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Deutsche civil liberties and police Ausgabe CII .113 newsletter informationsdienst: an civil liberties bürgerrechte and police development und polizeientwicklung

14.: 6, August/September/Oktober 1980

Polizeiübergriffe und Rechtsverletzungen in Kanada Police Abuses in Canada

Deutsche Polizeihilfe für die Dritte Welt / Polizeiliche Zusammen arbeit in Europa German Police Aid to the Third World / European Police Cooperation r. . Initiativen zur Kontrolle der Polizei Control of the Police by Civilian Review Groups

Mobile Einheiten bei der Holländischen Polizei Mobile Units within the Dutch Police Force

„Rasterfahndung": neue Formen Computer-unterstützter Fahndung

„Rasterfahndung": new methods of Computerized investigation CIVIL LISERTIES AND POLICE ISSN 0172 1895

C I L I P INFORMATIONSDIENST: BÜRGERRECHTE UND POLIZEIENTWICKLUNG

HERAUSGEBER: H.Busch, A.Funk, U. Kauß, C. Kunze, W.-D. Narr, F. Werkentin, Th.v.Zabern

REDAKTION: Th.v.Zabern

C 1 L 1 P VERÖFFENTLICHT INFORMATIONEN - NACHRICHTEN - ANALYSEN 'ZU'. POLIZEIENTWICKLUNG IN WESTEUROPA UND DEN USA POLIZEI IN AKTION POLIZEI IM INTERNATIONALEN VERGLEICH PROBLEME KRITISCHER POLIZEIFORSCHUNG ' RECHTSENTWICKLUNG - POLIZEIRECHT ORWEDRECHTE ZUSANKENANREIT DER POLIZEIEN •• POLIZEIHILFE FON DIE "DRITTE WELT" ÖFFENTLICHE KONTROLLE DER POLIZEI

DIE HERAUSGEBEN LADEN ZUR EINSENDUNG VON MANUSKRIPTEN EIN. EINSENDUNGEN. DIE NICHT AIGEDRUCKT WERDEN KÖNNEN* SENDEN WIR ZURÜCK. EINE HAFTUNG FÜR UNAUFGEFORDERT,EINGESANDTE BEITRÄGE KANN NICHT ÜBERNOMMEN WERDEN,

Zitiervorschlag: für namentlich gekennzeichnete Beiträge: NN, Titel des Beitrags, in: CILIP. Informationsdienst: Bürgerrechte und Polizeientwicklung, Nr./Jahr, Berlin fOr nicht namentlich gekennzeichnete Settraget ettee de* Seetrage. für CILIP. Inlornationedienuts. hürgerrechese und Polissienthichlune, Wr./Jahr, Berlin

Mitarbeiter dieser Ausgehet J.-P. Brodeur - N. horch - A. Punk - X. Groth -- U. Keul - N. Liebet - W.-D. Wirr r. Pabet Nishle - 3. Sarrazin - 8. S*ith - R. Vag& - r. Mettnntin Th. v. laben

C I L I P erscheint jeweils in einer englischen und einer deutschen Ausgabe dreintl pro, Jahr.

Preis pro Anschrift: Einzelheft: DM 6,- plus Versand- Redaktion und Verlag C I L I P kosten c/o Berghof-Stiftung für Konfliktforschung Abonnement: Winklerstr. 4a Personen: DM 2o,- incl. Versand- l000 Berlin 33 kosten Telefon: 03o - 892 8o oo/ Institu- 892 8o 09 tionen:' DM 3o,- incl. Versand- kosten

Konto: Postscheckamt BlnW Sonderkonto CILIP, Th.v.Zabern, Berlin Nr. 29 ol o2 - 1o2

© CILIP-Verlag Berlin März 198o r INHALT Seite

Editorial

Polizeiforschung

Militarisierung der Polizei - Einige Bemerkungen zum leichtfertigen Gebrauch einer Kategorie 3

II Daten zur Polizeientwicklung

Polizei und Sicherung von Atomkraftwerken 5 Holland: Mobile Einheiten bei der holländischen Polizei 7 Manfred Liebel Neues Hamburger Polizei-Jugendprogramm 9 Klaus Groth Polizeistrategien zur Bewältigung der Aus- länderprobleme in der BRD 10 Rasterfahndung: Eine neue polizeiliche Fahdungsmethode 15

III Rechtsentwicklung

Franziska Pabst Der Bundesgrenzschutz im "Dauereinsatz" bei Gorleben 20 Eckart Riehle Die Neuregelung des Verhältnisses Polizei - Staatsanwaltschaft - Ein Schubladengesetz 23 Einige rechtsempirische Daten zur Perver- tierung rechtlicher Ausnahmebefugnisse in Routinebefugnisse am Beispiel der Woh- nungsdurchsuchung 26 Frankreich Identitätskontrollen durch die Polizei 28

IV Polizei in Aktion

Jean-Paul Brodeur Die Royal Canadian Mounted Police (RCMP) . 3o Verfassungsschutzmosaik - Ein neues Steinchen - Politische Überprüfung von Schöffen 34

V Zusammenarbeit der Polizei - Polizeihilfe für die Dritte Welt

BRD: Panzerwagen für die Dritte Welt 36 Malaysia 36 James Sarrazin Ein Treffen junger deutscher und- franzö- sischer Polizisten 37

VI Polizei und öffentliche Kontrolle

Die Arbeitsgruppe "Bürger beobachten die Polizei" in Berlin 39 Konzeption und erste Erfahrungen der "Initiative für ein Dokumentations- und Beschwerdebüro zu Polizei in Köln" 4o Klaus Vack Neues Komitee für Grundrechte und Demo- kratie 41 Todesfälle in Polizeihaft und öffentliche Kontrolle in England 44

VII Aus der Literatur - Hinweise, Zitate

"Von Rechner zu Rechner" Zitate und Anmerkungen zu: Horst Herold, Polizeiliche Datenverarbeitung und Men- schenrechte 46 Weitere Hinweise 49 b.w. EDITORIAL Zur vorliegenden Ausgabe:

Ende Juni dieses Jahres trafen sich auf Ein umfangreicher Teil dieses Heftes be- Initiative der CILIP-Redaktion ca. 3o faßt sich mit der Anwendung neuer Fahn- Polizeiforscher aus nahezu allen westeuro- dungsmethoden der Polizei, die in letzter päischen Ländern und der USA, die im Gegen- Zeit verstärkt ins Blickfeld getreten sind satz zur recht umfangreichen polizeilich unter dem Namen "Rasterfahndung" und den initiierten Forschung ihr Augenmerk mehr Vorstellungen, die der Präsident des Bundes- auf die Konsequenzen der neueren Polizei- kriminalamtes, Horst Herold, über den poli- entwicklung für die Bürger- und Menschen- zeilichen Einsatz der automatisierten Daten- rechte richten als die davon recht unbe- verarbeitung und derem freiheitsbedrohendem rührte polizeieigene Forschung. Potential jüngst vorgetragen hat. Ziel dieser ersten Konferenz war es, einen Weiter dokumentieren wir einen Gesetzent- Überblick über die Entwicklungen und Struk- wirf über die Neuregelung des Verhältnisses turen der einzelnen nationalen Polizeien von Staatsanwaltschaft und Polizei, der bis- zu gewinnen und die Zusammenarbeit und lang in den Schubladen der Ministerien auf den Informationsfluß zu verstärken. Der Abruf bereit liegt (S.53) und eine Kommen- Schwerpunkt lag denn auch nicht so sehr tierung des Entwurfs (S. 23). Wie sehr die 40% in der Suche nach Gemeinsamkeiten der reale Verfahrensherrschaft bereits bei Entwicklung der nationalen Polizeien, son- der Polizei und nicht bei den Justizin- dern der Vermittlung gerade der Eigenhei- stanzen Richter und Staatsanwaltschaft liegt, ten als Ergebnis unterschiedlicher histo- belegen einige rechtsempirische Daten zur rischer Traditionen, ohne deren Kenntnis Praxis der Gefahr-im-Verzug-Formel bei Woh- die Bestimmung von Gemeinsamkeiten recht nungsdurchsuchungen. spekulativ bleiben muß. Als Aufmerksam- Auch eine Antwort auf die schwache und ins- keitspunkte seien genannt die Frage nach gesamt unbefriedigende Kontrolltätigkeit militärischer Herkunft und Fortentwicklung der dazu institutionalisierten Organe,ist militärischer Traditionen im aktuellen das Entstehen von Komitees und Initiativen, Polizeiapparat, zentralisierte oder dezen- wie dem Kölner Dokumentations- und Be- tralisierte bzw. dekonzentrierte Sicher- schwerdebüro oder der Arbeitsgemeinschaft heitswahrnehmung; die Rolle der Polizeige- 'Bürger beobachten die Polizei' in Berlin werkschaften; der Einfluß technologischer sowie dem französischen Pendant C.I.P.P., Neuerungen, insbesondere die automatisierte die wir unter der Rubrik "öffentliche Kon- Datenverarbeitung; der Prozeß der Profes- trolle" vorstellen. Wir bitten nochmals sionalisierung und Spezialisierung inner- darum, uns Berichte von Initiativen, Bür- 41111‘ halb der Polizei; Strukturen und Verände- gerrechtsgruppen, Ermittlungsausschüssen rungen im rechtlichen Begrenzungssystem zuzuschicken. etc. Daß auch offizielle Untersuchungskommis- Einen ausführlichen Konferenzbericht wer- sionen zu intensiver Kontrollarbeit in den wir in CILIP Nr. 7 bringen, dazu einige der Lage sind, zeigt der auf Seite 3o Länderberichte der Konferenz. abgedruckte Bericht eines Mitglieds einer kanadischen Untersuchungskommission über illegale Polizeipraktiken.

Fortsetzung : INHALT

VIII Dokumentation

Informationsfreiheit: Empfehlung der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarats 51 Forderungskatalog der Humanistischen Union, Landesverband Berlin 52 Entwurf zur Neuregelung des Verhältnisses Politei - Staatsanwaltschaft 53 EDITORIAL Zur vorliegenden Ausgabe:

Ende Juni dieses Jahres trafen sich auf Ein umfangreicher Teil dieses Heftes be- Initiative der CILIP-Redaktion ca. 3o faßt sich mit der Anwendung neuer Fahn- Polizeiforscher aus nahezu allen westeuro- dungsmethoden der Polizei, die in letzter päischen Ländern und der USA, die im Gegen- Zeit verstärkt ins Blickfeld getreten sind satz zur recht umfangreichen polizeilich unter dem Namen "Rasterfahndung" und den initiierten Forschung ihr Augenmerk mehr Vorstellungen, die der Präsident des Bundes- auf die Konsequenzen der neueren Polizei- kriminalamtes, Horst Herold, über den poli- entwicklung für die Bürger- und Menschen- zeilichen Einsatz der automatisierten Daten- rechte richten als die davon recht unbe- verarbeitung und derem freiheitsbedrohendem rührte polizeieigene Forschung. Potential jüngst vorgetragen hat. Ziel dieser ersten Konferenz war es, einen Weiter dokumentieren wir einen Gesetzent- Überblick über die Entwicklungen und Struk- wirf über die Neuregelung des Verhältnisses turen der einzelnen nationalen Polizeien von Staatsanwaltschaft und Polizei, der bis- zu gewinnen und die Zusammenarbeit und lang in den Schubladen der Ministerien Auf den Informationsfluß zu verstärken. Der Abruf bereit liegt (S.53) und eine Kommen- Schwerpunkt lag denn auch nicht so sehr tierung des Entwurfs (S. 23). Wie sehr die in der Suche nach Gemeinsamkeiten der reale Verfahrensherrschaft bereits bei Entwicklung der nationalen Polizeien, son- der Polizei und nicht bei den Justizin- dern der Vermittlung gerade der Eigenhei- stanzen Richter und Staatsanwaltschaft liegt, ten als Ergebnis unterschiedlicher histo- belegen einige rechtsempirische Daten zur rischer Traditionen, ohne deren Kenntnis Praxis der Gefahr-im-Verzug-Formel bei Woh- die Bestimmung von Gemeinsamkeiten recht nungsdurchsuchungen. spekulativ bleiben muß. Als Aufmerksam- Auch eine Antwort auf die schwache und ins- keitspunkte seien genannt die Frage nach gesamt unbefriedigende Kontrolltätigkeit militärischer Herkunft und Fortentwicklung der dazu institutionalisierten Organe,ist militärischer Traditionen im aktuellen das Entstehen von Komitees und Initiativen, Polizeiapparat, zentralisierte oder dezen- wie dem Kölner Dokumentations- und Be- tralisierte bzw. dekonzentrierte Sicher- schwerdebüro oder der Arbeitsgemeinschaft heitswahrnehmung; die Rolle der Polizeige- 'Bürger beobachten die Polizei' in Berlin werkschaften; der Einfluß technologischer sowie dem französischen Pendant C.I.P.P., Neuerungen, insbesondere die automatisierte die wir unter der Rubrik "öffentliche Kon- Datenverarbeitung; der Prozeß der Profes- trolle" vorstellen. Wir bitten nochmals sionalisierung und Spezialisierung inner- darum, uns Berichte von Initiativen, Bür- halb der Polizei; Strukturen und Verände- gerrechtsgruppen, Ermittlungsausschüssen rungen im rechtlichen Begrenzungssystem zuzuschicken. etc. Daß auch offizielle Untersuchungskommis- Einen ausführlichen Konferenzbericht wer- sionen zu intensiver Kontrollarbeit in den wir in CILIP Nr. 7 bringen, dazu einige der Lage sind, zeigt der auf Seite 3o Länderberichte der Konferenz. abgedruckte Bericht eines Mitglieds einer kanadischen Untersuchungskommission über illegale Polizeipraktiken. 3

I. POLIZEIFORSCHUNG sechziger Jahre in Richtung einer Ent- Militarisierung der Polizeien der Bundes- MILITARISIERUNG DER POLIZEI? republik -, ohne daß damit schon eine qua- - EINIGE BEMERKUNGEN ZUM LEICHTFERTIGEN lifizierende Aussage über die "neue" Rich- GEBRAUCH EINER KATEGORIE tung der Entwicklung etwa im traditio- nellen Gegensatzpaar "militärisch-zivil" Militarisierung ist eine häufig genutzte gemacht und beabsichtigt ist. Kategorie, um die Richtung, die Tendenz Waffen: der Entwicklung des Auf- und Ausbaus Die Bereitschaftspolizei der Länder musterte der Polizeiapparate in der Bundesrepublik 1969 ihre Granatwerfer aus. Es erfolgt anzugeben. Dies gilt nicht nur für Flug- dementsprechend auch keine Ausbildung mehr blatt- und Broschürenliteratur politischer an Granatwerfern oder sonstigen groß- Organisationen und Initiativen, in denen kalibrigen Waffen. zur Abwehr einer bedrohlichen Entwicklung Der Bundesgrenzschutz hat Anfang der sieb- aufgerufen wird, sondern auch für Publi- ziger Jahre seine Panzerfahrzeuge, Modell kationen, die, zwar auch in aufklärerischer SALADIN mit 7,6 cm-Kanonen, ausgemustert. Absicht, stärker auf detaillierte Beweis- 1979 wurden diese Geräte ersatzlos ver- führung unl,analytische Argumentation schrottet. Es bleiben als Polizeiwaffen eliesetzen (Cobler, von Bredow, R.Pusch). Maschinengewehre, Maschinenpistolen, Gewehre Militarisierung der Polizei ist als Charak- und Pistolen. Bei den Polizeien der Länder terisierung der Tendenz des Ausbaus natio- geht die Tendenz inzwischen sogar dahin, naler Polizeien auch in der englischen, Maschinengewehre und Handgranaten aus dem skandinavischen und belgischen Literatur polizeilichen Waffenarsenal zu streichen zu finden. Der Gebrauch dieses Begriffs (so als Vorreiter Niedersachsen (mit einem in der kritischen Literatur zur Polizei- CDU-Innenminister) und Nordrhein-Westfalen: entwicklung in verschiedenen westeuropäi- in beiden Ländern wurden Ende 1979/Anfang schen Ländern suggeriert eine Verstärkung 198o Maschinengewehre und Handgranaten militärischer Komponenten im Zuge des Aus- als Einsatzmittel der Länderpolizeie/ aus- baus der nationalen Polizeien. drücklich ausgeschlossen). Demgegenüber Polizeiorganisationen Militarisierung als analytische Kategorie erfolgt bei allen Erstausstattung ist ein Prozeßbegriff. Sinnvoll eingesetzt, eine verstärkte und/oder nichttödlichen Ein- besagt er, daß der zivile, innerstaatliche (so beim BGS) mit chemical mace, Gewaltapparat sich in einem Prozeß der satzmitteln (Schlagstöcke, Sperrgitter, Schutzschilder Zunahme oder erstmaligen Übernahme mili- Wasserwerfer, militärischen Modell, tärischer Strukturen und Formen bewegt. etc.). Gemessen am -Indikator zweifelsfrei elbols Kriterien des "Militärischen" werden läßt sich am Waffen sprechen. in der Regel die Ausrüstung mit tödlichen von einer Ent-Militarisierung Waffen, Organisationssturkturen der Appa- Organisationsstrukturen: rate - so z.B. Truppen-Polizei-Organisa- tionen-, äußere militärische Formen vom Eine massive Machtzusammenballung durch Stil der Uniform bis zu den Grußformen Zentralisierung militärischer Machtappa- zwischen den Beamten -, die hierarchische rate auf nationaler Ebene mit straffen Be- Struktur von Befehl und Gehorsam inner- fehls- und Entscheidungsstrukturen ist ein halb der Organisation, Ideologie und traditionelles Merkmal militärischer Appa- Aufgabenwahrnehmung der Apparate, sich in rate. Demgegenüber war die Organisation Übungslagen und Einsatzformen materiali- der Polizei in der deutschen Tradition - sierende Bilder des "Gegenüber", des Stö- abgesehen vom Faschismus - verfassungsrecht- rers oder Feindes. lich Länderangelegenheit und je nach Bezieht man diese Sub-Kriterien für das unterschiedlicher Ländertradition zum Teil militärische Moment der Polizei auf die noch kommunale Auftragsangelegenheit. Be- Entwicklung der Polizeiapparate in der gründet mit Effizienz-Argumenten und zu- Bundesrepublik, so läßt sich die These gleich mit der zunehmenden Notwendigkeit der Militarisierung insgesamt und für von Großeinsätzen innerhalb der Länder keines der oben aufgelisteten Sub-Kri- wie länderübergreifenden Einsätzen erfolgte terien halten. Ganz im Gegenteil weisen in der Bundesrepublik im letzten Jahrzehnt alle diese Kriterien seit Ende der zum einen eine Auflösung der letzten 4

kommunalen Polizeiorganisationen in den entlehnter Formen. So nimmt die Formal- Ländern und zugleich eine Reorganisation ausbildung (Exerzieren) immer weniger mit dem Ziel der Straffung der Entscheidungs- Platz ein, so gibt es keine "militärische" und Befehlsstrukturen auf Länderebene. Zu- Grußpflicht des in der Hierarchie niedri- gleich erfolgte durch den starken Ausbau geren Beamten gegenüber dem Vorgesetzten, der Sonderpolizeien des Bundes und durch so ist die Polizeiuniform von militäri- rechtlich fixierte Kompetenzerweiterungen schen Formen und Symbolen befreit worden für diese Sonderpolizeien eine Zentrali- - ist das Erscheinungsbild insgesamt ziviler sierung auf nationaler Ebene. Insoweit geworden. ist eine Anlehnung an militärische Strukturen erkennbar. Berufsrollen-Verständnis, Feindbilder, Auf- Unverändert blieb die klare rechtliche und gabenperzeption

faktische Trennung von Militär- und Poli- Auch unter diesen Kriterien zeigt sich für (anders als z.B. in Frank- zeiorganisationen die Bundesrepublik, gemessen an der Situa- reich mit dem Sonderstatus der Gendarmerie tion der fünfziger und auch noch der sech- einem Sonderbereich des Ver- Nationale). In ziger Jahre, eine strikte Tendenz der Ab- hältnisses von Polizei und Militär, der kehr von Anleihen ans Militär zugunsten Rekrutierung von Polizeianwärtern und Poli- eigenständiger , polizeitypischer Aufgaben- zeiführern aus dem Militär zeigt sich für bestimmung. die Bundesrepublik, daß die Rekrutierung Bis in die sechziger Jahre und bis zur Verab- von Offizieren aus dem Militär für Polizei- schiedung der Notstandsgesetze im Jahre aufgaben, typisch für die Aufbauphase der 1968 war der Bürgerkrieg ideologischer wie Truppenpolizeien der Bundesrepublik Anfang faktischer letzter, zentraler Bezugspunkt der fünfziger Jahre, heute völlig bedeutungs- der politisch-ideologischen Orientierung, los geworden ist. Polizeibeamte werden nicht der Organisierung und Ausbildung der Poli- mehr aus dem Militär rekrutiert - mit allen zei Dies drückte sich aus in Feindbildern, Folgen für das Rollenverständnis. Bewaffnung und Polizeimanövern mit zehn- bis Ein dritter Aspekt der Organisationsformen fünfzehntausend beteiligten Beamten, bei als Indiz für militärische Komponenten be- denen die offene Feldschlacht gegen be- trifft das Problem paramilitärischer Poli- waffnete Banden geübt wurde, ohne daß in zeieinheiten bzw. das Fehlen solcher Ein- diesen zwanzig Jahren auch nur im Ansatz heiten wie z.B. in England. die gesellschaftlichen Konflikte in der Seit den fünfziger Jahren hatte die Bundes- Bundesrepublik diesem Bürgerkriegsbezug republik ca. 3o 000 Mann Truppenpolizei' einen Realitätsgehalt gegeben hätten. (10 000 Mann Bereitschaftspolizei der Län- Zugleich gab es innerhalb der Polizeibeamten- der und 20 000 Mann Grenzpolizei des Bun- schaft mit der Gewerkschaft der Polizei des). Bis Ende der sechziger Jahre waren - kurz GdP - eine starke Bewegung für ein diese Polizeiverbände organisiert, ausgerü- ziviles, gegen ein militärisches Polizei- stet und ausgebildet für eine offene Bür- konzept. gerkriegssituation, d.h. den bewaffneten Ab Anfang der sechziger Jahre zeigt sich Kampf. Ab Anfang der siebziger Jahre führ- in der Aufgabenperzeption und dem - auch ten Veränderungen in der Organisation, offiziellen - Berufsbildverständnis eine in der Ausbildung und Ausrüstung diese klare Abkehr vom Bürgerkriegsbezug. Die Apparate weg von der Bürgerkriegssituation polizeiliche Normallage - Kriminalitätsbe- als dem wichtigsten Bezugspunkt in Richtung kämpfung und Sicherheitsgefühl der Bevöl- auf einen stärkeren alltäglichen Polizei- kerung - wurde in der Nachkriegsgeschichte einsatz. Auch hier haben wir also die zum ersten Mal systematischer Bezugspunkt Tendenz einer Abkehr von traditionell von Sicherheitskonzeptionen und deren militärischen Formen. Zu bewerten ist organisatorischer, ausrüstungs- und aus- dies auf dem Hintergrund der Notstandsge- bildungsmäßiger Umsetzung Zugleich Al_114-,31

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gehoben. gen sowie das Kernforschungszentrum in Geschäftsführer, Im Unterschied zur gewöhnlichen Polizei sind Karlsruhe. Sie hat, so ihr eine eigens dafür ausgebildete Mannschaft. diese Special Constables nur der Atomic Ener- gy Authority verantwortlich, über die der "Die Ausbildung sei exakt zugeschnitten auf die 3

POLIZEIFORSCHUNG sechziger Jahre in Richtung einer Ent- Militarisierung der Polizeien der Bundes- MILITARISIERUNG DER POLIZEI? republik -, ohne daß damit schon eine qua- - EINIGE BEMERKUNGEN ZUM LEICHTFERTIGEN lifizierende Aussage über die "neue" Rich- GEBRAUCH EINER KATEGORIE tung der Entwicklung etwa im traditio- nellen Gegensatzpaar "militärisch-zivil" Militarisierung ist eine häufig genutzte gemacht und beabsichtigt ist. Kategorie, um die Richtung, die Tendenz Waffen: der Entwicklung des Auf- und Ausbaus Die Bereitschaftspolizei der Länder musterte der Polizeiapparate in der Bundesrepublik 1969 ihre Granatwerfer aus. Es erfolgt anzugeben. Dies gilt nicht nur für Flug- dementsprechend auch keine Ausbildung mehr blatt- und Broschürenliteratur politischer an Granatwerfern oder sonstigen groß- Organisationen und Initiativen, in denen -kalibrigen Waffen. zur Abwehr einer bedrohlichen Entwicklung Der Bundesgrenzschutz hat Anfang der sieb- aufgerufen wird, sondern auch für Publi- ziger Jahre seine Panzerfahrzeuge, Modell kationen, die, zwar auch in aufklärerischer SALADIN mit 7,6 cm-Kanonen, ausgemustert. Absicht, stärker auf detaillierte Beweis- 1979 wurden diese Geräte ersatzlos ver- führung unl,analytische Argumentation schrottet. Es bleiben als Polizeiwaffen % ersetzen (Cobler, von Bredow, R.Pusch). Maschinengewehre, Maschinenpistolen, Gewehre Militarisierung der Polizei ist als Charak- und Pistolen. Bei den Polizeien der Länder terisierung der Tendenz des Ausbaus natio- geht die Tendenz inzwischen sogar dahin, naler Polizeien auch in der englischen, Maschinengewehre und Handgranaten aus dem skandinavischen und belgischen Literatur polizeilichen Waffenarsenal zu streichen zu finden. Der Gebrauch dieses Begriffs (so als Vorreiter Niedersachsen (mit einem in der kritischen Literatur zur Polizei- CDU-Innenminister) und Nordrhein-Westfalen: entwicklung in verschiedenen westeuropäi- in beiden Ländern wurden Ende 1979/Anfang schen Ländern suggeriert eine Verstärkung 198o Maschinengewehre und Handgranaten militärischer Komponenten im Zuge des Aus- als Einsatzmittel der Länderpolizeied aus- baus der nationalen Polizeien. drücklich ausgeschlossen). Demgegenüber Polizeiorganisationen Militarisierung als analytische Kategorie erfolgt bei allen Erstausstattung ist ein Prozeßbegriff. Sinnvoll eingesetzt, eine verstärkte und/oder nichttödlichen Ein- besagt er, daß der zivile, innerstaatliche (so beim BGS) mit chemical mace, Gewaltapparat sich in einem Prozeß der satzmitteln (Schlagstöcke, Schutzschilder Zunahme oder erstmaligen Übernahme mili- Wasserwerfer, Sperrgitter, militärischen Modell, tärischer Strukturen und Formen bewegt. etc.). Gemessen am zweifelsfrei esols Kriterien des "Militärischen" werden läßt sich am Waffen-Indikator sprechen. in der Regel die Ausrüstung mit tödlichen von einer Ent-Militarisierung Waffen, Organisationssturkturen der Appa- rate - so z.B. Truppen-Polizei-Organisa- Organisationsstrukturen: tionen-, äußere militärische Formen vom Eine massive Machtzusammenballung durch Stil der Uniform bis zu den Grußformen Zentralisierung militärischer Machtappa- zwischen den Beamten -, die hierarchische rate auf nationaler Ebene mit straffen Be- Struktur von Befehl und Gehorsam inner- fehls- und Entscheidungsstrukturen ist ein halb der Organisation, Ideologie und traditionelles Merkmal militärischer Appa- Aufgabenwahrnehmung der Apparate, sich in rate. Demgegenüber war die Organisation Übungslagen und Einsatzformen materiali- der Polizei in der deutschen Tradition - sierende Bilder des "Gegenüber", des Stö- abgesehen vom Faschismus - verfassungsrecht- rers oder Feindes. lich Länderangelegenheit und je nach Bezieht man diese Sub-Kriterien für das unterschiedlicher Ländertradition zum Teil militärische Moment der Polizei auf die noch kommunale Auftragsangelegenheit. Be- Entwicklung der Polizeiapparate in der gründet mit Effizienz-Argumenten und zu- Bundesrepublik, so läßt sich die These gleich mit der zunehmenden Notwendigkeit der Militarisierung insgesamt und für von Großeinsätzen innerhalb der Länder keines der oben aufgelisteten Sub-Kri- wie länderübergreifenden Einsätzen erfolgte terien halten. Ganz im Gegenteil weisen in der Bundesrepublik im letzten Jahrzehnt alle diese Kriterien seit Ende der zum einen eine Auflösung der letzten 4

kommunalen Polizeiorganisationen in den entlehnter Formen. So nimmt die Formal- Ländern und zugleich eine Reorganisation ausbildung (Exerzieren) immer weniger mit dem Ziel der Straffung der Entscheidungs- Platz ein, so gibt es keine "militärische" und Befehlsstrukturen auf Länderebene. Zu- Grußpflicht des in der Hierarchie niedri- gleich erfolgte durch den starken Ausbau geren Beamten gegenüber dem Vorgesetzten, der Sonderpolizeien des Bundes und durch so ist die Polizeiuniform von militäri- rechtlich fixierte Kompetenzerweiterungen schen Formen und Symbolen befreit worden für diese Sonderpolizeien eine Zentrali- - ist das Erscheinungsbild insgesamt ziviler sierung auf nationaler Ebene. Insoweit geworden. ist eine Anlehnung an militärische Strukturen erkennbar. Berufsrollen-Verständnis, Feindbilder, Auf- Unverändert blieb die klare rechtliche und gabenperzeption

faktische Trennung von Militär- und Poli- Auch unter diesen Kriterien zeigt sich für als z.B. in Frank- zeiorganisationen (anders die Bundesrepublik, gemessen an der Situa- reich mit dem Sonderstatus der Gendarmerie tion der fünfziger und auch noch der sech- Nationale). In einem Sonderbereich des Ver- ziger Jahre, eine strikte Tendenz der Ab- hältnisses von Polizei und Militär, der kehr von Anleihen ans Militär zugunsten Rekrutierung von Polizeianwärtern und Poli- eigenständiger , polizeitypischer Aufgaben- zeiführern aus dem Militär zeigt sich für bestimmung. die Bundesrepublik, daß die Rekrutierung Bis in die sechziger Jahre und bis zur Verab- von Offizieren aus dem Militär für Polizei- schiedung der Notstandsgesetze im Jahre aufgaben, typisch für die Aufbauphase der 1968 war der Bürgerkrieg ideologischer wie Truppenpolizeien der Bundesrepublik Anfang faktischer letzter, zentraler Bezugspunkt der fünfziger Jahre, heute völlig bedeutungs- der politisch-ideologischen Orientierung, los geworden ist. Polizeibeamte werden nicht der Organisierung und Ausbildung der Poli- mehr aus dem Militär rekrutiert - mit allen zei. Dies drückte sich aus in Feindbildern, Folgen für das Rollenverständnis. Bewaffnung und Polizeimanövern mit zehn- bis Ein dritter Aspekt der Organisationsformen fünfzehntausend beteiligten Beamten, bei als Indiz für militärische Komponenten be- denen die offene Feldschlacht gegen be- trifft das Problem paramilitärischer Poli- waffnete Banden geübt wurde, ohne daß in zeieinheiten bzw. das Fehlen solcher Ein- diesen zwanzig Jahren auch nur im Ansatz heiten wie z.B. in England. die gesellschaftlichen Konflikte in der Seit den fünfziger Jahren hatte die Bundes- Bundesrepublik diesem Bürgerkriegsbezug republik ca. 3o 000 Mann Truppenpolizei einen Realitätsgehalt gegeben hätten. (10 000 Mann Bereitschaftspolizei der Län- Zugleich gab es innerhalb der Polizeibeamten- der und 20 000 Mann Grenzpolizei des Bun- schaft mit der Gewerkschaft der Polizei des). Bis Ende der sechziger Jahre waren - kurz GdP - eine starke Bewegung für ein diese Polizeiverbände organisiert, ausgerü- ziviles, gegen ein militärisches Polizei- stet und ausgebildet für eine offene Bür- konzept. gerkriegssituation, d.h. den bewaffneten Ab Anfang der sechziger Jahre zeigt sich Kampf. Ab Anfang der siebziger Jahre führ- in der Aufgabenperzeption und dem - auch ten Veränderungen in der Organisation, offiziellen - Berufsbildverständnis eine in der Ausbildung und Ausrüstung diese klare Abkehr vom Bürgerkriegsbezug. Die Apparate weg von der Bürgerkriegssituation polizeiliche Normallage - Kriminalitätsbe- als dem wichtigsten Bezugspunkt in Richtung kämpfung und Sicherheitsgefühl der Bevöl- auf einen stärkeren alltäglichen Polizei- kerung - wurde in der Nachkriegsgeschichte einsatz. Auch hier haben wir also die zum ersten Mal systematischer Bezugspunkt Tendenz einer Abkehr von traditionell von Sicherheitskonzeptionen und deren militärischen Formen. Zu bewerten ist organisatorischer, ausrüstungs- und aus- dies auf dem Hintergrund der Notstandsge- bildungsmäßiger Umsetzung . Zugleich setzgebung von 1968, in der der Einsatz der ist aber die Tendenz erkennbar, die Gefahr in Bürgerkriegssituationen zu- der Krise als gesellschaftliche Normalität, gelassen wurde. Alltagssituation - und nicht mehr als relativ klar abtrennbare Ausnahmesituation Äußere militärische Formen des Bürgerkriegs - zu antizipieren mit der Verglichen mit den fünfziger Jahren, strategischen Konsequenz, das Netz der all- zeigt sich ein Rückgang aus dem Militär täglichen Kontrolle des Bürgers durch die 5

POLIZEI UND SICHERUNG VON ATOMKRAFTWERKEN Polizei immer dichter zu knüpfen - eine Form der präventiven Verhinderung der offe- Gefährliche Technologien wie etwa Atomkraft- nen Krise auf der Ebene des Bürgerkriegs. werke brauchen eine besondere Absicherung. Im folgendeh Artikel soll anhand des schwe- Ergebnis dischen, des englischen und des bundesdeut- Die Tendenz der Entwicklung des innerstaat- schen Beispiels erläutert werden, welche Aus- lichen Gewaltapprates in der Bundesrepublik wirkungen die Frage der Sicherung von Atom- wird mit dem Begriff der Militarisierung kraftwerken auf die Polizeientwicklung ge- der Polizei irreführend charakterisiert nommen hat. und trifft gerade nicht die politischen Das schwedische und das englische Muster Gefahren, die das Neue der Polizeientwick- - Atompolizei lung der letzten zehn Jahre ausmachen. Schweden wie auch England haben sich ent- Gleichzeitig ist die Skala zwischen mili- schlossen, die Aufgabe der Sicherung von tärisch-zivil nicht - oder nicht mehr - Atomkraftwerken der Polizei zukommen zu die Skala, auf der die Polizeientwicklung lassen. Der Vorschlag, den die schwedische in diesem Lande situiert werden kann. Es Polizeiführung der Regierung vorgelegt hat, soll hier offen bleiben, ob für die Polizei- sieht die Bildung einer 4o Mann starken entwicklung etwa in England, Belgien oder Sondereinheit vor, die Atomkraftwerke vor Skandinavien - wo auf der Ebene von Sub- Terroristen sichern soll. Die für die Ter- Indikatoren wie Bewaffnung und Organisa- roristenbekämpfung speziell ausgebildete tionselementen von einem zivilen Konzept Einheit soll zentral in Stockholm sta- zugunsten militärischer Anleihen abge- tioniert sein. wichen wird - der Begriff "Militarisierung" Während in Schweden diese Einheit noch in zutreffend die Richtung charakterisiert. der Planungsphase steckt, besitzen England Die zu prüfende Gegenthese wäre, ob sich und Wales seit längerer Zeit die Atomic die Polizeientwicklung in der Bundesre- Energy Authority Constabulary, die sowohl publik und anderen westeuropäischen Län- für die Bewachung von Atomkraftwerken als dern auf einem neuen, dritten Weg abseits auch für die Sicherung des Atommülltransports des alten Gegensatzpaares militärisches zuständig ist. versus ziviles Polizeikonzept trifft. Die AEA Constabulary umfaßt zur Zeit 400 Personen, die unabhängig von der Polizei rekrutiert werden und wurden. Ihre Befug- nisse waren ursprünglich nur durch den Special Constables Act (1923) festgelegt, 414141 , DATEN ZUR POLIZEIENTWICKLUNG der den Aufbau von polizeilichen Spezial- einheiten zur Überwachung von militärischen Einrichtungen sowie den Einsatz dieser

Einheiten im Umkreis von 15 Meilen um diese Einrichtungen erlaubte.

Der Atomic Energy Authority (Special Constables) Act von 1976 erweiterte diese Rechte erheblich: Die Special Constables haben das Recht, - ständig Waffen zu tragen; - Wohnungen, bei denen sie es für ange- bracht halten, ohne richterliche An- ordnung zu durchsuchen; - Personen auf bloßen Verdacht hin festzu- nehmen (In England muß die Polizei bei Festnahmen dem Betroffenen mitteilen, wegen welcher Straftat er verhaftet wird.); - um auch beim Transport des Plutoniums Atomenergie oder Steinzeit? - Beides! eingreifen zu können - so die Begrün- dung -, wurde die 15-Meilen-Grenze auf- 6

gehoben. gen sowie das Kernforschungszentrum in

Im Unterschied zur gewöhnlichen Polizei sind Karlsruhe. Sie hat, so ihr Geschäftsführer, diese Special Constables nur der Atomic Ener- eine eigens dafür ausgebildete Mannschaft. gy Authority verantwortlich, über die der "Die Ausbildung sei exakt zugeschnitten auf die Energieminister eine lockere Dienstaufsicht, Dienstverrichtungen in Kernanlagen und schließe die Werkschutz-Fortbildungsprüfung mit ein." nicht aber eine Kontrolle der Alltagsarbeit (Siehe Wirtschaftsschutz und Sicherheitstechnik, ausübt. Nr. 2, I98o, S. 52)

Neben dieser Spezialeinheit mit umfangreichen Zusammenfassende Bewertung

Sonderrechten fallen - ähnlich wie in der Sehen wir uns die drei Beispiele noch ein- Rüstungsindustrie - dem Geheimdienst MI 5 mal im Vergleich an: und der politischen Abteilung der Polizei, - In Schweden soll eine Antiterror-Sonderein- Special Branch, Aufgaben der Personenüber- heit aufgebaut werden, deren Sitz Stock- prüfung und rüberwachung zu. (Siehe Radcliffe- holm und nicht der jeweilige Standort des Report: Security Procedures in the public Kraftwerks ist. Hier liegt der Schwerpunkt services, HMSO, Cmnd. 1681 1962) eindeutig auf dem Aufbau einer auf gewalt- Zu diesem Personenkreis gehören einerseits tätigen Einsatz spezialisierten Sonder- die Angestellten und Arbeiter in Atomkraft- truppe. Für die Aufgabe der Sicherung von werken einschließlich ihrer Familien.Gibt Atomkraftwerken, des Objektschutzes, würde diese erste Regelung sowohl dem Geheimdienst sich eine im Bereich des jeweiligen Kraft- etio als auch der Polizei schon sehr weite Befug- werks stationierte Einheit erheblich bes- nisse, in das Privatleben von Bürgern einzu- ser eignen. Die Atomindustrie ist hier of- dringen, so ist das erst recht der Fall fensichtlich Anlaß, aber nicht Ursache für bei der Befugnis zur Überprüfung und Über- den Aufbau einer Spezialeinheit. wachung "potentieller Terroristen". In - In England und Wales handelt es sich erstens einer Presseerklärung des Atomministers auch um eine neue Spezialeinheit: eine Ein- (noch unter der Labour-Regierung) hieß es heit, die aus dem rechtlichen und organisa- hierzu: torischen Rahmen der normalen Polizei heraus- "Gegner der Atomenergie, seien es Organisationen oder Individuen, fallen nicht unter diese Über- fällt. Die AEA Constabulary ist national wachung, es sei denn, es gäbe Gründe, anzunehmen, organisiert, die normale Polizei dagegen daß ihre Aktivitäten subversiv, gewalttätig oder in anderer Weise ungesetzlich sind." regional. Die normale Polizei trägt im Regel- (Zitiert nach: State Research Bulletin No. 5, fall keine Waffen. Die normale Polizei ist April/Mai 1978) an relativ strikte, rechtliche Regelungen Der Begriff "Subversion" existiert zwar für Identitätsfeststellung, Durchsuchung, nicht im englischen Strafrecht, er wird Festnahme etc. gebunden, die für diese aber zunehmend häufiger von Polizei und Special Constables nicht gelten. Mit anderen Exekutive gebraucht. Merly n Rees , Worten: Hier zeigt sich eine wesentliche ehemaliger Labour-Innenminister,hat ihn Einbruchstelle in die englische Polizei- so definiert: tradition. "Subversive Aktivitäten sind solche, 'die die Der zweite Komplex ist hier eine relativ große Sicherheit und Wohlfahrt des Staates bedrohen Ausdehnung geheimdienstlicher Tätigkeit, die und auf die Unterwanderung und Umwälzung der parlamentarischen Demokratie durch politische weit über die für die Sicherung von Atomkraft- Mittel, Streiks oder Gewalt gerichtet sind." werken vor potentiellen Störern hinausgeht (Hansard, 6. April 1978) und eine Gefahr für sämtliche politischen Be- wegungen darstellt. Das deutsche Beispiel

Die deutsche Polizei sowohl der Länder als Zusammenfassend kann gesagt werden: An der auch des Bundes haben bisher die Bildung Frage der "Sicherung der Atomkraftwerke" einer speziellen Atompolizei verweigert und zeigt sich nicht nur das einer gefährlichen den privaten Eigentümern eine entsprechende Technologie innewohnende Erfordernis einer Absicherung durch eigenen Werkschutz oder besonderen Sicherung. Es zeigen sich viel- beauftragte Unternehmen zur Auflage gemacht. mehr die Gefahren der Entwicklung einer Begründung: Es handelt sich in der Regel "neuen Polizei", u.a.: um privates Eigentum. - (neben sozialpräventiven Spezialisten) die Aufstellung von Einheiten, die nur Die Frankfurter WerkschutzGmbH, ein Spezial- auf Gewalt spezialisiert sind; unternehmen, sichert Kernkraftanlagen in - die Aushöhlung und Umgehung des recht- Kalkar, Biblis, Philippsburg, Grundremmin- 7

lichen Rahmens und des Schutzes, den ver- zeien paramilitärische Einheiten (karabijn fassungsmäßige Rechte noch zu geben ver- brigades) zur Bekämpfung schwerer innerer mögen; Unruhen aufgestellt. - die Unterwerfung großer Teile der Bevöl- In den fünfziger Jahren veranlaßte die Re- kerung unter politische Überprüfungen. gierung die Gemeinden, wiederum Spezialein- heiten aufzustellen. Bis zu den frühen erklärt Von diesem Blickwinkel gesehen, sechziger Jahren war dies dann an vielen sich auch die Zurückhaltung der bundesrepu- Orten geschehen. Aber, wie sich Dr. Piet 1) blikanischen Polizei bei der Bildung einer van Reenen erinnert, war deren Zustand Atompolizei, denn: eher grotesk und sie waren für den Ein- 1. existieren Antiterror-Einheiten seit satz bei inneren Unruhen ungeeignet. langem; Heute spielen sie auch in der alltäg- 2. ist die Überwachung von Angehörigen lichen Polizeiarbeit eine wichtige Rolle. "sicherheitsrelevanter Betriebe" eben- Sie sind sowohl bei der kommunalen Polizei falls seit geraumer Zeit gang und gäbe; (Gemeentepolitie) anzutreffen, bei der (siehe Artikel in CILIP Nr. 5) und inzwischen ca. 2o% der Beamten diesen Son- 3. sind rechtliche Befugnisse der Polizei, dereinheiten angehören, wie bei der Reichs- die über dem Schutz vor konkreten Ge- polizei (Rijkspolitie), deren Zuständig- fahren oder die Verfolgung eines kon- keit sich auf das ganze Land erstreckt. kreten Verdachts hinausgehen, im Muster- Im Ausbildungszentrum Woensdrecht werden im entwurf für ein einheitliches Polizei- Jahr 1 10o bis 1 20o Beamte für den Einsatz gesetz, den daran orientierten neueren in ME ausgebildet. Die Reichspolizei Polizeigesetzen der Länder und den sog. unterhält in jedem ihrer 17 Distrikte4 je- Razziengesetzen (§ 111 StPO) enthalten. weils eine ME in Bereitschaft. Jede ME besteht aus 44 Polizeibeamten, nur für den \1111.11,113MC Bezirk Middelburg umfaßt die ME 22 Beamte. • Die Neuordnuna der Mobilen Einheiten

Die Protestaktionen Ende der sechziger Jahre - in Amsterdam die Aktionen der 'Provos', in Den Haag die sog. 'Ambonezen- Unruhen' und Unruhen in Rotterdam - schreckten die Gemeindeparlamente auf und führten zur Debatte über die Reorgani- sierung der Mobilen Einheiten.

Auch die Landesregierung nahm sich nun verstärkt dieser Angelegenheit an. 1972 wurde auf dem ehemaligen Luftwaffenstütz- punkt Woensdrecht ein nationales Ausbil- dungszentrum für die ME der Gemeinde- polizeien eingerichtet. Nur die Polizei von Amsterdam behielt ihre eigene Aus- bildungsstätte für ihre ME.

In aller Stille hatte die Reichspolizei für ihre Sondereinheiten schon 197o ein Ausbildungszentrum in Neerijnen aufgebaut. HOLLAND: Ein Hindernis für den Aufbau gemeinsamer Krisensituationen ist die +) Einheiten für MOBILE EINHEITEN DER HOLLÄNDISCHEN POLIZEI traditionelle Gliederung der Polizei in einerseits voneinander unabhängigen In ihrer jetzigen Form, sowohl was die Auf- Gemeindepolizeien und andererseits der gaben wie die straffe Organisation betrifft, Reichspolizei. Um den für die polizeiliche bestehen die Mobilen Einheiten (ME) seit Effizienz daraus entstehenden Hindernissen zehn Jahren. entgegenzuwirken, wurde zwischen den Poli- zeien ein Abkommen zur gegenseitigen Unter- Sie haben jedoch schon Tradition. Vor dem stützung geschlossen. Darüberhinaus wurde 2. Weltkrieg wurden von den Gemeindepoli- 8

im Justizministerium eine ständige Krisen- sondere durch die gewaltförmigen Einsätze zentrale und im Innenministerium ein Koor- vor allem der ME's gegen Hausbesetzer in dinationszentrum eingerichtet. Amsterdam, Nijmegen und Den Haag sowie Neben der Reorganisation der ME sowie der gegen die Anti-Atom-Demonstrationen in Zentralisierung der Ausbildung und der Borsele auf. personellen Verstärkung fand auch ein Man könnte vermuten, daß diese Art von Ausbau in der Ausstattung der ME statt. Polizeieinsätzen zunehmend auf zentral-

1966 - 1968: Einführung von Schutz- staatlicher Ebene organisiert werden und schildern das Koordinationszentrum im Innenmini- ab 1968: Ausstattung mit gepanzerten sterium immer mehr Einfluß auf die lokalen Einsatzwagen Polizeien erhält. 1969 - 197o: Einführung von Helmen mit Gesichts- und Nackenschutz Der Polizeiexperte van Reenen ist der Auf- 1966 - 1968: Austausch von Kurzschwertern fassung, daß die öffentliche Diskussion und Kampfmessern (Ausrüstungs- über die besondere Stellung der Koordina- relikte aus der Kolonialzeit) durch besonders lange Polizei- tionsstelle wichtig ist, die letzten Ein- knüppel sätze der ME's jedoch nicht von dort zen- 1969 - 1976: Anschaffung von Wasserwerfern tral gelenkt worden sind. Das Koordinations- 1968 - heute: Zunehmende Ausrüstung mit zentrum im Innenministerium ist vor allem Gasmasken als Folge des zu- nehmenden Tränengaseinsatzes für größere Unruhen zuständig. Hausbesetzun- 1977: Einrichtung von Einsatzzen- gen dagegen fallen in den Aufgabenbereich tralen für Ausrüstungs- und der jeweiligen Bürgermeister bzw. der Führungsmittel. kommunalen Polizeichefs.

Beim Ausbau der ME kann zwischen einer Sicherlich besteht die Gefahr, wie auch 'sanften Spezialisierung' (Ausrüstung mit van Reenen zugesteht, daß ein Beamter der polizeispezifischen nichttötenden Waffen ME einmal sozusagen "auf Safari" geht; für die Bekämpfung von Störern) und einer diese Gefahr ist bei dem normalen Poli- 'harten Variante' (die Ausrüstung mit ge- zisten jedoch größer. Im Gegensatz zu panzerten Fahrzeugen, dem Aufstellen von den ME, die für den Einsatz in Gruppen Scharfschützenkommandos ab 1972, Spezial- besonders ausgebildet sind, arbeitet der ausbildung im japanischen Stockfechten normale Polizeibeamte individuell mit (Kendo)) unterschieden werden. einem weit größeren Ermessensspielraum. Auch unabhängig vom Ausbau der ME kann von Bedrohlich und als Ausdruck der Militari- einer Verstärkung der 'harten Variante' im sierung der Polizei wird in Holland die gesamten Polizeibereich gesprochen werden. Uniformierung der ME angesehen. Der Kampf- Ausgangspunkt für diese Entwicklung waren, anzug, den die Beamten zunehmend bei wie auch der Ausbau der ME insgesamt, ihren Einsätzen tragen, war ursprünglich die zunehmenden Demonstrationen und Aktionen nur für das Training der Beamten vorge- von verschiedenen politischen Gruppen. Aus- sehen. Man hielt den Kampfanzug für zu druck dieser harten Linie ist auch die Ein- provozierend, um ihn bei Einsätzen zu führung von sogenannten Kampfuniformen für tragen. Heute dagegen treten die Beamten den Einsatz der Polizei in geschlossenen zunehmend in diesem Kampfanzug in der Einheiten. Öffentlichkeit auf.

Gleichzeitig mit dem Ausbau der ME sind Allerdings muß die spezifische Uniformierung auch die Dienstvorschriften umfassender nicht unmittelbar als Indiz für gewaltför- formuliert worden. Durch Erlässe von 1971/72 miges polizeiliches Handeln gelten. (Paraatheisdcirculaires) war der Einsatz Der Kampfanzug, Schutzhelm, Schild und der ME nicht mehr an "außergewöhnliche Um- Schlagstock können auch als taktisches stände" gebunden; ihr Einsatzbereich war Mittel, quasi zur Abschreckung eingesetzt von nun an die Aufrechterhaltung von werden, wie das Auftreten der ME insgesamt "Sicherheit und Ordnung" im allgemeinen. auch unter diesem Gesichtspunkt gesehen werden kann. Die Frage ist nur, ob selbst In Holland stellt man sich nun die Frage, unter dem Aspekt der generalpräventiven ob mit diesem Ausbau, einerseits dem der Abschreckung Mobile Einheiten ein geeig- ME's, andererseits dem der gesamten Polizei, netes Mittel sind, "inneren Unruhen" ent- nun nach einer gewissen Vorbereitungs- gegenzuwirken. zeit mit härterem polizeilichen Vorgehen zu rechnen ist. Diese Frage tauchte insbe- Wie ein Bericht des Wissenschaftlichen 9

Untersuchungs- und Dokumentations-Zentrums in der Schule. Mit dem erklärten Ziel, zu des Justizministeriums (W.O.D.C.) von einer besseren "Arbeitsaufteilung zwischen 1978 zu entnehmen ist, erhalten 4o% der Lehrern und Polizeibeamten" zu gelangen und Polizeibeamten nach Abschluß der Ausbildung um die Bereitschaft von Lehrern zur Zusammen- an der Polizeischule eine Zusatzausbildung arbeit zu steigern, hat sie kürzlich ein für den Einsatz in MEs, nur 8% dagegen eine "Jugendprogramm zur Beeinflussung der Kinder- Zusatzausbildung in Verkehrsüberwachung. und Jugenddelinquenz" ausgearbeitet. In derselben Untersuchung wird auch Das "Jugendprogramm", das über die schon seit festgestellt, daß 4o% der jungen Polizei- längerem praktizierten Verkehrserziehungs- beamten den Eindruck haben, für den Einsatz programme hinausgeht, steht unter dem Leit- gegen Ruhestörer schlecht ausgebildet zu satz, daß Kinder und Jugendliche "Gesetze sein. Es wird vor allem die fehlende Übung nicht nur äußerlich zu spüren bekommen, son- im Gebrauch des Schlagstockes angeführt. dern auch innerlich annehmen" sollten. In Der W.O.D.C.-Bericht kommt zu dem Ergebnis, den Schulen sollen besonders geschulte Poli- daß jenseits der Frage einer besseren Be- zisten unter Einsatz audiovisueller Medien herrschung des Schlagstockeinsatzes stundenweise den Unterricht übernehmen. Auch hinter dieser Kritik eine weit tiefer- die Beteiligung an Elternabenden und in gehende Unsicherheit der jungen Beam- Jugendgruppen wird als "wertvoll" betrachtet. ten steht und schlägt deshalb vor, zum Die Polizei geht von der Einschätzung aus, einen das Training für den Einsatz in daß die Schüler die Polizisten als "Fachleute kleinen geschlossenen Gruppen stärker in Sachen Kriminalität" anerkennen und daher in die allgemeine Polizeiausbildung auf- deren "Hinweise intensiv verarbeiten". Als zunehmen und zum anderen für den Einsatz grundlegendes Lernziel wird anvisiert, den in großen geschlossenen Einheiten nur Polizisten als einen Menschen zu verstehen, lebensältere, erfahrene Beamte mit einer "an den man sich wenden kann, wenn man Hilfe Spezialausbildung heranzuziehen. benötigt oder in Not ist". Die Probleme mit dem Einsatz der ME Das "Freund- und-Helfer-Bild" der Polizei liegen jedoch nicht nur bei den unmittel- soll in möglichst frühen Lebensjahren bar im Einsatz befindlichen jungen

Beamten, sondern weisen auch auf Probleme J in der Polizeiführung hin. Die Reorganisa- Sicherheitstechnik 6/8o tion der Polizei verlangt, so van Reenen in seiner Polizeistudie, auch neue Gerät erkennt Sprache

Fähigkeiten auf der Führungsebene der m. - Über Telefon gesprochene Worte bestimmter Polizei. Sprecher soll ein Gerät erkennen können, das die japanische Hitachi entwickelt hat. Das Gerät ko- stet je nach Vokabular von 22 000 Dollar (16 Worte) bis 67 000 Dollar (128 Worte). ❑ +) Der Beitrag basiert auf einem Artikel von F.Kuitenbrouwer aus "NCR Handels- blad" vom 24.3.198o, Mobiele Eenheid omvad 2o% van de Nederlandse politie

1)Van Reenen wurde 1964 Polizeikommissar in Rotterdam, war danach Dozent am Studien- zentrum für höhere Polizeibeamte. Seit kurzem arbeitet er in der Polizeiunter- suchungskommission im Justizministerium W.O.D.C. Im vorigen Jahr promovierte er. Seine Dissertation mit dem Titel "Over- heidsgeweld" (Obrigkeitsgewalt) ist als Buch in der Ed.Samson erschienen. lo

bis 1973 relativ problemlos Arbeit und (1. - 4. Schuljahr) verinnerlicht werden. Wohnung fanden und aufgrund der damaligen Die Polizei erhofft sich hierdurch eine Altersstruktur auch kaum Ansprüche an die problemlosere Respektierung ihrer repres- "soziale Infrastruktur" unseres Landes siven Funktionen in späteren Lebensjahren. stellten, hat sich seitdem die Situation Während sie sich in den ersten vier grundlegend geändert. Das zurückgehende Schuljahren noch darauf beschränkt, "anhand Arbeitsplatzangebot im Zuge der "Ölkrise" überzogener Vergleichsbeispiele" zu ver- und der nachfolgenden Weltwirtschafts- deutlichen, "daß auch das Wegnehmen eines rezession sowie die überproportional kleinen Gegenstandes bereits einen Dieb- steigenden Wohn- und Wohnfolgekosten haben stahl darstellt", sollen ab dem 6.Schuljahr die wirtschaftliche Lage der Ausländer die "Sanktionsmöglichkeiten" der Polizei stärker verschlechtert als die der deut- anhand lebensnäherer Beispiele (z.B. schen Bevölkerung. Der gleichzeitig ein- Schwarzfahren") unterstrichen werden. Ab setzende verstärkte Nachzug der Familien der 8. Klasse könne "der Polizeibeamte be- bewirkte schwerwiegende Strukturverände- reit.p 'Fraktur reden''. Auch sollen die rungen der sozialen Einrichtungen wie Schüler darauf hingewiesen werden, "daß sie Kindergärten, Schulen etc. besonders in eventuell bei der Suche nach einer Lehrstelle den industriellen Ballungsräumen und Schwierigkeiten haben, wenn der Arbeitgeber führte zu einer erheblichen Verschärfung etwas Belastendes erfährt". der schichtenspezifischen Konflikte in Im Unterschied zu den Hauptschulen wird für allen Industrieregionen. Während nämlich die Realschulen besondere Vorsicht im Umgang bei den als volljährige Arbeitskräfte nach mit den Schülern angeraten. Vor dem Einsatz Deutschland gekommenen Ausländern der An- soll "immer mit den Lehrkräften durchgespro- teil der Nichterwerbstätigkeit nur knapp chen werden, ob unsere Arbeit nach den Prin- über und der Anteil der Kriminalität sogar zipien des Jugendprogramms hier sinnvoll unter derjenigen der deutschen Vergleichs- ist". Erfahrungen hätten gezeigt, "daß es bevölkerung liegt, hat sich diese Situa- in diesen Klassen oft zu lebhaften .... Diskussionen kam, jedoch die vorbeugende Ar-

beit nicht durchgeführt" werden konnte. 41MillionenAusländer lebten /979 in der Bundesrepublik Deutschland Das "Jugendprogramm", das seit Ende 1977 mit bescheidenem Personaleinsatz (2 Polizeibeamte) im Bereich der Hamburger Polizeidirektion West erprobt wird, soll jetzt auf den gesam- 1 Ittffi MIM ten Hamburger Raum ausgeweitet werden. AMM,Mi ittoi letWOMr \ Hinweis: über Varianten und Hintergründe poli- zeilicher Pädagogik finden sich mehrere Bei- /.2tetri" a" 3,833 träge im "Jahrbuch der Sozialarbeit 3", Mieder- jr 1587or hrsg. von A.D.Brockmann, M.Liebel und M. t t" hsi7,1,17 / it51111Franzosen t 697APoIsn \t 21017 Rabatsch, Reinbek b.Hamburg 1979. IM 11105 Schweizer 111711 Taabscho-elowelcon Tjmosier nm piketen' 3812Wegmn U121

Klaus Groth tion für die Ausländer der "zweiten" und "dritten" Generation - also für die hier POLIZEISTRATEGIEN ZUR BEWÄLTIGUNG DER in Deutschland aufgewachsenen oder gar AUSLÄNDERPROBLEME IN DER BRD hier geborenen Ausländer - grundlegend ge- ändert. Nur knapp die Hälfte der Ausländer- kinder erreicht gegenwärtig einen Haupt- "Als Menschen sind Ausländer nicht schlechter oder besser als wir. Aber...." 1) schulabschluß im Vergleich zu 8o% der 3) deutschen Schüler. Die Folge ist eine Die Bundesrepublik Deutschland beherbergt überproportional hohe Arbeitslosigkeit gegenwärtig 4 Millionen Ausländer - mehr unter ausländischen Jugendlichen und als jedes andere Land auf dem europäischen - nach neuesten Untersuchungen - auch eine Kontinent. über 9o% dieser Ausländer sind überproportionale Kriminalitätsbelastung 4) mit ihren Familien als "Gastarbeiter" nach bei den Altersgruppen bis 21 Jahren. Deutschland gekommen: 25% bereits vor mehr Mit dem im Jahre 1974 gewordenen 2) wirksam als 10 Jahren. Während diese Ausländer "Anwerbestop" für ausländische Arbeitnehmer 11

Aufenthaltszweck" entstanden darüber hinaus neue soziale deren "ursprünglicher für sie Problemfelder. Nach - allerdings sehr un- deshalb fortgefallen war, so daß nicht mehr galt. gesicherten - Schätzungen halten sich der Vertrauensgrundsatz Zwecke der Rück- 25o - 35o Tausend Ausländer ohne Wissen Darüber hinaus wurde zum 5) Ausweisungsermessen des der deutschen Behörden in Deutschland auf. führung von dem Ausländergesetzes in ver- Weiterhin kamen seit dem Anwerbestop über § 10 Abs. 1 des gemacht: Bereits loo.000 asylsuchende Ausländer nach Deutsch- stärktem Maße Gebrauch kurzfristiger land, die ebenfalls auf die ausländerspe- geringfügige Straftaten, zifischen Arbeits- und Wohnungsmärkte drän- Sozialhilfebezug, Verletzung der Unter- gen und darüber hinaus die Sozialhilfeetats haltspflicht öder unfallbedingte Erwerbs- der Gemeinden belasten. Für dieses Jahr unfähigkeit ohne weiterhin gesicherten werden nochmals über 1oo.000 Asylsuchende Lebensunterhalt wurden zum Anlaß einer erwartet. Ausweisung der zum Teil seit längerem in Deutschland lebenden"Gastarbeiteru- Polizeiliche Verminderungsstrategien familien genommen. 1974 bis 1977

Die mit der ordnungsbehördlichen Überwachung Übergang zur Integration der Ausländer betrauten Polizeibehörden Als sich in den Jahren 1976/77 heraus- reagierten auf die sich 1973/74 abzeichnen- stellte, daß die rechtlich und wirtschaft- den Probleme mit dem "Anwerbestop" und lich möglichen Rückführungsstrategien nur danach zuerst mit dem Versuch der Vermin- einen unbedeutenden Teil der Ausländer er- derung der Ausländerbevölkerung. Während fassen konnten und die Gesamtz4hl trotz - von Ausnahmefällen abgesehen - bei der Anwerbestops aufgrund des Nachzugs von Anwerbung der Gastarbeiter die Zeit der Ehegatten und minderjährigen Kindern weiter- Tätigkeit in Deutschland regelmäßig offen- hin stieg, verlagerte sich die Diskussion gelassen worden war, versuchten nun vor zur Bewältigung der Ausländerprobleme auf allem die bayerischen Behörden unter Be- die Frage der Integration der ausländischen rufung auf eine angeblich ursprünglich Arbeitnehmer. Formal schlug sich dieser einmal vorgesehene "Rotation" der Gastar- Strategiewechsel in der am 1. Oktober 1978 beiter, die Aufenthaltszeit nachträglich in Kraft getretenen Änderung der Verwal- auf fünf Jahre zu beschränken und die Be- tungsvorschrift zu den §§ 7 und 8 des Aus- troffenen durch Nichtverlängerung ihrer ländergesetzes nieder, wonach nunmehr den Aufenthaltserlaubnis zur Rückkehr zu ausländischen Arbeitnehmern in der Regel zwingen. Rechtlich steht diesem Verfahren nach fünfjährigem ununterbrochenen recht- der "Vertrauensgrundsatz" entgegen, der mäßigen Aufenthalt eine unbefristete nach der Rechtsprechung des Bundesverfas- Aufenthaltserlaubnis und nach weiteren sungsgerichtes ein wesentliches Prinzip drei Jahren eine Aufenthaltsberechtigung der Rechtsstaatlichkeit (Art. 2o GG) ist erteilt wird, wenn sie sich "in das wirt- und der dazu führt, daß eine bereits schaftliche und soziale Leben in der Bun- mehrmals verlängerte Aufenthaltserlaubnis desrepublik Deutschland eingefügt haben weiterhin verlängert werden muß, wenn sich und insbesondere über ausreichende Kennt- die Sach- oder Rechtslage nicht wesentlich 7) 6) nisse der deutschen Sprache'verfügen". ändert. Mit dieser rechtlichen Verfestigung des Die Durchsetzung einer "Rotation" im größe- Aufenthaltsstatus von ausländischen Ar- ren Umfang stieß aber auch auf den Wider- beitnehmern wurde allerdings noch keine stand der Wirtschaft, die auch weiterhin Entscheidung zugunsten einer von mehreren auf ausländische Arbeitnehmer angewiesen denkbaren Varianten der "Integration" ge- und nicht bereit ist, auf jahrelang ein- troffen. Während nämlich die sozialpoli- gearbeitete und mit den jeweiligen Beson- tisch orientierten Ordnungsbehörden für ein derheiten der Betriebe vertraute Arbeitneh- "Angebot auf Vollintegration" plädieren, mer zu verzichten. votieren die Innenressorts mehrheitlich Aus diesen Gründen waren die Ausländerbehör- für die sogenannte "pluralistische den gezwungen, sich bei der ins Auge gefaß- Integration", die den Ausländern durch ten "Rückführung" auf Ausländer zu be- "Bewahrung ihrer Heimatkultur" die schränken, die aufgrund längerer Arbeits- jederzeitige Möglichkeit der Rückkehr losigkeit und mangels "Vermittelbarkeit" offen halten soll. keine neue Arbeitserlaubnis erhielten, Die Sozialbürokratien gehen mehrheitlich 12

davon aus, daß der Bedarf an ausländischen Kindern abhängig machten.11) Dieses Vorgehen Arbeitskärften in absehbarer Zeit das ist jedoch hinsichtlich der leiblichen min- neutige Niveau nicht wesentlich unter- derjährigen Kinder verfassungswidrig und schreiten wird; dementsprechend glauben wird dementsprechend kaum noch praktiziert. sie, daß in Zukunft polizeiliche Interven- Das gleiche gilt für den Nachzug von Groß- tionen nur insoweit notwendig sein werden, eltern, die zur Unterstützung der bereits wie die interkulturellen Konflikte zwi- in Deutschland befindlichen Kernfamilie 12) schen der deutschen und der ausländischen benötigt werden. Bevölkerung und den verschiedenen Auslän- dergruppen untereinander sicherheitsgefähr- dende Ausmaße annehmen. Das Mittel zur Junge Ausländer fühlen sich als Abschwächung und tendenziellen Auflösung dieser Konflikte ist aus der Sicht der , un eliebte Sozialbürokratien die Vollintegration. Gäste" Prozent vor dem 15. Lebensjahr einge- Die Innenbürokratien möchten sich dagegen MÜNCHEN, 21. Juli (dpa). Jeder reist, doch nur 30 Prozent hatten einen zweite jugendliche Ausländer fühlt deutschen Schulabschluß und knapp 50 sowohl für größere Wirtschaftskrisen wie sich in der Bundesrepublik als '„unge- Prozent die deutsche Hauptschule nach liebter Gast". Mehr als 40 Prozent be- der neunten Klasse verlassen. Lediglich auch zur Entlastung im Rahmen "normaler" fürchten, wieder in ihre Helmatfzurück- 20 Prozent hatten eine Ausbildungs- geschickt zu werden. Jeder vierte leidet stelle, der Anteil der Arbeitslosen lag Sicherheitslagen die Möglichkeit einer unter Vorurteilen und Diskriminierung pepzent: Von den ausländischen seiner Umwelt. Dieses Ergebnis lieferte rohen ohne deutschen Schulab-' eine Befragung von ö00 jungen Auslän- lurhatten 90 Prozent keine Lehr- Rückführung ausländischer Bevölkerungs- dern zwischen 15 und 20 Jahren in stelle Ute Hälfte der Arbettentett Wir Augsburg, München und Nürnberg.... bereits über ein Jahr ohne Beschäfti- teile weitgehend offenhalten und stehen Neben der Ausländerfeindlichkeit ist. gung, was Sozialminister Fritz Pirkl am das größte Problem der Kinder auslän- Montag vor der Presse in München als deshalb jeder Verfestigung des Aufenthalts- discher Arbeitnehmer die Arbeitslosig- „besonders brisant" bezeichnete..... keit, die oft eine Konsequenz ihrer uh- status' ablehnend gegenüber, sobald sie genügenden Schulausbildung ist. Zwar waren 20 Prozent der Befragten schon zu Rückführungserschwernissen führt. Bis- länger als zehn Jahre in Bayern, etwa 63 Prozent länger als fünf Jahre und 70 her haben sie sich mit diesem Argument auch gegenüber jeder Initiative zur ge- FRANKFURTER RUNDSCHAU,22.7. 198o setzlichen Festlegung integrativer Maß- nahmen durchgesetzt.

Familiennachzug Rechtlich ungeklärt und deshalb ein Feld Unabhängig davon, welchem Integrationsmo- ständiger Auseinandersetzungen zwischen dell die einzelnen Polizeibehörden im Ausländern und Ausländerbehörden ist der 9) weitesten Sinne anhängen, sind sie sich Nachzug der übrigen Familienangehörigen. darin einig, daß der weitere Zustrom von Hier wird bisher überwiegend die Auffas- Ausländern in die Bundesrepublik mit allen sung vertreten, daß insoweit der Schutzbe- Mitteln verhindert werden soll. Dieser Stra- reich des Art. 6 GG nicht berührt ist, tegie steht jedoch vor allem die mit Ver- so daß die Ausländerbehörde den Nachzug fassungsrang ausgestattete Verpflichtung nicht zu dulden braucht. Neuerdings wird des Staates zum Schutze von Ehe und Fami- jedoch diskutiert, ob insoweit hinsichtlich 1o) lie (Art. 6 GG) entgegen. der länger in Deutschland aufhältlichen oder hier geborenen Nicht-EG-Ausländer eine Diese Vorschrift bezeichnet gegenwärtig Angleichung an die durch § 1 Abs. 2 eins der beiden Hauptproblemfelder einer des EWG-Aufenthaltsgesetzes privilegierten polizeilichen Durchsetzung des absoluten EG-Ausländer geboten ist. "Einwanderungsstops". Die Probleme des Familiennachzugs beruhen soziologisch Asylantenwelle darauf, daß in den wichtigsten Gastarbeiter- anwerbeländern - insbesondere in Jugosla- Die restriktive Anwendung des Ausländerge- wien und in der Türkei - nicht nur die setzes nach dem Anwerbestop hat, verbunden Familiengröße weit über der deutschen liegt, mit den wirtschaftlichen und politischen sondern auch ein ganz anderer Familienbe- Entwicklungen in der Türkei, im Nahen und griff vorherrscht. Mittleren Osten sowie in einigen Ländern Afrikas dazu geführt, daß die in diesen Die Ausländerbehörden versuchten ursprüng- Ländern seit jeher bestehende Tendenz zur lich, den Familiennachzug insgesamt zu Arbeitsemigration sich auf dem Weg über verhindern, indem sie die Aufenthaltser- das deutsche Asylrecht realisiert. laubnis der Eltern mit Auflagen versahen, die den Familiennachzug ausschlossen, oder Das deutsche Asylrecht eignet sich dazu, die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis weil es im Gegensatz zum Asylrecht aller von der Nichteinreise oder Rückkehr von anderen Staaten der Welt einen verf'assungs- 13

mäßig (Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG) festge- wegen sich deshalb in durchaus polizeilich schriebenen, vom Ermessen der Exekutive relevanten Größenordnungen in den ver- rechtlich völlig unabhängigen Anspruch auf schiedensten sicherheitsempfindlichen Aufenthalt gibt, der erst nach rechtskräfti- Subkulturen (Prostitution, Drogen, Klein- gem (und das heißt nach Art. 19 Abs. 4 kriminalität, "Schlepperorganisationen", des Grundgesetzes: auch ein gerichtliches illegale Arbeitsvermittlung usw.)15). Hier- gegen versucht Verfahren einschließenden) negativen Ab- die Polizei vor allem durch Verhinderung der schluß eines besonderen behördlichen Aner- Asylantragstellung vorzu- kennungsverfahren endet. gehen, obwohl es hierzu an jeder gesetz- Nun ist notwendigerweise die Unter- lichen Grundlage fehlt. Zurückweisungen scheidung zwischen wirklich politisch Ver- von "Touristen" aus bis vor kurzem noch folgten, vermeintlich politisch Ver- visumsfreien Ländern wie Indien, Bangladesh folgten und bloßen Wirtschaftsflüchtlingen und der Türkei sind an der Tagesordnung; schwierig. Da nach dem Wortlaut des Aus- bei Ländern der Dritten Welt mit Visums- ländergesetzes die einfache Behauptung zwang dürften sie sogar selbst dann die einer politischen Verfolgung ausreicht, um Regel sein, wenn der Betroffene seine das gesetzlich vorgeschriebene behördliche Absicht, einen Asylantrag zu stellen, und gerichtliche Anerkennungsverfahren in an der Grenze zum Ausdruck bringt, soweit Gang zu setzen, kann ein unter Vorspiege- er nicht zugleich konkrete Gründe vor- lung politischer Verfolgung in die Bundes- trägt (was häufig bereits wegen fehlender 16) republik Deutschland einreisender Ausländer Sprachkenntnisse unmöglich ist). gegenwärtig bei Ausschöpfung aller Rechts- Soweit die "Asylbewerber" von "Schlepper- mittel mit einem Aufenthalt von dreieinhalb organisationen" betreut werden (was für 13) bis sieben Jahren rechnen. Diese Tat- Pakistan, Ghana und die Türkei nachweisbar sache war unter polizeistrategischen ist), reagieren sie auf solche Praktiken Gesichtspunkten solange irrelevant, wie mit Ausweichbewegungen über Berlin oder die Ausländer den Ausgang ihres Asylverfah- die "grünen" Grenzen. Beim Bundesgrenz- rens entsprechend der Vorschrift des § 4o schutz ist inzwischen ein eigenes Sachge- des Ausländergesetzes in einem Sammellager biet für die Beobachtung und Abwehr solcher mußten. Im Jahre 1974 wurde das Ausweichbewegungen eingerichtet worden, was abwarten • Sammellager jedoch wegen Oberfüllung ge- zur Folge hat, daß die nicht organisierten schlossen; seitdem werden die Asylbewerber Asylbewerber - wozu auch in der Regel die über das gesamte Bundesgebiet verteilt, wirklich politisch Verfolgten gehören - den Gemeinden zur Unterbringung zugewiesen Schwierigkeiten haben können, nach Deutsch- und vom Arbeitsamt zum Arbeitsmarkt zuge- land zu gelangen. Asyl- lassen. Daraufhin stieg die Zahl der Gelingt dem Ausländer die Einreise und Stel- antragsteller von knapp 10.000 im Jahre lung eines Asylantrages, so konzentrieren für 1975 auf über 50.000 im Jahre 1979; sich die Ausländerbehörden in Berlin und Verdoppe- das Jahr 198o ist eine nochmalige Hessen (in anderen Bundesländern sind ent- lung auf über 100.000 Asylantragsteller sprechende Versuche mehr oder weniger weit- führt zu zu erwarten 14) Diese Situation gehend an der Rechtsprechung gescheitert) einer Fülle neuer polizeilicher Probleme, im Rahmen der jeweiligen personellen Mög- auf die mit unterschiedlichen Strategien lichkeiten auf die Feststellung des "Miß- reagiert wird. brauchs" des Asylbegehrens, die nach einer Unter Sicherheitsgesichtspunkten erscheint 1977 in Kraft getretenen Änderung der Ver- für die Polizei vor allem die durch die waltungsvorschriften zu § 36 des Ausländer- Asylbewerber bewirkte Vergrößerung des gesetzes die sofortige Abschiebung des Asyl- 17) "sozial mobilen" Anteils der ausländi- bewerbers erlaubt. Allein in Berlin sind schen Bevölkerung als Problem. Da die Asyl- seit Mitte 1978 über 2.500 solcher Verfahren bewerber weder bei Sozialhilfebezug noch durchgeführt worden. Die Rechtsprechung hat bei Verstößen gegen Aufenthalts- und Melde- jedoch auch hier - soweit sie befaßt war, vorschriften oder in Fällen leichter oder was in Berlin in einigen Fällen in rechts- mittelschwerer Kriminalität ins Ausland widriger Weise durch die Behörden verhin- abgeschoben werden dürfen und häufig im dert wurde - weniger als die Hälfte (mit Inland auch keinen Familienbezug haben, sinkender Tendenz) dieser Maßnahmen gebil- sind sie nicht auf kontinuierliche Arbeits- ligt. Wohnverhältnisse angewiesen und be- und Durch die Feststellung des"Mißbrauchs" des 14

An- setzentwurf über die Beschleunigung des Abschiebeverfahrens ein. II 1 erkennungs- und esty spricht von Aushöhlung halten den Die CDU/CSU-regierten Länder des 'deutschen Asylrechts Gesetzentwurf für ineffektiv. fltiVerfolgte-darf nieteradeitert werden" haben ihm aber im Bundesrat aus wahltakti- 3 nun (dpa). Dhi deutsche Sektion der Iden- erteilt stlieniechtsergenisation Amnesty Internatio- schen Gründen im Bundesrat die Zustimmung nal berferchtet, des du liberale Asylrecht der Rundeerepubnk durch eine zunehmend härte- (Ausnahme Bayern).Trotzdem dürfte sicher sein, re Haltung der Behörden aasgehöhlt wird. In einer Interillesang, die bei der Jahresver- daß in der Asylfrage noch nicht die letzte Ent sanualung der Organisation über Pfingsten In Aachen verabschiedet wurde, bezeichnete scheidung getroffen ist.Be- Amnesty die derzeitige Entwicklung der Asyl- politik in der Bundesrepublik als „Im blich- scheint schon jetzt die Sorge Anna Maße besorgniserregend". Diese Ent- rechtigt wicklung drohe du Grundrecht politisch ver- International, daß das Grund- folgter Ausländer auf Aufnehme, Schutzge- von Amnesty währung und menschanwerdige Behandlung Praxis fn seinen Grundfesten zu erschüttern. recht auf Asyl durch die gängige Der TAGESSPIEGEL,28.5. 198o der Polizeibehörden ständig ausgehöhlt wird, und die Gefahr besteht, daß es im jetzt geführten Parteienstreit eingeschränkt wird.

Asylrechts versucht die Polizei auch ein Anmerkungen: weiteres von der Asylantenwelle ausgehendes 1) Dr. Alfred Stümper, Landespolizeipräsi- Problem zu steuern: die "Aushöhlung" der dent Baden-Württemberg, Zur Ausländer- problematik, in; Die'Polizei, 198o, allgemeinen ausländerrechtlichen Eingriffs- S. 101 möglichkeiten. Die klassischen Diszipli- 2) Statistisches Bundesamt, Fachserie Be- nierungsmittel gegenüber der Ausländerbevöl- völkerung und Erwerbstätigkeit, Reihe 1.4., 3o.9.1977 kerung - die Ausweisung und die Nichtver- 3) Vgl. Rittstieg, Zur Rechtslage junger längerung der Aufenthaltserlaubnis - ver- Ausländer, in: Zeitschrift für Rechts- lieren an Wirksamkeit und (weit über ihren politik, 1979, S. 14, unter Bezugnahme auf neuere Zahlen aus Nordrhein-West- konkreten Anwendungsbereich hinausgehend) falen 18) an Legitimation, wenn der Betroffene 4) Vgl. Albrecht/Pfeiffer, Die Kriminali- durch Stellung eines Asylantrags die "Not- sierung junger Ausländer in der Bundes- - Befunde und Reaktionen sozialer bremse" ziehen und seinen weiteren Ver- republik Kontrollinstanzen, München 1979. bleib in Deutschland erzwingen kann. Da es Die Studie von Albrecht und Pfeiffer, deren kriminalitätsstatistischer Ansatz jedoch auch Fälle gibt, in denen wirklich nicht unumstritten ist, wird bestätigt politisch Verfolgte sich mit einem nur im durch folgende Einzeluntersuchungen: Alkohol-Delinquenz von Aus- Rahmen des allgemeinen Ausländerrechts ge- Schuster, Die ländern in Mittelhessen, in: Blutalkohol sicherten Aufenthalt zufrieden geben und Vol. 17/1980, S. 151, sowie Gundlach, dem erst anläßlich einer ausländerpolizeilichen Großstadt-Ausländerkriminalität aus Blickwinkel der "fast-Millionen-Stadt" Maßnahme auf ihr Recht nach Art. 16 Abs. 2 Köln, in: Die Polizei 1979, S. 314 - 319 Satz 2 GG zurückgreifen, bewegt sich auch und 349 - 353. hier die Polizei ständig auf schwankendem 5) Vgl. die Angaben in dem "Spiegel"-Artikel (Nr. 5o/1979, S. 37): "Auf Biegen und rechtlichen Boden mit der Folge, daß es Brechen zu den Deutschen" nicht selten zu Mißgriffen kommt. 6) Vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 26.9.1978, in: Deutsches Verwaltungs- Aufgrund dieser Probleme sind die Innen- blatt 1978, S. 881 bürokratien gegenwärtig intensiv damit 7) Verwaltungsvorschrift zu § 8 AuslG vom beschäftigt, durch neue gesetzliche und 7.7.1978, GMB1. 1978, 368 administrative Maßnahmen eine Eindämmung 8) Vgl. im einzelnen das Memorandum des Beauftragten der Bundesregierung, Minister- der Asylantenwelle zu erreichen. Im Juni präsident a.D. Heinz Kühn: Zum Stand und Integration wurde von der Bundesregierung ein "Sofort- zur Weiterentwicklung der der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer programm gegen Mißbrauch des Asylrechts" Familien in der Bundesrepublik Deutsch- Bonn, September 1979 angeordnet. land, Danach wird Asylsuchenden für die ersten 9) Der Leser wird bereits gemerkt haben, daß diesem Aufsatz ein funktioneller zwölf Monate die Arbeitserlaubnis verwei- und dementsprechend sehr weiter und gert. Für die Dauer des Anerkennungsverfah- "schwammiger" Begriff von "Polizei" zugrunde liegt. Diese Sichtweise ent- rens wird das staatliche Kindergeld ver- spricht im Bereich der Ausländerprobleme sagt. - im Gegensatz zu sonstigen Sicher- heitsfragen - jedoch durchaus dem Problem- Die Visumpflicht wird auf die Länder Türkei, bewußtsein der Institution Polizei Bangladesh und Indien erweitert. Im März selbst: "Es wäre aber nun völlig falsch, das wurde sie schon für Sri Lanka, Ausländerproblem nur oder auch nur und Äthiopien eingeführt. Die sozialliberale überwiegend aus der speziellen Sicht des Polizisten oder eines sonstigen Koalition brachte einen eilbedürftigen Ge- Sicherheitsmannes zu sehen. Vielmehr 15

müssen wir in der Entwicklung realisti- scher sicherheitsmäßiger Vorstellungen RASTERFAHNDUNG: EINE NEUE POLIZEILICHE einen Ansatzpunkt finden, der nicht FAHNDUNGSMETHODE nur die Auswirkungen auf die innere Sicherheit und dabei speziell krimi- nalistische und kriminalpolitische Im Lauf der letzteh zwei - drei Überlegungen zum Gegenstand hat, son- Jahre ist dern der das gesamte Spektrum sieht eine, neue Methode polizeilicher Fahndung und von dem man dann das Gewicht der in den Blickpunkt der Öffentlichkeit spezifischen Sicherheitsinteressen ge- richtig einjustieren kann." rückt: die Rasterfahndung. Wie oft (über (Stümper, a.a.O., S. 102) die hier bekanntgewordenen und nicht 10) Zum Familienschutz im Ausländerrecht dementierbaren Fälle der Registrierung vgl. Henke, in: Albrecht (Hrsg.), Das Düsseldorfer Reformprogramm zum von Grenzgängern während der Schleyer-Ent- Ausländerrecht, 1976, S. 101 führung, dem sog. Annoncenprogramm, hinaus) 11) Vgl. z.B. die Grundsätze des Baye- und in welchem Umfang diese Methode rischen Staatsministeriums des Inneren ange- zum Nachzug von Familienangehörigen wandt worden ist, läßt sich kaum feststel- ausländischer Arbeitnehmer vom 12.1.1976, len. Denn den im Rahmen eines abgedruckt in: Albrecht, a.a.O., S.389 solchen Fahndungsprogramms Überprüften wird 12) Vgl. zu diesen "familienfunktionstüch- dieser tigen Großmüttern" Urteil des Bundes- Vorgang in der Regel nicht bekannt, da 'nur' verwaltungsgerichts vom 3. Mai 1973, deren in den herangezogenen in:Neue Juristische Wochenschrift 1973, Dateien gespei- S. 217o cherten Daten zur Prüfung herangezogen eir 13) Vgl. Frankfurter Rundschau vom 6.5.198o: werden. Nur in den Fällen, in denen direkte "SPD-Politiker für schnellere Asylver- polizeiliche Ermittlungen fahren". Die Zeitdauer des deutschen angestellt worden Asylverfahrens und die Möglichkeiten, sind, erhielten einige wenige davon Kenntnis, es zu verlängern, werden inzwischen daß sich für ihre Person zumindest in der Türkei (aus der 1979 Auffälligkeiten über ein Drittel und gegenwärtig fast ergeben hätten, die aus einem Datenabgleich die Hälfte aller Asylbewerber kommt) verschiedener öffentlich erörtert; vgl. die Artikel- (nichtpolizeilicher) Dateien serie "Wie bekommen die Türken in Deutsch- resultierten. land Asyl" (sinngemäße Übersetzung) in der türkischen Zeitung "Günaydan" vom Die im Januar dieses Jahres 24.2. bis 1.3.1980 bekanntgewor- dene Anwendung der Rasterfahndung im Rah- 14) Vgl. BT-Drucksache 8/448, S. 2. Die men des sog. Energieprogramms neuesten Zahlen, aus denen sich eine noch über 100 000 liegende Zahl für Die Kenntnis von der im Winter 1979/8o 198o hochrechnen läßt, sind in dem durchgeführten Rasterfahndung im Rahmen FR-Artikel, a.a.O., genannt. des "Energieprogramms" geht zurück auf Be- 15) Empirische Untersuchungen hierzu liegen meines Wissens noch nicht vor. Viele troffenen-Berichte (vgl. Die Tageszeitung Einzelbeobachtungen sprechen aber für vom 22.1.198o, Der Spiegel vom 4.2.198o diese These, vgl. z.B. "Spiegel" Nr.15/ 1979, S. 1o8 (Ghanaische Asylbewerber und einen Bericht der Wochenzeitung Quick). im St.Pauli-Milieu); FAZ 185/1979 Die Funktionsweise des Verfahrens (vgl. (Petra Michaely weist auf eine hohe • Kriminalitätsrate im Asylantenlager dazu auch den Beitrag "Von Rechner zu Hirschbach hin); "Spiegel" Nr.5o/1979 Rechner" in dieser Ausgabe") läßt sich (Asylanten und illegale Arbeitsver- mittlung) exemplarisch am sogenannten "Energiepro- 16) Vgl. "Spiegel" Nr. 5o/1979, a.a.O. gramm" illustrieren, dem die einfache 17) Änderung der Allgemeinen Verwaltungs- polizeiliche Annahme zugrunde lag, daß Strom- vorschrift zur Ausführung des Ausländer- rechnungen für konspirative Wohnungen der gesetzes vom 29. März 1977, GMB1. S.2o2 Terroristen bar bezahlt werden bzw. Zweit- 18) Stümper, a.a.O., S. 1o1 f., beschreibt diesen Tatbestand auf folgende für die wohnungen potentiell konspirative Wohnungen polizeiliche Sichtweise typische Art: sind. "(Es ist) die entscheidende Frage, ob die Verhältnisse in der Ausländer- Ablauf der Rasterfahndung "Energieprogramm" politik geordnet, durchsichtig struk- turiert oder ungeordnet, undurchsich- 1. Die Polizei bittet die Energieunternehmen, tig und unklar sind. Eine nicht sauber ihr Daten von Kunden zu überlassen, bei geplante, geordnete und auch konse- quent durchgesetzte sowie durchgehal- denen Rechnungsort und Bezugsort nicht tene Ausländerpolitik stellt einen ganz identisch sind bzw. Stromrechnungen bar besonderen Faktor für die zukünftige Entwicklung der inneren Sicherheit und bezahlt werden. In Berlin geschah dies der Sicherheit überhaupt dar." bereits im Frühjahr 1979. Bei den anderen Fällen des "Energieprogramms" ist das Datum bis heute nicht bekannt. Daß Rasterfahndung erfolgte, wurde im Januar 198o durch Betroffenen-Berichte öffent- lich. 16

Von einem „positiven Dateienabgleich" wäre zu spre- 2. Von den Energieunternehmen wird die von chen, wenn es gilt, die in zwei Dateien identisch, also der Polizei gewünschte Auswahl nach deren übereinstimmend vorhandenen Daten positiv auf ei- Kriterien selbst vorgenommen. nem dritten Datenträger zu speichern. Dies ist z. B. der Fall, wenn die Polizei ein Magnetband mit allen Die Energieunternehmen übermitteln der 3. kraft richterlichen Haftbefehls gesuchten Straftätern Polizei (Landeskriminalämter, Bundes- gegen ein Magnetband aller Einwohner eines be- kriminalamt) die gewünschten Daten. stimmten Ortes mit dem Ziele spielt, auf dem Ergeb- nisband alle durch Haftbefehl gesuchten Einwohner Während die Hamburger HEW die Herausgabe zu notieren. Die Bezeichnung „positiv" stutzt sich dar- durch für unzulässig ansah und deshalb auf, daß die Suche einem auf beiden Bändern positi- den Beschluß des Ermittlungsrichters am ven Ergebnis, nämlich dem Treffer auf beiden Bän- dern, dient. Ist der Zweck der Datensammlungen auf Bundesgerichtshof dazu gezwungen wurde, den zu vergleichenden Bändern gerade auf die Erzie- lieferten die übrigen befragten Unter- lung solcher Ergebnisse gerichtet, werden gegen die nehmen die Daten freiwillig an die Zulässigkeit eines positiven Dateienabgleichs kei- ne Bedenken zu erheben sein. Zweck des Einwohner- Polizeibehörden. meldewesens ist es u. a., der Polizei die Fahndung zu 4 Die Polizeibehörden fertigen sich von ermöglichen. Stellt der Bürger der Einwohnerinelde- den übermittelten Datenbändern Kopien behörde seine Meldedaten zur Verfügung, muß er mit fahndungsmäßiger Überprüfung rechnen. Anders oder Auszüge an. Anderslautende Äuße- gelagert dagegen sind die Fälle. in denen der Bürger rungen seitens der Polizei (Berliner bei Hergabe seiner Daten darauf vertraut, daß sie Innensenator Ulrich, zit. nach Der ausschließlich den angestrebten Zwecken dienen, z. B. bei Angaben beim Arzt oder bei der Krankenver- Tagesspiegel , 31.1 .198o: sicherung. Nur bei strengster Beachtung des Verhält- "Die Vertraulichkeit der Dateien sei nismäßigkeitsgrundsatzes dürfte ein „positiver Da- gesichert gewesen; die BEKAG habe ihr teienabgleich" des polizeilichen Fahndungsbestan- Datenband Anfang Oktober zurückerhalten." des zu solchen Dateien zulässig sein. Morder müssen und des Polizeipräsidenten Hübner (zit. auch in Krankenversicherungsbeständen gesucht a.a.O.) werden können, Verkehrssünder sicherlich nicht. Im Gegensatz zum positiven Dateienabgleich er- "Polizeipräsident Hübner betonte, die strebt der „negative Dateienabgleich" kein Ergebnis- Polizei habe kein Material zurückgehal- band, auf dem sich positive Treffer ten und keine Kopien angefertigt.") sammeln. Viel- mehr soll der Datenbestand des Ausgangsbandes erweisen sich als unwahr, da in der Ab- fortschreitend dadurch vermindert werden, daß sprache des Berliner Datenschutzbeauf- durch ein Gegenspiel eines oder mehrerer Gegen- tragten mit den Polizeibehörden der bander Daten aus dem Ausgangsband so lange her- ausgeloscht werden, bis auf ihm nur noch ein Boden- Löschungstermin für Daten Unverdächtiger satz negativer Treffer verbleibt. Ist z. Ei, von einem ge- mit dem 15.4.198o festgesetzt worden suchten Terroristen bekannt, daß er Stromrechnun- war (Der Tagesspiegel, 6.2.198o). gen für eine von ihm konspirativ unterhaltene Woh- nung jeweils durch Bareinzahlung begleicht, und Eine Zurückhaltung von Daten der Energie- weiß man ferner, daß er polizeilich nicht gemeldet ist, bezieher (ob nun Originalbandkopie oder kein Kraftfahrzeug unterhalt, kein Kindergeld bezieht manuelle Übertragung) muß also stattge- usw., so ließe sich diese Fahndungsaufgabe in einen „negativen Dateienabgleich" übersetzen. Im Bei- funden haben. spielsfall würde gegen ein Magnetband mitden Daten 5. Der von den Energieunternehmen der Poli- aller barzahlenden Stromkunden ein Magnetband zei übermittelte Datensatz wird von die- aller polizeilich gemeldeten Personen gespielt, um auf dem Stromkundenband alle gemeldeten Personen der unter Anwendung weiterer Kriterien zu löschen. Aus dem nun um die Daten gemeldeter verringert durch Abgleich mit den Melde- Personen verminderten Datenbestand des Strom- dateien etc. kundenbandes werden sodann durch das Gegen- spiel des Kfz.-Halter-Bandes weiterhin alle Kfz-Halter 6. Der verbliebene Restbestand von Daten herausgelöscht, anschließend durch das Gegenspiel der Energieunternehmen wurde nun zum des Kindergeldbandes aller Kindergeldbezieher Ausgangspunkt konventioneller Fahndungs- usw., bis schließlich auf dem Ausgangsband nur noch ein geringer Rest ungelöschter Daten verbleibt, der arbeit. dann polizeilich überprüft werden muß. Bei diesem Das System der Rasterfahndung wurde vorn sogenannten negativen Dateienabgleich erhält die BKA-Chef Herold in Heft 2/198o der von der Polizei sonach von den Inhalten des Ausgangsban• des und der Gegenbänder überhaupt keine Kenntnis Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer sondern nur noch von dem nichtgelöschten Rest an Juristen Berlin herausgegebenen Zeitschrift Daten des Ausgangsbandes. Die früheren herkomm- "Recht und Politik" wie folgt beschrieben: lichen, breitflachig angelegten Fahndungsmaßnah- men der Polizei mit ihren unausbleiblichen Eingriffen Amtshilfeersuchen auf die einma- Soweit polizeiliche in die Privatsphare Unbetroffener werden mit Hille zielen, werden da- lige Gewinnung von Massendaten der modernen Technik grundrechtskonform durch Datenabeleichs für die Formen des elektronischen nahezu klinisch sterile Fahndungsformen ersetzt. ein Rechner zu Rechner oder von Ma- — entweder von Beispielsfall dafür, daß die elektronische Datenverar- Da nur diese gnetband zu Magnetband — eingesetzt. beitung auch erhebliche Verbesserungen im Men- kontrollierbar sind, sollten Techniken beherrsch- und schenrechts- und Grundrechtsschutz zu bewirken massen- grundsätzlich die herkömmlichen Formen vermag. hafter Informationsgewinnung zwischen zwei arnts, hilleeesuchenden Behörden ausgeschlossen sein. Für das Verfahren des Dateienabgleichs lassen sich zwei Regelgruppen normieren. 17

Die neue Qualität der Rasterfahndung u Für die Polizei erscheint die Rasterfahn- Hübner izedauerte, daß angesichts des dung nicht als prinzipiell ,Modetrends Datenschutz" sich eus der Neues; neu k: Arbeitsgemeinschaft der Polizeipräsiden- erscheint nur die mit der EDV mögliche An- t ten nur noch BKA-Präsident Herold und er für den vollen Ausbau polizeilicher Da- wendung der Methode auf größerer Stufen- . terraarnmititgen einsetzten. Er bekannte elch auch voll zu seiner Forderung von leiter. Tatsächlich entspricht die Grund- 1975, daß die Polizei Zugang zu den Daten g von Arbeitsämtern, Krankenkessen, 74- struktur der Rasterfahndung in ihrer for- na=Ämtern, Vollzugsanstalten, Pfandleih- . betreben, Kreditschutzeinrichtungen und malen Struktur dem traditionellen Vorgehen Gespräche über tt .der BfA haben müßte. einen Datenverbund liefen mit der AOK. eines Kriminalkommissars bei seiner Er- ;. Auf den Vorhalt, daß dies zur totalen Er- mittlungstätigkeit. Er besitzt vielfach fassung aller Lebensbereiche des Bürgers . führe, meinte Hübner, er als Polizeipräal- nur Anhaltspunkte für die konkrete Tat und t deut müsse das totale Fahndungsinteresse enmelden; es sei „Sache des Souveräns", seinen Erfahrungsschatz über typische Merk- ihm die Grenzen zu setzen. _ funi".^-1.rt..r • • male bestimmter Täter (etwa Betrüger, Diebe etc.), Verdachtsraster gegenüber bestimmten P6pulationen (z.B. Homosexuelle, Zuhälter etc.) oder aber über bestimmte Begehungs- Hübner,Polizeipräs.in Berlin Berl.Strafverteidi- formen einzelner bereits als Täter aufgetre- gegenüber gern am 14. 1 1 . 1979,vgl.Anwalts- tener Personen (modus operandi). In der Er- blatt 6/79 mittlungsarbeit siebt der Kommissar anhand seiner Verdachts- und Erfahrungsraster auch häufig bestimmte Personengruppen aus, ver- sucht einzelne aus dieser Gruppe als Tat-

verdächtige zu fixieren, dann nach ihm zu mittlung gestellt. Gefahndet wird zunächst fahnden und, wenn möglich, als Täter ding- nach abweichenden Merkmalsträgern, aus fest zu machen. denen dann durch weitere Merkmalsvergleiche Die besondere Qualität der Rasterfahndung einzelne Personen herausgesiebt werden. ergibt sich nun nicht allein aus der enor- Gegen letztere wird dann polizeilich "er- men quantitativen Ausweitung des Prinzips, mittelt", indem der angenommene Verdacht die Differenzen sind vielmehr struktureller (Wohnungsanmietung über den Makler, Bar- Natur. zahler von Rechnungen/Hochaus/Terrorist) Die traditionelle kriminalpolizeiliche Er- spezifisch überprüft wird. Für denjenigen, mittlung beruhte auf der weitgehend erfah- gegen den schließlich konkret ermittelt rungsgebundenen Selektion eines Täters aus wird, mag der Unterschied gering sein. Ins- einer verdächtigen Population. In diese Ver- gesamt jedoch verbleiben folgende Unter- dachtsraster kann auch ein Umschuldiger schiede festzuhalten: fallen. Im Prinzip jedoch nur, soweit dessen 1. Die Rasterfahndung stellt eine vor die Narr Einbezug in die Ermittlung durch den kon- traditionelle polizeiliche Ermittlung kreten Fall gerechtfertigt erscheint. Kar- vorgeschaltete Fahndung dar. 'Klinisch teien, die etwa Zigeuner/Landfahrer oder rein' bleibt dieses Fahndungsverfahren, Homosexuelle generell als Verdachtspopula- wie Herold meint, nur bei denjenigen, die tion erfaßten, wurden und werden für aufgrund ihrer Merkmale durch das Raster rechtlich unzulässig erachtet, weil sie fallen. Aber auch diese sind Gegenstand Personen nur wegen ihrer Zugehörigkeit polizeilicher informatorischer Abtastung zu einer bestimmten Population mit einem geworden. Die anderen, die Population generellen polizeilichen Verdacht beleg- der abweichenden, verdächtigen Merkmals- ten. Nur dort, wo sich der Verdacht kon- träger sind dann sehr konkreten Er- kretisiert, soll im Sinne des traditio- mittlungen ausgesetzt (Befragung der nellen Verfahrens die polizeiliche Er- Vermieter/Nachbarn, Überwachungen, mittlung in die Rechte verdächtiger Per- Durchsuchungen), ohne daß gegen die sonen eingreifen können. Im konkreten Person selbst ein konkreter Verdacht Verdachtsfall wird dann auch nach einer schon bestehen würde. Aus täter- und bestimmten Person gefahndet. tatspezifischem Verdacht entsteht ein

In der Rasterfahndung wird das Rasterprin- fast beliebiger Verdachtsraum, in dem eines zip traditioneller Prägung nicht nur mit sich prinzipiell jeder aufgrund kann. Hilfe der Technik auf eine systematische bestimmten Merkmals befinden "Anonymität", der beim Grundlage gestellt; vielmehr wird eine Fahn- Der Effekt der Bestand- dung abstrakter Natur vor die konkrete Er- negativen Abgleich logischer 18

teil ist, ist nur Ausdruck polizeilicher Die rechtliche Bewertung der Ablaufphasen Fahndungs- und Arbeitsökonomie, der nur der Rasterfahndung die persönlichen Daten betrifft, deren Zu 1): die Polizei — je nach polizeilichem Die Selektion von Energiebeziehern nach von Fahndungsziel - im Augenblick nicht be- der Polizei vorgegebenen Kriterien durch darf. die E-Werke selbst macht diese zu Hilfspo- 2. In der Rasterfahndung hat sich das Ver- lizisten, ohne daß sie jemals dazu bestellt dachtsprinzip verallgemeinert. Eine be- worden wären. Die Selektion von bestimmten stimmte Personengruppe - etwa Bäcker - Energiebeziehern aus der Gesamtdatei ist werden nicht systematisch überprüft, weil datenrechtlich eine "Veränderung" und ist ein Mörder bei ihnen vermutet wird. nach § 26 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) (Dieses übliche Verfahren gibt Herold als nur zulässig im Rahmen der Zweckbestimmung Rasterfahndung aus, vgl. Kriminalistik, des Vertragsverhältnisses. Das Energieunter- Heft 4/198o). Das Prinzip der Raster+9 nehmen darf daher nur die Daten zur admini- fahndung beruht vielmehr darauf, daß Per- strativen Abwicklung des Vertragsverhält- sonengruppen gerade deshalb überprüft nisses benutzen und nicht zur Selektion nach werden, weil ihre Persönlichkeitsmerk- vertragsfremden, hier polizeilichen Such- male - etwa Nachtarbeiter, Selbständige kriterien. Der Grundsatz, daß gegebene Daten Kfz-Besitzer, Barzahler etc. - bei der nur im Rahmen der Zweckbestimmung verwendet Begehung bestimmter Delikte mit hoher werden dürfen, wird allerdings durchbrochen, Wahrscheinlichkeit auftreten. "soweit es zur Wahrung berechtiger Inter- 3. Als abstrakte und unspezifische Fahndungs- essen der speichernden Stelle erforderlich methode vor der traditionellen Ermittlungs- ist und kein Grund zur Annahme besteht, daß und Personenfahndung hebt die Raster- dadurch schutzwürdige Belange des Betroffenen fahndung auch die Unterscheidung von Ver- beeinträchtigt werden". Ohne Verdachtsgrund dächtigen und Unverdächtigen auf. Es von polizeilichen Fahndungsmaßnahmen betrof- gibt nur noch Merkmalsträger, die spezi- fen zu sein, entspricht bislang fundamenta- fisch auffällige Merkmale aufweisen (Bar- len "schutzwürdigen Belangen". Die Energie- zahler, Verlust von Personalpapieren etc.) werke und in ihrem Gefolge die beauftragten Aufgehoben wird damit auch die Schutz- Datenschützer sahen dies anders und inter- wirkung, die von der traditionellen Unter- pretierten darüber hinaus den Selektionsvor- scheidung ausging. gang als "im Interesse der speichernden Traditionell müssen polizeiliche Maßnahmen, Stelle": Damit die Polizei nicht auf der insbesondere Überwachungen, Durchsuchungen, Herausgabe aller Kundendaten hätte bestehen Beschlagnahmen etc., durch die Konkretheit müssen, war die Selektion der verlangten der Verdachtsmomente legitimiert werden Teilmengen im Interesse der speichernden können. In der Rasterfahndung kann höch- Stelle. stens die Triftigkeit einer bestimmten Zu 2, 3: Hypothese für einzelne Programme "wissen- schaftlich" legitimiert werden, keines- Die Selektion durch das Energieunternehmen wegs ein Verdacht (etwa gegen alle Per- wäre aber nur dann rechtmäßig gewesen, wenn sonen, die oft in den Nahen Osten fliegen auch die Herausgabe der Daten selbst zuläs- etc.). Die Polizei rechtfertigt den Weg- sig gewesen wäre. Ebenso wie die Selektion fall dieser Schranke mit dem Hinweis, steht diese unter der Bedingung der Übermitt- daß die Datenüberprüfung, wenn überhaupt, lung "im Rahmen der Zweckbestimmung des Ver- als ein "Eingriff" zu qualifizieren, keine tragsverhältnisses" und der "schutzwürdigen direkt spürbaren Folgen über die Personen Belange" des Betroffenen (§ 24 Abs. 1 BDSG), zeitigt. Jenseits der Frage, inwieweit die eine Übermittlung unzulässig machen. Die durch die systematische Anwendung solcher Gummi-Regelungen des Datenschutzgesetzes Rastermethoden nicht die Integrität der wurden jedoch auch hier gedehnt und das Personen indirekt und unsichtbar verletzt "berechtigte Interesse der Allgemeinheit" wird, bleibt festzuhalten, daß auf die im zur Rechtfertigung der Übermittlung genommen. Netz der Rasterfahndung verbliebenen Per- Damit ist jedoch nichts darüber ausgesagt, sonen sehr wohl konkrete polizeiliche Er- ob die Polizei ihrerseits berechtigt war, zukommen, ohne daß mehr gegen mittlungen diese Daten zu verlangen. Denn elementarster als die Feststellung, eine sie vorliegt Satz im Rechtsstaat ist, daß die Exekutive zu be- abweichende Merkmalskombination ihre Eingriffsmaßnahme - hier einen Infor- sitzen. 19

Eingriffsermächtigungen zu liefern vermag, mationseingriff - auf eine Rechtsgrundlage Handeln der Polizei an den stützen muß. Die Berufung auf ein "be- vielmehr dieses rechtigtes Interesse der Allgemeinheit" kann speziellen polizeilichen Eingriffsermäch- die Befolgung der Eingriffsschranken des tigungen des Polizeirechts und der Strafpro- Polizeirechts und der Strafprozeßordnung in zeßordnung gemessen werden muß, die ihrer- keinem Falle ersetzen. Das Polizeirecht mit seits i.d.R. keinen Eingriff gegenüber Un- seinen Handlungsprinzipien der "konkreten verdächtigen zulassen. Und zum anderen Gefahrenlage" kann allein schon wegen der deshalb, weil bereits die ursprüngliche Ge- zeitlichen Ausdehnung der Fahndungsmaßnahmen winnung der Daten bei und durch die Energie- (in Berlin über ein Jahr) nicht herhalten. unternehmen selbst ein unzulässige Daten- Bleibt also nur die Strafprozeßordnung, die veränderung darstellt: allein im Fall Hamburg/HEW Anwendung fand, so Urteilt der Datenschutzexperte Wilhelm Stein- daß in allen übrigen Städten die freiwillige müller: Ubermittlung nach den Datenschutzgesetzen "Dieser Suchvorgang stellt eine Datenveränderung dar, die von den Datenvorschriften des Datenschutzge- rechtswidrig erfolgte. setzes nicht gedeckt ist. Dieser Geburtsfehler macht Entgegen dem geltenden Recht wird in der auch die darauffolgende Datenlieferung an das BKA rechtswidrig... Dasselbe gilt natürlich auch für Strafprozeßordnung eine neue Generalklausel die entsprechenden Fahndungsaktionen der Länder- zu Informationseingriffen gegenüber Unver- polizei." (in: Die Neue, vom 21.2.198o, Interview) dächtigen geschaffen, indem man die §§ 161 und 163 StPO uminterpretiert: Zu 5): "Die Rechtsgrundlage für die Maßnahme ergibt sich Die polizeiliche Verwendung der Meldedateien aus den Paragraphen 161, 163 StPO. Diese Vor- ist seit dem 19. Jahrhundert zum Merkmal schriften, die in erster Linie eine Aufgabenzu- weisung beinhalten, können dann auch als Grund- deutscher Verwaltungstradition geworden. lage für Rechtseingriffe im Rahmen der Strafver- (Vgl. auch CILIP 5: Datenkommunikation zwi- folgung herangezogen werden, wenn es sich dabei um Maßnahmen handelt, deren Eingriffsintensität schen Meldebehörden und Polizei). Anders unterhalb der Intensität der in der StPO beson- liegt dies freilich bei den weiteren von ders geregelten Eingriffe (überwiegend Zwangs- maßnahmen) liegt." Herold (s.o.) genannten Dateien wie Ar- (Argument aus dem 2. Bericht über die Dateien des beitslosendatei, KFZ-Datei des Kraftfahrzeug- BKA, veröffentlicht in der Frankfurter Rundschau vom 27.3.198o unter 5.1. (Beobachtende Fahndung), bundesamtes, Kindergeldbezieher-Dateien, das generelle Geltung für alle Informationsein- Krankenversicherungsdateien. Alle diese griffe zu erlangen scheint.) Dateien sind zweifellos nicht deswegen ein- Oder es werden, wie dies im Fall der "Be- gerichtet worden, um zum integralen Bestand- schlagnahme" oder "Durchsuchung" der HEW- teil polizeilicher Observanz zu werden. Ihr Hamburg-Dateien geschehen ist, aus den Kunden- Abgleich - und der damit verbundene Informa- dateien plötzlich "Beweismittel, die für tionseingriff - ist doppelt unzulässig, die Untersuchung von Bedeutung sein können" weil die polizeiliche Fahndungsstrategie (§ 94 StPO). darauf beruht, daß ein Gesuchter sich Damit wird jedoch der Begriff "Beweismittel" gerade nicht in diesen Dateien befindet. jeder Bedeutung enthoben: Mit der Durchfor- stung der Kundendatei wird ja in keinem Zu 6): Fall Beweis über eine terroristische Tätig- Die nun beginnende konvent4onelle Phase der keit erhoben, sondern die Methode der Raster- Fahndung beruht auf rechtswidrig erlangten fahndung soll doch erst eine Fahndung nach Daten und ist damit selbst rechtswidrig Terroristen ermöglichen. Was allenfalls ('7ergl. zu 4). bewiesen werden kann, ist die Tatsache, daß ein Bürger dieses Landes Energiebezieher dieses oder jenes Unternehmens etc. ist. Versuche, über die Rasterfahndung "Energie- programme" Aufklärung zu erhalten Zu 4): 1. Anfragen bei Energieunternehmen, ob man In dem Augenblick, in dem die Polizeibehör- als Energiebezieher in die polizeilichen den den übermittelten Datensatz in Besitz Fahndungsmühlen geraten sei: nehmen, haben diese eine Datenspeicherung im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 BDSG vorge- Antwortschreiben des Berliner Elektrizitäts- nammen, denn diese bewahren nun "Daten auf unternehmens BEWAG: "Zu Ihrer einem Datenträger zum Zwecke einer weiteren Frage, ob und welche Daten zu Ihrer Person im Zuge polizeilicher Fahndungen übermittelt worden Verwendung". Auch dieser Vorgang selbst sind, verweisen wir auf die besonderen Bestimmungen des.i 24 des ist wiederum unzulässig: Zum einen, weil Bundesdatenschutzgesetzes. Danach ist Datenübermittlung dann zulässig, wenn dies zur das Datenschutzgesetz der Polizei keine Wahrung berechtigter Interessen der Allgemeinheit 2o

erforderlich ist. Wir würden Ihnen gerne hierzu nähere Auskünfte erteilen, auch wenn wir nach f 26 III, RECHTSENTWICKLUNG des Bundesdatenschutzgesetzes wegen der Einmaligkeit der Datenübermittlung dazu nicht verpflichtet sind. Wir bitten um Ihr Verständnis, wenn wir davon Ab- BUNDESREPUBLIK stand nehmen, weil wie bei der Datenübermittlung so auch bei der Auskunftserteilung die Wahrung der berechtigten Interessen der Allgemeinheit in diesem besonderen Fall vorrangig ist." Franziska Pabst

2. Antwortschreiben des Polizeipräsidenten DER BUNDESGRENZSCHUTZ IM "DAUEREINSATZ" nach (I) Rückgabe der Kundendaten: BEI GORLEBEN "In Beantwortung Ihres Schreibens vom teile ich Ihnen mit, daß alle von der BEWAG zum Zwecke polizeilicher Ermittlungen kurzfristig überlas- Seit Anfang des Jahres 1979 sind in Gor- senen Daten im Einvernehmen mit dem Datenschutz- ständig Kräfte des Bundesgrenz- beauftragten des Landes Berlin bereits vernichtet leben worden sind. schutzes (BGS) stationiert. Nachdem die Aus diesem Grunde ist es faktisch unmöglich, im Möglichkeiten zur Verwendung des BGS im Nachhinein eine Auskunft darüber zu erteilen, ob auch Ihre Daten Gegenstand von Überprüfungen ge- Innern zuletzt mit der Novellierung des wesen sind. 1) 1972 erneut erweitert wor- Im übrigen können Sie versichert sein, daß bei BGS-Gesetzes meiner Behörde Dateien nur im Einklang mit den den waren, geht der Einsatz in Gorleben geltenden Datenschutzgesetzen geführt werden...." bereits wieder über das derzeit gesetz- lich Zulässige hinaus und signalisiert 3. Versuch, im Gerichtswege die Rechts- offenbar bereits den nächsten Schritt widrigkeit der Datenübermittlung fest- zur Demontage der Länderhoheit für den stellen zu lassen. Bereich der "inneren Sicherheit". Die gerichtliche Beschwerde wandte sich gegen den Beschlagnahme-Beschluß des Er- Der BGS ist in Gorleben nicht nur bei mittlungsrichters am Bundesgerichtshof: größeren Aktionen von Atomkraftgegnern eingeschritten wie etwa bei der Räumung Beschluß des Bundesgerichtshofes v. 25.3.80: der Bohrstelle 1003 am 1o. September 1979 "In dem Ermittlungsverfahren gegen unbekannt und jüngst am 4. Juni 198o bei der Zer- wegen Verdachts eines Vergehens nach § 129 a StGB störung des Anti-Atomdorfes "Republik Die Beschwerde gegen den Beschluß des Ermitt- Freies Wendland" auf dem Gelände der lungsgerichtes am Bundesgerichtshof vom 18.12. 1979 wird verworfen. Bohrstelle 1004; im Rahmen seiner All- tagspräsenz im Landkreis kam es vielmehr Die im Zusammenhang mit dem angefochtenen Be- schluß angefallenen Unterlagen aus dem Bereich auch zu Übergriffen gegen die einheimische der HEW sind nach Abschluß der Fahndungsmaß- Bevölkerung: So wurde am 25. August 1979 nahmen, die sich auf sie bezogen, vernichtet worden. Damit steht der Zulässigkeit der Be- ein Landwirt zusammen mit zwei Ernte- schwerde jedenfalls der Gesichtspunkt der helferinnen nach einem Ernteeinsatz durch prozessualen Überholung entgegen. Der Wortlaut des angefochtenen Beschlusses Angehörige des BGS sozusagen vom Traktor brauchte dem Beschwerdeführer unter diesen 2) herab festgenommen. Das sich in solchen Umständen nicht zur Kenntnis gebracht werden."

Gegen diesen Beschluß wurde Verfassungsbe-

schwerde eingelegt. Das Bundesverfassungsge-

richt wollte sich ebenfalls nicht mit dem

Problem der Rasterfahndung auseinandersetzen:

Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes v. 9.5.80:

"Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Ent- scheidung angenommen, weil sie keine hinrei- chende Aussicht auf Erfolg hat.

Diese Feststellungen (des Bundesgerichtshofes, d.Verf.) geben im Hinblick auf die oben aufgeführten Grenzen einer verfassungsrechtlichen Überprüfung zu Bedenken keinen Anlaß. 21

Fällen üblicherweise anschließende Straf- "Zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verfahren wegen Widerstandes, Körperver- kann ein Land in Fällen von besonderer Be- letzung und ähnlicher Delikte (gegen die deutung Kräfte und Einrichtungen des Bundes- grenzschutzes zur Unterstützung seiner Polizei Festgenommenen) endete für die beiden anfordern, wenn die Polizei ohne diese Unter- Frauen, die - anders als der Bauer - eine stützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen könnte." Einstellung gegen Zahlung einer Buße von Gesetzgebungsgeschichte 200,- DM nicht akzeptierten, erst kürz- Ein Rekurs auf die lich mit einem Freispruch. und die in der juristischen Literatur zur Interpretation dieser Vorschriften Zu diesem Freispruch kam es in erster einhellig vertretene Auffassung zeigt, daß Linie, weil der Verteidigung der Nach- ein Dauereinsatz wie in Gorleben nicht als weis gelang, daß sich die BGS-Zeugen bei "Fall von besonderer Bedeutung" im Sinne ihren Aussagen abgesprochen hatten. Daneben beider Vorschriften verstanden werden kann: kamen in diesem Prozeß aber auch Umstände 4) Das erste BGS-Gesetz von 1951 sah die des BGS-Einsatzes in Gorleben zur Sprache, Aufgabe des BGS ausschließlich in der Grenz- die das Gericht veranlaßten, generelle sicherung. Andere Verwendungsmöglichkeiten und für zukünftige Prozesse bedeutsame für den Einsatz im Innern, die dem BGS den Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit zu 3) Charakter einer Bundespolizei verliehen äußern: hätten, waren zwar in den gesetzgebenden Der niedersächsische Innenminister Möck- Organen mehrfach angeregt und erörtert linghoff hat am 25. Januar 1979 beim Bun- 5) worden, hatten sich im Gesetz jedoch desminister des Inneren eine BGS-Einheit nicht niederschlagen können. Nachdem dann für einen "Dauereinsatz" zur Unterstützung zunächst mit der Notstandsgesetzgebung der Polizei seines Landes bei der Sicherung die Befugnisse des BGS über die Grenzsiche- der Arbeiten zum Bau des Nuklearen Entsor- rungsfragen hinausgehend erweitert worden gungszentrums (NEZ) Gorleben angefordert. 6) waren, legte die Bundesregierung 1971 Bundesinnenminister Baum hat der Anforderung als Teil des sogenannten "Sicherheits- am 5. Februar 1979 entsprochen. paketes" den Entwurf eines Gesetzes Mit dem Rahmenbefehl des niedersächsischen über den Bundesgrenzschutz vor, der vor Innenministeriums zum Polizeieinsatz im allem mit § 9 I Nr. r in seiner jetzigen, Raume Gorleben vom 6.Februar 1979 sind die 7 oben wiedergegebenen Fassung ) bereits Kräfte des BGS der Bezirksregierung Lüne- ganz erhebliche - zu diesem Zeitpunkt burg zur "grundsätzlich selbständigen Durch- bereits in nahezu allen Landespolizei- führung von Teilaufträgen" unterstellt worden. gesetzen verankerte - neuerliche Erwei- Anstoß wurde im Prozeß nun vor allem daran terung der Möglichkeiten vorsah, den BGS genommen, daß Innenminister Möcklinghoff bei der Wahrung der "inneren Sicherheit" von Anfang an einen "Dauereinsatz" des BGS einzusetzen. in Gorleben avisiert hatte; denn ein sol- Praktiziert wurde allerdings schon länger, cher Dauereinsatz ist von der gegenwärtigen was diese Vorschrift schließlich legali- Gesetzeslage nicht gedeckt: Die Anforderung sieren sollte: So war der BGS - ohne ent- einer BGS-Einheit durch Möcklinghoff und sprechende bundesgesetzliche Grundlage - deren Entsprechung durch Bundesinnenmini- zum Beispiel seit Februaio 197o auf mehre- ster*Baum sind auf § 9 I Nr. 1 Bundes- ren Flughäfen mit internationalem Ver- grenzschutzgesetz (BGSG) in Verbindung kehr eingesetzt.8) mit Art. 35 II S. 1 GG gestützt. Die mit § 9 I Nr. 1 BGSG vorgesehene Mög- § 9 I Nr. 1 BGSG lautet: lichkeit, den BGS in besonderen Fällen zur Unterstützung der Länderpolizeien mit "Der Bundesgrenzschutz kann zur Unterstützung Aufgaben aus deren Kompetenzbereich zu der Polizei eines Landes verwendet werden auf Anforderung der zuständigen Landesbehörde betrauen, die im Regierungsentwurf noch nach Art. 35 II S. 1 des Grundgesetzes zur lapidar als "in der Staatspraxis anerkannte Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der 9) öffentlichen Sicherheit und - Ordnung in Fällen Organleihe" bezeichnet worden war, stieß von besonderer Bedeutung, soweit das Landes- allerdings auf verfassungsrechtliche Beden- recht es vorsieht und die Polizei des Landes ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht ken in den Ausschüssen des Bundestages.1o) oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten Daraufhin wurde die Verfassung entsprechend erfüllen könnte." geändert: Durch die Einführung des Art. 35 Etwa gleichlautend formuliert Art. 35 II II S. 1 in das Grundgesetz, die Bundestag S. 1 GG: und Bundesrat gemeinsam mit der Verab- 22

11) schiedung des neuen BGSG vornahmen, einsatz des BGS in Gorleben anbetrifft, wurden solche Zweifel kurzerhand gegen- läßt sich bereits schwer vorstellen, warum standslos gemacht. die niedersächsische Landespolizei ohne Hessens Ministerpräsident Osswald konsta- seine Unterstützung zur laufenden, sozusagen tierte im Bundesrat angesichts der 31. alltäglichen Sicherung der Standortunter- Grundgesetzänderung zwar einen "fatalen suchungen und Bauarbeiten für die geplanten Rekord", sah sich aber dadurch nicht an "Entsorgungseinrichtungen" nicht oder auch 12) der Zustimmung gehindert. nur unter erheblichen Schwierigkeiten in der Lage sein sollte. Aper auch bei Demon- Soll mit einer Erweiterung der Kompetenzen strationen, Bohrolat7bAsetzungen und ähn- des BGS auf Einsätze im Inneren für "Fälle Aktionen handelt es sich um Dokumen- von besonderer Bedeutung" die Länderhoheit lichen tationen des Widerstands in der Bevölkerung, auf dem Gebiete des Polizeirechts nun al- die nicht als "unvorhersehbare oder lerdings nicht gleich vollends in Frage sonst außergewöhnliche Spitzenbelastung" gestellt werden, muß gerade der Aus- betrachtet werden können. Im Gegenteil: Gerade größere Demonstrationen sind gar nicht ohne eine vorhergehende, zwangs- läufig öffentliche Mobilisierung möglich, wie insbesondere die in aller Offenheit geführte Diskussion über die Besetzung der Bohrstelle 1oo4 gezeigt hat.

Sobald jedoch erkennbar ist, daß eine - wenn auch besonders belastende - Aufgabe auf Dauer zu erfüllen ist, "hat das Land dafür zu sorgen, daß es diese Aufgabe mit eigenen Kräften wahrnehmen kann", fordern Einwag/Schoen. 14) Daß Innenminister Möck- linghoff in eklatantem Widerspruch dazu nahmecharakter von § 9 I Nr. 1 BGSG und den BGS von Anfang an für einen "Dauerein- Art. 35 II S. 1 GG für ihre Anwendung be- satz" angefordert hat, hängt offenbar stimmend sein. In der juristischen Lite- wesentlich mit fiskalischen Überlegungen ratur wird daher einmütig betont, daß über zusammen. Insoweit hat Hessens Minister- diese Vorschriften keine definitiven Kom- präsident Osswald bereits bei der Verab- petenzverlagerungen von originär landes- schiedung des BGS-Gesetzes im Bundesrat polizeilichen Aufgaben auf den BGS vorge- Klartext gesprochen: nommen werden dürften. So betonen die "Der Kern des Übels ...liegt darin, daß die Länder nicht über die finanziellen Mittel Kommentatoren Einwag/Schoen, beide Beamte verfügen, um eine besondere polizeiliche Reserve im Bundesinnenministerium: für Spitzenbelastungen unterhalten zu können. Das Bundesgrenzschutzgesetz samt der dazugehö- "Eine Verwendung des BGS für Aufgaben der Länder- rigen Verfassungsänderung versuchen dieses polizeien kann nicht in der Form vorgesehen wer- übel systemwidrig zu korrigieren." 15) den, daß der BGS für bestimmte, den Ländern stän- dig obliegende Aufgaben dauernd eingesetzt wird. Der BGS erhält mit der Novellierung 1972 (Hervorhebung von E./S.) Die Vorschrift geht viel- mehr davon aus, daß eine Verwendung des BGS auf also den Status einer flexibel einsetzbaren Grund dieser Vorschrift immer nur im Einzelfall Sicherheitsreserve für alle Bundesländer. und zur Abdeckung gewisser nicht vorhersehbarer oder sonst außergewöhnlicher Spitzenbelastungen Für den speziellen Fall des Einsatzes in der Polizeien der Länder erfolgt. Diesem erkenn- Gorleben dürften darüberhinaus jedoch noch baren Sinn der Vorschrift würde es auch wider- sprechen, den BGS für zwar besonders belastende, besondere fiskalische Gesichtspunkte eine stets aber wiederkehrende Einsätze anzufordern, Rolle gespielt haben: Bau und Betrieb des wie etwa die Verkehrsregelung bei Spielen der Fußballbundesliga (oder die Sicherung von dort geplanten Bundesendlagers fallen nach Flughäfen. die Verf.). Eine Verwendung des §§ 9 a III, 23 AtomG in die Zuständigkeit BGS, die zunächst von f 9 gedeckt ist, kann im Laufe der Zeit u.U. unzulässig werden. Das des Bundes. In dessen Interesse liegt damit dann ist z.B. anzunehmen, wenn eine besonders wesentlich auch die Sicherung der für die belastende Aufgabe auf Dauer zu erfüllen ist. Sobald das erkennbar ist, hat das Land dafür zu Standorterkundung durchgeführten Bohrungen. sorgen, daß es die Aufgabe mit eigenen Kräften Dies gilt umso mehr, nachdem Minister- wahrnehmen kann. Es muß vermieden werden. daß über f 9 faktisch eine Änderung in der Zustän- präsident Albrecht am 16. Mai 1979 das digkeit und der Verantwortung für bestimmte Auf- geplante Nukleare Entsorgungszentrum gaben herbeigeführt wird." 13) (NEZ) "für derzeit politisch nicht durch- Was auf diesem Hintergrund nun den Dauer- 16) setzbar" erklärte und daraufhin die 23

Einrichtung der Wiederaufbereitungsanlage 1o) BT-Drucksache zu VI/3569; diese Bedenken (WAA) zunächst zurückgestellt wurde, beziehen sich hauptsächlich auf Art. 3o GG, wonach die Ausübung staatlicher Befugnisse während die Arbeiten für das Bundesend- grundsätzlich Ländersache ist. Der Auf- lager weitergingen. Dieses Eigeninter- zählung von Befugnissen des BGS im GG wurde daher abschließender Charakter zu- esse des Bundes dokumentiert sich in dem gemessen, eine dem geplanten § 9 I Nr.1 schon Ende 1978 mit Niedersachsen geschlos- BGSG entsprechende Regelung fehlte jedoch damals. senen "Verwaltungsabkommen über eine Kosten- 11) Sten. Bericht über die 195. Sitzung des beteiligung des Bundes und über die Unter- Bundestages am 22. Juni 1972, S. 11425 ff.; bringung und den Einsatz der Polizeikräfte": Sten.Bericht über die 383. Sitzung des Bundesrates am 7.Juli 1972, S.598 ff. Abweichend von dem Grundsatz des § 9 III 12) Bundesrat, ebenda, S. 600 f. S. 3 BGSG, wonach das anfordernde Land die 13) Einwag/Schoen, Bundesgrenzschutzgesetz, Kosten eines BGS-Einsatzes trägt, heißt München 1973, Anm. 17 zu § 9 BGSG; ebenso es dort: Schnupp, Bundesgrenzschutz - nach Verfas- sungsänderung nunmehr Grenzschutz und "Es wurde mit Niedersachsen vereinbart, daß von Bundespolizei (mit Vorbehalten), DÖD den zwei zur s t ä n d i g e n (Hervorhebung 1972, S. 228 ff. (232) von der Verf.) Sicherung des NEZ Gorlebens er- 14) Einwag/Schoen, ebenda forderlichen Abteilungen Polizei der BGS eine 15) Abteilung stellt und der Bund hierfür auf eine Bundesrat, 383. Sitzung, S. 6o1 Kostenerstattung durch Niedersachsen verzichtet." 17) 16) Bericht in der Süddeutschen Zeitung vom 17.Mai 1979, Nr. 113 Bund und Länder fanden offenbar ausreichend 17) Nar Gelegenheit, zunächst die Kostenfrage zu Kabinettvorlage des Bundesinnen- ministers vom 4. Janaur 1979, Akten- klären, bevor dann Innenminister Möckling- zeichen RS I 1 - 515 79o/8, S. 5 hoff am 25. Januar 1979 wegen eines "Falles 18) So bereits der Regierungsentwurf zur letzten von besonderer Bedeutung" die Uriterstützung BGSG-Novellierung, BT-Druck- sache VI/2886, S. 19 und 25 des BGS anforderte: Der Grundsatz der Länderhoheit auf dem Ge- biet der "inneren Sicherheit" ist also augenscheinlich disponibel, wenn fiskalische Eckart Riehle Gesichtspunkte einen Einsatz von Bundesmit- DIE NEUREGELUNG DES VERHÄLTNISSES teln angezeigt sein lassen. POLIZEI - STAATSANWALTSCHAFT: Die Offenheit, mit der in diesem Fall ent- • EIN SCHUBLADENGESETZ gegen den bestehenden gesetzlichen Möglich- keiten eben doch faktisch definitive Kom- petenzverlagerungen vorgenommen werden, indem 1. Vorgeschichte von vornherein Vereinbarungen über die 1973 beauftragten die Justiz- und Innen- ständige Sicherung des NEZ durch einen Dauer- minister des Bundes eine,gemeinsame Kom- einsatz des BGS getroffen werden, läßt mission aus Vertretern der Innen- und vermuten, daß hier einmal mehr zunächst Justizverwaltung, einen Vorschlag zur Neu- eine Einsatzpraxis etabliert werden soll, regelung des Verhältnisses von Polizei deren gesetzliche Absicherung mit der und Staatsanwaltschaft auszuarbeiten. Daß nächsten Novellierung des BGSG dann ledig- es sich hierbei um eine Neuregelung han- lich "eine Lücke im Sicherheitssystem der deln sollte, die entscheidend durch eine 18) Bundesrepublik Deutschland schließt". Neubestimmung polizeilicher Aufgaben ini- tiiert war, ließ schon das Programm für Innere Sicherheit in der BRD vom Februar 1) BGBl. I S. 1834 die 1974 vermuten, in dem unter Punkt 1.2.1.1 2) Bericht in Taz-Journal No. 1, Ökologie, Frankfurt 198o, S. 37 programmatisch formuliert wurde, "Ver- 3) Bericht in der Taz vom 25.Juni 198o,S. 2 brechensverhütung und die Strafverfolgung" 4) BGBl. I S. 2o1 seien Teil eines einheitlichen Sicherheits- 5) Dazu Schnupp, Bundesgrenzschutz: Grenz- auftrages der Polizei, obzwar doch das schutzorgan oder Bundespolizei? Der öffent- deutsche Rechtssystem die Strafverfolgung liche Dienst (DÖD), 1972, S. 8 ff. (9) der Justiz als eigenständige Aufgabe zu- 6) Dazu im einzelnen: Schnupp, ebenda, S.10 f.; Arndt, Bundeswehr und Polizei im weist. Notstand, Deutsches Verwaltungsblatt (DVB1.) 1968, S. 729 ff. 7) Im Entwurf, BT-Drucksache VI/2886, noch +Wir dokumentieren die wesentlichen als § 9 I Nr. 3 Passagen der geplanten Neuregelung des Verhältnisses von Polizei und $) MT-Drucksache VI/2886, S. 19 Staatsanwaltschaft am Schluß dieser 4) MT-Drucksache VI/2886, S. 25 Aüsgabe.(8.53) 24

Vorarbeit zu diesem neuen Gesetzesprojekt stellte ein bereits 1972 von den Innen- ministern/-senatoren des Bundes und der Länder erstelltes Papier dar, das nach den Worten des Bundesjustizministers Vogel ein eigenständiges polizeiliches Er- mittlungsverfahren vorschlug, und deshalb vom Bundesjustizminister als "undiskutabel" bezeichnet wurde. 1) Anders war offensicht- lich die Einschätzung der Innenverwaltung, die davon ausging, daß die Neuregelung, so 1976 Bundesinnenminister Maihofer, der "einer grundsätzlich als Gesellschafts- politik begriffenen Sicherheitspolitik immer bedeutender werdenden Funktion der Polizei" 2) Rechnung tragen müsse.

Der von der gemeinsamen Kommission 1975 vorgelegte Bericht3), der an den Vorstel- lungen der Innenverwaltung orientiert war, stieß in der juristischen Öffent- 4) lichkeit auf heftige Kritik. Hauptpunkt der Kritik war, daß nach die- sem Vorschlag "die gesamte Tätigkeit der Strafjustiz nichts anderes (sei) als die Durchführung eines polizeilichen Sicher- 5) heitsauftrages".

Anders als beim Musterentwurf für ein und der Strafverfolgung als Aufgabe der bundeseinheitlicheg. Polizeigesetz verblieb Justiz. diese Auseinandersetzung innerhalb der Da die Justiz über keinen eigenen Ermitt- juristischen Fachliteratur und erreichte lungsapparat in Gestalt einer Justiz- bzw. nicht die breite Öffentlichkeit. Das wäre Gerichtspolizei verfügt, stellt die Straf- zu wünschen gewesen und ist zu wünschen, verfolgung zugleich eine Aufgabe der Polizei stellt dieses Gesetzesprojekt doch ein ent- dar, die in dieser Funktion aber nicht der scheidendes Element in der Strategie der Exekutive, sondern der Justiz rechtlich Sicherheitsbürokratie dar, die Strafver- zugeordnet ist und von dieser kontrolliert folgung den Bedürfnissen der Polizei/ 6) werden soll. Exekutive unterzuordnen. Die Polizei in der Strafverfolgung wird In der Folgezeit verschwand dieses Thema als "Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft" aus der Diskussion. Untätig blieb aber (§ 152 GVG) tätig. Sie unterliegt in dieser nicht die Ministerialbürokratie, die ins- Tätigkeit den Weisungsbefugnissen der geheim einen Gesetzentwurf vorbereitete, Staatsanwaltschaft als justiziellem Organ. der bis ins Detail - Berlin-Klausel, Rege- Diese Regelung der Strafverfolgung, die lung des Inkrafttretens - ausgearbeitet, die Polizei bei der Justiz zu- und unter- in den ministeriellen Schubladen als ver- ordnet, ohne sie organisatorisch in die trauliches Papier zur Verabschiedung bereit Justiz einzugliedern, ist historisch ein liegt. Bedenkt man die Geschwindigkeit, die Kompromiß zwischen der bürgerlich-liberalen der Gesetzgeber bei der Verabschiedung von Forderung nach einem Strafverfahren, das Gesetzesprojekten im Sicherheitsbereich in den Händen der Justiz liegt, und dem in der Vergangenheit an den Tag gelegt hat, Interesse der Exekutive, die Strafverfol- so ist es jetzt dringend geboten, diesem gung ohne justizielle Kontrolle durchzu- Schubladengesetz einige Aufmerksamkeit zu führen. widmen. Ein Kompromiß, der in den Reichsjustizge- 2. Die augenblickliche Rechtslage setzen 1877 fixiert wurde und sich in der Folgezeit weitgehend als Sieg der Exekuti- Das deutsche Rechtssystem trennt zwischen ve erwies. Dadurch, daß die Ermittlungs- der polizeilichen Aufgabe der Gefahrenab- praktisch bei der organisatorisch wehr als Aufgabe der Exekutive/Polizei arbeit 25

selbständigen Polizei verblieb, blieb die gerlicher Freiheiten gegenüber der Polizei/ rechtliche Fixierung der Staatsanwalt- Exekutive bezweckt. Zum anderen verändert schaft als "Herrin des Ermittlungsverfah- diese Neuregelung auch die bestehende rens" normativer Schein. Praxis. Immerhin konnte bislang ein Staats- Als Folge dieses halbherzigen Kompromisses anwalt unter Berufung auf die Gesetzeslage fordert die Polizei seit Bestehen der In- verlangen, daß er unverzüglich informiert stitution der Staatsanwaltschaft, die wird, hatte so immerhin die Möglichkeit, das rechtliche Regelung des Verhältnisses Ermittlungsverfahren zumindest in Teilbe- Polizei - Staatsanwaltschaft der Praxis reichen anzuleiten. Wenn auch die Staats- anzupassen und ein rein polizeiliches anwaltschaft von dieser Möglichkeit wenig 7) Ermittlungsverfahren einzurichten , um Gebrauch gemacht haben mag, so mußte die damit die rechtliche Kontroll- und Polizei doch dies einkalkulieren, d.h. sie Hemmungschance der Staatsanwaltschaft zu konnte ihre Ermittlungstätigkeit gegenüber reduzieren. der Staatsanwaltschaft nicht abschotten. Dieser Möglichkeit gibt aber der Gesetz- 3. Geplant: ein rein polizeiliches entwurf Raum. Zwar kann die Staatsanwalt- Ermittlungsverfahren schaft nach § 163 a I Nr. a StPO in der Nach geltendem Recht (§ 163 StPO) hat die geplanten Neufassung verlangen, daß ihr Polizei im Bereich der Strafverfolgung le- Ermittlungsvorgänge übersandt werden. Dies diglich das Recht des ersten Zugriffes; setzt aber die Kenntnis dessen voraus, was er- sie muß ihre Ergebnisse dann "ohne Ver- mittelt wird, welche Ermittlungsvorgänge zug der Staatsanwaltschaft" übersenden bei der Polizei laufen. Eine diesbezügliche (§ 163 II StPO). In der Regel soll das generelle Informationspflicht der Polizei Ermittlungsverfahren von der Staatsanwalt- gegenüber der Staatsanwaltschaft besteht schaft geleitet werden. nach dem Schubladengesetz aber nicht mehr.

Das Schubladengesetz macht diese Regel 4. Die polizeiliche Organisation als selb- zur Ausnahme. Die Neufassung des § 163 ständige Größe in der Strafverfolgung

i.V.m. § 163 a StPO sieht vor, daß die Polizei Der geplanten Regelung, der Polizei die ihre Ermittlungen selbständig zum Abschluß Strafverfolgung als selbständige Aufgabe bringt, um erst nach Abschluß der Ermittlun- zuzuweisen, die sie nicht mehr als "ver- gen die Staatsanwaltschaft zu unterrichten. längerter Arm der Justiz", sondern selb- Lediglich in Sachen von "besonderer Bedeutung" ständig wahrzunehmen hat, entspricht auf (§ 163 StPO n.F.), ein Begriff, dessen Kon- der organisatorischen Ebene die Abschaffung turierung der "Praxis überlassen" bleiben des Instituts der "Hilfsbeamten der Staats- soll (S. 23 der Erläuterungen), damit aber anwaltschaft" (§ 152 GVG). Als Hilfsbeamte der polizeilich bestimmten Praxis, muß die der Staatsanwaltschaft sind die Polizei- Staatsanwaltschaft vorher benachrichtigt beamten der Staatsanwaltschaft zugeordnet werden. Ansonsten muß die Polizei die Staats- und damit zugleich in deren örtliche Zu- anwaltschaft erst zehn Wochen nach Einlei- ständigkeitsbezirke und hierarchische Struk- tung des Ermittlungsverfahrens benachrich- turen eingebunden. tigen. Die Polizei hat zwar versucht, die Anord- In den Erläuterungen heißt es dazu (S. 25 f.): nungsbefugnis der Staatsanwaltschaft gegen- "Die vorgeschlagene Fristdauer von lo Wochen erscheint über dem einzelnen Polizeibeamten zu be- als die arbeitsökonomisch beste Lösung. Erfahrungs- gemäß sind in den meisten Fällen die polizeilichen schränken und die Staatsanwaltschaft darauf Ermittlungen innerhalb dieser Frist abgeschlossen. zu verpflichten, ihre Anordnungen an die Sie trägt damit der Überlegung Rechnung, daß es einer rationellen Arbeit der Staatsanwaltschaft Spitze der Polizeibehörde zu geben, die Vorgänge nicht dienlich wäre, wenn diese sämtliche dann nach Maßgabe eigener Bedürfnisse das zu einem frühen Ermittlungsstadium erhielte." weitere veranlassen kann. Das Argument der Arbeitsökonomie verdeckt, Oberflächlich gesehen, war dies stets eine daß nunmehr der Polizei eine Kompetenz zu- Auseinandersetzung entlang der Frage, wie gestanden würde, die sie sich zuvor gegen die Strafverfolgung am effektivsten zu or- den ausdrücklichen Gesetzestext angeeignet ganisieren sei. Im Kern stellte dies aber hat. Das bedeutet auf jeden Fall, daß die immer den Versuch der Polizei dar, mit Hilfe jahrzehntelange Auseinandersetzung um die des Effektivitätsarguments ihre Bindung Organisation des Verhältnisses von Polizei an die Staatsanwaltschaft aufzulockern. und Justiz nun zugunsten der Polizei und gegen das justizförmige Verfahren entschie- Mit dieser Bindung macht das Schubladen- den werden soll, das gerade den Schutz bür- gesetz reinen Tisch. Die Institution des 26

Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft wird BUNDESREPUBLIK abgeschafft. Entschieden wird zugleich auch der strittige Punkt, daß die Staatsanwalt- EINIGE RECHTSEMPIRISCHE DATEN ZUR schaft Anordnungsbefugnisse nur gegenüber PERVERTIERUNG RECHTLICHER AUSNAHMEBE- der Polizeibehörde und nicht mehr auch FUGNISSE IN ROUTINE-BEFUGNISSE AM gegenüber dem einzelnen Polizeibeamten habe. BEISPIEL DER WOHNUNGSDURCHSUCHUNG Nach dem bestehenden Rechtszustand können die höheren Polizeichargen, die nicht Hilfs- Die Erfordernis der richterlichen Anord- beamte der Staatsanwaltschaft sind, den nung und die damit gesetzte richterliche Polizeibeamten als Hilfsbeamten keine An- Vorauskontrolle bei besonders schwerwie- ordnungen im Bereich der Strafverfolgung genden Eingriffen in Freiheitsrechte des geben (Durchsuchungen, Kontrollstellen an- Bürgers zählt zu den gesetzestechnisch ordnen etc.). Nach der jetzt geplanten Neu- sehr häufig genutzten Mitteln, um der regelung wird auch dieser "Mangel" besei- Gefahr exekutiver Willkür rechtsstaatliche tigt. . Grenzen zu setzen.

4. Resurne So ist z.B. bei der Verabschiedung der sog. Razziengesetze im Frühjahr 1978 die Anord- Resumiert man diese geplanten Neuregelungen, nung von Kontrollstellen im Rahmen der dann läßt sich schlagwortartig festhalten: Strafprozeßordnung (§ 111) an eine richter- - die Strafverfolgung wird vollständig in liche Anordnung gebunden worden, so haben die Organisationsstrukturen der Polizei die Autoren des Alternativentwurfs für ein eingebunden; einheitliches Polizeigesetz des Bundes und die Funktion der Staatsanwaltschaft in der Länder bei einer Reihe neuer polizei- der Strafverfolgung reduziert sich auf licher Befugnisse durch entsprechende Ver- eine Restgröße, die in ihren praktischen fahrensregeln die Institution des Richters Handlungsmöglichkeiten von der Institution als Kontrollinstanz zur Verhinderung miß- Polizei weit intensiver als zuvor abhängig bräuchlicher Nutzung vorgeschlagen, so wird; garantiert Art. 13 Abs, 2 Grundgesetz - die vorgeschlagene Lösung zielt nicht (Unverletzlichkeit der Wohnung), daß darauf, die in der Ermittlungsrealität nur Wohnungsdurchsuchungen zur Strafverfolgung noch schwache Position der Staatsanwalt- nur durch einen Richter angeordnet werden schaft entsprechend dem Zuwachs polizei- dürfen - es sei denn, daß die Ausnahme- licher Potenz zu stärken, sondern im Gegen- situation "Gefahr im Verzuge" vorliegt. teil auf deren endgültige Marginalisierung. Nur wenn "Gefahr im Verzuge" vorliegt, Die Bedeutung dieses Sachverhalts liegt nicht darf die Polizei ohne vorherige richter- zuletzt darin, daß die Polizei damit in liche Prüfung Wohnungen durchsuchen, Kon- die Lage versetzt wird, Gefahrenverhütung trollstellen errichten etc. und Strafverfolgung verstärkt als integrierte Soweit die Rechtslage. Aufgabe durchzuführen, d.h. Reibungsverluste, die aus der Trennung beider Tätigkeiten In der Realität des Bürger- und Polizei- als Ausdruck rechtsstaatlicher Gewaltentei- Alltags ist dieses gesetzlich normierte lung bislang entstanden, zu vermeiden. Verhältnis von Normalsituation und Aus- nahmerecht - wie jeder Polizei-Praktiker 1) Auf einer Arbeitstagung des BKA zu diesem Komplex vom 12.-15.1o.1976, in: Die Poli- zu bestätigen weiß - gerade bei Hausdurch- zei, 1976, S. 423 suchungen in das völlige Gegenteil ver- 2) ebda. 3) Die Leitsätze finden sich abgedruckt in: kehrt. Der richterliche Durchsuchungs- DRiZ 1976, S. 266 befehl ist die Ausnahme, die polizeiliche 4) vgl. Görgen, ZRP 76/59 ff.; Kuhlmann, DRiZ 76, 265 ff. Durchsuchung ohne richterlichen Durch- 5) Görgen, a.a.O., S. 59 suchungsbefehl die Normallage. 6) Als ein erfolgreiches Beispiel dafür kann die Strafprozeßänderung von 1978 gelten; Diese Verkehrung von Ausnahme- und Normal- vgl. dazu Funk/Werkentin, in: Vorgänge, Nr. 31, 1978, S. 8 ff. befugnissen ist allerdings beste deutsche 7) vgl. dazu die Hinweise bei Ullrich, Ver- Polizeitradition. brechensbekämpfung, 1961, S. 101 ff. 8) vgl. E. Blankenburg, Klaus Sessow, Wiebke - Bereits 1948, also drei Jahre nach dem Steffen, Die Staatsanwaltschaft im Pro- zeß strafrechtlicher Sozialkontrollen. Zusammenbruch des Faschismus, wurden Untersuchungen und Forschungsberichte bei einer von der amerikanischen Be- des Mix-Planck-Institutes für ausländi- sches und internationales Strafrecht, satzungsmacht durchgeführten Zählung Freiburg/Berlin-1978, S. 303 27

folgende Zahlen ermittelt (1.Halbjahr Buchungen zu. Danach finden tagtäglich ca. 1948): 1oo Hausdurchsuchungen statt, was - auf Württemberg -Baden: Von 10.531 Hausdurch- das Jahr umger'echnet - ca. 36.000 Haus- suchungen waren nur 81 vom Richter ange- durchsuchungen ergibt. Geht man weiter ordnet worden, was einem prozentualen Anteil unter 1 % entspricht. No,THANM WE'RE Bayern: Von 5o.000 Hausdurchsuchungen JUST NWee." wurden immerhin 8.000 richterlich an- geordnet, was einem prozentualen Anteil von 16 % entspricht. Hessen: Von 11.266 Hausdurchsuchungen wurden 651 richterlich angeordnet, was einem prozentualen Anteil von ca. 6 % entspricht. 1) Diese Zahlen bekommen vor dem Hintergrund der Nachkriegszeit zusätzliche Bedeutung aufgrund der Tatsache, daß die amerikanische (und britische) Besatzungsmacht gerade den Polizeisektor einer besonders scharfen Kon- ««- "...Darf ich Ihnen behilflich sein?" trolle - "Ach, nein,danke! Ner unterzog, um polizeistaatliche Metho- Wir sehen uns nur ein bißchen um!" den - und als solche mußten ihnen die Viel- zahl polizeilich angeordneter Durchsuchungen davon aus, daß mindestens zwei Bürger je schon aufgrund ihrer eigenen Rechtstradi- Durchsuchung direkt betroffen werden, dann tion erscheinen - zu verhindern. Daß der errechnet sich daraus eine Betroffenenzahl deutsche Polizeiapparat jedoch schon so von 73.000 Bürger auf die knapp 2 Mill. kurz nach den doch eindringlichen Erfahrun- Westberliner Einwohner. gen unkontrollierter Polizeimacht gegen- Daß die Realisierung der gesetzlichen For- über den Abhilfeversuchen und direkten An- derung nach richterlicher Anordnung durch- ordnungen der Militärregierung resistent aus dem Durchsuchungsbedürfnis der Polizei blieb, veranlaßte die amerikanische Mili- Einhalt zu gebieten vermag, offenbart ein tärregierung zur Flucht an die Öffent- bisher - und wohl auch für die Zukunft - lichkeit. Sie inszenierte eine Presse- unveröffentlichter "Erster Erfahrungsbe- kampagne gegen die polizeiliche Durch- richt über das ASOG" aus dem Jahre 1977 suchungspraxis, um - wenn schon ihre direk- des Berliner Innensenators. Der Bericht ten Anordnungen an die deutschen Polizei- basiert auf den Erfahrungen mit dem "All- ,_ stellen nichts fruchteten - über die Kon- gemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz", IVtrolle der Öffentlichkeit eine Abänderung das seit 1975 - als erste Realisierung des dieser deutschen Polizei-Praxis zu er- Musterentwurfs eines einheitlichen Polizei- reichen. gesetzes des Bundes und der Länder - für Die Wirkung dieser alliierten Einflußnahme Berlin Geltung hat. Dort heißt es: war - falls überhaupt - gering und dann "Außer bei Gefahr im Verzuge ist vor der Durch- suchung einer Wohnung ebenfalls,eine richterliche auch nur kurzfristig. Entscheidung herbeizuführen. Bisher hat es nur einen derartigen Antrag gegeben. Dieser wurde 12 Eine von der Berliner Polizei selbst vor- Tage nach Inkrafttreten des ASOG vom AG Tier- genommene Untersuchung des Verhältnisses garten mit der Begründung abgelehnt, in diesem Fall sei eine Durchsuchung nach der StPO nicht von polizeilicher und richterlicher Anord- zulässig; auf das ASOG ging die Entscheidung nicht nung gegen Ende der fünfziger Jahre er- ein. Der Amtsgerichtsprääident hat dazu der Poli- zei mitgeteilt, daß durch ein Versehen eine fal- brachte die Kontinuität deutscher Polizei- sche Kammer entschieden habe und dort eine sonst Praxis: Auf einer ÖTV-Arbeitstagung "Woche mit der Materie nicht vertraute Richterin den zu- 2) ständigen Richterwegen det Ferienzeit kurz- der Polizei" (1961) berichtete der Ber- fristig vertreten habe; sie sei möglicherweise liner Kriminaldirektor Sangmeister deren mit den Bestimmungen des ASOG nicht vertraut gewesen; im übrigen sei der Vorgang mit den Un- Ergebnis: Nur in 8 % der Durchsuchungen tersuchungsrichtern des AG Tiergarten erörtert lag ein richterlicher Durchsuchungsbefehl worden."

vor. Mag es schon verwunderlich erscheinen, daß Eine Mitteilung des Berliner Polizei- in 1 1/2 Jahren (Berichtszeitraum) nur sprechers aus dem Jahre 1976 (Der Tages- eine richterliche Durchsuchung beantragt spiegel, 13.11.1976) läßt darüber hinaus worden ist, dann muß angesichts des Ergeb- Rückschlüsse auf den Umfang der Durch- nisses dieses Antrages - Ablehnung - mit 28

einer verschärften Vorsicht seitens der Anordnungen von Beschlagnahmen, einschließlich Führerscheinbeschlagnahmen im Jahre 1971 in Nordrhein-Westfalen Polizei vor richterlicher Beteiligung ge- (Stichproben aus den Bezirken Bochum, Duisburg und Köln) rechnet werden. Die "Gefahr-im-Verzuge"- Anordnung durch Klausel macht's möglich! Staats- Hilft- NNNN Richter anwalt beamte Gesamt Daß das Verhältnis von Ausnahmebefugnis abs, 1 % abs. % abs. % abs. I • %

und Normalrecht insgesamt fortbesteht, Bochum 20 5.56 7 1,94 , 333 92,50 360 100 eine jetzt veröffentlichte ist durch Duisburg 24 6,66 3 0.84 333 92,50 360 100 Untersuchung erhärtet worden. Köln 17 4,72 1 0,28 342 I 95.00 360 100 verdienstvollen Arbeit hat In einer Gesamt 61 5.65 11, 1,02 1008 93.33 1080 100 Nelles das Problem der strafprozes- Ursula Nelles S.227 sualen Ausnahmebefugnisse - soweit uns Für die Entnahme von Blutproben und ihre bekannt ist - zum ersten Mal rechtsem- ebenfalls im Normalfall erforderliche rich- pirisch untersucht. Sie ist der Frage terliche Anordnung vermerkt U.Nelles (S.245): nachgegangen, in welchem Umfang Durch- "Eine Zählung der bei Gefahr im Verzug angeordneten suchungen, Beschlagnahmen und die Ent- Entnahmen von Blutproben war nicht möglich. Den Polizeibeamten stehen für diese Fälle Formulare nahme von Blutproben unter der Ausnahme- zur Verfügung, die bereits den Vordruck enthalten, Regelung "Gefahr im Verzuge" durchgeführt daß wegen "Gefahr im Verzuge" die Entnahme einer Blutprobe angeordnet wurde, ohne daß der einschrei- werden. Ihre Feststellung (S. 182), daß tende Beamte diese Voraussetzung noch durch Tat- entsprechende "Daten über die Häufigkeit sachen ausfüllen müßte. Allein aufgrund der übri- gen Angaben ließen sich detaillierte Wertungen der Anordnung von strafprozessualen nicht treffen." Grundrechtseingriffen insgesamt bzw. auf- Auch eine weitere Vermutung wird durch diese geschlüsselt... weder erfaßt noch aufbe- Untersuchung bestätigt: Die Rolle der Staats- reitet" sind, vermag zu belegen, daß anwaltschaft als vom Legalsystem her gedach- Exekutive und Justiz ein grundsätzliches ten "Herrin des Ermittlungsverfahrens" ist Desinteresse an der auch empirischen Kon- eigentlichen Verfahrensherrn, der Poli- statierung dieses illegalen Rechtszu- dem zei, tendiert gegen 0; ein standes zeigen. gewichen und Tatbestand, der die Exekutive dazu führte, Die Arbeit von U.Nelles basiert auf einer ein Schubladengesetz in Vorrat zu halten, Stichprobenuntersuchung in Ermittlungs- um der Staatsanwaltschaft die noch verblie- akten für das Jahr 1971 für das Gebiet von bene rechtliche Chance justizförmiger Poli- Nordrhein-Westfalen, wonach zwischen 10,06% zeikontrolle zu nehmen. und 15,16% aller Durchsuchungen von Woh- (Vgl. dazu in diesem Heft den Beitrag über nungen und Räumen von einem Richter, zwi- das bereitliegende Schubladengesetz, das schen 84,21% und 89,41% von Polizeivoll- das Verhältnis Polizei-Staatsanwaltschaft zugsbeamten in der Funktion der Strafver- neu regeln soll.) folgung angeordnet worden sind.

1) Quellen: Lutz in Polizei-Praxis 1949, S. 227 ff., und Hellmer, ebda., S. 166; Durchsuchungen von Wohnungen zusammenfassend jetzt auch Ursula Nelles oder Räumen in Nordrhein-Westfalen im Jahre 1971 (Stichprobe aus den Bezirken Bochum, Duisburg und Köln) 2) Justiz und Polizei. Vierte Arbeitstagung "Woche der Polizei" der Gewerkschaft Anordnung durch öffentliche Dienste, Transport und Ver- Staats- 11. 1fs- Richter Gesamt kehr, Anfang Oktober 1961. Hrsg. vom anwalt beamte Hauptvorstand der öTV, Stuttgart, S.59 abs. t % abs. % t abs. % abs. %

Bochum 22 9,82 2 0,89 200 89,29 224 100 FRANKREICH Duisburg 34 13,28 2 0,78 220 85,94 256 100

Köln 31 14,76 0 0,00 179 85,24 210 100 IDENTITÄTSKONTROLLEN DURCH DIE POLIZEI Gesamt 87 12,61 4 0,58 599 86,81 690 100

Nelles S.22o Es ist kein Zufall, daß sich das Thema der Identitätskontrollen durch die Polizei wie Die gleiche Tendenz im Verhältnis Ausnahme- ein roter Faden durch die einzelnen Hefte und Normalregelung wurde auch für die An- von CILIP zieht. Denn sie sind ein hand- ordnungen von Beschlagnahmen festgestellt: greiflicher Ausdruck der Veränderung der polizeilichen Verdachtsstrategien, die auch gesetzlich 4-Ursula Nelles,Kompetenzen und Ausnahmekanpetenzen umgesetzt werden. Das traditio- in der Strafprozeßordnung.Zur organisationsrechtlichen nelle Bett juristischer Regelungen ent- Funktion des Begriffes "Gefahr im Verzuge" im Srafver- spricht nicht mehr den fahrensrecht ,Berlin (Dunckerfflunblot), 1980. polizeilichen 29

Kontrollbedürfnissen, es ist zu eng gewor- Unmittelbarer Auslöser für die erneute den für das Computer-unterstützte Kontroll- und nun gelungene Gesetzesinitiative waren potential der Polizei. öffentliche Ankündigungen von Polizeibeamten, für die Zukunft keine In CILIP Nr. 0 wurde von der neuesten Ge- präventiven Identitätskontrollen mehr vor- setzesentwicklung unter dem Titel "Neue zunehmen.'Dieses Verhalten der Polizei- Gesetze für ein neues Polizeikonzept" die beamten hatte seinen Grund in der Auf- Erweiterungen der Kontrollbefugnisse der nahme strafrechtlicher Ermittlungen gegen Polizei in der BRD berichtet, in CILIP 1 Polizeibeamte, die von Betroffenen ange- von einer entsprechenden französischen strengt worden waren. (Le Monde vom Gesetzesinitiative, die vom Conseil d'Etat 15./17./29. März 198o) für verfassungswidrig erklärt worden ist. Diese hatten Polizeibeamte wegen Frei- In CILIP 5 erörterten wir entsprechende heitsberaubung, Nötigung etc, angezeigt. Bestrebungen, die präventiv-polizeilichen Die Verweigerungshaltung wurde vor allem Befugnisse in Schottland durch die von der Organisation der höheren Polizei- Criminal Justice Bill auszudehnen. kader propagiert mit dem Ziel einer ge- Seit dem 23.7.198o hat nun auch Frankreich setzlichen Ausfüllung dieses "rechtlichen - nach dem bereits erwähnten gescheiterten Leerraumes". Die Organisationen des ersten Versuch - eine gesetzliche Regelung, polizeilichen "Fußvolkes" (F.A.S.P, S.N. die der Polizei ein unbeschränktes Kontroll- A.P.C) forderten ebenfalls die Einstellung recht gewährt: präventiver Identitätskontrollen, allerdings Text der Regelung: nicht mit dem Ziel einer Legalisierung, "Jeder, dessen Identitätskontrolle an Ort und Stelle sondern der Rückkehr zur Verfassung, die erscheint, hat seine Identität auf Auf- notwendig präventive polizeiliche Kontrollen und Fest- forderung durch einen Offizier der Justizpolizei oder der von ihm beauftragten Beamten der Justiz- nahmen in ihrem Art. 66 verbietet. (Vergl. nachzuweisen. polizei... Justice. Journal du syndicat de la Magistrature. Identitätsfeststellung fest- Niemand darf bei einer Mai - Juin 1980. Nr. 77-78 S. 2o ff.) gehalten werden, außer im Falle gerichtlicher Er- mittlungen oder wenn der Betroffene seine Identität nicht nachweisen kann. Die Identitätskontrolle Sowohl in der Öffentlichkeit als auch seitens Offizier der Gerichtspolizei darf nur durch einen der parlamentarischen Opposition gab es durchgeführt werden, dem die betroffenen Personen sofort vorgeführt werden müssen. heftige Widerstände gegen das Gesetzesvor- länger dauern, als die Die Festnahme darf nicht haben"Projet Securite et liberte", mit dem für die Feststellung der Identität unbedingt notwendige Zeit. Im Falle von Schwierigkeiten die Regierung eine Schwächung der Unter- Justizpolizei wendet sich der Offizier der suchungsrichter zugunsten der Polizei, die an die Staatsanwaltschaft. Diese hat daneben jeder- zeit die Möglichkeit, die Durchführung der Maß- Schaffung eines besonderen Tatbestandes der Identitätsfeststellung zu kontrollieren. nahmen der "Kriminellen Vereinigung", (assocoation crimi- Maßnahmen der Identitäts- Wer der Kontrolle und den nelle), Verschärfungen im Strafmaß etc. ver- feststellung Widerstand leistet, wird mit lo Tagen bis zu 3 Monaten Haft und einer Geldbuße von folgte. I2oo bis 2000 Frs. bestraft. Die Strafe ver- doppelt sich für jede Person, die es versucht oder unternimmt, die Offiziere der Justizpolizei... bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu behindern." ,0›.

Deg Gesetzestext nennt keine Voraussetzungen für die Identitätskontrolle. Sie muß der Polizei nur notwendig erscheinen. Er be- schreibt keine zeitlichen Höchstgrenzen für die Festnahme zur Identitätskontrolle und stellt hohe Strafdrohungen auf. Da in Frankreich niemand verpflichtet ist - bis jetzt - Ausweispapiere mit sich zu führen, hat die Polizei die rechtliche Möglich- L-I keit, die Identitätsfeststellung auf der Wache durchzuführen und damit präventive Verhaftungen nun legal vorzunehmen. . elt Muses da ZONK.) Die Verabschiedung dieser neuen polizei- Befugnisse selbst ging mit außer- Diesem lichen umfangreichen Gesetzespaket, mit ordentlicher Schnelligkeit und ohne dem bisher für Frankreich wesentliche französischen Parlament von- Diskussion im Prinzipien des Grundrechtsschutzes zuungunsten statten. 3o

des Bürgers verändert wurden, fügte die IV. POLIZEI IN AKTION Regierung am 21.o6. - also am Tage der Ver- +) Jean Paul Brodeur abschiedung des Projektes "Securite et Liberte - die Befugnis zu Identitätskon- trollen bei. Diese wurden als Teil des DIE ROYAL CANADIAN MOUNTED POLICE (RCMP) Gesetzespakets gleich mit verabschiedet, so daß eine Chance parlamentarischer POLIZEILICHE ÜBERGRIFFE UND RECHTSVER- Beratung über diesen neuen Einzelpunkt auch LETZUNGEN IN KANADA nicht ansatzweise bestand. I. EINLEITUNG Die neue Befugnis ist in der Vergangenheit 1.1 DIE POLIZEI IN KANADA jedoch schon millionenfach von der Polizei Kanadaist ein föderativer Staat. Er setzt sich aus zehn Provinzen und zwei nördlichen Territorien in Anspruch genommen worden(- und das auch (Yukon- und Nordwest-Territorium) zusammen. Die beiden ohne Gesetz). Seit 1974 gehört die ganze am dichtesten besiedelten Provinzen Ontario und Quebec verfügen über eigene Provinzpolizeien und einige Regionen Frankreichs betreffende Kontroll- kommunale Polizeiabteilungen in den größeren Städten. praxis der Polizei zu den festen Bestand- Für die restlichen acht Provinzen und die zwei nörd- lichen Territorien ist die Royal Canadian Mounted teilen der "Sicherheits"-Politik der Police (RCMP) zuständig. Die Gesamtausgaben für die französischen Regierung. Begonnen hatte Polizei in Kanada beliefen sich für das Jahr 1977/78 auf 1,718 Mill. Dollar. Dies sind 65,6 % der Ausgaben dies mit der Operation 'Coup de poing' im für das gesamte Strafverfolgungssystem (Polizei, Jahre 1974, als innerhalb von 3 Nächten Strafgerichte, Strafvollzug) Kanadas. 1) über 200.000 Personen kontrolliert wurden, 1.2 DIE RCMP um durch die Tatkraft der französischen Unter dem heutigen Namen wurde die RCMP offiziell im Polizei das 'Sicherheitsgefühl. der Be- Jahre 192o gegründet. Unter der Bezeichnung Northwest Mounted Police (NWMP) und umbenannt 19o4 in Royal völkerung zu stärken. Seit jener Zeit Northwest Mounted Police existierte diese Polizei- werden die Zahlen der durchgeführten Identi- truppe schon seit 1873. tätskontrollen wie Maßzahlen polizeilicher Ihre Hauptaufgabe war ursprünglich die Bekämpfung des Alkoholschmuggels aus den USA und die Verhinderung des Wirksamkeit veröffentlicht. Allein für den Verkaufs von Alkohol an die kanadischen Indianerstämme. Bereich der Pariser Metro werden für 1979 Auch trat die NWMP bei der Umsiedlungsaktion der India- nerstämme in jene ländlichen Ghettos, die auch heute) 707.126 Identitätskontrollen angegeben, noch als sogenannte Reservate bekannt sind, hervor. die zu 41.425 vorläufigen Festnahmen führten. Hervorzuheben ist, daß die RCMP von Anfang an eine mili- tärisch ausgerichtete Organisation war. Ursprünglich (Zahlen für 1979 aus: Liaison. Revue d' in- war für die NWMP der Name Northwest Mounted Rifles (Schützen) vorgesehen. "Rifles" ist dann, um die USA formation et de relations publiques; edite par zu beschwichtigen, durch "Police" ersetzt worden. Bis la gefecture de police. Nr. 245. janvier- heute hat die RCMP ihre paramilitärische Struktur bei- nicht an den fevrier 1980. Paris.) behalten und sich in dieser Hinsicht zivilen amerikanischen Polizeien, wie z.B. dem FBI, als direktem Gegenpart orientiert. Die RCMP nimmt heute drei Funktionen wahr: 1. In acht der zehn kanadischen Provinzen und in den nördlichen Territorien Yukon und Nordwest nimmt sie die Aufgabe einer Kriminalpolizei wahr. 2. Sie ist für den Vollzug der Bundesgesetze und Sta- tuten, d.h. Verfolgung von Straftaten, die gegen Bundesgesetze verstoßen, zuständig. 3. Letztlich sind ihr die Aufgaben eines Nachrichten- dienstes übertragen worden. In dieser Hinsicht ver- steht sich die RCMP im wesentlichen als Spionageab- wehrorganisation, deren Operationen auf kanadi- sches Gebiet beschränkt bleiben. Es muß jedoch betont werden, daß die RCMP nicht im Sinne einer Bundespolizei für die Verfolgung politisch moti- vierter Straftaten allein zuständig ist. Das kanadische Strafrecht enthält auch keine speziellen Regelungen in Bezug auf politisch motivierte Straftaten, vergleichbar mit Antiterrorismus-Gesetzen in verschiedenen Staaten Westeuropas. Alle politisch motivierten Verbrechen - Terrorismus - werden somit nach dem allgemeinen Straf- recht verfolgt. Entsprechend diesen allgemeinen Straf- rechtsbestimmungen kann keine der kanadischen Polizeien, d.h. die Provinzpolizeien oder die RCMP, die ausschließ- liche Strafverfolgung von politisch motivierten Verbre- chen für sich in Anspruch nehmen. Zuständig für die Strafverfolgung, auch im Bereich Terrorismus, ist je- weils die Polizei, in deren Distrikt die Straftat be- gangen wurde. Angesichts der Konzentration von terro- ristischen Gewalttaten auf die Provinz Quebec - aus +771721727Brodeur ist Professor für Soziologie an der Ecole de Criminologie der Universität von Montreal. 31

Gründen, die später noch in Kürze erläutert werden - Entführern freigelassen, nachdem ihnen selbst freies Geleit nach hat die Provinzpolizei von Quebec (Sürete du Quebec - SQ) Kuba zugesichert worden war, wohin sie ins und die Polizei von Montreal (Service de police de la 'Exil gingen. cammunaute urbaine de Montreal - SPCUM) ihre eigenen Diese Geschehnisse wurden fortan als Oktober-Krise - Sondereinheiten zur Verfolgung politisch motivierter der dramatischsten Krise Kanadas überhaupt - benannt.3) Straftaten (politische Polizei) aufgebaut, deren Be- deutung innerhalb der Polizeien der Provinzen inzwischen Als Reaktion auf diese Krise fand eine beunruhigende stark zugenommen hat. Zahl von polizeilichen Übergriffen und Rechtsverletzun- gen statt. Das Ausmaß dieser Polizeiübergriffe wurde Die lokalen Sondereinheiten sind jedoch weitgehend von größtenteils von zwei Kommissionen aufgedeckt, die zur der RCMP abhängig, was auch für alle anderen Provinz- Untersuchung von illegalen Polizeioperationen eingesetzt polizeien gilt. Zwei Gründe sind hierfür zu nennen: worden waren. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich I. Durch die Zuständigkeit über das kanadische Polizei- von Ende I97o bis heute. 4) Informationssystem (CPIC), welches wiederum Teil eines integrierten Computersystems Nordamerikas Es soll nun erläutert werden, wie es zur Bildung dieser mit der Zentrale in Washington D.C. (USA) ist, hat Kommissionen kam. die RCMP praktisch eine Monopolstellung über das ganze polizeiliche Nachrichtenmaterial in Kanada. 2. DIE EINSETZUNG DER KEABLE- UND DER MC DONALD-UNTER- 2. Die RCMP gilt als vorbildliche Polizei in Kanada und SUCHUNGSKOMMISSIONEN nimmt von daher eine führende Position ein. So erhal- ten z.B. die Polizeibeamten für Sondereinheiten und Robert Samson, ein Mitglied der RCMP-Geheimdienstabteilung, Kriminalbeamte für besondere Aufgaben ihre Ausbil- die in Montreal stationiert ist, wurde am 26.7.1974 durch dung bei der RCMP. Die höheren Polizeioffiziere der eine Bombe, die er an die Hintertür des Hauses von Samuel unabhängigen Provinzpolizeien waren nicht selten Dobrin, dem Direktor der größten Supermarktkette Quebecs, früher Mitglieder der RCMP (so ist z.B. der derzeitige deponiert hatte, die aber zu früh explodierte, schwer ver- Chef der SQ früher ein Mitglied der RCMP gewesen). wundet. Samson wurde verhaftet und schließlich 1976 ver- urteilt. Während des Prozesses gestand Samson, daß er 1.3 ZUR INNENPOLITISCHEN SITUATION IN KANADA schon viel Schlimmeres im Auftrage der Polizei getan hätte, als das, wofür er jetzt vor Gericht stand. 5) Er ent- Da alle Polizeiübergriffe, die im weiteren Verlauf dieses hüllte, daß er 1972 mit mehreren anderen Polizisten an .Papiers behandelt werden, vor dem Hintergrund des innen- einem Einbruch in die Agence de Presse Libre du Quebec politischen Klimas in Kanada gesehen werden müssen, soll (APLQ) teilgenommen hätte. Dieses hier kurz auf die politische Situation in Kanada einge- Geständnis führte zu einem Sturm öffentlicher Empörung und Diskussion über gangen werden. die Polizei in Quebec. Verstärkend hinzu kam noch, Etwa ein Viertel der Bevölkerung gehört dem französisch daß die APLQ, als der Einbruch 1972 stattgefunden hatte, sprechenden Teil an, dreiviertel der Bevölkerung ist sofort den Verdacht hegte, daß die Polizei darin invol- englischsprachig. Die französisch sprechende Minorität viert war. In Telegrammen und Briefen an den kanadi- ist immer in der Provinz Quebec konzentriert gewesen, schen Solicitor General (Generalstaatsanwalt), an welche sich deutlich - in Hinblick auf Sprache, Kultur, Quebecs Justizminister, an Quebecs Ombudsman und an die Tradition und Wirtschaft - vom Rest Kanadas unterscheidet jeweiligen Leiter der drei Polizeiorganisationen, die in Anfang der sechziger Jahre hat der französisch-kanadische Montreal operieren (die RCMP, die SQ und die SPCUM) wurde oder • sogenannte Quebecois Nationalismus einen starken dieser Verdacht geäußert und gefragt, ob die Polizei Auftrieb erhalten. Die Idee, Quebec aus der kanadischen für den Einbruch verantwortlich sei. Alle drei Addressa- Föderation herauszulösen, um einen selbständigen Staat ten verneinten zu jener Zeit offiziell die Verantwortung zu gründen, gewann mehr und mehr Anhänger. Eine politi- der Polizei für diesen Einbruch. sche Partei der Autonomisten - die Parti Quebecois - Es ist umso verständlicher, daß die Öffentlichkeit von wurde in den späten sechziger Jahren gegründet. (In den Quebec schockiert war als sie durch Samson erfuhr, daß letzten Provinzwahlen hat sie an Stärke gewonnen. Durch die Polizei doch letztlich für diesen Einbruch verant- ein am 2o. Mai dieses Jahres durchgeführtes Referendum wortlich war und wie die ganze Sache vertuscht werden sollte die Regierung Kanadas gezwungen werden, in Ver- sollte. Die drei Polizeioffiziere, die den Einbruch ge- handlungen einzutreten mit dem Ziel, eine Änderung des nehmigt hatten - Captain Cormier der SPCUM, Inspektor jetzigen politischen Status von Quebec zu erreichen. Coutellier der SQ und Inspektor Cobb der RCMP - bekannten (Die Parti Quebecois unterlag jedoch in diesem Referen- sich vor dem Strafgericht in Montreal schuldig. Doch die dum, Anm.d.Red.). Ein Teil der Autonomisten war in den Vertuschung wurde in unverschämter Weise fortgesetzt: sechziger Jahren jedoch nicht davon überzeugt, daß das Bei dem Prozeß gegen die drei Offiziere blieb die Öffent- Ziel eines souveränen Quebec durch Wahlen erreicht lichkeit ausgeschlossen und sie wurden letztlich vom werden könnte. Sie schlossen sich in der Front de Richter "vollkommen entlastet". Wegen der Empörung der Liberation du Quebec zusammen, die in den Jahren von Öffentlichkeit sah sich Quebecs Provinzregierung schließ- 1963 - 1972 durch terroristische Gewaltakte versuchte, lich gezwungen, eine öffentliche Untersuchungskommission das politische Ziel - die Unabhängigkeit - zu er- einzuberufen, die Licht in die ganze Affäre bringen sollte. reichen. Diese Kommission unter dem Vorsitz des Rechtsanwaltes britischen Am 5. Oktober I97o entführte die FLQ den Jean-Francois Keable, damals 32 Jahre alt, war am I6.Juni in Diplomaten James Richard Cross aus seinem Haus 1977 ernannt worden. Da diese von der Provinzregierung andere FLQ- Montreal. Fünf Tage später entführte eine eingesetzte Kommission die Rolle der RCMP bei dem ille- Minister der Zelle den Hon. Pierre Laporte, einen galen Einbruch untersuchen sollte, die Bundesregierung Wenige Tage liberalen Provinzregierung von Quebec. jedoch sehr auf ihre Prärogativgewalt in Bezug auf Bundesregie- nach den Entführungen rief die kanadische Bundesinstitutionen wie der RCMP bedacht ist, setzte erklärte, rung den Ausnahmezustand für Quebec aus. Sie die Bundesregierung eine eigene Kommission mit demselben "erwarteten Auf- daß sich Quebec in einem Zustand des Untersuchungsgegenstand ein. Der Richter D.C. Mc Donald nach standes" befindet. Die kanadische Armee wurde wurde zu ihrem Präsidenten ernannt (er sollte durch zwei Polizei er- Quebec entsandt und die Machtbefugnisse der andere Kommissionsmitglieder assistiert werden). Die auf dem heblich ausgeweitet. Diese Maßnahmen basierten Mc Donald-Kommission nahm am 6. Juli 1977 ihre Arbeit auf. "War Measures Act" (ein Gesetz, das im- Kriegsfall die Einsatz Befugnisse von Polizei und Militär im inneren 3. UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE DER KOMMISSIONEN regelt). Im folgenden wird eine kurze Zusammenfassung von dem, was und In großem Umfang wurden Verhaftungen vorgenommen diese Kommissionen enthüllen konnten, gegeben. Ich selbst Art Kriegs- mehrere Monate befand sich Quebec unter einer war Mitglied der Keable-Untersuchungskommission. Die führten zwar recht. Die groß angelegten Polizeiaktionen Darstellung beschränkt sich auf die illegalen Polizei- konnten jedoch zu einer Einschüchterung der Bevölkerung, aktionen, die von der Keable-Kommission aufgedeckt wurden. nicht verhindern, daß P. Laporte von seinen Entführern umgebracht wurde (am 17.1o.1970). Im Dezember desselben Auf die Mc Donald-Untersuchungskommission werde ich später eingehen. Jahres wurde von der RCMP das Versteck entdeckt, wo der Ent- britische Diplomat James Richard Cross von seinen Die Keable-Kommission hat in zwei Folgen öffentliche führern gefangen gehalten wurde. Er wurde von seinen 32

die Begründung, die der Kammission gegeben wurde - Hearings abgehalten; deshalb werde ich von den zwei entschied sich die RCMP, sie total abzubrennen, um Hearing-Perioden nacheinander berichten. das Treffen zu verhindern. Die Scheune stand auf dem Grundstück von "Petit Quebec Libre",einer linksgerich- 3.1 DIE KEABLE-KOMMISSION: HEARINGS VOM OKTOBER 1977 teten Kommune unweit von Sainte-Anne-de-la-Rochelle, BIS FEBRUAR 1978 einem Dorf ca. 6o Meilen östlich von Montreal gelegen. Die Kommission untersuchte zunächst den Einbruch in das 4. Die Fälschung eines Kommuniques der FLQ APLQ-Büro, der als eine gemeinsame Operation von der Im September 1971 ging Pierre Valliere in den Untergrund. RCMP, der SQ und der SPCUM ausgeführt wurde. Wie sich Er stand damals vor Gericht und war angeklagt wegen der herausstellte, handelte im Laufe dieser Untersuchung Anstiftung zu terroristischen Gewalttaten. Pierre einen Einzelfall. es sich bei diesem Einbruch nicht um Valliere war zu jener Zeit der bekannteste Ideologe der konnten von der Kom- Weitere illegale Polizeiaktionen FLQ. Nachdem er sich zwei Monate lang versteckt gehal- öffentlich gemacht wer- mission aufgedeckt und somit ten hatte - die Suche der Polizei nach ihm war eine den. der größten Menschenjagden, die je in Kanada stattge- 1. Der Einbruch in das Büro der APLQ: funden hat - veröffentlichte die Zeitung Le Devoir In der Nacht vom 7.Oktober 1972 verübten Beamte der einen Brief von Pierre Valliere. In diesem Brief kri- RCMP gemeinsam mit Agenten der SQ und der SPCUM den Ein- tisierte er scharf die Anwendung von Gewalt und for- bruch in das Büro der APLQ in Montreal und stahlen un- derte die Mitglieder der FLQ auf, dem Terrorismus ein gefähr eine halbe Tonne an Dokumenten, hauptsächlich Ende zu bereiten und in die Parti Quebecois einzutreten, Presseausschnitte. Bei der Untersuchung des Falls stellte um das Ziel - Quebecs politische Unabhängigkeit - mit sich jedoch heraus, daß die APLQ (eine Presseagentur, demokratischen Mitteln durchzusetzen. Inspektor Cobb die nach links tendiert) nicht das primäre Ziel der von der RCMP entschloß sich daraufhin, ein falsches Polizeiaktion war. Kommunique der FLQ herauszugeben, das P. Valliere Eine andere Organisation, die sich Mouvement de defense als einen Abtrünnigen denunzierte und mit den schärfsten des prisonniers politiques Quebecois (MDPPQ) nennt Worten die Weiterführung des bewaffneten Kampfes propa- (Bewegung zur Verteidigung der politischen Gefangenen gierte. Dieses gefälschte Kommunique wurde am 19. Dezem- Quebecs) teilte nämlich dieses Büro mit der APLQ: Die ber 1971 von Mitgliedern der RCMP herausgegeben und er- Gefangegenhilfsorganisation MDPPQ betreute vor allem schien auf der Titelseite einer Montrealer Tageszeitung. die während der Oktober-Krise verhafteten Mitglieder M; Cobb sagte vor der Kommission aus, daß er das ge- der FLQ. Sie versuchten auch Gelder für die Verteidigung fälschte FLQ-Kommunique herausgegeben habe, um die In- der Verhafteten und insbesondere für die Personen, die filtration der FLQ-Terroristen in die Parti Quebecois wegen der Ermordung Pierre Laportes angeklagt waren, als Reaktion auf den Aufruf von Valliere zu verhindern. über Informationen, zu sammeln. Die Polizei verfügte 5. Operation Ham interne Streitigkeiten in Schwierig daß die MDPPQ durch In der Nacht vom 9. Januar 1973 stahlen Mitglieder der die Zerstörung des Büros, keiten geraten war. Durch RCMP Computerbänder aus den Büros von Les Messageries teilte, sollte die Bewegung endgül- das sie mit der APLQ Dynamiques - einer Privatfirma, deren EDV-Anlagen von destabilisiert werden. In diesem Zusammenhang hatte tig verschiedenen Organisationen genutzt werden - und ließ gestohlenen Dokumente in die Polizei auch geplant, die Kopien von diesen Bändern bei MICR-Systems, einer ande- rivalisierenden Separatisten-Organisation den Büros einer ren Privatfirma in der Computerbranche, anfertigen. Teil des Plans wurde jedoch nicht zu deponieren; dieser (Der Angestellte von MICR, der diese Bänder in der ausgeführt. Nacht kopierte, war weder über den Inhalt, noch über Die Operation wurde unter strengster Geheimhaltung die Art, wie sie beschafft worden waren, informiert.) durchgeführt. Alle Autos, die benutzt wurden, waren von Noch in derselben Nacht wurden die Bänder, nachdem sie der Polizei unter falschem Namen gemietet worden. Um kein'kopiert worden waren, zu der Firma Les Messageries Spuren zu hinterlassen, trugen die Polizeioffiziere, Dynamiques zurückgebracht. Auf diesen Bändern waren die in das Büro einbrachen, Plastikhandschuhe. Wie oben alle Mitglieder der Parti Quebecois und weitere In- schon dargestellt, wurde dann auch von allen öffentlichen formationen über diese Mitglieder gespeichert. Die Ämtern auf entsprechende Anfragen die Verantwortlichkeit Parti Quebecois war zur Zeit des Diebstanis eine aner- der Polizei für diese illegale Operation abgestritten. kannte politische Partei und mehrere ihrer Mitglieder waren ordnungsgemäß in die Assemblee Nationale Die Polizei hatte mit dieser Operation ihr Ziel erreicht. (Quebecs Provinzparlament)gewählt worden. Durch die- Die MDPPQ hat sich letztendlich aufgelöst, da sie sich se Operation sollte die RCMP und die Bundesregierung von diesem Schlag, der ihr von der Polizei zugefügt in den Besitz einer Liste von Quebecs militanten Sepa- worden war, nicht mehr erholen konnte. Ebenso erging ratisten gebracht werden, um somit über das Ausmaß es der APLQ. des Eindringens von Separatisten in Regierungsinstitu- 2. Dynamit-Diebstahl tionen Informationen zu erhalten. Regierungsangestellte, In der Nacht vom 27. April 1972 stahlen drei Mitglieder die dadurch als Mitglieder der Parti Quebecois identi- der RCMP auf Befehl ihres kommandierenden Offiziers fiziert worden waren, sollten von der Beförderung aus- zwischen ein und vier Kisten Dynamit (die Zahlen schwan- genommen oder letztendlich unter irgendeinem Vorwand ken je nach Bericht) und eine große Menge elektrischer entlassen werden. Zünder von Richelieu Explosives Inc. Die Kommission Diese Operation Ham war eine sehr detailliert ausgear- konnte den genauen Grund für diesen Diebstahl nicht end- beitete Aktion. Sie war in Ottawa durch eine Eliteein- gültig aufklären: Entweder sollte das Dynamit in dem heit - der Sektion E (Spezial) - der RCMP geplant und Wagen eines Verdächtigen deponiert werden, um ihn war auf höchster Ebene des Geheimdienstes durch den danach mit den entsprechenden Beweismitteln als Terro- Generaldirektor selbst genehmigt worden. Insgesamt risten verhaften zu können (die Polizei hatte erfahren, waren 8o Mitglieder der RCMP und mehrere Zivilisten daß der Verdächtige eine Reise in die USA plante), oder daran beteiligt. Einer dieser Zivilisten mußte gemäß um einem Informanten Glaubwürdigkeit zu verschaffen, dem kanadischen Official Secrets Act Geheimhaltung indem sie ihn mit Dynamit versorgte. Das gestohlene schwören. . Dynamit scheint am Ende für keinen dieser Fälle benutzt worden zu sein. Einen Teil wurde man dadurch wieder los, Die hier aufgeführten Operationen haben alle in Quebec daß man ihn an einer Landstraße liegenließ und der stattgefunden. Mit Ausnahme der Operation Ham ge- SQ anonym von diesem Fund berichtete. hörten sie zu dem RCMP-Programm, das unter der Bezeich- nung Zersetzungstaktiken (Disruptive Tactics) bekannt Brand einer Scheune 3. Der wurde. Die Keable-Kommission versuchte, Zugang zu den Abend des 8. Mai 1972 setzten vier Mitglieder der Am Aufzeichnungen über dieses "Zersetzungs"-Programm zu wiederum auf Befehl der Vorgesetzten, eine RCMP, erhalten, traf jedoch auf den erbitterten Widerstand in Brand, die in eine Jazzkonzerthalle um- Scheune der Bundesregierung. Man kann aufgrund von freigegebenen worden war und auch als Treffpunkt verschie- gewandelt RCMP-Dokumenten vermuten, daß dieses Programm kurz nach galt. Als Grund für diesen Anschlag ga- dener Gruppen der Oktober-Krise von 197o ausgearbeitet worden war. der RCMP an, daß ein Treffen zwischen ben die Beamten Das angebliche Versagen der Polizei in dieser Krise Linken und Mitgliedern der amerikanischen den Quebecer sollte nach den Plänen der RCMP (Disruptive Tactics) -Party dort stattfinden sollte. Da es Black-Panthers dadurch wieder gutgemacht werden, daß man eine aggres- wenig Möglichkeiten gab, eine aus- in der Scheune sive Politik der Destabilisierung aller Dissidenten- reichende Zahl von "Wanzen" zu installieren - dies 33

der Oberste Gerichtshof von Kanada in einem Urteil der gruppen, bevor sie zu einer Bedrohung der kanadischen Kommission, die allgemeinen Arbeitspraktiken der RCMP nationalen Sicherheit wurden, verfolgte. zu untersuchen - ihr wurde nur gestattet, eine Befra- Der Keable-Kommission wurde durch ein Urteil des gung über die unmittelbaren Umstände der schon bekannten Obersten Gerichtshofes von Kanada untersagt, die Unter- illegalen Operationen durchzuführen. Daraus folgte, daß suchung auf die Arbeiteweisen und allgemeinen Praktiken die Kommission nicht ermächtigt wurde, nach weiteren, der RCMP auszudehnen. Bei der Auswertung der Polizei- noch nicht bekannt gewordenen illegalen Aktivitäten zu dokumente stieß die Kommission jedoch auf Code-Wörter forschen. Durch dieses Urteil des Obersten Gerichtshofes wie "Puma", "Vampire", "Cobra", "Cathedral", "Grub" ließ sich die Kommission jedoch nicht daran hindern, und "Bravo". Die ersten drei dieser Code-Wörter be- eine gründliche Untersuchung der Aktivitäten der Poli- ziehen sich auf Abhöraktionen und geheimgehaltene zeiapparate, die der Provinzregierung von Quebec direkt Einbrüche. Der Begriff "Cathedral" steht für das syste- unterstehen - nämlich der SQ und der SPCUM - durchzu- matische öffnen von Briefen. "Grub" und "Bravo" stehen führen. für Polizeiaktionen vergleichbar mit der Operation Ham. (Die Kommission konnte solche Operationen nicht 3.3 DIE KEABLE-KOMMISSION: HEARINGS VOM FEBRUAR 1979 untersuchen.) BIS MÄRZ 198o In welchem Ausmaß diese polizeilichen übergriffe und Als die Keable-Kommission ihre Untersuchung im Februar Rechtsverletzungen stattfinden, kann man aus der Tat- 1979 wieder aufnahm, hatte sie zunächst nur vorgehabt, sache schließen, daß - nach Mißfallensäußerungen, die die Affäre um die Herausgabe des gefälschten FLQ-Kommu- die Rekruten während ihres Trainings darüber äußerten, niques voll aufzuklären. Während der Befragung des RCMP- die RCMP explizit eine Erklärung darüber abgeben mußte, Offiziers, der für die Herausgabe des Kommuniques ver- was mit den Mitgliedern, die wegen Ausübung illegaler antwortlich war, wollte die Kommission von ihm wissen, Tätigkeiten als Teil ihrer Polizeipflichten verurteilt ob nach seinem Wissen noch andere gefälschte FLQ-Kommu- worden waren, geschah. (In dieser Erklärung heißt es niques von der Polizei herausgegeben worden waren. Der z.B., daß RCMP Mitglieder, die eine Strafe wegen ille- Offizier antwortete daraufhin, daß er Gerüchte gehört galer Aktivitäten absitzen, deren Durchführung ihnen habe, daß andere FLQ-Kommuniques von einem "Polizei- angeordnet worden war, während der Gesamtzeit ihrer agenten" herausgegeben worden seien. Dieses Eingeständ- Inhaftierung weiterhin volles Gehalt beziehen würden.) nis führte die Kommission zu neuen Untersuchungen, de- ren Ergebnisse sich als noch gravierender als die zuvor 3.2 JURISTISCHES ZWISCHENSPIEL erhaltenen erwiesen. 1. So fand man gleich zu Beginn heraus, daß fast alle Wiederholt versuchte der Generalstaatsanwalt von Kanada, Kommuniques, die von der FLQ vom November I97o bis das Recht der Keable-Kommission - einer Kommission, die Ende 1971 herausgegeben worden waren und zunächst von der Provinzregierung eingesetzt wurde - Praktiken von der SQ als authentisch bezeichnet wurden, ganz im einer Bundesinstitution wie der RCMP zu untersuchen, Gegenteil mit der Hilfe eines bezahlten Polizeispitzels, vor Gericht anzufechten. Die Kommission mußte ihre der im Auftrage der SPCUM arbeitete, herausgegeben wor- Untersuchung nicht weniger als neunmal während der den waren. Der RCMP-Offizier sagte vor der Kommission ersten neun Monate ihrer Tätigkeit unterbrechen, um aus, daß nach seinem Wissen das Papier, das von der von den Gerichten das Recht zugesprochen zu bekommen, FLQ benutzt wurde, durch die SPCUM an FLQ-Zellen gelei- eine gründliche Untersuchung der RCMP-übergriffe in tet worden war. (Die FLQ benutzte Spezialpapier mit Quebec durchzuführen. Zwischen Februar und Oktober Kennzeichen, um ihre Kommuniques als authentisch iden- 1978 mußten dadurch die Befragungen im Rahmen der Unter- tifizieren zu können.) suchung ausgesetzt werden. Am 31.Oktober 1978 untersagte Es muß betont werden, daß in der oben genannten Zeit für Quebec der Ausnahmezustand galt. Die außerordent- lichen Machtbefugnisse, die der Polizei während der Oktober-Krise zugesprochen worden waren, wurden 1972, begleitet und gefördert von der öffentlichen Terroris- mus-Furcht, gesetzlich verankert. Die erweiterten Macht- befugnisse der Polizei, entsprechend den Notstandsbe- stimmungen, wurden damit für die Zukunft institutiona- lisiert. 2. Die SPCUM wußte im voraus von'den Operationen, zu denen sich im Nachhinein die FLQ in Kommuniques be- kannte. Diese Operationen, an denen ein Polizeispit- zel aktiv teilnahm, umfaßte Dynanitdiebstahl, einen Bombenanschlag, das Werfen eines Molotowcocktails, Überfälle und Erpressungen. Trotz Wissens der Polizei konnte die FLQ-Zelle, die für diese Anschläge verantwort- lich war, ihre Tätigkeit fortsetzen. Gelegentlich kamen zwar Verhaftungen vor, die Polizei versuchte jedoch nie ernsthaft die für die Anschläge verantwortlichen FLQ- Zellen zu zerschlagen. (Ein Terrorist war vor Gericht angeklagt worden,eine Bombe gelegt zu haben.Er wußte jedoch nicht, daß das Dynamit, das er verwenden wollte, von einem Polizeispitzel durch eine Attrappe ersetzt worden war. Er wurde zu einer Gefängnisstrafe verur- teilt.) 3. Das erschreckendste an dem Vorgehen der Polizei ist die Tatsache, daß an dem Tag nach der Geiselnahme des britischen Diplomaten I97o der Montrealer Poli- zei der Name des Geigelnehmers durch einen vertrauens- würdigen Informanten mitgeteilt worden war. Die Polizei war dieser Information nicht nachgegangen, auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt, obwohl diese Information in mehreren Polizeiquellen von 197o an über mehrere Jahre immer wieder auftauchte. Bis zum heutigen Tage ist der Mann, von dem in jenem Informantenreport die Rede ist, nicht verhört worden. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, daß unter den Ende 197o bis Mitte 1971 geltenden Notstandsbestim- mungen die Polizei nur den kleinsten Vorwand benötigte, um jemand für ein Verhör festzuhalten. Das GesaMtbild, das sich aus den Untersuchungen der Kom- 34

einen Sturm der Empörung bei den JuribLen aus. Die mission ergibt, ist, daß von November 197o an die ver- Polizei von Montreal ging sofort vor Gericht, um schiedenen Polizeikräfte, die in Quebec zusammen operier- Keable als Commissioner der Untersuchungskommission ten, in der Lage waren, die meisten terroristischen Ak- zu disqualifizieren und um die gesamte Untersuchung tivitäten der terroristischen Zellen der FLQ, die von Polizeiinformanten durchsetzt waren, nicht unterbanden. für immer zu beenden. In einem langen Urteil, welches ausdrücklich fest- stellt, "daß die Polizei nicht ein Staat im Staate sei 3.4 DIE MC DONALD-KOMMISSION und sich auch nicht bemühen sollte, einer zu werden", Es kann mit Recht behauptet werden, daß die Mc Donald- wurde vom Vorsitzenden Richter des Obersten Gerichtes Kommission ursprünglich von der Bundesregierung ernannt von Montreal die Klage der Polizei abgewiesen. wurde, um deren Widerstand, mit der Keable-Kommission Die Polizei legte Berufung gegen dieses Urteil ein. Das zusammenzuarbeiten, zu rechtfertigen und als Alibi zu Urteil der Berufungsinstanz steht noch aus. fungieren. In der Tat waren die Aufgaben der Bundes- und der Keable-Kommission identisch. Die Mc Donald-Kom- mission untersuchte zunächst jene Polizeiübergriffe und 1) Diese Zahlen sind entnommen aus: Selected Trends in Rechtsverletzungen, die ursprünglich von der Keable- Canadian Criminal Justice 1 Ministry of the Solicitor Kommission aufgedeckt worden waren. Die Bundeskommis- General of Canada, Ottawa, Oktober 1979, S. 2o sion gewann im Laufe ihrer Nachforschungen zunehmend an 2) vgl. hierzu Brown, Lorne und Caroline (1978). An Un- Gewicht. authorized History of the RCMP. Toronto, James Lorimer and Company Publishers Nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofes gegen die separatistischen Bestrebungen in Quebec haben Keable-Kommission wurde der Mc Donald-Kommission das 3) Die weite politische Implikationen. Vgl. dazu Rapport alleinige Recht zugesprochen, die übergriffe der RCMP de la Commission royale d'enqugte sur la securite, zu untersuchen und die verantwortlichen Minister der Ottawa, Imprimeur de la Reine, 1969. Dieser Bericht Bundesregierung zu befragen. ist auch als der Mac Kenzie-Bericht bekannt. Die Mc Donald-Kommission hat vor allem zwei Dinge 4) 1977 hat die Regierung der Provinz Quebec einen Rechts- geleistet: anwalt beauftragt, alle unklaren Aspekte der Krise 1. Die streng geheimen RCMP-Memoranden über Terroristen- vom Oktober 197o zu untersuchen. Der Beauftragte, abwehr-Programme wurden veröffentlicht. Ich zitiere Jean-Francois Duchaine, hat jetzt seinen Bericht ab- aus einer dieser Schriften (datiert vom 12.2.1971): geschlossen. Der Bericht behandelt mehrere Fragen "In den letzten Monaten ist über das Aufstellen eines über die Art, in welcher Polizeioperationen während erfolgversprechenden Terroristenabwehr-Programms der Krise und danach durchgeführt wurden. (Ich war diskutiert worden... Generelle übereinstimmung ist am Schreiben des Berichts beteiligt.) darüber erreicht worden, daß die zukünftigen Bemü- 5) Interessanterweise ging vor dem Bombenanschlag auf hungen der Sondereinheit 'G' umfassend und extrem das' Haus von Samuel Dobrin RCMP-Agenten vielseitig sein müssen. Dieses Programm kann wie durch den Robert Samson das Gerücht um, daß Samuel Dobrin ein folgt kategorisiert werden: geplantes Ziel einer FLQ-Geiselnahme wäre. Während 1. Ziel: Terrorismus des Prozesses sind die Gründe, die Samson dazu ge- a) Infiltration der terroristischen Zelle durch Einschleusen von Personen (langzeitig) führt haben, auf der Hintertreppe von Samuel Dobrins Haus eine Bombe zu deponieren, b) Geheimoperationen durch Geheimagenten (zeit- nicht überzeugend genug dargelegt worden. lich begrenzt) 6) Mc Donald-Commission, Public Exhibit D.1. zu den c) Spaltung - durch Zwangsmaßnahmen und Bloß- stellungen Fragen, die von den Kommissionsmitgliedern zu diesem Programm gestellt waren, siehe d) wenn nötig, Einsatz von technischen Mitteln." 6) speziellen worden Band 27 der Abschriften der öffentlichen Hearings der Mc Donald-Kommission. 2. Während der öffentlichen und nichtöffentlichen Hearings hat die Kommission ausführlich alle Kabinettsmitglie- der, die für die RCMP verantwortlich sind (auch eine Reihe von kanadischen Staatsanwälten) und die meisten der leitenden RCMP-Offiziere, die für den Sicherheits- VERFASSUNGSSCHUTZMOSAIK - EIN NEUES dienst (politische Polizei) zuständig sind, befragt. STEINCHEN Im Verlauf der öffentlichen Anhörungen haben die Kabi- nettsmitglieder ausgesagt, daß sie von der RCMP über die wahre Natur ihrer Aktivitäten systematisch falsch in- Politische überprüfung von Schöffen formiert worden waren. Die verantwortlichen Offiziere der RCMP haben, wie es vorhersehbar war, diese Anschul- In CILIP Nr. 4 haben wir über die Praxis digungen zurückgewiesen. Sie gaben an, daß sie die politisch Verantwortlichen entweder informiert hatten des "Jury-vetting", der politischen über- oder selbst nicht wußten, was wirklich auf diesem Ge- prüfung von Geschworenenlisten durch biet geschah. die Durch die Kommission wurde weiterhin aufgedeckt, daß Polizei in England berichtet. Hier jetzt die RCMP auch Minister der Regierung und hochrangige ein deutsches Gegenstück: Funktionäre überwachte (indem sie Telefone abhörte oder ähnliche Aktivitäten durchführte). Politische überprüfung von Schöffen durch Die Mc Donald-Kommission wird ihren Bericht voraussicht- den Verfassungsschutz in Berlin lich im Sommer 198o vorlegen. Auf Anfrage im Abgeordnetenhaus teilte der 4. EPILOG Berliner Justizsenator Meyer am Im November 1979 verweigerten zwei Zeugen, die zur Ver- 22.5.198o nehmung vor die Kommission geladen worden waren, die dem SPD-Abgeordneten Masteit mit, daß die Aussage und verlasen öffentlich ein Manifest, in dem für die Wahl von Schöffen bei den sie die Kommission als ein Werkzeug des bürgerlichen Berliner Staates abqualifizierten. Beide Zeugen - ein Universi- Verwaltungsgerichten zuständigen Ausschüsse tätsprofessor und ein Student - waren angeblich Mitglie- bis zum Jahre 1979 über alle in Frage der der FLQ. Commissioner Keable sah sich daraufhin ge- kommen- zwungen, öffentlich bekanntzugeben, daß einer der Auto- den Personen Auskünfte beim Verfassungs- ren des Manifestes mehrere Jahre ein bezahlter Polizei- schutz eingeholt haben. (Siehe spitzel gewesen ist und in dieser Eigenschaft immer Landespresse- noch in linken Kreisen aktiv ist. dienst Berlin, 22.5.198o) Indem er dies tat, verletzte Keable ein grundlegendes Die beiden Ausschüsse, je einer für Prinzip des englischen Strafrechts - den Schutz der das Ver- Identität eines Polizeiinformanten - und löste dadurch waltungsgericht und einer für das Oberver- 34

einen Sturm der Empörung bei den JuribLen aus. Die mission ergibt, ist, daß von November 197o an die ver- Polizei von Montreal ging sofort vor Gericht, schiedenen Polizeikräfte, die in Quebec zusammen operier- um Keable als Commissioner der Untersuchungskommission ten, in der Lage waren, die meisten terroristischen Ak- zu disqualifizieren und um die gesamte tivitäten der terroristischen Zellen der FLQ, die von Untersuchung Polizeiinformanten durchsetzt waren, nicht unterbanden. für immer zu beenden. In einem langen Urteil, welches ausdrücklich fest- stellt, "daß die Polizei nicht ein Staat im Staate sei 3.4 DIE MC DONALD-KOMMISSION und sich auch nicht bemühen sollte, einer zu werden", Es kann mit Recht behauptet werden, daß die Mc Donald- wurde vom Vorsitzenden Richter des Obersten Gerichtes Kommission ursprünglich von der Bundesregierung ernannt von Montreal die Klage der Polizei abgewiesen. wurde, um deren Widerstand, mit der Keable-Kommission Die Polizei legte Berufung gegen dieses Urteil ein. Das zusammenzuarbeiten, zu rechtfertigen und als Alibi zu Urteil der Berufungsinstanz steht noch aus. fungieren. In der Tat waren die Aufgaben der Bundes- und der Keable-Kommission identisch. Die Mc Donald-Kom- mission untersuchte zunächst jene Polizeiübergriffe und 1) Diese Zahlen sind entnommen aus: Selected Trends in Rechtsverletzungen, die ursprünglich von der Keable- Canadian Criminal Justice,Ministry of the Solicitor Kommission aufgedeckt worden waren. Die Bundeskommis- General of Canada, Ottawa, Oktober 1979, S. 20 sion gewann im Laufe ihrer Nachforschungen zunehmend an 2) vgl. hierzu Brown, Lorne und Caroline (1978). An Un- Gewicht. authorized History of the RCMP. Toronto, James Lorimer and Company Publishers Nach dem Urteil des Obersten Gerichtshofes gegen die Keable-Kommission wurde der Mc Donald-Kommission das 3) Die separatistischen Bestrebungen in Quebec haben weite politische Implikationen. Vgl. dazu Rapport alleinige Recht zugesprochen, die Übergriffe der RCMP de la Commission royale d'enquite sur la securite, zu untersuchen und die verantwortlichen Minister der Ottawa, Imprimeur de la Reine, 1969. Dieser Bericht Bundesregierung zu befragen. ist auch als der Mac Kenzie-Bericht bekannt. Die Mc Donald-Kommission hat vor allem zwei Dinge 1977 hat die Regierung der Provinz Quebec ,einen Rechts- geleistet: 4) anwalt beauftragt, alle unklaren Aspekte der Krise 1. Die streng geheimen RCMP-Memoranden über Terroristen- vom Oktober 197o zu untersuchen. Der Beauftragte, abwehr-Programme wurden veröffentlicht. Ich zitiere Jean-Francois Duchaine, hat jetzt seinen Bericht ab- aus einer dieser Schriften (datiert vom 12.2.1971): geschlossen. Der Bericht behandelt mehrere Fragen "In den letzten Monaten ist über das Aufstellen eines über die Art, in welcher Polizeioperationen während erfolgversprechenden Terroristenabwehr-Programms der Krise und danach durchgeführt wurden. (Ich war diskutiert worden... Generelle Übereinstimmung ist am Schreiben des Berichts beteiligt.) darüber erreicht worden, daß die zukünftigen Bemü- Interessanterweise ging vor dem Bombenanschlag auf hungen der Sondereinheit 'G' umfassend und extrem 5) das' Haus von vielseitig sein müssen. Dieses Programm kann wie Samuel Dobrin durch den RCMP-Agenten Robert folgt kategorisiert werden: Samson das Gerücht um, daß Samuel Dobrin ein geplantes Ziel einer FLQ-Geiselnahme wäre. Während 1. Ziel: Terrorismus des Prozesses sind die Gründe, die Samson dazu ge- a) Infiltration der terroristischen Zelle durch Einschleusen von Personen (langzeitig) führt haben, auf der Hintertreppe von Samuel Dobrins b) Geheimoperationen durch Geheimagenten (zeit- Haus eine Bombe zu deponieren, nicht überzeugend genug dargelegt worden. lich begrenzt) 6) Mc Donald-Commission, Public Exhibit D.1. zu den c) Spaltung - durch Zwangsmaßnahmen und Bloß- stellungen Fragen, die von den Kommissionsmitgliedern zu diesem speziellen Programm d) wenn nötig, Einsatz von technischen Mitteln." 6) gestellt worden waren, siehe Band 27 der Abschriften der öffentlichen Hearings der Mc Donald-Kommission. 2. Während der öffentlichen und nichtöffentlichen Hearings hat die Kommission ausführlich alle Kabinettsmitglie- der, die für die RCMP verantwortlich sind (auch eine Reihe von kanadischen Staatsanwälten) und die meisten der leitenden RCMP-Offiziere, die für den Sicherheits- VERFASSUNGSSCHUTZMOSAIK - EIN NEUES dienst (politische Polize zuständig sind, befragt. STEINCHEN Im Verlauf der öffentlichen Anhörungen haben die Kabi- nettsmitglieder ausgesagt, daß sie von der RCMP über die wahre Natur ihrer Aktivitäten systematisch falsch in- Politische Überprüfung von Schöffen formiert worden waren. Die verantwortlichen Offiziere der RCMP haben, wie es vorhersehbar war, diese Anschul- In CILIP Nr. 4 haben wir über die Praxis digungen zurückgewiesen. Sie gaben an, daß sie die politisch Verantwortlichen entweder informiert hatten des "jury-vetting", der politischen Über- oder selbst nicht wußten, was wirklich auf diesem Ge- prüfung von Geschworenenlisten durch die biet geschah. Durch die Kommission wurde weiterhin aufgedeckt, daß Polizei in England berichtet. Hier jetzt die RCMP auch Minister der Regierung und hochrangige ein deutsches Gegenstück: Funktionäre überwachte (indem sie Telefone abhörte oder ähnliche Aktivitäten durchführte). Politische Überprüfung von Schöffen durch Die Mc Donald-Kommission wird ihren Bericht voraussicht- den Verfassungsschutz in Berlin lich im Sommer 198o vorlegen. Auf Anfrage im Abgeordnetenhaus teilte 4. EPILOG der Berliner Justizsenator Meyer am Im November 1979 verweigerten zwei Zeugen, die zur Ver- 22.5.198o nehmung vor die Kommission geladen worden waren, die dem SPD- Abgeordneten Masteit mit, daß die Aussage und verlasen öffentlich ein Manifest, in dem für die Wahl von Schöffen bei den sie die Kommission als ein Werkzeug des bürgerlichen Berliner Staates abqualifizierten. Beide Zeugen - ein Universi- Verwaltungsgerichten zuständigen Ausschüsse tätsprofessor und ein Student - waren angeblich Mitglie- bis zum Jahre 1979 über alle in Frage der der FLQ. Commissioner Keable sah sich daraufhin ge- kommen- zwungen, öffentlich bekanntzugeben, daß einer der Auto- den Personen Auskünfte beim Verfassungs- ren des Manifestes mehrere Jahre ein bezahlter Polizei- schutz eingeholt haben. (Siehe spitzel gewesen ist und in dieser Eigenschaft immer Landespresse- noch in linken Kreisen aktiv ist. dienst Berlin, 22.5.1980) Indem er dies tat, verletzte Keable ein grundlegendes Die beiden Ausschüsse, je einer Prinzip des englischen Strafrechts - den Schutz der für das Ver- Identität eines Polizeiinformanten - und löste dadurch waltungsgericht und einer für das Oberver- 35

waltungsgericht, treten alle vier Jahre nicht Berufsrichter sein sollen, sondern mindestens einmal zusammen. Nachdem die Be- die in der Bevölkerung bestehenden An- zirksverordnetenversammlungen Värschlags- sichten mitaufnehmen sollen in die Recht- listen mit Personen zusammengestellt haben, sprechung. die sich im öffentlichen Leben des Bezirks Der Laienrichter - ein unbezahlter Berufs- bewährt haben und meist auch den drei richter? etablierten Parteien angehören, obliegt es Was lese ich denn hier ? diesen Ausschüssen, die neuen ehrenamt- Sie haben sich am 77. Min 1972 gegen 9.30 Uhr am Iaht. Wittenbergplatz lichen Richter zu benennen. Neben den mit einem gewissen Neumann unterhalten, dessen Schwager, ein gewisser Kniget, Gerichtspräsidenten, die den Vorsitz führen, einen Vater hat, dessen Freund lange Zeit in der KPD war I Und Sie wollen gehören den Ausschüssen je ein Verwaltungs- scA ryt werden? beamter und je 7 vom Abgeordnetenhaus entsandte Vertreter an.

Welche Gründe haben die Ausschüsse, sämt- liche in Frage kommenden Personen zu über- prüfen?

Die Antwort auf diese Frage gaben die beiden Gerichtspräsidenten am 7.7.198o (siehe Der Tagesspiegel vom 8.7.198o: "Gerichts- präsidenten zur Prüfung durch den Verfas- sungsschutz"): "Ehrenamtliche Richter hätten dieselben Rechte und Pflichten wie Berufsrichter, erklärten die beiden Präsidenten. Es sei deshalb recht- und verfassungsmäßig gewesen, sie wie Berufs- - Es fällt sehr schwer, in einem solchen richter durch Regelanfrage beim Verfassungs- Fall noch eine Unabhängigkeit der schutz überprüfen zu lassen. Ein Mißbrauch der Auskünfte sei durch die 'tatsächliche Justiz wahrzunehmen. und rechtliche Ausgestaltung des Wahlverfah- An diesen Überprüfungen sind sowohl Ver- rens von vornherein ausgeschlossen' gewesen. Alle Unterlagen befänden sich in besonderer treter der Justiz, Vertreter der Ver- Verwahrung und würden fristgemäß vernichtet." waltung als auch Volksvertreter in An dieser Antwort, die eine Reaktion auf die trauter Eintracht beteiligt. Beschwerde der in der ÖTV organisierten Rich- ter und Staatsanwälte ist, scheint uns fol- Liberalisierung? gendes bemerkenswert: Nach der Mitteilung des Ausschußvorsitzen- - Die Gerichtspräsidenten gehen mit keinem den und Gerichtspräsidenten an den Justiz- Wort auf die Verletzung von Freiheitsrech- senator vom 5.3.198o ist seit diesem Zeit- ten ein, die in einer solchen Kontrolle punkt die Regelanfrage beim Verfassungs- 'er liegen. Auch hier zählen wie in der De- schutz fallengelassen worden. Wie bei der batte um die Überprüfung im öffentlichen Überprüfung von Bewerbern für den öffent- Dienst nur die hergebrachten Grundsätze lichen Dienst, so soll auch hier getreu dem des Berufsbeamtentums (des preußischen Grundsatz, daß ein Berufsrichter densel- Obrigkeitsstaates)' und nicht die aller- ben Grundsätzen unterliegen soll wie ein dings sehr viel jüngere Rechtsquelle der Laienrichter, eine "Liberalisierung" Grundrechte und -freiheiten des ein- stattfinden. zelnen. "Die neuen Ausschüsse für die Wahl der - Die Ausgestaltung des Verfahrens, insbe- Laienrichter hatten im Frühjahr dieses Jahres beschlossen, künftig von der Regel- von der Öffentlichkeit unkon- sondere das anfrage beim Verfassungsschutz abzusehen. trollierbare Kontrollpotential, garan- Der Senat hatte im August vorigen Jahres auf das Verfahren der Routineüberprüfung gerade nicht die Freiheitsrechte tieren beim Verfassungsschutz verzichtet. Seitdem der Beteiligten; schon gar nicht dann, können und müssen Anfragen nur noch dann erfolgen, wenn der Einstellungsbehörde Überprüfung - wie bisher ge- wenn die bereits Tatsachen bekannt sind, die schehen - ohne das Wissen der Betroffenen Zweifel an der Verfassungstreue des Be- werbers begründen können." abläuft. Auch an einer Ablehnung kann Bezirksamt Vorgeschlagene der/die vom Frage: Wer außer dem Verfassungsschutz nicht erkennen. eine solche Überprüfung könnte den für die Schöffenwahl zuständi- kur- Für Berufs- und Laienrichter werden gen Ausschüssen solche Erkenntnisse lie- zerhand dieselben Richtlinien geltend ge- fern? macht, ohne in Betracht zu ziehen,.daß die Laienrichter ihrer Bestimmung nach gerade 36

V, ZUSAMMENARBEIT DER POLIZEI - -POLIZEI- so das Urteil in "Ground Defence Inter- HILFE FOR DIE DRITTE WELT national" (No. 61 vom Februar 198o).

TM 125 BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND

PANZERWAGEN FÜR DIE DRITTE WELT

In CILIP Nr. 5 berichteten wir über den Einsatz von Rheinstahl-Polizeipanzerwagen in Peru gegen streikende Lehrer und Berg- arbeiter. Nach Angaben einer amerikanischen Fach- publikation (M.Dewar, Internal Security

Weapons & Equipment of the World, New TM 170 York 1979) hat Peru 3oo Exemplare des Mo- dells UR416 erhalten. Weitere 2o Exemplare wurden nach Venezuela, 3o nach Togo, 20/3o nach Kenya, 2 nach Holland, 15 nach Grie- chenland, 3o nach Marokko und 10 an die bundesdeutsche Polizei ausgeliefert. Auch das Regime in El Salvador hat 2o Rhein- • I a, I la 14 stahl-Polizeipanzerwagen UR416 erhalten, die sich derzeit im Bürgerkrieg bewähren. 1ROUND DEFENCE INTERNATIONAL No 61 - Foblwaor1111111 Thyssen-Henschel, auf deren Angaben sich der Autor unserer Referenz-Publikation MALAYSIA offensichtlich bezieht, ist der Firmennach- folger von Rheinstahl und entwickelt Heckler & Koch, Waffenlieferant für die derzeit auf Grundlage des Mercedes-Benz- Polizei der Bundesrepublik, hat auch UNIMOG U-12o- eine verbesserte Erfolge auf dem internationalen Waffen- Version des UR 416, von dem nach neuesten markt. So wurden kürzlich 5.500 Maschinen- Angaben in der Fachpresse (vgl. Ground pistolen vom Typ MP5SD an die Malaysische Defence International, No. 61, February Regierung verkauft. 198o, S 39 f.) an die 7oo Exemplare ver- Große Chancen hat auch das leichte Ma- kauft worden sind. schinengewehr HK 21A-1 von Heckler & Koch Als Nachfolgemodelle bietet Thyssen die bei der Regierung Malaysias, das "einen Modelle TM 125 und TM 17o an (vgl. Zeich- guten Eindruck gemacht hat", wie die "Inter- nungen) In Produktion ist auch eine Polizei- nationale Wehrrevue", Heft 4/198o, zu be- Version des Thyssen-Truppentransporters richten weiß. CONDOR, der je nach Wunsch mit zwei Maschinen- Um "Probleme mit der Einschränkung von gewehren oder einer 20-mm-Schnell- Waffenausfuhren der Bundesregierung zu feuerkanone ausgerüstet werden kann. vermeiden" (ebenda, S. 569), läßt sich der Auch bei diesem Modell liefert Daimler- deutsche Rüstungskonzern MBB beim Versuch, Benz Antrieb- und Chassis-Teile die Panzerabwehrwaffe "ARMBRUST" an die "Thyssen hat eine ganze Familie von Malaysische Regierung zu verhökern, durch Anti-Guerilla- bzw. anti-riot-Fahr- eine Brüsseler Firma vertreten. zeugen entwickelt und ist eindeutig der führende Produzent in diesem Thyssen-Henschel, aus denselben Gründen in r " Malaysia durch ein Brüsseler Büro vertreten, vador TAZ,25.6.1980 hat große Chancen, entweder den 4x4 Condor oder den 6x6 Transportpanzer 1 zu verkaufen. Ein Dorf ausgerottet Daß die deutschen Waffen nicht rosten wer- 3.600 Tote an einem Tag den, dafür sorgt der Kampf von Polizei Tevicicalpa/Manniza, 14.6. (afp). Mindestens 600 Salvadorianer sind hei deut Verzech, nach Honduras au fliehen, von Mitgliedern der Armee, der und Heer gegen die Malaysischen Guerillas. Nationalgarde und der rechten paramilitärischen Organisation ..Orden" insmelwadet worden. Dies wurde in wenn am Montag In Honduras Ein anderer Weg der formalen Umgehung von veröffentlichten Dohnment, das unter sattem vom Vorsitzenden der kathelisMen alschntskonfereez die Landes, Monsignore Jose Carranza Ausfuhrbestimmungen ist die Lizenzproduk- watarzeielmet Mt, Zwei saivaderganhche nichtnrom berichteten Owensits fressiilier Presse In Maugu stal kürzlich In dem eer( Cara tion. So werden in Thailand das Heckler & Sen In elt Gemme iseemisMiwala , 3.000 Salvadorlasier getötet wankte Mai Koch-Gewehr HK 43 und die entsprechende 37

Munition sowie das Heckler & Koch-automa- James Sarrazin tische Gewehr G 3 produziert. Es gibt EIN TREFFEN JUNGER DEUTSCHER UND Verlautbarungen, daß das Modell HK 43 1975 FRANZÖSISCHER POLIZISTEN+) aus Thailand nach Chile geliefert worden ist. (Quelle: Lock/Wulf, Register of Arms-Production in Developing Countries, Redaktion: Hamburg, März 1977, S. 13o) Anmerkung der Der folgende Beitrag scheint uns vor allem unter zwei Aspekten wichtig. Das ist einmal die journa- Die britische Sektion von Amnesty International listische Aufmerksamkeit, die diesem deutsch- hat im Juni 198o eine Dokumentation über die französischen Treffen junger Polizeigewerkschaft- Lieferung britischer Repressions- bzw. Polizei- einer Zeitung wie der französischen Tages- technologie u.a. an Uganda während der Amin- ler in zeitung "Le Monde" gewidmet ist. Das Hausblatt Herrschaft vorgelegt. Die Dokumentation ist zu der teilnehmenden jungen Polizeigewerkschafter beziehen über das Büro der britischen Sektion aus Deutschland, Contact", begnügte sich in in London: ai, 10 Southampton Street, London, WC2E7HF. seiner Juni/Juli-Ausgabe dagegen mit einem Ein- spalter, der die auf dem Seminar offen zu Tage Mit der Vorlage dieser Dokumentation wurde die getretenen Kontroversen über das Maß der Koopera- Forderung verbunden, die Kontrolle über den Ex- tion der nationalen Polizeien unter dem Fazit port von Unterdrückungstechnologie zu verbessern "Vorurteile abbauen, Verständnis wecken, - eine Forderung, die Premierministerin Thatcher Miß- verständnisse ausräumen" abhandelte. Daß "Contact" bereits unter Hinweis auf die ökonomische Bedeu- daneben einen längeren Auszug aus der Rede eines tung dieses Außenhandels-Sektors zurückgewiesen hat. deutschen Teilnehmers abdruckt, mag zwar der Verständigung innerhalb der Gewerkschaft der Poli- Ins Geschäft mit Unterdrückungstechnologien zei, weniger jedoch der Information der Leser über drängen auch zunehmend deutsche Firmen. Dabei die französischen Ansichten dienen. werden sie auch von der Bundesregierung unter- Der zweite, uns wichtig erscheinende Aspekt be- stützt, die Teile ihrer Polizei-Ausrüstungshilfe steht in der Nachzeichnung der kontroversen Hal- über das Bundesinnenministerium abwickelt. Dort tung in der Frage der Forcierung der interna- werden die Wünsche ausländischer Kunden ge- tionalen Zusammenarbeit der Polizeien. Während sammelt und über die Beschaffungsstelle des hier in der GdP organisierte Beamte in das Horn BMI dann die Ausschreibungen und die Vergabe der Dienstherrn und der Regierung stoßen, warnen Lieferaufträge organisiert. ihres die französischen Gewerkschafter vor einer weiteren Derzeit handelt Regierungsamtmann Oyda vom Referat Ausdehnung der internationalen Polizei-Kooperation P II 5 im BMI als Länderbearbeiter für Algerien und den damit verbundenen Gefahren für den Bürger. und Somalia neue Lieferungen aus (Wehrdienst Sie stehen damit in direktem Gegensatz zu der - 741/8o). auch von der französischen Regierung verfolgten über weitere Exporterfolge deutscher Firmen be- Politik der Bildung eines "espace europeen judi- richtet der folgende Beitrag. ciaire" (ins Polizeideutsch übersetzt: eines europäischen Repressions- und Präventionsraumes).

DIE FRAGEN - SIE - PRÄSIDENT - AMIN -SHOW: Vom 21. bis 25.4.198o fand im "Foyer inter- national d'accueil et de promotion sociale" "Ich kann Ihnen zwar keine Antwort auf die- von Evry (Essonne) unter der Federführung se Frage geben,aber einige meiner Gehilfen des "Deutsch-französischen Jugendwerkes" werden irgendwann mitten in der Nacht an (DFJW) und des "Centre departemental Ihre Tür klopfen und Ihnen die Antwort ge- d'echanges internationaux du Nord" ein ben." Seminar statt, an dem 38 junge französi- WAAM/22Xt," sche und deutsche Polizisten, Angehörige 1 DosT Kmow IKE der "Federation autonome des syndicats de meev liocr QUESTiohl, police" (FASP)1) und der "Gewerkschaft der guT 56VERµ OF Mg AIMS Polizei" (GdP)2) teilnahmen. t

Ausbildung, Gewerkschaftsfragen, Jugendkrimi- nalität: Diese verschiedensten Aspekte von Funktion und Stellung der Polizei in der Gesellschaft sollten im Laufe der Woche noch zur Sprache kommen. Das Feuer wurde jeden- falls bereits vom ersten Tag an eröffnet. In einer leidenschaftlich geführten Debatte über ein Thema, das gar nicht im Programm vorgesehen war und das seit langem die beiden hier vertretenen Gewerkschaftsorganisationen voneinander trennt: die Stärkung der Zusam- Der Artikel wurde bereits am 23. April 198o '49 menarbeit zwischen den europäischen Polizei- in der französischen Tageszeitung "Le Monde" kräften. publiziert. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Redaktion von In dieser Grundsatzfrage widersetzt sich "Le Monde". die französische FASP ausdrücklich allen anderen Gewerkschaften in der "Union internationale des syndicats de police" 38

(U.I.S.P.), der Vereinigung der wichtigsten abseits vom Themenfahrplan dieses ersten europäischen Polizeigewerkschaften. Tages "Das Bild der Polizei" in den beiden Ländern, die Positionen seiner Organisa- Die FASP beabsichtigt, auf dem 8. Kongreß tion zum Europa der Polizei markierte. Bei der U.I.S.P. in Brighton und bereits im Mai dieser Gelegenheit wurde die Diskussion beim Treffen der Exekutivkommission der ganz besonders heftig. Es kam gar zu einem Union in Helsinki, die Diskussion über eine Eklat, als ein französischer Teilnehmer Resolution ablehnen zu lassen, in der der einen wohlbekannten deutschen Politiker internationale Dachverband fordert, daß als "Faschist" qualifizierte und damit die "von den für innere Sicherheit verantwort- Wut eines bayerischen Vertreters hervorrief, lichen Ministern Entscheidungen über folgende der schließlich von einem Abgesandten Punkte getroffen werden sollen: des Bundesgrenzschutzes beruhigt wurde. - Austausch von Informationen und Auskünften zur internationalen Kriminalität; Die deutsche Konzeption erschien nicht im- - Vorbereitung von "Kontaktpunkten" in den mer klar: Die doppeldeutige Einstellung der Grenzgebieten; Delegierten von der anderen Rheinseite - praktische Koordination der Polizeiarbeit wurde gerade in ihrer außerhalb der nationalen Grenzen; quasi einstimmigen Ablehnung deutlich, an der - Koordination der polizeilichen Nachfor- Arbeitsgruppe 4 schungen; teilzunehmen, die einen Bericht über die - Vereinheitlichung und Entwicklung des internationale Zusammenarbeit ausarbeiten Informationsnetzes der Polizeikräfte in sollte. Stattdessen nahmen Europa; diese "dienst- baren Eiferer" eines - Vereinfachung der Rechtshilfe; Europas der Polizei einige Stunden später - Verbesserung des polizeilichen Grenzver- das Plenum fast voll- kehrs." ständig für sich in Beschlag.

Mit der gleichen Verbissenheit, mit der die Welches sind nun die Argumente, die mehr deutsche GdP die Förderung einer europäischen Leidenschaft als Vernunft zum Vorschein Zusammenarbeit fordert, versucht die fran- brachten: "Die Franzosen sind immer gegen zösische FASP, sie zu verhindern Dabei deckt alles!", "Es ist den Franzosen gar nicht sich die Meinung der deutschen Seite in die- möglich, ohne Europa auszukommen", "Hier ser Angelegenheit mit der der Innenminister in dieser Debatte steht auf der einen Seite des "Alten Kontinents", ihrerseits glühende der Patriotismus, auf der anderen Europa"... Anhänger einer internationalen Zusammenar- Übergehen wir den offensichtlich ganz er- beit. Sicherlich, die Deutschen betonen nach staunten Ausruf eines jungen deutschen außen, daß sie genauso wenig wie die fran- Polizisten: "Die Franzosen sagen, daß es zösischen Gewerkschaftler Anhänger eines nicht möglich sei, uns Auskünfte zu liefern, im Kern supranationalen "Gemeinsamen Polizei- daß sich das am Rande der Legalität bewege!" marktes" seien. Vielmehr predigen sie, wie Beachten wir nur einfach einige Rechtferti- sie sagen, die Einrichtung einer "freien gungsversuche dieser "notwendigen interna- Austauschzone", in welcher, unter Wahrung tionalen Solidarität": Der Austausch von der Identität jeder nationalen Polizei, In- Daten ermöglicht es, auf der Stelle falsche formationen und Funktionäre zirkulieren wür- Identitätspapiere zu entlarven; ein ein- den, im Schutze rechtlicher Regelungen, deren facher Telephonanruf wäre besser als die Konturen bis jetzt sehr dehnbar erscheinen. jetzigen langen Prozeduren, "ohne das Ver- Und genau wegen dieses Eindrucks und des ständnis von Freiheit anzutasten, wie es ungesunden Appetits, den die FASP bei bestimm- die Franzosen haben"; die Zusammenarbeit ten ihrer Partner zu entdecken glaubt, wider- verstünde sich allein im streng kriminellen setzt sie sich jeder Form von internationaler Bereich und schlösse mit Bestimmtheit alle Kooperation. Angelegenheiten sozialen oder politischen Charakters aus. Dienstbare Eiferer Vielleicht doch ins Zweifeln gekommen, Die Debatte von Evry hat gezeigt, daß die fragte ein deutscher Sprecher seine Lands- Positionen unvereinbar bleiben, was harte leute: "Habt Ihr denn wenigstens eine Vor- Diskussionen innerhalb der U.I.S.P. ver- stellung, wie diese internationale Zusammen- spricht. Die jungen französischen und deut- arbeit aussehen könnte?" Ein anderer ant- schen Polizisten zogen es offensichtlich wortete ihm ein wenig später und führte unter vor, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, Hinweis auf die Schleyer-Affaire aus: "Die als Friedel Gniesmer, der Generalsekre- Zusammenarbeit hat mehr oder weniger funktio- tär der GdP und Sekretär der U.I.S.P., niert, obwohl sie nicht praktiziert wurde." 39

Damit war das Stichwort gegen: Hinter der großartigen antikriminellen Internationale VI, POLIZEI UND ÖFFENTLICHE KONTROLLE ging es also doch nur darum, "zusammenzuar- beiten", um im europäischen Rahmen "Staats- DIE ARBEITSGRUPPE "BÜRGER BEOBACHTEN feinde" auszuschalten. DIE POLIZEI" IN BERLIN

Die französischen Teilnehmer und an ihrer Spitze Bernard Deleplace, der stellvertre- Die Arbeitsgruppe hat sich Mitte tende Generalsekretär der FASP, mußten letzten Jahres zusammengefunden, mit dem daran erinnern, daß Frankreich aus einigen Ziel, ähnlich wie das "Klachtenburo" in der jüngsten Episoden im antiterroristi- Amsterdam (siehe CILIP Nr. 4), eine An- schen Kampf nicht gerade mit Größe hervor- laufstelle gerade für die alltäglichen gegangen sei, daß es die französische Übergriffe von Polizei zu sein. Die Not- Polizei aber ganz entschieden ablehnen würde, wendigkeit einer solchen Stelle ist von noch weiter zu gehen, und auch, daß es Polizeiseite und auch von Seiten des in Frankreich eine Menschenrechtserklärung Senats immer wieder bestritten worden. gäbe, eine Verfassung, anerkannte Regeln So hat uns etwa der CDU-Abgeordnete gegenseitiger Justizhilfe 3) , Gesetzes- Brinsa durch eine Kleine Anfrage im Abge- texte, die die Auslieferung regelten 4), ordnetenhaus noch vor der Konstituierung der_AG zum eine Tradition im Asylrecht (das in Verein unfreiwillig zu einiger öffent- letzter Zeit schon spürbar gelitten hat), licher Resonanz verholfen. In der Ant- alles Dinge, in deren Namen sich die FASP wort des Senats heißt es unter anderem: einer internationalen Zusammenarbeit wider- "Der Senat ist indes der Auffassung, daß die Mitglieder der Arbeitsgruppe ein Mißtrauen setze. Und daß, wenn es nur darum ginge, offenbaren, das von mangelndem Demokratie- gegen die Schwerstkriminalität zu kämpfen, verständnis zeugt. Denn es richtet sich nicht nur gegen die Polizei, sondern auch und be- es dafür ja noch Interpol gäbe. sonders gegen das Berliner Abgeordnetenhaus und seine Ausschüsse als die Auf Seiten der FASP gestand man, fast verfassungsmäßig zuständigen parlamentatischen Kontrollin- schon Angst vor bestimmten Worten zu haben stanzen. Durch diese Gremien werden die Rechte des Bürgers und der Öffentlichkeit - zumindest wegen ihrer offensichtlich ver- voll gewahrt, so daß eine Existenzberechti- schiedenen Bedeutung auf beiden Seiten des gung einer außerparlamentarischen Gruppe kaum zu begründen ist. Die Berliner Polizei ist ein Rheins - so z.B. vor dem Wort "Terrorist". demokratisches, der Rechtstaatlichkeit ver- Wie es der (französische) Berichterstatter pflichtetes Exekutivorgan ...." (Aus: Landes- pressedienst Berlin, 15.0ktober 1979). der Arbeitsgruppe über internationale Zusammenarbeit ausdrückt, hat "man das Ge- Im Dezember 1979 hat sich die AG zum Verein fühl, daß das Wort 'Freiheit' für den fran- konstituiert. zösischen Polizisten nicht die gleiche Be- Diese Vereinsgründung ist nicht Ausfluß von deutscher Vereinsmeierei. Für alle Gruppen, die ähnliches vor- deutung hat wie beim deutschen Polizisten". haben, sei betont, daß aufgrund des Rechtsberatungs- Was soll man dann erst beim Wort 'Polizei' gesetzes von 1935 (!) eine Beratung nur an Vereins- mitglieder möglich ist. Eine.Vereinsgründung und ein sagen? Vereinsbeitritt von Leuten, die man beraten will, kann relativ unbürokratisch gehandhabt werden. Man sollte Anmerkungen (der Red.) aber sein Vorhaben nicht an so etwas scheitern lassen. 1) Die FASP organisiert mehr als 5o% der Vereins haben Angehörigen der Police nationale. Den In der Gründungserklärung des Rest der gewerkschaftlich organisierten wir uns folgende Ziele gesetzt: Polizeibeamten teilen sich mehrere Rich- tungsgewerkschaften, von denen die CGT- 1. als Anlaufstelle für von Polizeiübergriffen Police (Kommunisten) und die CFDT-Police Betroffene zu dienen und Unterstützung zu (Sozialisten) den größten Anteil haben. leisten; Während FASP und die Richtungsgewerk- schaften vor allem die unteren Ränge 2. polizeiliche Maßnahmen zu beobachten und organisieren, bestehen mehrere beson- polizeiliche Übergriffe der Öffentlichkeit dere Gewerkschaften der Führungskader. Den ca. 75.00o Angehörigen der Gendarme- zur Kenntnis zu bringen; rie ist als Teil des Militärs jede ge- Übergriffen zu werkschaftliche Organisation verboten. 3. Fälle von polizeilichen sammeln und in geeigneter Weise zu publi- 2) Die deutsche GdP organisiert nahezu 2/3 der gesamten Polizeivollzugsbeamten in zieren; Bund und Ländern. Bis 1978 unabhängig, 4. über Reaktionsmöglichkeiten gegenüber Polizei- ist die GdP seitdem 17. Einzelgewerk- schaft im Deutschen Gewerkschaftsbund maßnahmen zu informieren. (DGB). Der GdP gehören Angehörige aus allen polizeilichen Etagen an. Was konnte bisher erreicht werden? 3) Rechtshilfeabkommen 4) Auslieferungsabkommen 1. Seit Dezember letzten Jahres gibt es eine regelmäßige Beratungsstunde einmal pro Woche. 4o

Auf diese Weise sind wir schon auf einige zu legitimieren suchen. Der bzw. die Fälle gestoßen. Die Tatsache, daß sich die Betroffene hat dann nicht nur die oft Betroffenen nicht haufenweise gemeldet haben, körperlichen Folgen der übergriffe sowie gab uns bisher auch die Möglichkeit, ausführ- den Schock, einer völlig willkürlichen lich zu diskutieren und Erfahrungen zu sammeln. Gewalt ausgeliefert zu sein, auszubaden. Bei den Beratungsfällen handelt es sich meist Er/Sie hat zusätzlich mit einer Verurteilung um alltägliche Übergriffe. und Bestrafung zu rechnen. In Fällen, wo

2. Um Fälle vor allem von Großeinsätzen (Demon- eine Strafanzeige zu erwarten ist, empfiehlt strationen und dgl.) haben wir uns teilweise die Gruppe den Betroffenen meist, selbst erstatten. selbst bemüht. Anzeige gegen die Polizisten zu 3. Schwierigkeiten mit der Öffentlichkeit: 4. Reaktion der Polizei auf Öffentlichkeit: Es ist uns in der ersten Zeit recht schwer Kennzeichnung mit Namensschildern oder gefallen, die Presse angemessen zu informieren. Dienstnummern, Fotografieren der Polizei Bei bekannteren Fällen hatten die Zeitungen im Einsatz. schon mehrfach berichtet und waren an weiterem (Die Dokumentation ist gegen Entsendung von Material kaum interessiert. Alltägliche Über- DM 2,- plus Porto erhältlich ) griffe müssen direkt weitergegeben werden. Die Gruppe hat sich deshalb entschlossen, die Da diese Veranstaltung (auch in der Presse) Presse bei jedem neuen Fall mit einem Kurz- recht gute Resonanz gefunden hat, hat die bulletin zu beliefern. Damit soll zusätz- Arbeitsgruppe beschlossen, auch weiterhin in lich eine Gewöhnung an die Arbeitsgruppe dieser Art Fälle vorzustellen und Betroffene "Bürger beobachten die Polizei" als neue zu Wort kommen zu lassen. Kontrollinstanz erreicht werden. In der kommenden Zeit soll die Werbung verstärkt werden, um potentiellen Interessenten den Weg zur Beratung zu erleichtern.

Bisherige Ergebnisse Anfang Juli 198o hat die AG eine Kurzdoku- ürger hten mentation herausgebracht und einen Teil der c/o Humanistische Union darin enthaltenen Fälle auf einer Veran- LV Berlin lizei Kufsteinerstr. 12, 1 Berlin 82 staltung vorgestellt. Diese waren in vier Tel.: 854 41 97 Komplexe aufgeteilt:

Großeinsätze: Bei den dargestellten Fällen 1. KONZEPTION UND ERSTE ERFAHRUNGEN DER zeigten sich folgende Gemeinsamkeiten: "INITIATIVE FÜR EIN DOKUMENTATIONS- UND Übermaß an Einsatzmitteln; - ein BESCHWERDEBÜRO ZU POLIZEI IN KÖLN" - eine Zahl von Polizisten, die zum Vor- fall in keinem Verhältnis steht, provo- Durch eine Anregung der CILIP-Redaktion sahen wir uns veranlaßt, darüber nachzudenken, was aus dem katives Verhalten der Polizei; Ansatz, ein Polizeibeschwerdebüro in Köln aufzu- - Übergriffe gegen einzelne, besonders bauen, geworden ist? Wir greifen die Anregung aus zwei Gründen auf: auch Frauen; Zum einen scheint uns eine Bestandsaufnahme, - Vorgehen gegen Unbeteiligte am Rande des Reflexion der bisherigen Geschichte notwendig, um den Ansatz nicht untergehen zu lassen, zum Geschehens. anderen finden wir es begrüßenswert, Praxisan- sätze, deren Entwicklung und Veränderung auf dem wurde insbesondere 2. Schußwaffengebrauch: Hier Gebiet der "Auseinandersetzung" mit Polizei mit- auf einen Todesschußfall verwiesen, bei dem teilen und hierüber in eine breitere Diskussion eintreten zu können. Beamte eines Sondereinsatzkommandos in Zivil Die Initiativgruppe "Polizeibeschwerdebüro" aufgetreten waren und in einem Nachtclub entstand vor ca. einem Jahr. Die Mitglie- zwei betrunkene randalierende Männer erschos- der hatten bereits individuell zur Entwick- sen hatten. Das Ermittlungsverfahren gegen lung des Polizeirechts in der Bundesrepu- die Beamten war einige Zeit später einge- blik gearbeitet und/oder Erfahrungen in stellt worden. der praktischen Konfrontation mit den Er- 3. Alltägliche übergriffe! Hier wurde gebnissen polizeilicher Arbeit gesammelt. darauf aufmerksam gemacht, daß Polizi- sten häufig ihr Verhalten nachträglich Es gab die Erfahrungen der linken Ermitt- durch Strafanzeigen wegen Widerstands, lungsausschüsse. Wir hatten das Unterstüt- Körperverletzung, Beleidigung u.ä.m. zungsbüro für Roth/Otto mit aufgebaut, ver- 41

schiedene andere Angeklagte unterstützt - Es wurde eine Archivgruppe gebildet, die und darüber hinaus unsere Erfahrungen mit die Polizeiarbeit im Spiegel der ört- Polizeizeugen in jedem kleinen Strafverfah- lichen Presse beobachtet. ren gemacht. Die Auseinandersetzung mit - Das Polizeibeschwerdebüro richtete regel- Polizei/Polizeirecht war jedoch bis dato mäßige Sprechstunden in einem Ladenlokal entweder theoretisch geblieben oder hatte ein, die jedoch nicht wahrgenommen und dann sich darauf beschränkt, punktuell polizei- eingestellt wurden. liches Handeln zu untersuchen, aufzudecken - Es bildete sich eine begleitende Juristen- und zu veröffentlichen. gruppe, mit dem Ziel, einen Ratgeber be- Die auf Kampagnen und einzelne Exzesse züglich der verschiedenen Rechtsmittel polizeilichen Handelns beschränkte Arbeit und Wege für das Büro selber zu entwickeln. entsprach jedoch nicht mehr dem, was sich Darüber hinaus sollte ein weiterer ver- heute als 'Polizei' darstellt. ständlicher Ratgeber für den Umgang mit der Sie ging - bewußt oder unbewußt - von einer Polizei in allen Lebenslagen für die Be- hauptsächlich auf Strafverfolgung bezogenen völkerung entwickelt werden. Polizei aus, die sich als 'Hilfsorgan - Es wurde eine Beobachtung möglichst aller der Staatsanwaltschaft' verstand. am Kölner Amtsgericht laufenden Strafver- Lediglich der Verbrechensbekämpfung im folgungen wegen Widerstands gegen die Sinne von Ahndung bereits Geschehenen wurde Staatsgewalt begonnen. Es wurde festge- in linker Politik Aufmerksamkeit gewidmet. stellt, daß wöchentlich ca. fünf erstin- Unberücksichtigt blieben zum einen die stanzliche Widerstandsverfahren (also Polizeiarbeit, die sich im Rahmen dieser ca. 25o im Jahr) sowie zwei Berufungsver- Verbrechensbekämpfung nicht als Exzesse fahren dabei zu bewältigen sind. (Daneben darstellt, zum anderen der gesamte Bereich sei erwähnt, daß in einem halben Jahr präventiver Polizeiarbeit. fünf Verfahren wegen Körperverletzung im Polizei beschränkt sich nicht auf Vorberei- Amt vor dem Amtsgericht verhandelt wurden!) tung von Strafverfolgung - abgesehen von An der Prozeßbeobachtung beteiligten sich der Verkehrsregelung -, sondern verstärkt Studenten und verschiedene Einzelpersonen, zunehmend ihre Funktion als selbsttätiges die regelmäßig in den Kölner Stadtzeitun- Organ der Verbrechensvorbeugung. Der Be- gen Prozeßberichte veröffentlichten. griff der' gesellschaftssanitären Aufgabe" Für die Prozeßbeobachtung wurde ein relativ der Polizei ist bekannt. allgemeiner Fragebogen entwickelt (Anlage). Auch in Köln wurden Jugendpolizei und Kon- Ziel war: taktbereichsbeamte geschaffen. - einen Überblick zu schaffen über die Rechtsprechung des Kölner Amtsgerichts Darüber hinaus häuften sich schon zu Be- zu Widerstandsverfahren ginn der Initiativenarbeit die Hinweise, - eventuell 'Spurenakten' anzulegen bezüg- daß die These, die ermittelnde Polizei ent- wickle sich mehr und mehr zum Herrn des Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens - die gesetzliche Einstufung als Hilfsorgan der Was soll ein Dokumentations- Staatsanwaltschaft stimme nicht mehr - sich und Beschwerdebüro? Wirmeinen, daß eine solche Stelle dazu beitragen kann, gerade in den kleinen Widerstands- und Kör- die Betroffenen dazu zu ermuntern, ihre Rechte wahrzu- nehmen. Folgende Aufgaben halten wir für wichtig: perverletzungsverfahren bestätigt. 1. Sammlung aller Fälle polizeilicher Übergriffe, Wir waren daher der Ansicht, daß ein Poli- Beratung der Betroffenen, Vermittlung juristischer Hilfe zeibeschwerdebüro ein Kontrollorgan für 2. Aufklärung der Bevölkerung über ihre Rechte ge- genüber der Polizei. den gesamten Bereich polizeilicher Arbeit 3. Beobachtung von Gerichtsverfahren, die Poli- darstellen müßte. zeihandlungen zum Gegenstand haben 4. Diskussionsbeiträge zum neuen einheitlichen Po- Es sollte geeignet sein, neben umfassender lizeigesetz Wir haben letzt ein Archiv vorwiegend aus Zeitungsaus- allgemeiner Information über Struktur, Ent- schnitten über die Kolner Polizei zusammengestellt, das wicklung und Tätigkeit der Polizei den jeder benutzen kann. Wir wollen weiterhin Prozesse be- obachten und die Ergebnisse zusammenstellen und ver- Betroffenen von polizeilicher Arbeit kon- öffentlichen. geben und darüber hinaus Alle, Einzelpersonen und Initiativen, bitten wir, unsere Ar- krete Hilfestellung zu beit zu unterstützen exemplarische Fälle mit Analysen zu - durch Informationen über Polizeiübergnfte - durch Geldspenden veröffentlichen. - durch Mitarbeit Unser ,Treffpunkt: allumfassenden, aus Zur Umsetzung dieses Jeden Montag, 20 Uhr, Glasstraße 80 bewundernswert mutigen An- Unser Postscheckkonto: heutiger Sicht Wolfgang Hippe Sonderkonto PSAmt Köln, Nr. Ansätze: 135 spruchs entwickelten wir mehrere 816-508 42

lich bestimmter Polizeibeamter und ren im Verfahren, Abwehrmittel und konkrete Kontrolleure der Kölner Verkehrsbe- Verhaltensmöglichkeiten zu erweitern und triebe dieses Wissen umzusetzen in allgemein zu- - das bzw. ein Zusammenspiel zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Ge- gängliche Tips für Betroffene. richt und dessen/deren Verhältnis im Verfahren zu untersuchen. - Es wurde mit einer Öffentlichkeitsarbeit flirr ein begonnen, die zunächst den Kreis der Unter- Initiative DOKUMENTATION& stützer/innen und Mitarbeiter/innen er- und weitern sollte (Flugblätter, Veranstaltungen) BESCHWeRDEBORO zu - Geplant war eine Kette von Informationsver- POLIZEI in KÖLN lasstr. 80 5000 Köln 3 anstaltungen in Jugendzentren, auch um Tel. 0221/52 05 79 herauszufinden, welche konkreten Unter- stützungsmaßnahmen gerade für Jugendliche notwendig sind. ÜBERARBEITETER LEITFADEN FÜR PROZESSBERICHTE All diese Ansätze haben bis heute kein Polizei beschwerdebüro herausgebildet. Zweck des Leitfadens: Der Leitfaden nennt bestimmte Daten für den müssen Wir feststellen, daß unsere Kräfte Prozeßbericht, damit dieser -die Grundlage für weder ausgereicht haben, den gesamten Be- eine statistische Erfassung bilden kann. Insofern fragt er teilweise nach Daten, die im Einzelfall reich polizeilicher Tätigkeit abzudecken, unwichtig erscheinen mögen. noch unsere oben entwickelten Ansprüche ein- Weiterhin soll er die Aufmerksamkeit auf mögliche, für die Auswertung erhebliche Besonderheiten len- zulösen. Ein Hauptgrund für die fehlende ken. Durchsetzung des Anspruchs scheint uns die Auf keinen Fall soll der Leitfaden die Analyse des Beobachters ersetzen und totschlagen! mangelnde Mitwirkung der Leute, die verbal Der Bericht sollte enthalten: die Notwendigkeit eines Polizeibesähwerde- Aktenzeichen (steht oft auf der Rolle an der Tür) büros begrüßen, sich jedoch nicht zu einer Name des Richters (ebda.) Name des Angeklagten (ebda.), Alter, soziale praktischen Unterstützung bereit finden Stellung können. Ohne eine gewisse personelle Stärke Polizisten: Namen, Schutzbereich, Alter Ort und Zeit des Ereignisses kann ein Polizeibeschwerdebüro nicht existie- Was war los? Bestreitet der Angeklagte den ren. Darüber hinaus fehlt es an Geld. Widerstand? Bezweifelt er die Recht- mäßigkeit des Einsatzes? Allenthalben wird die Beschwerdebüroinitia- Welches Urteil kommt heraus? (Anträge) Aus welchem Anlaß kam es zur Auseinandersetzung, tive begrüßt, aber nur die wenigsten kommen erschien schon hier das Verhalten der auf den Gedanken, mitzuarbeiten. Eine Ana- Polizei als besonders unangemessen? Wie wird der Polizist als Zeuge behandelt? lyse dieses Problems haben wir bisher noch Wie verhält sich der Angeklagte im Gericht? nicht leisten können. Reagiert das Gericht, wenn er Beweismittel benennt? Gibt es Anzeichen für Absprachen bei den Polizisten? Gearbeitet wird nach wie vor in der Archiv- Gespräche auf dem Flur? gruppe, bei der Prozeßbeobachtung (in der Welche Gesichtspunkte fallen bei Urteil oder Ein- stellung besonders ins Gewicht? (läßlicher Phase einer ersten Auswertung) und spora- oder normaler Widerstand und dergl.?) disch in der Juristen-Gruppe. Tätlichkeiten der Polizei? Auf der Wache? Gegenanzeigen? Wir können aus dieser Situation nur den Tätigkeit des Rechtsanwaltes? Schluß ziehen, daß eine Selbstbeschrän- kung nottut. Der Anspruch,unmittelbarer Anlaufpunkt für Betroffene zu sein, ist Die Berichte über den Aufbau und die Arbeit von Beschwerdebüros sollen nicht realisierbar (derzeit). Aufgrund in künftigen Ausgaben von CILIP fortge- der vorhandenen Kapazitäten ist es sinn- führt werden.Wir bitten deshalb alle derartigen Initiativen ,uns voll, die Arbeit zunächst auf den Be- ihreEr- fahrun.en mitzuteilen. reich Polizei und Justiz zu beschränken, hier die Untersuchungsarbeit fortzusetzen und konkrete Aufklärung bei Betroffenen HOLLAND zu leisten. Die Prozeßbeobachtung muß Seit dem 1. Juli 198o besteht neben dem überprüft und fortgesetzt werden, die Amsterdamer 'Klachtenburo Politie Optreden' Jugendzentreninfokette aufgebaut und der ein weiteres Klachtenburo in Utrecht mit Ratgeber erstellt werden. dem Namen: Klachtenburo Justitie-Optreden. Es besteht noch immer die Möglichkeit, Adresse: K.J.U. zunächst einmal das Wissen im Bereich Lange Nieuwstraat 77 NL-3512 PE Utrecht Justiz/Polizei über Herrschaftsstruktu- Tel. (Holland) 03o-317772 43

FRANKREICH Der Report soll für Leute, diew gegen Polizeiübergriffe, staatliche Schnüffelei "DIE INFORMATIONSKOMITEES ÜBER POLIZEI- und Machtmißbrauch sowie Gefangenenhilfe LICHE PRAKTIKEN" arbeiten, eine ständige Informations- (LES COMITES D'INFORMATION SUR LES quelle sein .k PRATIQUES POLICIERES - C. I.P,P,) Preis: jährlich 15 Dollar. Der Report ist zu beziehen über: In Frankreich bestehen seit Juni 1979 Ini- Citizens in Defense of tiativen, die es sich, ähnlich wie das Civil Liberties 343 South Dearborn - Klachtenburo in Amsterdam und die verschie- Suite 918 Chicago, Illinois 6o604, USA. denen deutschen Initiativen, zum Ziel ge- macht haben, Beschwerden über polizeiliches Vorgehen zu sammeln, zu analysieren und BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND der Öffentlichkeit mitzuteilen sowie die Klaus Vack betroffenen Bürger zu unterstützen. Die Zeitschrift "actes" hat in ihrem letzten NEUES KOMITEE FÜR GRUNDRECHTE UND DEMOKRATIE Heft (Nr. 24/25) einen Arbeitsbericht einer Schon wieder ein neuer Verein, wird manche(r) stöhnen, Lyoner Gruppe veröffentlicht, in dem es wenn sie/er hiermit zur Kenntnis nimmt, daß sich jetzt ein um die polizeilichen Vorgehensweisen gegen- radikaldemokratisch orientiertes Komitee für Grund- rechte und Demokratie gebildet hat. Aber tut sich wirk- über französischen und vor allem ausländi- lich genug gegen die fortschreitende Aushöhlung und Gefährdung der Grund- und schen Jugendlichen geht (Festnahmen, Ver- Menschenrechte? Vor etwa zwei Jahren gab es bei der Obrigkeit viel letzungen, Ausweisungsdrohungen etc.). Das Aufregung wegen des Russell-Tribunals zur Situation der Verhältnis von Jugendlichen und Polizei Menschenrechte in der Bundesrepublik. Es sei hier- zulande doch kaum etwas auszusetzen, behaupteten sie. wird - soweit ersichtlich - von den deut- Das Russell-Tribunal hat gründlich recherchiert und konnte zweifelsfrei nachweisen, daß durch schen Initiativen eher am Rande behandelt. Berufsver- bote und in den Bereichen Meinungsfreiheit und Vertei- Die Gründe für den Schwerpunkt Jugendliche - digungsrecht durchaus von Grundrechtsverletzungen durch die Behörden gesprochen werden Polizei liegen insbesondere darin, daß die kann. Wenn es 1979 zu einigen viel zu zaghaften Liberali- in Lyon arbeitende Gruppe von Sozialarbei- sierungen gekommen ist, dann ist dies nicht zuletzt dem fundierten Urteil des Russell-Tribunals und der tern getragen wird, die den hinterlassenen Oppositionsbewegung, die sich um dieses Tribunal ent- polizeilichen Scherbenhaufen entweder ver- faltet hatte, zu verdanken. Aber es ist hierzulande inzwischen wieder ruhig geworden beim Kampf für unteil- walten müssen oder aufgrund ihres beruf- bare und unverbogene Grund- und Menschenrechte. Obwohl lichen Umgangs mit Jugendlichen auch von die Gefährdungen eher zunehmen. Betriebsräte werden fortlaufend vom Verfassungsschutz alltäglichen polizeilichen Repressionen überprüft. Aber nicht nur Betriebsräte. Der Zugriff und Überwachungen Kenntnis erhalten. des Verfassungsschutzes reicht prinzipiell zu jedem Arbeitnehmer mit Folgen, die der Betroffene häufig selbst gar nicht mehr erfährt. Die Berufsverbote sind durch den Beschluß des Bundes- S po USA kabinetts vom 19. 1.1979, obwohl viel von "Liberalisie- POLICE MISCONDUCT LITIGATION REPORT rung" gesprochen wurde, nicht abgeschafft worden. Auch nicht in den SPD-FDP-regierten Ländern. Vielmehr gibt es heute teilweise weniger Berufsverbote, aber es gibt auch neue und zum Beispiel auch solche, die damit be- Report Police Misconduct Litigation gründet werden, daß die/der Betroffene am Russell- (zu deutsch etwa: Bericht über die Tribunal teilgenommen habe. Und der Strafvollzug? Hochsicherheitstrake werden ziviler Schadensersatz- Möglichkeiten eingerichtet. Sie sollen angeblich Terroristen in klagen gegen Polizeiübergriffe) ist ein sicherem Gewahrsam halten. Tatsächlich sind sie ein Symptom für die nach wie vor unhaltbaren Zustände im Citizens Blatt, das neuerdings von Strafvollzug insgesamt. Die Hochsicherheitstrakte in Defence of Civil Liberties in Zu- zerstören in ihrer inhumanen Einrichtung und Isola- tion die Persönlichkeit der Betroffenen. National Committee sammenarbeit mit dem Das ursprünglich vorgesehene Programm zum Ausbau von an Government Repression and Police Atomkraftwerken ist gegenwärtig verzögert. Die AKW- Opposition aus der Bevölkerung hat dies immerhin er- Nationalen Anwaltsver- Crimes und der reicht. Dennoch wird der Bau dieser Werke nicht nur einigung (National Lawyers Guild) in weiter geplant, sondern weiter nach und nach voll- zogen. Nit den Scheinargumenten, Kernenergie sei herausgegeben den USA vierteljährlich unverzichtbar und Arbeitsplätze und Wohlstand würden wird. Die Citizens in Defence of Civil so gesichert, soll die Opposition zurückgedrängt und über die Gefahr hinweggetäuscht werden, daß in der Organisation, deren. Liberties sind eine Bundesrepublik ein atomarer Polizeistaat in Gang Ziel es ist, gesetzt wird. Heute sind es "nur" Demonstranten gegen Atomkraftwerke, die verfolgt und mit Prozessen belegt staatliche Repression zu "Informationen über werden. Aber der Atomstaat, der alle betrifft, wirft verbreiten.... und diese Repression ent- seine Schatten voraus. dieser Arbeit schieden zu bekämpfen, Teil Die Rasterfahndung, die ebenso rechtens erklärt wor- regelmäßig über Ent- ist es, den Anwaltstand den ist, demonstriert schlaglichtartig die in moderner auf dem Gebiet wicklungen der Rechtsprechung Datenverarbeitung und ihrem geheimdienstlichen Ge- informieren." der Bürgerrechte zu brauch steckenden Gefahren. Hier wird nicht mehr der 1414

haftet. Insgesamt gab es Bürger gesichert. Vielmehr wird die Integrität des 1.366.1oo Fest- Bürgers aufgelöst, um im Namen bürgerlichen Schut- nahmen. Allerdings ist die Zahl der tat- zes die Staatssicherheit herzustellen, die fälsch- sächlichen Ermittlungs- und licherweise mit Bürgersicherheit gleichgesetzt Strafverfahren wird. in den letzten zwei Jahren leicht gesunken. Diese Hinweise auf einige aktuelle Gefahren, deren Mit anderen Worten, die Zahl der Zahl kaum noch zu überblicken ist, man denke nur Festnahmen an die nicht endende Kette der Verfassungsschutz- ohne Anklagen steigt erheblich. Allein in und Geheimdienstskandale der letzten Jahre, machen London wurden 1979 von deutlich, daß Engagement für Grund- und Menschen- 1.000 Personen durch- rechte eine fortlaufende und immer dringlichere schnittlich 45 verhaftet. Aufgabe ist. Strukturelle Entwicklungen in Verbindung von Technologie, Wissenschaft und Machtkonzentra- Statistischer überblick tion gefährden die Freiheit und Handlungsfähigkeit jedes einzelnen in einer Weise, daß nur die recht- In England und Wales gab es in den zehn Jah- zeitige und fortlaufende Aufdeckung dieser Ten- ren von 197o bis Ende 1979 denzen und entsprechende Gegenaktivitäten eine 273 Tote in Poli- Chance bieten, daß die Freiheitsrechte nicht vollends zeihaft. Davon waren 166 Fälle, also 61 %, verloren gehen. Todesfälle mit nicht Um sich dieser fortlaufenden Aufgabe anzunehmen, haben natürlicher Ursache, Gewerkschaf- sich etwa 7o Wissenschaftler, Publizisten, und weitere 41 Fälle, also 15 %, Selbstmorde. ter; Juristen u.a. zusammengetan und das Komitee für Grundrechte und Demokratie gegründet. Beteiligt Allerdings sind diese Fälle nicht gleich- an dem Komitee sind u.a. Heinrich Albertz, Karola mäßig über das Bloch, Walter Dirks, Ingeborg Drewitz, Helga Einsele, Jahrzehnt verteilt. Bei den Iring Fetscher, Helmut Gollwitzer, Robert Jungk, nicht natürlichen Todesfällen ist ein Jakob Monets, Wolf-Dieter Narr, Oskar Negt, Jürgen klarer Anstieg von Seifert, Dorothee Sölle, Otto Schily und Klaus Traube. 3 im Jahre 197o, zu Staatssicherheit In einem Land, das dazu neigt, die 32 im Jahre 1978 und 22 im Jahre 1979 fest- an die Stelle der Sicherheit aller Bürger zu setzen, muß mehr denn je für Grundrechte und Demokratie als zustellen. Bei diesen nicht natürlichen praktische Rechte für jeden einzelnen geworben und Todesfällen und bei den Selbstmorden fin- gekämpft werden. Keine einzige Aktivität ist zuviel. Konkurrenz gilt es zu vermeiden. Das Komitee wird den sich unter anderem deshalb überall, wo es der Sache dient, mit anderen - 35 Fälle von Hängen, wobei es sich nur Organisatione, die eine ähnliche Zielrichtung haben, zusammenarbeiten. in 29 Fällen um Selbstmord handelte; Um nicht zum "Papiertiger" zu verkümmern, wird das - 23 Fälle von Schädelbruch; Komitee seine Arbeit sofort aufnehmen. Es wurden bereits problembezogene Arbeitsgruppen eingerichtet, - 17 Fälle von inneren Verletzungen. um Untersuchungen vorzunehmen, die Öffentlichkeit zu informieren und gegebenenfalls zu bestimmten Aktionen aufzurufen. Erste Schwerpunkte dieser Polizeibrutalität verteilt sich aber nicht Arbeitsgruppen sind: Berufsverbote, Strafvollzug, nur zeitlich, sondern variiert auch räum- Demonstrationsrecht, Verfassungsschutz. Das Komitee versteht Grund- und Menschenrechte als unteilbare und lich. In einem Artikel des Labour-Abgeord- staat- universelle Rechte und will deshalb nicht nur neten Michael Meacher, in dem er seine liche Maßnahmen aufgreifen, sondern auch solche aus dem formell privaten Bereich. Deshalb haben sich Forderung nach einer parlamentarischen Unter- je eine Arbeitsgruppe "Freiheitsrechte im Betrieb" suchung noch einmal begründet, heißt es und "Menschenrechtssituation der Frauen" gebildet. hierzu: Wer sich genauer informieren möchte, schreibt an: "Danach gibt es einen klaren Zusammenhang Komitee für Grundrechte und Demokratie zwischen der Häufigkeit von Beschwerden An der Gasse 1 wegen Körperverletzung durch Polizisten 6121 Sensbachtal und der Rate von Todesfällen in Polizeihaft, selbst wenn man sie auf je 1o.000 Verhaf- tungen aufrechnet (siehe die Statistik). TODESFÄLLE IN POLIZEIHAFT UND ÖFFENT- Im nationalen Durchschnitt für die 43 Poli- LICHE KONTROLLE IN ENGLAND zeidistrikte kommen auf je 10.000 Verhaf- tungen 16,6 Beschwerden wegen Körperver- letzung. Doch in 13 Polizeidistrikten wurden 1978 mehr als 2o Beschwerden (pro Seit Jimmy Kelly, ein einundfünfzig- 10.000 Verhaftungen) registriert. In sechs jähriger Arbeiter aus der Nähe von dieser Distrikte lag die Rate der Todes- fälle in Polizeihaft pro 10.000 Verhaftun- Liverpool, im Jahre 1979 in einer Polizei- gen über dem nationalen Durchschnitt von zelle zu Tode kam und seit der Erschla- 1,9 Todesfällen. In Mercyside dem Ge- biet, wo Jimmy Kelly starb, gab es gung des Lehrers Blair Peach bei einer 2o,6 Beschwerden und 2,4 Todesfälle, im Antinazi-Demonstration in Southall Gebiet der Metropolitan Police of London 16,6 Beschwerden und eine noch höhere Rate im selben Jahr hat sich die englische von Todesfällen, nämlich 3,3 auf 10.000 Öffentlichkeit ernsthafter mit den mög- Verhaftungen." (Michael Meacher , After Kelly, in: New Society, 3.4.198o) lichen tödlichen Folgen von polizeilichen

übergriffen auseinandersetzen müssen. Die Reaktionen der Polizeiführung Dabei spielten Todesfälle in Polizeihaft Die offizielle Polizeizeitschrift "Police eine ziemlich gewichtige Rolle. Grund Review" druckte am 25.1.1980 wesentliche dafür ist unter anderem das starke An- Passagen aus dem Referat von Alan Goodson, steigen der Verhaftungen, die sich teil- Chiefconstable von Leicestershire und weise am Rande der Legalität bewegen. Präsident der Association of Chief Police 1979 wurde jeder 36. Bürger einmal ver- 145

Officers (ACPO), ab. Darin heißt es: ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Todes- Die Chief Constables bezweifeln stark, daß fällen und Beschwerden von Polizeibrutalität. erbestimmte aktuelle Fälle im Zusammenhang gesetzt werden können mit de.r Statistik Untersucht worden waren besonders die 16 von Todesfällen über ein Jahrzehnt hinweg, Fälle, bei denen die richterliche Unter- um dann die Folgerung zu ziehen, daß eine Art von Konspiration von Polizei und ande- suchung kein Ergebnis gezeigt hatte. Das habe, um ren öffentlichen Ställen gegeben Ergebnis des Ausschusses: In diesen Fällen die wahre Natur der Todesfälle zu ver- tuschen. (...) Bei keinem der 245 Fälle in könne tatsächlich nicht nachgewiesen werden, haben sich den letzten neuneinhalb Jahren wie die Leute zu ihren tödlichen Verletzun- das Urteil des Untersuchungsrichters und die Angaben der Polizei widersprochen. gen kamen. Aber einen flüchtigen Rückblick über die "Der Ausschuß faßt zusammen, daß es ihm nicht Polizeihaft Statistiken über Todesfälle in möglich gewesen ist, die tatsächlichen Ur- werfen, ohne in den letzten zehn Jahren zu sachen zu ermitteln. Die Frage, ob die Poli- erbringen, um der Polizei nähere Beweise zu zei schuldig ist oder nicht, konnte nicht unsaubere Motive zu unterstellen und daraus beantwortet werden." (The Guardian, 23.6.198o dann ernsthafte Konsequenzen zu ziehen, liegt nicht im öffentlichen Interesse und ist ein Nichtöffentlichkeit und die schändliches Beispiel für Verbalradikalis- Schwierigkeit, die Polizei zu kontrollieren mus." (Police Review, 25.1.1980: Cell deaths speculation attacked) Die letztendliche Unfähigkeitserklärung des der Ausschusses Allerdings kann aus den Ergebnissen weist auf eine grundsätzliche richterlichen Untersuchungen kaum ernsthaft Schwierigkeit parlamentarischer und juri- herausgele- stischer eine Handlungsweise der Polizei Kontrolle der Polizei hin, die kein spezifisch sen werden, die öffentlich erkennbar die englisches Problem ist. Es gibt für Rechte der Verhafteten respektiert. Bei polizeiliches Handeln kaum Zeugen, außer den 23 Todesfällen gab es überhaupt keine rich- Polizeibeamten selbst. Wenn eine par- terliche Untersuchung, in 16 Fällen (dabei lamentarische Untersuchung dieses Fehlen von 9 Fälle bei der Metropolitan Police of Lon- Informationen, das gegenseitige Ab- sichern von don) blieb die Untersuchung ergebnislos. Aussagen der Polizeibeamten, nicht zum Problem macht, wird sie immer bei der Die Ergebnisse des parlamentarischen Unter- Nichtbeweisbarkeit von Obergriffen suchungsausschusses stehenbleiben müssen. Das statistisch sig- nifikante Der parlamentarische Untersuchungsausschuß, Ansteigen von Todesfällen in Polizeihaft der, ausgehend von der Debatte um den Tod sowie das Ansteigen von Be- schwerden über von Jimmy Kelly, Todesfälle in Polizei- Polizeibrutalität bleibt in verneint dieser Sicht haft näher untersuchen sollte, immer wieder eine Zufälligkeit.

Zahl der Beschwerden Beschwerden Todes- Tote pro Of d New Society , o M 33.3 • Verhaftungen wegen Kör- w.Körperver- fälle 10.000 03 w m fD 3.4.198o M.7 (geschätzt) perverletzun- letzungen pro in Poli- Verhaftungen ri gen 1978 10.000 Ver- zeihaft in 1978 • DJ: • fD n CL. N haftungen '78 197o - C Mitte '79 2 o 9FA 3, >1 39 Hertfordshire 13.427 65 48,4 2 1,5 P. IC rsi 3-3 n fO 2 5,8 3-3 • 0 •1 City of London 3.497 13 37,2 d 3-1 3-3 313 Leicestershire 19.593 67 34,2 1 o,5 .3-3 n 0 North Wales 8.231 26 31,6 3 3,6 Of w 0 a. West Midlands 69.749 208 29,8 11 1,6 fD n fD 26.749 74 27,5 2 o,7 Nottinghamshire E g < (1) West Yorkshire 5o.381 137 27,2 14 2,8 m a c .1 03 3-3 CL.m 0 03 C33 Bedfordshire 12.952 3o 23,2 3 2,3 m Durham I3.9o4 3o 21,6 1 o,7 n C C: Greater Manchester 80.591 173 21,5 1 1 1 ,4 C [V 7 m Gloucestershire 8.436 18 21,3 2 2,4 m n 0. 7 1» Merseyside 57.815 119 2o,6 14 2,4 • nc• • rt, m Humberside 27.129 55 2o,3 4 1,5 7' :3 m 12 we o- Metropolitan c 3'9 03 n ln London 3o9.8I 1 513 16,6 log 3,3 ro o e England und g

Wales 1 288.475 2.23o 17,3 245 1,9 1-3 • 30 03 r» Lincolnshire 1o.997 11 lo,o 1 o,9 • N N c o. IC 0 0. Kent 31.584 29 9,2 4 1 ,3 3-1 3-33 West Mercia 19.358 17 8,8 1 o,5 3-3• n - Suffolk lo.328 9 8,7 1 I ,o o . Dorret I1.olo 9 8,2 2 1,8 ro 11 8,1 1 0,7 Gwent 13.578 0 3 inCm 03 Cambridgeshire 14.978 1 1 7,3 0 - 1-3 • 31 0 3-3. 6,7 1 o,9 0 Cumbria lo.467 7 7 703 Hampshire 38.692 25 6,5 3 o,8 5, '1= 2 N Surrey 15.47o 7 4,5 2 1,3 46

VII. AUS DER LITERATUR - HINWEISE. ZITATE tigkeit des Flusses von Information und deren Ver- arbeitung und treffen zusammen mit einem rechtli- "VON RECHNER ZU RECHNER" chen Begrenzungssystem, das von den neueren Entwick- lungen im Informationsbereich ZITATE AUS UND ANMERKUNGEN ZU: unterlauferl .wird. Lnd andererseits: die Schwierigkeit, den wachsenden HORST HEROLD. POLIZEILICHE DATENVERARBEITUNG Gefahren für die Menschenrechte entgegenzutreten. UND MENSCHENRECHTE Die mehr programmatisch beschriebene als schon prak- tisch von der Polizei verwirklichte Effizienz mit Hilfe der Elektronik könnte "in Unmenschlichkeit um- Vorbemerkung: schlagen". In der Zeitschrift des Arbeitskreises sozialdemokra- Möglichkeiten von Angriffen auf die Menschenwüide tischer Juristen (ASJ) "Recht undeolitik" ist in finden sich bereits in den Strukturen der Elektronik Nummer 2/I98o (S. 79 - 86) ein Aufsatz mit dem oben angelegt. Die moderne Informationstechnologie lädt genannten Titel des Präsidenten des BKA Horst Herold geradezu ein, die örtlich und sachlich gezogenen erschienen. Der Aufsatz stellt die "gekürzte Wieder- Grenzen ihrer Anwendung aufzuheben, die Enge und gabe eines Vortrages vom Frühjahr I98o vor den Ver- Ressorts aufzulösen, innerstaatliche einten Nationen in Den Haag" dar. Wegen der grund- Isoliertheit von und Wissen in sätzlichen Bedeutung des Themas "Polizeiliche Daten- und nationale Grenzen zu überwinden verarbeitung und Menschenrechte" und wegen der ein- immer-größer werdenden Speichern zu sammeln. Die flußreichen Position des Autors schien es uns ange- Grenzenlosigkeit der Informationsverarbeitung wür- bracht, den gerade erst erschienenen Aufsatz in CILIP de es gestatten, das Individuum auf seinem gesamten ausführlich zu zitieren und zu kommentieren Lebensweg zu begleiten, von ihm laufend Moment- Es schien uns nicht zureichend, die Heroldschen aufnahmen, Ganzbilder und Profile seiner Persön- Zitate für sich sprechen zu lassen. Deswegen haben liefern, es in allen Lebensbereichen, Le- wir über Referat und Zitat Heroldscher Argumente lichkeit 'zu registrieren. zu hinaus im knappen Kommentar uns wichtig erscheinende bensformen, Lebensäußerungen zu Gedankengänge, die eine herrschende Tendenz polizei- beobachten, zu überwachen und die so gewonnenen licher Entwicklung charakterisieren, hervorreheben Daten ohne die Gnade des Vergessens ständig prä- und ansatzweise qualifiziert. sent zu halten. Die Gefahren des„,großen Bruders" sind nicht mehr bloß Literatur. Sie sind nach dem 1. Problem heutigen Stand der Technik real. Einerseits: Effektivierung durch automatisierte Daten- verarbeitung: Die Datenverarbeitung eröffnet der Poli- S.80f. zei ungeahnte und noch durchaus unausgeschöpfte Mög- lichkeiten nahezu perfekter und vorausgreifender Kon- trolle aller Kriminalität. Herolds Intention ist es daher, anzugeben, wie dieser Gefahr des "Ausuferns" "normativ begegnet werden" Dieser qualitative Sprung in der polizeilichen Tätig- kann. In seinem Menschenrechtsverständnis macht: er' keit zeigt sich mit noch erheblichen nationalen Ab- allerdings eine folgenreiche Einschränkung, auf die weichungen in immer neuen Tätigkeitsbereichen von der wir auf den folgenden Seiten noch zurückkommen werden: "Umwälzung der personenbezogenen Karteien zu elek- tronischen Dateien" über die Automatisierung der Nicht der gesamte Wert- "Lenkung und Steuerung der polizeilichen Einsatzkräfte" Menschenrechte wird erneut berührt bis hin zur computergestützten, nimmermüden Kriminal- katalog der praktische Un- technik, die mit einem"verlustfreien, kompliziert- sondern aus ihm nur jene, für die die kombinatorischen Gedächtnis ausgestattet" wird. begrenztheit der Elektronik die Gefahr begründet steigerungsfähiger daß die Polizei sie mit Hilfe einer Dies ist das Recht des Indivi- Grundsätzlich ergeben die verschiedenen Anwen- Technologie unterläuft. persönliche Sphäre und seine un- dungsformen der Elektronik keine neuen Aspekte für duums auf seine Menschenwürde. die polizeiliche Aufgabenstellung. Die Aufgabe der veräußerliche der Gefahrenabwehr Verbrechensbekämpfung und S. 8o bleibt unverändert. Entscheidend gewandelt haben sich jedoch die Er- I II. Problemlösung: Trennung der Person von ihrer gebnisse der polizeilichen Arbeit. Infolge des Zu- Ökologie wachses an bisher nicht gekannter Schnelligkeit, Ge- nauigkeit und Aktualität der mehrdimensional belie- Wie ist der von Herold benannten "realen Gefahr", dem "großen Bruder",zu entgehen, ohne - dies ‚ist big verknüpf baren Informationen hat sich die polizei- für Herold entscheidend - auf die mit der Elektronik liche Informationsverarbeitung sprungartig zu völlig und anderen technisch-naturwissenschaftlichen Ver- Effizienz fortbewegt. Mit Hilfe neuen Dimensionen der fahren gegebenen polizeilichen Möglichkeiten verzich- des neuen Instrumentariums erscheint es erstmals ten zu müssen? Wie lassen sich polizeiliche Effizienz technisch machbar, im Zusammenwirken von Re- und demokratisches Grundrechtspostulat miteinander pression und einer die Verbrechensursachen auf- möglichst harmonisch kombinieren? deckenden Prävention das Verbrechen auf jenen ge- Herold scheint eine solche Kombination möglich. Er ringen Bodensatz zurückzuführen, der unausrottbar versucht, sie durch zwei unterschiedliche Formen der Institutionalisierung zu erreichen. ist. Zum einen dadurch, daß die personenbezogenen Daten S.80 /und das datentragende Subjekt durch Schutzvorkehrungen gesichert werden. Zum anderen dadurch, daß die Möglichkeiten der Techno- logie in allen anderen nichtpersonenbezogenen Odten- Trotz der von Herold betonten Konstanz der "Aufgaben- bereichen (sog. Sach-, Objekt-, Wissenschaftsdaten) stellung" verändern die neuen technologischen Instru- so systematisch wie möglich genutzt werden. mente diese Aufgaben - jedenfalls potentiell - in Dieser 'Lösung' liegen drei Annahmen zugrunde: qualitativer Weise. Die begrenzte Aufgabenstellung Erstens, daß sich das Subjekt, die Person und ihre wird durch das vorhandene technische lnstrumentarium Würde von der sozioökonomischen Umgebung trennen entgrenzt. lassen; oisner vorhandene Begrenzungen organisatorischer zweitens, daß in die nicht gebremste technologische und sachlicher Art verlieren Stück für Stück ihre Entwicklung Sicherungen, insbesondere normativer ihre Reibungs-und Hemmwirkung angesichts der Leich- Natur. einbaubar seien; 47

drittens, daß die poiizeiiiche ßenerrschung der liert die Grenze der "Amtshilfe" hart, aber kaum "sachlichen" Daten der Emanzipation des Subjekts wirksam. "Einen funktionsneutralen (also die Auf- (der Person) nützlich sei. gaben der beteiligten Ämter überschreitenden, d.Verf.) Informationsaustausch außerhalb dieser Kanäle 1. Grenzziehungen, die Handlungsmöglichkeiten der Poli- darf es nicht geben." zei eröffnen

Die "Sicherung der Menschenrechte" soll durch einschrän- kende Bestimmungen und institutionelle Vorkehrungen ge- schehen. Auffällig hierbei ist nicht nur ein normativer überhang und ein Mangel präziser institutioneller Rege- lungen. Auffällig ist auch vor allem, daß die jeweils genannten verbleibenden polizeilichen Kompetenzen die Grenzziehungen zugunsreo des Bürgerrechtsschutzes er- scheinen lassen wie schmale Schlagbäume auf einem breiten, durchgehend befahrbaren Platz. a) Datenschutz: Der Datenschutz soll etabliert werden, nicht mit Hilfe von Institutionen, sondern mit dem Mittel "normativer Begrenzungen". Da aber nicht vorher bestimmt werden kann, "an welcher Stelle ein polizeiliches Informationssystem den Betroffe- nen zum Objekt staatlicher Informationsgewalt er- niedrigt", wird es darauf hinauslaufen, "allge- meingültige Kriterien in Form von Generalklauseln" international zu formulieren. b) "Informationsgewaltenteilung": Um eine unbegrenzte exekutiv-bürokratische Datenkombination zu verhin- dern, ist die herkömmliche Gewaltenteilung durch eine "Informationsgewaltenteilung' 'fortzuentwickeln". So liefe etwa ein "Datenverbund der Polizei z.B. zu Finanz-, Sozial-, Gesundheits- oder Kultusver- waltung...dem Schutzzweck zuwider, obwohl es sich um Behörden der staatlichen Hauptaufgabe der Ver- waltung handelt". Die Gewaltenteilung muß sich also Als Beispiel der Amtshilfe und ihren anschei- verfeinern. über die Art und Weise dieser Gewalten- nend eindeutigen Grenzen beschreibt Herold die teilung, auch wie sie technisch möglich werden und Rasterfahndung. Gerade hier wird aber deutlich, durchgehalten werden soll, ist nichts zu erfahren. daß die polizeiliche Funktionsbestimmung jeden Das Problem des Datenzugriffs in Rahmen der einzel- spezifischen dh. nicht-polizeilichen Dateien- nen Abteilungen der Bürokratie bleibt gleichfalls zweck zu überlagern vermag, gleich ob es sich um ausgespart. Dateien des öffentlichen oder des privaten Sektors Man erfährt allerdings, daß die Gewaltenteilung neuel handelt: die faktische Verwendungsfähigkeit durch Art je und je durch Querverbindungen aufgelockert die Polizei liefert die polizeiliche Funktions- werden kann: bestimmung nach. Die von Herold aufgestellten zwei "Regelgruppen" des Ausgehend vom Schutzzweck können allerdings ein- Verfahrens der Rasterfahndung, der "positive" und zelne Rechner/Rechner-Verbindungen durchaus zu- der "negative Datenabgleich", lassen denn auch beide lässig sein. So stünden einem Datenverbund zwi- die Frage nach der Bestimmung von Dateienfunktionen schen Polizei, Einwohnermeldewesen sowie der als bereits zugunsten polizeilicher Nutzungsmöglich- Kraftfahrzeugzulassung keine grundsätzlichen Be- keit entschieden zurück. Die Unterscheidung in "negativen" und "positiven Da- denken entgegen. Die dort erhobenen Daten des In- tenabgleich reduziert sich auf die technische Ver- dienen staatlichen Ordnungsaufgaben, dividuums fahrensweise:(Zitat der "esamten Passage S.16, Arti- die nur in unmittelbarer Zusammenarbeit mit der Po- kel Rasterfahndung): lizei zu erfüllen sind. 5.81 Im Gegensatz zum positiven Dateienabgleich er- strebt der ..negative Dateienabgleich" kein Warum? Und um welche Art von Ordnungsaufgaben han- Ergebnis- sich delt es sich? band, auf dem positive Treffer sammeln. Viel- c)'Amtshilfe: Die neue "Informationsgewaltenteilung" mehr soll der Datenbestand des Ausgangsbandes ist freilich nicht als Informationstrennung zu ver- fortschreitend dadurch vermindert werden, daß stehen. Denn "staatliches Handeln (ist, d.Verf.) durch ein Gegenspiel eines oder mehrerer Gegen- im Ganzen einheitlich zu verstehen, aufgesplittert bänder Daten aus dem Ausgangsband so lange her- Wirksamkeit beraubt, entzöge es dem Staat und seiner ausgelöscht werden, bis auf ihm nur noch ein Boden- seine gesellschaftliche Legitimation". Da generelle satz negativer Treffer verbleibt. Automation aber ausgeschlossen sein soll, muß die Zusammenarbeit i.S.der Zusammeninformation sich im 5.87 Wege der ständig möglichen "Amtshilfe" vollziehen. Dem Vorgang eines durch alle Dateienbestände gesuch- meint im internationalen Sprachgebrauch Amtshilfe ten - und bekannten - Rechtsbrechers ("Mörder müssen Behör- das Handeln oder die Auskunftsleistung einer auch in krankenverseherungsbeständen gesucht werden de im Auftrag oder auf die Bitte einer anderen. Amts- können"), der als positiver Datenabgleich" beschrie- hilfe ist nach allgemein juristischen Maßstäben dort ben wird, wird der "negative Datenabgleich" gegenüber- zulässig, wo Ersuchen und Befolgung jeweils in den gestellt. Geht es im ersten Fall um die Auffindung Zuständigkeitsrahmen der ersuchenden und der be- einer Person, der bereits eine Tat zugeordnet ist, "negativen" Abgleich' folgenden Behörde fallen. so geht es im zweiten Fall des um die Destillation einer Tat/eines Täters aus sich 5.82 in verschiedensten Dateien niedergeschlagenem Verhal- ten. Die technische Differenz ist nur eine scheinbare. Der tatsächliche und bedeutsame Unterschied, nämlich das Damit ist im Rahmen der einzelnen Behörden und Ansetzen polizeilicher Maßnahmen an unverdächtigen zwischen denselben nahezu alles möglich, wenn die wird garnicht wahrgenommen, sondern er- behördlichen Kompetenzen nicht formell überzogen Merkmalen vielmehr als "Beispielsfall dafür, daß die werden. Diese Definition der Amtshilfe geht weit scheint Amtshilfe um- elektronische Datenverarbeitung auch erhebliche Ver- über das hinaus, was gegenwärtig als besserungen im Menschenrechts- und Grundrechtsschutz Stritten ist und zulässig erscheint. Herold formu- zu bewirken vermag" (S.83), 48

Ermöglicht die Anwendung des "positiven Datenabgleich" Schwieriger ist indessen die Frage der Aus- eine eine ungleich höhere Fahndungsintensität nach kunftsleistung an solche Personen zu beurteilen, die bereits identifizierten Rechtsbrechern bis in die als Verdächtige einer Straftat in polizeilichen Dateien Datenwinkel, gebremst durch das für den letzten nur gespeichert sind. Polizeiliche Däteien gründen sich Bürger äußerst schlüpfrige Bett des Verhältnismäßig- der Gefahr. die keitsgrundsatzes, so werden beim "negativen Datenab- auf die Begriffe des Verdachtes und gleich" die Fahndungsstrategien selbst verkehrt. beide ein Wahrscheinlichkeitsurteil verlangen und Über die Selektion von Trägern abweichender Merkmale der Konkretisierung kaum zugänglich sind. Der poli- aus der großen Zahl der 'Normalen' wird eine gesell- zeiliche Verdacht wirkt fort, auch wenn die Staatsan- schaftliche Normalpersönlichkeir abstrahiert. Grund- waltschaft das Verfahren mangels ausreichender rechte, und damit die Intensität des Schutzes der Nachweise eingestellt oder das Strafgericht aus dem Grundrechte, bemessen sich nach polizeilich defi- der gleichen Grunde freigesprochen hat. Würden die Er- nierten Normalpersönlichkeit. Grundrechte werden zu Entscheidungen in den Da- passiven Rechten dieses entpolitisierten, nahezu kenntnisse nach solchen immateriellen Raumes, der wie ein statisches von al- teien gelöscht, so würden sich gerade solche gefähr- len sonstigen gesellschaftlichen Vollzügen ausge- lichen Straftäter dem Erkennen im Falle desWieder- spartes Refugium erscheint, in dessen gesellschaft- auftretens entziehen, denen es mit einer gleich- liche Abstraktion es dem Einzelnen aufgegeben ist, bleibend raffinierten und unerkannten Begehenswei- sich zurückzuziehen. se bisher gelungen war, sich der Anklage oder dem Urteil zu entziehen. In solchen Fällen, wie auch bei Auskunftsleistung während eines noch anhängigen Ermittlungs- oder Strafverfahrens. muß die Frage. ob Auskunft zu geben ist, nach dem Zweck oder Stand des Verfahrens oder der Wahrscheinlichkeit des Wie- derauftretens des Täters beurteilt werden. Anderen- falls würden besonders gefährliche Täter durch die Auskunftsleistung gewarnt; sie könnten ihre Bege- hensweise bis zur' Unentdeck barkeit verfeinern. Ob- wohl sonach eine sachgerechte Entscheidung nicht generell, sondern nur vom Einzelfall her getroffen werden kann, sollte eine Auskunftsleistung an den Verdächtigen doch regelmäßig möglich sein und die er tut- Versagung eine Ausnahme darstellen. Die Chance Halber Kram ! Was er war,vas er ist,vss denkt,plant,wünscht des Bürgers, sich selbst über den ihn betreffenden In- das wissen wir soviesorwas er müssen t" und erträumt,das ist es,vas wir wissen halt des Informationssystems zu vergewissern und selbst die notwendigen Schritte für eine Korrektur zu unternehmen, muß gewahrt bleiben. Ihm als Betroffe- d) Transparenz und Zentralisierung: Die Information nem steht zuallererst die Kontrolle zu. Informationssysteme, sprich ihre Trans- über die s.84 parenz für den Bürger, ist ein weiteres Mittel, den Schrecken einseitig verwendeter, Integrität zerstörender Technologie zu entrinnen. Transparenz bedeutet allerdings nur "Offenlegung der Grund- f) Löschung: "Pregra7miertes Vergessen": Die Löschung strukturen polizeilicher Informationsverarbeitung". von Daten, in Herolds Worten, "programmiertes Ver- Außerdem soll sie vor allem auch dadurch erzielt gessen", leitet schon über zu Herolds Vorschlag, werden, dad Dateien zusammengelegt und zentrali- die "Datenverarbeitung als Mittel zur Verwirklichung siert werden - in merkwürdigem Widerspruch zur der Menschenrechte" einzusetzen. Die Kontrolle wird oben geforderten Informationsgewaltenteilung: technisiert und dadurch, so scheint es, zuverlässig, neutral, kurz: entherrschaftlicht. Dem Rechner wird Zweck- , die automatische Löschung von ausgedienten Daten mäßigerweise sind deshalb die Redundanzen durch eingegeben. "Der Rechner selbst verwandelt sich eine Einmalnotierung der Personalien in einer einzi- zu einem an Zuverlässigkeit unüberbietbaren Kontroll- ei" gen Personendatei aufzuheben, denen dann jeweils organ." Er ist zum Subjekt der Kontrolle geworden. die Sachinhalte der früher parallelen Dateien wie g) Technische Datensicherung: Der Abschnitt, der die Haft. Fahndung, Tätereigenschaften als Anhang hin- verschiedenen knapp vorgestellten Grenzmarkierungen 'zugefügt werden. enthält, schließt mit dem nicht weiter ausgeführten Gleichartige Probleme entstehen, wenn die Mehr- Hinweis auf die Möglichkeiten "technischer Daten- fachführung von Personalien durch einen abge- sicherung". Die resummierende Feststellung, "Daten- schutz in Rahmen polizeilicher Informationssysteme" stuften Aufbau des Informationssystems und seine setze "den bewußten und gezielten Verzicht auf die Zerlegung in polizeiliche Regional- und Zentralsyste- Vollständigkeit von Informationen, den Verzicht auf me erzwungen wird. Auch hier kommt die Zentralisa- die unverhältnismäßige Steigerung von Effizienz" tion von Daten in einer polizeilichen Datei den Belan- voraus, wird durch die Behauptung ergänzt, der Daten- gen des Datenschutzes entgegen. Transparenz und schutz, wie er skizziert wurde, schränke nicht nur Übersicht über die zu einer Person insgesamt geführ- "die polizeilichen Möglichkeiten und Befugnisse ten Akten. Unterlagen und Dateieinträge sind in ei- gegenüber den herkömmlichen für das Gebiet der Daten- Vielmehr, COD Herold, setze der Daten- nem Zentralsystem weit eher möglich als in abgestuf- sicherung ein". schutz dieser Art "den schon seit Jahrhunderten ten Oderdezentralisierten Systemen mit zwangsläufig in Gang befindlichen Prozeß der Verschmälerung hohen Redundanzen. des polizeilichen Aufgabenbereichs und des Abbaus S.83 staatlicher Herrschaft fort" 2. Der perfekte polizeiliche Datenstaat als Hüter der Zentralisierung und solcher Redundanz- Wem solche Grundrechte verlust wohl tatsächlich dient? Wie ist denn Ge- waltenteilung ohne Redundanz möglich? Die zweigeteilte Datenwelt in "personenbezogene Daten" e) Auskunftsanspruch: Jedem, fast jedem, sollen Aus- einerseits und "sachbezogene Daten" andererseits er- künfte zur eicenen Person erteilt werden. Aber laubt Herold eine Zweiteilung der Vorgehensweise. Im auch hier bleibt die Einbruchstelle trotz einiger Hinblick auf die•"personenbezogenen Daten" sind Grenz- einschränkender Formulierungen breit: ziehungen und Kontrollvorrichtungen in gewissem Umfange 49

erforderlich (vgl. die unter 1. aufgeführten Mecha- Amri_r_KTI,SON, Immigration policy and the nismed. police state, in: New States- Die "sachbezogenen Daten" bedürfen eines solchen man, 11.7.198o Schutzes nicht. Je mehr, so Herolds These, die "In Großbritannien ist es mittlerweile fast normal, Polizei national und international in der Lage ist, daß Beamte der Einwanderungsbehörde oder der diese "sachbezogenen Daten" umfassend zu speichern, Polizei Warenhäuser, Fabriken, Häuserblocks durch- auszutauschen und zu verwerten, desto mehr wird sie suchen, jede farbige Person, die sie finden können, instand gesetzt, den Raum gesellschaftlicher Gewalt mitnehmen und sie tagelang ohne Prozeß festhalten. und Kriminalität keimfrei zu halten, so daß die All das wird mit der magischen Formel, es handele Menschenrechte darin blühen können. sich um 'illegale Einwanderer', gerechtfertigt." Datenschutz ist kein Thema, wenn es um "sachbezogene" "...Schwarze Jugendliche müssen befürchten, daß Daten geht, nur die aus den "Sachen" destillierte und sie aufgrund des 'sus-law' von der Bushaltestelle zurückbleibende Person und ihre sachlich transzenden- weg aufgegriffen werden;schwarzen Frauen kann die ten Daten sind schützenswert, nur hier ergibt sich medizinische Behandlung in Krankenhäusern verwei- eine solche Notwendigkeit. gert werden, wenn sie keinen Paß vorweisen können; schwarze Familien können damit rechnen, daß nach All diese "sachbezogenen Daten", "von Rechner zu Rech- einer Verhaftung Familienmitglieder ausgewiesen ner" national und international getauscht, auch als und die Familie auf immer auseinandergerissen wird, "kriminaltechnische Entwicklungshilfe"weniger vermö- ohne daß dafür eine Erklärung gegeben werden genden Staaten" zugänglich gemacht, sollen die Spuren bräuchte..." der Kriminalistik bis zum letzten Schweißabdruck auf- nehmen und mit Hilfe wissenschaftlich-rechnischer Das Einwanderungsgesetz von 1971 wird so Schritt Methoden so auswerten lassen, daß Kriminalität in die- für Schritt zum Paßgesetz; obwohl in England bis- sem aseptischen Polizeidatenhaus so vermieden werden her keine Ausweispflicht besteht, werden von den wie Keime im aseptisch gemachten Operationssaal. Farbigen mittlerweile regelmäßig Pässe verlangt. Herolds Traum einer "international in einer Datenver- Ist die Person nicht in der Lage, einen Paß vor- arbeitungsanlage zu einer einheitlichen kriminaltech- zuweisen, riskiert sie die Festnahme. Nach dem Ein- nischen Datenbank" vereinten universellen Vergleichs- wanderungsgesetz ist hier das Innenministerium, datei läßt sich nicht nur aufgrund seiner Traumgestalt d.h. die Polizei und die Einwanderungsbehörde. mit dem Wunsch versöhnen, diese "sach-, objekt- und Herr des Verfahrens. Ein Ausländer gilt solange als wissenschaftsbezogene Datenverarbeitung" befördere schuldig, wie er nicht das Gegenteil bewiesen hat. die Menschenrechte. Die Versöhnung ist möglich, weil über eine Ausweisung entscheidet aber nicht ein Herold wie die "sachbezogenen" Daten von den "personen- Gericht, sondern die bezeichneten Behörden selbst: bezogenen", so die "kriminaltechnischen" Daten von eine Situation der totalen Rechtlosigkeit. betroffenen Personen (das Verbrechen wird zu einer Einwanderungsangelegenheiten und die Politik Sache, die wie eine physische Energie aufzusuchen mög- gegenüber den rassischen Minderheiten wird mehr lich ist), so auch Personen von den Sachen und schließ- und mehr zur polizeilichen Aufgabe: lich Gesellschaft von Wissenschaft und Technik zu - Die "Illegal Immigration Intelligence Unit" kennt trennen vermag. Personen, ihre Daten und ihre gesell- Details aus dem Leben von über 15.7oo Personen, schaftlichen Interessen sind jenseits aller Objektivi- die bisher noch keine Vorstrafe hatten. tät schiere Subjektivität, immateriell, normativ re- - Das Einwanderungsgesetz erlaubt den Einwanderungs- duziert. "Technik und Wissenschaft als interessenge- behörden nicht nur an Häfen und Flughäfen bei ladene Ideologie" zu begreifen, die Personen mit ihren der Einreise zu operieren, sondern überall im Fingerabdrücken, Schweißausbrüchen, Haaren, mit ihrem Land Wohnungen ohne richterliche Anordnung zu Raum und ihren Instrumenten zu verstehen, kurz aus durchsuchen und unkontrollierbare Feststellungen Fleisch und Blut auch und gerade in ihrer "Privat- über den Status und die "Absichten" von Aus- sphäre" - das ist diesem harmonisierenden Trennungs- ländern zu treffen. denken nicht möglich. Dieses Trennungsdenken freilich macht den Traum einer "reinen" Technologie, der sich die Polizei nun als aseptischer technologischer Mund- schenk zu bedienen vermag - umgekehrt, die sich der NEW STATESMAN Polizei bedient -, die das sachlich-körperlich berei- nigte Subjekt als normative Idee bewahrt und schützt, so realistisch. Etliche Schritte, um den Traum zu ver- wirklichen, den Traum auch einer Sicherheitspolitik, die sich politisch nicht mehr rechtfertigen muß, weil sie in der Technologie (ver)steckt, sind schon gegan- gen. Man kann heute, dies zeigt Herold, Orwells "großen Bruder" als Gefahr zitieren und damit auch zugleich die eigene kräftige Mitarbeit an der Reali- sierung dieser Gefahr legitimieren.

Speer FALIGOT Guerre speciale en Europe. Ed. Flamarion, Paris, 198o, ca. 75 ffr. Faligots Buch enthält nicht nur eine detail- lierte und gründlich recherchierte Beschrei- bung der nordirischen Situation und der militä- risch-polizeilichen Repression. Vielmehr ver- sucht es darüber hinaus, die Bedeutung des iri- schen Konfliktes als eines internationalen The Repressionslaboratoriums zu erfassen, dessen unnotIced Strategie und Konzeption von dem ehemaligen britischen Kolonialoffizier Frank Kitson growth of entworfen worden ist. (Frank Kitson, Im the police Vorfeld des Krieges, Raubdruck oder See- wald-Verlag, Stuttgart 1974) state 5o

LETZTE IMK-TAGUNG 1979 - AM 21,12,1979 "Als sei dies alles nicht genug, hat das Innenmini- sterium Anfang des Jahres angekündigt, daß auch die (Fortsetzung der Polizei sich in Zukunft stärker mit Einwanderungs- Auflistung in CILIP Nr. 5) fällen beschäftigen soll... Wenn die Royal Commission Wichtige Themen und Beschlüsse: an Criminal Procedure den Forderungen der Polizei nach Erweiterung ihrer Befugnisse nachkommt, wird die Rauschgiftkriminalität Polizei bei künftigen Gelegenheiten sogar in der Die IMK befaßte sich mit einem von der AG II ver- Lage sein, ganze schwarze Bevölkerungsgruppen eines faßten "Konzept zur intensivierten Bekämpfung des Stadtteils erkennungsdienstlich zu behandeln." illegalen Rauschgifthandels und -konsums". Schwer- Was ist der Grund für diese nicht nur quantitative gewicht dessen ist die Verhinderung der Einfuhr Ausdehnung des Rassismus in der staatlichen Politik? von Drogen. Die polizeilichen Maßnahmen reichten Die Machtübernahme der Konservativen hat diesen hier aber nicht aus, weswegen die Innenminister/ Prozeß nur beschleunigt. Die rechtlichen Grund- -senatoren mehr Kooperation zwischen den betref- lagen, das Einwanderungsgesetz, wurden schon fenden Bundes- und Landesstellen fordern. 1971 unter einer Labour-Regierung gelegt. Die Sonderzulage für MEK- und SEK-Beamte Gründe für den Funktionswandel des Rassismus Bisher waren nur die Beamten der BGS-Spezialein- liegen in der staatlichen Reaktion auf die heit GSG 9 in den Genuß einer Erschwerniszulage Veränderungen des Arbeitsmarktes: gekommen (seit 1.6.1979). Diese Zulage (2oo DM) "In der vorangegangenen Periode war es die soll künftig genauso für die Spezialeinheiten Funktion des Rassismus, die Ausbeutung schwar- der Länderpolizeien (Mobile oder Sondereinsatz- zer Arbeitskräfte zu rechtfertigen. Die Funk- kommandos-MEK/SEK) gelten, denn diese sind er- tion des Rassismus heute, wo Großbritannien höhten Leistungsanforderungen und dadurch stän- diese Arbeitskräfte nicht mehr benötigt, ist, dig besonderen Erschwernissen und Belastungen die Erzwingung der Rückkehr in die Heimatländer ausgesetzt. zu rechtfertigen und zu rationalisieren." (Quelle: BGS - Zeitschrift für den Bundesgrenz- schutz, Heft 2/198o) Dr. Wiebke Steffen, Kinder- und Jugend- kriminalität in Bayern. Statistische Befunde und polizei- Schriftenreihe der Vereinigung Berliner liche Bekämpfungsmaßnahmen. Strafverteidiger e.V.: Hochsicherheitstrakt Einer Veröffentlichung der Krimi- und Menschenwürde nologischen Forschungsgruppe der Bayerischen Polizei, kostenlos Inhaltsverzeichnis: erhältlich durch das Geleitwort Bischof Scharf Bayerische Landeskriminalamt, Brief an den Justizsenator Maillingerstr. 15, 80oo München 2 Podiumsdiskussion vom 18.1.198o Beschluß des Kammergerichts Erklärung von Bischof Kruse, "Ernstgenommen" Presseerklärung der Humanistischen Union Stellungnahme des Anstaltsbeirates POLIZEIBERICHT Offener Brief der "Aktion gesetzmäßiger Strafvollzug" Interview mit Prof. Rasch (TAZ 18.12.1979) DOKUMENTATION BERLINER POLIZEIARBEIT Interview mit H. Einsele (TAZ 31.1.198o) Interview mit Prof.Klug (TAZ 23.1.198o) in Die Berliner Jungdemokraten haben Pressespiegel einer neuen Dokumentation sechs Fälle Berliner offensichtlicher übergriffe der Prof.Dr.Erhard Blankenburg, Josef Falke, Polizei: Mehringdamm am 3o.1.79; "Jodl- Prof.Dr. Wolfgang Kaupen, Dr. Theo Rase- horn, Dr. Udo Reifner: Alternativentwurf Räumung der Ge- keller"; Gatower Heide; für ein Beratungshilfegesetz Charlottenburger dächtniskirche; MEK in Inhalt: Bordell; Oranienplatz am 1.5.80. Alternativentwurf Gegenüberstellung des Regierungsentwurfs aus Sicht der Neben einem Kommentar und des Alternativentwurfs für ein Beratungs- Jungdemokraten, finden sich in der Bro- hilfegesetz Die Kritik am Regierungsentwurf schüre Pro und Contra zur Polizeikenn- zeichnung und ein Vorschlag zur Novellie- rung des Polizeirechts (ASOG). Schließlich stellt sich die BI "Bürger beobachten die Polizei".

Die 48 seitige Dokumentation gibt es für DM 3.- plus Porto bei den DEUTSCHEN JUNGDEMOKRATEN BERLIN IM DOL 2-6 , 1000 BERLIN 33 51

VIII. DOKUMENTATION 4. hält es für wünschenswert, daß die Öffent- INFORMATIONSFREIHEIT UND AUSKUNFTS- lichkeit vorbehaltlich einiger unvermeid- ANSPRUCH licher Ausnahmen Zugang zu den Regierungs- GEGENÜBER BEHÖRDEN unterlagen hat; 5. ist der Auffassung, daß diese Informations- In mehreren Ausgaben von CILIP (Nr. 2 und Nr. 3) ist bereits das Recht des Bürgers auf freien freiheit ebenfalls eine geeignete Kontrolle Zugang zu Informationen der staatlichen Verwal- für Korruption und die Verschwendung öffent- licher Mittel tung und insbesondere der Sicherheitsbürokratien darstellt; thematisiert worden. Zeigten entsprechende 6. ist der Auffassung, daß die Steuerzahler, d.h. Länderüberblicke, daß die Bundesrepublik Deutsch- die Öffentlichkeit im allgemeine, die öffent- land kein Eldorado staatlicher Transparenz ist, so lichen Mittel aufbringen und daß sie deshalb gilt dies umso mehr, für die Garantierung eines in der Lage sein müßten, herauszufinden, wie Informationsrechts einzutreten. Dieses Informations- diese öffentlichen Mittel in den Regierungsbehör- recht des Bürgers entspricht einem Modell demo- den und -stellen verwendet oder verschwendet kratischer Verwaltung, die durch Transparenz ihrer werden; Entscheidungen und Entscheidungsgrundlagen dem Bürger eine reale Chance gibt, in Kenntnis der 7. ist der Auffassung, daß jeder Zugang zu den ihn betreffenden Aufzeichnungen und Informationen und Daten der Verwaltung Maßnahmen das Recht haben und Entscheidungen der Verwaltung zu kontrollie- sollte, falsche Angaben zu seiner Person korri- ren, zu kritisieren und gegebenenfalls bereits gieren zu lassen, wobei diese persönlichen Infor- im Entscheidungsprozeß zu korrigieren. mationen an andere nicht preisgegeben oder ver- teilt werden dürften, da dies eine ungerechtfer- In den USA ist der Anspruch des Bürgers auf Ein- tigte Verletzung des Privatlebens darstellen sicht in die Unterlagen - Akten, Gutachten, Daten- würde; banken - der öffentlichen Verwaltung geltendes und vielfach in Anspruch genommenes Recht auch 8. ist der Auffassung, daß dieses Recht auf Zugang im Sicherheitsbereich. zu den eigenen Daten vom Europarat bereits in den Ministerkomitee-Entschließungen (73) 22 und Im letzten Jahr wurde von der Parlamentarischen Ver- (74) 29 über elektronische Datenbanken aner- sammlung des Europarates in Straßburg die Empfehlung kannt worden ist; ausgesprochen, in den Mitgliedsländern ein freies 9. ist der Auffassung, daß es nunmehr an der Informationszugangsrecht zu garantieren. Wir doku- Zeit ist, diesen Grundsatz im Hinblick auf die vielen mentieren diese Empfehlung. Ebenso dokumentieren Daten, ob sie nun elektronisch oder von Hand wir aus einer Initiative der Humanistischen Union, erstellt Landesverband Berlin, in der einige Grundsätze und sind, anzuerkennen; Eckpfeiler aufgestellt werden, an denen sich ein 1o. ist der Auffassung, daß der Europarat selbst gesetzlich garantierter Auskunftsanspruch messen ein Beispiel für den offenen Zugang zu Infor- zu lassen hat. mationen setzen sollte; 11. vermerkt, daß die Informationsfreiheit in Schweden seit mehr als zwei Jahrhunderten er- folgreich praktiziert wird und daß andere Mitgliedstaaten des Europarates kürzlich dem schwedischen Beispiel gefolgt sind; 12. weist darauf hin, daß das Gesetz über die Informationsfreiheit (Freedom of Information Act) und das Gesetz vom Jahre 1974 über den Schutz des Privatlebens (Privacy Act) in bezug auf die Handhabung von Unterlagen durch Bundes- behörden in den Vereinigten Staaten mit Erfolg verwirklicht worden sind;

13. empfiehlt dem Ministeikomitee: a. die Regierungen der Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, aufzufordern, ein System der Infor- mationsfreiheit, d.h. des Zugangs zu Regierungsakten, einzuführen, in dem das Recht, von den Regierungsbehörden und -stellen Informationen zu verlangen und zu erhalten, das Recht auf Einsicht- PARLAMENTARISCHE VERSAMMLUNG DES EUROPARATES, nahme und Korrektur persönlicher Akten, STRASSBURG das Recht auf Privatleben und das Recht EMPFEHLUNG NR. 854 (1979) VOM 1. FEBRUAR 1979 auf schnelle Maßnahmen vor den Gerichten in diesen Angelegenheiten enthalten ist; INFORMATIONSFREIHEIT UND ZUGANG DER ÖFFENTLICHKEIT ZU REGIERUNGSUNTERLAGEN b. den Sachverständigenausschuß für Verwal- tungsbehörden und Zugang zu Informationen Die Versammlung (voller Wortlaut) oder jeden anderen Sachverständigenaus- schuß zu beauftragen, eine vollständige 1. bekräftigt ihren Glauben an die parlamentarische Studie über die Frage des Zugangs zu Demokratie; Regierungsakten zu erstellen; 2. ist überzeugt, daß die parlamentarische Demokra- c. seine Entscheidung von 1976 zu verwirklichen tie nur angemessen funktionieren kann, wenn die und in die Europäische Menschenrechtskon- Bürger und ihre gewählten Vertreter völlig infor- vention eine Bestimmung über das Recht auf miert werden; Informationsrecherche einzufügen; 3. ist der Auffassung, daß das öffentliche Leben in d. zu prüfen, ob und in welchem Umfang der heutigen Gesellschaft so komplex und technisch Dokumente über die Aktivitäten der zwischen- geworden ist, daß die Regierungsstellen und -be- staatlichen Zusammenarbeit innerhalb des hörden häufig Informationen erstellen und be- Europarates der Öffentlichkeit zugänglich sitzen, die aus anderen Quellen nicht zu er- gemacht werden können; halten sind; e. die Texte der Entschließungen, die er 52

ist, ohne daß über diesen berechtigten annimmt, regelmäßig und in leicht zugäng- Schutz der Privatsphäre der generelle licher Form zu veröffentlichen; Auskunftsanspruch unterlaufen werden f. die Öffentlichkeit, wann immer dies möglich kann. Zu übernehmen ist auch hier die und angemessen ist, über Konventions- und amerikanische Regelung, nach der in den Entschließungsentwürfe zu unterrichten, ehe betreffenden Schriftsätzen entsprechen- sie von den entsprechenden Organen, die dem de Daten Dritter unkenntlich gemacht Ministerkomitee unterstellt sind, endgültig werden, um so unter Wahrung der Privat- fertiggestellt und/oder verkündet werden. sphäre angeforderte Akten etc. zugäng- lich zu machen. FÜR EINEN VORBEHALTLOSEN AUSKUNFTSANSPRUCH 11. Die Einlösung eines Auskunftsanspruchs ver- DES BÜRGERS GEGENÜBER DER ÖFFENTLICHEN VER- langt vorab die Kenntnis darüber, welche Behörden personenbezogene Datenhestände und WALTUNG - EIN FORDERUNGSKATALOG DER HUMA- andere Akten und Entscheidungsunterlagen NISTISCHEN UNION, LANDESVERBAND BERLIN führen und anlegen. Deshalb ist jährlich ein Bundes- bzw. Landesregister (wie dies schon für personenbezogene Datenbestände I. allerdings unter Ausschluß der Sicherheits- behörden nach dem geltenden Datenschutz- IV. Um zu verhindern, daß ein gesetzlich garantier- recht der Fall ist) zu veröffentlichen. das ter Auskunftsanspruch durch Detailregelungen Auskunft darüber gibt, welche Behörden zu sich de facto in ein Auskunftsverweigerungs- welchen (spezifizierten) Themen- und es nach An- recht der Verwaltung verkehrt, gilt Sachbereichen Unterlagen und Datenbestände sicht der HU, LV Berlin, folgende Kriterien zu anlegen und verwalten. erfüllen: 1. Der Auskunftsanspruch hat sowohl für per- sonenbezogene Daten, die den unmittelbar anfragenden Bürger betreffen, zu gelten wie für Daten und Informationen, die den An- fragenden in seiner Rolle als Bürger, der vom Verwaltungshandeln generell betroffen ist, interessieren. 2. Der Auskunftsanspruch ist gegenüber Bundes-, Länder- und kommunalen Behörden und Ver- waltungen zu garantieren. 3. Entsprechend der amerikanischen Regelung sind die staatlichen Sicherheitsorgane in dieses Auskunftsrecht einzuschließen. 4. Durch klare und kurz terminierte Fristen- Regelungen - die amerikanische Regelung ritt st1pr Ietaget schreibt eine Beantwortung innerhalb von lo Tagen und Bescheidung eines Wider- spruchs innerhalb von 20 Tagen vor - ist zu Tübingene.V. garantieren, daß der Auskunftsanspruch Verein für Friedenspädagogik nicht durch uferloses Hinauszögern der Aus- Der künfte durch die Behörden entwertet wird. e.V. wurde im Jahre 1976 in 5. Durch eine klare Kostenregelung ist sicher- Tübingen gegründet und ist als zustellen, daß Behörden nicht über hohe Ge- gemeinnützig anerkannt. bühren den Auskunftsanspruch zum Privileg finanzkräftiger Personen einengen. Der Verein wird unterstützt von 6. Ausnahmeregelungen sind möglichst eng und der Berghof-Stiftung für Kon- eindeutig zu formulieren. Ausnahmeregelungen fliktforschung. Diese Mittel er- dürfen keinesfalls pauschal ganze Behörden- möglichen es uns, die Räume in oder Verwaltungsgebiete ausgrenzen, wie dies der Seelhausgasse zu mieten und für personenbezogene Daten in den geltenden einige Mitarbeiter für verschie- deutschen Datenschutzgesetzen vorexerziert dene Tätigkeiten (vgl. Graphik ist. Aktivitäten) zu bezahlen. 7. Im Streitfall hat die Entscheidung bei einem unabhängigen Kontrollorgan (Gericht) zu lie- Die Tübinger Verbreitungsstelle gen, dem vorbehaltlos Einsicht in die strit- für Friedensmaterialien erstellt tigen Akten und Daten zu geben ist. Die Be- kommentierte Literaturlisten zu weislast bei einer behördlichen Auskunfts- verschiedenen Themenbereichen der verweigerung unter Bezug auf diese Ausnahme- Friedenserziehung und sammelt Ar- regelungen hat ausschließlich bei den Behör- beitsmaterialien für Unterricht den zu liegen, die für den konkreten Fall und Aktionen. Wir beraten in Li- die Geheimhaltungserfordernis nachweisen teraturfragen und vermitteln Kon- müssen. takte. Dieses umfangreiche Pro- gramm kann nur gelingen, wenn 8. Nach amerikanischem Vorbild ist den möglichst viele Mitglieder und Parlamenten der Länder bzw. des Bundes Freunde des Vereins mitarbeiten jährlich ein öffentlicher Bericht über (z.B. in Form von Buchbesprechun- die Handhabung des Auskunftsrechts gen, Arbeitsberichten, Literatur- vorzulegen, der u.a. die Art und An- und Veranstaltungshinweisen). zahl der Anträge und Ablehnungen ein- schließlich der Ablehnungsbegründungen zu enthalten hat. Wer sich für unsere Arbeit inter- 9. Die rechtswidrige Ablehnung eines Aus- essiert, kann die Nummer kunftsanspruchs durch verantwortliche Beamte ist ausdrücklich unter diszi- 07071 / 4401 anrufen plinarrechtliche Sanktionsdrohung zu stellen. schreiben an: 10. Es ist sicherzustellen, daß der Schutz oder persönlicher Daten Dritter garantiert Seelhausgasse 3 7400 Tübingen 1 52

ist, ohne daß über diesen berechtigten Schutz der Privatsphäre der generelle Auskunftsanspruch unterlaufen werden kann. Zu übernehmen ist auch hier die amerikanische Regelung, nach der in den betreffenden Schriftsätzen entsprechen- de Daten Dritter unkenntlich gemacht werden, um so unter Wahrung der Privat- sphäre angeforderte Akten etc. zugäng- lich zu machen. FÜR EINEN VORBEHALTLOSEN AUSKUNFTSANSPRUCH 1 1. Die Einlösung eines Auskunftsanspruchs ver- DES BÜRGERS GEGENÜBER DER ÖFFENTLICHEN VER- langt vorab die Kenntnis darüber, welche Behörden personenbezogene Datenbestände und WALTUNG - EIN FORDERUNGSKATALOG DER HUMA- andere Akten und Entscheidungsunterlagen NISTISCHEN UNION, LANDESVERBAND BERLIN führen und anlegen. Deshalb ist jährlich ein Bundes- bzw. Landesregister (wie dies schon für personenbezogene Datenbestände I allerdings unter Ausschluß der Sicherheits- behörden nach dem geltenden Datenschutz- IV. Um zu verhindern, daß ein gesetzlich garantier- recht der Fall ist) zu veröffentlichen. das ter Auskunftsanspruch durch Detailregelungen Auskunft darüber gibt, welche Behörden zu sich de facto in ein Auskunftsverweigerungs- welchen (spezifizierten) Themen- und recht der Verwaltung verkehrt, gilt es nach An- Sachbereichen Unterlagen und Datenbestände sicht der HU, LV Berlin, folgende Kriterien zu anlegen und verwalten. erfüllen: 1. Der Auskunftsanspruch hat sowohl für per- sonenbezogene Daten, die den unmittelbar anfragenden Bürger betreffen, zu gelten wie für Daten und Informationen, die den An- fragenden in seiner Rolle als Bürger, der vom Verwaltungshandeln generell betroffen ist, interessieren. 2. Der Auskunftsanspruch ist gegenüber Bundes-, Länder- und kommunalen Behörden und Ver- waltungen zu garantieren. 3. Entsprechend der amerikanischen Regelung sind die staatlichen Sicherheitsorgane in dieses Auskunftsrecht einzuschließen. 4. Durch klare und kurz terminierte Fristen- Regelungen - die amerikanische Regelung vengn für schreibt eine Beantwortung innerhalb von lo Tagen und Bescheidung eines Wider- releclensPädaliodk spruchs innerhalb von 20 Tagen vor - ist zu Tübingen e.V. garantieren, daß der Auskunftsanspruch Verein für Friedenspädagogik nicht durch uferloses Hinauszögern der Aus- Der wurde im Jahre 1976 in künfte durch die Behörden entwertet wird. e.V. gegründet und ist als 5. Durch eine klare Kostenregelung ist sicher- Tübingen anerkannt. zustellen, daß Behörden nicht über hohe Ge- gemeinnützig bühren den Auskunftsanspruch zum Privileg finanzkräftiger Personen einengen. Der Verein wird unterstützt von 6. Ausnahmeregelungen sind möglichst eng und der Berghof-Stiftung für Kon- eindeutig zu formulieren. Ausnahmeregelungen fliktforschung. Diese Mittel er- dürfen keinesfalls pauschal ganze Behörden- möglichen es uns, die Räume in oder Verwaltungsgebiete ausgrenzen, wie dies der Seelhausgasse zu mieten und für personenbezogene Daten in den geltenden einige Mitarbeiter für verschie- deutschen Datenschutzgesetzen vorexerziert dene Tätigkeiten (vgl. Graphik ist. Aktivitäten) zu bezahlen. 7. Im Streitfall hat die Entscheidung bei einem unabhängigen Kontrollorgan (Gericht) zu lie- Die Tübinger Verbreitungsstelle gen, dem vorbehaltlos Einsicht in die strit- für Friedensmaterialien erstellt tigen Akten und Daten zu geben ist. Die Be- kommentierte Literaturlisten zu weislast bei einer behördlichen Auskunfts- verschiedenen Themenbereichen der verweigerung unter Bezug auf diese Ausnahme- Friedenserziehung und sammelt Ar- regelungen hat ausschließlich bei den Behör- beitsmaterialien für Unterricht den zu liegen, die für den konkreten Fall und Aktionen. Wir beraten in Li- die Geheimhaltungserfordernis nachweisen teraturfragen und vermitteln Kon- müssen. takte. Dieses umfangreiche Pro- gramm kann nur gelingen, wenn 8. Nach amerikanischem Vorbild ist den möglichst viele Mitglieder und Parlamenten der Länder bzw. des Bundes Freunde des Vereins mitarbeiten jährlich ein öffentlicher Bericht über (z.B. in Form von Buchbesprechun- die Handhabung des Auskunftsrechts gen, Arbeitsberichten, Literatur- vorzulegen, der u.a. die Art und An- und Veranstaltungshinweisen). zahl der Anträge und Ablehnungen ein- schließlich der Ablehnungsbegründungen zu enthalten hat. Wer sich für unsere Arbeit inter- 9. Die rechtswidrige Ablehnung eines Aus- essiert, kann die Nummer kunftsanspruchs durch verantwortliche Beamte ist ausdrücklich unter diszi- 07071 / 4401 anrufen plinarrechtliche Sanktionsdrohung zu stellen. oder schreiben an: lo. Es ist sicherzustellen, daß der Schutz persönlicher Daten Dritter garantiert Seelhausgasse 3 7400 Tübingen 1 53

VARRNEMMUNG DES AUSKUNFTSANSPRUCHS Bundeskriminalamt Postfach 1820 Am 21. März 1980 teilte der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium gegen- 62oo Wiesbaden über der Presse mit, daß ab sofort Bundesbürger vom Bundeskriminalamt Auskunft - kostenlo - da- Bei einem Auskunftsersuchen an Behörden der rüber verlangen können, welche Informationen über Polizei sollte auf diese Einräumung des Aus- in den Dateien des BKAs gesammelt sind. Grund- sie kunftsanspruch hingewiesen werden. lagen hierfür sind die im "Zweiten Bericht über Dateien im BerOich des Bundeskriminalamtes" for- Bei Auskunftsersuchen an andere Behörden der mulierten Richtlinien und Grundsätze (Referieren- öffentlichen Verwaltung sowie private Institu- der Bericht abgedruckt in der Frankfurter Rund- tionen können folgende von der Humanistischen schau vom 27.3.80, Dokumentationsseite). Union entworfenen Musterbrief benützt werden: Das Auskunftsersuchen sei zu richten an:

Für Anfragen bei Behörden und anderen Für Anfragen bei nicht öffentlichen Stellen öffentlichen Stellen Musterbrei B

Musterbrief Al Betr.: Auskunft nach Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) Betr.: Antrag auf Information über die Art gespeicherter Daten Hiermit bitte ich unter Hinweis auf § 26 bzw. § 34 BDSG um Auskunft über Hiermit bitte ich Sie, mir eine Übersicht über die Art der bei Ihnen 1. die auf mich bezogenen ID.tteSpee,,hveren1 Daten in Ihren gespeicherten personenbezogenen Daten zu übersenden. Ich Datensammlungen, beabsichtige, eventuell anschließend einen Auskunftsantrag nach 2. die Personen und Stellen, an die Sie regelmäßig Daten Datenschutzgesetz zu stellen, zu dessen Eingrenzung mir Ihre über mich übermitteln. Übersicht dienen kann. Sollten Sie von der Ihnen im BDSG eingeräumten Möglichkeit, mir Auskunftskosten in Rechnung Musterbrief A2 zu stellen. Gebrauch machen wollen, so teilen Sie mir bitte zunächst mit, welche Datenarten Sie über mich Betr.: Antrag auf Auskunft nach Datenschutzgesetz gespeichert haben, damit ich meinen Auskunftswunsch eventuell Hiermit bitte ich unter Hinweis auf Ihre Auskunftsverpflichtung nach weiter eingrenzen kann, und wie hoch die Kosten für mich sein dem (Bundes/Landes-) Datenschutzgesetz um Bekanntgabe der werden. . die Sie über mich gespeichert haben.

Vorentwurf Worte "die dazu ermächtigten Beamten des Polizei- eines Gesetzes zum Verhältnis von Staats- dienstes (8 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes)" anwaltschaft und Polizei Stand: 17.November 1978 ersetzt. 6. In 5 11 1 e Abs. I Satz 2 werden die Worte Artikel 1 "die Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft (8 152 Änderung der Strafprozeßordnung des Gerichtsverfassungsgesetzes)" durch die Die Strafprozeßordnung wird wie folgt geändert: Worte "die dazu ermächtigten Beamten des Polizei- I. In i 81 a Abs. 2 und 5 81 c Abs. 5 werden die dienstes (5 152 des Hilfsbeamten (5 152 des Gerichts- Gerichtsverfassungsgesetzes)" Worte "ihren ersetzt. verfassungsgesetzes)" jeweils durch die Worte "den dazu ermächtigten Beamten des Polizei- 7. In 5 1 1 1 f Abs. 1 Satz 1 werden die Worte "deren dienstes (1 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes)" Hilfsbeamten" durch die Worte "den dazu ermäch- ersetzt. tigten Beamten des Polizeidienstes (f 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes)" ersetzt. 2. i 98 wird wie folgt geändert: a) In Absatz 1 Satz 1 werden die Worte "ihre 8. 5 111 1 wird wie folgt geändert: Hilfsbeamten (1 152 des Gerichtsverfassungs- a) In Absatz 2 Satz 2 werden die Worte "Ihren gesetzes)" durch die Worte "die dazu er- Hilfsbeamten (5 152 des Gerichtsverfassungs- mächtigten Beamten des Polizeidienstes (5 152 gesetzes)" durch die Worte "Den dazu ermäch- des Gerichtsverfassungsgesetzes)" ersetzt. tigten Beamten des Polizeidienstes (8 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes)" b) In Absatz 3 werden die Worte "ihre Hilfsbeam- ersetzt. ten" durch die Worte "dazu ermächtigten Beam- b) In Absatz 6 Satz 1 und 2 werden jeweils die ten des Polizeidienstes" ersetzt. Worte "ihrer Hilfsbeamten" durch die Worte "der dazu ermächtigten Beamten des Polizei- 3. 1 loo'b Abs. 3 erhält folgende Fassung: dienstes" ersetzt. "(3) Auf Grund der Anordnung hat die Deutsche Bundespost dem Richter, der Staatsanwaltschaft 9. In 5 132 Abs. 2 werden die Worte "ihre Hilfe- und den dazu ermächtigten Beamten des Polizei- beamten (5 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes)" dienstes (1 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) durch die Worte "die dazu ermächtigten Beamten das Abhören des Fernsprechverkehrs und das Mit- des Polizeidienstes (5 152 des Gerichtsverfas- lesen des Fernschreibverkehrs zu ermöglichen. Den sungsgesetzes)" ersetzt. Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft (5 152 a •lo. 5 161 erhält folgende Fassung: des Gerichtsverfassungsgesetzes) darf dies nicht "5 161 gestattet werden." (1) Die Staatsanwaltschaft kann zur Erforschung 4. In 1 lo5 Abs. 1 Satz 1 werden die Worte "ihre 'des Sachverhalts von allen öffentlichen Behör- Hilfsbeamten (i 152 des Gerichtsverfassungsge- den Auskunft verlangen und Ermittlungen jeder setzes") durch die Worte "die dazu ermächtigten Art entweder selbst vornehmen oder durch die Beamten des Polizeidienstes (i 152 des Gerichts- Polizei vornehmen lassen. Sie kann Art und Umfang verfassungsgesetzes)" ersetzt. der Ermittlungen durch die Polizei sowie Art und Weise ihrer Durchführung bestimmen. 5. In 1 III Abs. 2 werden die Worte "ihre Hilfsbeamten (8 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes)" durch die 54

(2) Die Staatsanwaltschaft richtet ihre Ersuchen Bei der Erfüllung der Aufgaben, welche der Staats- an die zuständige Polizeibehörde. Bei Gefahr im anwaltschaft auf dem Gebiet der Strafrechtspflege Verzug kann sie einen Beamten dieser Behörde außerhalb der Strafverfolgung durch Gesetz über- unmittelbar beauftragen. Entsprechendes gilt, tragen sind, hat die Polizei entsprechenden Er- wenn ein Beamter mit der Sache befaßt ist. Die suchen der Staatsanwaltschaft zu genügen." Polizei ist verpflichtet, den Anordnungen der Artikel 3 Staatsanwaltschaft zu genügen." Änderung sonstiger Vorschriften • 11. 4 163 erhält folgende Fassung: I. Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten in der "S 163 Fassung der Bekanntmachung vom 2.Januar 1975 Sobald die Polizei von dem Verdacht einer Straftat (BGBl. I S. 8o, 25o), zuletzt geändert durch Kenntnis erhält, hat sie den Sachverhalt von sich Artikel 4 des Gesetzes vom 5. Oktober 1978 aus zu erforschen. Sie bestimmt Art und Umfang (BGBl. I S. 1645), wird wie folgt geändert: der Ermittlungen sowie Art und Weise ihrer Durch- a) 4 53 Abs. 2 erhält folgende Fassung: führung, solange und soweit die Staatsanwaltschaft "(2) Die Angehörigen der in i 152 des Gerichts- keine Anordnungen trifft. 5 16o Abs. 2 und 3 verfassungsgesetzes bezeichneten Beamten- Satz 1 gilt entsprechend. In Sachen von besonderer gruppen der Polizei können nach den für sie Bedeutung unterrichtet die Polizei unverzüglich die geltenden Vorschriften der Strafprozeßordnung Staatsanwaltschaft." Beschlagnahmen, Durchsuchungen, Untersuchungen und sonstige Maßnahmen anordnen." IM 12. Nach 5 163 wird folgender 5 163 a eingefügt: ".4 163 a b) 5 63 Ans. 1 Satz 2 erhält folgende Fassung: (1) Die Polizei übersendet ihre Vorgänge unmittel- "Die sonst zuständige Verwaltungsbehörde kann bar nach Abschluß der Ermittlungen der Staatsan- Beschlagnahmen, Notveräußerungen, Durchsuchun- waltschaft. Schon vorher übersendet sie die Vor- gen und Untersuchungen nach den für die Ange- gänge, wenn hörigen der in 5 152 des Gerichtsverfassungs- a) die Staatsanwaltschaft dies verlangt, gesetzes bezeichneten Beamtengruppen der Po- b) die Ermittlungen besonderen Umfang annehmen lizei geltenden Vorschriften der Strafprozeß- oder sich rechtlich oder tatsächlich schwierig ordnung anordnen." gestalten oder 2. i 8 Abs. 1 des Gesetzes über die Einrichtung egiv c) seit dem Zeitpunkt, zu dem die Polizei von dem eines Bundeskriminalpolizeiamtes (Bundeskrimi- Verdacht einer Straftat Kenntnis erhalten hat, nalamtes) in der Fassung der Bekanntmachung vom zehn Wochen vergangen sind, ohne daß die Vor- 29.Juni 1973 (BGBl. I S. 7o4), zuletzt geändert gänge der Staatsanwaltschaft vorgelegen haben. durch Gesetz vom 9.Dezember 1974 (BGBl. I (2) Die Polizei übersendet der Staatsanwaltschaft S. 3393), wird wie folgt geändert: ihre Vorgänge ferner, wenn die Vornahme einer a) Satz 1 erhält folgende Fassung: richterlichen oder staatsanwaltschaftlichen Unter- "Vollzugsbeamte des Bundes und der Länder können suchungshandlung erforderlich ist. Erscheint die in den Fällen des i 5 Abs. 2 und 3 und des 5 7 schleunige Vornahme einer richterlichen Unter- Abs. 1 im Geltungsbereich dieses Gesetzes Amts- suchungshandlung erforderlich, so kann sie die handlungen vornehmen." Vorgänge unmittelbar an das Amtsgericht über- senden. Die Staatsanwaltschaft ist hiervon zu b) Nach Satz 1 wird folgender Satz 2 eingefügt: unterrichten." "Ihnen stehen insoweit Befugnisse der Angehöri- gen der in 5 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes 13. Die bisherigen 55 163 a bis 163 c werden 55 bezeichneten Beamtengruppen der Polizei zu; sie 163 b bis 163 d; sie werden wie folgt geändert: sind - soweit es sich nicht um Vollzugsbeamte a) In 5 163 c Abs. 1 Satz 1 2.Halbsatz wird des Bundeskriminalamtes oder des Polizeidienstes die Verweisung "5 163 a Abs. 4 Satz 1" durch der Länder handelt - Hilfsbeamte der zuständigen die Verweisung "5 163 b Abs. 4 Satz 1" er- Staatsanwaltschaft." setzt. c) Die bisherigen Sätze 2 und 3 werden Sätze b) In f 163 d wird in Absatz 1 Satz 1 die Ver- 3 und 4. weisung "5 163 b" durch die Verweisung "f 163 c" und in Absatz 4 die Verweisung "5 163 b Abs. 2" durch die Verweisung "§ 163 c Abs. 2" ersetzt.

Artikel 2 Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes Das Gerichtsverfassungsgesetz wird wie folgt geändert: 1. s 152 erhält folgende Fassung: "i 152 Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung diejenigen Beamtengruppen der Polizei zu bezeichnen, deren Angehörige zur Aus- übung der in der Strafprozeßordnung bestimmten besonderen Befugnisse ermächtigt sind." 11 2. 5 152 wird 5 152 a; sein Absatz 1 erhält folgende Fassung: "(1) Die Staatsanwaltschaft kann sich zur Erfül- lung ihrer Aufgaben auf dem Gebiet der Strafver- folgung der Unterstützung weiterer Beamter und anderer Angehöriger des öffentlichen Dienstes be- dienen (Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft). Die Hilfsbeamten sind in dieser Eigenschaft ver- pflichtet, den Anordnungen der Staatsanwaltschaft ihres Bezirks und der dieser vorgesetzten Beamten Folge zu leisten. Sie haben, soweit nichts anderes bestimmt ist, die Befugnisse, die den Angehörigen der in f 152 bezeichneten Beamtengruppe der Poli- zei zustehen." 3. Nach 5 152 a wird folgender 5 152 b eingefügt: "i 152 b 55

3. i 399 Abe. 2 Satz 2 der Abgabenordnung vom 16.März 1976 (BGBl. I S. 613), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 5. Oktober 1978 (BGBl. I S. 1645), erhält folgende Fassung: "Sie können Beschlagnahmen, Notveräußerungen, Durchsuchungen, Untersuchungen und sonstige Maßnahmen nach den für die Angehörigen der in 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeich- neten.Beamtengruppen der Polizei geltenden Vorschriften der Strafprozeßordnung anordnen." 4. i 33 Abe. 4 1. Halbsatz des Gesetzes zur Durch- führung der gemeinsamen Marktorganisationen vom 31.August 1972 (BGBl. I S. 1617), zuletzt geän- dert durch Artikel 8o des Gesetzes vom 14.Dezemr ber 1976 (BGBl. I S. 3341), erhält folgende Fassung: "In diesen Fällen können die Hauptzollämter und Zollfahndungsämter sowie deren Beamte in Buß- geldverfahren Beschlagnahmen, Durchsuchungen und Untersuchungen nach den für die Angehöri- gen der in i 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Beamtengruppen der Polizei gelten- den Vorschriften der Strafprozeßordnung vor- nehmen;" 5. i lo des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechte am Festlandsockel vom 24.Juli 1964 (BGBl. I S. 497), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2.September 1974 (BGBl. I S.2149),erhält folgende Fassung:

lo Im Bereich des deutschen Festlandsockels haben die in i 4 Abs. 1 bezeichneten Vollzugsbeamten des Bundes strafbare Handlungen nach i 7 zu er- forschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten; den Beamten stehen die Rechte und Pflichten der Polizeibeamten nach den Vor- schriften der Strafprozeßordnung zu; sie haben die Befugnisse der Angehörigen der in i 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Beamtengruppen der Polizei; sie sind - soweit es sich nicht um Vollzugsbeamte des Bundeskriminal- amtes handelt - Hilfsbeamte der Staatsanwalt- schaft." Artikel 4 Uberleitungsvorschriften Artikel 5 Berlin-Klausel 4 0 Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des i 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes auch im Lande Berlin. Artikel 6 Inkrafttreten (1) Dieses Gesetz tritt am in Kraft, soweit Absatz 2 nichts anderes bestimmt. (2) Die Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverord- nungen in Artikel 2 Nr. 1 tritt am Tage nach der Verkündung dieses Gesetzes in Kraft. DEVIANCE et SOCIETE

COMITE DE REDACTION Etude du contröle de la döviance dans la socelli J. BERNHEIM UnivertitE de Genive M. COLIN Universla Claude-Bernard de Lyon C. DEBUYST Universla Catholique de Louvain Ont dejä paru : C. FAUGERON Service d'Etudes hinales et Criminologiques — des 6tudes sur la criminalitd d'affaires et sa r6pres- (E.R.A. • CIV.R.S.), Paris sion, la signification des statistiques et leurs condi- L HULSMAN tions d'emploi, le langage de la justice, la prison, Erasmus Universiteit te Rotterdam G. KELLENS son histoire et son regirne actuel, les criminologies Universla de Lüge posterieures ä 1970, la violence et le discours qu'on P. LASCOUMES tient sur eile, la justice et l'opinion, le travail social, Service d'Etudes Pbtales et Criminologiques les boutiques de droit, etc. (E.R.A. - C.N.R.S.), Paris entre tenants de positions oppos6es sur L VAN OUTRIVE — des debats Kotholfehe Universiteit te Leuven un problerne d'actualite : justice et psychiatrie, Ch. N. ROBERT presse et criminalite, protection de la Jeunesse, etc. Unhtersith de Genive, Directeur scientifique — des syntheses bibliographiques sur des themes tou- Ft. ROBERT chant ä la deviance : administration de la justice, Universith de Bordeaux I et Paris 2 etc. Service d'Etudes hinales police, reprdsentations de la justice, et Criminologiques (E.R.A. • C.N.R.S), Paris R. ROTH Ureersüd de Genive F. BRICOLA Universitä di Bologna Membre correspondant P. LANDREVILLE Uniwer:1th de Mondial Membre correspondant A. NORMANDEAU ddltIons mitdadas et hyglöns genörs Uniwer:1th de Montrial Membre correspondant 78, avenue de la Roseraie Case 229, CH 1211 Geneve 4 Parlamentarisches Ihro • Hirsch Ritual und Hitschalt • Nur politische Negt • Otte Roth U.S. Alternativen Campus KERN ENERGIE POLITIK Ar

Herbert Kitschelt Parlamentarisches Ritual und Kernenergiepolitik politische Alternativen Arena eines gesellschaftlichen herausgegeben von Roland Roth, Konflikts mit Beiträgen von Andreas Buro, Vorwort von Claus Offe Carlo Donolo, Andre Gorz, Joachim 1980. 388 S., DM 34,- Hirsch, Herbert Kitschelt, Brice La- Diese erste gesellschaftspolitische londe, Claus Leggewie, Margit Analyse sowohl der „offiziellen" Mayer, Lutz Mez, Wolf Dieter Narr, Atom-Politik als auch der Antikern- Oskar Negt, Claus Offe, Birger 011- kraftbewegurIg ist wegweisend für rogge und Roland Roth. die Erforschung eines Politikbe- 1980. 232 S., DM 15,-. reichs, der sich nicht mehr mit tradi- Denkanstöße für die politische Dis- tionellen Konzepten des Klassen- kussion. kampfs begreifen läßt. Die Linke und die Wahlen - Schmidt oder Strauß: gehupft wie gesprun- gen? - Ökologiebewegung und ihr parlamentarischer Arm - Bürgerini- tiativen und/oder Parteien - Alter- Campus Verlag nativbewegung als politische Alter- Schumannstraße 65 native - Auf der Suche nach neuen 6000 Frankfurt/M. Politikformen.