn ich es erlaube, sind der Kirche sie hold.“

Layout Kulturpapst 1.0.indd 1 4/8/10 4:43 PM „Sie können nicht lesen, es ist doch ein Witz“, „So ist mir die Kunst im Zweifel auch lieber“, Sinnt Gregor, und ihm kommt ein Geistesblitz: Sagt der gichtige Gregor im Endzeitfieber. „Was den Reichen die Schrift, ist den Armen das Bild, Doch später, als Gregor schon längst in der Gruft, Es ist doch die Kunst, die die Kirchen füllt.“ Verschafften die Künstler sich Freiheit und Luft.

„Nur so kann man ihnen Geschichten erzählen, Der Einsatz der Kunst, wie ihn Gregor betrieb, Aus der Bibel, und solche, die die Päpste wählen. Ist heute auch anderen Päpsten noch lieb. Kulant will ich sein, so auch bei den Riten, Sie treten mit Füßen die Neunte im Staub, Dann gewinne ich sogar die Gunst der Briten.“ Doch Beethoven stellt sich einfach taub.

Und also spricht Gregor, der oberste Christ: Denn seine Musik ist wie die Kunst der Alten. „Ich benutze statt Folter auch einmal die List. Man kann nach ihr greifen; sie ist nicht zu halten. Das Volk der Angeln wird Weihwasser saufen, Der wirkliche Künstler, frisst er auch Kreide, Und König Ethelbert lässt sich taufen.“ Bleibt im Grunde genommen immer ein Heide.

Papst Gregor der Große las einst in der Bibel, Doch Rom, das einst in herrlicher Pracht „Und statt barbarische Laute zu lallen Jacques Drescher Die Kunst sei verwerflich und also von Übel. Als Weltmacht dastand, war zusammengekracht. Und zu Wöden, Erce und Horsa zu wallen, Die Büsten der Götzen der heidnischen Welt „Es ist wie ein Schiff mit uralten Planken“, Soll Britanniens Volk Hallelujah singen Verscheuchten die Vögel im Gurkenfeld. Denkt Gregor und macht sich so seine Gedanken. Und damit auf ewig die Götzen bezwingen.“

Zu mehr taugt sie nicht, die griechische Kunst, „Von überall dringt schon das Wasser herein, Sie hat nur die Menschen verdummt und verhunzt. Ich steure das Schiff und bin doch zu klein. Nur Toren beten vor Bildern und Steinen Das Unwetter droht und mir ist so bang. Und warten vergeblich, dass Geister erscheinen. Ich fürchte endgültig den Untergang.“

Sie können nicht reden, auch muss man sie tragen, „Einst hatte die Stadt an die tausend Paläste, – die Statuen –, nicht gehen, man soll nicht verzagen; Heut sind es nur Trümmer, es bleiben noch Reste. Sie sind nicht zur Hilfe bereit, noch imstand, Sie zeugen von Blüte und griechischer Kunst, Auch schaden sie kaum, das ist doch bekannt. Von Wohlstand und Größe, doch höllischer Brunst.“

Man liest in den Psalmen und hört von Propheten: „Es ist zwar die Schönheit antiker Skulpturen Erkühnt euch nur nicht und hört auf zu beten, Dem christlichen Glauben abhold, doch Figuren, Vor leblosen Steinen und güldenem Tand. Die müssen nicht Ebenbild Gottes sein, Es ist doch so zwecklos wie Sprechen zur Wand. Es reicht schon das Abbild als Mahnung allein.“

Papst Gregor, gewiss, war auch kein Gerechter, „Wie soll die Barbaren ich ernstlich bekehren, Betätigt sich gern mal als Menschenschlächter. Wenn ich mich versteife, die Kunst zu verwehren. Die Folter, er wandte sie gegen die Heiden – Sie schnitzen und malen, sie schmieden ihr Gold, Er konnte die Langobarden nicht leiden. Wenn ich es erlaube, sind der Kirche sie hold.“

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ouverture : 2 mai 2010 layout : www.apart.lu / photo : Andrés Lejona / tableau : Jonson van Ceulen (attr.) (1593-1664), / photo : Andrés Lejona tableau Jonson van Ceulen (attr.) layout : www.apart.lu

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