Z 8398 C Informationsdienst der Christlich Demokratischen Union Deutschlands Union in Deutschland Bonn, den 5. September 1974

• FALL WIENAND Stabilitätspolitik Die SPD versucht, gegenüber der Bevölkerung, aus der SPD- gemeinsames Ziel Affäre einen Bagatellfall des Privatmannes Karl Wienand Für die CDU stehen unverändert zwei zu machen, mit dem sie nichts Wrtschaftspolitische Ziele im Vordergrund: zu tun hat Seite 5 die Wiedergewinnung der Geldwertstabilität • REGIERUNG Und die Sicherung der Arbeitsplätze. Bundeskanzler Schmidt operiert deshalb ist sie bereit, den Stabilitätskurs ohne Rückhalt der Partei. der Bundesregierung zu unterstützen. Die Unsere Dokumentation beweist, Regierung muß aber zuvor die gesellschafts- daß es keinen wesentlichen Programmpunkt seiner politischen Prioritäten eindeutig festlegen Regierungserklärung gibt, der Und nach einem langfristigen Konzept in der SPD unumstritten ist handeln. Dies fordert in einer Erklärung oder bei den Jusos eine *ur wirtschaftlichen Lage der Vorsitzende Stütze findet der CDU, . Dokumentation Wenn heute wachsende Arbeitslosigkeit als • VERFASSUNG F olge von Anti-Inflationspolitik auftritt, dann Das Bundesverfassungsgericht lst das keineswegs eine Folge der sozialen hat in Sachen Bundesrat ein Urteil gefällt. Die Konsequen- Marktwirtschaft, sondern der falschen Politik zen für die Staatspraxis der Bundesregierung unter Brandt/Schmidt, erläuterte der Bundesbevoll- die die Entwicklung ständig verharmlost und mächtigte des Landes Rhein- *u lange hat tatenlos treiben lassen. Das Ab- land-Pfalz, Prof. Roman Herzog stoppen des Inflationsprozesses wird Opfer Seite 11 hosten. Die CDU wird es aber nicht zulassen, daß allein die Macht der Interessen darüber entscheidet, wer diese Opfer zu tragen hat. • 544-1 ^'e unsoziale Umverteilung von Eigentum Die Bundesgeschäftsstefle u der CDU in Bonn, Konrad- nd Vermögen zu Lasten der wirtschaftlich Adenauer-Haus, hat mit Schwächeren Bürger muß verhindert werden, Wirkung vom 3. September ^er Kampf dagegen kann aber nur gewon- eine neue Ruf-Nr. erhalten. nen werden, wenn sich in unserem Volk ein Die alte Telefonnummer 20 21 wurde durch die neue 5 44-1 neues Gefühl der Mitverantwortung und So- ersetzt. ''darität durchsetzt. UiD 36/74 • Seite 2

werten als die zahlreichen Probleme, INFORMATIONEN die ein Überziehungskredit von diesem Ausmaß mit sich bringe. Wohlrabe verweist in diesem Zusam- „Richtige Entscheidung" menhang darauf, daß der der DDR ein- Das CDU-Präsidium hat den Zwei-Mil- geräumte zinslose Kredit zur Zeit liarden-Dollar-Kredit (etwa 5,2 Milliar- 660 Millionen DM betrage und 1975 be- den Mark) der Bundesregierung an Ita- reits 700 Millionen DM überschreiten lien als eine „richtige Entscheidung" be- werde. Die Subventionen in Form nicht grüßt. Der außenpolitische Sprecher des erhobener Zinsen erreichen damit jähr- CDU-Präsidiums, Leisler Kiep, betonte, lich etwa 50 Millionen DM. die Bundesregierung sei mit ihrer Ent- scheidung der langjährigen Forderung Einseitig und linksorientiert der CDU/CSU nachgekommen, daß die Die Personalpolitik der Freien Univer- Westpolitik auch in der Wirtschaftspoli- sität ist einseitig und linksorientiert. Das tik Vorrang vor der Ostpolitik haben hatte der Kunstwissenschaftler Profes- müsse. Leisler Kiep forderte gleichzei- sor Otto von Simson in einem Zeitungs- tig Italien auf, in Zukunft von „gemein- interview behauptet. Gegen diese Dar- schaftswidrigen Entscheidungen" wie stellung beantragte die Freie Universität Importbeschränkungen abzusehen und eine einstweilige Verfügung auf Unter- die europäische Integration mit voran- lassung. Sie wurde am 20. Mai 1974 vom zutreiben. Wirtschaftliche Hilfsaktionen Berliner Landgericht abgelehnt. Im Be- der Bundesregierung seien nur dann rufungsverfahren bestätigte das Berliner sinnvoll, wenn sie den europäischen Kammergericht am 8. August 1974 (Az 9 Einigungsprozeß stützten und beschleu- U 1488/74) als letzte Instanz die Ableh- nigten. nung des Landgerichts. In den Gründen führt das Kammergericht u. a. aus: ,,AUS Kredite an DDR dem Vorbringen der Antragstellerin nur bei Vertragstreue (Anm. der Red. Freie Universität) ist da- her zu entnehmen, daß sich der für die Unter der Voraussetzung der „buchsta- Personalentscheidungen vielfach maß- bengetreuen Erfüllung" des Berliner Ab- gebende Universitätskanzler Borrmann kommens und des Transitabkommens in besonderem Maße für die Einstellung durch die DDR befürwortet die Union Linksradikaler und Linker im weiteren nach den Worten des Berliner Bundes- Sinne in den Dienst der Antragstellerin tagsabgeordneten und stellvertretenden einsetzt." Landesvorsitzenden der CDU in Berlin, Jürgen Wohlrabe, eine Verlängerung des Swingabkommens mit der DDR Was dem einen recht ist... über 1975 hinaus. Die Erleichterungen Der Berliner CDU-Bundestagsabgeord- und Verbesserungen in der Lebenssitua- nete Gerhard Kunz verlangte von der tion der Menschen in der DDR — wie Bundesregierung, in Ost-Berlin auf Qe' sie ohne Zweifel durch den intensiven rechtere Verfahren bei Fluchthelferpro' innerdeutschen Handel geschaffen wür- zessen zu drängen und den betroffenen den — seien in jedem Fall höher zu be- Bundesbürgern Rechtsbeistand zu Q0' UiD 36/74 • Seite 3

Fähren. Das Recht dazu ergebe sich aus dem Protokoll über die Errichtung der STICHWORTE Ständigen Vertretungen, wo es unter punkt 5 heißt: „Die Ständigen Vertretun- 9en haben unter anderem die Aufgabe, Mehr Objektivität die Interessen des Entsenderstaates im bei der Wertung der Politik der ver- Gastlande zu vertreten einschließlich schiedenen Parteien verlangt Helmut Nilfe und Beistand für Personen." Kunz Kohl von den Gewerkschaften. Sie Erwies darauf, daß der DDR-Anwalt seien zwar ein unverzichtbarer Bestand- Kaul immer wieder bei Gerichtsverfah- teil der freien Gesellschaft, brächten ren im Bundesgebiet als Verteidiger sich aber um ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie bei den Parteien verschiedene °der Nebenkläger auftritt. Maßstäbe anlegten.

Bürgermeister der CDU beigetreten Reformmüde sind nach einer neuesten INFAS-Umfrage Staatsbeauftragter Bürgermeister von 54 Prozent der Bundesbürger. Für G'adenbach (Kreis Marburg-Bieden- grundlegende Reformen sind nur noch k°pf), Karl Wahlschmidt, ist in die CDU 23 Prozent der Befragten. angetreten. Nach 23jähriger kommunal- Politischer Tätigkeit als parteiloser Bür- 9ermeister halte er es nun für zweck- Überraschend versetzt mäßig, die Neutralität aufzugeben und in eine andere Abteilung wurde der lri einer Partei an der Lösung der anste- bisher für die Staatsschutzabteilung ^nden schwierigen Probleme mitzu- der Bundesanwaltschaft verantwortliche reiten, erklärte Waldschmidt, der Bundesanwalt Heinz Schmatloch. Seine 6' Jahre alt ist. Abteilung bearbeitete u. a. auch den Fall Guillaume. Leiter Mitgliederzuwachs

e P r starke Mitgliederzuwachs des CDU- Ehemalige DDR-Bürger Landesverbandes Oldenburg hält weiter wurden an der innerdeutschen Grenze ar >. Nachdem erst vor kurzer Zeit das in Wartha von Grenzbeamten der DDR '0000. Mitglied begrüßt wurde, verzeich- zurückgeschickt. Die fünf Bundesbürger net der CDU-Landesverband Oldenburg wollten zur Leipziger Herbstmesse fahren. niJnmehr 11 176 Mitglieder und hat somit Ihnen war von den DDR-Beamten lediglich ^ehr Mitglieder wie die CDU-Landes- mitgeteilt worden, sie seien „in der DDR unerwünscht". erbände Braunschweig, Bremen oder Berlin. Be' den Neuzugängen fällt das zuneh- Das Sportprogramm der CDU mende interesse der Frauen und der hat das Präsidium auf seiner jüngsten JlJngen Mitbürger an der CDU auf. Ca. Sitzung in Bonn nach eingehender ^°/o der Neuzugänge sind Frauen. Diskussion zur endgültigen Beschluß- • % der neu eingetretenen Mitglieder fassung an den Bundesvorstand s'nd jünger als 33 Jahre. der CDU überwiesen. UiD 36/74 • Seite 4

des Deutschs diesseits und jenseits der DDR Trennungslinie langsam mit verschiede- nen Inhalten zu füllen beginnen. Dennoch: In eine gemeinsame Sprache lassen sich Keile am schwersten trei- Der SED ist ein ben. Einfacheres Spiel glaubt die DDP eigener Staat mit der Geschichte zu haben. Seit Jahren ist sie deshalb dabei, die nicht mehr genug deutsche Geschichte in eine DDR-Ge- schichte umzuschreiben, und sie stört Wer geglaubt hat, die DDR werde es dabei nicht, daß der unbefangene sich mit der Anerkennung ihrer Betrachter die deutsche Vergangenheit Staatlichkeit zufriedengeben, sieht in diesem Geschichtsbild kaum noch sich getäuscht. Nachdem ihr der wiederzuerkennen vermag. Grundvertrag den Zugang zu den Neuen Datums ist die Schaffung einer Vereinten Nationen und damit zur DDR-Kultur, wobei sich die SED keines- Welt eröffnet hat, beginnt die wegs mit den kulturellen Errungen- nächste Runde. Ein eigener Staat schaften der letzten 25 Jahre begnügt- ist der SED nicht mehr genug. Ihr Aus ihrer Sicht gehört alles zur DDR- nächstes Ziel ist die Schaffung und Kultur, was zu irgendeinem Zeitpunkt Propagierung einer eigenständigen auf dem Boden zwischen Werra und „DDR-Nation", erklärte der CDU- Oder-Neiße entstanden ist. Generalsekretär Prof. Kurt. H. Bie- Entsprechend dieser Auslegung hat die denkopf. SED jetzt den 225. Geburtstag Goethes zum Anlaß genommen, um sein Werk, Die SED-Regierung weiß natürlich, das zu einem beachtlichen Teil in Wei' daß die Eigenständigkeit einer Na- mar entstanden ist, ausschließlich fur tion viel schwieriger zu begründen ist sich in Anspruch zu nehmen. Der DDB' als ein eigener Staat. Die gemeinsame Nachrichtendienst erklärte das WerK deutsche Sprache, Geschichte, Kultur, Goethes zum „nationalen Erbe der Lebensanschauung und Tradition er- DDR", und gleichzeitig sprach uns die weisen sich für den Zusammenhalt der ostdeutsche Presse das Recht ab, da5 deutschen Nation als tragfähiger und Werk Goethes zu pflegen und zu ver- solider, als es der Sozialistischen Ein- walten. heitspartei recht sein kann. Aber die Wir wären gut beraten, wenn wir sol- SED weiß auch, daß der stete Tropfen che Bestrebungen, so grotesk sie den Stein höhlt. manchmal auch anmuten mögen, erns* Schon sprechen die östlichen Funktio- nähmen. Mit Sorge muß es uns deshalb näre von der „sozialistischen Nation der erfüllen, mit welcher Nachlässigkeit und DDR", einer „Nation", in der das Wort Leichtfertigkeit mit unserer Sprache, „deutsch" keinen Platz mehr hat. Sol- Geschichte und Kultur häufig in der Öf- che verbalen Maßnahmen sind jedoch fentlichkeit, namentlich aber in unse- nicht alles. Die Keile der Spaltung wer- ren Schulen, umgegangen wird. den an mehreren Stellen gleichzeitig Gerade im Hinblick auf unsere natio- angesetzt. nale Einheit müssen wir heute mehr Vor wenigen Wochen stellten Fachleute denn je für die Erhaltung und Verant- der deutschen Sprache auf ihrer Jah- wortung dieser gemeinsamen Güter ein' restagung fest, daß sich die Begriffe treten. UiD 36/74 • Seite 5

THEMA DER WOCHE Wienands Fall — oder die verlorene Ehre der SPD s ©it Jahren nun schon wird die Karl Wienand, so streuen sozialdemo- putsche Öffentlichkeit von Affären kratische Öffentlichkeitsarbeiter ver- beunruhigt, in die führende SPD- nebelnden Sand in Bürgeraugen, sei p olitiker verstrickt sind. Soll dies Urheber seines eigenen Falls, Karl Wie- So weitergehen? In diesen Tagen nand sei keinesfalls ein Fall SPD. Wie beherrschen wieder einmal aber hat denn Wienand gehandelt oder Wienand und Wehner die Schlag- aus welcher Position heraus? War es zeilen. Doch statt diese neue der Privatmann Wienand, der für die JJ/färe restlos aufzuklären, macht Gesellschaft Paninternational interes- aie SPD erneut Ausflüchte, versucht sant wurde oder aber Wienand als Sie zu verharmlosen und zu ver- Fraktionsgeschäftsführer der SPD? Ist aschen. Die CDU/CSU wird dies es der Privatmann Wienand gewesen, l'cht zulassen. Denn schlimmer der tief in die Affäre Steiner verstrickt [toch als Korruption ist die Ver- wurde oder aber der Tausendsassa der wertung von Korruption. SPD-Fraktion, der treue Vasall seiner Partei? War es der Privatmann Wienand, Man sollte es kaum für möglich hal- der geholfen haben soll, Steuerschulden ten: Ein Mann, der jahrelang an zu drücken? War es der Privatmann ar 9 iz entscheidener Stelle für die So- Wienand, an dessen Adresse sich eine ^'aldemokraten tätig war, ein Mann, der sechsstellige Großherzigkeit gerichtet edingungslos hinter den Kulissen haben soll, oder aber Wehners rechte ^Jr die Ziele seiner Partei stritt, ein Hand, der erst durch Amt und Einfluß Mann, der für die SPD-Abgeordneten „segensreich" wirken konnte? ^ Bundestag als „Nothelfer" galt, als Dieses Bemühen, aus dem Amts- und ^nermüdlicher Lenker des Fraktionsge- c Mandatsträger Wienand einen partei- häfts, dessen Ehrgeiz die Partei, des- politischen Saubermann zu machen, in ^en Haltung beinahe Nibelungentreue u dem schwerwiegende Beschuldigungen s war, — dieser Mann über den Namen Wienand verbürgerlicht 011 nun als bloßer Bürger mit einem werden, spricht wohl der tatsächlichen pwissen Recht auf menschliche Ver- Entwicklung Hohn. So einfältig, wie die klungen dem bundesrepublikanischen u, SPD ihre Bürger einschätzt, scheinen ri ger „verkauft" werden. Karl Wie- sie doch nicht zu sein. Wienand war Po- n 6f| d, in der Paninternational-Affäre litiker und als solcher maßgeblicher Teil e nso der Lüge verdächtigt wie vor der agierenden SPD und erst in zweiter err v i Steiner-Untersuchungsausschuß, ist Linie Privatmann, als der er Steuern für n ^° seiner Partei fallengelassen wor- einen sechsstelligen Betrag unterschla- gen haben soll. Steuern zu unterschla- UiD 36/74 • Seite 6

gen, das ist in der Tat Privatsache, das Der Untersuchungsausschuß forderte wäre auch das einzig Private an der entsprechende Unterlagen an. „Wienand ganzen Affäre Karl Wienand. zögerte die Übergabe von Dokumenten • Karl Wienand soll 162 500 Mark an hinaus" (Spiegel). Am Ende „lehnte der Eeraterhonoraren für die Bruchfirma SPD-Mann ab: Er wolle den Vorwurf, Be- Paninternational eingesteckt und zum ratergeld kassiert zu haben, ,lieber vor Teil nicht versteuert haben. ordentlichen Gerichten klären lassen'". 0 Karl Wienand soll 500 000 Mark ein- so „Spiegel". gesteckt haben, die ursprünglich für die SPD-Parteikasse bestimmt waren. „Karl Wienand ist am Ende" O Karl Wienand soll auch für diesen „Nach dreijährigem Taktieren, Lavieren Betrag keine Steuern bezahlt haben. und Manipulieren hat der wendige Pai" 9 Karl Wienand soll den ehemaligen lamentarier so gut wie keine Chance CDU-Abgeordneten Steiner mit einem mehr: Karl Wienand ist am Ende", stell' Betrag von 50 000 Mark bestochen ha- te der „Spiegel" fest, und er fährt fort: ben, um gegen den damaligen Frak- „Und mit seinem eifrigen Gehilfen und tionsvorsitzenden der CDU und für ergebenen Vertrauten, hält er Wort, muß Kanzler in der Abstimmung auch Herbert Wehner fallen." Denn über das konstruktive Mißtrauensvotum Wehner hatte ausdrücklich versichert zu wählen. und ins Protokoll einer Parteivorstands' Sitzung diktiert: „Ich verbinde mein ... normaler Vorgang Schicksal mit dem von Karl Wienand." Karl Wienand baute vor dem Untersu- Doch in jüngster Zeit scheint Wehnei" chungsausschuß der Panintemational- von seinem Bekenntnis nichts mehr wiS' alfäre gegen Ende der vergangenen Le- sen zu wollen. Vorsichtig entband ef gislaturperiode seine Verteidigungs- sich in einem Interview in „Monitor" von linien. Dazu der „Spiegel": „Wienand der unabdingbaren Verstrickung von fand an seinen Interventionen (Vermei- Schicksalen und deutete an, daß zwar dung des Lizenzentzugs wegen techni- sein Amt gegen ein entsprechendes Vo- scher Mängel) nichts ehrenrühriges und tum zu jeder Zeit zur Verfügung stehe' deklarierte seinen Panintereinsatz vor er aber nicht daran denke, von sich aUs dem Untersuchungsausschuß als einen zurückzutreten. absolut normalen Vorgang." Taktisch scheint er im Wissen um seine Weitere Merkwürdigkeit: Im Frühjahr alte Stärke nicht falsch zu liegen. Denn 1972 hatten „Stern" und „Spiegel" her- ein Spitzengenosse zum Fall Wehne^ ausgefunden, daß... bei Paninter sieben „Keiner wird ihn stürzen, aber aHe Schecks über insgesamt 162 000 Mark reden, bis er von selber geht." Doch je' als „Honorare" und „Beratungskosten" ner Mann, der mögliche Lügen seine5 zugunsten des SPD-Mannes verbucht s Fraktionsgeschäftsführers offenbar wi ' wurden. Wienand dazu: „Er habe kein sentlich deckte, denkt gar nicht dara^ Beraterhonorar genommen. Es handele von selber seinen Hut zu nehmen. sich vielmehr um die Rückzahlung eines e privaten Darlehens, das er ehedem # Die SPD und der Fall Guillaum ' Trommer (Paninter-Geschäftsführer) H die SPD und das Scheitern ihres inS ohne Quittung gegeben habe." Zwielicht geratenen Bundeskanzlers; UiD 36/74 • Seite 7 Wehner „hat das Seil zu Wienand gekappt"

• die SPD und der Fall Julius Steiner; halten. Wehner hat mit offenem Messer- • die SPD und Guillaume-Dienstherr hieb das Seil gekappt, daß ihn mit thmke; Wienand verband", schreibt die „Frank- • die SPD und ihr skandalumwitterter furter Allgemeine" am 31. August. F raktionsgeschäftsführer; Was die Bürger von Wehner halten, die- • die SPD und ihr zwielichtiger Frak- ser Frage gingen die Wickert-Institute in t'onschef Herbert Wehner; ihrer Umfrage ebenfalls nach. 78,5 Pro- D'ese SPD mutet es dem Bürger zu zu zent der Bürger halten „nach der Ent- 9'auben, diese Begriffsverbindungen wicklung der Affäre Wienand" Herbert Seien nur übler Schmutz der Opposition Wehner „nicht mehr tragbar für die 9egen eine heile und über allen Zweifel deutsche Politik". Dazu schrieb die Zei- ^habene Partei. Wenn überhaupt ge- tung „Bild am Sonntag": „Undementiert °9en, bestochen oder manipuliert wor- blieb ein Bericht Theo Sommers in der Qen sei, dann sei dies Privatsache und ,Zeit', wonach Herbert Wehner seinen n'cht Angelegenheit der Partei. Schützling Wienand daran hinderte, ~'e Bürger sind mit Recht empört, eben- schon im Juni zurückzutreten. Sommer über die Vorgänge um Wienand/ stellte in diesem Zusammenhang zwei Renner selbst wie auch um das Bemü- Fragen:,Wollte er die Ausbootung Wie- en, die SPD von ihren ureigensten nands stufenweise betreiben — oder ^ffären zu trennen. Sie fühlen sich brüs- hielt er an ihm wegen einer gemeinsa- jj'srt von der Art und Weise, wie die men Leiche im Keller fest. Wenn ja, hieß sie Steiner?' " ^pD Karl Wienand hat fallen lassen. 'e empfinden es als Hohn, wenn sich Die CDU/CSU ist nicht bereit, sich auf a'e SPD von einem Mann trennt, der die Entlassung Wehners aus seinem JJ'ssentlich gelogen haben soll, der parlamentarischen Amt zu beschränken. teuem hinterzogen haben soll, der be- Dafür ist der Schaden zu groß. Die Hal- uchen haben soll, indem sie „gesund- tung der Union in dieser Frage umriß ne'tliche Gründe" in die Welt streut. der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, nd das empfindet der Bürger genau: : 0 hat die SPD, weil dies keine Affäre Nicht aus parteitaktischen Erwägungen, lries Privatmannes ist, genau den Ver- sondern im Interesse unseres Staates ^uensverlust erlitten, den sie selbst und seiner Institutionen und um des ®rdient und verursacht hat. In einer Ansehens unserer parlamentarischen ''^umfrage der Wickert-Institute spra- Demokratie willen, ist es die Aufgabe in viele Bürger von „einem kleinen der CDU/CSU, über Karl Wienand hin- ^atergate". Auch in der Bewertung aus, auf einer restlosen Aufklärung des shners im Zusammenhang mit dem Gesamtzusammenhanges zu bestehen. n*" Wienand macht die Öffentlichkeit Die CDU/CSU wird deshalb auch darauf ^'cht mehr mit. Der Bürger rieb sich die L| drängen, daß der Komplex Steiner/ ^ gen: „Erwartungen, daß Wienand Wienand in die Hände der Staatsanwalt- ehner mitreißen werde, gehen fehl, schaften und der Gerichte gelegt wird. gekehrt ist es richtig: Wehner fühlte sich Schlimmer noch als Korruption ist die nicht mehr stark genug, Wienand zu Vertuschung von Korruption. UiD 36/74 • Seite 8

zelne Bestimmungen der AGB unklaf • VERBRAUCHER oder gar unwirksam sind. • Er verwirft in einer allgemeinen Vorschrift (Generalklausel) AGB, die deren Verwender einen unangemesse- „ Kleingedrucktes" nen Vorteil verschaffen sollen, und stell' darf Bürgerrechte die Unwirksamkeit einer Reihe aus- drücklich aufgeführter Klauseln fest nicht beugen deren Verwendung künftig also stets un- zulässig sein soll. Eine seit 1972 in der Fach- • Er ermöglicht in einfacher Weise kommission Verbraucherschutz eine Erweiterung dieser Verbote, wenn zusammengeschlossene Arbeits- durch Gerichtsentscheidung die UnzU- gemeinschaft der Justizminister lässigkeit einer anderen Klausel fest- und von Bundestagsabgeordneten gestellt worden ist, im Wege der Rechts- der Unionsparteien sowie von verordnung. Vertretern der Rechtspraxis und • Er erstreckt den hiermit angestreb- Rechtswissenschaft hat nach ein- ten Rechtsschutz — in allerdings abgß' jährigen Vorarbeiten Ende Juli wandelter Weise — auch auf Vertrag0 den Entwurf eines Gesetzes über unter Kaufleuten. Allgemeine Geschäftsbedingungen 1 (AGB) fertiggestellt. • Er unterstellt grundsätzlich aud alle staatlich erlassenen oder geneh- migten Geschäftsbedingungen der Die Unionsparteien wollen damit ei- nen Beitrag für eine baldige bun- neuen bürgerfreundlichen Regelung. desgesetzliche Regelung leisten, die • Er sorgt für eine wirksame Beach- erstmals den Rechtsschutz des Bürgers tung der neuen Schutzvorschriften da' vor unbilligen Allgemeinen Geschäfts- durch, daß er Verbraucherverbänd6 bedingungen wirksam verbessern soll, (und Wirtschaftsverbände) ermächtig* ohne dabei das wichtige Allgemeininter- einem Unternehmer die Verwendunö esse an einer rationell arbeitenden verbotener oder sonst unbilliger Kla^' Wirtschaft zu vernachlässigen. Denn sein in AGB im Klageweg durch Qe' bisher muß der Bürger in dem ihm beim richtliches Urteil verbieten zu lasset Vertragsabschluß vielfach einseitig auf- (Unterlassungsklage). gedrängten berüchtigten „Kleingedruck- ^ Er ermächtigt ferner die Verbrat ten" erhebliche Einbußen von Rechten cherverbände, auch für den Bürger, de hinnehmen, die ihm an sich nach dem von unbilligen AGB betroffen ist, m1 Bürgerlichen Gesetzbuch zustünden. dessen Einverständnis seiner Inte1"' Der Entwurf will dieses Reformziel auf essen, insbesondere auch im Proze' folgende Weise erreichen: wahrnehmen zu können. d • Er regelt, was AGB sind, wie sie Der Entwurf folgt in derZielsetzung un Vertragsinhalt werden, daß sie hinter in den beiden zuerst erwähnten Rege^ dem jeweiligen einzelnen Vertrag zu- lungen weithin der bewährten Rech'' rücktreten, wenn sie diesem widerspre- sprechung des Bundesgerichtshofs uh 3 chen, und sieht eine gerechte Entschei- vielfach übereinstimmenden Vorschi ' dung in den Fällen vor, in denen ein- gen im Schrifttum. UiD 36/74 • Seite 9

Mehr noch: Der 32jährige, der der KOALITION Stadtverordneten-Fraktion der SPD in Wiesbaden angehört, und dem die Folgen des groben Vertrauensbruches CDU fordert Diskussion und der Verletzung des Betriebsgeheim- nisses hätten bekannt sein müssen, statt „Buchbesprechung" brüstete sich sogar vor Mitgliedern der Eine klare politische Stellungnahme zu Stadtverordneten-Versammlung mit sei- den „Materialien zur Lage der Nation nem Wissen und erklärte, daß er be- 1974" hat der Vorsitzende des Aus- reits vor dem Fußvolk der Christdemo- schusses für innerdeutsche Beziehun- kraten wisse, wie die CDU ihren Wahl- gen, Olaf von Wrangel, von der Bun- kampf führen werde. desregierung gefordert. Der Bundes- minister für innerdeutsche Beziehungen Egon Franke hatte in einem Vorwort zu Noch unentschieden der rund 600 Seiten umfassenden Überraschend viele Bundesbürger sind Drucksache erklärt, die Publikation nach 100 Tagen Regierung Schmidt- könne weder als Ganzes noch in den Genscher nicht bereit, ein Urteil über Einzelheiten als amtliche Stellungnah- die Regierungstätigkeit der beiden Re- me der Bundesregierung in Anspruch präsentanten der sozial-liberalen Koa- Qenommen werden. Die „Materialien lition abzugeben. Die Zahl der Unent- 1974" führten in Neuland und könnten schiedenen ist nach einer Umfrage des daher nur ein Diskussionsbeitrag sein. Ailensbacher-Instituts für Demoskopie Olaf von Wrangel dagegen: Wir können entschieden höher als zu Beginn des n'cht zulassen, „daß die deutschland- Jahres 1970, etwa 100 Tage nach der politische Diskussion in Form einer ersten SPD/FDP-Koalition unter Brandt- Buchbesprechung geführt wird". Scheel. 41 % der Bundesbürger können sich auf die Frage „Sind Sie im großen SPD-Kandidat und ganzen mit der Politik von Bundes- kanzler Schmidt einverstanden oder fristlos entlassen nicht?" gegenwärtig zu keiner Entschei- ^cht Wochen vor der hessischen Land- dung durchringen. Auf die entsprechen- l^gswahl hat die Wiesbadener SPD de Frage nach der Politik von Bundes- 'hren ersten Skandal: Herbert Schnei- außenminister Genscher reagieren so- der, Kandidat der Sozialdemokraten für gar 46 % unentschieden. sinen Abgeordnetensitz im Landespar- 'arnent und als einziger Arbeiter Aus- hängeschild seiner Partei, wurde von Das Dilemma der FDP s einer Firma, einem Mainzer Betrieb Unterschwellige Kritik innerhalb der des graphischen Gewerbes, mit Zustim- Koalition, besonders die der SPD an mung des Betriebsrates fristlos entlas- der FDP, häuft sich. Die eher der SPD s en. Grund: Schneider, der Zugang zu als der CDU/CSU nahestehende „Süd- al| en Aufträgen des Unternehmens hat- deutsche Zeitung" konstatiert kalt- te . nahm noch vor Auslieferung das schnäuzig: „Mit dem Kanzlerwechsel Wahlmaterial der CDU mit nach Hause, von Brandt zu Schmidt ist für die FDP Ur n es seinen SPD-Parteifreunden für das Image des vernünftigen Bremsers r echtzeitige Gegenaktionen zugänglich innerhalb der Koalition verlorengegan- *u machen. gen. Dies Geschäft besorgt jetzt der UiD 36/74 • Seite 10

Regierungschef selbst." Die Zeitung rät zeichnete es als „empörend", daß der der FDP u. a., „den Nachweis des Er- Hamburger FDP-Landesvorstand Kom- folgs mit der sozial-liberalen Koalition munisten als „kritische Demokraten" und den Beweis der souveränen Eigen- bezeichne und auf eine Ebene mit Libe- ständigkeit zugleich" zu erbringen. So- ralen und Sozialdemokraten stelle. Für zusagen die Quadratur des Kreises. die FDP komme es jetzt darauf an, „die Besser ließe sich das Dilemma der FDP sicher anderslautende Auffassung der nicht kennzeichnen. Mehrheit der Mitglieder der FDP auch in der Öffentlichkeit zum Ausdruck zu bringen". Dafür biete sich der Bundes- Grober Kunstfehler parteitag vom 30. September bis 2. Ok- des Koalitions-Kanzlers tober in Hamburg an. Diplomatisches Ungeschick hat Bundes- Entgegengesetzt reagierte der Judo- kanzler Schmidt mit seinem Rat an die Vorsitzende Schiller. Er disqualifizierte USA — dem Kolumnisten der „New die strikte Einhaltung des Berufsverbots York Times", James Reston, in die Fe- durch die SPD als „unsichere Logik ta- der diktiert — bewiesen, die USA soll- gespolitischer Opportunität" und warf ten nicht auf eine deflationäre Politik der SPD vor, „mit der CDU in eine gro- einschwenken, weil sonst die Welt- ße Koalition der Verketzerer der parla- märkte in Mitleidenschaft gezogen wür- mentarischen Linken" einzugehen. den. Die Reaktion in Washington reicht von Empörung bis zur bitteren Ironie. Jack Bennett, Staatssekretär im US- Die 11 Todsünden Finanzministerium, konterte nach Bonn: der FDP „Ein Land mit einem derart hohen Ex- Die linksliberale „Frankfurter Rund- portüberschuß sollte schweigen." Ame- schau" veröffentlichte am 30. August rikas Handelsbilanz wird in diesem Jahr folgende CDU-Wahlkampf-Anzeige: nach amtlichen Schätzungen rund 5,3 Milliarden Mark ausweisen, während „Die 11 Todsünden der FDP. Nach vier sich im deutschen Außenhandel ein Ak- Jahren Koalition in Hessen ist klar: Die tivsaldo von 50 Milliarden Mark ab- FDP ist nur noch ein Anhängsel der zeichnet. SPD. Von liberaler Politik keine Spur. Die FDP hat verantwortungslos alle Vor- Haus- und Koalitionskrach schläge der CDU — z. B. im' Schul- bereich — abgelehnt. Und jetzt will sie bei der FDP die SPD, eine verbrauchte und links- Das Thema Radikale ist zu einem lastige Funktionärspartei, für weitere Grundsatzstreit innerhalb der gesamten vier Jahre an der Macht halten! FDP geworden. Die Hamburger FDP hatte, im Gegensatz zu einem mit der Nur die CDU bringt Hessen die liberale Mehrheit der SPD-Senatoren gefaßten, Erneuerung. Die Zeit für den Regie' ablehnenden Senatsbeschluß verlangt, rungswechsel ist reif. Jetzt braucht Hes- zwei DKP-Mitglieder in den Schuldienst sen ! Zum Beweis über- einzustellen. Dadurch hatte sie eine Po- senden wir Ihnen kostenlos die Bro- sition links von der SPD bezogen. schüre ,11 liberale Todsünden' (FDP' Der Vorsitzende des stärksten FDP- Politik der letzten vier Jahre), CDU-Lan- Kreisverbandes Bonn, Detlef Kühn, be- desverband, 62 Wiesbaden, Postfach." UiD 36/74 • Seite 11

VERFASSUNG Der Bundesrat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Wieder einmal hat das Bundes- nur einzelne Paragraphen, ein Geset- verfassungsgericht mit einer Ent- zestorso, im Bundesgesetzblatt verkün- scheidung Schlagzeilen gemacht — det werden. diesmal mit seinem Urteil vom Dies alles ist völlig unumstritten und 25. Juni 1974, in dem es sich auch vom Bundesverfassungsgericht niit der Stellung des Bundesrates nicht in Frage gestellt worden. 'm Gesetzgebungsverfahren Gegenstand der jetzt ergangenen Ent- auseinandersetzt. Der Vorsitzende scheidung war die Detailfrage: Wird ein der CDU, Helmut Kohl, hat erklärt, älteres Gesetz, das als Zustimmungs- daß die CDU die Entscheidung gesetz ergangen ist, später geändert, des Gerichts in dem Normen- bezieht sich die Änderung aber nur auf kontrollverfahren selbstverständlich Vorschriften, die für sich gesehen nicht respektiert. Zu den Konsequenzen zustimmungsbedürftig gewesen wären, für die Staatspraxis gibt der Bundes- so tritt die Frage auf, ob dieses neue bevollmächtigte des Landes Rhein- Gesetz ebenfalls nur mit Zustimmung land-Pfalz, Prof. Roman Herzog, des Bundesrates ergehen kann. Der folgende Erläuterung: Bundesrat hatte seit 1949 fast einhellig in diesen Fällen die Zustimmungs- Nach dem Grundgesetz gibt es be- bedürftigkeit bejaht. Bundesregierung kanntlich zwei Arten von Bundes- und Bundestag hatten sie über alle Par- 9esetzen: „Einspruchsgesetze" oder teigrenzen hinweg verneint. Das Bun- '•einfache Gesetze", bei denen der Bun- desverfassungsgericht hat jetzt eine desrat in letzter Konsequenz vom Bun- vermittelnde Stellung bezogen. destag überstimmt werden kann, und Es hat einstimmig ausgesprochen, daß "Zustimmungsgesetze", bei denen er n das Änderungsgesetz dann der Zustim- 'cht überstimmt werden kann. mung des Bundesrates bedarf, wenn es st im Grundgesetz ein Gesetz aus- selbst eine zustimmungsbedürftige Vor- drücklich als zustimmungsbedürftig be- schrift enthält, und insbesondere, wenn zeichnet, so ist es ein Zustimmungs- eine Vorschrift, die früher schon die 9esetz, schweigt das Grundgesetz da- Zustimmungsbedürftigkeit begründete, gegen, so liegt ein Einspruchsgesetz geändert werden soll. r y° - Ist auch nur eine Vorschrift eines Dagegen hat das Bundesverfassungs- Gesetzes zustimmungsbedürftig, so ist gericht es mit knapper Mehrheit abge- a ° s ganze Gesetz ein Zustimmungs- lehnt, jede Änderung eines Zustim- 9esetz, weil es undenkbar ist, daß letz- mungsgesetzes automatisch ais zustim- n ® Endes bei einer Weigerung des mungsbedürftig zu behandeln. Hier soll Bundesrates vom Bundespräsidenten es auf die Tragweite der Änderung an- UiD 36/74 • Seite 12

kommen: Erfahren auch die an sich zu- • Der Streit wird in Zukunft häufig stimmungsbedürftigen Teile des älteren darum gehen, ob die Vorschriften eines Gesetzes durch die Änderung mittelbar älteren Gesetzes, die der Zustimmung eine „wesentlich andere Bedeutung und des Bundesrates bedurften, durch das Tragweite", so soll auch das Ände- neue Gesetz eine „wesentlich andere rungsgesetz der Zustimmung bedürfen. Bedeutung und Tragweite" erhalten. Durch eine so vage Formel sind neue Der Streit ist deshalb so wichtig, weil Meinungsverschiedenheiten — und nach Art. 84 Abs. 1 GG jedes Gesetz, neue Verfassungsprozesse — fast das von den Ländern vollzogen wird zwangsläufig vorprogrammiert. und sich zum Behördenaufbau bzw. zum Verwaltungsverfahren der Länder äußert, auf die Zustimmung des Bun- Konflikte kaum vermeidbar desrates angewiesen ist. Da der Bund in einem merkwürdigen Perfektions- Hl Dies vor allem deshalb, weil das betrieb fast jedes Gesetz mit solchen Bundesverfassungsgericht übersehen formellen Bestimmungen anzureichern hat, daß die Zustimmungsbedürftigkeit pflegt, ist die Zahl der Zustimmungs- eines Gesetzes für die Mitglieder des gesetze in den letzten beiden Jahr- Bundesrates nicht nur Rechte, sondern zehnten außerordentlich angestiegen — u. U. auch politische Konflikte mit sich und das, obwohl solche Übergriffe in bringt. Die Mitglieder des Bundesrates, die Länderhoheit oft ganz unnötig wa- die eine Zustimmung aussprechen, ste- ren und der Bund ja auch — bis zur hen damit vor sich und ihren Wählern Grenze der Willkür — die zustimmungs- ganz anders da, als wenn sie das Ge- bedürftigen und die nicht zustimmungs- setz im Verfahren der Einspruchsgesetz- bedürftigen Vorschriften in verschiede- gebung nur „laufen lassen". Sie sind nen Gesetzen unterbringen könnte. gezwungen, sich klar zu entscheiden und damit die volle politische Verant- Mit der jetzt ergangenen Entscheidung wortung für das Gesetz zu übernehmen- aus Karlsruhe wird der Bundesrat in Und ein Gesetz, dem man selbst — mit Zukunft leben müssen und auch leben allen politischen Folgen — zugestimmt können, da sie keinen Standpunkt völ- hat, will man dann auch nicht beliebig lig verworfen hat. Allerdings sind vier geändert sehen. Punkte zu erwähnen, die größere oder geringere Probleme aufwerfen werden: • Das wird sich in der Zukunft vor allem an einem Punkt erweisen, auf den • Von geringer Bedeutung ist, daß schon das Minderheitsvotum der Ver- das Bundesverfassungsgericht erklärt fassungsrichter von Schlabrendorff, Gei' hat, der Bundesrat sei keine Zweite ger und Rinck hinweist: Bundesregiß' Kammer. Solche Etiketten spielen in der rung und Bundestag könnten jetzt ver- Verfassungspraxis kaum eine Rolle; sucht sein, die Bundesratsmehrheit denn hier kommt es auf die faktischen durch die Anreicherung ihrer Gesetze Befugnisse und nicht auf irgendwelche mit zustimmungsbedürftigen Vorschrit- äußeren Bezeichnungen an. Zudem ist ten regelmäßig in die schroffe Alterna' das Urteil insofern widersprüchlich, als tive zwischen Ja und Nein zu drängen* es über die Gleichrangigkeit des Bun- die im Vermittlungsausschuß gefunde- desrates im Verhältnis zu Bundestag nen Kompromisse dann aber durcn und Bundesregierung einander wider- rasch folgende Gesetzesänderungen zu strebende Aussagen macht. unterlaufen. UiD 36/74 • Seite 13

LANDESPARTEITAG RHEINLAND-PFALZ Die CDU fordert aktive Demokratie als Grundmotiv ihrer Politik

°ie CDU in Rheinland-Pfalz, tige Politik herausgestellt", erklärte der Unter der Führung von Helmut Kohl Vorsitzende der CDU, Helmut Kohl. auf 60 000 Mitglieder gewachsen, „Vielen Menschen ist deutlich gewor- hat einen neuen Vorsitzenden. den, daß demokratischer Sozialismus Ir> einer Abstimmung, deren Aus- nichts anderes ist als eine beruhigende gang bis zuletzt völlig offen war, Verpackung alter Ziele und Methoden ging der rheinland-pfälzische des Sozialismus. Wenn die SPD die Kultusminister mit Demokratie mit Sozialismus gleichsetzt, *55 Stimmen als Sieger hervor, dann ist dies ein Stoß gegen die «ein Mitbewerber um das Amt, Grundlagen der Demokratie." Sozialminister Heinrich Geißler, Erhielt 188 der 455 Delegierten- „Die CDU fordert als Grundmotiv ihres Stimmen. politischen Handelns aktive Demokra- tie. Sie lebt aus der Vielfalt und Kon- A uf dem 19. Landesparteitag in Ko- kurrenz der Ideen und Werte. Plurali- f*blenz gegen Ende seines in deröf- tät ist kein notwendiges Übel, sondern *er>tlichkeit stark beachteten Rechen- ein unverzichtbares Element der akti- schaftsberichts stellte Helmut Kohl klar, ven Demokratie. Deshalb müssen wir ciaß es für die Qualität einer Partei die Fähigkeit zur Weiterentwicklung un- sPreche, wenn sich zwei gleich profi- serer demokratischen Institutionen stär- 'erte Mitglieder um das höchste Amt ken. Deshalb bedeutet für die CDU .Re- ":es Landesverbandes bewerben wür- form' immer Verbesserung und Weiter- a©n. Wer mehr in diese Wahl hinein- entwicklung des demokratischen Rechts- jteheimnisse, tue der CDU keinen gu- staates und seiner gesellschaftlichen er< Dienst. In dieser kämpferischen Re- Strukturen." e - mit der sich der Landesvorsitzende „Die CDU in Rheinland-Pfalz kann an j*Us seinem Amt verabschiedete, zog 0r praktischen Beispielen ihr Verständnis ^ >l eine positive Bilanz für die CDU und ihre Politik der aktiven Demokratie nd erläuterte ihr politisches Selbst- Ver aufzeigen", rief Kohl den Delegierten ständnis. zu. a jj s Scheitern der Regierung Brandt „Als es darum ging, in diesem Land die enn vielen Bur9ern in unserem Land na Schulfrage zu lösen, da geschah dies f 9ültig die Augen geöffnet. Es ver- nicht in Gegnerschaft zu den Kirchen, n9t immer weniger, politische Absich- n sondern in der Auseinandersetzung um k| mit dem Reizwort .Reform' zu de- die Frage, wie die Vielfalt der Bildungs- ^rieren, um Zustimmung zu erreichen. träger und des Bildungsangebots für sch°ft haben sich solche .Reformen' als die Kinder erhalten werden konnte. In n 'Hernde Verpackung für eine einsei- der Verwaltungsreform ist es der CDU UiD 36/74 • Seite 14 gelungen, trotz harter Meinungsver- 20. Juli seien Vorbilder gewesen, weil schiedenheiten Lösungen zu finden, die sie die Maxime in den Vordergrund von allen Parteien des Landtags und gestellt hatten „Was nützt oder schadet der Bevölkerung getragen werden meinem Volk und dem Staat?" und konnten." dann erst die Frage „Was nützt oder schadet mir?" Deshalb sei die CDU Wenn heute das Verhältnis von Regie- nicht um ihrer selbst willen gegründet rungsfraktion und Opposition vergiftet worden, nicht als bloßer Verein zur sei, fuhr Kohl fort, dann nicht deshalb, Verhinderung des Sozialismus. Son- weil es die CDU so wollte, sondern dern: „Die CDU hat einen Dienst zu weil die SPD das über Jahre hinaus leisten für unser Volk und unser Land." vorhandene Gesprächsklima zerstört habe. Ruf nach Solidarität Kohl setzte sich auch mit den Auswir- kungen einer SPD-Politik auf Bunoea- In seiner Schlußrede rief Bernhard Vo- ebene auseinander: „Sieben Prozent gel alle Delegierten zur Geschlossen- Inflationsrate sind kein Erfolg; 2,2 Pro- heit und Aktivität auf. Er sei sich des- zent Arbeitslose sind und bleiben sen oewußt, daß er ein schweres Amt alarmierend. Falsche Versprechungen übernommen habe. Aus eigener Erfah- bleiben falsch, auch wenn sie von rung wisse er, daß es nie leicht sein höchsten staatlichen Autoritäten abge- kenne, ein Amt zu übernehmen, daß geben werden." Koh! stellte drei von Heimut Kohl ausgefüllt habe. Mit dem der CDU vorrangig vertretene Ziele Blick auf aie bevorstehenden Land- demgegenüber heraus: tagswahlen im März 1975 forderte er den solidarischen Einsatz der Partei • das Erreichen relativer Geldwert- und bat um die tätige Hilfe des neuen stabilität Landesvorstands, „damit Helmut Koh' • die Sicherung der Beschäftigten auf wieder Ministerpräsident unseres Lan- einem hohen Niveau des wird". • die Verwirklichung staatlicher Auf- Die Delegierten des Landesparteitage5 gaben nach vertretbaren Prioritäten. sprachen sich für ein „europäisches Staatsbürgerrecht" aus. Die Initiativen dazu sollen im Europäischen Parlament- Vorsitz für Bernhard Vogel im Bundestag und Bundesrat und in Der neu gewählte CDU-u.andesvorsit- der Union der Christlichen Demokraten zende Bernhard Vogel wandte sich ar. Europas aufgegriffen werden. Den CDU' die Delegierten mit einer Grundsatz- Bundesvorstand forderten die Delegie1" rede zum Ende des Parteitages, die ten auf, den „sozialistischen Tenden' mit großem Beifall aufgenommen wur- zen" zur Reform des Ehe- und Fam1' de. lienrechts im Bundestag entgegenzutre' e Für ihn sei nicht in erster Linie der ten. Unter dem Vorwand, die vol' 25. Geburtstag des Grundgesetzes, Emanzipation der Frau zu ermöglichen- sondern die 30. WiederKeh; des 20. werde zur Zeit eine Aushöhlung de 6 Juli 1944 das wichtigste Ereignis des Familie betrieben. Außerdem fordert Jahres gewesen. Mil diesem Datum der Parteitag die CDU/CSU-BundeS^ verband er auch den geistigen An- tagsfraktion auf, über Gesetzesinitia^ spruch, der der CDU seit der Grün- ven die Wettbewerbsfähigkeit der m'' dung zugrundeliege. Die Männer des telständischen Wirtschaft zu sichern. UiD 36/74 • Seite 15

de sein. Das erwartet die Öffentlichkeit PARTEIARBEIT von uns." Die Mitarbeiter der vier Landesverbän- de waren sich am Ende der Diskussion Die Öffentlichkeit mit dem Vorsitzenden einig: Die CDU steht vor schweren Monaten, in der die erwartet Solidarität ganz groß geschrieben und die Leistung zum wichtigsten Prinzip er- solides Handeln hoben werden muß. Mft den hauptamtlichen Mitarbeitern Der Nachmittag der Tagung stand dann jter Landesverbände Baden- im Zeichen konkreter Fragen der Par- teiarbeit. Unter Leitung des Bundes- Württemberg, Hessen, Rheinland- [*'alz und Saarland traf sich der geschäftsführers, Karl-Heinz Büke, wur- den insbesondere Fragen der Öffent- Parteivorsitzende Helmut Kohl am lichkeitsarbeit und der inneren Organi- <8. August in Heidelberg auf einer sation der Partei erörtert. Die Bundes- Hegionaltagung. Über 100 Ge- geschäftsstelle gab ausführliche Berich- schäftsführer und Referenten waren er te über die zur Zeit laufenden Modell- *j Einladung des Parteivorsitzen- versuche in einer Reihe von Kreisver- gen gefolgt, um mit ihm über bänden sowie über den gegenwärtigen ^fagen der Strategie der CDU zu Stand des Versorgungswerks der Union. diskutieren. Die Diskussion machte deutlich, daß die

n Zusammenarbeit zwischen der Bundes- j seinem ausführlichen Referat gab geschäftsstelle und den Kreisverbänden Helmut Kohl, der gerade ein paar Ta- ß recht reibungslos verläuft. Vor allen 9 zuvor in Berlin das halbmillionste Dingen wurde erfreulich vermerkt, wie /"tglied in die Union aufgenommen a konstruktiv die kritischen Punkte ange- *te, einen optimistischen Ausblick: gangen wurden. Dieser bei allen Mit- 'Mir haben eine reelle Chance, 1976 arbeitern vorhandene Wille, die näch- nser Ziel zu erreichen, sofern wir es Ur sten Jahre gut zu bestehen und die be- J erreichen wollen." Er fügte aller- vorstehenden Aufgaben zu meistern, 'n9s hinzu: „Was wir sagen und tun, u bietet eine gute Gewähr dafür, die ge- ^ ß realistisch, sachbezogen und soli- steckten Ziele zu erreichen.

• TERMINE n.9. LV Braunschweig Landesausschuß Braunschweig ^•/iß.g. CDU — Bund Landesgeschäftsführer- Kiel konferenz LV Schleswig-Holstein Tagung Lübeck EAK kg. LV Hessen Programmparteitag Hg. Wiesbaden LV Schleswig-Holstein Arbeitnehmerkongreß Neu- Sozialausschüsse münster UiD 36/74 • Seite 16

ZITAT Anschrift:

Der Fall Weber und die FDP

Der Verfassungsschutz ist an allem schuld. Mit dieser bewährten Umkehr- these versucht die Hamburger FDP die Flucht nach vorn: Der vom Verfassungs- schutz belastete hohe Hamburger FDP- Funktionär Gerhard Weber sieht sich steht ausdrücklich in ihrem Wahlpro- als Opfer einer „Hexenjagd", die der gramm — stellen in der Tat Forderun- 42jährige Vorsitzende der „Gesellschaft gen, die den Verfassungsschutz lahm- BRD — UdSSR" und stark linkslastige legen könnten: Die Vertrauensmänner stellvertretende Vorsitzende des Ham- des Parlaments sollen auch jeden ein' burger FDP-Landesverbandes mit der zelnen Bediensteten des Amtes befra- Kampfansage beantwortete: „Mehr denn gen und Strafanzeige erstatten dürfen, je werde ich mich gegen Hexenjagden wenn sie (subjektiv) glauben, daß ein Verfassungsschützer ein Gesetz verletzt aller Art wenden". habe. Gerhard Weber, seit Jahren regelmäßi- Um ein Haar wäre der Mann in dieses ger Reisender in die Ostblockländer und Parlaments-Gremium eingedrungen, de! für den Verfassungsschutz „objektiv ein für den Verfassungsschutz — so sein Sicherheitsrisiko", will mit seinen elf oberster Hamburger Dienstherr, Innen' Mitstreitern im Landesparlament ein Ge- senator Hans-Ulrich Klose (SPD) — iff setz durchbringen, dessen Auswirkun- Verdacht steht, Kontakt zu nachrichten- gen in der Führungsetage der Hambur- dienstlich tätigen Personen zu unterhal' ger Innenbehörde überspitzt mit den ten. Im Klartext: Weber hat nach Hi'1' Worten beschrieben wurden: „Dann weisen des Verfassungsschutzes Vei" e kann der Verfassungsschutz seinen La- bindungen zu Leuten unterhalten, d' für die Sowjetunion nachrichtendienst' den gleich dichtmachen." Die „Hexen- lieh arbeiten. jäger" der hanseatischen FDP — der Kampf gegen den Extremistenbeschluß („DIE WELT", 2. 9. 1974)

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