Plenarprotokoll 15/17

Deutscher

Stenografischer Bericht

17. Sitzung

Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Inhalt:

Wahl der Abgeordneten Hartmut Büttner Tagesordnungspunkt 7: (Schönebeck), Hartmut Koschyk und Dr. Richard Schröder in den Beirat nach § 39 Beratung der Beschlussempfehlung und Stasiunterlagengesetz ...... 1313 A des Berichts des Ausschusses für Wahlprü- fung, Immunität und Geschäftsordnung zu Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 1313 B dem Antrag der Abgeordneten Dr. , , , wei- Tagesordnungspunkt 13: terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Einsetzung eines Untersu- Beratung der Beschlussempfehlung und chungsausschusses des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (Drucksachen 15/125, 15/256) ...... 1330 A zu dem Antrag der Bundesregierung: Fort- setzung der Beteiligung bewaffneter SPD ...... 1330 B deutscher Streitkräfte an dem Einsatz CDU/CSU ...... 1334 A einer Internationalen Sicherheitsunter- stützungstruppe in Afghanistan auf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1336 A Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) Dr. Jürgen Gehb CDU/CSU ...... 1337 A vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002 und 1444 (2002) vom Dr. FDP ...... 1338 A 27. November 2002 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen SPD ...... 1339 B (Drucksachen 15/128, 15/223) ...... 1313 B Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) CDU/CSU 1341 A Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 1313 D fraktionslos ...... 1342 C Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU ...... 1315 B CDU/CSU ...... 1343 B BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN ...... 1317 D Harald Leibrecht FDP ...... 1319 A Tagesordnungspunkt 14: Joseph Fischer, Bundesminister AA ...... 1320 A Zweite und dritte Beratung des vom Bun- Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU ...... 1321 C desrat eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Aufhebung des Gesetzes zur Gerd Höfer SPD ...... 1323 D Modulation von Direktzahlungen im Günther Friedrich Nolting FDP ...... 1325 A Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik Petra Pau fraktionslos ...... 1326 A und zur Änderung des GAK-Gesetzes (Drucksache 15/108) ...... 1344 D (Wiesloch) SPD ...... 1327 A Josef Miller, StMin Bayern ...... 1345 A Dr. CDU/CSU ...... 1328 B Waltraud Wolff (Wolmirstedt) SPD ...... 1347 B Namentliche Abstimmung ...... 1329 D BÜNDNIS 90/ Ergebnis ...... 1332 A DIE GRÜNEN ...... 1348 C II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. , Freitag, den 20. Dezember 2002

Hans-Michael Goldmann FDP ...... 1350 B zember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002 und 1444 (2002) vom 27. November 2002 des Dr. Gerald Thalheim SPD ...... 1351 B Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (Drucksachen 15/128, 15/223) ...... 1371 B Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung des von den Abgeordneten Anlage 3 Jörg van Essen, , , Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten weiteren Abgeordneten und der Fraktion Frank Hofmann (Volkach), Ursula Mogg, der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gabriele Frechen, Petra-Evelyne Merkel, Gerd Gesetzes zum verbesserten Schutz des Friedrich Bollmann, Dr. Hans-Ulrich Krüger, Eigentums Dr. , Ernst Kranz, Sabine Bätzing, (Drucksache 15/63) ...... 1352 C Engelbert Wistuba, Astrid Klug, Walter Jörg van Essen (FDP) ...... 1352 D Hoffmann (Darmstadt), Hans Büttner (Ingol- stadt), Achim Großmann, , Hermann Bachmaier SPD ...... 1353 D Gabriele Groneberg, Tobias Marhold, Brigitte Dr. CDU/CSU ...... 1354 D Schulte (Hameln), Hans-Peter Kemper, Horst Schild, , Anke Hartnagel, Daniela Raab CDU/CSU ...... 1355 B Bernd Scheelen, Rene Röspel, Ulrich Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/ Kasparick, (Heidelberg), DIE GRÜNEN ...... 1356 C Siegmund Ehrmann, Reinhold Hemker, Holger Ortel, Marco Bülow, Jürgen Wieczorek Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ 1357 D (Böhlen), Annette Faße, Petra Heß, Dr. Hans- CDU/CSU ...... 1358 D Peter Bartels, Hans-Werner Bertl, Hans-Ulrich Klose, Ingrid Arndt-Brauer, Karin Evers- Meyer, , Wolfgang Spanier, Zusatztagesordnungspunkt 9: Jelena Hoffmann (Chemnitz), Gerd Friedrich Bollmann, Dr. Hans-Ulrich Krüger, Frank Abstimmung über drei Anträge der Fraktio- Hofmann (Volkach), Hans-Günter Bruckmann, nen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ Dr. , Dr. Michael DIE GRÜNEN auf Zurückweisung von Bürsch, Dr. , Dr. Christine Einsprüchen des Bundesrates ...... 1360 D Lucyga, (Hildesheim), Christel Riemann-Hanewinckel, Ernst Küchler Namentliche Abstimmung ...... 1361 A (alle SPD) zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNIS- Ergebnis ...... 1362 C SES 90/DIE GRÜNEN auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Bei- Namentliche Abstimmung ...... 1361 B tragssatzsicherungsgesetz Ergebnis ...... 1364 B (Drucksache 15/261) ...... 1371 D

Namentliche Abstimmung ...... 1361 D Anlage 4 Ergebnis ...... 1366 D Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Monika Heubaum, Waltraud Wolff (Wolmir- Anlage 1 stedt), Lothar Mark, Hans-Ulrich Klose, Siegfried Scheffler, Jelena Hoffmann (Chem- Liste der entschuldigten Abgeordneten ...... 1371 A nitz), Hans-Werner Bertl, , (alle SPD) zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNIS- Anlage 2 SES 90/DIE GRÜNEN auf Zurückweisung des Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Einspruchs des Bundesrates gegen das Bei- tragssatzsicherungsgesetz Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) zur (Drucksache 15/261) ...... 1372 A Abstimmung über den Antrag: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheits- Anlage 5 unterstützungstruppe in Afghanistan auf Grund- lage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. De- Amtliche Mitteilungen ...... 1372 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1313

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17. Sitzung

Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Beginn: 9.00 Uhr

Präsident : – Drucksache 15/231 – Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Berichterstattung: Sitzung ist eröffnet. Abgeordnete Antje Hermenau Lothar Mark Bei drei Mitgliedern des Beirats nach § 39 des Stasi- Unterlagen-Gesetzes läuft die fünfjährige Mitgliedschaft Ende des Jahres aus. Sie müssen daher vom Bundestag Jürgen Koppelin neu gewählt werden. Die Fraktion der CDU/CSU benennt hierfür wieder die Abgeordneten Hartmut Büttner und Ich weise darauf hin, dass wir nach der Aussprache Hartmut Koschyk, die Fraktion der SPD Herrn Profes- über die Beschlussempfehlung namentlich abstimmen sor Dr. Richard Schröder. Sind Sie mit diesen Vorschlä- werden. gen einverstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Damit Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die sind die genannten Personen in den Beirat nach § 39 des Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre (B) Stasiunterlagengesetzes gewählt. (D) keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Interfraktionell wird vorgeschlagen, den in der zehnten Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Bundesmi- Sitzung bereits überwiesenen Gesetzentwurf der Bundesre- nister der Verteidigung, Peter Struck, das Wort. gierung zur Regelung des Urheberrechts in der Informati- onsgesellschaft auf Drucksache 15/38 nachträglich dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen- Dr. Peter Struck, Bundesminister der Verteidigung: abschätzung zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- ren! Afghanistan braucht Hilfe und wir wollen diese Hilfe Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 13 auf: heute beschließen.

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten richts des Auswärtigen Ausschusses (3. Aus- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) schuss) zu dem Antrag der Bundesregierung Dafür ist das nachhaltige Engagement der internationalen Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut- Gemeinschaft erforderlich. Wir übernehmen heute zu- scher Streitkräfte an dem Einsatz einer Inter- sätzliche Verantwortung. nationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Wir wissen, die Stabilisierung des Landes, die Festi- Afghanistan auf Grundlage der Resolutionen gung einer multiethnischen Regierung der nationalen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 Aussöhnung und die Schaffung von Rahmenbedingungen (2002) vom 23. Mai 2002 und 1444 (2002) vom für die wirtschaftliche Entwicklung und die gesellschaft- 27. November 2002 des Sicherheitsrats der Ver- liche Demokratisierung sind von zentraler Bedeutung für einten Nationen den Erfolg im Kampf gegen den internationalen Terroris- – Drucksachen 15/128, 15/223 – mus. Dieser Kampf ist noch lange nicht beendet, wie der Berichterstattung: gestrige Vorfall vor unserem Lager in Kabul zeigt. Dort Abgeordnete Gert Weisskirchen (Wiesloch) wurde ein Selbstmordanschlag mit inzwischen drei To- Dr. Friedbert Pflüger ten verübt. Das heißt, die Lage ist äußerst instabil und sehr Dr. Ludger Volmer gefährlich für unsere Soldatinnen und Soldaten. Dr. Unsere herausragende Rolle für die Zukunft Afghanis- Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) tans wird vom Vertrauen der afghanischen Bevölkerung gemäß § 96 der Geschäftsordnung und der afghanischen Regierung getragen. Das spürt jeder, 1314 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Bundesminister Dr. Peter Struck (A) der sich in Kabul ein Bild von der Situation macht. Das hohe Motivation und die Unterstützung der vielen in der (C) hat übrigens auch Präsident Karzai während der Bundeswehr gewährleistet, die hier in Deutschland die in- Petersberg-Konferenz am 2. Dezember erneut hervorge- ternationalen Einsätze ermöglichen. Ich denke dabei ge- hoben. rade auch an die Familien unserer Soldatinnen und Sol- daten, für die jeder Einsatz eine schwierige Zeit mit vielen Wir verstehen unser Engagement in einem sehr umfas- persönlichen Belastungen darstellt. Ich spreche allen mei- senden Sinne, weil Stabilität und Sicherheit im Lande nur nen Dank und meine besondere Anerkennung aus. durch ein umfassendes Herangehen gefördert werden können. Die Petersberg-Konferenzen, die wirtschaftliche (Beifall im ganzen Hause) Unterstützung unter dem Dach der Europäischen Union, Vor zwei Wochen habe ich an dieser Stelle deutlich ge- der Aufbau der Polizei und der Anteil der Bundeswehr an macht, dass sich die Weiterentwicklung der Reform der der Sicherheitspräsenz in Kabul stehen für den deutschen Bundeswehr noch konsequenter als bisher an dem wahr- Beitrag. scheinlichsten Einsatzspektrum unserer Streitkräfte aus- Unser Engagement geht weiter. Es ist schon Beein- richten muss. Seit Jahren bestimmen vorrangig Aufgaben druckendes geleistet worden. Doch 20 Jahre Bürgerkrieg im Rahmen der internationalen Konfliktverhütung und und das grausame Erbe der Taliban können nicht in ein der Krisenbewältigung die Einsatzrealität der Bundes- oder zwei Jahren bewältigt werden. Ohne fortgesetztes in- wehr. Dies muss sich in Strukturen, Umfängen, Fähigkei- ternationales Engagement kann es das afghanische Volk ten und Ausrüstung niederschlagen; sonst wird die Bun- nicht schaffen. Es ist hierbei völlig unstreitig: In Afghanis- deswehr wegen struktureller und materieller Defizite tan wie in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo und auch an immer wieder an die Grenzen der Belastbarkeit geführt. anderen Orten, wo Gewalt und Zerstörung zu Hause wa- Genau diesen Weg habe ich mit ersten Entscheidungen ren, zeigt sich, dass mit Geld allein die Probleme nicht zu zu verschiedenen Beschaffungsvorhaben eingeleitet. lösen sind, sondern nur mit internationaler, auch militäri- Weitere mittelfristige Weichenstellungen werden, wie an- scher Präsenz. gekündigt, im Frühjahr erfolgen. Unsere Überlegungen Der Wiederaufbau von Polizei und Armee kann nicht gehen von der Annahme aus, dass der Schwerpunkt der über Nacht erfolgen. Die gewaltigen ethnischen und ge- Aufgaben der Bundeswehr auf absehbare Zeit im multi- sellschaftlichen Spannungen sowie die latente Gefahr der nationalen Einsatz und jenseits unserer Grenzen liegen noch nicht vollständig besiegten Taliban werden die eige- wird. Die Verteidigung an den Grenzen unseres Landes ist nen Möglichkeiten der afghanischen Regierung noch für glücklicherweise zu einer unwahrscheinlichen Option ge- geraume Zeit überfordern. Deshalb ist die Schaffung ei- worden. nes sicheren Umfelds für Aufbau und Stabilisierung un- Um zu verdeutlichen, worum es wirklich geht, habe ich (B) verzichtbar. Wir verhindern einen Rückfall in Zeiten der davon gesprochen, dass unsere Sicherheit auch am Hin- (D) Unterdrückung und des Bürgerkrieges. Wir stellen sicher, dukusch verteidigt wird. Deutschland ist sicherer, wenn dass Terroristen in Afghanistan kein sicheres Rückzugs- wir zusammen mit Verbündeten und Partnern den inter- gebiet und keinen Ausbildungsraum finden. Wir leisten nationalen Terrorismus dort bekämpfen, wo er zu Hause einen wesentlichen Beitrag, um die Erfolgsaussichten der ist, auch mit militärischen Mitteln. Unsere Sicherheit wird global operierenden radikalen Islamisten zu begrenzen. größer, wenn sich die Bundeswehr mit Erfolg am Wieder- Wir tragen dazu bei, dass eine von vielerlei Krisen und aufbau unter demokratischen Vorzeichen auf dem Balkan Spannungspotenzialen geprägte Region nicht weiter de- und in Afghanistan beteiligt, indem sie hilft, dort das drin- stabilisiert wird. gend benötigte sichere Umfeld zu schaffen. Der Bundeswehr fällt dabei durch die Übernahme der (Beifall bei Abgeordneten der SPD) anspruchsvollen Leitfunktion für ISAF zusammen mit Wo wären wir denn heute in Europa, wenn die Bundes- unseren niederländischen Freunden ab Februar 2003 wei- wehr sich nicht über Jahre im multinationalen Verbund im terhin eine besondere Rolle zu. Die Verstärkung auf bis zu kriegs- und bürgerkriegszerrissenen Südosteuropa enga- 2 500 Soldaten trägt dieser erhöhten Verantwortung Rech- giert hätte? nung. Erstmalig wird dieser Einsatz auch durch die Be- reitstellung ausgewählter Fähigkeiten der NATO unter- Ein zeitgemäßes Verständnis von Sicherheit und Ver- stützt. Dies ist vielleicht ein erster Schritt zu mehr teidigung hat zum Ziel, Bedrohungen und Krisen durch Verantwortung der NATO in Afghanistan und vielleicht gemeinsames Handeln auf Distanz zu halten. Verteidi- ein Hinweis auf die Übernahme der Lead-Funktion durch gung heute umfasst mehr als Verteidigung an den Lan- die NATO nach Beendigung unserer Verantwortung. desgrenzen, wobei Landesverteidigung grundsätzlich auch weiterhin möglich sein muss. Aber zeitgemäße Ver- Die Leistungen unserer Soldatinnen und Soldaten im teidigung umfasst die Verhütung von Konflikten und Kri- Einsatz sind durchgehend beispielhaft. sen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei Abgeordneten der SPD) DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Sie umfasst die gemeinsame Bewältigung von Krisen. Sie umfasst ebenso die Krisennachsorge und die Beteili- Ich habe dies gerade erst wieder am vergangenen Wo- gung am Wiederaufbau und am Nation Building. Mo- chenende während meiner Besuche bei unseren Soldaten derne Sicherheitspolitik heißt multilaterale Sicherheits- in Dschibuti, Mombasa und Kuwait feststellen können. vorsorge im Rahmen der Vereinten Nationen, der NATO, Diese Leistungen werden durch erstklassige Ausbildung, der Europäischen Union und der OSZE. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1315

Bundesminister Dr. Peter Struck (A) Diese moderne Sicherheitspolitik lässt sich geogra- Denn wir müssen bei einem so großen und risikoreichen (C) phisch nicht eingrenzen. Denn die Risiken und Bedro- Engagement sehr sorgfältig und sehr genau die Interes- hungen in der heutigen Welt kennen keine Grenzen. Sie senlage unseres Landes und die Sicherheitslage für un- berühren uns auch über große Entfernungen hinweg. Wir sere Soldaten analysieren. Ich glaube, es ist sehr wichtig, sprechen hier – mit anderen Worten – nicht über ein ta- dass man vor einem solchen Engagement, das den Steu- gespolitisches Szenario, sondern über einen grundlegen- erzahler sehr viel Geld kostet, die Dinge wirklich ganz ge- den Wandel der sicherheitspolitischen Lage seit dem Ende nau untersucht und nicht sagt: Wir sind selbstverständlich des letzten Jahrhunderts. Verteidigung heute ist Wahrung dafür. unserer Sicherheit, wo immer diese gefährdet ist. Es geht darum, den Herausforderungen für die Sicherheit zu be- (Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt gegnen, „aus welcher Richtung diese Herausforderungen [Salzgitter] [SPD]: Das war ein guter Einstieg!) auch kommen mögen“, wie es im Gipfelkommuniqué der Entscheidend ist in der Tat das, was der Kollege Struck NATO von Prag heißt. Wir müssen uns gegen äußere Be- eben völlig zu Recht ausgeführt hat, nämlich die Frage, drohungen, die, wie im Falle des internationalen Terroris- wie es um die deutschen Sicherheitsinteressen steht. Wir mus, im Inland auftreten können, genauso wie gegen die dürfen nicht vergessen: In Afghanistan hat der Terroris- akuten Risiken schützen können, die sich im weiteren in- mus seinen Anfang genommen. Al-Qaida, Osama Bin ternationalen Umfeld ergeben. Laden und der 11. September verbinden sich mit Afgha- Aus diesen Gründen wird der Bundestag heute für eine nistan. Deshalb ist es wichtig, dass wir in Afghanistan Fortsetzung des Bundeswehrengagements in Afghanistan nicht nur den al-Qaida-Terror militärisch bekämpften, stimmen. In Afghanistan tun wir das, was der Verantwor- sondern dass wir auch dafür sorgen, dass dem Terrorismus tung Deutschlands, was unseren Möglichkeiten und unse- der Nährboden durch die Arbeit unserer humanitären ren Sicherheitsinteressen entspricht, genauso wie auf Hilfsorganisationen entzogen wird, die unmöglich wäre, dem Balkan und am Horn von Afrika – gemeinsam mit wenn nicht die Internationale Sicherheitsunterstützungs- unseren Partnern und Freunden. truppe unter Beteiligung der Bundeswehr die Aufbauar- beit schützen würde. Meine Damen und Herren, als Bundesminister der Verteidigung bin ich den Fraktionen des Hauses außeror- Wir wissen aus dem Bericht der Vereinten Nationen, dentlich dankbar, dass wir dieses schwierige Mandat in dass al-Qaida noch nicht zerschlagen ist, sondern dabei Afghanistan mit einer sehr großen Zustimmung aller ist, neue Trainingscamps in Afghanistan aufzubauen. Wir Fraktionen im Parlament beschließen werden. Darauf ha- wissen des Weiteren, dass es dort nach wie vor sehr aktive ben unsere Soldatinnen und Soldaten einen Anspruch, die Kräfte und auch Waffenlieferungen gibt. Daher ist es ganz eine schwierige Arbeit tun, denen ich auch von hier aus wichtig, dass sich die ISAF-Truppe aus Afghanistan nicht (B) noch einmal ein frohes und gesundes Weihnachtsfest zurückzieht. Das wäre sonst ein nachträglicher Sieg der (D) wünsche und denen ich sage: Kommen Sie alle gesund Taliban. Deshalb – darin stimmen wir alle überein – ist es nach Hause! unter dem Strich notwendig, die Mission in Afghanistan fortzusetzen. (Beifall bei allen Fraktionen) Siba Shakib – sie ist eine Deutsch-Perserin und hat das fabelhafte Buch „Nach Afghanistan kommt Gott nur zum Präsident Wolfgang Thierse: Weinen“ geschrieben; es geht in diesem Buch um die Ge- Ich erteile das Wort dem Kollegen Friedbert Pflüger, schichte von Shirin Gol, einer afghanischen Frau, die die CDU/CSU-Fraktion. ganzen Kriegs- und Bürgerkriegswirren miterlebt hat; das ist ein sehr bestürzendes und bedrückendes Buch – sagt uns: Wenn ihr Afghanistan verlasst, dann wird die ganze Dr. Friedbert Pflüger (CDU/CSU): Welt daran Schaden nehmen, weil sich der Terrorismus Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- hier wieder regruppieren kann und neue Bedrohungen ren! Vorgestern hat im Auswärtigen Ausschuss der Kol- von ihm ausgehen werden. lege Volmer von den Grünen gesagt: Die Grünen stimmen Wir alle wissen doch – das wird von BKA, Bundes- der Verlängerung des Mandats selbstverständlich zu. nachrichtendienst und Verfassungsschutz immer wieder (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- unterstrichen –: Deutschland ist inzwischen nicht nur SES 90/DIE GRÜNEN) Ruhe- und Vorbereitungsraum, sondern auch ein mög- licher Zielort für den Terrorismus geworden. Deshalb ist Wir haben uns angesichts der Geschichte der Grünen auf es wahr: Wenn es in Afghanistan keine Sicherheit gibt, diesem Gebiet über dieses „selbstverständlich“ etwas ge- wenn es dort keinen Wiederaufbau gibt, wenn wir uns wundert. dort zurückziehen, dann leidet auch die Sicherheit in un- (Unruhe beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) serem Land. Deshalb stimmen heute CDU und CSU der Verlängerung des Mandats zu. Aber wir stimmen im Ergebnis völlig zu. Auch wir sind der Meinung, dass dieses Mandat verlängert werden (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei sollte. Selbstverständlich ist das für uns allerdings nicht, Abgeordneten der FDP) Herr Kollege Volmer. Wir müssen anerkennen, dass es eine Reihe von wirkli- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Un- chen Fortschritten in Kabul gibt, die aber brüchig sind und ruhe beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) an denen deshalb weitergearbeitet werden muss, damit 1316 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Dr. Friedbert Pflüger (A) sich die dortige Lage stabilisiert. Wir haben bei unserem ist ein gewaltiges Potenzial, das hier völlig brachliegt. (C) kurzen Besuch in Kabul – auch die Kollegen Kossendey – Sie berichtet, dass die Männer auf Folgendes verweisen: und Raidel sowie Kollegen von anderen Fraktionen wa- Die Taliban sagen, Frauen müssten zu Hause bleiben; ren dabei – eine Reihe von wirklichen Fortschritten gese- Frauen dürften keine Bildung und keinen Beruf haben. – hen: dass man zum Beispiel ohne Angst und Terror end- Diese Afghanin sagt deshalb: Unser aller Aufgabe ist es, lich wieder vernünftig leben kann, dass sich Frauen auf diesen extremistischen Kräften deutlich zu machen, dass der Straße wieder alleine bewegen können, dass sie die der Islam und der Koran durchaus die Möglichkeit vor- Burka, die der totalen Verschleierung der Frauen dient, sehen, dass Frauen ausgebildet werden und arbeiten. Wir nicht mehr tragen müssen, dass in den Fußballstadien dürfen die Interpretation des Koran und des Islam nicht wieder Fußball gespielt wird und keine Menschen mehr den Taliban und anderen extremistischen Kräften überlas- exekutiert werden. Wir haben aber auch Fortschritte im sen. täglichen Leben festgestellt. Es gibt wieder Handel auf den Straßen. Wir haben gesehen, dass wieder Felder an- Das ist richtig, meine Damen und Herren: Niemals dür- gelegt werden und dass Häuser gebaut werden. Man muss fen wir diese extremistischen Taliban-Kräfte und diese bedenken, dass Kabul zu großen Teilen völlig zerstört ist. al-Qaida-Kräfte mit dem Islam und mit dem Koran im Ein bisschen stelle ich mir so unsere deutschen Großstädte Ganzen in einen Topf werfen. Das sind ganz unterschied- 1945 vor. Jetzt sieht man, dass es zwischen den Ruinen liche Dinge. Das festzuhalten ist für unseren weiteren erste Ansätze eines Wiederaufbaus gibt. Auch Mädchen Kampf gegen die terroristische Bedrohung ganz wichtig. können wieder in die Schule gehen. Frauen können wie- Ich komme nun zu einem Punkt, von dem wir finden, der berufstätig sein. Das alles war unter der Herrschaft der dass die Bundesregierung hier bisher nicht genug ge- Taliban nicht möglich. Das alles alleine zu lassen und macht hat, nämlich die Entwicklung eines politischen nicht mehr abzusichern wäre ein großer Fehler. Gesamtkonzepts. Die deutschen Hilfsorganisationen, die Nichtregie- (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!) rungsorganisationen – wir haben mit ihnen gesprochen – leisten dort eine fantastische Arbeit. Ich nenne nur: Welt- Wir haben Petersberg I und II gehabt, wir haben Ge- hungerhilfe, Kinderwerk, Caritas, Misereor, Shelter Now, berkonferenzen gehabt. Wichtig ist jetzt, dass die Stabili- Malteser, Minenräuminitiativen, German Medical Ser- sierung, die im Großraum Kabul erfolgt ist, auf das Land vice, aber auch THW-Freiwillige, Deutscher Entwick- insgesamt übertragen wird, dass man auch in den anderen lungsdienst, Deutscher Akademischer Austauschdienst, Regionen Afghanistans spürt: Hier wird stabilisiert. GTZ, Goethe-Institut und BKA, das dort ein großes Poli- Uns interessiert, zu erfahren: Was ist Ihr Konzept zeiprojekt durchführt. Dort findet also viel statt, auch mit- dafür? Wir wollen ja nicht auf alle Ewigkeit in Afgha- (B) hilfe von privaten Spendern. Durch die Bank be- nistan bleiben. Irgendwann müssen die Afghanen selbst (D) schwören uns alle: Bleibt hier! Helft uns, dieses Land zu für ihre Sicherheit sorgen. Wie also kann man die Lage stabilisieren! außerhalb Kabuls stabilisieren? Wie kann man die Dieses Land hat es verdient. Es ist kein Fass ohne Bo- Paschtunen, die größte Volksgruppe, besser in den Pro- den. Es gibt dort eine Führungsschicht, die dankbar das zess einbinden, auch um zu verhindern, dass sie wieder zu aufgreift und selbst daran arbeitet, das Land nach vorn zu den Taliban überwechseln? Wie kann man vor allem ein bringen. konsequenteres Vorgehen gegen den massiven Drogen- anbau organisieren? Durch den Drogenanbau entsteht im- Das unterstützen wir in diesem Parlament, glaube ich, mer noch oder wieder ein Einkommen von 1,2 Mil- über alle Parteigrenzen hinweg. Herzlichen Dank den liarden Euro für die Leute. Die Summe der Hilfsmittel, die Hilfsorganisationen, die dort wirklich eine gefährliche bisher von der Welt bezahlt worden sind, ist ein bisschen und aufopferungsvolle Arbeit leisten! größer; sie beläuft sich auf 1,3 Milliarden Euro. Der Dro- (Beifall im ganzen Hause) genhandel hat also nach wie vor ein ungeheures Gewicht in Afghanistan. Was tun wir eigentlich dagegen? Das ist nicht nur aus humanitären Gründen notwendig. Terrorismusbekämpfung – ich wiederhole das – muss im- Die Frage des ökonomischen Wiederaufbaus ist von mer auf zweierlei Weise erfolgen. Sie muss mit militä- großer Bedeutung. Präsident Karzai hat uns gesagt: Vor rischen, polizeilichen und geheimdienstlichen Mitteln er- allem müssen Straßen gebaut werden, damit man von der folgen, aber auch dadurch, dass man dem Terror den Zentrale auch wieder in die Regionen des Landes kom- Nährboden nimmt. Es geht um den Nährboden, der aus men kann. Ungerechtigkeit, Not, Würdelosigkeit und Unbildung Wenn bei den Afghanen die Hoffnung auf einen baldi- wächst. Diesen Nährboden zu bekämpfen liegt ebenfalls gen Wiederaufbau schwindet, dann wird es schwierig, im Sicherheitsinteresse von uns hier in Deutschland. dieses Land wieder zu stabilisieren. Deshalb mahnen wir bei der Regierung ein Gesamtkonzept an, mit der Ich habe dort eine Afghanin getroffen – ich möchte das Perspektive, Afghanistan zu stabilisieren und unseren einfach einmal erzählen, damit man einen Eindruck ge- Soldaten eine Möglichkeit zu geben, dieses Land in ab- winnt –, Mitte 40, würde ich schätzen. Sie hat in Oxford sehbarer Zukunft wieder zu verlassen. studiert und dort auch einen Doktortitel erworben. Sie ar- beitet in Afghanistan in einer Frauenbewegung und sagt: Meine Fraktion hat am Mittwoch in den Ausschüssen Wir müssen in dieser Gesellschaft, die tief konservativ-is- die Bundesregierung sehr genau zu den militärischen lamisch geprägt ist, aufklären. Wir müssen ihr klar ma- Aspekten der Sicherheit und des Schutzes befragt. Denn chen, dass auch Mädchen und Frauen arbeiten dürfen. Das es ist unsere Aufgabe als Opposition, uns hinsichtlich un- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1317

Dr. Friedbert Pflüger (A) seres Einsatzes für den Schutz unserer Soldaten in Evakuierung von 15 000 Personen innerhalb von fünf Ta- (C) Afghanistan von niemandem übertreffen zu lassen. gen vor. Wir hoffen nicht, dass es dazu kommt; aber wir sind es unseren Soldaten und ihren Familien schuldig, (Beifall bei der CDU/CSU) dass es solche Notfallpläne gibt. Ich bin dankbar dafür, Kollege Christian Schmidt wird dazu gleich einige aus- dass Sie auf unser Drängen hin einen solchen klaren Not- führlichere Angaben machen. fallplan in den Ausschüssen erläutert haben. Ich möchte für meine Fraktion Folgendes sagen: Der (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Bundeswehreinsatz in Afghanistan ist ohne jeden Zweifel Wichtig war uns, dass die Bundesregierung uns zusi- risikoreich; wäre er das nicht, bräuchte man dort keine chert, dass die Amerikaner, von deren Hilfe ISAF- und Zi- Soldaten. Deswegen ist es für unsere Zustimmung sehr vilpersonal in Afghanistan in Notfallsituationen abhängig wichtig, dass die Bundesregierung im Ausschuss erklärt sind, auch im Falle eines Irakkrieges nicht den Um- hat und von hohen Militärs darin bestätigt wurde, dass alle fang ihrer Streitkräfte reduzieren oder Spezialkräfte aus Vorkehrungen zum Schutz unserer Soldaten getroffen Afghanistan abziehen. Es war ja ein Verdacht, der nahe- worden sind. Wir als Abgeordnete können uns nur ein liegt, dass im Falle einer Zuspitzung der Situation im Irak Bild durch einen kurzen Besuch vor Ort machen. Wir ha- Kräfte abgezogen werden und unsere Soldaten und unser ben keinen eigenen Geheimdienst. Wir sind auf das an- Zivilpersonal plötzlich in eine ganz andere Sicherheits- gewiesen, was uns die Soldaten vor Ort, die militärische lage geraten. Hier gibt es vonseiten der Bundesregierung Führung und letztlich in der politischen Bewertung die die klare Zusicherung, dass dies nicht geschehen wird. Bundesregierung sagen. Deshalb müssen wir auf ihre Vor dem Hintergrund dieser Zusicherung sind wir der Angaben vertrauen. Meinung, dass es verantwortbar ist – allerdings nicht Ich halte fest: Sie haben uns in den Ausschüssen zuge- selbstverständlich, Herr Kollege Volmer –, der Verlänge- sichert, dass – trotz der Häufung von Anschlägen und Ra- rung dieses Mandats zuzustimmen. ketenbeschuss auf Kabul und trotz des Attentats von ges- Wir wünschen den Soldaten, den Vertretern der Nicht- tern – das vorhandene Gerät zum Schutz unserer Soldaten regierungsorganisationen und dem Zivilpersonal, das dort ausreichend sei; alle Wünsche der militärischen Führung Großartiges leistet, eine frohe Weihnacht, ein friedliches und auch der Militärs vor Ort seien berücksichtigt wor- Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr mit dem Rücken- den. wind und der Unterstützung aus dem ganzen Deutschen Wir sind ein bisschen irritiert, Herr Minister, durch Bundestag. eine gewisse Diskrepanz. Wir haben im Ausschuss gehört, Vielen Dank. es gebe nur noch ein Restrisiko und ansonsten habe sich (B) die Lage sehr stabilisiert. Sie dagegen sagten in einem (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (D) Interview in der „Berliner Zeitung“ von gestern, die Lage neten der FDP) sei „äußert instabil und gefährlich“. – Wir bitten Sie doch sehr, Herr Minister Struck, diesen Widerspruch in der Be- Präsident Wolfgang Thierse: wertung aufzuklären. Zwischen Restrisiko und äußerst in- stabiler und gefährlicher Lage besteht ein Unterschied. Ich erteile das Wort Kollegen Winfried Nachtwei, Wir wären dankbar, wenn Sie uns darüber jetzt Auf- Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen. klärung geben würden. (Beifall bei der CDU/CSU) Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir, die Union, haben in den Ausschüssen und auch Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur schon in den Beratungen, die wir in Kabul mit den dorti- Vorbereitung der heutigen Entscheidung besuchten die gen Militärs hatten, großen Wert darauf gelegt, dass es de- Obleute des Verteidigungsausschusses und des Auswärti- taillierte Notfallpläne für den Fall einer dramatischen Zu- gen Ausschusses vor einigen Wochen zusammen mit dem spitzung der Lage gibt. Die Menschen in Kabul reagieren Außenminister Kabul. Wir sahen überall die Spuren des freundlich auf die ISAF-Truppen. Das sieht man an jeder Albtraums des Krieges und ein Meer grauer, zerstörter Ecke. General Schlenker, der dort das Kommando hat, be- Häuser. Dazwischen aber waren Marktstände, kleine richtet von einer 98-prozentigen Zustimmung. Wenn un- Werkstätten, ja sogar Fahrradparkplätze. Sie waren ein sere Soldaten patrouillieren – sie sind inzwischen 11 000 Zeichen des sich wieder entwickelnden Lebens. Aber wir Patrouillen gefahren, vor allen Dingen mit den Wieseln, sahen auch Slalomsperren, Checkpoints und viele Be- diesen kleinen gepanzerten Fahrzeugen, mit denen sie waffnete, Zeichen der noch immer vorhandenen Gewalt. durch die Stadt fahren –, dann spüren sie, dass sie über- Vor einem Jahr beschloss der Bundestag die Teilnahme all positiv aufgenommen werden. Trotzdem stellt sich der Bundeswehr an der Internationalen Sicherheitsunter- die Frage: Kann man dem angesichts all der Erfahrun- stützungstruppe in Afghanistan. Die PDS-Fraktion lehnte gen, die wir mit den Warlords und den konkurrierenden diesen Beschluss damals als Fehlentscheidung ab und be- Gruppen und Clans in Afghanistan gemacht haben, ver- zeichnete ISAF als bloße „Leibwache der neuen Regie- trauen? rung“. Schon lange, aber heute erst recht können wir Fol- Deshalb ist so ein Notfallplan von großer Wichtigkeit. gendes feststellen: ISAF und die Bundeswehr haben ihren Die Bundeswehr – so hat die Bundesregierung zuge- Auftrag voll und bestens erfüllt. In Kabul wurde dazu bei- sichert – hat einen solchen Notfallplan mit allen ISAF- getragen, dass es dort nun ein einigermaßen sicheres Um- Partnern erarbeitet. Er sieht in einem solchen Notfall die feld gibt und dass erste Fortschritte beim Staatsaufbau 1318 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Winfried Nachtwei (A) und bei der Wiederherstellung eines öffentlichen und beigetragen. Dort werden 1 400 Polizeischüler nicht nur (C) zivilen Lebens gemacht werden konnten. Ohne ISAF aus Kabul, sondern aus dem ganzen Land auf ihre künf- wäre dies undenkbar gewesen. tige Tätigkeit vorbereitet. Diese Polizeischüler wurden zuvor getestet und durchgecheckt. Das ist ein enorm (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- wichtiger Schritt in Richtung eigenständiger Sicherheits- SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) strukturen. Der bisherige ISAF-Erfolg war keineswegs sicher. Er wurde unter anderem aus folgenden Gründen möglich: Die Bundesregierung beantragt nicht nur die Fortset- Vor Ort sind 5 000 ISAF-Soldaten stationiert, von denen zung der deutschen ISAF-Beteiligung für ein Jahr, son- aber nur ungefähr 1 000 auf der Straße, also auf Patrouille, dern auch fast eine Verdoppelung des Kontingents. Der zu sehen sind. Wenn man sich das vorstellt, kommt man Einsatz kostet 410 Millionen Euro. Für die Soldaten ist er zu dem Ergebnis, dass dies in einer unberechenbaren Mil- nicht nur äußerst strapaziös, sondern auch sehr riskant. lionenstadt mit vielen Tausenden von Bewaffneten eigent- Deshalb haben die Steuerzahler und die Soldaten selbst- lich ein extremes Missverhältnis ist. verständlich das Recht auf eine sorgfältige und genaue Begründung dieser Auftragsverlängerung und -erweite- ISAF konnte vor allem auf zwei Säulen Autorität und rung. Akzeptanz herstellen. Erstens war dies aufgrund der eige- nen überlegenen Bewaffnung und Ausstattung möglich, In Afghanistan geht es nicht um unmittelbare Interes- wobei auffällt, wie verhältnismäßig das Auftreten und die sen der Bundesrepublik, nicht um eine Art erweiterte Lan- Bewaffnung sind. Zweitens ging es um eine Strategie des desverteidigung, nicht um ökonomische Interessen. Weil Kontakts, der Offenheit und der Vertrauensbildung, wo- Afghanistan aber der zentrale Ausbildungs- und Rück- durch wirksam Vertrauen zur Bevölkerung geschaffen zugsraum für internationale Terrorismusstrukturen war, werden konnte. ist die Stabilisierung Afghanistans von zentraler Bedeu- tung für die Bekämpfung des internationalen Terrorismus Die ISAF-Präsenz würde auf Dauer allerdings völlig ins und damit für die internationale Sicherheit. Insofern hat Leere laufen und verpuffen, wenn sie nicht mit umfassen- die Bundesrepublik ein hohes mittelbares Interesse an den Wiederaufbauanstrengungen einhergehen würde. Von dem Friedensprozess in Afghanistan. Hinzu kommt: Die diesen möchte ich nur zwei, die die unmittelbare Sicher- Bundesrepublik kann in besonderer Weise dazu beitragen, heit betreffen, ansprechen. Erstens. Afghanistan ist das weil sie im Unterschied zu vielen anderen Mächten als un- am dichtesten mit Minen verseuchte Land der Erde. belastet gilt und historisch nicht in die egoistische Macht- Sicherheit und Wiederaufbau sind ohne beschleunigte und Interessenpolitik auf Kosten Afghanistans verwickelt Minenräumung unmöglich. Hierzu leistet zum Beispiel war. das „Mine Detection and Dog Center“ einen hervorragen- (B) den Beitrag. Allein dieses Zentrum beschäftigt 1 200 Mit- Das deutsche Kontingent ist außerdem längst zentra- (D) arbeiter und verfügt über ungefähr 210 Minenhunde. So le Stütze von ISAF und deshalb unverzichtbar. Aus der etwas gibt es weltweit nicht noch einmal. Die Bundesre- Leistung im Laufe des ersten Einsatzjahres ergab sich publik trägt 50 Prozent des Etats dieser vorzüglichen Or- der internationale Auftrag an die Bundesrepublik, die ganisation. Führungsrolle und damit die militärische Gesamtverant- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- wortung für ISAF zu übernehmen. Vor einem Dreivier- SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) teljahr wäre das nicht möglich gewesen. Inzwischen steht mit dem Stab des ersten deutsch-niederländischen Korps Die Schlüsselfrage des Friedensprozesses ist, wie die aus Münster eine geeignete multinationale Führungsorga- fragile Sicherheit in Kabul stabilisiert und auch landes- nisation zur Verfügung, an der insgesamt 19 Nationen weit gefördert werden kann. Eine ISAF-Ausdehnung beteiligt sein werden. Die NATO leistet bei der Truppen- würde ein Vielfaches der bisherigen Truppenstärken er- stellung und Aufklärung Unterstützung. Die US-Streit- fordern und die Anforderungen an Führung, Logistik usw. kräfte haben Unterstützung für einen schlimmsten Fall potenzieren. Dazu sind die Mitglieder der Staatengemein- zugesagt. schaft eindeutig nicht bereit. Umso wichtiger ist deshalb die Förderung von afghanischen Sicherheitsstrukturen, Man muss – entgegen allen Unterstellungen – hinzufü- das heißt die Hilfe beim Aufbau einer afghanischen gen, dass dieser deutsche Einsatz keine Ausgleichsleis- Armee und einer afghanischen Polizei. tung für unsere Nichtteilnahme an einem möglichen Irak- krieg ist. Diese Auftragsfortsetzung und -erweiterung Die Mitglieder des Verteidigungsausschusses hatten ergibt sich aus der Notwendigkeit und der Leistung vor Gelegenheit, die afghanische Polizei vor Ort – leider Ort und aus nichts anderem. ohne Presse, sodass dies der Öffentlichkeit nicht so be- kannt ist – zu besuchen. Sie alle wissen aber, dass die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bundesrepublik die internationale Führungsverantwor- und bei der SPD) tung beim Aufbau der afghanischen Polizei übernommen Das sind die entscheidenden Aspekte, warum wir den hat. Es ist schon erstaunlich, was zwölf Beamte vom BGS neuen Auftrag für die deutsche ISAF-Beteiligung für un- und von den Länderpolizeien inzwischen bewirkt haben bedingt notwendig und trotz erheblicher Risiken für ver- – sie haben eine koordinierende und beratende Funktion –, antwortbar halten. Wir treffen diese Entscheidung – Kol- insbesondere bei der Ausbildung von Polizisten. lege Pflüger, das haben Sie verfolgen können – deshalb Das Technische Hilfswerk hat binnen kürzester Zeit in keiner Weise routiniert, aufgrund der von mir vorge- zum Wiederaufbau der Polizeiakademie von Afghanistan tragenen Argumente aber selbstverständlich. Deshalb Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1319

Winfried Nachtwei (A) stimmt meine Fraktion dem Antrag der Bundesregierung ghanistan birgt unverändert große Gefahren für Leib und (C) geschlossen zu. Leben unserer Soldaten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vor einigen Wochen habe ich mit einer Gruppe afgha- und bei der SPD) nischer Diplomaten hier im Bundestag gesprochen. Auch während dieses Gesprächs wurde ganz deutlich, wie sehr Abschließend möchte ich den Soldatinnen und Solda- die Menschen in Afghanistan auf die Hilfe der Völkerge- ten einen erfolgreichen Einsatz wünschen. Ich hoffe, dass meinschaften bauen. Sie sehen diese Hilfe mitnichten als sie und ihre Angehörigen, die indirekt betroffen sind, die- sen schweren Einsatz im nächsten halben Jahr wohlbe- eine Selbstverständlichkeit an. Sie baten darum, dass wir halten überstehen. Ich wünsche mir vor allem, dass die- Deutsche ihnen auch in Zukunft mit humanitärer Hilfe zur ser Einsatz durch einen möglichen Irakkrieg, der die Seite stehen und ihnen Hilfe zur Selbsthilfe geben. Situation wieder verschärfen würde, nicht konterkariert (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Michael wird. Glos [CDU/CSU]) Ich danke Ihnen. Erste gute Schritte in diese Richtung sind getan. So ist (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Mithilfe bei der Polizeiausbildung sicherlich ein und bei der SPD) sinnvoller Beitrag zur Stabilisierung der inneren Sicher- heit von Afghanistan. Auch das Goethe-Institut enga- giert sich unermüdlich, den Afghanen bei der Rückbesin- Präsident Wolfgang Thierse: nung auf ihre eigene Kultur zu helfen und nach Jahren der Ich erteile das Wort Kollegen Harald Leibrecht, FDP- Unterdrückung zu ihrer eigenen Identität zurückzufinden. Fraktion. Der Aufbau der Verwaltungsstrukturen und der Bildungs- einrichtungen ist hier ein durchaus wichtiger Ansatz. Das Ende der Diskriminierung der Frauen und Mädchen in der Harald Leibrecht (FDP): afghanischen Gesellschaft ist darüber hinaus von heraus- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Afgha- ragender Bedeutung. nistan haben wir jahrelang Begriffe wie Menschenrechts- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten verletzungen, Unterdrückung, Entrechtung der Frauen der CDU/CSU und des Abg. Gert Weisskirchen und Unterstützung des internationalen Terrorismus ver- [Wiesloch] [SPD]) bunden. Erst durch das entschlossene Handeln unserer amerikanischen Freunde und deren Verbündeter konnten Bei aller humanitärer und militärischer Hilfe dürfen wir niemals vergessen, dass Afghanistan ein selbstständi- dort das Schreckensregime der Taliban und damit auch die ger Staat ist, der seine inneren Angelegenheiten letztend- (B) al-Qaida weitgehend beseitigt werden. Heute können die (D) lich selber anpacken und lösen muss. Wir müssen diesem Menschen in diesem geschundenen Land, in Afghanistan, Land aus einer schwierigen Situation helfen, wir müssen nach mehr als zwei Jahrzehnten endlich wieder Hoffnung es herausbegleiten und in eine Lage versetzen, in der es schöpfen. für sich selber sorgen kann. Wir müssen auch darauf Acht Doch ist das Land weit von dem entfernt, was wir Nor- geben, dass wir nicht in den Geruch kommen, dieses Land malität nennen. Unverändert haben heute noch viel und sein stolzes Volk zu bevormunden. Ich weiß, das ist Afghanen Angst vor Gewalt. Außerhalb Kabuls besteht auch nicht beabsichtigt. durchaus Kriegszustand und die politische Lage ist nach Meine Damen und Herren, am Ende meines Beitrages wie vor absolut fragil. Tausende von Minen fordern täg- möchte ich diese Debatte zum Anlass nehmen, um an die lich unschuldige Opfer. An vielen Orten bekämpfen sich beiden deutschen Soldaten zu erinnern, die am 6. März die Regionalherrscher mit verfeindeten Clans. Durch dieses Jahres beim Entschärfen einer Rakete in Afghanis- diese Machtkämpfe werden die wichtigen Integritätspro- tan ums Leben gekommen sind. Deren Tod zeigt uns, zesse in Afghanistan behindert. Darüber hinaus befinden welch große Verantwortung und welch große Gefahr sich mit sehr großer Wahrscheinlichkeit versprengte Tali- solch ein Mandat mit sich bringt. Wir bekennen uns zu bankämpfer in Kabul und in den umliegenden Bergen. dieser Verantwortung und darum stimmen wir dem Antrag Al-Qaida soll sich im Osten Afghanistans sogar wieder der Bundesregierung auf Verlängerung des ISAF-Man- neu formieren und dort Ausbildungslager für Terroristen dats zu. einrichten. Es steht deshalb außer Frage, dass wir der Sta- bilisierung des Landes und der Region wegen Präsident Ich danke Ihnen. Karzai weiter aktiv stärken. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Trotz erkennbarer Defizite in dem einen oder anderen der CDU/CSU) Bereich erfüllen unsere Einsatzkräfte ihre wichtige Auf- gabe dort ganz hervorragend. Ihnen gebührt unser Dank Präsident Wolfgang Thierse: und Lob. Kollege Leibrecht, ich möchte Ihnen zu dieser Ihrer (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten ersten Rede herzlich gratulieren. der SPD und der CDU/CSU) (Beifall) Unsere Soldatinnen und Soldaten genießen bei den meis- ten Afghanen ein sehr hohes Ansehen. Jedoch dürfen wir Nun erteile ich das Wort Bundesminister Joseph uns davon nicht trügen lassen. Denn der Einsatz in Af- Fischer. 1320 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

(A) Joseph Fischer, Bundesminister des Auswärtigen: Das heißt aber in der Konsequenz – davon konnten wir (C) uns alle überzeugen, ob Angehörige der Koalition oder Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Afgha- der Opposition oder der Bundesregierung –: Schon heute nistan-Konferenz anlässlich des Jahrestages der Peters- ruht die Hauptlast bei ISAF auf dem deutschen Kontin- berg-Konferenz hat klar gemacht, dass das politische Um- gent. Das muss man wissen. Deswegen ist es so wichtig, feld, die politische Lage, die diese langjährige Tragödie in dass wir heute eine Verlängerung des Mandats be- Afghanistan hervorgebracht hat, nach wie vor existiert schließen, damit diese sinnvolle, risikohafte, gleichzeitig und dass es demnach zur internationalen Hilfe, zur politi- aber alternativlose Arbeit an der Sicherung der Stabilisie- schen und zur militärischen Hilfe, zur Sicherheitsstabili- rung des Wiederaufbauprozesses in Afghanistan vorange- sierung, zur Wiederaufbauhilfe keine Alternative gibt, hen kann. Ich denke, es ist klar, dass wir unseren Soldaten wenn man nicht wieder in genau dieselbe Problemsitua- für dieses zweite ISAF-Mandat eine möglichst breite Un- tion zurückfallen will, die zu der Entwicklung geführt hat, terstützung geben, denn ihre Arbeit ist gefahrvoll und ri- mit der wir uns vor über einem Jahr auseinander setzen sikoreich, wie gerade das gestrige Ereignis klar gemacht mussten. hat. Risiken sind nicht auszuschließen. Auch wenn alles Schauen wir heute, im Jahre 1 nach dem Ende des für eine Risikominimierung getan wird – ich betone Kampfs gegen die Taliban, auf Afghanistan, können wir nochmals: es wird alles getan –, bleibt die Situation in Af- sagen: Es sind große Fortschritte gemacht worden. ghanistan ohne jeden Zweifel gefahrvoll. Das kann jeder, Heute können die humanitären Hilfsorganisationen wie- der dort war, schon nach dem ersten Eindruck vor Ort be- der überall im Land arbeiten. Wenn diese Arbeit auch stätigen. Aber diese Mission ist alternativlos und deswe- nach wie vor gefahrvoll bleibt, so kann sie stattfinden. gen verdienen unsere Soldatinnen und Soldaten jede Un- Heute können wir feststellen, dass es zumindest regional terstützung durch das deutsche Parlament. an wichtigen Punkten gelungen ist, mit dem Wiederauf- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei bau zu beginnen, dass zumindest im Großraum Kabul der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP) wieder so etwas wie Staatlichkeit entsteht, dass die Rechte der Frauen und die Rechte von Minderheiten wieder ge- Zu Recht wurde die Frage nach der politischen Per- achtet werden, dass die Taliban-Diktatur zerstört wurde. spektive, nach einem politischen Lösungskonzept ge- Das alles sind beeindruckende Fortschritte. Aber wir stellt. Natürlich kann der Aufbau nicht auf Kabul, so konnten uns davon überzeugen – wir waren mit einer De- wichtig Kabul auch ist, beschränkt bleiben. Gerade die Zerstörungen in Kabul nach dem Abzug der sowjetischen legation in Afghanistan –, dass das Land von einem Zu- Truppen und dem Ende der Invasion durch die damalige stand, den man mit allergrößtem Optimismus auch nur Rote Armee haben klar gemacht, welche Bedeutung der annähernd als Normalität bezeichnen könnte, nach wie Besitz von Kabul für jede afghanische Autorität hat. Es ist vor weit entfernt ist. (B) aber selbstverständlich: Der Zusammenhalt des Landes (D) Politisch müssen wir feststellen, dass vor allen Dingen und der Wiederaufbau machen es notwendig, dass die Zen- die Problemstruktur, die Konfliktstruktur weiterhin exis- tralregierung nicht nur auf die Region Kabul begrenzt ist. tiert. Nach wie vor gibt es rivalisierende, widerstreitende, Zur Sicherung des ganzen Landes ist der Aufbau eines hoch gerüstete, unterschiedliche Interessen im Land; Kol- afghanischen Militärs von entscheidender Bedeutung. lege Pflüger hat die Warlords erwähnt. Nach wie vor ist es Ohne eine eigene afghanische Sicherheitskomponente sehr wichtig, dass die Interessen der regionalen Anrainer- wird die Zentralregierung langfristig nur eingeschränkt staaten, der regionalen Nachbarn nicht wieder kontrapro- handlungsfähig sein. Das muss man klar sehen. Da wir duktiv nach Afghanistan hineinwirken, sondern in die eine demokratische Zentralregierung wollen – der Pro- Wiederaufbaubemühungen eingebunden werden. Des- zess für die Wahlen ist im Zusammenhang mit der Um- halb hat Präsident Karzai für den 22. Dezember nach Ka- setzung des Petersberg-Abkommens angestoßen worden –, bul eingeladen, um eine Vereinbarung über gute regionale kommt diesem Aufbau eine ganz entscheidende Bedeu- Nachbarschaft zu unterschreiben. tung zu. Daran arbeiten vor allen Dingen unsere Partner, Nach wie vor besteht die Gefahr des Terrorismus, des allen voran die USA. Wiedererstarkens, der Reorganisation der Taliban in Ver- An zweiter Stelle steht der Polizeiaufbau. Die Frage, bindung mit der Refinanzierung durch organisierte Kri- wie wir den Drogenanbau besser bekämpfen können, ist minalität, hier vor allen Dingen Drogenkriminalität. Nach nicht nur eine ökonomische und soziale Frage, sondern wie vor besteht auch die Gefahr, dass al-Qaida sich dort auch eine polizeiliche. Beim Aufbau polizeilicher Struk- reorganisiert und sich erneut Ausbildungszentren und turen in Afghanistan leisten deutsche Polizeibeamte – das Rückzugsräume eröffnet. Damit wird klar: Es gibt zum in- kann ich nur noch einmal unterstreichen – eine hervorra- ternationalen Engagement in Afghanistan keine Alterna- gende Arbeit. Das wurde mir von internationalen Partnern tive, wenn wir die Lehren aus dem 11. September 2001 auf bilateraler und auf VN-Ebene bestätigt. Ich möchte wirklich gezogen haben. mich bei den Beamten wie auch beim Innenminister für Ein zweiter Punkt in diesem Zusammenhang wurde bei diese Arbeit herzlich bedanken. der Reise auch klar: Ohne ISAF gibt es keinen Frieden (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und keine Stabilität, gibt es nicht den Ansatz eines Wie- und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der deraufbaus in Kabul. CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Darüber hinaus gibt es ein vielfältiges Engagement der SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Bundesrepublik Deutschland, aber auch vieler anderer Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1321

Bundesminister Joseph Fischer (A) Partnerländer. Wir konzentrieren uns sehr stark auf die Präsident Wolfgang Thierse: (C) Hilfe beim Wiederaufbau des Bildungswesens. Ein Ich erteile das Wort Kollege Christian Schmidt, Schwerpunkt dabei ist Kabul. Der Frage der Überwin- CDU/CSU-Fraktion. dung der Diskriminierung von Frauen und Mädchen ge- rade im Bildungsbereich kommt eine ganz besondere Be- deutung zu. Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU): Die Arbeit – Kollege Pflüger hat sie zu Recht hervor- Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kol- gehoben – der vielen Nichtregierungsorganisationen, die legen! Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt heute: „Der vor allem im zivilgesellschaftlichen Bereich für den Wie- Ohne-Michel in Kabul“. – Ohne mich woanders, deswe- deraufbauprozess unverzichtbar sind, muss man zusam- gen in Kabul. Dies ist ein Thema, über das wir heute auch menfügen. Man muss aber ehrlich hinzufügen: Es wird reden müssen. lange dauern. Bereits zum Kosovo haben wir uns schon Natürlich steht vorneweg die Erkenntnis – darüber sind oft gefragt, ob wir das im Kosovo jemals werden packen wir uns hier im Hause einig –, dass eine internationale Si- können. Ich glaube, Kollege Pflüger und alle anderen, die cherheitspräsenz in Afghanistan notwendig ist. Aber uns nach Afghanistan begleitet haben, wir können eines schon durch die Unterschiede im Titel – Kabul und Af- feststellen: Angesichts dessen, was wir in Kabul gesehen ghanistan – wird deutlich, dass hierin weitaus mehr Pro- und erlebt haben, wissen wir, dass es ein sehr langfristiges bleme liegen, als ab und an auf der Wegstrecke bis hier- Engagement wird. her, bis zum heutigen Tage dargestellt worden ist. Der Kampf gegen den Terror hat immer zwei Ele- Ich verstehe, dass man es in der Koalition ab und zu so mente. Ein Element ist militärisch, polizeilich, geheim- darstellen muss, als würde es sich bei dem, was dort in Ka- dienstlich. Dort, wo Terror existiert, wo sich Terrorismus bul stattfindet, um eine andere Form von Ferienbetreu- organisiert, müssen seine Strukturen zerstört werden. Ge- ungsprogramm handeln, nauso muss aber auch der Nährboden, auf dem sich der Terrorismus entwickeln und aus dem er sich rekrutieren (Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE kann, trockengelegt werden. Das heißt Hilfe zum Natio- GRÜNEN]: Wer tut das denn?) nenbauen. Das ist eine umfassende und sehr langfristige schon allein um die Grundeinstellung der Grünen, um die Aufgabe. Die Sicherungskomponente spielt dabei eine fehlende Achtung vor der Bundeswehr zu übertünchen wesentliche Rolle, dennoch erschöpft sich diese Aufgabe und zu überdecken, Appeasement bis in die eigene Frak- nicht allein in der Sicherungskomponente. tion hinein zu betreiben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU – Winfried Nachtwei (B) (D) Die Bundesregierung weiß sich deshalb beiden Aufgaben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verkrampfte verpflichtet. Opposition!) Man muss der Ehrlichkeit halber sagen: Das wird ein Kurz vor Schluss der Debatte wird dann gestern in der sehr langfristiges Engagement sein. Das muss man wis- „Berliner Zeitung“ deutlich gemacht, wie die Wahrheit sen. Deswegen möchte ich mich bei allen, die heute dem aussieht, dass dies nämlich ein extrem gefährlicher Einsatz neuen Mandat zustimmen – ich hoffe, es wird eine sehr ist. Ich kann dem Verteidigungsminister in der Bewertung, breite Zustimmung hier im Hause geben –, recht herzlich die er in diesem Interview gemacht hat, nur zustimmen. bedanken. Am gestrigen Nachmittag unserer Zeit ist dies auch noch einmal deutlich untermauert worden. Tage vorher haben (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- wir darüber geredet, dass der Eingang unseres Feldlagers SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Warehouse anders gestaltet werden müsse. Dies hat Gott Meine Damen und Herren, lassen Sie mich schließen. sei Dank stattgefunden. Ich stelle fest, dass für den Schutz Ich sehe zur Erneuerung des Mandats keine Alternative. unserer Soldaten Erhebliches getan worden ist. Das Mandat nicht zu erneuern hieße, dass der ISAF-Auf- Aber wie wichtig und wie gefährlich es ist, mit Patrouil- trag nicht erfüllt werden könnte. Er ist für den Frieden, len durch Kabul zu fahren, ist deutlich geworden. Dies den Wiederaufbau und die Stabilität in Afghanistan un- muss allen, wie wir hier sitzen, bewusst sein, wenn wir der verzichtbar. Es ist ein Auftrag der Vereinten Nationen. Bundesregierung das Plazet dafür geben, dass sie diesen Er trägt zum Wiederaufbau der Nationen in Afghanistan Einsatz verlängert, weil wir unsere internationale Verant- bei. wortung sehen. Wir tun dies im Bewusstsein, dass wir der Deswegen: Alle, die dort eingesetzt sind, leisten eine Bundesregierung damit eine große Verantwortung auferle- gefahrvolle, aber unverzichtbare Arbeit. Ich möchte mich gen: dass sie dafür Sorge zu tragen hat, dass im Falle kri- bei den Soldatinnen und Soldaten, aber auch bei allen an- senhafter Zuspitzungen eine Evakuierungsmöglichkeit und deren, die sich im Rahmen dieser gefahrvollen Arbeit für in gewissem Rahmen auch eine Verteidigungsmöglichkeit besteht. Wir müssen fordern, dass die diesbezüglichen Ver- den Wiederaufbau einsetzen, ganz persönlich bedanken. einbarungen mit anderen Ländern eingehalten werden. Ich wünsche ihnen ein frohes Fest, ein gutes neues Jahr und gesunde Heimkehr. Es ist geradezu eine Ironie, dass man diejenigen, denen man anderswo vorwirft, sie wollten Abenteuer machen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: CDU/CSU) Hört, hört!) 1322 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Christian Schmidt (Fürth) (A) nun dringend darum bitten muss, dass sie Transportkapa- Land gibt es sehr viele Waffen. Außerdem gibt es dort sehr (C) zitäten zur Verfügung stellen, um im Notfall – – viele verschiedene Interessen und Völkerschaften. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Der Kollege der FDP hat darauf hingewiesen, dass uns Michael Glos [CDU/CSU]: Die veranstalten im letzten UN-Bericht gewisse Reorganisierungen der Ta- auf der Regierungsbank einen Grünen-Partei- liban und der al-Qaida angezeigt worden sind. Wenn es tag!) diese Reorganisierungen wirklich gibt, dann wird sich irgendwann die Frage stellen, welche Konsequenzen aus – Daran störe ich mich nicht, Herr Kollege Glos, denn ent- dem Engagement für die Sicherheit in Afghanistan – die- weder wird verfahrenswidrig von der Regierungsbank da- ses Engagement ist hier mehrfach beschworen worden – zwischenredet oder geklatscht – was nicht erlaubt ist – zu ziehen sind. Zu klären wäre dann zum Beispiel die oder es wird nicht zugehört. Aber dies ist halt so, so sind sie halt beieinander. Frage, ob Enduring Freedom und ISAF noch zu trennen sind. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster [SPD]: Überhaupt kein Benimm, der Mensch! – Natürlich ist es für uns gegenwärtig bequemer – ge- Dr. [CDU/CSU]: Verantwor- statten Sie, dass ich das so sage; ich will das gar nicht he- tungsloses Pack! – Weitere Zurufe von der runterspielen –, beides zu trennen. Wenn die Entwicklung SPD) zeigt, dass die Aktivitäten der Regionalteams, die versu- chen sollen, ohne deutsche Beteiligung in dem einen oder – Ja, hören Sie einmal zu! Ich höre auch zu. anderen Fall zu schlichten, nicht ausreichen, dann kann es in diesem Lande aufgrund von Auseinandersetzungen Präsident Wolfgang Thierse: schneller zur Stunde der Wahrheit kommen, als uns allen hier lieb ist. Herr Kollege Schmidt, darf ich Sie einen Moment un- terbrechen? Um es ganz klar zu sagen: Wir wollen das nicht. Nicht nur wegen der Burka, nicht nur wegen der Scharia, son- dern auch, weil im Zusammenhang mit der Terror- Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU): bekämpfung die Stabilität der ganzen Region im Wesent- Jawohl, Herr Präsident. lichen von Afghanistan ausgeht, wollen wir nicht, dass in Afghanistan gewisse Dinge wieder eintreten. Wer glaubt, es handele sich hierbei allein um eine Frage von „Natio- Präsident Wolfgang Thierse: nen bilden“, der greift, sehr diplomatisch gesagt, sehr weit Kollege Ramsauer, wir hatten uns in diesem Hause ge- in die Zukunft. (B) (D) legentlich auf einen Stil geeinigt. (Dr. Wolgang Schäuble [CDU/CSU]: Blau- (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Aus gutem äugig!) Grunde!) Diese Auffassung wird mehr von der Hoffnung als von der Deswegen sind Zwischenrufe wie der von Ihnen, – „ver- Erkenntnis der Realität getragen. antwortungsloses Pack“ in Richtung auf die Regierungs- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und bank – zurückzuweisen. der FDP) (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie beim Herr Karzai hat uns das afghanische Militär verspro- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der chen. Wer ist Herr Karzai? Es ist eine hoch reputierliche SPD: Pfui! – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Persönlichkeit, die in Kabul Macht hat. 70 000 Mann Das hat mit der Regierungsbank nichts zu tun!) allein werden die Sicherheit nicht garantieren. Wenn es in diesem Jahr zu Bewegung in Afghanistan kommt, dann Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU): muss man sich dem stellen. Herr Präsident, ich möchte in meiner Rede fortfahren. Ich komme nun auf einen Punkt zu sprechen, der zu Beginn der Debatte eine Rolle gespielt hat. Es geht um die Das Spannungsverhältnis zwischen Kabul und dem Frage, ob die Freiheit, die Sicherheit unseres Landes am restlichen Afghanistan zeigt, dass wir die Sicherheit in Af- Hindukusch verteidigt werden. Herr Minister Struck, Sie ghanistan mit der ISAF-Präsenz allein überhaupt nicht gestatten, dass ich sage: Ich hatte den Eindruck, dass Sie garantieren können. Herr Minister, Sie haben in einer Be- versuchen, das, was Sie in der Presseerklärung gesagt ha- merkung über das Thema Sicherheitspräsenz darauf hin- ben, ein bisschen „einzufangen“. Worauf können wir uns gewiesen. In der Sicherheitspräsenz liegt das Problem. einigen? Die Bekämpfung des internationalen Terrors Wir haben diese Woche die Frage diskutiert, ob es sinn- ist in der Tat ein Teil der Stabilität und damit auch der voll ist, die Aufgaben von ISAF zu ändern. ISAF, das Sicherheit unseres Landes. heißt die Polizeischutzsicherungsgruppe in Kabul für die Regierung und den Flughafen in Kabul. Mehr ist das Ganz weit vorausgedacht kann man sich die Frage stel- nicht. ISAF steht für die Sicherheitspräsenz in einem len: Was wird am Hindukusch gemacht? Ich behaupte, Land, dessen Größe der unseres Landes entspricht. Was dort wird nicht verteidigt, sondern es wird versucht, Sta- die Bewegungsfreiheit in diesem Land und die Verschie- bilität zu erhalten. Das sind nämlich noch immer zwei denheit der Bevölkerungsgruppen in diesem Land angeht, Paar Stiefel. Landesverteidigung und Bündnisverteidi- ist die Situation außerordentlich zersplittert. In diesem gung sind vielleicht nicht mehr so aktuelle Fragestellun- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1323

Christian Schmidt (Fürth) (A) gen, wie sie es vor 15 Jahren waren. Diese Fragestellun- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (C) gen sind deswegen aber nicht überflüssig geworden, auch neten der FDP) wenn sie anders geworden sind. Damit eines völlig klar ist: Wer meint, ohne Mittel in Hindukusch ist das eine, Hindelang und Hinterzarten Kabul mitspielen zu können und meint, deutsche Interes- sind das andere. sen dort, wo es notwendig ist, nicht vertreten zu müssen, wie zum Beispiel im Sicherheitsrat der Vereinten Natio- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – nen, der muss sich die Frage stellen, ob er den Interessen [SPD]: Er kennt sich aus in unseres Landes gerecht wird. Ich kann Ihnen sagen: Er Deutschland!) wird ihnen nicht gerecht. Ob unser Land stabil und sicher vor Terror ist, ist ein (Widerspruch bei der SPD und dem BÜND- Thema, dem sich Innen-, Außen- und Sicherheitspolitiker NIS 90/DIE GRÜNEN – Winfried Nachtwei gemeinsam widmen müssen. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh je!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Da Weihnachten vor der Tür steht, ein versöhnliches Beim Thema Struktur der Bundeswehr – darüber Wort zum Ende. können wir heute an dieser Stelle nicht ausführlich disku- (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ tieren – werden wir uns bei einer Frage treffen, nämlich DIE GRÜNEN: Oh!) bei der Frage, inwieweit wir bereit sind, in unserem eige- nen Land die Strukturen so zu verändern, dass die Bun- Den Soldaten in unserem Lande und in Afghanistan gehört natürlich unsere Solidarität. Sie müssen sich aber deswehr nicht nur als Einsatzarmee zur Verfügung steht sicher sein, dass ihnen die Solidarität aller in diesem – das ist richtig und wichtig –, sondern dass auch ihr zwei- Hause gehört. Darüber hinaus müssen sie wissen, dass sie tes Standbein, die Landesverteidigung, neu definiert wird. so bald wie möglich, wenn es die Situation zulässt, wie- Wenn es stimmt und richtig ist – und es ist richtig –, dass der zurückgeholt werden. an unseren Grenzen Verteidigung nicht mehr prioritär stattfinden muss, dann heißt das aber nicht, dass die Bun- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) deswehr nur jenseits der Grenzen ein Augenmerk braucht; Die Antwort auf diese Fragen steht noch aus. sie muss auch innerhalb der Grenzen ein stärkeres Au- genmerk bekommen. Die Bedrohungen von außen und (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) von innen gehen ineinander über. Das wird die Grundlage aller weiterer Planungen für die Bundeswehr sein müssen. Präsident Wolfgang Thierse: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (B) Ich erteile das Wort dem Kollegen Gerd Höfer, SPD- (D) Wenn man sich die Frage stellt, was und wo man ver- Fraktion. teidigen muss, und wenn man über das Thema Terror- (Dr. [CDU/CSU]: Er ent- bekämpfung diskutiert, dann muss man auch die Frage schuldigt sich jetzt für seinen Kollegen!) nach Massenvernichtungswaffen stellen. (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Sehr Gerd Höfer (SPD): gut!) Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- Wenn man von den Vereinten Nationen Ende Januar hören ren! Es ist sehr erstaunlich, welche Emotionen eine De- sollte, dass Massenvernichtungswaffen unterwegs sind, batte über einen friedenserhaltenden Einsatz in Kabul los- wenn man – – treten kann. Es ist erstaunlich, Herr Kollege Schmidt, wie man allein durch den Begriff „Frieden“ so gereizt werden (Zuruf des Abg. Hans Büttner [Ingolstadt] kann, wie das bei Ihnen gerade der Fall war. [SPD]) (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: – Entschuldigung, hören Sie doch mit diesem saudummen „Kriegstreiber“ hat er gesagt! – Dr. Friedbert Zwischenruf auf! Das ist ein saudummer Zwischenruf! Pflüger [CDU/CSU]: Er hat von Krieg gespro- (Beifall bei der CDU/CSU) chen!) Ich muss das einmal deutlich sagen: Mir reicht es lang- – Herr Pflüger, ich saß etwas näher dran als Sie. Ich sam, in welcher Art und Weise diese selbst ernannten Frie- konnte diese Dinge sicherlich mithören. densapostel meinen, sie könnten hier etwas für sich pach- (Zurufe von der CDU/CSU: Was hat er denn ten. Wir alle hier sind sehr dafür, dass in diesem Lande gesagt? – Sagen Sie, was er gesagt hat! – und auf der Welt Frieden bleibt. Sie sollten sich endlich Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Herr mit solch dummen Bemerkungen zurückhalten! Präsident, machen Sie einen Ordnungsruf! – (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Weitere Zurufe von der CDU/CSU) Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Die wollen – Sie werden mit Ihren dauernden Zwischenrufen alles er- doch unsere Zustimmung!) reichen, nur zwei Dinge nicht: Erstens kriegen Sie mich nicht aus der Ruhe und zweitens will ich Dinge nicht wie- Für den Frieden in der Welt tun diejenigen, die zum rech- derholen, die Sie aufgeregt haben. ten Zeitpunkt bereit sind, Flagge zu zeigen mehr, als die- jenigen, die damit schäbigen Wahlkampf führen. (Zuruf von der CDU/CSU: Aus gutem Grund!) 1324 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Gerd Höfer (SPD) (A) Ich will Sie darauf hinweisen, dass man bei der Beant- Insofern ist den Soldaten zu danken, dass sie eigentlich (C) wortung der Frage, wie man Frieden definieren und wie keine echt militärische, sondern eine polizeiliche Aufgabe man ihn erreichen kann, verschiedene Wege gehen kann. wahrnehmen. Es ist ihnen zu danken, dass sie diesen Auf- Einer dieser Wege ist derjenige, der jetzt durch den ISAF- trag mit großer Umsicht und vor allen Dingen mit einem Einsatz in Kabul beschritten wird. guten, in sich ruhenden Selbstbewusstsein erfüllen und sich dort in keiner Art und Weise gefährden lassen. (Beifall des Abg. Gert Weisskirchen [Wies- loch] [SPD]) Es ist ihnen zu danken, dass sie die Geduld haben, die Fortschritte, die erkennbar sind, abzusichern. Sie können Es gibt weitere Wege, die durchaus in eine Zivilgesell- das Ergebnis ihrer Arbeit nicht sofort sehen, sondern müs- schaft hineinpassen und die andere Ansätze haben als die, sen sehr lange darauf warten, zum Beispiel darauf, dass die mit Militär zu tun haben. sie durch eine selbstbewusste afghanische Polizei, die in Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, wie man Kabul Streife geht, abgelöst werden können, die die Sol- innerhalb dieser Debatte an die Regierung zumindest ver- daten letztlich ersetzen kann. Der Einsatz in Kabul ist ein steckte Vorwürfe richten kann. Davon haben wir dann Schlüsseleinsatz für eine künftige Sicherheit für das ge- auch hinreichend genug bekommen. Es ist schon samte Land. Es braucht nicht die Frage gestellt zu werden, schlimm, wenn in einem Zwischenruf von Verantwor- ob eine räumliche Ausdehnung des Einsatzes geschehen tungslosigkeit gesprochen wird. Ich würde mich dafür muss. Denn wenn Kabul sicher ist und von Kabul aus Si- entschuldigen, dies überhaupt gesagt zu haben. cherheit für das Land ausgehen kann, bekommt man dem- nächst auch die Sicherheit über das ganze Land. Ich hoffe, (Zuruf des Abg. Michael Glos [CDU/CSU]) dass der Versuch der Amerikaner und der Briten – wie ich Es ist aber auch eine andere Art der Verharmlosung, gelesen habe –, mit kleinen Einheiten in anderen Städten wenn man eine Rede damit beginnt, anderen zu unterstel- etwas zu bewegen, erfolgreich ist und damit weitere Si- len, sie stimmten dem Einsatz nur zu, weil das in Kabul so cherheit in das Land gebracht werden kann. eine Art Ferienbetreuung sei. Auch dies ist eine ziemlich (Beifall bei Abgeordneten der SPD) heftige Unterstellung. Ich glaube nicht, dass die Kolle- ginnen und Kollegen von den Grünen nicht genauso in der Insofern besteht kein Spannungsverhältnis zwischen Lage sind, Risiken einzuschätzen, wie jeder auf der Kabul und Afghanistan, sondern es geht um eine Ent- Oppositionsbank dies kann. wicklung, die sich von Kabul aus auf Afghanistan er- strecken muss. Ohne Kabul ist dort nichts zu machen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der zweite Hinweis von Herrn Schmidt war in seiner Leichtigkeit und in seiner leise vorgetragenen Art beinahe (B) Also, eine Ferienbetreuung ist das Ganze nicht. perfide. Zu versuchen, das Verhalten der Bundesregierung (D) in zwei verschiedenen Politikfeldern in einem Satz mit- Es ist auch nicht bequem, Enduring Freedom von einander zu verknüpfen, ist leichtfertig. Die Frage der ISAF zu trennen. Ich halte es militärisch aber für dringend Evakuierung und der selbstverständlichen NATO-Kame- notwendig, dass beide Mandate getrennt werden, denn radschaftshilfe hat nichts mit dem zu tun, was möglicher- beide Mandate haben verschiedene Aufträge. Damit sind weise in einem anderen Land geschehen soll. Heute wird wir beim militärischen Teil dieser Dinge. Als Reserveof- in der Presse berichtet, dass noch nicht über einen An- fizier bin ich es gewohnt, nach Aufträgen zu handeln, die griffsbefehl befunden worden ist. mir politisch gegeben werden. Ein Vergleich der beiden Vorhaben zeigt, dass beide (Michael Glos [CDU/CSU]: Sie haben sich als sehr sauber und klar voneinander zu trennen sind. Das Offizier normal auch anständig anzuziehen!) heißt, das Zusammenwirken mit den Amerikanern bei ei- Die Trennung der beiden Mandate Enduring Freedom und nem möglichen schnellen Abzug der Truppen hat nichts ISAF ist dringend geboten, weil die Aufträge, die verge- mit dem zu tun, was in einer anderen Region der Welt ge- ben worden sind, völlig andere sind. plant ist. Ich halte es für selbstverständlich, dass die Trup- pen von Verbündeten, die im selben Land im Einsatz sind, Enduring Freedom ist der Auftrag, der speziell der Ter- gegenseitig die notwendige Hilfe leisten. rorbekämpfung dient. ISAF ist ein Auftrag, um Stabilität zu gewähren. Diese Trennung bedeutet ein völlig anderes Die Soldaten in Kabul werden gebraucht, weil es dort Verhalten auch für die Soldaten, bedeutet völlig andere keine zivilen Strukturen gibt. Ihr Einsatz ist nicht nur ein Rules of Engagement und bedeutet eine völlig andere Be- Ausdruck von Verteidigung, sondern Soldaten sind – um wertung ihrer Sicherheit. Die Unsicherheit in der Bewer- mit Bert Brecht zu sprechen – auch ein Ausdruck von ei- tung der Sicherheitslage besteht darin, dass die Sicherheit gener Souveränität. Wir sollten endlich damit aufhören, nicht militärisch bedroht ist, sondern durch eine Gesell- im Zusammenhang mit dem Thema Soldaten nur in schaft in Afghanistan, die in ihren zivilen Strukturen in- Freund-Feind-Bildern zu denken. Vielmehr gibt es eine in stabil ist, in ihren zivilen Strukturen bandenähnliche Ein- sich ruhende, selbstverständliche Souveränität, die auch heiten, aber auch Fanatiker beinhaltet. Wer die Sicherheit von Soldaten abgesichert werden kann und wird. Wenn die in Kabul eingesetzten Soldaten ein ähnliches Selbstver- der Bundeswehrsoldaten in Kabul gefährdet, ist nicht er- ständnis haben sollten, dann wäre das auch im Sinne der kennbar. In einer militärischen Struktur wäre das erkenn- inneren Führung und des Staatsbürgers in Uniform richtig. bar. Denn dann hätte man Kombattanten, man könnte sie schon allein an der Uniform erkennen; so kann man es (Dr. Werner Hoyer [FDP]: Jubel bei den eben nicht. Grünen!) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1325

Gerd Höfer (SPD) (A) Die Frage – um zum Ende zu kommen –, wie hoch das terstützung durch Entsendung eines deutschen Bun- (C) Risiko für die Soldaten ist, hat der versuchte Einbruch in deswehrkontingents fortzusetzen. Daher wird die FDP- das deutsche Lager beantwortet. Die Frage der Sicherheit Bundestagsfraktion dem Antrag der Bundesregierung zu- kann nicht militärisch beantwortet werden, sondern sie stimmen. kann nur nach zivilen Kriterien beurteilt werden. Denn es Anfang dieses Jahres waren sich der Kanzler und handelt sich nicht um einen echten militärischen Einsatz; sein damaliger Verteidigungsminister darin einig, dass vielmehr nehmen die Soldaten dort polizeiähnliche Auf- die Bundeswehr mit der Übernahme der internationalen gaben wahr. Die Unsicherheit und die Gefahren, mit de- Führungsrolle in Afghanistan überfordert wäre. Die FDP- nen die Soldaten konfrontiert sind, gehen nicht von for- Bundestagsfraktion hat das schon damals anders gesehen. mierten Truppen aus, sondern sie können von einem Aber die Zeiten ändern sich. Ebenso schnell ändern sich Individuum bzw. von einzelnen Gruppen oder Kriminel- die Auffassungen und Aussagen der Bundesregierung. len in Kabul ausgehen. Die Soldaten sind allen Gefahren Deutschland wird ab Februar des nächsten Jahres zusam- der bestehenden zivilen Strukturen ausgesetzt. Insofern men mit den Niederländern die Führungsrolle überneh- besteht kein Widerspruch zu der Einschätzung der Lage in men und die deutsche Truppenpräsenz in Kabul auf bis zu Kabul durch Minister Struck. 2 500 Soldaten erhöhen. Das ist richtig und findet die Un- Ich habe den Kameradinnen und Kameraden in Kabul terstützung der FDP-Bundestagsfraktion. für ihre Geduld und Souveränität zu danken, mit denen sie (Beifall bei der FDP) ihren Auftrag wahrnehmen. Ich hoffe auch, dass die Sol- datinnen und Soldaten ein ruhiges Weihnachtsfest und ei- Der damals zitierte Personalmangel scheint auf wun- nen guten Jahreswechsel verleben und dass sie gesund dersame Weise behoben zu sein. Aus anderen Gebieten und munter wieder nach Hause kommen. wie Mazedonien und Kosovo werden Soldaten abgezogen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Es sieht so aus, als ob nur so die Präsenz in Afghanistan ge- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) währleistet werden kann. Dies ist aus unserer Sicht der falsche Weg. Richtig wäre es gewesen, die Bundeswehr schneller und konsequenter auf die neuen Anforderungen Präsident Wolfgang Thierse: auszurichten. Dann hätten wir schon heute eine größere Ich erteile dem Kollegen Günther Friedrich Nolting, Zahl von einsatzbereiten Soldatinnen und Soldaten für die FDP-Fraktion, das Wort. neuen Aufgaben der Bundeswehr. Die Einsicht, dass mehr einsatzbereite Soldaten für die Günther Friedrich Nolting (FDP): vielfältigen Einsätze der Bundeswehr gebraucht werden, kam bei der Bundesregierung zu spät. Von Weitsicht und (B) (D) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr vorausschauendem Handeln ist nichts zu spüren. Die Kollege Höfer, wir alle haben nichts gegen Zwischenrufe, Bundesregierung ist Weltmeister im Reagieren. Das Agie- aber es kommt schon auf die Qualität an. ren und das gestalterische Handeln hat sie nicht nur im (Beifall des Abg. [SPD]) Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik aus ihrem Re- pertoire gestrichen. Wenn dem Kollegen Schmidt unterstellt wird, er wolle den Krieg – er wurde in der letzten Sitzung als „Kriegs- (Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie bei treiber“ bezeichnet –, der CDU/CSU) (Zuruf von der FDP: Pfui!) Wichtig ist nun, für die Beteiligten die Risiken des Einsatzes zu minimieren. So muss, einer Bedrohungs- dann sollten Sie in der SPD-Fraktion einmal über Stil und analyse folgend, zum Beispiel der Aktionsradius der Sol- den Umgang miteinander reden und darüber, wie Sie mit daten auf die Umgebung von Kabul ausgeweitet werden. der Opposition verfahren. Allein dadurch könnten die Gefahren, die aus den umlie- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) genden Bergen drohen, frühzeitig erkannt und bekämpft werden. Der Kollege Niebel hat auf dieses Problem schon Sie sollten auch überlegen, wie verantwortungsvoll bzw. an anderer Stelle aufmerksam gemacht. verantwortungslos Sie bei diesem Thema agieren. Das ist eine Frage des Stils, mit der Sie sich auseinander zu set- (Beifall bei der FDP) zen haben. Es gibt eine ganze Reihe von anderen Fragen: Wie sieht (Widerspruch bei der SPD – Zuruf von der es mit einem Notfallexit aus? Ist dieser überhaupt durch- SPD: Was ist mit Ramsauer?) führbar? Wie schnell können unsere Soldaten und auch die Mitglieder der Nichtregierungsorganisationen aus Meine Damen und Herren, unsere Soldatinnen und dem Land herausgeholt werden, wenn es zu einer Ver- Soldaten unterstützen den politischen Befriedungspro- schlechterung der Lage in Afghanistan kommen sollte? zess in Afghanistan mit militärischen Mitteln. Tagtäglich patrouillieren Soldaten verschiedenster Nationen durch Ich will einen weiteren Punkt ansprechen. Der Kollege Kabul und schützen durch Präsenz und mutiges Eingrei- Nachtwei hat auf die Notwendigkeit des Minenräumens fen die Arbeit der Übergangsregierung. Dabei riskieren hingewiesen. Ich frage mich allerdings, warum im aktuel- sie ihr Leben. Ich denke, dafür gebührt ihnen unsere len Regierungsentwurf nur noch rund 2,2 Millionen Euro Hochachtung. Wie gefährlich dieser Auftrag ist, mussten enthalten sind, wohingegen für den Haushalt 2003 ein wir gestern leider erfahren. Trotzdem gilt es, die Un- Bedarf von 11 Millionen Euro angemeldet wurde. Herr 1326 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Günther Friedrich Nolting (A) Bundesminister Fischer, Sie versuchen, große Reden zu Namen der Menschenrechte begangen werden, keinerlei (C) halten, aber es folgen keine Taten. Hier wird reine Sym- Kritik an den amerikanischen Verbündeten, die daran be- bolpolitik praktiziert. Damit werden Sie Ihren Aufgaben teiligt sind, gehört. nicht gerecht. Hinzu kommt – ich zitiere Herrn Minister Struck –, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten dass Sie meinen: „Landesverteidigung findet heute weit der CDU/CSU) außerhalb des Landes, zum Beispiel am Hindukusch, statt.“ Damit segeln Sie, Herr Verteidigungsminister, im Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Nur mit an- kreuzgefährlichen Sog der neuen US-Doktrin. Sie kreu- gemessener Vor- und Umsicht kann dieser militärische zen auf völkerrechtswidrigem Terrain. Sie tun das nicht Einsatz als ein Beitrag für einen dauerhaften Frieden gel- nur mit Worten, sondern Sie richten die Bundeswehr ent- ten. Die Verantwortung, die mit einer Zustimmung zur sprechend aus und die Bundesrepublik darauf ein. Auch Verlängerung des ISAF-Mandats verbunden ist, ist groß. das lehnt die PDS grundsätzlich ab. Wir sind uns dessen bewusst. Wir werden zustimmen. (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch Vielen Dank. [fraktionslos]) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Nun sagt Rot-Grün Ja zum Afghanistaneinsatz der der CDU/CSU) Bundeswehr und zugleich Nein zu einer deutschen Betei- ligung an einem Irakkrieg. Beides lässt sich aber weder Präsident Wolfgang Thierse: geographisch noch militärisch trennen und im Übrigen auch nicht rechtlich. Oder wollen Sie mir ernsthaft das Ich erteile Kollegin Petra Pau das Wort. Bild vermitteln, dass dann, wenn die US-Armada auf den Irak losgelassen wird, sich die Kommandeure der deut- Petra Pau (fraktionslos): schen Spürpanzer in Kuwait eine Scherpe mit der Auf- schrift „Keine Gewalt!“ überstreifen, die deutschen Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich Schiffe am Horn von Afrika eine weiße Fahne hissen und möchte vor allem einem Eindruck widersprechen, dem die deutschen AWACS-Flieger lediglich noch die Kolla- Eindruck, es handele sich heute um eine Routineentschei- teralschäden zählen und bedauern? Das alles glauben Sie dung, dem Eindruck, etwas Begonnenes solle lediglich zu doch selbst nicht. einem guten Ende geführt werden, und dem Eindruck, der Worte zu diesem Gegenstand seien genug gewechselt. Die Gefahr, dass Deutschland erneut zündelt und auch Dieser Eindruck trügt und das soll er wohl auch. Helfershelfer wird, ist daher riesengroß. Ohne Not und verantwortungslos hat die Bundesregierung Überflug- (B) Das Afghanistanmandat soll verlängert werden, das und andere Hoheitsrechte abgetreten, und zwar ausdrück- (D) deutsche Kontingent soll verdoppelt werden und die Bun- lich auch für den Fall, dass die USA und andere NATO- deswehr soll eine Führungsrolle übernehmen. Das ist Staaten einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen keine Routine. Das ist eine neue Qualität. den Irak führen. Mein Kollege Wolfgang Gehrcke hat des- (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch halb den Bundeskanzler nach § 80 des Strafgesetzbuches [fraktionslos]) bei der Bundesanwaltschaft angezeigt. Rot-Grün begrüßt das alles. Die Opposition zur Rechten (Dr. Werner Hoyer [FDP]: Ihr ehemaliger stimmt im Prinzip zu. Es bleibt die PDS im Bundestag. Kollege!) Wir lehnen das ab. Das macht den Unterschied. Es geht nämlich um den Amtseid, um das Friedensgebot Erinnern wir uns noch einmal: Ausgangspunkt der mi- im Grundgesetz und um eine friedliche Welt. Auch dieser litärischen Afghanistanmission waren die furchtbaren An- Debatte versuchen Sie stillschweigend auszuweichen. schläge in den USA am 11. September 2001. Bin Laden Im heute diskutierten Antrag zum Afghanistaneinsatz und sein Netzwerk galten als Quelle des Terrors, heißt es lapidar, er koste 409,6 Millionen Euro und da- Afghanistan als Hort der Planer weltweiter Verbrechen, für sei Vorsorge getroffen. Die Entwicklungsministerin die Drahtzieher des Terrors sollten dingfest gemacht und Wieczorek-Zeul sprach unlängst über den Wiederaufbau bestraft werden. Gemessen an diesem Ziel ist der Erfolg in Afghanistan und sagte, dafür habe die Bundesregierung eher mäßig, weshalb Sie den Sinn der Militäroperation im Jahre 2002 insgesamt 126 Millionen Euro bereit- auch ständig umdeuten. Wir haben immer gesagt: Der gestellt. Rechnen Sie mit, liebe Kolleginnen und Kolle- Kampf gegen den Terrorismus lässt sich gewinnen, ein gen: Das Verhältnis zwischen Militäreinsätzen und huma- Krieg gegen den Terrorismus nicht. Sie haben den Krieg nitärer Hilfe beträgt demnach vier zu eins zugunsten des gewählt und wollen ihn nun ausweiten. Militärischen. Genau das beschreibt ein grundsätzliche Reden wir doch einmal Klartext über die humane Mis- Missverhältnis deutscher Politik. Wir kritisieren das. Auch deshalb sagt die PDS im Bundestag Nein. sion, die Sie hier ständig bemühen: Die ARD hat am Mittwoch eine Reportage des irischen Journalisten Doran (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch gesendet. Es ging dabei um Massaker und Kriegs- [fraktionslos]) verbrechen – geduldet von und verantwortet durch US-Militärs. Ich habe hier kein Wort von den Massakern Präsident Wolfgang Thierse: in Afghanistan, die in dem Film dokumentiert sind, keine Widerrede zu den Menschenrechtsverletzungen, die im Ich erteile das Wort Kollegen Gert Weisskirchen. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1327

(A) Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD): (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (C) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es schade, dass in den letzten Beiträgen zu dieser Genau in zwei Tagen kann Hamid Karzai auf eine ein- Debatte die Menschen in Afghanistan, die darauf warten, jährige Präsidentschaft zurückblicken. In dieser Zeit hat dass wir ihnen helfen, eigene Formen für ein selbstorga- sich in Afghanistan sehr viel zum Positiven verändert. Wir nisiertes Leben zu entwickeln, hier leider nicht mehr zur alle – darüber ist heute bereits gesprochen worden – ken- Sprache gekommen sind. Ich finde das sehr schade. nen die Bedrohungssituation. Natürlich gibt es, Kollege Pflüger, noch immer Warlords in den unterschiedlichen (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Regionen um Kabul herum. Im Norden, Süden, Westen Ich will auch sagen, warum: Afghanistan, das zwischen und Osten gibt es noch immer die Einflüsse von Mord- mächtigen Nachbarn eingezwängt ist und das so viele brennern, Verbrechern, Mafiosi und Kriegsfürsten, die ge- Jahrhunderte einen Weg zur Selbstbestimmung gesucht nauso agieren, wie es – das gehört zu unserem kollektiven hat, hat zum ersten Mal nach einem ungeheuer schreckli- Gedächtnis – im Dreißigjährigen Krieg der Fall gewesen chen Zeitraum von 23 Jahren, in dem ein Krieg dem an- ist. deren gefolgt ist und in dem das Land die Erfahrung ge- Umso dringender und wichtiger ist es, dass die Zen- macht hat, dass Mächtige von außen, die das Land zum tralmacht in Kabul gestärkt wird. Natürlich ist zu Recht Teil überfallen haben, Gewalt nach innen getragen haben die Frage zu stellen, Christian Schmidt: Wie ist es mit der und dass diese Gewalt im Innern aufgenommen und ver- Sicherheit in Herat oder anderswo? Ich finde es auch gut, stärkt worden ist – Brutalität und Gewalt bestimmen also dass die USA nun endlich beginnen, dafür zu sorgen, dass das kollektive Gedächtnis der Menschen in Afghanistan –, zumindest kleine militärische Teams in die Regionen hi- die Chance, eine ganz andere Erfahrung zu machen. Die- nausgehen und dadurch die Sicherheit über Kabul hinaus ses Land kann nämlich erfahren, dass Gewalt nicht von in die Regionen hineintragen. Das ist richtig, das ist not- außen nach innen getragen sowie im Innern verstärkt, wendig und das ist sinnvoll. Wir sollten uns irgendwann zeitlich verlängert und noch brutaler ausgeübt wird, son- später überlegen, was wir dazu beitragen können, sodass dern dass eine Chance von außen gegeben wird, dass Si- auch dies verändert werden kann. cherheit von außen nach innen getragen wird. Nur so kann die Außenwelt als etwas verstanden werden, was die in- Kollege Niebel, wir waren dort nere Entwicklung vorantreibt. Es ist entscheidend, dass ( [FDP]: Jetzt glaubt mir das die Menschen Sicherheit erfahren. Deshalb brauchen wir meine Frau wenigstens!) die ISAF und deshalb werden wir der dritten Verlänge- rung des Mandats zustimmen. und haben gesehen, wie zukunftsfreudig und hoffnungsvoll (B) die Kinder an den Straßen beobachten, wie die Internatio- (D) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten nalen versuchen, dem Land zu helfen. Die Bundeswehr des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) trägt zusammen mit den Nichtregierungsorganisationen Lieber Christian Schmidt, Sie haben die zentrale Frage dazu bei, diesen Menschen, den jungen zumal, Hoffnung zu – Sie haben sie leider nicht so beantwortet, wie die Men- geben. Ich bedanke mich dafür. Was dort im Auftrag der schen in Afghanistan das empfinden – angesprochen. Sie deutschen Bundesregierung geleistet wird, ist, finde ich, haben anzudeuten versucht, dass die Frage der Nationen- eine großartige Leistung. bildung viel zu früh gestellt sei. Ich sage Ihnen: Nein, sie (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE ist nicht zu früh gestellt. Jetzt ist sie vielmehr so gestellt, GRÜNEN und der FDP) dass die Menschen selber die Arbeit in die Hand nehmen können. Ende Oktober fand in Kabul eine wunderbare Hamid Karzai ist eine eindrucksvolle Persönlichkeit; Jugendkonferenz statt, die von der Bundesregierung, na- wir haben es hier im Auswärtigen Ausschuss des Bun- mentlich von Frau Ministerin Heidemarie Wieczorek- destages selbst erlebt. Es kommt nicht von ungefähr, was Zeul, mitfinanziert wurde. Dort hatten sich 240 Jugendli- er, als wir dort gewesen sind, in einem offenen und auch che – davon waren 100 Mädchen – aus allen Landesteilen durchaus kontroversen Gespräch zu über versammelt und haben darüber debattiert, wie die Zukunft die Deutschen gesagt hat. Lieber Christian Schmidt, ich des Landes aussehen soll. Sie haben zum ersten Mal – das möchte gern, dass Sie das in dem Artikel von Peter Münch berichten Beteiligte – die Erfahrung der Begegnung von heute in der „Süddeutschen Zeitung“ nachlesen. Peter Mädchen und Jungen im Rahmen eines Austauschs von Münch hat ja nicht nur eine Überschrift geschrieben, son- unterschiedlichen Meinungen gemacht. Es hat eine leb- dern auch in der Substanz etwas gesagt. Er hat zum Bei- hafte und kontroverse Debatte stattgefunden. Unterschied- spiel Hamid Karzai wie folgt zitiert: „Wir vertrauen den liche Gruppierungen aus allen Landesteilen haben mit- Deutschen blind.“ Das ist, finde ich, eine wunderbare Er- einander gerungen und debattiert, um eine neue Basis für klärung dafür, dass es nötig ist, dass es sinnvoll ist, dass ein Afghanistan zu schaffen, das ein anderes Afghanistan es auch politisch geboten ist, das dritte Mandat von ISAF ist, als es sich in vielen Jahren, besonders in den letzten, zu unterstützen, zu verstärken und heute zu beschließen. gezeigt hat. Ich finde, dass dies ein tolles Zeichen dafür In der Tat: Es gibt ein Vertrauensverhältnis zwischen ist, wie die Arbeit der internationalen Gemeinschaft und Afghanen und Deutschen. Es ist lange gewachsen. Dieses besonders der Bundesregierung mithilft, dass ein neues, Vertrauensverhältnis ist eine feste Grundlage für die ein anderes Afghanistan von unten, aus der Gesellschaft, Hilfe. Das Goethe-Institut, die Armani-Oberschule und heranwächst. Das neue Afghanistan nimmt das Leben in andere Schulen beispielsweise werden gebaut. Dort kön- die eigene Hand. nen Jungen und Mädchen gemeinsam eine neue Erfahrung 1328 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Gert Weisskirchen (Wiesloch) (A) machen, nämlich dass sie nicht von Geschlechts wegen men, die es gibt, unbestreitbar. Das macht deutlich, dass (C) getrennt werden, sondern gemeinsam lernen, ein Afgha- die von der internationalen Staatengemeinschaft einge- nistan aufzubauen, das ein anderes Bild zeigt, das der Welt schlagene Politik im Grundsatz richtig war und deswegen zeigt: Dieses Land Afghanistan hat ein so starkes inneres auch fortgesetzt werden sollte. An dieser Sachgerechtig- Potenzial, so eine Fähigkeit, die Zukunft selber friedlich keit orientieren wir uns bei unserer Politik und nicht an zu erobern, dass dieses Afghanistan auch wirklich unter- den beschimpfenden Zwischenrufen, die hier von Rot- stützt werden muss. Grün kommen. Wir Deutsche leisten unseren Beitrag dazu. Über die (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) 80 Millionen Euro hinaus, die in diesem Jahr zugesagt worden sind, leistet Deutschland – es ist vorhin schon zi- An diesen sachgerechten Fragen orientieren wir uns. Des- tiert worden – allein in diesem Jahr 160 Millionen Euro wegen tragen wir dies mit. dafür, dass Bildung neu aufgebaut wird und dass bei- Die beispielhaften Leistungen der Soldatinnen und spielsweise neue Schulbücher geschrieben werden. Das Soldaten und die großen Opfer, die sie und ihre Familien entspricht auch dem, was die UNESCO-Konferenz, die bringen, sind schon angesprochen worden. Wir tun si- Jugendkonferenz, die ich schon angesprochen habe, be- cher gut daran, auch alle engagierten und couragierten schlossen hat. Junge Menschen – ich zitiere das, was sie Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfer und selbst beschlossen hat; das können Sie in ihrer Erklärung alle Angehörigen der Hilfsorganisationen in diesen nachlesen, die sich an die Regierung, an die Gesellschaft Dank ausdrücklich einzuschließen. Sie leisten ihren und an die internationale Gemeinschaft richtet – wollen Einsatz unter mindestens ebenso großen Gefahren und eine Erziehung ohne Vorurteile, eine Erziehung ohne Dis- Anstrengungen und haben unseren Respekt allseits ver- kriminierung und eine Erziehung, die darauf gerichtet ist, dient. dass sich die unterschiedlichen Gruppen in Afghanistan versöhnen. Das zeigt, dass die Zeichen – die Bundesrepu- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) blik Deutschland arbeitet ja mit den anderen 26 Nationen Ohne den militärischen Erfolg der internationalen in ISAF zusammen – in der Gesellschaft aufgenommen Staatengemeinschaft gegen das Talibanregime gäbe es gar werden. keine Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwicklungs- In zwei Tagen wird Hamid Karzai das zweite Jahr sei- politik. Aber umgekehrt gilt auch: Wenn in Afghanistan ner Präsidentschaft erleben können. Am 22. Dezember keine erfolgreiche Entwicklungspolitik gelingt, kann – das möchte ich am Schluss sagen – wird nicht nur die auch aller militärischer Einsatz letztlich nicht erfolgreich Regierung Karzai auf ein Jahr guter Arbeit zurückblicken sein. Die Bundeswehr wird umso mehr in Gefahr geraten, können, sondern es wird auch eine gemeinsame Erklärung je weniger der Wiederaufbau funktioniert. Das ist für uns (B) von Afghanistan, Iran, Turkmenistan, Usbekistan, Tadschi- ein ganz wichtiges Thema. Es ist eigentlich schade, dass (D) kistan, China und Pakistan, also der Länder in der Region, alle rot-grünen Entwicklungspolitiker in dieser Debatte geben. Sie werden eine gemeinsame Erklärung verab- schweigen müssen. schieden, eine Freundschaftserklärung, in der die Nach- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) barn Afghanistans sagen: Wir möchten mit euch Afghanen zusammenarbeiten; wir wollen eine Freundschaftserklä- Die Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanistan rung abgeben. Wir wollen uns nicht mehr von außen in muss umfassend konzipiert sein und schnelle Wirksam- eure inneren Angelegenheiten einmischen. Wir wollen keit zeigen. Nur so erreichen wir eine rasche Besserung euch respektieren. der wirtschaftlichen Situation zugunsten der verarmten Bevölkerung im Land. Dass es dabei auf afghanischer Genau das ist der wichtige historische und qualitative Seite, wo sämtliche notwendigen Institutionen von null an Sprung, den Afghanistan braucht, damit es seine eigene erst aufgebaut werden müssen, noch Probleme gibt, wird selbstbestimmte Zukunft hat und damit die Menschen, niemanden verwundern. insbesondere die jungen, die so lange so schreckliche Kriege haben erleiden müssen, sich jetzt selbst auf den Ärgerlich ist aber aus unserer Sicht, dass es auf der Ge- Weg in eine neue Zukunft machen können. Ich bin froh, berseite offensichtlich immer noch an einem abgestimm- dass wir heute mit dem Beschluss dazu beitragen können, ten internationalen Wiederaufbaukonzept mangelt. Dieser dass Afghanistan diesen Weg gehen kann. Mangel fängt bei uns schon national bei den sattsam be- kannten Abstimmungsproblemen zwischen dem Aus- Vielen Dank. wärtigen Amt und dem Entwicklungshilfeministerium an. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Das muss dringend behoben werden. DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU) Wir vermissen auch ein schlüssiges Konzept der Ge- Präsident Wolfgang Thierse: berinstitutionen, wie es denn nun zu der ausgewogenen Ich erteile das Wort dem Kollegen Ralf Brauksiepe, Entwicklung zwischen Kabul einerseits und den Provin- CDU/CSU-Fraktion. zen des Landes andererseits, die immer angemahnt wird, kommen soll. Die Unterstützung für die Zentralregierung, die auch seitens unserer Bundesregierung immer wieder Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): betont wird, ist sicher wichtig. Aber eine erfolgreiche und Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der auf Dauer angelegte Entwicklungspolitik kann sich unse- bisherige Erfolg des ISAF-Mandates ist bei allen Proble- rer Meinung nach darin nicht erschöpfen. Wir brauchen Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1329

Dr. Ralf Brauksiepe (A) eine Vision, wie eine ausgewogene Struktur zwischen Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist doch eine (C) Kabul und dem Rest des Landes aussehen soll. alarmierende Entwicklung. Es ist völlig klar, dass der wirtschaftliche Wiederaufbau nicht von heute auf morgen Der Sturz des Talibanregimes bietet endlich die gelingen kann. Es ist klar, dass er sich langsam vollzieht. Chance, dass Demokratieförderung, Frauenförderung und Aber wenn man sich diesen Teil der Entwicklung ansieht, der Aufbau einer Zivilgesellschaft in Afghanistan voran- dann muss man sagen: Es geht nicht darum, dass die Ent- kommen. Völlig unstrittig ist auch, dass gerade in der ers- wicklung zu langsam ist. Vielmehr vollzieht sich hier eine ten Zeit eines solchen Einsatzes natürlich humanitäre rasante Entwicklung in die falsche Richtung. Die interna- Hilfe notwendig ist. Aber als Unionsfraktion sagen wir tionale Gebergemeinschaft muss geschlossen und ent- genauso klar: Wenn man die derzeitige afghanische Re- schlossen handeln und gegensteuern. Auch ist ein klares gierung gegenüber ihren internen Gegnern wirkungsvoll entwicklungspolitisches Konzept erforderlich, das die stützen will, dann braucht man auch schnelle und sicht- Anreize, in die illegale Drogenproduktion im Lande zu in- bare Zeichen des Wiederaufbaus von Straßen und vestieren, beseitigt. Brücken, der Strom- und Wasserversorgung, von Schulen, Krankenhäusern, Flughäfen usw. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Eine solche in sich geschlossene entwicklungspoliti- sche Konzeption, die wir anmahnen, die wir aber bisher Das heißt, wir brauchen eine Belebung der Wirt- auch bei der Bundesregierung nicht sehen, wird auf ab- schaft. Wir wissen, dass Sie, Rot-Grün, sich bei dem sehbare Zeit militärisch abgesichert werden müssen. Thema Belebung der Wirtschaft auch anderswo schwer Auch hier darf man sich keinen Illusionen hingeben. Dies tun. Aber wir brauchen eine Belebung der Wirtschaft wird nicht das letzte Mal sein, dass wir über die Verlän- durch Investitionen in die materielle Infrastruktur. Wir gerung des ISAF-Mandats zu entscheiden haben. Es wird brauchen Bauaktivitäten, die zumindest für eine Über- noch einen langen Atem brauchen. Der entwicklungspoli- gangszeit wichtige Einkommen bei den Menschen schaf- tische Weg, der gegangen werden muss, muss noch lange fen. Gerade Präsident Karzai hat darauf immer wieder militärisch abgesichert bleiben. Deswegen findet der An- drängend, zuletzt noch bei der Petersberg-Konferenz, hin- trag der Bundesregierung zur Verlängerung dieses Man- gewiesen. dats heute unsere Zustimmung. Ich glaube, die afghanische Regierung betont zu Recht, Wir wünschen den Soldatinnen und Soldaten, ihren Fa- dass fehlende schnelle Fortschritte beim materiellen milien und allen, die sich in diesem Land in Hilfsorgani- Wiederaufbau des Landes das Vertrauen in die Regierung sationen engagieren, viel Erfolg bei ihrem Einsatz und unterminieren und den nach wie vor vorhandenen radika- Gottes Segen für ihre Arbeit. (B) len Kräften in die Hände spielen. Diese Sorge müssen wir (D) ernst nehmen und jetzt, im zweiten Jahr dieses Einsatzes, Vielen Dank. auch unsere Prioritäten entsprechend auf diese harten (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Faktoren ausrichten. neten der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus vielen Berichten Präsident Wolfgang Thierse: wissen wir, dass es zurzeit eine beachtliche Aufbruch- Ich schließe die Aussprache. stimmung in der Bevölkerung Afghanistans gibt, und zwar insbesondere in Kabul, zum Teil aber auch außer- Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- halb der Hauptstadt. Allerdings beobachten wir auch mit empfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksa- Sorge, dass wirtschaftliche Aktivitäten im Lande zum Teil che 15/223 zu dem Antrag der Bundesregierung zur in die falsche Richtung gehen. „Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streit- kräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheits- Zwar blüht der Handel allenthalben wieder sehr stark. unterstützungstruppe in Afghanistan“. Der Ausschuss Aber noch wird im Land kaum etwas bzw. zu wenig pro- empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/128 anzuneh- duziert. Dort, wo produziert wird, geht die Entwicklung men. Es ist namentliche Abstimmung verlangt worden. zum Teil in die falsche Richtung. Afghanistan spielt be- Zur Abstimmung liegt eine persönliche Erklärung des kanntlich schon seit langem eine sehr unrühmliche Rolle Kollegen Börnsen vor.1 beim Drogenanbau und beim internationalen Drogen- handel. Dieses Problem verschärft sich in letzter Zeit of- Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die fenkundig. vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Ist das geschehen? – Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Im Entwicklungshilfeausschuss, aus dem ich dies be- richten kann, haben wir dies in dieser Woche von der Bun- Hat eine anwesende Kollegin oder ein anwesender desregierung selber gehört. Dort wurde uns berichtet, dass Kollege seine Stimme noch nicht abgegeben? – Das ist of- mittlerweile wieder 75 Prozent des europäischen Heroin- fensichtlich nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstim- marktes, also drei Viertel, aus Afghanistan versorgt wer- mung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, den. Die Mohnernte ist in Afghanistan exorbitant ge- mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der na- stiegen. In diesem Jahr ist sie aktuellen Zahlen zufolge zehn- bis fünfzehnmal höher, als dies noch im letzten Jahr der Fall gewesen ist. 1 Anlage 2 1330 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Präsident Wolfgang Thierse (A) mentlichen Abstimmung wird Ihnen später bekannt gege- Diese Klarstellung zum Ursprungsantrag haben wir (C) ben.1 vorgenommen. Wir haben darüber einstimmig befunden. Damit ist klargestellt, dass es richtig war, den Geschäfts- Wir setzen die Beratungen fort. Ich bitte Sie, liebe Kol- ordnungsausschuss mit diesem Antrag zu befassen. leginnen und Kollegen, Platz zu nehmen, damit wir die Beratungen zum nächsten Tagesordnungspunkt aufneh- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jerzy men können. Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Ronald Pofalla [CDU/CSU]: Reine Zeitschin- Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf: derei!) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Es wäre nicht richtig gewesen – wie es einige befürwortet richts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immu- haben –, mit großer Hast vorzugehen, zumal dies allein nität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss) zu dem dazu gedient hätte, mit diesem Ausschuss ein Wahlkampf- Antrag der Abgeordneten Dr. Angela Merkel, instrument zu haben. Das haben wir als Mehrheit verhin- Michael Glos, Volker Kauder, weiterer Abgeord- dert, weil wir insoweit eine Verantwortung gegenüber der neter und der Fraktion der CDU/CSU Verfassung gesehen haben. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN) – Drucksachen 15/125, 15/256 – Wir haben in dem Antrag nun klargestellt, dass Vereinba- rungen, die den Kernbereich exekutiver Eigenverantwor- Berichterstattung: tung betreffen, von irgendwelchen Überprüfungen ausge- Abgeordnete Christine Lambrecht nommen sind. Ronald Pofalla (Köln) (Ronald Pofalla [CDU/CSU]: War nie Jürgen Koppelin beabsichtigt!) Wir haben den Antrag auch ergänzen müssen. Das Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Bundesverfassungsgericht lässt solche Ergänzungen Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich höre ausdrücklich dann zu, wenn dadurch ein umfassenderes keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. und wirklichkeitsgetreueres Bild gewonnen wird. Genau Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem dem dient unsere Ergänzung des Untersuchungsauftrages, Kollegen Klaus Uwe Benneter, SPD-Fraktion. wenn wir den Ausschuss nun damit befassen, dass er zu klären hat, inwiefern seit der Wiedervereinigung Progno- (B) (D) sen und Modellrechnungen zutrafen und ob die Staatspra- Klaus Uwe Benneter (SPD): xis im Jahr 2002 wesentlich von der der Jahre seit 1990 Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Damit abgewichen ist. Insofern war dies wichtig: Wir können ein keine Missverständnisse aufkommen: Dieser Untersu- exakteres und wirklichkeitsgetreueres Bild erlangen, als chungsausschuss ist überflüssig. wenn wir es bei dem einengenden Antrag der CDU/CSU belassen hätten. (Beifall bei der SPD) Wir betreten mit diesem Untersuchungsausschuss dop- Er ist überflüssig, weil mit ihm offensichtlich etwas ganz pelt Neuland. Wir betreten juristisches Neuland. Denn anderes beabsichtigt ist als die Aufklärung von Missstän- zum ersten Mal geht ein Untersuchungsausschuss des den. Aber die Verfassung gibt auch den Minderheiten Deutschen Bundestages nach einem Untersuchungsaus- Rechte. schussgesetz vor. Insofern werden wir sicher die eine (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Hört! Hört!) oder andere Klippe überwinden müssen. Es wird sich zei- gen, ob die Kolleginnen und Kollegen, die in der letzten Es macht den Rang und den Wert unserer Demokratie aus, Legislaturperiode dieses Gesetz neu geschaffen haben, an dass Minderheiten auch Überflüssiges beantragen und alles gedacht haben. durchsetzen können. Allerdings muss die Mehrheit da- rauf achten, dass solche Begehren verfassungskonform Aber wir betreten auch deshalb Neuland, weil zum ers- bleiben. Deshalb haben wir diesen Antrag im Geschäfts- ten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik zumindest ordnungsausschuss behandelt. mittelbar Wahlaussagen und Wahlversprechen zum Un- tersuchungsgegenstand eines solchen Ausschusses ge- Zum einen musste geprüft werden, ob dieser Antrag macht werden. überhaupt bestimmt genug ist, um den Anforderungen an die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu (Zuruf von der CDU/CSU: Regierungsamt- genügen. Zum anderen musste geprüft werden, ob nicht liche Verlautbarungen!) der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung tan- Deshalb ist es gerade für uns als Mehrheit wichtig, dass giert ist. Denn dieser Bereich wird vom Bundesverfas- dieses Minderheiteninstrument, dieses Minderheitenrecht sungsgericht der Exekutive zugestanden und ist der parla- nicht missbraucht wird, mentarischen Kontrolle insoweit entzogen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei 1 Ergebnis Seite 1332. der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1331

Klaus Uwe Benneter (A) dass es nicht zu einem Krawallausschuss kommt, (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Brutalst- (C) schnell!) (Zuruf von der CDU/CSU) Frau Merkel, für Sie müssten wir ja eigentlich einen dass der Ausschuss nicht dem Klamauk dient und dass er Extra-Untersuchungsausschuss einrichten, insbesondere auch keine Bühne darstellt für irgendwelche angeblich spontanen Ausbrüche von Politikern, gleich (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des welcher Couleur. Wir werden mit unserer Mehrheit der BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) politischen Kultur in der Weise dienen, dass wir ein denn Ihr Kollege Merz hat sich darüber beklagt, Sie hät- wichtiges Instrument für Minderheitenrechte nicht ver- ten ihm vor den Wahlen Versprechungen gemacht, die Sie kommen lassen. nach den Wahlen nicht eingehalten haben. (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Kro- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten kodilstränen!) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – (Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Michael Glos [CDU/CSU]: Sie sind aber sehr Kastner) witzig!) Ich gehe davon aus, dass wir die Sacharbeit sehr zügig So weit wollen wir nicht gehen, durchführen. Die Behauptung, wir würden irgendetwas (Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist aber verzögern wollen, hat sich ja jetzt schon als unrichtig he- großzügig! – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: rausgestellt. Wir haben sehr zügig gearbeitet. Noch nicht!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) sondern wir wollen mit Ihnen gemeinsam die Minderhei- Der Geschäftsordnungsausschuss hat sich so zügig, wie es tenrechte wahren und deshalb heute den Untersuchungs- nur ging, mit der Sachlage befasst und gestern bis spät in ausschuss einsetzen. die Nacht getagt, (Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben doch nur (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Angst!) um zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis zu kommen. – Wovor sollen wir Angst haben? Wir zeigen ja gerade durch die Art und Weise unseres nicht zögernden, sondern (Zurufe von der CDU/CSU: Wann kommen unverzüglichen Vorgehens, denn Eichel und Schröder?) (Lachen bei der CDU/CSU) Sie sollten es nicht gering schätzen, wenn die Mehrheit (B) (D) hier alles tut, damit die Minderheit so zügig zu ihrem dass wir keine Angst haben. Recht kommt, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Aber eines machen wir nicht: Wir werden kleinen Kla- wie es das Gesetz vorsieht. mauk zulassen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Ronald Pofalla [CDU/CSU]: Sie machen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Un- doch Klamauk!) ruhe bei der CDU/CSU) Wer meint, er müsse nur bestimmte Zeugen hören und das Deshalb wird dieser Untersuchungsausschuss heute möglichst noch vor dem 2. Februar, der macht deutlich, unverzüglich eingesetzt. dass es ihm ausschließlich darum geht, den Wahlkampf mit anderen Mitteln fortzusetzen. Nehmen Sie endlich zur (Ronald Pofalla [CDU/CSU]: Das ist ja lächer- Kenntnis, dass Sie die Bundestagswahl verloren haben lich! Es hätte schon in der letzten Sitzung pas- und solche Ausschüsse nicht dazu da sind, die Wahlaus- sieren können!) einandersetzung fortzusetzen. Wir könnten uns ja darauf verständigen, die konsti- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ tuierende Sitzung dieses Ausschusses erst in der nächsten DIE GRÜNEN) Sitzungswoche im neuen Jahr einzuberufen. Auch das wäre noch zügig im Sinne des Untersuchungsausschuss- gesetzes. Aber nein, wir haben uns darauf verständigt, den Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Untersuchungsausschuss schon zehn Minuten nach dieser Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, gebe Debatte einzusetzen, um einem konstituierten Untersu- ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über chungsausschuss die Möglichkeit zu geben, so schnell die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses wie möglich mit der Arbeit zu beginnen. zu dem Antrag der Bundesregierung „Fortsetzung der Be- teiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Ein- (Beifall bei Abgeordneten der SPD, des satz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungs- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der truppe in Afghanistan“ bekannt. Abgegebene Stimmen CDU/CSU) 576. Mit Ja haben gestimmt 565. Mit Nein haben ge- Sie sollten wirklich beachten, dass wir hier fair und sach- stimmt 9. Enthaltungen 2. Die Beschlussempfehlung ist lich vorgehen. damit angenommen. 1332 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner

(A) Endgültiges Ergebnis Dieter Grasedieck Eckhart Lewering Fritz Schösser (C) Abgegebene Stimmen: 576 Götz-Peter Lohmann Wilfried Schreck Gabriele Lösekrug-Möller davon Gabriele Groneberg Erika Lotz Gerhard Schröder ja: 565 Achim Großmann Dr. Gisela Schröter nein: 9 Wolfgang Grotthaus Dirk Manzewski Brigitte Schulte (Hameln) enthalten: 2 Karl Hermann Haack Tobias Marhold Reinhard Schultz (Extertal) Lothar Mark (Everswinkel) Hans-Joachim Hacker Ja (Spandau) Dr. Angelica Schwall-Düren Klaus Hagemann Dr. Martin Schwanholz SPD Alfred Hartenbach Markus Meckel Dr. Lale Akgün Michael Hartmann Ulrike Mehl Erika Simm (Wackernheim) Petra-Evelyne Merkel Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Ingrid Arndt-Brauer Anke Hartnagel Ulrike Merten Dr. Cornelie Sonntag- Nina Hauer Wolgast Hermann Bachmaier Ursula Mogg Wolfgang Spanier (Neuruppin) Reinhold Hemker Michael Müller (Düsseldorf) Dr. Margrit Spielmann Rolf Hempelmann Christian Müller (Zittau) Jörg-Otto Spiller Dr. Hans-Peter Bartels Dr. Barbara Hendricks Gesine Multhaupt Dr. Ditmar Staffelt Eckhardt Barthel (Berlin) Franz Müntefering (Starnberg) Petra Heß Dr. Rolf Mützenich Rolf Stöckel Sören Bartol Monika Heubaum Volker Neumann (Bramsche) Christoph Strässer Sabine Bätzing Gabriele Hiller-Ohm Rita Streb-Hesse Uwe Beckmeyer Stephan Hilsberg Dr. Erika Ober Dr. Peter Struck Klaus Uwe Benneter Gerd Höfer Holger Ortel Joachim Stünker Dr. Axel Berg Jelena Hoffmann (Chemnitz) Heinz Paula Jörg Tauss Walter Hoffmann Johannes Pflug Jella Teuchner Hans-Werner Bertl (Darmstadt) Joachim Poß Dr. Gerald Thalheim (Wismar) Dr. Wilhelm Priesmeier Wolfgang Thierse Frank Hofmann (Volkach) Franz Thönnes Eike Hovermann Dr. Hans-Jürgen Uhl Gerd Friedrich Bollmann Klaas Hübner Karin Rehbock-Zureich Rüdiger Veit Klaus Brandner Christel Humme Gerold Reichenbach Simone Violka (B) Willi Brase Lothar Ibrügger Dr. Carola Reimann Jörg Vogelsänger (D) Bernhard Brinkmann Brunhilde Irber Christel Riemann- (Pforzheim) (Hildesheim) Renate Jäger Hanewinckel Dr. Marlies Volkmer Hans-Günter Bruckmann Jann-Peter Janssen Hans Georg Wagner Klaus Werner Jonas Reinhold Robbe Hedi Wegener Marco Bülow Johannes Kahrs René Röspel Andreas Weigel Ulla Burchardt Ulrich Kasparick Dr. Ernst Dieter Rossmann Petra Weis Dr. Michael Bürsch Dr. h. c. Susanne Kastner Karin Roth (Esslingen) Reinhard Weis (Stendal) Hans Martin Bury Michael Roth (Heringen) Matthias Weisheit Hans Büttner (Ingolstadt) Hans-Peter Kemper Gerhard Rübenkönig Gunter Weißgerber Marion Caspers-Merk Klaus Kirschner Gert Weisskirchen Dr. Hans-Ulrich Klose Marlene Rupprecht (Wiesloch) Martin Dörmann Astrid Klug (Tuchenbach) Dr. Ernst Ulrich von Peter Dreßen Dr. Heinz Köhler Thomas Sauer Weizsäcker Detlef Dzembritzki Anton Schaaf Jochen Welt Fritz Rudolf Körper Axel Schäfer (Bochum) Dr. Siegmund Ehrmann Karin Kortmann Gudrun Schaich-Walch Lydia Westrich Rolf Kramer Inge Wettig-Danielmeier Marga Elser Bernd Scheelen Dr. Margrit Wetzel Gernot Erler Ernst Kranz Dr. Andrea Wicklein Petra Ernstberger Nicolette Kressl Siegfried Scheffler Jürgen Wieczorek (Böhlen) Karin Evers-Meyer Volker Kröning Horst Schild Heidemarie Wieczorek-Zeul Annette Faße Dr. Hans-Ulrich Krüger Dr. Dieter Wiefelspütz Elke Ferner Angelika Krüger-Leißner Horst Schmidbauer Brigitte Wimmer (Karlsruhe) Horst Kubatschka (Nürnberg) Engelbert Wistuba Rainer Fornahl Ernst Küchler (Aachen) Barbara Wittig Gabriele Frechen Helga Kühn-Mengel Silvia Schmidt (Eisleben) Dr. Dagmar Freitag Ute Kumpf (Meschede) Verena Wohlleben Lilo Friedrich (Mettmann) Dr. Uwe Küster Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Waltraud Wolff Iris Gleicke Christine Lambrecht Heinz Schmitt (Berg) (Wolmirstedt) Günter Gloser Christian Lange (Backnang) Heidi Wright Uwe Göllner Christine Lehder Walter Schöler Renate Gradistanac Waltraud Lehn Manfred Helmut Zöllmer Angelika Graf (Rosenheim) Dr. Elke Leonhard Karsten Schönfeld Dr. Christoph Zöpel Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1333

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner (A) CDU/CSU Peter Götz Wolfgang Meckelburg (C) Dr. Wolfgang Götzer Dr. Andreas Storm Dr. Angela Merkel Kurt-Dieter Grill Matthäus Strebl Peter Altmaier (Hamm) (Heilbronn) Dietrich Austermann Hermann Gröhe Doris Meyer (Tapfheim) Michael Stübgen Michael Grosse-Brömer Michaela Tadjadod Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck Markus Grübel Edeltraut Töpfer (Reutlingen) Klaus Minkel Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Christoph Bergner Holger Haibach Dr. Gerd Müller Volkmar Uwe Vogel Hildegard Müller Dr. Stefan Müller (Erlangen) Andrea Astrid Voßhoff Ursula Heinen Bernward Müller (Gera) Gerhard Wächter Siegfried Helias Marco Wanderwitz Uda Carmen Freia Heller Günter Nooke Peter Weiß (Emmendingen) Dr. Georg Nüßlein Gerald Weiß (Groß-Gerau) Dr. Maria Böhmer Jürgen Herrmann Franz Obermeier Melanie Oßwald Annette Widmann-Mauz Ernst Hinsken Klaus-Peter Willsch Dr. Wolfgang Bötsch Rita Pawelski Werner Wittlich Klaus Brähmig Robert Hochbaum Dr. Peter Paziorek Dagmar Wöhrl Dr. Ralf Brauksiepe Ulrich Petzold Wolfgang Zeitlmann Joachim Hörster Dr. Wolfgang Zöller Hubert Hüppe Dr. Friedbert Pflüger Willi Zylajew Monika Brüning Dr. Dr. Egon Jüttner Ronald Pofalla BÜNDNIS 90/ Verena Butalikakis Bartholomäus Kalb DIE GRÜNEN Hartmut Büttner Steffen Kampeter Daniela Raab (Schönebeck) Irmgard Karwatzki Cajus Caesar Bernhard Kaster Hans Raidel (Bremen) Peter H. Carstensen Volker Kauder Dr. Peter Ramsauer Volker Beck (Köln) (Nordstrand) Siegfried Kauder (Bad Helmut Rauber Dürrheim) Peter Rauen Gerlinde Kaupa Christa Reichard (Dresden) (B) Albert Deß Grietje Bettin (D) Jürgen Klimke Hans-Peter Repnik Vera Dominke Julia Klöckner Klaus Riegert Ekin Deligöz Thomas Dörflinger Kristina Köhler (Wiesbaden) Dr. Dr. Thea Dückert Marie-Luise Dött Manfred Kolbe Jutta Dümpe-Krüger Maria Eichhorn Norbert Königshofen Franz Romer Dr. Uschi Eid Hartmut Koschyk Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Hans-Josef Fell Thomas Kossendey Dr. Klaus Rose Joseph Fischer (Frankfurt) Dr. Hans Georg Faust Rudolf Kraus Kurt J. Rossmanith Katrin Dagmar Göring- Albrecht Feibel Günther Krichbaum Dr. Christian Ruck Eckardt Dr. Günter Krings Volker Rühe Ingrid Fischbach Dr. Martina Krogmann (Weiden) Hartwig Fischer (Göttingen) Dr. Hermann Kues Peter Rzepka Antje Hermenau Dirk Fischer (Hamburg) (Zingst) Anita Schäfer (Saalstadt) Peter Hettlich Axel E. Fischer Dr. Karl A. Lamers Dr. Wolfgang Schäuble Ulrike Höfken (Karlsruhe-Land) (Heidelberg) Hartmut Schauerte Thilo Hoppe Dr. Dr. Michaele Hustedt Klaus-Peter Flosbach Barbara Lanzinger Georg Schirmbeck Dr. Hans-Peter Friedrich Karl-Josef Laumann Christian Schmidt (Fürth) Renate Künast (Hof) Andreas Schmidt (Mülheim) Markus Kurth Erich G. Fritz Werner Lensing Dr. Andreas Schockenhoff Undine Kurth (Quedlinburg) Jochen-Konrad Fromme Peter Letzgus Dr. Ole Schröder Dr. Reinhard Loske Dr. Michael Fuchs Ursula Lietz Bernhard Schulte-Drüggelte Anna Lührmann Hans-Joachim Fuchtel Walter Link (Diepholz) Jerzy Montag Dr. Jürgen Gehb Eduard Lintner Wilhelm Josef Sebastian Kerstin Müller (Köln) Kurt Segner Winfried Nachtwei Dr. Michael Luther Matthias Sehling Christa Nickels Dorothee Mantel Marion Seib Friedrich Ostendorff Georg Girisch Heinz Seiffert Simone Probst Michael Glos (Recklinghausen) Bernd Siebert (Augsburg) Ralf Göbel (Altötting) Dr. Reinhard Göhner Conny Mayer (Baiersbronn) Christine Scheel Tanja Gönner Dr. Martin Mayer Irmingard Schewe-Gerigk Josef Göppel (Siegertsbrunn) Christian Freiherr von Stetten Rezzo Schlauch 1334 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner (A) Albert Schmidt (Hitzhofen) Otto Fricke Hans-Joachim Otto (Emstek) (C) (Berlin) (Bayreuth) (Frankfurt) Petra Selg Rainer Funke Eberhard Otto (Godern) Henry Nitzsche Ursula Sowa Dr. Detlef Parr Rainder Steenblock Hans-Michael Goldmann Willy Wimmer (Neuss) Joachim Günther (Plauen) Gisela Piltz Hans-Christian Ströbele Dr. Dr. FDP Jürgen Trittin Dr. Christel Happach-Kasan Dr. Günter Rexrodt Marianne Tritz Marita Sehn Jürgen Koppelin Hubert Ulrich (Homburg) Dr. Klaus Haupt Dr. Antje Vogel-Sperl Dr. Max Stadler fraktionslos Dr. Ulrich Heinrich Carl-Ludwig Thiele Birgit Homburger Dr. Ludger Volmer Dr. Dieter Thomae Dr. Gesine Lötzsch Dr. Werner Hoyer Josef Philip Winkler Jürgen Türk Petra Pau Margareta Wolf (Frankfurt) Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. Claudia Winterstein Harald Leibrecht FDP Enthalten Ina Lenke Nein (Münster) Sabine Leutheusser- Schnarrenberger CDU/CSU CDU/CSU Helga Daub Markus Löning Dr. Christian Eberl Dirk Niebel Dr. Susanne Jaffke Jörg van Essen Günther Friedrich Nolting Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Norbert Schindler

Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Peter Zu dieser Fairness gehört, keine Vorverurteilungen Altmaier, CDU/CSU-Fraktion. vorzunehmen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Lachen und Zustimmung bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Peter Altmaier (CDU/CSU): stand aber in Ihrem Beschluss noch anders!) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit heute ist klar: Der Unter- Aber wir haben den Ausschuss natürlich deshalb durchgesetzt, weil wir aus dem Studium der uns vorlie- (B) suchungsausschuss kommt. Er kommt mit unserem ur- (D) sprünglichen Antrag und er kommt gegen all Ihren Wider- genden Akten stand, gegen all Ihre Verzögerungstaktik. Das ist ein Sieg (Hubertus Heil [SPD]: Welche Akten sind das für die politische Kultur und eine Niederlage für alle, die denn? – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Welche versucht haben, dieses Minderheitenrecht zu vereiteln. Akten? Woher hat der Mann Akten?) (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Dieter und Ihrer Äußerungen in der Öffentlichkeit inzwischen Wiefelspütz [SPD]: Haben wir gestern was den Eindruck und den konkreten Verdacht gewonnen ha- falsch gemacht, Herr Altmaier?) ben, dass der Bundeskanzler, der Bundesfinanzminister, – Da können Sie noch so viel schreien. der Bundesarbeitsminister und die Bundesgesundheitsmi- nisterin in der Tat nicht nur das Parlament, sondern auch Ich möchte das wiederholen, was ich Ihnen in der letz- die Menschen und die Öffentlichkeit in unserem Land vor ten Debatte von dieser Stelle aus angeboten habe: Wir der Wahl getäuscht haben, indem sie die Unwahrheit über können bei allem Streit um die Einsetzung und das Man- die wirtschaftliche Lage im Land gesagt haben. dat und bei aller Gegnerschaft, die in der Politik normal ist und auch in diesem Untersuchungsausschuss stattfin- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – den wird, Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Welche Akten (Jörg Tauss [SPD]: Nein, die ist nicht mehr haben Sie?) normal!) Mein Eindruck ist übrigens, dass das außer den Be- in diesem Ausschuss fair und sachlich zusammenarbeiten. troffenen selbst niemand mehr ernsthaft bestreitet, sogar Wir sollten uns über Regelungen verstehen und uns vor- auf Ihrer Seite nicht. Das ist der Grund für die Einsetzung nehmen, den Menschen, die uns heute vor den Fernseh- dieses Ausschusses, der diesem Verdacht nachgehen wird. bildschirmen, aber auch bei den Sitzungen des Ausschus- Der Untersuchungsausschuss kann diesen Verdacht be- ses und unseren öffentlichen Aktivitäten zuschauen, nicht stätigen, er kann ihn aber auch widerlegen. Er kann Sie Politik zum Abgewöhnen, sondern ein Beispiel dafür zu weiter belasten oder entlasten. Deshalb war es eigentlich bieten, wie man im Parlament fair miteinander streiten auch nachvollziehbar, dass Ihr Parlamentarischer Ge- und umgehen kann. schäftsführer Wilhelm Schmidt am 24. November erklärt hat: Wir werden (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP – Hans-Christian Ströbele sofort Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundes- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann fangen finanzminister Hans Eichel laden, damit sie noch im Sie heute mal damit an!) Dezember aussagen können, was wirklich geschah. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1335

Peter Altmaier (A) Von dieser Zusage wollen Sie inzwischen nichts mehr (Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck (C) wissen. Sie flüchten sich in Verfahrenstricks. Sie tun al- [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie les, um über den Termin der Landtagswahlen am 2. Fe- scheuen sich bloß, selber die Wahrheit sagen zu bruar zu kommen, müssen!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sie wissen im Grunde genau: Was Sie heute be- schließen, hat in Karlsruhe genauso wenig Bestand wie weil Sie selbst nicht mehr daran glauben, dass Ihnen der Ihre Trickserei im Bundesrat zum Zuwanderungsgesetz. Entlastungsbeweis gelingen wird. Wir bieten Ihnen, Herr Müntefering, wenn Sie zu (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Ihrem Wort stehen, an, auf alle Fristeinreden zu verzich- Ulrich Heinrich [FDP]) ten. Dass Sie es trotzdem tun und versuchen, sich wie ein an- (Christine Lambrecht [SPD]: Wir haben das geschlagener Boxer über die Runden zu retten, gemacht!) (Lachen bei Abgeordneten der SPD) Wir sind bereit, zu jeder Tages- und Nachtzeit, zu Wasser, ist kein Zeichen von Stärke, sondern ein Zeichen wach- zu Lande und in der Luft, im Dezember, im Januar mit Ih- sender Verzweiflung und Panik. nen im Ausschuss zu arbeiten und dafür zu sorgen, dass Herr Eichel und Herr Schröder ihre Version zu Protokoll (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – geben können. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wir haben Ihnen wohl damit Angst ge- (Beifall des Abg. Christian Freiherr von Stetten macht, dass wir stundenlang darüber geredet [CDU/CSU] – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/ haben!) DIE GRÜNEN]: Erste Sitzung am 24. Dezember, 18 Uhr!) Ich kann dies ja verstehen, weil Sie in der Diskussion über diesen Untersuchungsausschuss inzwischen auch in Dann werden wir sehen, was die Akten hergeben und die der Öffentlichkeit hoffungslos in die Defensive gedrängt Beamten aus den Ministerien sagen. Ich sage Ihnen: Auf worden sind. diese Auseinandersetzung freuen wir uns. Denn es darf in der Politik nicht der Eindruck entstehen, dass Politiker, (Jörg Tauss [SPD]: Oh nein!) Minister und Staatssekretäre, einfach so reden, wie sie es Es ist doch richtig, dass es zu Anfang Zweifel gab. Auch für richtig halten, in unseren eigenen Reihen gab es diese Zweifel. Inzwi- (Christine Lambrecht [SPD]: Roland Koch!) schen aber sagt die Mehrheit der Bevölkerung: Dieser (B) Ausschuss ist richtig. Ich zitiere aus einer Umfrage für (D) egal ob es der Wahrheit entspricht oder nicht. das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ von der vorletz- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf ten Woche: 68 Prozent der 19- bis 29-Jährigen finden von der SPD: Wir tagen im U-Boot am Nord- diesen Ausschuss richtig. Daran sollten Sie sich bei Ih- pol!) rer Kritik orientieren. Je mehr Sie von Klamauk reden, je mehr Sie verzögern und tricksen, desto größer wird Meine Damen und Herren, Ihre Verzögerungstaktik Ihr Glaubwürdigkeitsproblem in der Öffentlichkeit ist vielleicht nicht besonders aktuell, sie ist auch nicht sein. überzeugend, aber sie ist immerhin legal, soweit sie im gesetzlichen Rahmen Ihrer Mehrheitsrechte im Ausschuss (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. bleibt. Ulrich Heinrich [FDP]) (Jörg Tauss [SPD]: Legal ist gut!) Die Menschen draußen haben erkannt: Es geht nicht um irgendwelche Wahlkampfreden und irgendwelche Was Sie aber heute dabei sind zu tun, lieber Herr Kollege, Wahlversprechen. geht weit über das hinaus. Sie sind mit Ihrem Änderungs- antrag, mit Ihrem Ergänzungsantrag zu unserem Einset- (Widerspruch bei der SPD) zungsbeschluss an der Schwelle zum offenen Verfas- Es geht um die zentrale Frage, ob die Regierung, ob sungsbruch. Minister und Staatssekretäre die Wahrheit gesagt haben. (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei Die Pflicht zur Wahrheit haben sie zu jedem Zeitpunkt, der SPD) egal ob gerade Wahlen stattfinden oder nicht. Daran wer- den wir Sie in diesem Untersuchungsausschuss messen. Ich bitte Sie, sich wirklich noch einmal zu überlegen, ob Sie mit Ihrem Abstimmungsverhalten nachher bereit (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- sind, neten der FDP) (Jörg Tauss [SPD]: Ja!) Meine Damen und Herren, lassen Sie diesen Ausschuss zu einer Chance werden. zum ersten Mal in der Geschichte dieses Bundestages und in der Geschichte der Untersuchungsausschüsse durch den Beschluss der Mehrheit das Recht der Minderheit in Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: verfassungswidriger Weise so zu bepacken und zu über- Herr Kollege Altmaier, Ihre Redezeit ist zu Ende. frachten, dass der eigentliche Untersuchungsauftrag nicht mehr wahrgenommen werden kann. (Zuruf von der SPD: Gott sei Dank!) 1336 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

(A) Peter Altmaier (CDU/CSU): Bevor ich auf diese drei Gründe zu sprechen komme, (C) will ich noch einige grundsätzliche Bemerkungen ma- Ich komme sofort zum Ende, Frau Präsidentin. – Las- chen. Natürlich haben Sie als die Minderheit in diesem sen Sie uns in diesem Ausschuss in der gebotenen Sach- Hause ein verfassungsmäßig abgesichertes Recht auf die lichkeit, in der gebotenen Kürze über das sprechen, was Einsetzung eines solchen Untersuchungsausschusses. aufzuklären ist, und lassen Sie uns dann darüber sprechen, wie wir verhindern können, dass sich so etwas in der Zu- (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gnädig!) kunft wiederholt. Wir Grüne, eine Partei, die die Opposition kennt, die die (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Oppositionsbank aber nicht nur als hart, sondern auch als NEN]: Ja, so einen albernen Ausschuss wollen edel verstanden hat, wir tatsächlich nicht wiederholen!) (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dann leisten wir einen Beitrag zum Abbau von Poli- Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Sie können tikverdrossenheit. Wir leisten einen Beitrag zur Steige- gleich zurückkehren!) rung der Glaubwürdigkeit von uns allen in diesem haben überhaupt nichts dagegen, dass Sie die Ersten sind, Land. die einen solchen Untersuchungsausschuss nach dem Vielen Dank. neuen Untersuchungsausschussgesetz fordern. Wir betre- ten damit Neuland. Es ist wirklich schade, dass dieses (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- gute Instrument durch ein völlig unbrauchbares Thema so neten der FDP – Volker Beck [Köln] [BÜND- in Misskredit gezogen wird, wie Sie es tun. NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war jetzt vorur- teilsfrei!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Wir haben Ihren Antrag nicht bepackt, ihn somit nicht verfassungswidrig gemacht. Nächster Redner ist der Kollege Jerzy Montag, Bünd- nis 90/Die Grünen. (Zuruf von der CDU/CSU: Eindeutig!) Wir haben ihn auf verfassungsgemäße Art und Weise er- Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): gänzt. Wir haben überhaupt keine Angst davor, dass Sie tatsächlich den Weg nach Karlsruhe gehen. Davon kann Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ich Ihnen nur abraten. (B) Kollegen! Das Einzige, was Sie, meine Damen und Her- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (D) ren von der Opposition, noch daran hindern könnte, sich selbst und damit uns allen diesen Untersuchungsaus- Jetzt komme ich auf die Gründe zu sprechen. schuss wie einen unnötigen Kropf an den Hals zu hängen, Der erste Grund lautet: Dieser Untersuchungsausschuss wäre Ihre bessere Einsicht. ist absolut unnötig; denn es gibt nach Ihren eigenen Dar- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) stellungen überhaupt nichts aufzuklären. Es gibt nichts auf- zudecken, es gibt nichts auszuleuchten. Nehmen Sie sich Meine Hoffnung ist gering, aber ich gebe die Hoffnung doch Ihren eigenen Text im Sinne einer Textanalyse einmal nie auf, dass man in einem Diskurs mit Argumenten über- genau vor. Was wollen Sie denn eigentlich? Sie behaupten, zeugen könnte. dass Mitglieder der Bundesregierung die Öffentlichkeit (Zuruf von der SPD: Bei denen nicht!) und das Hohe Haus unvollständig oder falsch informiert haben. Sie beziehen sich auf amtliche Verlautbarungen und Deswegen werde ich Ihnen drei Gründe vortragen, wes- auf Reden in diesem Hohen Hause. Das alles ist bekannt wegen es eigentlich besser und sinnvoller wäre, auf die- und muss nicht überprüft und untersucht werden. sen Untersuchungsausschuss zu verzichten. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Sie werden auf uns sicherlich nicht hören, aber hören SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Sie doch auf die kritischen Stimmen aus Ihren eigenen Reihen, hören Sie auf die Bürgerinnen und Bürger, Sie wollen das, was bekannt ist, gegenüberstellen – ich zitiere aus Ihrem Antrag – „... der Situation des Bundes- (Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben doch die haushaltes, der Finanzlage der gesetzlichen Kranken- und Meinungsumfragen gehört!) Rentenversicherung sowie der Einhaltung der Stabilitäts- kriterien des EG-Vertrages ...“ Hinter diesen Punkten ste- die – im Gegensatz zu dem, was Kollege Altmaier gesagt hen Zahlen und diese Zahlen waren uns allen von Monat hat – immer mehr Unverständnis äußern und sich zu zu Monat bekannt. Sie wollen also Bekanntes in Verhält- Recht darüber aufregen, dass der Bundestag Ressourcen- nis zu Bekanntem setzen, um daraus Ihre Schlüsse zu zie- und Energieverschwendung betreibt für Spiegelfechte- hen. Aber diese Schlüsse haben Sie schon im Wahlkampf reien, für Bloßstellungsveranstaltungen, die Sie planen, gezogen! Das ist Ihr gutes Recht. Aber nehmen Sie zur und für ein Wahlkampfgetöse für die Herren Wulff und Kenntnis: Der Wahlkampf ist zu Ende! Sie haben die Koch im Januar des nächsten Jahres. Wahlen verloren und die Mehrheit der Bürgerinnen und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bürger hat Ihnen nicht geglaubt, dass es eine Falschaus- und bei der SPD) sage der Regierung gegeben hat. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1337

Jerzy Montag (A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C) und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Ich glaube, ich habe die Zwischenfrage beantwortet, Sie haben Wahrnehmungsprobleme!) wenn auch nicht zu Ihrer Zufriedenheit. Das ist aber Ihr Der zweite Grund lautet, meine Damen und Herren von Problem und nicht meines. der Opposition: Der von Ihnen gewünschte Untersu- chungsausschuss ist ein reines Wahlkampfinstrument. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das belegt zunächst einmal das Verhalten des Mentors und bei der SPD) dieser Idee, des Ministerpräsidenten Koch, Der von Ihnen, meine Damen und Herren von der (Zuruf von der CDU/CSU: Ein guter Mann!) CDU/CSU, angestrebte Zeitplan weist ebenfalls darauf hin: Sie wollten die Einsetzung des Untersuchungsaus- der die Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses an- schusses, ohne die Verfassungsmäßigkeit vorher im Ge- geregt hat. Außerdem belegt das der von Ihnen gewollte schäftsordnungsausschuss zu prüfen. Sie wollen eine Zeitplan ganz eindeutig. Konstituierung und Arbeitsaufnahme, ohne dass wir eine Verfahrensordnung haben und ohne dass wir wissen, wel- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: che Akten wir zur Verfügung haben. Sie wollen Beweis- anträge ins Blaue hinein stellen, ohne dass wir irgend- Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des welche Akten beiziehen können. Sie wollen Zeugen Kollegen Gehb? vernehmen, ohne dass es in diesem Ausschuss irgend- welche Akten gibt. Deswegen kann ich zum Glück fest- Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): stellen, dass die Sachleitung dieses Untersuchungsaus- schusses nicht in Ihren Händen liegt. Wir werden diesen Wenn es mir nicht von der Zeit abgezogen wird, sehr Ausschuss in ordnungsgemäßen Bahnen auf der Grund- gerne. lage der Verfassung und der StPO arbeiten lassen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Herr Kollege Montag, teilen Sie die Auffassung, dass In aller Kürze der dritte Punkt. Dieser Antrag ist von es einen Unterschied gibt zwischen der Tatsache, dass ein Pharisäern gestellt worden. Dieb oder ein anderer Delinquent auf frischer Tat ertappt wird, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU) (Zurufe von der SPD: Oijoijoi!) Mit treuherzigem Augenaufschlag tun Sie so, als ob (B) (D) und der Tatsache, dass man ihn hinterher in einem förm- Sie die Wahrheit suchen würden. Dabei kamen die lichen Verfahren nach den Regeln der Strafprozessord- Koch’schen Lügen und die Kohl’schen Verschweigungen nung im Namen des Volkes verurteilt? Glauben Sie nicht, doch aus Ihren Reihen, meine Damen und Herren von der dass Dinge, obwohl sie vielleicht pressebekannt, ja noto- CDU/CSU. Deswegen können Sie doch nicht glaubwür- risch sind, in einem förmlichen Verfahren festgestellt wer- dig behaupten, dass dieser Untersuchungsausschuss, der den müssen? erste nach dem neuen Untersuchungsausschussgesetz, nichts anderem als der Wahrheitsfindung dienen würde. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich will zum Schluss eine Passage aus der „Frankfur- Herr Kollege Gehb, Sie hätten vielleicht gern, dass wir ter Allgemeinen Zeitung“ zitieren und eine Frage wieder- diesen Untersuchungsausschuss zu einem Strafprozess holen, die in diesem Artikel an Sie, meine Damen und machen; aber es ist keiner. Herren von der CDU/CSU, gestellt wurde – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Die Union (hat) das Einverständnis darüber aufgekün- digt, was jedenfalls kein geeigneter Gegenstand für Es ist lediglich ein Verfahren dieses Hohen Hauses. Es ein Instrument des Untersuchungsausschusses ist. Er- sollen auch keine Strauchdiebe vor Gericht gestellt wer- innert man sich noch der Klage, im Parteispendenaus- den; vielmehr wollen Sie die Bundesregierung bloßstel- schuss werde ein Schauprozess inszeniert? Immerhin len. Damit missbrauchen Sie das Instrument des Untersu- konnte er hartnäckige Schweiger und geständige Lüg- chungsausschusses. Das, was Sie machen wollen, ist ner vorladen. Was bedeutet es, dass man einen ökono- Wahlkampf. Wahlkampf sollen Sie auch machen, aber mischen Umgang (jetzt) mit Informationen, der eine nicht im Rahmen dieses Ausschusses. Sache politischer Klugheit oder Dummheit ist, durch (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein Gremium aufklären lassen will, das seine Arbeit und bei der SPD – Dr. Jürgen Gehb [CDU/ gemäß der Strafprozessordnung organisiert? CSU]: Den Begriff „Strauchdiebe“ für die Re- Jetzt kommt die Frage: gierung mache ich mir nicht zu Eigen!) Hat die Opposition die Hoffnung aufgegeben, noch einmal die Regierung zu stellen? Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (Dr. Norbert Lammert [CDU/CSU]: Nein!) Herr Kollege Gehb, Sie durften eine Zwischenfrage stellen. Ich stelle zum Schluss fest: 1338 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

(A) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Meine Damen und Herren, die Verweisung an den Ge- (C) schäftsordnungsausschuss erwies sich somit als reine Ver- Herr Kollege, kommen Sie damit bitte wirklich zum zögerung. Schluss. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Uner- hört!) Das einzig Positive an diesem Untersuchungsaus- schuss ist, dass diese Frage gestellt worden ist. Sie beant- Das war schon schlimm genug. Aber es kam dort noch worten sie uns auch: Sie wollen Opposition bleiben. schlimmer. Mit ihrer Mehrheit hat die Koalition in diesem Ausschuss eine Ausweitung des Untersuchungsauftrags Danke schön. durchgesetzt. Dies widerspricht erstens dem auch in der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Öffentlichkeit verbreiteten Wunsch, dass dieser Ausschuss und bei der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: rasch durchgeführt werden soll. Donnerwetter, war das stark!) (Zuruf von der SPD: Das kann ich mir vorstellen!) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Zweitens finden wir es – das will ich Ihnen schon sa- Nächster Redner ist der Kollege Max Stadler, FDP-Frak- gen – wirklich unangemessen, dass Sie mit Ihrem Er- tion. weiterungsbeschluss nun auch die Mitglieder des Haus- haltsausschusses des Bundestages überprüfen wollen. Das ist unkollegial, unangemessen und auch nicht not- Dr. Max Stadler (FDP): wendig. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Herren! Die FDP hatte in der Debatte in der letzten Wo- der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Was haben che vorgeschlagen, dem Antrag der CDU/CSU auf Ein- Sie zu verbergen?) setzung eines Untersuchungsausschusses sofort zuzu- stimmen. Die Heftigkeit dieser Debatte und die langen Drittens haben Sie natürlich erkannt, dass Ihnen mit Diskussionen im Geschäftsordnungsausschuss, die es da- Ihrem Plan, nun auch einige Ministerpräsidenten in die- rüber gegeben hat, führen mich zu dem Schluss: Das war sen Ausschuss zu zitieren, entgegengehalten werden alles viel Lärm um nichts. Denn das Recht auf Einsetzung könnte, dass dies nicht Sache des Bundestages, sondern eines Untersuchungsausschusses ist vor allem ein Recht Sache der Bundesländer sei. Aus diesem Grund haben Sie (B) der Minderheit, ein Recht der Opposition. Nach Art. 44 diese Ministerpräsidenten – zum Beispiel Stoiber und (D) des Grundgesetzes muss der Bundestag solche Aus- Koch – in Ihrem Erweiterungsbeschluss als Mitglieder schüsse einrichten, wenn ein Viertel der Mitglieder dies des Bundesrates apostrophiert, weil der Bundesrat zwei- beantragt. Ein solcher Antrag lag vor. fellos ein Bundesgremium ist. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Zuruf von der SPD: Jawohl!) Nun ist viel darüber geredet worden, ob dieser Antrag Gleichwohl ist dies natürlich ein Kniff. Sie werden doch mit der politischen Kultur vereinbar ist. Für uns als FDP wohl nicht glauben, dass dieser Kniff von der Öffentlich- hat das dazu geführt, dass wir unseren kulturpolitischen keit nicht durchschaut würde. Sprecher, Hans-Joachim Otto, in diesen Ausschuss ent- senden werden. Aber im Ernst: Zum einen wird vorgetra- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) gen, die politische Kultur nehme durch einen solchen Schlimmer ist noch, dass Sie mit Ihrer Überprüfung der Ausschuss Schaden. Das halte ich für stark übertrieben. Staatspraxis seit 1990 insinuieren und inhaltlich die Hy- Umgekehrt wird gesagt: Mit diesem Ausschuss ergebe pothese einführen, es gebe womöglich eine ständige sich die Chance, zu einer neuen politischen Kultur zu Staatspraxis unrichtiger und wahrheitswidriger Informa- kommen. Da bin ich ebenfalls skeptisch, Herr Kollege tion der Bevölkerung. Ich finde es schlimm, dass das zwi- Altmaier. schen den Zeilen insinuiert wird. In Wahrheit ist die Sache viel einfacher. Jakob Das ist auch der Unterschied zum Antrag der Union. Augstein hat das gestern in der „Süddeutschen Zeitung“ Die Union hat einen konkreten Vorgang, für den es im- auf den Punkt gebracht, allerdings mit einer etwas salop- merhin Anhaltspunkte gibt, zum Gegenstand ihres An- pen Formulierung. Er hat geschrieben: trags gemacht. Sie beziehen sich auf eine angebliche Es ist ein Recht der Opposition, der Regierung Sau- Staatspraxis seit 1990. res zu geben. Mit allen zulässigen Mitteln. Zum Letzten: Mag es auch legal sein, diese Erweite- Deswegen kommt es nur darauf an, ob dieser Antrag rung mit Ihrer Mehrheit zu beschließen, so komme ich zulässig war. Das wurde von SPD und Grünen in der doch zum Ausgangspunkt der Überlegungen der FDP letzten Woche in Zweifel gezogen. Heute müssen sie zu- zurück. Es ist das Recht der Minderheit, es ist das Recht geben, dass die Auffassung der FDP richtig war. Der An- der Opposition, einen Untersuchungsausschuss zu verlan- trag der CDU/CSU ist zulässig. Deswegen war und ist gen. Wenn Sie gegen den Willen und ohne Zustimmung ihm zuzustimmen, jenseits aller politischen Opportu- der Opposition den Auftrag dieses Ausschusses, den Un- nität. tersuchungsgegenstand, erheblich verändern, dann mag Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1339

Dr. Max Stadler (A) dies vielleicht noch legal sein, legitim ist es auf keinen Meine Damen und Herren, Herr Altmaier und Herr (C) Fall. Stadler, es handelt sich bei Punkt zwei der Beschlussemp- fehlung natürlich nicht um eine unzulässige Bepackung. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Herr Altmaier, Sie werden mit Ihrer verfassungsrecht- Widerspruch bei der SPD) lichen Einschätzung genauso auf den Bauch fallen wie bei Dazu wird die FDP aus prinzipiellen Gründen die Hand der Frage der Besetzung des Vermittlungsausschusses. nicht reichen. Auch dafür haben Sie schließlich in Karlsruhe die Quit- tung bekommen. Am Ende fällt eines auf: Die personelle Besetzung die- ses Ausschusses scheint sich deutlich von derjenigen des (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Parteispendenuntersuchungsausschusses der letzten Legis- DIE GRÜNEN) laturperiode zu unterscheiden. Fast ist man versucht zu sa- gen: Ein neues Ensemble versucht sich an diesem Untersu- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: chungsgegenstand. Trotz der Erweiterung, die Sie heute beschließen, sage ich Ihnen am Ende: Liebe Kolleginnen Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des und Kollegen, macht bitte schnell mit diesem Ausschuss. Kollegen Schauerte? (Lachen bei der SPD) Christine Lambrecht (SPD): Ihr werdet für andere Aufgaben noch dringend benötigt. Nein, ich möchte gern im Zusammenhang weiter vor- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie tragen. Ich habe vorhin die Zwischenfrage zur Kenntnis des Abg. Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]) genommen. Sie war qualitativ nicht so hochwertig, dass man auf so etwas eingehen müsste. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Lambrecht, DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ SPD-Fraktion. CSU und der FDP) (Zuruf von der CDU/CSU: Ich hätte gern Meine Damen und Herren, es geht uns darum, ein Wiefelspütz und seine Dissertation! – Dr. Dieter zulässiges und umfassendes Bild zu erhalten. Es geht aber Wiefelspütz [SPD]: Schon wieder? Ich bitte nicht darum, Herr Stadler, die Ministerpräsidenten über Sie!) das anzuhören, was sie in ihren Ländern machen. Das wäre sicherlich auch interessant. Es geht vielmehr darum, (B) warum zum Beispiel Herr Stoiber, der sich immerhin (D) Christine Lambrecht (SPD): – wenn auch ziemlich glücklos – aufgemacht hat, in der Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es zu spielen, und der angeblich so genau über noch einmal deutlich zu sagen – man kann es gar nicht oft den bedrohlichen Zustand der öffentlichen Haushalte und genug sagen –: Wir halten diesen Untersuchungsaus- die leeren Kassen Bescheid gewusst hat, noch im August schuss für überflüssig. den Menschen mit einem Sofortprogramm circa 20 Mil- liarden Euro versprochen hat. Auch über solche unseriö- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ sen Versprechen müssen wir reden, wenn es um die Wahr- DIE GRÜNEN) heit gehen soll. Das, was Sie hier begehren, ist ein Thema der politischen (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Auseinandersetzung in den Ausschüssen, im Plenum, in DIE GRÜNEN) den von Ihnen so gern gehandhabten Talkshows, aber es ist kein Thema für einen Untersuchungsausschuss. Mit Denn wenn ihm die Situation genau bekannt war – und dieser Meinung stehen wir auch überhaupt nicht al- zwar noch vor den Wirtschaftsinstituten und allen Exper- lein. Fragen Sie einmal in Ihren Reihen den Herrn ten –, frage ich mich, warum er solche Versprechen ge- von Weizsäcker oder auch den Herrn Eylmann, einen ganz macht hat. Wollte er vielleicht die Wähler täuschen? Das profilierten Rechtspolitiker aus Ihren Reihen. Er hat seine kann doch wohl nicht sein. Oder war er vielleicht doch Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieses Untersuchungsaus- nicht so genau über die Situation informiert? Das werden schusses deutlich zum Ausdruck gebracht wir in dem Untersuchungsausschuss zu klären haben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Eines ist aber schon heute klar, nämlich dass Sie wegen DIE GRÜNEN) der offensichtlich mangelnden Glaubwürdigkeit in der Bundestagswahl von den Bürgern keine Mehrheit bekom- und sogar von Wahlkampfkalkül gesprochen. men haben und dass Sie sich deswegen jetzt in der Oppo- sition befinden. Sie meinen, den längst verlorenen Wahl- (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Solche kampf noch weiterführen zu müssen. Meine Damen und wünschen wir euch auch einmal!) Herren, geben Sie dieses Ansinnen endlich auf! Nichtsdestotrotz werden wir uns Ihrem Ansinnen stel- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ len. Es wird interessant, noch einmal darzustellen, was DIE GRÜNEN) mittlerweile über die Presse schon längst zu erfahren war, nämlich wer was wusste und wer welche Schlussfolge- Haben Sie immer noch nicht gemerkt, dass die Bürge- rungen aus diesem Wissen gezogen hat. rinnen und Bürger diesen Dauerwahlkampf nicht wollen? 1340 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Christine Lambrecht (A) Sie wollen endlich Antworten auf die anstehenden Fra- Nachdem das alles erledigt war, haben Sie den Ruf aus (C) gen. Dazu ist aber von Ihnen nichts zu hören. Hessen bekommen, endlich von dem Mangel an für Sie günstigen Themen im dortigen Wahlkampf abzulenken. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Sie sind im Plenum und nicht auf dem SPD-Parteitag!) Mit dem Untersuchungsausschuss wollen Sie von dieser Konzeptionslosigkeit in Ihren Reihen ablenken. Das war der eigentliche Hintergrund, warum jetzt auf einmal der Untersuchungsauftrag formuliert wurde. Es ist Ihrem Vorwurf, dass wir eine Verzögerungstaktik be- schon sehr verwunderlich, Frau Merkel, dass Sie sich da- trieben, kann ich nur eines entgegenhalten: Sie haben erst rauf eingelassen haben. Ich kann mich noch an eine Pres- in der vorigen Sitzungswoche diesen Antrag eingebracht. sekonferenz erinnern, in der Sie gefragt wurden, ob Sie Eine Sitzungswoche später, Koch vertrauen. Darauf haben Sie ausweichend geant- (Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt!) wortet: Wir unterstützen ihn und das ist schon viel. – Das sagt doch eine ganze Menge. nämlich jetzt, wird er sogar unter Verzicht auf Fristeinrede durch uns behandelt und beschlossen und zehn Minuten (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ nach Beendigung dieser Debatte wird sich der Untersu- DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: chungsausschuss konstituieren. Wenn uns dabei noch je- Heute sind Sie ganz schön taff!) mand eine Verzögerung vorwerfen will, weiß ich nicht, Diesem Ministerpräsidenten Koch ist kurz vor der wie er diese erklären will. Landtagswahl in Hessen aufgefallen, dass ihm für seinen (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Wahlkampf noch ein Thema fehlt. Er will nämlich von sei- DIE GRÜNEN) nen dürftigen Resultaten im Land ablenken. Dabei kommt ihm ein solcher Ablenkungsausschuss genau recht. Ich finde es ziemlich unangemessen, Herr Stadler, wenn Sie die Behandlung im Geschäftsordnungsaus- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ schuss als „viel Lärm um Nichts“ oder als „Verzöge- DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU) rungstaktik“ bezeichnen. Ausgerechnet Koch fordert einen Ausschuss, der die (Dr. Max Stadler [FDP]: Wenn ich das tatsäch- Wahrheit aufdecken soll; ausgerechnet Koch, der das hes- lich so sehe!) sische Parlament und die Öffentlichkeit nachweislich be- logen hat; Das halte ich weder für angemessen noch für sachgerecht. Mir würden dazu auch noch andere Begriffe einfallen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (B) Gerade im Geschäftsordnungsausschuss ist es in zahlrei- (D) chen Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen – auch ausgerechnet Koch, der persönlich beim Rechenschafts- der Union; bei ihnen möchte ich mich für die sachliche bericht der CDU Hessen nachweisbar getrickst hat; Auseinandersetzung bedanken – gelungen, eine wichtige ausgerechnet Koch, der seine eigene Aussage im CDU- Änderung einzubringen, der die Union gestern im Ge- Parteispendenausschuss nicht beeiden lassen wollte; aus- schäftsordnungsausschuss sogar zugestimmt hat. Daran gerechnet Koch, der dem CDU-Schwarzgeld-Untersu- sehen Sie, wie wichtig die Behandlung im Geschäftsord- chungsausschuss die Herausgabe der notwendigen Akten nungsausschuss war und dass es sich dabei keinesfalls um verweigert hat. eine Verzögerungstaktik gehandelt hat. (Zuruf von der SPD: Pfui!) (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Da lachen ja Ihre eigenen Leute!) Ausgerechnet der spielt sich jetzt als Hüter der Wahrheit auf. Meine Damen und Herren, das hat schon etwas; das Es stellt sich aber die Frage, warum Sie den Antrag muss man sagen. erst in der vergangenen Sitzungswoche eingebracht ha- ben. Seit Wochen laufen Sie durch die Lande und be- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ haupten, hier sei irgendetwas getrickst worden. Ich frage DIE GRÜNEN) mich, warum Sie das nicht schon viel früher gemacht ha- Sie, Frau Merkel, lassen sich von diesem Koch auch noch ben. zur Kellnerin machen. Das verwundert. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Weil wir dem (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem Kanzler noch eine Chance geben wollten, sich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu entschuldigen!) Ansonsten sind Sie doch gegenüber Ihren Parteifreunden Warum haben Sie zehn Wochen gebraucht, um einen nicht zimperlich, wie wir mittlerweile wissen. einzigen Satz zu formulieren? Ich kann Ihnen die Frage beantworten: Sie waren innerparteilich erst einmal damit Kehren Sie endlich wieder zu einem seriösen Politikstil zurück. Nehmen Sie endlich Ihre Rolle und auch Ihre Auf- beschäftigt, Personalquerelen auszutragen, zum Beispiel gabe als Opposition an. Geben Sie endlich Antworten auf Merz gegen Merkel. Da musste gekungelt und dafür ge- die Fragen. Lenken Sie nicht ständig ab. sorgt werden, dass die entsprechenden Strippen gezogen werden. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1341

(A) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Rechtswidrigkeit Ihres Verhaltens in den vergangenen (C) zwei Wochen. Nächster Redner ist der Kollege Dr. Hans-Peter Friedrich, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich sage Ihnen noch etwas zum exekutiven Kern- Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU): bereich. Es gab in der letzten Wahlperiode einen Untersu- chungsausschuss. Frau Lambrecht, Sie werden sich gut Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und daran erinnern. Die rot-grüne Regierung hat nie etwas Herren! Frau Lambrecht, Ihre Rede, in der Sie versucht zum exekutiven Kernbereich gesagt. Bei den Themen Ei- haben, vom Thema abzulenken, zeigt auch, welch senbahnerwohnungen und Panzerlieferungen hat man schlechtes Gewissen Sie im Umgang mit unserem Be- sich intensiv damit befasst, wie Entscheidungsprozesse in schluss in den letzten Tagen haben. der Bundesregierung gelaufen sind. Man hat Minister be- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei fragt. Man wollte wissen, welche Staatssekretäre wohin Abgeordneten der FDP) geschickt worden sind. Man hat nach Briefen gefragt. Die Art und Weise, wie die Einsetzung dieses Aus- (Christine Lambrecht [SPD]: Das war aber schusses verzögert worden ist, ist beschämend. Lassen keine Verabredung!) Sie mich das so sagen. Der Kollege Stadler hat die Rechts- – Meine lieben Kollegen, die Protokolle sind zum großen lage dargestellt. Wenn 25 Prozent der Abgeordneten die Teil veröffentlicht. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragen, hat der Bundestag die Pflicht, dem nachzukommen. Wir werden uns die Fragen, die Sie gestellt haben, ge- nau anschauen. Dann werden wir wissen, was Sie unter (Sebastian Edathy [SPD]: Machen wir doch!) exekutivem Kernbereich verstehen, und uns an diese Das Gesetz geht noch weiter. Es heißt dort nämlich: Er ist Grenzen halten. unverzüglich einzusetzen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei (Christine Lambrecht [SPD]: Ohne schuld- Abgeordneten der FDP) haftes Zögern!) Dieselben Leute, die damals mit Schaum vor dem Bis jetzt haben Sie mit vorgeschobenen Argumenten, Mund jeden Vermerk, jede Aktennotiz, selbst Visiten- von denen bis zum heutigen Tag kein einziges mehr übrig karten in den Akten als wichtige Beweismittel präsentiert geblieben ist, die Einsetzung verzögert. Deswegen stelle haben, sagen jetzt, der Kernbereich sei so eine Art Kä- ich fest: Sie haben mit dieser Verzögerung die verfas- seglocke, die man über die Regierung stülpen könne, um (B) sungsmäßigen Rechte der Minderheit in diesem Hause sie vor dem Untersuchungsauftrag eines Untersuchungs- (D) beschädigt und behindert. ausschusses zu schützen. Das werden wir so nicht akzep- tieren und auch nicht zulassen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aus all dem spricht eine Grundeinstellung, die man bei Ich sage Ihnen da auch Auseinandersetzungen voraus. Ihnen überall und immer wieder feststellt: Sie glauben, In Bezug auf die von Ihnen verlangten Ergänzungen dass Sie dann, wenn Sie die Mehrheit im Deutschen Bun- hat Kollege Stadler ebenfalls schon Wichtiges gesagt. Ich destag haben, den Staat, die Institutionen und das ganze sage Ihnen, wie diese Ergänzungen zustande gekommen Parlament zur Beute machen können. sind. Herr Müntefering hat gesagt: Wenn in dem Untersu- (Beifall bei der CDU/CSU) chungsauftrag Schröder steht, dann muss auch der Name Stoiber herein. – Der arme Kollege Wiefelspütz musste Wo das hinführt, hat Ihnen in dieser Woche das Bundes- dann gegen seine juristischen Überzeugungen eine völlig verfassungsgericht in Karlsruhe gezeigt. absurde Bepackung und Ergänzung konstruieren. Ich sage etwas zu Ihrem vorgeschobenen Argument, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei der exekutive Kernbereich sei tangiert. Natürlich gibt es Abgeordneten der FDP) eine Grenze des exekutiven Kernbereichs. Das haben wir nie bestritten. Das ist Rechtsprechung des Bundes- Sie wissen ganz genau, dass der Bundestag die Länder- verfassungsgerichts. Deswegen ist für uns völlig klar, regierungen nicht untersuchen kann. dass eine Grenze vorhanden sein muss. Man muss natür- Wir wollen – das haben wir mehrfach deutlich ge- lich immer darüber streiten – das werden wir in der Zu- macht – keine Wahlkämpfer und keine Parteivorsitzenden kunft sicherlich tun –, wo diese Grenze liegt. Insofern untersuchen, ist die Ergänzung, die Sie vorgenommen haben, in der Substanz nichts wert. Sie ist rein deklaratorisch. Sie hät- (Sebastian Edathy [SPD]: Sie wollen einen ten genauso gut schreiben können: Im Übrigen gilt das Wahlkampfausschuss!) Grundgesetz. Oder: Das Völkerrecht wird nicht verletzt. wir wollen wissen: Haben Mitglieder der Bundesregie- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) rung kraft Autorität ihres Amtes die Menschen im Lande belogen? Das ist der Auftrag. Der gestrige Beschluss des Geschäftsordnungsausschus- ses, der Punkt für Punkt die Verfassungsmäßigkeit unse- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei res Antrags bestätigt, bestätigt damit inzidenter die Abgeordneten der FDP) 1342 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (A) Mit Ihrer Ankündigung, Mitglieder des Bundesrates von zentraler Bedeutung und Wichtigkeit für die Stabilität (C) laden zu wollen, fordern Sie nicht nur einzelne Mitglieder unserer Währung. heraus, sondern den Bundesrat insgesamt; dieser aber wird seine Rechte gegenüber dem Bundestag wahren wol- Von Tag zu Tag wächst aus all diesen Gründen die Not- len. Ich bin darauf gespannt, wie Sie trotz der von Ihnen wendigkeit, diesen Untersuchungsausschuss einzusetzen gemachten Einschränkung „im Rahmen der Zuständigkeit und die von mir angesprochenen Fragen aufzuklären. Am des Bundestages“ verfassungskonform Bundesratsmit- Ende wird das für Sie und Ihre Regierung eine ganz bit- glieder laden und vernehmen wollen. Ob das möglich ist, tere Geschichte. werden wir in den nächsten Monaten noch sehen. Vielen Dank. Die Erweiterung des Untersuchungsauftrages um Pro- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gnosen und Modellrechnungen stellt eine reine Verzöge- rungstaktik dar. So etwas ist eher einem historischen Se- minar als einem Untersuchungsausschuss zugänglich. Mit Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: all Ihren Ergänzungen verfolgen Sie nur ein Ziel: die Auf- Nächste Rednerin ist die fraktionslose Kollegin Petra klärung zu verhindern. Die Behinderung der Aufklärung Pau. von Unwahrheit ist die Fortsetzung der Unwahrheit mit anderen Mitteln. Petra Pau (fraktionslos): (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedaure im Übrigen außerordentlich, dass Sie jetzt Würde die SPD der CDU/CSU alle Lügen der Vergan- versuchen, das neue Untersuchungsausschussgesetz, das genheit vorhalten, dann nähme das wohl Wochen in An- sich erstmals bewähren soll, umzudrehen, und sich gegen spruch. die Intention, die alle Fraktionen bei der Verabschiedung dieses Gesetzes hatten, wenden. Sie wissen genau, dass (Beifall bei Abgeordneten der SPD) dieses Gesetz dazu da war, die Minderheitenrechte in ei- nem Untersuchungsausschuss des Bundestages zu stär- Anders herum gilt das allerdings ebenfalls. Auch FDP und ken. Sie machen jetzt genau das Gegenteil: Sie versuchen, die Grünen sind keine Unschuldslämmer, selbst die PDS durch Ihre Auslegung dieses Gesetzes den Art. 44 Grund- nicht. gesetz unzulässigerweise restriktiv zu interpretieren. Auch (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ das werden wir nicht akzeptieren. CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Jetzt erst recht wollen wir wissen, mit welchen Mitteln und der FDP) (B) die Bundesregierung Zahlen, Fakten und Daten verschlei- Immerhin hatten wir vor der Wahl 6 plus x Prozent ver- (D) ert hat. Jetzt erst recht wollen wir wissen, welches Mittel sprochen, aber nur 4 Prozent erhalten. Allein an diesem Rot-Grün recht ist, um die Macht zu erhalten. Beispiel können Sie sehen: Selbst offensichtliche Un- (Hubertus Heil [SPD]: Fragen Sie Herrn Kohl!) wahrheiten werden sehr unterschiedlich bewertet. Sie hal- ten es für gut, dass die PDS ihr Versprechen nicht gehal- Wir werden eines Tages vielleicht auch wissen, ob all das, ten hat. Ich halte es für schlimm, übrigens nicht nur für die was Sie den Menschen in den letzten zwei bis drei Wo- PDS, sondern für alle, denen die herrschende Politik zu chen angetan haben, vielleicht von langer Hand vorberei- kapitalhörig ist. tet war, (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak- (Lachen bei Abgeordneten der SPD) tionslos]) ob die Bauern, die Ärzte, die Zahntechniker, die Blumen- händler, die Werbemittelhersteller, die Beitragszahler alle Überhaupt ist das mit der politischen Lüge so eine Sa- vor der Wahl schon auf Ihrer Abschussliste standen, weil che. Ich möchte Ihnen das an zwei Beispielen verdeutli- Sie Ihre Vorhaben aufgrund besserer Informationen viel- chen. Erstes Beispiel: Bereits vor der Wahl 1998 hatte die leicht von langer Hand geplant hatten. SPD versprochen, sie wolle mehr direkte Demokratie ein- führen. Die PDS hatte einen entsprechenden Gesetzent- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) wurf eingebracht und war damit auch an Rot-Grün ge- Ganz peinlich wird es für den Herrn Bundesminister scheitert. Damit steht die PDS zwar ehrlich, aber ohne Eichel, wenn sich herausstellen sollte, dass er seine Erfolg da. Die CDU/CSU wiederum steht ehrlich und er- Pflicht zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien verletzt folgreich da; denn sie wollte auf Bundesebene noch nie haben sollte. mehr direkte Demokratie. (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: tionslos]) Herr Kollege Friedrich, gucken Sie bitte einmal auf die Zweites Beispiel: Bereits vor der Wahl 1998 hatte die SPD Uhr. versprochen, sie wolle große Vermögen in die soziale Pflicht nehmen. Die PDS fordert noch immer die Wieder- einführung der Vermögensteuer, bislang wiederum ver- Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU): geblich. Wieder steht die CDU/CSU scheinbar ehrlich da; Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Der auf denn die offensichtliche Steuerungerechtigkeit ist ja ihr den Maastricht-Kriterien beruhende Stabilitätspakt ist Programm. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1343

Petra Pau (A) (Heiterkeit und Beifall der Abg. Dr. Gesine sind zu einem Ergebnis gekommen. Das wollte ich an den (C) Lötzsch [fraktionslos] sowie bei der SPD) Anfang stellen, weil es tagelang nicht so ausgesehen hat, als ob wir überhaupt zu einem Ergebnis kämen. Es bleibt also die Frage: Wer braucht einen solchen Lü- genausschuss? Der Volksmund ist sich ohnehin einig: Vor Ich möchte jetzt zwei Anmerkungen zu den Beratun- der Wahl und nach der Jagd wird am meisten gelogen. An- gen machen. ders gesagt: Die Wählerinnen und Wähler wissen es. Sie Erstens. Sie, meine Damen und Herren, haben in der brauchen also keinen Untersuchungsausschuss. Noch letzten Sitzungswoche dem Plenum des Deutschen Bun- wichtiger finde ich: Ein Lügenausschuss würde keinerlei destages und damit der Öffentlichkeit gegenüber erklärt, Beitrag zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit, zur Si- Sie müssten die Verfassungsmäßigkeit unseres Antrags cherung der solidarischen Systeme oder zur Wahrung des prüfen. Jetzt will ich Ihnen sagen, welche textlichen Än- Friedens weltweit leisten. Ein solcher Wahlkampfaus- derungen an unserem Antrag, übrigens mit unserem Ein- schuss hebt nicht die politische Kultur. Er hilft auch nicht verständnis, vorgenommen werden. Ich lese es Ihnen vor. in der Sache. Deshalb lehnen wir ihn ab. Es werden die gigantischen Worte „ob und gegebenen- Nun wurde heute bereits mehrfach über das Recht auf falls“ eingefügt. Einsetzung von Untersuchungsausschüssen gesprochen. (Franz Müntefering [SPD]: Das ist nicht un- Es ist völlig richtig: Wir haben auch jedes Recht, hier po- wichtig! Das „ob“ ist ja sehr interessant!) litischen Unsinn zu beschließen. Aber ich finde, wir ha- ben auch das Recht, solchen Unsinn zu vermeiden. Des- Es werden die gigantischen Worte „insbesondere auch“ halb werden wir gegen die Einsetzung dieses Ausschusses eingefügt. Es wird das Wort „Vereinbarungen“ statt „Ver- stimmen. abredungen“ gewählt. Am Schluss wird eine verfassungs- rechtliche Selbstverständlichkeit, die wir nie bestritten Danke. haben, an den Text angehängt. Ich will auch diese verle- (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak- sen: tionslos] sowie bei der SPD) ... soweit hierdurch nicht der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung betroffen ist Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: So weit zur verfassungsrechtlichen Prüfung durch die Letzter Redner in der Debatte ist der Kollege Ronald rot-grüne Mehrheit, die wir nicht verhindern konnten, die Pofalla, CDU/CSU-Fraktion. aber deutlich macht, dass der Antrag, den wir in der letz- ten Sitzungswoche eingebracht haben, von Anfang an ver- (Beifall bei der CDU/CSU) fassungskonform war. (B) (D) (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Ronald Pofalla (CDU/CSU): Dr. Max Stadler [FDP]) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die zweite Anmerkung bezieht sich auf das, was Rot- Auf der Zuschauertribüne sitzen heute viele junge Men- Grün jetzt empfiehlt. Ich lese Ihnen § 2 Abs. 2 des Unter- schen. Diese haben es satt, belogen zu werden. suchungsausschussgesetzes vor: (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Der Einsetzungsbeschluss darf den in dem Einset- neten der FDP – Beifall bei der SPD und dem zungsantrag bezeichneten Untersuchungsgegen- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Rudolf Bindig stand nicht ändern, es sei denn, die Antragstellenden [SPD]: Wann tritt Herr Koch zurück? – Weitere stimmen der Änderung zu. Zurufe von der SPD: Von Ihnen!) (Zuruf von der SPD: Wir ändern ihn ja nicht!) Die jungen Menschen sind es übrigens auch satt, dass wir ständig über alles, selbst über kleinste Details, Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stimmen Ihrer Änderung nicht nur nicht zu, sondern wir lehnen sie (Rudolf Bindig [SPD]: Wann sagt Kohl die sogar ab, weil Verfassungsrecht, nämlich Art. 44, und ein- Wahrheit?) fachgesetzliches Recht, das Untersuchungsausschussge- streiten. setz, durch Sie in dem Beschluss, der gleich gefasst wer- den wird, gebrochen werden wird. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Daher möchte ich meine Rede mit einer versöhnlichen neten der FDP) Anmerkung – diese ist auch so gemeint – beginnen. Es gibt das Verbot der Bepackung. Das ist durch ent- (Hubertus Heil [SPD]: Fröhliche Weihnach- sprechende Entscheidungen des Bundesverfassungsge- ten!) richts verfassungsrechtlich garantiert. Herr Müntefering, Trotz unüberwindbarer inhaltlicher Differenzen bei der ich hätte von Ihrer Fraktion erwartet, vor allem nach der Formulierung des Einsetzungsantrags – das wird auch Entscheidung vom Mittwoch, dass Sie sich mit der Recht- gleich bei der Abstimmung deutlich werden – hatten wir sprechung des Bundesverfassungsgerichts etwas genauer nicht nur gestern – gestern haben wir über 12 Stunden ver- auseinander setzen. Wenn Sie das getan hätten, dann hät- handelt –, sondern auch in den vergangenen Tagen ein ak- ten auch Sie als Fraktionsvorsitzender, Herr Müntefering, zeptables Klima im Geschäftsordnungsausschuss und feststellen können, dass durch die Beschlussempfehlung, 1344 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Ronald Pofalla (A) die Ihre Fraktion formuliert hat, wieder Verfassungsrecht Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (C) gebrochen wird. Die Beschlussempfehlung widerspricht Ich schließe die Aussprache. der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein- deutig. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Geschäftsordnung zu dem Antrag der Fraktion der CDU/ neten der FDP – Friedrich Merz [CDU/CSU]: CSU zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, Das ist doch denen völlig egal!) Drucksache 15/256. Nach Art. 44 Abs. 1 des Grundgeset- Herr Müntefering, Sie gehen auch persönlich als Frak- zes ist der Deutsche Bundestag verpflichtet, einen Unter- tionsvorsitzender einen schweren Weg, weil Sie nämlich suchungsausschuss einzusetzen, wenn die Einsetzung von durch die Verfahrensprozedur, die Sie in den letzten bei- einem Viertel seiner Mitglieder verlangt wird. den Wochen im Hinblick auf unseren Antrag betrieben (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: So ist es!) haben, an der Grenze des rechtlich Zulässigen operiert ha- ben, indem Sie den Antrag zunächst einmal zur verfas- Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache sungsrechtlichen Überprüfung an den Geschäftsord- 15/125 in der Ausschussfassung anzunehmen. Über Zif- nungsausschuss überwiesen haben. fer 1 und 2 der Beschlussempfehlung soll getrennt abge- stimmt werden. (Franz Müntefering [SPD]: Es war doch nötig! Sie haben es doch mit geändert!) Wer stimmt für die Ziffer 1 der Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Ich füge hinzu: Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist eine solche Überweisung (Zuruf von der CDU/CSU, zu den Fraktionen zur verfassungsrechtlichen Überprüfung erfolgt. der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN gewandt: Ihr sollt euch doch enthalten! – (Franz Müntefering [SPD]: Berechtigter- Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das gibt es doch weise!) gar nicht! – Lachen bei der CDU/CSU und der Herr Müntefering, ich habe Ihnen gerade vorgelesen, wie FDP) das Ergebnis war. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, es herrschte gerade Sie haben jetzt eine Beschlussempfehlung vorgelegt. ein bisschen Unklarheit. Wir werden uns ausdrücklich vorbehalten, in den nächs- (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP) ten Wochen darüber zu entscheiden, ob wir Karlsruhe an- rufen oder nicht. Wir wiederholen die Abstimmung. Wer stimmt für die Ziffer 1 der Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dage- (B) (Christine Lambrecht [SPD]: Schon wieder?) gen? – Enthaltungen? – (D) Sollten wir Karlsruhe anrufen, werden Sie als Fraktions- (Zurufe von der CDU/CSU: Jetzt! – Sehr vorsitzender – das sage ich Ihnen voraus – nicht nur die schön!) Entscheidung des vergangenen Mittwochs erlebt haben, mit der Sie eine bittere Schlappe hinnehmen mussten; Sie Damit ist die Ziffer 1 der Beschlussempfehlung mit den werden dann auch erleben, dass das Bundesverfassungs- Stimmen der CDU/CSU und der FDP bei Gegenstimmen gericht zu einem der ersten Beschlüsse unter Ihrer der beiden fraktionslosen Mitglieder und bei Enthaltung Führung die Rechtswidrigkeit und Verfassungswidrigkeit der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen. feststellen wird. Wer stimmt für die Ziffer 2 der Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Ziffer 2 ist mit den (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Stimmen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen bei NEN]: Warum haben Sie eigentlich Angst, Gegenstimmen der CDU/CSU, der FDP und der beiden dass wir Herrn Stoiber und Herrn Koch hier fraktionslosen Mitglieder angenommen. hören?) Damit ist der erste Untersuchungsausschuss der Dann werden Sie, Herr Müntefering, persönlich einen Ti- 15. Wahlperiode eingesetzt. tel bekommen. In der kürzesten Zeit, die überhaupt denk- bar ist, haben Sie als Fraktionsvorsitzender persönlich Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: schon zu verantworten, dass ein verfassungswidriger Ein- Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat setzungsbeschluss gefasst worden ist. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Auf- (Christine Lambrecht [SPD]: Wer hat denn das hebung des Gesetzes zur Modulation von Di- mit dem Vermittlungsausschuss zu verantwor- rektzahlungen im Rahmen der gemeinsamen ten?) Agrarpolitik und zur Änderung des GAK-Ge- setzes Herr Müntefering, ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihre Vor- lagen in Zukunft etwas gründlicher prüfen. Wir werden – Drucksache 15/108 – unsere Minderheitenrechte nicht durch eine Mehrheit von (Erste Beratung 12. Sitzung) Rot-Grün rechtswidrig degenerieren lassen. Das sollten Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- Sie sich merken. ses für Verbraucherschutz, Ernährung und Land- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- wirtschaft (10. Ausschuss) neten der FDP) – Drucksache 15/225 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1345

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner (A) Berichterstattung: Niedersachsen mit 3 Euro pro Hektar und Schleswig-Hol- (C) Abgeordnete Dr. Peter Jahr stein mit 0 Euro pro Hektar. Das ist die Wahrheit. Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Vollkommen widersprüchlich zu den Zielen der Mo- vor. dulation ist es, wenn zum Beispiel bei den Mutterkuh- und Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die bei den Mutterschafprämien eingespart wird. Gerade Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre kei- diese Tierarten sind für die Offenhaltung der Landschaft nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. unverzichtbar (Unruhe) (Eduard Oswald [CDU/CSU]: So ist es!) – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte diejeni- und dienen in besonderer Weise den Agrarumweltmaß- gen, die dieser Debatte nicht beiwohnen wollen, bitten, nahmen. Daran sieht man, wie unglaubwürdig und wie in- den Saal möglichst schnell zu verlassen und die Ge- konsequent rot-grüne Agrarpolitik ist. spräche draußen fortzusetzen, damit ich die Aussprache (Albert Deß [CDU/CSU]: Da liegen Reden eröffnen kann. und Handeln weit auseinander!) Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner in der De- Kontraproduktiv ist beispielsweise auch die vorgesehene batte ist der Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft Kürzung der Rinderprämien. Gerade die Rinderhaltung und Forsten des Freistaates Bayern, Herr Josef Miller. erfüllt das in der Modulation geforderte Beschäftigungs- kriterium in weit höherem Maße, als es im Getreidebau Josef Miller, Staatsminister (Bayern): der Fall ist. Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine Damen und Her- Zweitens. Das Modulationsgesetz ist ein Affront gegen ren! Der Bundestag berät heute über den Gesetzentwurf die Landwirte und führt zu erneuten Wettbewerbsver- des Bundesrates, dessen Ziel die Aufhebung des deut- zerrungen in der deutschen Landwirtschaft. Ihnen ist viel schen Modulationsgesetzes ist. Gegen dieses Modulati- zu wenig bewusst, dass eine ökologisch intakte Land- onsgesetz sprechen viele gewichtige Argumente. Ich schaft nur durch ökonomisch intakte Betriebe erhalten werde nur die wichtigsten ansprechen. und weiterentwickelt werden kann. Nur wettbewerbs- fähige Betriebe können nachhaltig wirtschaften. Erstens. Dieses Modulationsgesetz ist unsozial und da- rüber hinaus ökologisch fragwürdig. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) (B) (Beifall bei der CDU/CSU) (D) Diese Tatsache vergessen Sie. Sie haben kein Gespür für Ich wehre mich entschieden gegen das Totschlagargu- die Realität. ment: Wer gegen die Modulation ist, ist gegen mehr Um- welt. Wir sind nicht gegen mehr Umwelt. Ganz im Ge- Mit dem stetigen Aushöhlen der Wettbewerbskraft im genteil: Die unionsregierten Länder machen es mit ihren Vergleich zu den anderen EU-Staaten vernichtet die Bun- Agrar-Umwelt-Landesprogrammen doch schon lange desregierung in großem Umfang Bauernhöfe und Arbeits- vor, wie man den Umweltschutz mit und nicht gegen die plätze im ländlichen Raum. Was die deutschen Bauern Landwirte gestalten kann. Sie zeigen auch, dass es eine brauchen, sind endlich faire Wettbewerbsbedingungen. Frage der politischen Schwerpunktsetzung einer Landes- Die Bundesregierung muss endlich erkennen, dass das regierung ist, was an Finanzmitteln für Umweltmaß- weithin anerkannte Ziel eines attraktiven ländlichen nahmen bereitgestellt wird. Da sieht es bei Rot-Grün zap- Raumes nur mit und nicht gegen die Landwirtschaft zu er- penduster aus. reichen ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) neten der FDP) Angesichts der im vergangenen Wirtschaftsjahr zu ver- Ein Blick in den Bundesagrarbericht wird auch den zeichnenden Einkommenseinbrüche von durchschnittlich letzten Zweifler überzeugen: Die Länder Baden-Würt- 13 Prozent und des von Eurostat, dem statistischen Amt temberg, Bayern, Sachsen und Thüringen stehen mit Zah- der EU, geschätzten Rückgangs der Einkommen der deut- lungen zwischen 50 und 106 Euro pro Hektar und Jahr bei schen Landwirtschaft im Jahr 2002 mit minus 18 Prozent der Honorierung für umweltgerechte Agrarerzeugung an – das ist übrigens der vorletzte Platz bei den landwirt- der Spitze der Bundesländer. Dagegen sieht die rot-grüne schaftlichen Einkommen innerhalb der 15 EU-Staaten – Bilanz in den Ländern, in denen Sie Verantwortung tra- ist die Modulation ein politischer Fehlgriff ersten Ranges. gen, nicht nur extrem mager, sondern extrem schlecht aus. Sie bewirkt nämlich weitere Einkommenskürzungen, verstärkt die ohnehin herrschende Verunsicherung der (Beifall bei der CDU/CSU) Landwirte und reduziert die Investitionstätigkeit weiter, Schlusslichter, weit entfernt von Zahlungen zwischen was letzten Endes die Investitionskraft des ländlichen 50 und 106 Euro, sind Nordrhein-Westfalen mit gerade Raumes nachhaltig schwächt. Sie sind nicht nur gegen die einmal 7 Euro pro Hektar, Landwirtschaft, sondern Sie vernachlässigen auch die ländlichen Räume ganz massiv. (Albert Deß [CDU/CSU]: Das ist beschämend!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 1346 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Staatsminister Josef Miller (Bayern) (A) Die Modulation verschiebt Mittel von den direkt ein- Sie tun jetzt so, als ob die Fördergrundsätze eine Er- (C) kommenswirksamen Zahlungen der ersten Säule in Be- findung von Ihnen seien. Die meisten davon setzen viele reiche, von denen viele durch die Kürzung betroffene Länder wie zum Beispiel Bayern, Baden-Württemberg, Landwirte nicht profitieren, weil die Gelder in ganz an- Thüringen und Sachsen seit vielen Jahren um. Die Bun- dere Verwendungszwecke umgeleitet werden. desregierung hat sie nur abgeschrieben. Wir brauchen kein derart kompliziertes und hinsichtlich seiner Anlas- Die Bundesregierung verstärkt weiter die von ihr schon in der letzten Legislaturperiode eingeführten Belastun- tung sehr riskantes Instrument. Es hat doch gute Gründe, gen. Zusätzlich plant sie einschneidende Verschlechterun- warum die Modulation heute in Europa in keinem ande- gen im steuerlichen Bereich. Diese Politik der gezielten ren Land – außer im Vereinigten Königreich – durchge- Benachteiligung im europäischen Wettbewerb schwächt führt wird. Die Franzosen haben sie wieder rückgängig die Landwirtschaft in einer Zeit, in der sie eigentlich ge- gemacht. Deutschland ist neben Großbritannien, das eine stärkt werden müsste, um mit ihren hohen Kosten und ho- ganz andere Landwirtschaft hat, das einzige Land in Eu- hen Standards im internationalen Vergleich wettbewerbs- ropa, das jetzt eine Modulation einführt. fähig bleiben zu können. Sie stärken die Landwirtschaft Viertens. Die Modulation verursacht einen unverhält- nicht, sondern schwächen sie ganz massiv mit diesen nismäßig hohen Verwaltungsaufwand und ist gegenüber Maßnahmen im internationalen Wettbewerb. Das kann an den Steuerzahlern nicht zu vertreten. In Bayern würden den Märkten nicht erwirtschaftet werden. durch die Modulation 4 Millionen Euro freigesetzt. Es (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) müsste aber 1 Million Euro für den Verwaltungsaufwand ausgegeben werden. In Baden-Württemberg ist das Ertrag- Drittens. Weil eine zusätzliche finanzielle Basis für die Aufwand-Verhältnis mit 2 : 1,4 noch ungünstiger. Im Saar- Umsetzung fehlt, geht die Modulation zulasten wichtiger land wird wesentlich mehr Geld für das Erheben der Mo- Agrarstrukturmaßnahmen. Frau Künast, Sie haben das dulationsgelder aufgewandt, als dadurch hereinkommt. Modulationsmodell stets mit dem Argument angepriesen, durch die nationale Kofinanzierung und durch die zusätz- (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Abenteuer- lich für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der lich!) Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ bereitgestellten Die Länder werden mit diesem Gesetz in einen unver- Mittel fließe unter dem Strich mehr Geld in die Landwirt- hältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand gezwungen. schaft und den ländlichen Raum. Was ist aber das Ergebnis? Bauern und Agrarverwaltung brauchen aber nicht noch Die verfügbaren Haushaltsmittel werden um mindestens mehr, sondern endlich weniger Bürokratie. 100 Millionen Euro gekürzt. Die Versprechungen, dass mehr Geld in den ländlichen Raum fließt, werden angesichts (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hans- dieser Kürzungen nicht eingehalten. Dies ist vielmehr eine Michael Goldmann [FDP]: Wir sind so froh, (B) weitere Wählertäuschung durch die Bundesregierung. dass Sie gekommen sind!) (D) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Die Bundesregierung kündigt Bürokratieabbau an, han- neten der FDP) delt aber entgegengesetzt. Sie schafft nicht weniger, son- Jetzt zeigt sich, dass vor allem die finanzschwachen dern ständig mehr Bürokratie. Sie verantworten uneffi- Länder, insbesondere die neuen Länder, von Frau Künast ziente Maßnahmen, die die Verwaltungen nur belasten, in mit der Modulation in eine ideologische Falle gelockt wer- der Sache nichts bringen und die Bauern schädigen. den sollen. Die Länder können die Modulationsmittel nur (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) dann zurückbekommen, wenn sie für die Kofinanzierung entsprechende Landesmittel bereitstellen. Damit sind sie Schon jetzt zeigt sich, dass bei der Umsetzung des nun gezwungen, die Fördermaßnahmen nach der Modula- Modulationsgesetzes enorme Schwierigkeiten im Verwal- tion auszurichten. Viele Länder müssen andere wichtige tungs- und Haushaltsvollzug zu erwarten sind und zusätz- Vorhaben zur Weiterentwicklung der Agrarstruktur und liche Anlastungsrisiken auf uns zukommen. Die Bundes- zur Stärkung der Agrarwirtschaft zurückstellen. Sie ver- regierung tut sich aber leicht; sie wälzt das schlichtweg hindern damit Investitionen, die in diesen Ländern drin- auf die Länder ab. Hinzu kommt, dass die Notifizierung gend notwendig sind. in Brüssel sechs Monate beträgt. Damit steht fest, dass den Bauern nächstes Jahr das Geld gekürzt wird und das (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Geld erst ein Jahr später ausgezahlt werden kann. Dabei hätte jedes Bundesland die Möglichkeit, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Agrarumweltmaßnahmen selbst zu konzipieren und anzu- bieten, wenn die Mehrheit in dem jeweiligen Länderpar- Der Bund erschließt sich so – nichts anderes ist es – eine lament darin einen Schwerpunkt sieht. Insofern stellt sich neue Einkommensquelle zulasten der Bauern die Frage, warum allen Ländern die Zwangsjacke der na- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und tionalen Modulation übergestülpt werden soll. Es gibt ei- der FDP – Lachen des Abg. Matthias Weisheit nen viel sinnvolleren und einfacheren Weg: Machen Sie [SPD]) die Kürzung der Haushaltsmittel für die Gemeinschafts- aufgabe rückgängig und stellen Sie den Ländern diese und holt in den SPD- und rot-grün-regierten Ländern das Mittel zur Verfügung! Dann können sie Agrarumwelt- nach, was in den unionsregierten Ländern längst gemacht maßnahmen finanzieren, ohne vorher den Bauern die Ein- wird. kommen zu kürzen. So einfach ist das. (Eduard Oswald [CDU/CSU]: Jetzt geht die (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ministerin!) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1347

Staatsminister Josef Miller (Bayern) (A) Fünftens. Die deutsche Modulation greift der derzeiti- hat? In der Zeit der CDU/CSU-Regierung hat das große (C) gen intensiven Diskussion zur Weiterentwicklung der Höfesterben stattgefunden. europäischen Agrarpolitik unnötig vor. Sie müssten von (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Fischler eigentlich lernen: Fischler ist dazu übergegan- DIE GRÜNEN – Albert Deß [CDU/CSU]: Das gen, die Modulation der EU zurückzustellen. Er räumt ihr ist eine bösartige Unterstellung. Wir hatten keine Priorität mehr ein. Interessant ist auch, dass mit den 1998 1,7 Prozent und jetzt haben wir 5 Prozent jüngsten Beschlüssen in Kopenhagen den Beitrittsländern jährlich!) die Umschichtung aus der zweiten Säule in die erste Säule erlaubt, also eine Umkehrung der Modulation vorgenom- Nun zum Modulationsgesetz. Ich habe vor 14 Tagen men wurde. im Rahmen der Haushaltsberatungen schon wiederholt Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich bitte versucht, die Opposition dazu zu bewegen, diesen Ge- Sie, dieses Modulationsgesetz in der Form, wie es der setzentwurf des Bundesrates abzulehnen. Der heute vor- Bund vorgelegt hat, das den Landwirten und Verwaltun- liegende Antrag der FDP zeigt, dass die Argumente we- gen schadet und unseren Steuerzahlern nichts bringt, ab- der aufgenommen noch begriffen wurden. Doch dazu zulehnen und unserem Vorschlag zuzustimmen. Eine Ver- später. besserung der Umwelt und der artgerechten Tierhaltung (Ulrich Heinrich [FDP]: Das wird aber Zeit!) kann mit dem bestehenden Instrumentarium viel einfa- cher, unbürokratischer und praxisorientierter erreicht Bund und Länder waren sich einig, mit der Umschich- werden – wenn Sie nur bereit sind, Ihren politischen Wil- tung von Gemeinschaftsmitteln aus dem Marktbereich in len mit entsprechenden Geldmitteln zu unterlegen. Damit die Förderung von Maßnahmen im ländlichen Raum die machten Sie deutlich, dass Ihnen Agrarumweltschutz et- zweite Säule der gemeinsamen Agrarpolitik zu stärken. was bedeutet. Ich appelliere als Beauftragter des Bundes- Wir wollten damit einen ganz wichtigen Impuls für die rates an Sie, für die Gesetzesinitiative des Bundesrates zu Weiterentwicklung der umweltverträglichen und nachhal- stimmen und damit für die Aufhebung eines ineffizienten, tigen Landwirtschaft geben. unnötigen Modulationsgesetzes, das in der Sache total (Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: verfehlt ist und niemandem etwas bringt. Macht das doch so wie in Bayern!) Herzlichen Dank. Genau aus diesem Grund ist es falsch, das Modulations- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – gesetz aufzuheben. Eduard Oswald [CDU/CSU]: Deine Rede hat (Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ dazu geführt, dass die Bundesministerin gegan- CSU]: Man kann das doch auch ohne Modula- (B) gen ist! Du hast sie vertrieben! Aus dem Amt tion machen! Geht das denn nicht ohne Modu- (D) getrieben!) lation?) Lassen Sie es mich noch einmal erklären. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Die Einführung der Modulation mit der Prämienkür- Nächste Rednerin ist die Kollegin Waltraud Wolff, zung von jährlich 2 Prozent – das möchte ich noch einmal SPD-Fraktion. festhalten – oberhalb des Freibetrages von 10 000 Euro je Betrieb bedeutet erstens einen ganz vernünftigen, zwei- Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): tens einen sozial sehr verträglichen und drittens auch ei- nen moderaten Einstieg in die Modulation. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe nach dieser Rede wirklich den Ein- (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Es ist er- druck, dass Bayern weder zu Deutschland gehört noch staunlich, dass das die Bundesländer alle nicht hier EU-Agrarpolitik vertritt. verstehen!) (Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP) Die Umschichtung der eingesparten Mittel in die zweite Säule der gemeinsamen Agrarpolitik ist nicht nur WTO- Wie anders ist es zu erklären, dass Herr Staatsminister konform, sondern schafft auch neue Chancen für die länd- Miller völlig außer Acht lässt, was in den letzten zwei Jah- lichen Räume, für die Förderung nachhaltiger und um- ren in Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde? Aber weltverträglicher Landwirtschaft. darauf komme ich noch zu sprechen. Es geht hier um äußerst geringe Geldeinbußen. Wenn Zu zwei Punkten aus Ihrer Rede: Sie haben gesagt, die wir von 2 Prozent sprechen, kann man ja auch einmal eine Modulation sei ökologisch fragwürdig. Was der PLA- Zahl nennen. Wenn wir bei einem Hof von 30 000 Euro NAK-Beschluss vom letzten Freitag auf den Weg ge- ausgehen, betragen die Einbußen 600 Euro. Ich denke, da- bracht hat, zeigt, so denke ich, dass davon überhaupt keine ran geht wirklich kein Hof kaputt. Rede sein kann. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Frau Wolff, Daneben sind Sie auf das große Höfesterben einge- darum geht es doch gar nicht! Welcher Aufwand gangen. Wir haben in der letzten Legislaturperiode im wird dafür betrieben?) Rahmen der Neuorganisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung über das Höfesterben gesprochen. Diese 600 Euro, die von den Direktzahlungen abgezogen Wissen Sie, wann das große Höfesterben stattgefunden werden, haben aber einen großen Effekt, weil dadurch 1348 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (A) sehr viel mehr Mittel vor allem für Agrarumweltmaßnah- Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): (C) men zur Verfügung stehen. Mein letzter Satz: Am 22. März sind wir gemeinsam (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ mit den Bundesländern zu einem Beschluss gekommen, DIE GRÜNEN) der allen Bundesländern entgegenkam. Bitte beachten Sie Meine Damen und Herren, der PLANAK-Beschluss auch die PLANAK-Beschlüsse der letzten Woche. Ich vom letzten Freitag zeigt doch ganz deutlich, wohin die kann nur noch einmal an Sie als Opposition appellieren, Reise geht. Ich will nur einige der Fördermaßnahmen für die positive Perspektive der gemeinsamen EU-Agrar- nennen: die Erweiterung der Fruchtfolge, die Anlage von politik Einsicht zu zeigen. Blühflächen, die Förderung ganz besonders umweltver- Danke schön. träglicher Mulchsaat und Pflanzverfahren und Maßnah- men zur artgerechten Tierhaltung. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Albert Deß [CDU/CSU]: Das (Albert Deß [CDU/CSU]: Das machen wir doch war wenig überzeugend!) längst! – Ulrich Heinrich [FDP]: Was redet ihr denn?) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Endlich leisten wir einen Beitrag zur Entzerrung der ho- hen Viehbesatzdichten in den Veredelungsgebieten, ohne Nächster Redner ist der Kollege Friedrich Ostendorff, an dieser Stelle die Wirtschaftskraft zu schwächen. Das ist Bündnis 90/Die Grünen. doch ein ganz wichtiger Punkt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- DIE GRÜNEN – Albert Deß [CDU/CSU]: Ihr NEN): seid doch hinter dem Mond! – Peter H. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Wo sind und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich bin denn die hohen Viehbesatzdichten? In Nieder- noch einigermaßen neu hier in Berlin, aber das, was Sie, sachsen und Nordrhein-Westfalen! Das können Herr Minister Miller, und mit Ihnen all jene im Bundes- die allein machen!) rat, die erst die Modulation gefordert haben und sie jetzt Nun zum vorliegenden Entwurf, meine Damen und wieder verhindern wollen, den Bäuerinnen und Bauern an Herren. Ich wiederhole noch einmal, auch für Sie, Herr Planungsunsicherheit zumuten, überrascht mich als Bau- Staatsminister Miller: Weder Punkt 1 Ihrer Rede, wonach ern doch sehr. die nationale Modulation nur für einen kurzen Zeitraum (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (B) zur Anwendung kommen würde, noch Punkt 2, in dem und bei der SPD) (D) von einem enormen Verwaltungsaufwand die Rede war, können überzeugen. Kurz nach Beginn der großen BSE-Krise haben Sie, Herr Miller, in Ihrer Regierungserklärung zur Weiter- Erstens. Die obligatorische Modulation könnte – das entwicklung der Agrarpolitik am 14. März 2001 in Mün- wissen wir, wenn wir uns mit EU-Politik beschäftigen – chen Folgendes erklärt: auf EU-Ebene erst nach 2006 eingeführt werden. Ich denke nicht, dass die Zeit von 2002 bis 2006 ein kurzer Nach EU-Recht ist schon seit dem Jahr 2000 ... die Zeitraum ist. so genannte Modulation möglich, das heißt die Ab- schöpfung von Zahlungen an Großbetriebe zuguns- Zweitens. Durch die Herausnahme der kleinen Beihil- ten von Umwelt- und ökologischen Leistungen ... fen für Hopfen, Saatgut, Kartoffelstärke und Tabak sind Genau das aber hat Rot-Grün in Deutschland nicht wir bereits zu einem vertretbaren Aufwand in der Büro- umgesetzt. kratie gekommen. Dass die Länder das ähnlich sehen – ich muss ja jetzt sagen: sahen –, beweist das gemeinsame Dann haben Sie gefragt: Vorgehen. Was hindert eigentlich die Bundeslandwirtschafts- Ich nenne noch einmal die Beschlüsse. Wir haben am ministerin? Es ist doch höchste Zeit, eine Differen- 14. Dezember 2001 im Deutschen Bundestag das Modu- zierung als wesentlichen Bestandteil des derzeitigen lationsgesetz beschlossen. Prämiensystems auch in Deutschland einzuführen. (Albert Deß [CDU/CSU]: Gegen unsere Wie wahr! Wie wahr! Stimmen!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Der Vermittlungsausschuss hat am 20. März 2002 be- sowie bei Abgeordneten der SPD) schlossen und eine gute Möglichkeit für ein gemeinsames Nun gibt es genau dieses Gesetz, das Sie, Herr Miller, Vorgehen von Bundesländern und Bundestag gefunden. damals in den Zeiten der Krise so vehement gefordert ha- Für Sie, Herr Goldmann, noch einmal zum Mitschreiben, ben, und nun wollen Sie es kippen. Mit berechenbarer Po- weil Sie es im Ausschuss jüngst angezweifelt haben. litik für die Bäuerinnen und Bauern hat das aus meiner Sicht und aus der Sicht von Rot-Grün nicht sehr viel zu Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: tun. Frau Kollegin Wolff, Sie müssen zum Schluss kom- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN men. und bei der SPD – Albert Deß [CDU/CSU]: Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1349

Friedrich Ostendorff (A) Zwischen dem, was Minister Miller gefordert zen wir die Direktzahlungen für Getreide und Rinder um (C) hat, und dem, was Sie vorschlagen, ist ein Rie- 2 Prozent – also erst über dem Freibetrag in Höhe von senunterschied!) 10 000 Euro. In Bayern betrifft dies nur 20 Prozent der Be- triebe. Es mag aber auch sein, Herr Miller, dass das Politik frei nach dem westfälischen Motto ist: Kräht der Hahn auf In Deutschland kennen wir allerdings auch rationali- dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt, wie es ist. sierte Ackerbaubetriebe, die umgerechnet auf die be- schäftigten Arbeitskräfte im Betrieb bis zu 100 000 Euro Wir Grünen haben in der für die Landwirtschaft und mehr pro Arbeitskraft erhalten – und dies Jahr für schwierigsten Krise der letzten Jahrzehnte gesagt, dass Jahr. Das ist völlig legal. wir die Agrarwende wollen. Wir wollen das dafür Not- wendige tun. Dazu stehen wir. Wir setzen das Schritt für (Albert Deß [CDU/CSU]: Wo sind die Be- Schritt um. Das ist ein langer Weg, aber zu ihm gibt es für triebe hauptsächlich?) die Bäuerinnen und Bauern wie für die Verbraucherinnen Diese Betriebe nutzen lediglich die Regelungen konse- und Verbraucher keine echte Alternative. quent aus. Dies kann ihnen niemand vorwerfen. Worum geht es, liebe Kolleginnen und Kollegen? Es Deshalb müssen wir uns heute fragen: Geben wir mit geht hier im Kern um die Frage: Wollen wir der Land- unserer Agrarpolitik noch die richtigen Anreize? Meine wirtschaft das Signal geben, wie es insbesondere Bayern Damen und Herren, wir müssen umsteuern. Dies steht und Rheinland-Pfalz heute schon tun, dass die Leistun- außer Frage. Diese Zahlen sind der Öffentlichkeit nicht gen der Betriebe zum Erhalt der Kulturlandschaften, mehr zu erklären. Auch innerhalb der Landwirtschaft besonders in den benachteiligten Gebieten, beim Boden- führen sie zu großen Ungerechtigkeiten. und Grundwasserschutz, beim Naturschutz und bei den tiergerechten Haltungsformen in Zukunft ordentlich ho- Eines sei noch bemerkt: Gehen wir diesen Weg nicht, noriert werden? dann droht uns, dass wir spätestens in den WTO-Verhand- lungen gezwungen werden, die Gelder schlicht zu kürzen, (Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ weil Prämien, die auch Produktionsanreize bringen, nicht CSU]: Macht es doch! Das kann die Höhn doch mehr akzeptiert werden. Sie wären damit für die Land- tun!) wirtschaft verloren. Verlierer werden dann die Bäuerinnen – , dich nehme ich gleich dran. Ich und Bauern sein, die sich noch die Arbeit machen, Hecken nenne Nordrhein-Westfalen beispielhaft, es ist in vielen auf den Stock zu setzen, um Bäume im Feld herum zu pflü- Dingen mit Bayern im Gleichschritt. gen, statt sie zu roden, Kühe mit Heu zu füttern oder Schweine auf Stroh statt auf Betonspalten zu halten. Wir wollen bei den tiergerechten Haltungsformen wei- (B) terkommen, das heißt, die Tiere sollen auf Stroh gehalten Um weiter umzusteuern, brauchen wir die circa 80 Mil- (D) werden, die Hühner sollen aus den Käfigen und die Kühe lionen Euro aus der Modulation. Ohne dieses Geld ist für auf die Weide kommen. Wollen wir, dass diese Leistungen die Wende sehr wenig Spielraum. Mit der Modulation in Zukunft ordentlich honoriert werden oder soll mit dem aber halten wir diese 80 Millionen Euro in der Landwirt- Geld weiterhin der Anreiz gegeben werden, ohne Rück- schaft. Dies ist ganz entscheidend. sicht auf ökologische Belange und unter Wegrationalisie- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rung von Arbeitsplätzen Getreide, Raps oder Rindfleisch sowie bei Abgeordneten der SPD) zu erzeugen, unabhängig davon, ob es gebraucht wird oder nicht? Sollen sich die Landwirte nur an den Direkt- In der zuständigen Konferenz der Bundesländer – PLANAK zahlungen aus Brüssel orientieren? genannt – besteht große Einigkeit zwischen fast allen Bundesländern über die Ausgestaltung dieses Weges. Die Gesellschaft erwartet von zukunftsfähiger Land- wirtschaft, dass die Gelder für die Landwirtschaft für Lassen Sie mich zum Schluss noch auf den angeblich mehr Ökologie und für mehr Arbeitsplätze im ländlichen immensen Verwaltungsaufwand zu sprechen kommen, Raum verwendet werden. der von den Gegnern der Modulation so gern ins Feld ge- führt wird. Herr Miller, ich vermag das, was Sie sagen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN überhaupt nicht nachzuvollziehen. Wenn meiner Frau und und bei der SPD – Albert Deß [CDU/CSU]: mir auf unserem 70-Hektar-Betrieb heute per GPS-Satel- Macht doch in Nordrhein-Westfalen so ein Ge- litensystem eine Flächenabweichung von 22 Quadratme- setz wie in Bayern!) tern nachgewiesen werden kann, muss es doch – auch in Dies liegt auch und besonders im Interesse der Bäuerin- Bayern – möglich sein, die Prämienhöhe eines Betriebes nen und Bauern. Unsere Aufgabe ist es, dies umzusetzen. zusammenzurechnen. Jeder Betrieb ist doch heute ko- diert. Die zuständige Zahlstelle hat die Prämienhöhe jedes Die heutige Situation ist Folgende: Das bisherige Sys- einzelnen Betriebes vorliegen. Und da soll es viele Milli- tem der Direktzahlungen der EU führt dazu, dass eine onen Euro kosten, den Computer dazu zu bringen, bei ei- kleine Zahl von Betrieben den Großteil der Gelder unter nem Viertel der Betriebe, in Bayern bei einem Fünftel der sich aufteilt. EU-weit erhalten 20 Prozent der Betriebe 80 Betriebe – denn nur so viele sind hier betroffen –, von den Prozent der Direktzahlungen. 70 Prozent der Betriebe – in Ergebnissen 2 Prozent abzuziehen? So viel zum Bürokra- Bayern, Rheinland-Pfalz und auch in Baden-Württem- tieaufwand. berg sind es sogar über 80 Prozent – erhalten weniger als 10 000 Euro. Deshalb führen wir bei der Modulation den (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Freibetrag von 10 000 Euro ein. Erst darüber hinaus kür- sowie bei Abgeordneten der SPD) 1350 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Friedrich Ostendorff (A) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: weisbar und belegbar aufgezeigt, dass das von Ihnen auf (C) den Weg gebrachte Modulationsgesetz schlicht und er- Herr Kollege, ich darf Sie dezent an Ihre Redezeit er- greifend ungeeignet ist. innern. Herr Ostendorff, die Angelegenheit ist nicht damit aus der Welt geschafft, dass man sagt: Mein Betrieb ist codiert Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- und wird vom UPS-System erfasst. Wenn Sie in das Ge- NEN): setz hineinschauen – ich denke, das haben Sie getan –, Ich komme zum Schluss. Ich bin ja noch neu, wie ich dann werden Sie feststellen, dass der bürokratische Auf- am Anfang bemerkt habe. wand hoch ist, dass die Übergangsregelungen sehr teuer sind und dass der Zeitplan völlig unklar ist. (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) Sie haben vorhin das schöne Beispiel im Hinblick auf den PLANAK genannt. Wenn das Gesetz im Bundesrat Ich habe den Eindruck, Frau Präsidentin, dass die Geg- nicht zunächst einmal gestoppt worden wäre, dann hätten ner selbst kleiner Schritte wie der Modulation, über die wir überhaupt keine Unterlagen zu diesem Gesetz gehabt; wir heute entscheiden, diese Zusammenhänge sehr genau denn die Unterlage des PLANAK ist uns erst nach der kennen. Weil sie aber das langfristige und nachhaltige Ausschusssitzung am vorgestrigen Mittwoch zugestellt Umsteuern verhindern wollen, wollen sie jeden einzelnen worden. Schritt auf diesem Weg blockieren – und dies ausgerech- net unter der Führung von Bayern, was ich nun überhaupt (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nicht verstehen kann! NEN]: Da fragen Sie einmal die Bundesländer, warum!) Wir wollen die Modulation und lehnen deshalb den vom Bundesrat vorgelegten Gesetzentwurf zur Aufhe- Zu einem am Mittwoch behandelten Tagesordnungspunkt bung des Modulationsgesetzes ab. gab es keine Vorlage aus dem Ministerium. Vielen Dank. Vor diesem Hintergrund muss man ganz klar sagen: Die Dinge, die Sie hier auf den Weg bringen wollen, sind, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN was ihre Vorbereitung angeht, völlig unzulänglich. Von und bei der SPD) der Effektivität, die Sie zum Ausdruck gebracht haben, kann keine Rede sein. Sie behaupten, dass man bestimmte Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Dinge ändern muss. Dazu kann ich nur sagen: Wir sind selbstverständlich dazu bereit, diese Dinge zu ändern. Herr Kollege Ostendorff, ich gratuliere Ihnen recht (B) (D) herzlich zu Ihrer ersten Rede hier in diesem Hohen Hause Viele Bundesländer haben diese Änderungen schon in und wünsche Ihnen für Ihre politische und persönliche Angriff genommen. Der eigenverantwortliche Weg, den Zukunft alles Gute. diese Bundesländer gehen, ist besser und effektiver. Außerdem entspricht dieser Weg unserem Staatsaufbau. (Beifall – Abg. Friedrich Ostendorff [BÜND- Ich wehre mich schlicht und ergreifend dagegen, dass NIS 90/DIE GRÜNEN] nimmt Glückwünsche „Windpuper“ aus der „Reichshauptstadt“ kommen und von Abgeordneten der Fraktion des BÜNDNIS- sagen, was für Niedersachsen, für das Emsland oder für SES 90/DIE GRÜNEN entgegen!) Nordrhein-Westfalen gut ist. Nächster Redner ist der Kollege Michael Goldmann, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) FDP-Fraktion. Das wissen die Menschen vor Ort selbst besser. Sie kön- (Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: nen mit den ökologischen Herausforderungen – Stichwort Ich darf hier im Plenum nicht einmal etwas Nachhaltigkeit – umgehen. essen und die knutschen da sogar! – Heiterkeit) Herr Ostendorff, auch wenn das Ihre erste Rede war, – Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht können wir will ich Ihnen Folgendes sagen: Es ist absolut nicht in dem Kollegen Goldmann jetzt die Chance geben, mit sei- Ordnung, dass Sie hier behauptet haben – ich werde das ner Rede zu beginnen. im Protokoll nachlesen –, dass Bauern bisher ohne Rück- sicht auf ökologische Belange produziert haben. Dass Sie Hans-Michael Goldmann (FDP): Ökobauer sind, ist Ihr sehr gutes Recht. Ich habe dafür volles Verständnis und Sie haben meine Unterstützung. Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ostendorff, wenn etwas Vernünftiges auf (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Dass Bauern bisher ohne Rücksicht auf den Weg gebracht wird – da können Sie ganz sicher ökologische Belange produziert haben, das habe sein –, sind wir Liberale dabei. Wenn etwas Vernünftiges ich so nicht gesagt!) für den ländlichen Raum gemacht wird, wenn etwas Ver- nünftiges für unsere wettbewerbsorientierten Bauern ge- – Das haben Sie genau so gesagt. – Die konventionelle macht wird, haben Sie uns an Ihrer Seite. Landwirtschaft hat ökologische Belange bisher sehr wohl berücksichtigt. Da liegen Sie schlicht und ergreifend Nur, Herr Kollege Ostendorff, liebe Kolleginnen und falsch. Kollegen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Staats- minister Miller hat nun wirklich sehr eindeutig, nach- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1351

Hans-Michael Goldmann (A) Unser Vorgehen sollte darauf abzielen, die Qualität die- 13. Dezember als „Tag der erfolgreichen Verhandlungen“ (C) ses Ministeriums zu verbessern. Es hat sich mittlerweile zum Feiertag in Bayern erklärt. zu einem „Verbraucherverunsicherungsministerium“ ent- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ wickelt. DIE GRÜNEN) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Ich vermute auch, Sie hätten darüber hinaus besonders der CDU/CSU – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: hervorgehoben, wie erfolgreich sich der Bundeskanzler Leider wahr!) mit Präsident Chirac über die Finanzierung der gemein- Ich will Ihnen das an einem Beispiel erläutern, das uns samen Agrarpolitik geeinigt hat. Um sich das vorzustel- im Moment bedrückt. Wir diskutieren im Ausschuss über len, muss man die Fantasie aber besonders anstrengen. Acrylamid. Wir stehen vor der Bewältigung einer großen Denn Ministerpräsident Stoiber hat immer – das wäre das Herausforderung. Herr Staatssekretär Berninger sagt: Die Problem gewesen – eine Kofinanzierung gefordert. Mit Verpackung von Babynahrung muss so gekennzeichnet den Franzosen über eine Kofinanzierung zu reden wäre sein, dass jeder weiß, wie viel Acrylamid in dem Produkt jedoch so, als wollte man den Eiffelturm schwarz-rot-gold enthalten ist. Wissenschaftler sagen: Eine solche Kenn- anstreichen. zeichnung ist völlig absurd und bringt überhaupt nichts. Daraufhin teilt die Ministerin mit: Auch ich bin nicht (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) dafür, dass die Verpackung von Babynahrung so gekenn- Es wäre also nicht zu einer Einigung gekommen. zeichnet ist, dass klar ist, wie viel Acrylamid in dem Pro- dukt enthalten ist. Der Verbraucher stellt sich die Frage: Wir fordern weder einen Feiertag noch schulfrei. Aber Was gilt denn nun? wir müssen würdigen, wie wichtig die Einigung über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik war. Sie hat Was ich meine, will ich Ihnen noch an einem anderen den Stolperstein für die Osterweiterung aus dem Weg Beispiel ganz kurz deutlich machen. Es geht um Nitrofu- geräumt und sie lag im Interesse Deutschlands und der ran. Ich halte es für einen Skandal, dass brasilianisches deutschen Bauern. Geflügelfleisch den deutschen Markt überflutet. Die Menge von brasilianischem Geflügelfleisch auf dem (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ deutschen Markt ist von 5 000 Tonnen auf 200 000 Ton- DIE GRÜNEN) nen angestiegen. Deswegen möchte ich – das ist mir besonders wich- tig – die Kritik von Frau Merkel, die sie gestern hier vor- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: gebracht hat, zurückweisen. Sie behaupten immer, dass die Bauern viel Steuern zahlen müssten. Ich habe in den (B) Herr Kollege Goldmann, Ihre Redezeit ist zu Ende. ganzen Jahren keinen Bauern kennen gelernt, der für die (D) Osterweiterung mehr Steuern zahlen müsste. Mit dem Fi- Hans-Michael Goldmann (FDP): nanzkompromiss ist Verlässlichkeit für die Landwirt- schaft geschaffen worden. Das ist am Ende im Interesse Der deutsche Zoll sorgt sogar noch dafür, dass der Im- der deutschen Bauern. port von nitrofuranbelastetem Fleisch nicht behindert wird. Die Ministerin schaut diesen Vorgängen untätig zu. Zurück zu Ihnen, Herr Miller. Was hätten Sie weiter ge- An den parlamentarischen Erörterungen dieses Themas fordert, wenn der Bundeskanzler Stoiber hieße? – Sie hät- nimmt sie nicht teil. In dieser Frage lässt sie uns im ten sicher mehr Liberalisierung gefordert, weil Sie wis- Grunde genommen so allein, wie sie die Verbraucherin- sen, wie wichtig am Ende die nächste Welthandelsrunde nen und Verbraucher in Deutschland auch sonst allein ist. Dies hätten Sie nicht nur mit Blick auf den Koali- lässt. Das ist ein Skandal! tionspartner verlangt, sondern vielleicht auch mit Blick auf die bayerischen Bauern und die bayerischen Interes- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) sen. Denn gerade Bayern dürfte von offenen Märkten pro- fitieren, wenn man sich anschaut, in welchem Umfang an- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: gesichts eines Selbstversorgungsgrads von 180 Prozent bei Milch und von 220 Prozent bei Rindfleisch Agrar- Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Gerald erzeugnisse aus dem Freistaat exportiert werden. Thalheim, SPD-Fraktion. (Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Herr Kollege Thalheim, sind Sie beim richtigen Dr. Gerald Thalheim (SPD): Tagesordnungspunkt?) Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Gerade der Freistaat profitiert also von offenen Grenzen. Herren! Herr Staatsminister Miller, als Sie hier Ihre Rede Demzufolge muss man sich den Konsequenzen stellen gehalten haben, habe ich versucht, mir vorzustellen, dass und eine solche Politik mit Reformen bei der gemeinsa- die Wahl am 22. September anders ausgegangen und men Agrarpolitik flankieren. Edmund Stoiber Kanzler geworden wäre. Wenn Edmund Stoiber für die Osterweiterung so erfolgreich wie Bun- Herr Miller, Sie hätten vermutlich um Verständnis deskanzler Gerhard Schröder verhandelt hätte, dann hät- dafür geworben, dass auch im Agrarhaushalt Kürzungen ten Sie Ihre Rede mit viel Lob für Bundeskanzler Edmund notwendig sind. Denn ich gehe davon aus, dass gerade Sie Stoiber begonnen. Ich vermute, Sie hätten sogar eine Wo- als CSU-Minister noch gut in Erinnerung haben, mit che schulfrei in Bayern gefordert oder Sie hätten den welch umfangreicher Erhöhung der Staatsverschuldung 1352 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Dr. Gerald Thalheim (A) die deutsche Einheit finanziert hat, und dass Vielen Dank. (C) es deswegen gerade für Sie nach wie vor eine wichtige (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Aufgabe wäre, die Staatsverschuldung zurückzuführen DIE GRÜNEN) und diese falsche Politik auch mit den entsprechenden Konsequenzen für die Landwirtschaft zu korrigieren. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ich schließe die Aussprache. Herr Miller, Sie hätten bei einem Bundeskanzler Wir kommen zur Abstimmung über den vom Bundes- Stoiber, mutmaße ich, die Modulation zwar nicht leiden- rat eingebrachten Gesetzentwurf zur Aufhebung des Ge- schaftlich verteidigt, aber die Kritik wäre wesentlich lei- setzes zur Modulation von Direktzahlungen im Rahmen ser ausgefallen. Sie müssen sich klar machen, was 2 Pro- der gemeinsamen Agrarpolitik und zur Änderung des zent Modulation bedeuten, wobei es am Ende eines GAK-Gesetzes, Drucksache 15/108. Der Ausschuss für Jahres Unterschiede gibt, gerade was die Auszahlung der Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft emp- Flächenbeihilfen bei Getreide – Grundflächenüber- fiehlt auf Drucksache 15/225, den Gesetzentwurf ab- schreitung – angeht. 2 Prozent Modulation hätten den Un- zulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf tergang der deutschen Landwirtschaft zur Folge. zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegenstim- (Albert Deß [CDU/CSU]: Der Mittelwert ist men? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter sinnvoll!) Beratung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP ab- Zur Problematik des Vorwurfes von zu viel Bürokratie. gelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung Herr Miller, die Bürokratie ist erst durch den Freibetrag die weitere Beratung. pro Betrieb in das Gesetz gekommen. Ohne diesen Frei- betrag, der eine zentrale Forderung Bayerns war, wäre es Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- nicht zu dieser zusätzlichen Bürokratie gekommen. ßungantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/233. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Gegen- probe! – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Herr Kollege Thalheim, gestatten Sie eine Zwi- FDP und der CDU/CSU abgelehnt. schenfrage des Kollegen Carstensen? Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf: (B) Dr. Gerald Thalheim (SPD): Erste Beratung des von den Abgeordneten Jörg (D) van Essen, Rainer Funke, Otto Fricke, weiteren Nein, ich wüsste nicht, wie diese Nachfrage den Vor- Abgeordneten und der Fraktion der FDP einge- gang noch erhellen könnte. brachten Entwurfs eines Gesetzes zum verbes- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ serten Schutz des Eigentums DIE GRÜNEN) – Drucksache 15/63 – Denn die Argumente zur Modulation sind ausgetauscht. Überweisungsvorschlag: Meine Kollegin Wolff hat deutlich gemacht, dass man Rechtsausschuss (f) Innenausschuss sich im PLANAK auf eine ganze Reihe von vernünftigen Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Vorschlägen verständigt hat. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre kei- GRÜNEN]: Jawohl!) nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Insofern ist mit dem Gesetz eine wichtige Grundlage ge- Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner in der De- schaffen worden, um Reformfähigkeit zu dokumentieren batte ist der Kollege Jörg van Essen, FDP-Fraktion. und sie in Deutschland und in der Europäischen Union voranzutreiben. Jörg van Essen (FDP): Herr Miller, ich komme am Schluss meiner Rede zurück zur Realität. Wir wissen, Edmund Stoiber ist nicht Frau Präsidentin Dr. Kastner! Liebe Kolleginnen und Bundeskanzler geworden. Sie brauchten diese fiktive Kollegen! Das Thema Graffiti und ihre Bekämpfung ha- Rede also hier nicht zu halten. Ich denke, Sie und Ihre ben wir schon in der letzten Legislaturperiode bei vielen Kolleginnen und Kollegen sind sehr dankbar dafür, dass verschiedenen Gelegenheiten diskutiert. Wir als FDP sind sie sich eine solche Rede nicht anhören mussten. Aber ganz außerordentlich unzufrieden damit, dass wir immer trotzdem die Bitte: Kommen Sie zurück zur Realität! Ver- noch nicht vorangekommen sind. lassen Sie an dieser Stelle die weißblaue Traumwelt! Die (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Richtig!) Rahmenbedingungen haben sich insbesondere durch die Uruguay-Runde und die Agenda 2000 verändert. Dem Dass diese Unzufriedenheit nicht nur bei der FDP- muss auch die Agrarpolitik Rechnung tragen. Mit dem Bundestagsfraktion vorhanden ist, sondern ganz offen- Modulationsgesetz haben wir das getan. Ich bin über- sichtlich auch bei den Ländern, ersehen Sie daran, dass zeugt, dass Sie diesem Weg in der Zukunft folgen werden. heute zeitgleich im Bundesrat ein Gesetzentwurf von Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1353

Jörg van Essen (A) fünf Bundesländern mit dem gleichen Ziel eingebracht (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE (C) worden ist. GRÜNEN]: Nein! Aber wann ist es Kunst?) Graffiti sind manchmal Kunst. und damit überhaupt nichts Neues ist, Herr Kollege Ströbele, wollen wir mit einer vernünftigen Neuregelung (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE im Strafgesetzbuch denen in der Strafverfolgung, die die- GRÜNEN]: Sehr gut!) sem Unwesen einen entsprechenden Riegel vorschieben Das sieht man an Keith Haring, das sieht man an Harald wollen, eine einfach handhabbare gesetzliche Grundlage Naegeli, die ich beide als Künstler ganz außerordentlich geben. Das ist das Ziel unseres Antrages. schätze. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE Wir werden darauf dringen, dass wir diesmal voran- GRÜNEN]: Es gibt auch jüngere Künstler!) kommen. Ich befürchte zwar, dass wir heute bei der ersten Aber das, was wir an unseren Brücken, das, was wir an öf- Lesung wieder die bekannten Argumente hören werden. fentlichen Gebäuden, Aber ich meine, dass insbesondere durch die Initiative des Bundesrates sichergestellt ist, dass wir diesmal ein Stück (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE vorankommen. GRÜNEN]: Volkskunst!) Wir haben es bei ähnlichen Initiativen der CDU/CSU das, was wir an unseren Zügen sehen, erlebt, dass die neue Bundesjustizministerin offensicht- (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: An privaten Häu- lich in neuen Kategorien denkt. Ich hoffe, dass sie das sern!) auch in dieser Frage tut. das ist schlicht Umweltverschmutzung, das ist Beein- Wer beispielsweise mit dem Zug durch das Ruhrgebiet trächtigung des Eigentums und das ist nicht zu akzeptie- fährt und an den vielen öffentlichen Brücken vorbei- ren. kommt, die in geradezu unerträglicher Weise beschmiert worden sind, wird sich darüber freuen, wenn wir strenger (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten dagegen vorgehen und damit für eine Umwelt sorgen, die der CDU/CSU) wieder sehenswert ist. Künstler wie Harald Naegeli oder Beispielsweise der Städte- und Gemeindebund schätzt Keith Haring würden ihren Weg auch ohne Sachbeschä- die Kosten für die Beseitigung von Graffiti allein an öf- digung gehen. Dessen bin ich mir sicher. fentlichem Eigentum auf 200 bis 250 Millionen Euro pro Herzlichen Dank. Jahr. Das zeigt, wie hoch die Kosten sind. Auch bei der (B) Bahn entstehen für die Beseitigung jeweils unglaubliche (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der (D) Kosten. Diese sind vom Steuerzahler und damit von uns CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜND- allen zu tragen. NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer beurteilt es, wer Künstler ist? Herr Oberstaatsanwalt van Essen? Das, was hier behauptet wird, dass nämlich der bis- herige strafrechtliche Schutz ausreicht, trifft ja nicht wirk- lich zu. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (Joachim Stünker [SPD]: Doch!) Das Wort hat der Kollege Hermann Bachmaier, SPD- Fraktion. Ich komme selbst aus der Strafverfolgung. Häufig müssen Gutachten eingeholt werden, Hermann Bachmaier (SPD): (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss man noch vermehrt tun!) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit meh- reren Legislaturperioden liefern wir uns mit steter Regel- weil beispielsweise die Frage der Substanzverletzung, mäßigkeit immer wieder Redeschlachten darüber, wer die nach dem Strafgesetzbuch Voraussetzung für die wohl der beste Graffitibekämpfer in der Republik ist. Viel Sachbeschädigung ist, Neues ist dabei nicht zutage getreten. Das gilt auch für (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sehr richtig!) Ihren heute eingebrachten Gesetzentwurf und Ihren Bei- trag, Herr van Essen. nachgeprüft werden muss. Damit entstehen noch einmal zusätzliche Kosten für die Öffentlichkeit; denn viele die- Ihr Gesetzentwurf wird auch dadurch nicht besser, ser Täter sind ja gar nicht in der Lage, beispielsweise die liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dass Sie wieder einmal den Eindruck erwecken, man müsse ledig- entsprechenden Kosten des Gerichts zu tragen. lich den Straftatbestand der Sachbeschädigung um das (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Das ist leider Merkmal der so genannten Verunstaltung erweitern und wahr! – Hans-Christian Ströbele [BÜND- schon wären die ärgerlichen Graffitischmierereien wirk- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie ist das mit Verun- samer zu bekämpfen. staltungen?) (Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Genauso Auch das muss vom Steuerzahler bezahlt werden. ist es!) Weil der Begriff des Verunstaltens im Strafgesetzbuch – So wirklichkeitsfremd sind Sie. Das nehme ich Ihnen schon enthalten fast ab. 1354 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Hermann Bachmaier (A) Das entscheidende Problem ist doch – das wissen Sie Statt unser Heil in ständig neuen Erweiterungen der (C) genauso gut wie wir –, dass man der Täter in aller Regel Straftatbestände zu suchen, wären wir und vor allem die nicht habhaft werden kann. Schon deshalb wird sich das Bundesländer besser beraten, über im Ansatz durchaus Katz-und-Maus-Spiel zwischen Strafverfolgern und den- vorhandene Präventionsstrategien intensiver als bisher jenigen, die offensichtlich eine unstillbare Freude daran nachzudenken. haben, Mauern, Wände, Brücken, Straßen und Eisen- (Beifall des Abg. Joachim Stünker [SPD]) bahnwaggons zu bemalen, zu beschmieren und zu be- sprühen, fortsetzen. Dazu zählt zum Beispiel – die Zeit ist kurz, ich kann nur einige erwähnen – eine verbesserte Aufklärung vor allem Wir haben es doch nicht mit einem ins Auge springen- in Schulen, bei der deutlich gemacht wird, dass auf die den Defizit unseres materiellen Strafrechts zu tun, Täter dann, wenn sie erwischt werden, erhebliche Scha- (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE densersatzforderungen zukommen. Dazu zählen Scha- GRÜNEN]: So ist es!) densbeseitigungsmaßnahmen im Rahmen des Täter- Opfer-Ausgleichs. Dazu zählt auch, dass Graffiti-Sprühe- sondern damit, dass sich die Graffitisprüher nach wie vor reien umgehend beseitigt werden, sodass sie im öffentli- mit bisweilen großem Geschick der Strafverfolgung ent- chen Raum keine hohe Bestandskraft haben. Dies sind nur ziehen können. einige Beispiele. Es ließen sich viele anschließen, mit de- (Jörg van Essen [FDP]: Auch aus rechtlichen nen man in der Prävention durchaus Erfolge erzielen kann. Gründen!) Daneben gibt es erfreulicherweise inzwischen auch bei Wenn wir den Straftatbestand der Sachbeschädigung über der Strafverfolgung erfolgreichere Ansätze als bislang, die so genannte Substanzverletzung hinaus erweitern, zum Beispiel die Registrierung der spezifischen Hand- wird dies an dem Graffitiübel herzlich wenig ändern. Das schrift der Sprayer und eine aktivere Einbeziehung der muss der Ehrlichkeit halber festgestellt werden. Bevölkerung bei Fahndungsmaßnahmen. Sie wissen, dass alle Sprayer ein ganz bestimmtes Bild hinterlassen. Wenn (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Hans- man dieses Identitätsmerkmal erkennt, ist die Strafverfol- Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gung wesentlich leichter, als wenn man sie Zufallsprinzi- NEN]) pien überlässt. Meine Damen und Herren, ein symbolisches Straf- Strafrecht ist kein Allheilmittel. Wir sollten nicht so recht, das in der Sache wenig bewirkt, ist nicht dazu an- tun, als sei es das. getan, die von der Öffentlichkeit mit Recht erwartete Handlungskompetenz des Staates unter Beweis zu stel- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (B) len. Wenn wir dennoch bestehende oder vermeintliche Straf- (D) (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Hans- barkeitslücken beseitigen wollen, sollten wir die ein- Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schlägigen Tatbestände daraufhin kontrollieren, ob sie in NEN]) der Praxis handhabbar sind, und nicht Steine statt Brot lie- fern. Wenn wir dennoch meinen, eine kleine Lücke im Straftat- bestand der Sachbeschädigung beseitigen zu müssen, (Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: dann sollten wir das wenigstens mit den dafür geeigneten Vorschlag!) Mitteln versuchen. Am allerwenigsten geeignet ist es, in – Den machen wir. Ich habe vorhin angedeutet, dass der den Straftatbestand der Sachbeschädigung den schillern- Vorschlag des Bundesrates diskussionswürdiger ist als den Begriff der Verunstaltung aufzunehmen. das, was die FDP in steter Wiederholung aus den vergan- Für viele Richter, Staatsanwälte und Polizisten wäre es genen Jahren vorlegt. ein Horror, wenn sie sich in Zukunft bei Strafverhandlun- gen auch noch damit herumschlagen müssten, ob eine Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Graffitisprüherei verunstaltender Natur ist oder nicht. Wenn aber partout die kleine Strafbarkeitslücke in § 3 des Herr Kollege Bachmaier, es gibt den Wunsch des Kol- Strafgesetzbuches geschlossen werden soll, dann scheint legen Bergner nach einer Zwischenfrage. uns der vom Bundesrat in Kürze zu erwartende Vorschlag immer noch der vernünftigere Weg zu sein, obwohl auch Hermann Bachmaier (SPD): diese Formulierung mit unbestimmten Rechtsbegriffen gepflastert ist. Danach sollen in Zukunft nicht nur dieje- Bitte sehr, Herr Bergner. nigen wegen Sachbeschädigung bestraft werden können, die etwas zerstört oder beschädigt haben, sondern auch Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU): diejenigen, die – so heißt es im Gesetzentwurf – das Er- scheinungsbild einer Sache gegen den Willen des Ei- Herr Kollege, ich bin neu im Deutschen Bundestag und habe die Landespolitik sehr aufmerksam beobachtet. gentümers oder sonstig Berechtigten nicht unerheblich verändern. Dass sich dadurch in der Praxis viel ändert, (Hermann Bachmaier [SPD]: Das ist mir nicht wage ich zu bezweifeln. entgangen!) (Joachim Stünker [SPD]: Gar nichts wird sich Was mich ein bisschen wundert, ist der Umstand, dass die ändern!) Notwendigkeit einer Strafrechtsänderung unter Kommu- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1355

Dr. Christoph Bergner (A) nal- und Landespolitikern der SPD ganz anders bewertet diesem Jahr. Ich möchte meine Redezeit heute dazu nut- (C) wird, als Sie es tun. Haben Sie dafür eine Erklärung? zen, um deutlich zu machen, dass gerade in den Zeiten, in denen den Bürgern bei wirklich jeder Gelegenheit das (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Geld aus der Tasche gezogen wird, neten der FDP) (Rudolf Bindig [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!) Hermann Bachmaier (SPD): der Eigentumsschutz besonders wertvoll ist und vom Ge- Herr Kollege Bergner, wenn Sie etwas aufmerksamer setzgeber entsprechend gewürdigt werden muss. zugehört hätten, hätten Sie hören müssen, dass wir den ins Auge gefassten Antrag des Bundesrates sehr ernsthaft (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- prüfen, der uns ein besserer Weg als das zu sein scheint, neten der FDP) was mit der ewigen Wiederholung des Verunstaltungsbe- Es ist nicht nur ärgerlich, sondern auch teuer, Graffi- griffes gemeint ist. Den Begriff der Verunstaltung halten tischmierereien von Hauswänden oder anderen Flächen wir für unselig und nicht weiterführend. Über alles andere entfernen zu lassen. Es handelt sich hier auch keineswegs kann man nachdenken. um Bagatelldelikte. Nein, meine Damen und Herren, Dennoch bleibt – ich habe versucht, das auszuführen –, Graffitischmierereien sind ein Teil der Alltagskriminalität dass wir mit den Mitteln des Strafrechts bei dem, was wir (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE gemeinsam verurteilen, nämlich das Überhandnehmen von GRÜNEN]: Kunst ist Graffiti – manchmal!) Graffitisprayereien, nicht weiterkommen werden. Wir dür- fen den Menschen nicht vorgaukeln, wir könnten mit den und belasten sowohl private Haushalte als auch die öf- Mitteln des Strafrechts etwas bewirken und in Wirklichkeit fentlichen Kassen finanziell stark; bewirken wir nichts. Dies sind Scheinmaßnahmen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des denn der volkswirtschaftliche Schaden ist immens. Nach BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) einer Studie des Deutschen Städtetages kostet die Beseiti- Sie lieben ja das symbolische Strafrecht. Sie tun so, gung dieses Vandalismus an öffentlichen Verkehrsmit- als würden Sie etwas tun. In Wirklichkeit haben Sie nichts teln jährlich 100 Millionen Euro; 60 Millionen Euro müs- getan und vor allem nichts bewirkt. Das ist doch das Ent- sen Privatleute aufwenden, um ihre Hauswände reinigen scheidende. zu lassen; nochmals 40 Millionen Euro kostet den Steuer- zahler die Reinigung öffentlicher Gebäude. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Die Bemühungen der Bürger und Kommunen, die Aber die Methode, alles ins Strafrecht zu verlagern, um so (B) Städte attraktiver zu gestalten und Innenstädte aufzuwer- (D) die Welt in Ordnung zu bringen, ist eine alte Ideologie der ten, werden durch Farbschmierereien schlicht konterka- Konservativen, von der Sie sich langsam verabschieden riert. sollten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vielleicht machen wir uns einmal Gedanken darüber – das würde ich auch Ihnen empfehlen –, warum so viele Ju- Deshalb muss es unser erklärtes Ziel sein, Graffitisprühe- gendliche das offensichtlich unstillbare Bedürfnis haben, reien als rechtswidrig und strafbar im Sinne des § 303 mit großflächigen und bisweilen sogar monströsen Graf- Strafgesetzbuch zu qualifizieren. fiti in einer für sie nicht immer gerade freundlichen Um- (Jörg van Essen [FDP]: Und zwar alle!) welt auf sich aufmerksam zu machen. Wir sollten einmal den gesellschaftlichen Hintergrund von Graffiti diskutie- Wie die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bereits vor ren, wenn wir über Abhilfe reden. Wenn ich nämlich die drei Jahren gefordert hat, ist eine Präzisierung der straf- Ursache kenne, dann kann ich die Folgen leichter und rechtlichen Sanktionen im Umgang mit Graffitisprayern sinnvoll bekämpfen. unbedingt geboten. Es ist schier ein Affront gegen rechts- treue Bürger, dass Rot-Grün die Bekämpfung des Graf- Herzlichen Dank. fitiunwesens immer wieder verhindert. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Hans- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Eine aktive NEN]) Aufforderung zum Vandalismus!) Derartige Verunstaltungen ermuntern Nachahmer; der Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Eindruck von Verwahrlosung steigt und die Hemm- Nächste Rednerin ist die Kollegin Daniela Raab, schwelle für andere kriminelle Delikte sinkt. CDU/CSU-Fraktion. (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Die SPD ist (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- selber verwahrlost!) neten der FDP) Um diesen Missstand zu beheben, wollen wir in Kürze unseren Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbu- Daniela Raab (CDU/CSU): ches, das Graffiti-Bekämpfungsgesetz, erneut zur Diskus- sion stellen Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol- legen! Dies ist der letzte Sitzungstag des Bundestages in (Jörg van Essen [FDP]: Sehr gut!) 1356 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Daniela Raab (A) und somit nochmals klarstellen, dass solche Schmiere- tivmaßnahmen, sondern verstärkt durch eine zu erwar- (C) reien als Sachbeschädigungen zu betrachten und dem- tende harte Bestrafung gestoppt werden können. entsprechend zu bestrafen sind. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Erst im März dieses Jahres haben wir nun schon zum fünften Male in diesem Hause über Graffitibekämpfung Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: beraten. Damals ging es um eine Initiative des Bundesra- tes, die die gleiche Zielrichtung hatte. Die Bundesregie- Frau Kollegin Raab, auch Ihnen gratulieren wir sehr rung hat dabei erneut ihre ablehnende Haltung unter Be- herzlich zu Ihrer ersten Rede in diesem Hohen Hause und weis gestellt. wünschen Ihnen politisch und persönlich alles Gute. Meine Damen und Herren von Rot-Grün, der Schutz (Beifall) des Eigentums ist durch § 303 und § 304 des Strafgesetz- Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege buches nur lückenhaft abgedeckt. Die Unversehrtheit des Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen. äußeren Erscheinungsbildes einer Sache wird von unse- rem Strafrecht absolut unzureichend geschützt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Jörg van Essen [FDP]: Genauso ist es!) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wir von der Union sind der Meinung, dass auch das NEN): Äußere einer Sache schützenswert ist, gerade auch im Hinblick darauf, dass diese Beschädigungen und Verun- Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! staltungen der Sache durch Graffiti ausdrücklich gegen Frau Kollegin, Sie sollten nicht versuchen, mit falschen den Willen des Eigentümers und gegen den Willen des Argumenten – Sie wissen, dass diese falsch sind – Verfügungsberechtigten geschehen. Das ist ein ganz ent- (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Da sind Sie scheidender Gesichtspunkt auch vor dem Hintergrund des ja Spezialist, Herr Ströbele!) Schutzes des Eigentums nach Art. 14 des Grundgesetzes. und durch das öffentliche Verbreiten populistischer (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sprüche einen Gesetzentwurf im Bundestag durchzubrin- Zur Tatbestandsverwirklichung gehört nach geltender gen. Man macht sich schon heute in Deutschland strafbar, Rechtslage und Rechtsprechung eine nicht unerhebliche wenn man Graffiti beispielsweise auf die Wände des Beschädigung der Sachsubstanz. Bei einer Verschmut- Deutschen Bundestages in Berlin sprüht; denn dies wäre (B) zung durch Graffiti wird eine Beschädigung verneint, so- angesichts der porösen Fassade des Deutschen Bundesta- (D) lange eine Reinigung der Sache, sei sie auch noch so auf- ges eine Substanzverletzung wendig und teuer, möglich ist. (Jörg van Essen [FDP]: Woher wissen Sie das (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE denn? Sie sind doch gar kein Spezialist für so GRÜNEN]: Das ist einfach nicht wahr! Lesen etwas!) Sie die Urteile!) und würde vom Amtsgericht Moabit als Sachbeschädi- Um die hier bestehende Rechtsunsicherheit endlich zu gung bestraft werden. Das alles ist Ihnen natürlich be- beseitigen, fordern wir, dass bereits das Besprühen einer kannt. Sache als Sachbeschädigung gilt und somit den Tatbe- Sie versuchen trotzdem immer wieder, mit dem öffent- stand des § 303 erfüllt. lichen Unmut über Vandalismus in U-Bahnen und S-Bah- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) nen Politik zu machen. Diese Politik ist falsch und ge- fährlich; denn Sie wissen ganz genau, dass es Graffiti gibt Verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Koaliti- – das hat selbst der Kollege van Essen zugegeben, der onsfraktionen, den Gesetzesantrag des Landes Berlin aus Oberstaatsanwalt ist –, die Kunst sind, und es gibt Graf- dem Jahre 1998 haben Sie im Frühjahr 2000 abgelehnt. fiti, die keine Kunst sind. Welcher Sachverständige das je- Unser Gesetzesantrag wurde von Ihnen im März 2000 weils entscheiden soll, hat uns der Kollege van Essen aber niedergestimmt. Heute beraten wir in erster Lesung den nicht verraten. Antrag der FDP. Bald werden wir den Gesetzesantrag der Länder Baden-Württemberg, Hessen, Hamburg, Thürin- (Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Haben Sie gen und Sachsen-Anhalt sowie den von uns erneut einge- schon einmal gesprayt, Herr Ströbele?) brachten Gesetzentwurf beraten. Es gibt ganz zweifellos auch Vandalismus, wenn zum Bei- Wann werden Sie endlich einsehen, dass die Bevölke- spiel in Zügen Scheiben, Lack und Sitze vorsätzlich zer- rung Graffiti als ernsthafte Bedrohung ihres Eigentums kratzt und zerstört werden. Auch wir sehen das als ärger- ansieht und von uns und auch von Ihnen natürlich die nöti- lich und rechtswidrig an. Das wollen auch wir verhindern, gen strafrechtlichen Schritte gegen diesen Vandalismus soweit das innerhalb unserer Rechtsordnung möglich ist. einfordert? (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wollen Sie es (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) oder nicht?) Geben Sie sich einen Ruck und sehen Sie endlich ein, dass Nur, wenn Sie behaupten, dass dies mit dem Gesetz- Graffiti keine Bagatelle sind und nicht nur durch Präven- entwurf zu erreichen sei, den Sie eingebracht haben, dann Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1357

Hans-Christian Ströbele (A) sage ich Ihnen, Herr Kollege van Essen: Die Praxis zeigt, lichkeit wenig Verständnis dafür besteht, dass nichts da- (C) dass das nicht funktioniert. gegen unternommen wird. Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Wir sind im Augenblick in einer politischen Diskussion (Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Welche über die Frage, ob man Steuerbetrüger, die Milliarden- Praxis? Ihre Praxis?) schäden angerichtet haben, vielleicht dadurch begünsti- – Das erkläre ich Ihnen jetzt. – Zweifellos ist beispiels- gen kann, dass man sie straffrei stellt, um dadurch zu er- weise das Zerkratzen von Scheiben – wenn Sie mit den reichen, dass sie ihr Vermögen nach Deutschland U- und S-Bahnen durch Berlin fahren, werden Sie fest- zurückbringen. stellen, dass fast ausnahmslos alle Scheiben zerkratzt (Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Das hat sind – nach der Meinung aller eine Sachbeschädigung. doch nichts miteinander zu tun! – Daniela Obwohl das so klar ist – wenn die Täter erwischt werden, Raab [CDU/CSU]: Wo ist da der Zusammen- werden sie auch wegen Sachbeschädigung bestraft –, hang?) kann man das nicht verhindern. Das beweist doch, dass al- lein mit der Feststellung der Strafbarkeit – ich sage aus- In dieser Situation kommen Sie wegen der Beschädigung drücklich: leider – solche Verunstaltungen oder Zer- von Eigentum, auch von öffentlichem Eigentum, mit ei- störungen von Fenstern und Sitzen nicht verhindert nem Gesetzentwurf. Kurz vor Weihnachten muss man im werden können. Deutschen Bundestag als Letztes noch über einen Gesetz- entwurf diskutieren, der sich mit Graffiti beschäftigt. Die (Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Mit dem Bundesrepublik Deutschland hat wichtigere Probleme Argument kann ich jeden Straftatbestand ab- und sollte sich diesen zuwenden. schaffen!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mit Ihrem wieder aufgelegten Vorschlag, den Begriff und bei der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: der Verunstaltung einzuführen, erreichen Sie nicht mehr; Ist Ihr Haus schon mal besprüht worden? – denn die Sachverständigen, die Sie, Herr van Essen, als Daniela Raab [CDU/CSU]: Stellen Sie Ihre An- Oberstaatsanwalt offenbar beschäftigen mussten, um fest- träge! – Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Es zustellen, ob eine Substanzverletzung vorliegt, müssten sprach der Vertreter der Sprayerfraktion!) dann bemüht werden, um zu klären, ob ein Graffito, ein „tag“, auf einer Hauswand oder auf einer U-Bahn eine Verunstaltung ist oder ob es Kunst ist. Hängt das von der Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Gestaltung des Graffito oder davon ab, ob man es an- Nächster Redner ist der Parlamentarische Staatssekre- schließend in einem Kunstkalender – das kommt manch- tär im Justizministerium, Alfred Hartenbach. mal vor – wiederfinden kann? Wie wollen Sie das beur- (B) teilen? (D) Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bun- (Jörg van Essen [FDP]: Ganz einfach: Der desministerin der Justiz: Eigentümer beurteilt das!) Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Als weiteres Tatbestandsmerkmal führen Sie an, dass Kollegen! Mit Blick auf den Oberstaatsanwalt van Essen das Graffito nur mit größerem Aufwand beseitigt wer- und die junge Kollegin Raab und die bei ihnen vorherr- den könne. Was ist denn ein größerer und was ein kleine- schende Leichtigkeit des Seins möchte ich ein Goethe-Zi- rer Aufwand? tat an den Anfang stellen: (Jörg van Essen [FDP]: Das ist ein unbestimm- Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, doch grün ter Rechtsbegriff!) – sagen wir besser: bunt; ich komme gleich noch darauf Sie erreichen damit nicht mehr Rechtsklarheit und mehr zurück – Vorgaben, auf die sich die Gerichte, die Staatsanwalt- schaften und die Verteidiger beziehen können. des Lebens goldner Baum. (Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Sie wollen (Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Eigentor, das ja gar nicht!) oder? – Volker Kauder [CDU/CSU]: Bildung ist Glücksache!) Das ist der völlig falsche Weg. Selbstverständlich sind wir alle uns darüber einig, dass Es gibt sicherlich – das sehen auch wir – ein Vollzugs- Graffitischmierereien nicht nur eine Straftat sind – wie es defizit. Herr Ströbele schon gesagt hat –, sondern in weiten Tei- (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wie?) len der Bevölkerung auch als großes Ärgernis angesehen werden Dieses Problem muss aber anders gelöst werden, nämlich präventiv, soweit das möglich ist. Man muss viel mehr (Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Natürlich Wert darauf legen, dass die Täter, die wirklich Vandalis- nicht bei den Grünen!) mus und Zerstörung betreiben, zivilrechtlich zur Verant- – sei doch mal ruhig, Mensch! –, werden dadurch doch die wortung gezogen werden und dass sie, wenn sie erwischt Rechte der Betroffenen missachtet. Die Beseitigung der werden, auch den Schaden ersetzen müssen. Farbschmierereien kommt die Geschädigten oft teuer zu Lassen Sie mich ein Letztes sagen. Frau Kollegin stehen. Wir alle sind uns darüber einig, dass dieser Zu- Raab, Sie haben darauf hingewiesen, dass in der Öffent- stand nicht hinnehmbar ist. 1358 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbach (A) Nicht ganz so einfach ist aber die Frage zu beantwor- Strafbefehls- und das Bußgeldverfahren ihren Staatsan- (C) ten, was wir tun können und was wir tun müssen, um ge- waltschaften klar machen, dass sie künftig keine Einstel- genzusteuern. Die FDP hat uns einen Entwurf aus dem lungen der Verfahren mehr dulden, dass angeklagt werden Jahr 1999 wieder vorgelegt. Damit komme ich zu einem soll oder zumindest Strafbefehle verhängt werden sollen. weiteren Zitat, diesmal aus „Max und Moritz“ von Das wäre ein Vorschlag, der der Praxis und nicht nur der Wilhelm Busch, Theorie genügt. Damit könnten wir eine ganze Menge er- reichen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Es ist ein weiter Schritt von Goethe zu „Max und Moritz“!) Der Bundesrat beschäftigt sich heute, wie eben schon richtig gesagt worden ist, ebenfalls mit dem Begriff Graf- nämlich über das Sauerkraut der Witwe Bolte, „wovon sie fiti. Dort liegt ein Gesetzesantrag der Länder vor, die Sie, besonders schwärmt, wenn es wieder aufgewärmt“. So Frau Raab, eben aufgezählt haben; ich muss das nicht kommt mir das bei Ihrem Entwurf ebenfalls vor. wiederholen. Danach soll der Tatbestand der Sachbeschä- (Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Sie müs- digung und der gemeinschädlichen Sachbeschädigung um sen nur zustimmen!) die Handlungsalternative einer „nicht unerheblichen Veränderung des Erscheinungsbildes“ ergänzt werden. – Quatsch nicht! (Jörg van Essen [FDP]: Ist das nicht auch ein Neben dem FDP-Entwurf lagen dem Bundestag 1999 unbestimmter Rechtsbegriff?) auch Gesetzentwürfe des Bundesrats und der CDU/CSU mit der gleichen Zielrichtung vor. Wir alle haben noch die Auch dieser Vorschlag ist Ihnen bekannt. Er entspricht Sachverständigenanhörungen des Rechtsausschusses in dem Gesetzentwurf des Bundesrates vom 30. November bester Erinnerung. Damals haben wir uns über den Begriff 2001, der in diesem Jahr der Diskontinuität anheim gefal- des Verunstaltens unterhalten, weil dieser Begriff ein len ist. rein subjektives Tatbestandsmerkmal ist und Rechtsan- wendern, also Staatsanwälten und vor allem den vielen Ich möchte hier an die Stellungnahme der Bundes- Amtsrichtern, eine ästhetische Wertung abverlangen regierung zu jenem Gesetzentwurf des Bundesrates erin- würde. Deshalb hat der Bundestag die Gesetzentwürfe nern: nach ausführlicher Erörterung im Plenum und in den Aus- Um dem Graffitiunwesen entgegenzuwirken, bedarf schüssen in seiner Sitzung am 23. März 2000 mehrheit- es neben strafrechtlichen Maßnahmen vorrangig lich abgelehnt. vielfältiger Anstrengungen auf dem Gebiet der Die damaligen Argumente gelten nach wie vor. Der Be- Prävention. griff des Verunstaltens ist für den Tatbestand der Sachbe- Nun ist es so, dass – anders als bei dem Begriff des (B) (D) schädigung zu unbestimmt und auslegungsbedürftig. Verunstaltens – bei dem Begriff der „nicht unerheblichen (Jörg van Essen [FDP]: Er ist schon im Straf- Veränderung“ bei uns durchaus ein Nachdenken einge- gesetzbuch enthalten!) setzt hat und wir gerne bereit sind, mit Ihnen vernünftig darüber zu reden. – Das weiß ich auch; das betrifft aber Urkunden, Herr van Essen. – Er enthält, zum Beispiel im Bauordnungsrecht, (Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Ist das eine ästhetische Bewertung und damit ein subjektives möglich?) Moment. Bei seiner Auslegung im Zusammenhang mit – Mein lieber Wolfgang Götzer, nun höre dir einmal mei- Sachbeschädigung allein auf objektive Kriterien abzustel- nen Schlusssatz an. – Ich erhoffe mir davon, dass wir dann len, wie es im FDP-Entwurf angedacht wird, dürfte kaum nicht immer wieder das alte Weihnachtslied zu singen machbar sein. Die Entscheidung darüber, ob jemand we- brauchen – ich wandele es ein bisschen ab, ein wenig wie gen einer Straftat verurteilt wird, kann aber nicht von Hans Sachs –: Alle Jahre wieder kommt das Graffito auf ästhetischen Urteilen, also von Geschmacksfragen abhän- die Menschheit nieder und belästigt sie. gig gemacht werden. Der Begriff des Verunstaltens er- scheint mir daher für eine etwaige Ausdehnung der Tatbe- Ich wünsche Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest. stände der Sachbeschädigung und der gemeinschädlichen (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Sachbeschädigung nicht geeignet. DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Die FDP macht es sich zu einfach, wenn sie meint, in Witz, komm raus, du bist umzingelt!) ihrem Entwurf auch auf Österreich hinweisen zu sollen. (Jörg van Essen [FDP]: Richtig!) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Was in Österreich gilt, gilt bei uns noch lange nicht. Nächster Redner ist der Kollege Marco Wanderwitz, CDU/CSU-Fraktion. (Lachen bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) – Darüber sind wir aber froh, nicht? Ich schaue mich um, wo Herr Bergner ist. Ich hätte ei- Marco Wanderwitz (CDU/CSU): nen guten Vorschlag, auch für den Oberstaatsanwalt und für den praktizierenden Staatsanwalt. Warum gehen wir Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir dür- nicht her und machen allen unseren Länderjustizministern fen Sachbeschädigungen durch Graffitischmierereien, ein Angebot? Sie könnten doch in den Richtlinien für das wie man sie täglich in unseren Städten und Gemeinden Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1359

Marco Wanderwitz (A) sieht – das ist die Realität –, nicht länger hinnehmen. Zu- halten. Zudem steht das Sprayen von Graffiti bereits im (C) mindest so weit sollte die Einigkeit reichen. Vorfeld in Verbindung zu anderen Straftaten wie Dieb- stahl und Hausfriedensbruch. Gehen Sie doch in die ein- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Carl- schlägigen Viertel der Städte und schauen Sie sich das Er- Ludwig Thiele [FDP]: Das wäre schon mal gebnis Ihrer Politik an! was!) Wir wollen keine Kriminalisierung von Kinderstrei- Verunstaltungen durch das Graffitiunwesen stellen ei- chen, sondern eine klare Grenze zwischen Recht und Un- nen Straftatbestand dar, wenn dies – das ist nun einmal recht ziehen, die für alle unmissverständlich ist. Um eine der Regelfall – gegen den Willen des Eigentümers pas- präventive Politik betreiben zu können, muss man aber siert. den Mechanismus von Eskalation verstehen. Jugendliche Bislang können die Täter nur begrenzt zur Rechen- müssen Wertediskussionen führen, sich in die Rolle des schaft gezogen werden. Der Tatbestand der Sachbeschä- Geschädigten versetzen und den Umfang des Schadens digung liegt nach jetziger Rechtslage nur dann vor, wenn einschätzen können. die Fläche nachhaltig geschädigt ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE Sie müssen legale Möglichkeiten zur Entfaltung suchen, GRÜNEN]: So ist es! Wenn sie nur mit größe- aber auch mögliche Konsequenzen und Strafen kennen rem Aufwand beseitigt werden kann!) lernen. Das lässt sich in den seltensten Fällen nachweisen. Des- Ich werde Ihnen sagen, warum. Stellen Sie sich fol- wegen soll laut unserem Gesetzentwurf schon das Verun- gende alltägliche Situation einmal vor: Sie wohnen in ei- stalten einer Fläche als strafbare Handlung geahndet wer- ner Häuserzeile und plötzlich taucht da ein Graffito auf. den. Wie reagieren Sie? Freuen Sie sich und sagen, ganz toll, Wir von der CDU/CSU versuchen seit nunmehr drei auf so etwas habe ich gewartet, das finde ich schön? Dass Jahren und, wie schon richtig angesprochen, zum fünften bei Ihnen von Rot-Grün der prozentuale Anteil derjeni- Mal vergebens, dieses Thema mit Ihnen abzuschließen gen, die dies so sehen würden, höher ist, ist mir klar. Herr und den Straftatbestand umfassender zu gestalten. Meine Kollege Ströbele würde wahrscheinlich sagen: Was für Damen und Herren von Rot-Grün, hier treffen Ihre juris- ein künstlerisch schönes „tag“! tischen Winkelzüge auf Unverständnis der breiten Bevöl- Wie naiv sind Sie, zu glauben, die Menschen hierzu- kerung; denn dort entstehen die jährlichen Reinigungskos- lande würden so etwas gut finden? Die Folge ist zudem ten von mehreren 100 Millionen Euro. meist die Verunstaltung der ganzen Straße. Insofern geht (B) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) der vorhin geäußerte Einwand fehl, die Schmiererei (D) müsse schnell entfernt werden; denn irgendwer muss Meine Damen und Herren von Rot-Grün, Sie sind doch dafür bezahlen. Das sind die privaten und die öffentlichen angetreten, die öffentlichen Haushalte zu sanieren. Dann Eigentümer. fragen Sie doch einmal in den Kommunen und den kom- munalen Verkehrsbetrieben nach den Kosten, die durch (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jörg die Reinigung entstehen! van Essen [FDP]: So ist es! Gerade sozial Schwächere haben dafür kein Geld!) (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wissen wir doch alles! Aber Künstlerische Freiheit oder Farbschmierei? Dies ist si- das ist das falsche Mittel!) cher die Frage. Dass wir uns hier uneins sind, ist mir aber absolut unbegreiflich. Beispielsweise sagte der damalige – Wenn Sie es wissen, Herr Ströbele, dann ist es umso baden-württembergische Justizminister Dr. Ulrich Goll schlimmer, dass Sie nicht handeln. am 22. März 2002: (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich habe im Bundesrat mit Interesse festgestellt, dass Diese Kosten belasten die Etats und die Haushalte und Ministerpräsident Clement, der mit mir sprach, ge- führen letztlich dazu, dass die Bürger über höhere Ge- sagt hatte, er sei meiner Meinung. bühren und Abgaben diese Verunstaltungen auch noch fi- (Jörg van Essen [FDP]: Richtig! Genau so hat nanzieren. Die Berliner Verkehrsbetriebe mussten allein er es gesagt!) in diesem Jahr 4,6 Millionen Euro für die Entfernung von Graffiti und Vandalismusschäden aufbringen. Wir sehen hier wieder einmal, dass der Ministerpräsident Clement noch für die Verschärfung des Gesetzes war, der Wir fordern eine Verschärfung der Bestrafung. Die Bundesminister Clement hingegen schweigt. rot-grüne Bundesregierung fördert dagegen durch ihre be- währte Strategie des „Weiter so!“ seit nunmehr drei Jah- (Jörg van Essen [FDP]: Ja!) ren offensichtlich die Verfestigung dieses Unrechtszu- Ich kann Ihnen noch ein weiteres Beispiel nennen. In stands in der Bevölkerung, nämlich fremdes Eigentum einem Schreiben an „Haus & Grund“ hat die damalige mutwillig zu beschädigen, und setzt damit dauerhaft ein SPD-Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin wörtlich rechtspolitisch nicht akzeptables Zeichen. Diese falsche geschrieben: Politik zieht rasch weitere Sachbeschädigungen und Van- dalismus nach sich. Insofern ist es ein Irrtum, zu glauben, Deshalb bin ich sehr dafür, dass Graffiti in der Öf- man könne Vandalismus und Graffitisprayen auseinander fentlichkeit als das bezeichnet werden, was sie sind: 1360 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Marco Wanderwitz (A) ärgerliche Verunstaltungen und Eingriffe in die Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (C) Rechte von Hausbesitzern. Herr Kollege Wanderwitz, herzlichen Glückwunsch zu (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ihrer ersten Rede in diesem Hohen Hause. Ich wünsche Hermann Bachmaier [SPD]: Da sind wir uns ei- Ihnen persönlich und politisch alles Gute. nig!) (Beifall) – Schön. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs Wir fordern die Bundesregierung und insbesondere die auf Drucksache 15/63 an die in der Tagesordnung aufge- neue Bundesjustizministerin auf, weniger den Mund voll führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- zu nehmen – so wie ihre Vorgängerin –, sondern an einem verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist es so beschlossen. konstruktiven Weg mit uns zu arbeiten. Mir sei gestattet, festzustellen, dass ich nach dem Besuch der Bundesjus- Da wir heute noch über Anträge auf Zurückweisung tizministerin in dieser Woche im Rechtsausschuss daran von Einsprüchen des Bundesrates abzustimmen haben, glaube, dass das so geschehen wird. der Bundesrat, wie ich höre, aber noch tagt, unterbreche ich die Sitzung bis zum Ende der Sitzung des Bundesra- (Jörg van Essen [FDP]: Ja, man hört neue tes. Der Wiederbeginn der Sitzung wird Ihnen rechtzeitig Töne!) durch Klingelzeichen und durch Hausdurchsage bekannt Es kann nicht sein – hier gebe ich Ihnen Recht, Herr gegeben. Kollege Bachmaier –, dass sich bei den ohnehin wenigen Die Sitzung ist unterbrochen. Verfahren, in denen man Täter dingfest machen kann – hier sehe ich aber anders als Sie einen generalpräventi- (Unterbrechung von 13.13 bis 14.46 Uhr) ven Aspekt –, die Sachverständigen in aufwendigen und teuren Gutachten über das Für und Wider des Kunstbe- Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: griffes streiten müssen. Sowohl diese Gutachterstreitig- keiten als auch die Schadensermittlungen durch weitere Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die unterbrochene Gutachter wären nach unserem Vorschlag für eine Geset- Sitzung ist wieder eröffnet. Ich setze Ihr Einverständnis zesänderung nicht mehr nötig. voraus, dass wir die Abwicklung der noch zu erledigen- den Tagesordnung mit den zu treffenden Entscheidungen Stellen wir uns einmal jemanden vor, der so etwas so zügig wie eben möglich über die Bühne bringen. macht. Zumeist geht es dem Täter doch darum, im Freun- deskreis damit zu prahlen. Dass er damit Sachbeschädi- (Beifall bei allen Fraktionen) gung begeht, stört ihn nicht im Geringsten. Im Gegenteil: – Ich bedanke mich für den spontanen Applaus. (B) Es ist das Verbotene, das lockt. Im Zweifel ist es ja Kunst. (D) So etwas soll hier toleriert werden, meine Damen und Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesord- Herren von der Koalition? nung um die Beratung der Anträge der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückwei- Akzeptieren Sie endlich die Meinung der Bevölke- sung von Einsprüchen des Bundesrates zu erweitern und rung! Hören Sie auf den Bundesrat, der seit Ende des letz- diese jetzt als Zusatzpunkt 9 aufzurufen. Dazu besteht ten Jahres an Initiativen in Sachen Graffitibekämpfung ar- ganz offensichtlich allgemeines Einverständnis. Dann ist beitet! Hören Sie auf uns von der CDU/CSU! Hören Sie so beschlossen. auf die FDP! Die Gemeinden und die betroffenen Bürger hoffen auf strenge Gesetze, und dies zu Recht. Ich rufe Zusatzpunkt 9 auf: (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Abstimmung über drei Anträge der Fraktionen Die Bürgerinnen und Bürger sind für eine Verschär- der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- fung des Strafgesetzbuches an dieser Stelle, weil sie ihr NEN auf Zurückweisung von Einsprüchen des Hab und Gut als gefährdet betrachten. Die Bundesregie- Bundesrates rung kommt aber nach wie vor dieser Forderung nicht Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass nach unserer nach. Deshalb ist diese Regierung kein Garant für Sicher- Geschäftsordnung dazu eine Aussprache nicht zulässig heit und Ordnung in diesem Land. Eine Regierung, die ist. Das erledigt die Frage nach möglichen Rednern und Täterschonung zulasten der Opfer betreibt und die über- deren Redezeiten. Es dürfen allenfalls Erklärungen zur triebene Nachsicht gegenüber Menschen übt, die fremdes Abstimmung abgegeben werden. Dazu liegen entspre- Eigentum beschädigen, ist zum Regieren nicht befähigt, chende Ankündigungen vor. da sie grundlegende Bürgerinteressen missachtet. Bevor wir zur Abstimmung über die Anträge kommen, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wi- bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit für einige Hinweise derspruch bei der SPD – Carl-Ludwig Thiele zum Abstimmungsverfahren. [FDP]: Das ist der Punkt!) Wir führen jetzt drei Abstimmungen durch, die jeweils An dieser Stelle zeigt sich leider einmal mehr, dass namentlich erfolgen. Rot-Grün ein Werteverständnis besitzt, welches nicht dem der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger entspricht. Nach Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes ist für die Zurückweisung eines Einspruchs des Bundesrates die Ich danke. Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages er- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) forderlich. Das sind mindestens 302 Stimmen. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1361

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert (A) Wer den Einspruch zurückweisen will, muss mit Ja Zurückweisung des Einspruches des Bundesrates gegen (C) stimmen. das Beitragssatzsicherungsgesetz auf der Drucksache 15/261 ab. Sie benötigen außer Ihren Stimmkarten auch Ihre Stimm- ausweise in den Farben Grün, Rosa und Blau für die drei Ich habe den Eindruck, dass die Schriftführerinnen und Abstimmungen. Die Farbe des zu verwendenden Stimm- Schriftführer ihre vorgesehenen Plätze nicht verlassen ausweises werde ich bei der jeweiligen Abstimmung ge- und insofern längst wieder eingenommen haben. Mir wird sondert mitteilen. auch nirgendwo signalisiert, dass eine der Urnen nicht mit Schriftführern umstellt wäre. Dann eröffne ich hiermit die Die Stimmausweise können Sie, soweit noch nicht ge- zweite Abstimmung. schehen, wie immer Ihrem Stimmkartenfach entnehmen. Bitte achten Sie, ebenfalls wie immer, darauf, dass Während jetzt die zweite Abstimmung stattfindet, Stimmkarten und Stimmausweise Ihren Namen tragen. weise ich darauf hin, dass es zu dieser zweiten namentli- chen Abstimmung eine Reihe von persönlichen Erklärun- Bevor Sie Ihre Stimmkarte in die Urne werfen, über- gen nach § 31 unserer Geschäftsordnung gibt, die wir geben Sie bitte den jeweiligen Stimmausweis einem der nach den Regeln unserer Geschäftsordnung wie immer Schriftführer an der Urne. Ich bitte schon jetzt um Ver- dem Protokoll beifügen. ständnis: Die Schriftführer sind gehalten, eine ordnungs- gemäße Abstimmung sicherzustellen. Das wird in der Vereinzelt angemeldete Zweifel, ob der Abstimmungs- Hektik, mal mit und mal ohne Absicht, auch zum Einsatz vorgang förmlich eröffnet sei, räume ich dadurch aus, von Ellbogen führen können. Es wäre schön – ich sehe dass ich bekräftige: Er ist eröffnet. schon demonstrative Zustimmung der Fraktionsvorsit- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ist noch ein Mitglied zenden –, wenn wir uns in der Vorbereitung auf besinnli- des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte nicht hat ab- che Tage wechselseitig bemühten, uns die notwendigen geben können? – Das ist offensichtlich nicht der Fall. Prozesse nicht unnötig schwer zu machen. Dann schließe ich auch die zweite Abstimmung. Ich bitte Die Schriftführerinnen und Schriftführer bitte ich, da- die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh- rauf zu achten, dass Stimmkarten nur von Kolleginnen lung zu beginnen. Auch das Ergebnis dieser Abstimmung und Kollegen in die Urnen geworfen werden dürfen, die wird Ihnen später bekannt gegeben. vorher ihren Stimmausweis in der richtigen Farbe abge- Ich bin von einer bemerkenswert breiten Koalition von geben haben. Repräsentanten der Regierung und der Opposition ermu- Wir kommen jetzt zur ersten namentlichen Abstim- tigt worden, die Prozedur, wenn irgend möglich, weiter zu mung. Sie benötigen Ihren grünen Stimmausweis. beschleunigen. Dazu sehe ich rein physisch nur eine ein- zige Möglichkeit: dass nämlich diejenigen, die schon ab- (B) Wir stimmen jetzt über den Antrag der Fraktionen der (D) gestimmt haben, ihre Weihnachtswünsche nicht neben der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückwei- Urne austauschen, sondern ein bisschen schneller Platz sung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Erste Ge- machen. Versuchen wir das jetzt einmal bei der dritten Ab- setz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ab. stimmung! Sie benötigen für die dritte namentliche Ab- Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die stimmung Ihren blauen Stimmausweis. vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind alle Plätze be- Wir kommen nun zur namentlichen Abstimmung über setzt? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann eröffne ich den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnis- hiermit die Abstimmung. ses 90/Die Grünen auf Zurückweisung des Einspruches Gibt es noch ein Mitglied des Hauses, das keine Gele- des Bundesrates gegen das Gesetz zur Fortentwicklung genheit hatte, seine Stimme für die erste Abstimmung ab- der ökologischen Steuerreform, Drucksache 15/262. Ich zugeben? – Zumindest meldet sich keines. bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die bereits eingenommenen Plätze nicht zu verlassen. Sind alle Ur- (Widerspruch) nen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne hiermit die – Doch? Könnten Sie freundlicherweise winken, wenn dritte Abstimmung. diejenigen, die Sie im Auge haben, ihre Stimmkarte in die Ich entnehme dem fröhlichen Winken im hinteren Teil Urne geworfen haben? des Plenarsaals, dass man dort den verlässlichen Eindruck Ich bekomme gerade den zielführenden Hinweis, ich hat, dass niemand mehr im Besitz einer Stimmkarte ist, sollte mich besser nicht darauf verlassen, dass freiwillig die er noch abgeben möchte. Ich versichere mich dennoch gewinkt würde. Deswegen frage ich noch einmal: Sind förmlich: Hat jemand seine Stimmkarte noch nicht abge- jetzt alle Stimmen abgegeben? – Ich sehe ein hinreichend geben? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe eindeutiges Nicken. Dann schließe ich hiermit die erste ich die dritte Abstimmung. Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schrift- Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit führer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der der Auszählung zu beginnen. Diese haben mir zugesagt, Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben, sodass alles Mögliche zu tun, um das Auszählen der Ergebnisse wir die Abstimmungsprozedur fortsetzen können. in rekordverdächtig kurzer Zeit abzuschließen. Wir kommen jetzt zur zweiten namentlichen Abstim- Bis zur Bekanntgabe der Ergebnisse der Abstimmun- mung. Dazu benötigen Sie Ihren Stimmausweis in der gen unterbreche ich die Sitzung für wenige Minuten. Farbe Rosa. Wir stimmen nun über den Antrag der Frak- tionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf (Unterbrechung von 15.07 bis 15.19 Uhr) 1362 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

(A) Vizepräsident Dr. Norbert Lammert: Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeits- (C) markt, zweitens das Beitragssatzsicherungsgesetz und Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene drittens das Gesetz zur Fortentwicklung der ökologischen Sitzung ist wieder eröffnet. Steuerreform; Drucksachen 15/260, 15/261 und 15/262 – Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und sind jeweils 572 Stimmen abgegeben worden. Mit Ja ha- Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab- ben 305 Kolleginnen und Kollegen gestimmt, stimmungen bekannt. Da für alle drei Abstimmungen das (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten gleiche Ergebnis ausgezählt worden ist, können wir die des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) begonnene Übung fortsetzen, so zügig wie möglich zu verfahren, und drei Vorträge auf einen verdichten. mit Nein haben 267 Mitglieder des Bundestages ge- stimmt, Enthaltungen hat es in allen drei Abstimmungen Zu den drei Anträgen der Koalition zur Zurückweisung nicht gegeben. Die Anträge sind mit der erforderlichen des Einspruchs des Bundesrates – das betrifft erstens das Mehrheit angenommen;

Endgültiges Ergebnis Sebastian Edathy Eike Hovermann Petra-Evelyne Merkel Abgegebene Stimmen: 570 Siegmund Ehrmann Klaas Hübner Ulrike Merten Hans Eichel Christel Humme Angelika Mertens davon Marga Elser Lothar Ibrügger Ursula Mogg ja: 305 Gernot Erler Brunhilde Irber Michael Müller (Düsseldorf) nein: 265 Petra Ernstberger Renate Jäger Christian Müller (Zittau) Karin Evers-Meyer Jann-Peter Janssen Gesine Multhaupt Ja Annette Faße Klaus Werner Jonas Franz Müntefering Elke Ferner Johannes Kahrs Dr. Rolf Mützenich SPD Gabriele Fograscher Ulrich Kasparick Volker Neumann (Bramsche) Rainer Fornahl Dr. h. c. Susanne Kastner Dietmar Nietan Dr. Lale Akgün Gabriele Frechen Ulrich Kelber Dr. Erika Ober Gerd Andres Dagmar Freitag Hans-Peter Kemper Holger Ortel Ingrid Arndt-Brauer Lilo Friedrich (Mettmann) Klaus Kirschner Heinz Paula Rainer Arnold Iris Gleicke Hans-Ulrich Klose Johannes Pflug Hermann Bachmaier Günter Gloser Astrid Klug Joachim Poß (B) Ernst Bahr (Neuruppin) Uwe Göllner Dr. Heinz Köhler Dr. Wilhelm Priesmeier (D) Doris Barnett Renate Gradistanac Walter Kolbow Florian Pronold Dr. Hans-Peter Bartels Angelika Graf (Rosenheim) Fritz Rudolf Körper Dr. Sascha Raabe Eckhardt Barthel (Berlin) Dieter Grasedieck Karin Kortmann Karin Rehbock-Zureich Klaus Barthel (Starnberg) Monika Griefahn Rolf Kramer Gerold Reichenbach Sören Bartol Kerstin Griese Anette Kramme Dr. Carola Reimann Sabine Bätzing Gabriele Groneberg Ernst Kranz Christel Riemann- Uwe Beckmeyer Achim Großmann Nicolette Kressl Hanewinckel Klaus Uwe Benneter Wolfgang Grotthaus Volker Kröning Walter Riester Dr. Axel Berg Karl Hermann Haack Dr. Hans-Ulrich Krüger Reinhold Robbe Ute Berg (Extertal) Angelika Krüger-Leißner René Röspel Hans-Werner Bertl Hans-Joachim Hacker Horst Kubatschka Dr. Ernst Dieter Rossmann Petra Bierwirth Bettina Hagedorn Ernst Küchler Karin Roth (Esslingen) Rudolf Bindig Klaus Hagemann Helga Kühn-Mengel Michael Roth (Heringen) Lothar Binding (Heidelberg) Alfred Hartenbach Ute Kumpf Gerhard Rübenkönig Kurt Bodewig Michael Hartmann Dr. Uwe Küster Ortwin Runde Gerd Friedrich Bollmann (Wackernheim) Christine Lambrecht Marlene Rupprecht Klaus Brandner Anke Hartnagel Christian Lange (Backnang) (Tuchenbach) Willi Brase Nina Hauer Christine Lehder Thomas Sauer Bernhard Brinkmann Hubertus Heil Waltraud Lehn Anton Schaaf (Hildesheim) Reinhold Hemker Dr. Elke Leonhard Axel Schäfer (Bochum) Hans-Günter Bruckmann Rolf Hempelmann Eckhart Lewering Gudrun Schaich-Walch Edelgard Bulmahn Dr. Barbara Hendricks Götz-Peter Lohmann Rudolf Scharping Marco Bülow Gustav Herzog Gabriele Lösekrug-Möller Bernd Scheelen Ulla Burchardt Petra Heß Erika Lotz Dr. Hermann Scheer Dr. Michael Bürsch Monika Heubaum Dr. Christine Lucyga Siegfried Scheffler Hans Martin Bury Gabriele Hiller-Ohm Dirk Manzewski Horst Schild Hans Büttner (Ingolstadt) Stephan Hilsberg Tobias Marhold Otto Schily Marion Caspers-Merk Gerd Höfer Lothar Mark Horst Schmidbauer Dr. Peter Danckert Jelena Hoffmann (Chemnitz) Caren Marks (Nürnberg) Walter Hoffmann Christoph Matschie Ulla Schmidt (Aachen) Martin Dörmann (Darmstadt) Hilde Mattheis Silvia Schmidt (Eisleben) Peter Dreßen Iris Hoffmann (Wismar) Markus Meckel Dagmar Schmidt (Meschede) Detlef Dzembritzki Frank Hofmann (Volkach) Ulrike Mehl Wilhelm Schmidt (Salzgitter) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1363

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert (A) Heinz Schmitt (Berg) Heidi Wright Peter Altmaier Josef Göppel (C) Carsten Schneider Uta Zapf Dietrich Austermann Peter Götz Walter Schöler Manfred Helmut Zöllmer Norbert Barthle Dr. Wolfgang Götzer Olaf Scholz Dr. Christoph Zöpel Dr. Wolf Bauer Ute Granold Karsten Schönfeld Günter Baumann Reinhard Grindel Fritz Schösser BÜNDNIS 90/ Ernst-Reinhard Beck Hermann Gröhe Wilfried Schreck DIE GRÜNEN (Reutlingen) Michael Grosse-Brömer Ottmar Schreiner Kerstin Andreae Veronika Bellmann Markus Grübel Gerhard Schröder Marieluise Beck (Bremen) Dr. Christoph Bergner Manfred Grund Gisela Schröter Volker Beck (Köln) Otto Bernhardt Olav Gutting Brigitte Schulte (Hameln) Cornelia Behm Dr. Rolf Bietmann Holger Haibach Reinhard Schultz Birgitt Bender Clemens Binninger Gerda Hasselfeldt (Everswinkel) Matthias Berninger Peter Bleser Helmut Heiderich Swen Schulz (Spandau) Grietje Bettin Antje Blumenthal Ursula Heinen Dr. Angelica Schwall-Düren Alexander Bonde Dr. Maria Böhmer Siegfried Helias Dr. Martin Schwanholz Ekin Deligöz Jochen Borchert Uda Carmen Freia Heller Rolf Schwanitz Dr. Thea Dückert Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Michael Hennrich Erika Simm Jutta Dümpe-Krüger Wolfgang Bosbach Jürgen Herrmann Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Uschi Eid Dr. Wolfgang Bötsch Bernd Heynemann Dr. Cornelie Sonntag- Hans-Josef Fell Klaus Brähmig Ernst Hinsken Wolgast Joseph Fischer (Frankfurt) Dr. Ralf Brauksiepe Peter Hintze Wolfgang Spanier Katrin Dagmar Göring- Helge Braun Robert Hochbaum Dr. Margrit Spielmann Eckardt Paul Breuer Martin Hohmann Jörg-Otto Spiller Anja Hajduk Monika Brüning Joachim Hörster Dr. Ditmar Staffelt Winfried Hermann Georg Brunnhuber Hubert Hüppe Ludwig Stiegler Antje Hermenau Verena Butalikakis Susanne Jaffke Rolf Stöckel Peter Hettlich Hartmut Büttner Dr. Peter Jahr Christoph Strässer Ulrike Höfken (Schönebeck) Dr. Egon Jüttner Rita Streb-Hesse Thilo Hoppe Cajus Caesar Bartholomäus Kalb Dr. Peter Struck Michaele Hustedt Manfred Carstens (Emstek) Steffen Kampeter Joachim Stünker Fritz Kuhn Peter H. Carstensen Irmgard Karwatzki Jörg Tauss Renate Künast (Nordstrand) Bernhard Kaster Jella Teuchner Markus Kurth Gitta Connemann Volker Kauder Dr. Gerald Thalheim Undine Kurth (Quedlinburg) Leo Dautzenberg Siegfried Kauder (Bad Wolfgang Thierse Dr. Reinhard Loske Hubert Deittert Dürrheim) (B) Franz Thönnes Anna Lührmann Albert Deß Gerlinde Kaupa (D) Hans-Jürgen Uhl Jerzy Montag Alexander Dobrindt Eckart von Klaeden Rüdiger Veit Kerstin Müller (Köln) Vera Dominke Jürgen Klimke Simone Violka Winfried Nachtwei Thomas Dörflinger Julia Klöckner Jörg Vogelsänger Christa Nickels Marie-Luise Dött Kristina Köhler (Wiesbaden) Ute Vogt (Pforzheim) Friedrich Ostendorff Maria Eichhorn Manfred Kolbe Dr. Marlies Volkmer Simone Probst Georg Fahrenschon Norbert Königshofen Hans Georg Wagner Claudia Roth (Augsburg) Ilse Falk Hartmut Koschyk Hedi Wegener Krista Sager Dr. Hans Georg Faust Rudolf Kraus Andreas Weigel Christine Scheel Albrecht Feibel Günther Krichbaum Petra Weis Irmingard Schewe-Gerigk Enak Ferlemann Dr. Günter Krings Reinhard Weis (Stendal) Rezzo Schlauch Ingrid Fischbach Dr. Martina Krogmann Matthias Weisheit Albert Schmidt (Hitzhofen) Hartwig Fischer (Göttingen) Dr. Hermann Kues Gunter Weißgerber Werner Schulz (Berlin) Dirk Fischer (Hamburg) Werner Kuhn (Zingst) Gert Weisskirchen Petra Selg Axel E. Fischer Dr. Karl A. Lamers (Wiesloch) Ursula Sowa (Karlsruhe-Land) (Heidelberg) Dr. Ernst Ulrich von Rainder Steenblock Dr. Maria Flachsbarth Dr. Norbert Lammert Weizsäcker Silke Stokar von Neuforn Klaus-Peter Flosbach Barbara Lanzinger Jochen Welt Hans-Christian Ströbele Herbert Frankenhauser Karl-Josef Laumann Dr. Rainer Wend Jürgen Trittin Dr. Hans-Peter Friedrich Vera Lengsfeld Lydia Westrich Marianne Tritz (Hof) Werner Lensing Inge Wettig-Danielmeier Hubert Ulrich Erich G. Fritz Peter Letzgus Dr. Margrit Wetzel Dr. Antje Vogel-Sperl Jochen-Konrad Fromme Ursula Lietz Andrea Wicklein Dr. Antje Vollmer Dr. Michael Fuchs Walter Link (Diepholz) Jürgen Wieczorek (Böhlen) Dr. Ludger Volmer Hans-Joachim Fuchtel Eduard Lintner Heidemarie Wieczorek-Zeul Josef Philip Winkler Dr. Jürgen Gehb Patricia Lips Dr. Dieter Wiefelspütz Margareta Wolf (Frankfurt) Norbert Geis Dr. Michael Luther Brigitte Wimmer (Karlsruhe) Roland Gewalt Dorothee Mantel Engelbert Wistuba Nein Eberhard Gienger Erwin Marschewski Barbara Wittig Georg Girisch (Recklinghausen) Dr. Wolfgang Wodarg Michael Glos Stephan Mayer (Altötting) CDU/CSU Verena Wohlleben Ralf Göbel Dr. Martin Mayer Waltraud Wolff Ulrich Adam Dr. Reinhard Göhner (Siegertsbrunn) (Wolmirstedt) Ilse Aigner Tanja Gönner Wolfgang Meckelburg 1364 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert (A) Dr. Michael Meister Dr. Heinz Riesenhuber Antje Tillmann Christoph Hartmann (C) Dr. Angela Merkel Hannelore Roedel Edeltraut Töpfer (Homburg) Friedrich Merz Franz Romer Dr. Hans-Peter Uhl Klaus Haupt Laurenz Meyer (Hamm) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Arnold Vaatz Ulrich Heinrich Doris Meyer (Tapfheim) Dr. Klaus Rose Volkmar Uwe Vogel Birgit Homburger Maria Michalk Kurt J. Rossmanith Angelika Volquartz Dr. Werner Hoyer Hans Michelbach Dr. Christian Ruck Andrea Astrid Voßhoff Dr. Heinrich L. Kolb Klaus Minkel Albert Rupprecht (Weiden) Gerhard Wächter Gudrun Kopp Marlene Mortler Peter Rzepka Marco Wanderwitz Jürgen Koppelin Dr. Gerd Müller Anita Schäfer (Saalstadt) Peter Weiß (Emmendingen) Harald Leibrecht Hildegard Müller Dr. Wolfgang Schäuble Gerald Weiß (Groß-Gerau) Ina Lenke Stefan Müller (Erlangen) Andreas Scheuer Ingo Wellenreuther Sabine Leutheusser- Bernward Müller (Gera) Norbert Schindler Annette Widmann-Mauz Schnarrenberger (Bremen) Georg Schirmbeck Klaus-Peter Willsch Henry Nitzsche Christian Schmidt (Fürth) Markus Löning Willy Wimmer (Neuss) Dirk Niebel Claudia Nolte Andreas Schmidt (Mülheim) Werner Wittlich Günther Friedrich Nolting Günter Nooke Dr. Andreas Schockenhoff Dagmar Wöhrl Hans-Joachim Otto Dr. Georg Nüßlein Dr. Ole Schröder Wolfgang Zeitlmann (Frankfurt) Franz Obermeier Bernhard Schulte-Drüggelte Wolfgang Zöller Melanie Oßwald Wilhelm Josef Sebastian Willi Zylajew Eberhard Otto (Godern) Eduard Oswald Detlef Parr Rita Pawelski Kurt Segner FDP Cornelia Pieper Dr. Peter Paziorek Matthias Sehling Gisela Piltz Ulrich Petzold Marion Seib Daniel Bahr (Münster) Dr. Günter Rexrodt Dr. Joachim Pfeiffer Bernd Siebert Ernst Burgbacher Marita Sehn Dr. Friedbert Pflüger Thomas Silberhorn Helga Daub Dr. Hermann Otto Solms Beatrix Philipp Johannes Singhammer Dr. Christian Eberl Dr. Max Stadler Ronald Pofalla Jens Spahn Jörg van Essen Carl-Ludwig Thiele Ruprecht Polenz Christian Freiherr von Stetten Otto Fricke Dr. Dieter Thomae Daniela Raab Gero Storjohann Horst Friedrich (Bayreuth) Jürgen Türk Thomas Rachel Andreas Storm Rainer Funke Dr. Claudia Winterstein Hans Raidel Max Straubinger Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Dr. Peter Ramsauer Matthäus Strebl fraktionslos Helmut Rauber Thomas Strobl (Heilbronn) Joachim Günther (Plauen) Christa Reichard (Dresden) Michael Stübgen Dr. Karlheinz Guttmacher Dr. Gesine Lötzsch (B) Klaus Riegert Michaela Tadjadod Dr. Christel Happach-Kasan Petra Pau (D)

Endgültiges Ergebnis Rudolf Bindig Elke Ferner Rolf Hempelmann Abgegebene Stimmen: 570 Lothar Binding (Heidelberg) Gabriele Fograscher Dr. Barbara Hendricks Kurt Bodewig Rainer Fornahl Gustav Herzog davon Gerd Friedrich Bollmann Gabriele Frechen Petra Heß ja: 305 Klaus Brandner Dagmar Freitag Monika Heubaum nein: 265 Willi Brase Lilo Friedrich (Mettmann) Gabriele Hiller-Ohm Bernhard Brinkmann Iris Gleicke Stephan Hilsberg Ja (Hildesheim) Günter Gloser Gerd Höfer Hans-Günter Bruckmann Uwe Göllner Jelena Hoffmann (Chemnitz) Edelgard Bulmahn Renate Gradistanac Walter Hoffmann SPD Marco Bülow Angelika Graf (Rosenheim) (Darmstadt) Dr. Lale Akgün Ulla Burchardt Dieter Grasedieck Iris Hoffmann (Wismar) Gerd Andres Dr. Michael Bürsch Monika Griefahn Frank Hofmann (Volkach) Ingrid Arndt-Brauer Hans Martin Bury Kerstin Griese Eike Hovermann Rainer Arnold Hans Büttner (Ingolstadt) Gabriele Groneberg Klaas Hübner Hermann Bachmaier Marion Caspers-Merk Achim Großmann Christel Humme Ernst Bahr (Neuruppin) Dr. Peter Danckert Wolfgang Grotthaus Lothar Ibrügger Doris Barnett Karl Diller Karl Hermann Haack Brunhilde Irber Dr. Hans-Peter Bartels Martin Dörmann (Extertal) Renate Jäger Eckhardt Barthel (Berlin) Peter Dreßen Hans-Joachim Hacker Jann-Peter Janssen Klaus Barthel (Starnberg) Detlef Dzembritzki Bettina Hagedorn Klaus Werner Jonas Sören Bartol Sebastian Edathy Klaus Hagemann Johannes Kahrs Sabine Bätzing Siegmund Ehrmann Alfred Hartenbach Ulrich Kasparick Uwe Beckmeyer Hans Eichel Michael Hartmann Dr. h. c. Susanne Kastner Klaus Uwe Benneter Marga Elser (Wackernheim) Ulrich Kelber Dr. Axel Berg Gernot Erler Anke Hartnagel Hans-Peter Kemper Ute Berg Petra Ernstberger Nina Hauer Klaus Kirschner Hans-Werner Bertl Karin Evers-Meyer Hubertus Heil Hans-Ulrich Klose Petra Bierwirth Annette Faße Reinhold Hemker Astrid Klug Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1365

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert (A) Dr. Heinz Köhler Anton Schaaf Dr. Rainer Wend Silke Stokar von Neuforn (C) Walter Kolbow Axel Schäfer (Bochum) Lydia Westrich Hans-Christian Ströbele Fritz Rudolf Körper Gudrun Schaich-Walch Inge Wettig-Danielmeier Jürgen Trittin Karin Kortmann Rudolf Scharping Dr. Margrit Wetzel Marianne Tritz Rolf Kramer Bernd Scheelen Andrea Wicklein Hubert Ulrich Anette Kramme Dr. Hermann Scheer Jürgen Wieczorek (Böhlen) Dr. Antje Vogel-Sperl Ernst Kranz Siegfried Scheffler Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Antje Vollmer Nicolette Kressl Horst Schild Dr. Dieter Wiefelspütz Dr. Ludger Volmer Volker Kröning Otto Schily Brigitte Wimmer (Karlsruhe) Josef Philip Winkler Dr. Hans-Ulrich Krüger Horst Schmidbauer Engelbert Wistuba Margareta Wolf (Frankfurt) Angelika Krüger-Leißner (Nürnberg) Barbara Wittig Horst Kubatschka Ulla Schmidt (Aachen) Dr. Wolfgang Wodarg Nein Ernst Küchler Silvia Schmidt (Eisleben) Verena Wohlleben Helga Kühn-Mengel Dagmar Schmidt (Meschede) Waltraud Wolff CDU/CSU Ute Kumpf Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (Wolmirstedt) Dr. Uwe Küster Heinz Schmitt (Berg) Heidi Wright Ulrich Adam Christine Lambrecht Carsten Schneider Uta Zapf Ilse Aigner Christian Lange (Backnang) Walter Schöler Manfred Helmut Zöllmer Peter Altmaier Christine Lehder Olaf Scholz Dr. Christoph Zöpel Dietrich Austermann Waltraud Lehn Karsten Schönfeld Norbert Barthle Dr. Elke Leonhard Fritz Schösser BÜNDNIS 90/ Dr. Wolf Bauer Eckhart Lewering Wilfried Schreck DIE GRÜNEN Günter Baumann Götz-Peter Lohmann Ottmar Schreiner Ernst-Reinhard Beck Gabriele Lösekrug-Möller Gerhard Schröder Kerstin Andreae (Reutlingen) Erika Lotz Gisela Schröter Marieluise Beck (Bremen) Veronika Bellmann Dr. Christine Lucyga Brigitte Schulte (Hameln) Volker Beck (Köln) Dr. Christoph Bergner Dirk Manzewski Reinhard Schultz Cornelia Behm Otto Bernhardt Tobias Marhold (Everswinkel) Birgitt Bender Dr. Rolf Bietmann Lothar Mark Swen Schulz (Spandau) Matthias Berninger Clemens Binninger Caren Marks Dr. Angelica Schwall-Düren Grietje Bettin Peter Bleser Christoph Matschie Dr. Martin Schwanholz Alexander Bonde Antje Blumenthal Hilde Mattheis Rolf Schwanitz Ekin Deligöz Dr. Maria Böhmer Markus Meckel Erika Simm Dr. Thea Dückert Jochen Borchert Ulrike Mehl Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Jutta Dümpe-Krüger Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Petra-Evelyne Merkel Dr. Cornelie Sonntag- Franziska Eichstädt-Bohlig Wolfgang Bosbach (B) Ulrike Merten Wolgast Dr. Uschi Eid Dr. Wolfgang Bötsch (D) Angelika Mertens Wolfgang Spanier Hans-Josef Fell Klaus Brähmig Ursula Mogg Dr. Margrit Spielmann Joseph Fischer (Frankfurt) Dr. Ralf Brauksiepe Michael Müller (Düsseldorf) Jörg-Otto Spiller Katrin Dagmar Göring- Helge Braun Christian Müller (Zittau) Dr. Ditmar Staffelt Eckardt Paul Breuer Gesine Multhaupt Ludwig Stiegler Anja Hajduk Monika Brüning Franz Müntefering Rolf Stöckel Winfried Hermann Georg Brunnhuber Dr. Rolf Mützenich Christoph Strässer Antje Hermenau Verena Butalikakis Volker Neumann (Bramsche) Rita Streb-Hesse Peter Hettlich Hartmut Büttner Dietmar Nietan Dr. Peter Struck Ulrike Höfken (Schönebeck) Dr. Erika Ober Joachim Stünker Thilo Hoppe Cajus Caesar Holger Ortel Jörg Tauss Michaele Hustedt Manfred Carstens (Emstek) Heinz Paula Jella Teuchner Fritz Kuhn Peter H. Carstensen Johannes Pflug Dr. Gerald Thalheim Renate Künast (Nordstrand) Joachim Poß Wolfgang Thierse Markus Kurth Gitta Connemann Dr. Wilhelm Priesmeier Franz Thönnes Undine Kurth (Quedlinburg) Leo Dautzenberg Florian Pronold Hans-Jürgen Uhl Dr. Reinhard Loske Hubert Deittert Dr. Sascha Raabe Rüdiger Veit Anna Lührmann Albert Deß Karin Rehbock-Zureich Simone Violka Jerzy Montag Alexander Dobrindt Gerold Reichenbach Jörg Vogelsänger Kerstin Müller (Köln) Vera Dominke Dr. Carola Reimann Ute Vogt (Pforzheim) Winfried Nachtwei Thomas Dörflinger Christel Riemann- Dr. Marlies Volkmer Christa Nickels Marie-Luise Dött Hanewinckel Hans Georg Wagner Friedrich Ostendorff Maria Eichhorn Walter Riester Hedi Wegener Simone Probst Georg Fahrenschon Reinhold Robbe Andreas Weigel Claudia Roth (Augsburg) Ilse Falk René Röspel Petra Weis Krista Sager Dr. Hans Georg Faust Dr. Ernst Dieter Rossmann Reinhard Weis (Stendal) Christine Scheel Albrecht Feibel Karin Roth (Esslingen) Matthias Weisheit Irmingard Schewe-Gerigk Enak Ferlemann Michael Roth (Heringen) Gunter Weißgerber Rezzo Schlauch Ingrid Fischbach Gerhard Rübenkönig Gert Weisskirchen Albert Schmidt (Hitzhofen) Hartwig Fischer (Göttingen) Ortwin Runde (Wiesloch) Werner Schulz (Berlin) Dirk Fischer (Hamburg) Marlene Rupprecht Dr. Ernst Ulrich von Petra Selg Axel E. Fischer (Tuchenbach) Weizsäcker Ursula Sowa (Karlsruhe-Land) Thomas Sauer Jochen Welt Rainder Steenblock Dr. Maria Flachsbarth 1366 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert (A) Klaus-Peter Flosbach Manfred Kolbe Ruprecht Polenz Willy Wimmer (Neuss) (C) Herbert Frankenhauser Norbert Königshofen Daniela Raab Werner Wittlich Dr. Hans-Peter Friedrich Hartmut Koschyk Thomas Rachel Dagmar Wöhrl (Hof) Rudolf Kraus Hans Raidel Wolfgang Zeitlmann Erich G. Fritz Günther Krichbaum Dr. Peter Ramsauer Wolfgang Zöller Jochen-Konrad Fromme Dr. Günter Krings Helmut Rauber Willi Zylajew Dr. Michael Fuchs Dr. Martina Krogmann Christa Reichard (Dresden) Hans-Joachim Fuchtel Dr. Hermann Kues Klaus Riegert FDP Dr. Jürgen Gehb Werner Kuhn (Zingst) Hannelore Roedel Daniel Bahr (Münster) Norbert Geis Dr. Karl A. Lamers Franz Romer Ernst Burgbacher Roland Gewalt (Heidelberg) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Helga Daub Eberhard Gienger Dr. Norbert Lammert Dr. Klaus Rose Dr. Christian Eberl Georg Girisch Barbara Lanzinger Kurt J. Rossmanith Jörg van Essen Michael Glos Karl-Josef Laumann Dr. Christian Ruck Otto Fricke Ralf Göbel Vera Lengsfeld Albert Rupprecht (Weiden) Horst Friedrich (Bayreuth) Dr. Reinhard Göhner Werner Lensing Peter Rzepka Rainer Funke Tanja Gönner Peter Letzgus Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Gerhardt Josef Göppel Ursula Lietz Dr. Wolfgang Schäuble Hans-Michael Goldmann Peter Götz Walter Link (Diepholz) Andreas Scheuer Joachim Günther (Plauen) Dr. Wolfgang Götzer Eduard Lintner Norbert Schindler Dr. Karlheinz Guttmacher Ute Granold Patricia Lips Georg Schirmbeck Dr. Christel Happach-Kasan Reinhard Grindel Dr. Michael Luther Christian Schmidt (Fürth) Christoph Hartmann Hermann Gröhe Dorothee Mantel Andreas Schmidt (Mülheim) (Homburg) Michael Grosse-Brömer Erwin Marschewski Dr. Andreas Schockenhoff Klaus Haupt Markus Grübel (Recklinghausen) Dr. Ole Schröder Ulrich Heinrich Manfred Grund Stephan Mayer (Altötting) Bernhard Schulte-Drüggelte Birgit Homburger Olav Gutting Dr. Martin Mayer Wilhelm Josef Sebastian Dr. Werner Hoyer Holger Haibach (Siegertsbrunn) Horst Seehofer Dr. Heinrich L. Kolb Gerda Hasselfeldt Wolfgang Meckelburg Kurt Segner Gudrun Kopp Helmut Heiderich Dr. Michael Meister Matthias Sehling Jürgen Koppelin Ursula Heinen Dr. Angela Merkel Marion Seib Harald Leibrecht Siegfried Helias Friedrich Merz Bernd Siebert Ina Lenke Uda Carmen Freia Heller Laurenz Meyer (Hamm) Thomas Silberhorn Sabine Leutheusser- Michael Hennrich Doris Meyer (Tapfheim) Johannes Singhammer Schnarrenberger Jürgen Herrmann Maria Michalk Jens Spahn Markus Löning (B) Bernd Heynemann Hans Michelbach Christian Freiherr von Stetten (D) Dirk Niebel Ernst Hinsken Klaus Minkel Gero Storjohann Günther Friedrich Nolting Peter Hintze Marlene Mortler Andreas Storm Hans-Joachim Otto Robert Hochbaum Dr. Gerd Müller Max Straubinger (Frankfurt) Martin Hohmann Hildegard Müller Matthäus Strebl Eberhard Otto (Godern) Joachim Hörster Stefan Müller (Erlangen) Thomas Strobl (Heilbronn) Detlef Parr Hubert Hüppe Bernward Müller (Gera) Michael Stübgen Cornelia Pieper Susanne Jaffke Bernd Neumann (Bremen) Michaela Tadjadod Gisela Piltz Dr. Peter Jahr Henry Nitzsche Antje Tillmann Dr. Andreas Pinkwart Dr. Egon Jüttner Claudia Nolte Edeltraut Töpfer Dr. Günter Rexrodt Bartholomäus Kalb Günter Nooke Dr. Hans-Peter Uhl Marita Sehn Steffen Kampeter Dr. Georg Nüßlein Arnold Vaatz Dr. Hermann Otto Solms Irmgard Karwatzki Franz Obermeier Volkmar Uwe Vogel Dr. Max Stadler Bernhard Kaster Melanie Oßwald Angelika Volquartz Carl-Ludwig Thiele Volker Kauder Eduard Oswald Andrea Astrid Voßhoff Dr. Dieter Thomae Siegfried Kauder Rita Pawelski Gerhard Wächter Jürgen Türk (Bad Dürrheim) Dr. Peter Paziorek Marco Wanderwitz Dr. Claudia Winterstein Gerlinde Kaupa Ulrich Petzold Peter Weiß (Emmendingen) Eckart von Klaeden Dr. Joachim Pfeiffer Gerald Weiß (Groß-Gerau) fraktionslos Jürgen Klimke Dr. Friedbert Pflüger Ingo Wellenreuther Julia Klöckner Beatrix Philipp Annette Widmann-Mauz Dr. Gesine Lötzsch Kristina Köhler (Wiesbaden) Ronald Pofalla Klaus-Peter Willsch Petra Pau

Endgültiges Ergebnis SPD Dr. Hans-Peter Bartels Ute Berg Abgegebene Stimmen: 569 Dr. Lale Akgün Eckhardt Barthel (Berlin) Hans-Werner Bertl davon Gerd Andres Klaus Barthel (Starnberg) Petra Bierwirth Sören Bartol Rudolf Bindig ja: 305 Ingrid Arndt-Brauer Sabine Bätzing Lothar Binding (Heidelberg) nein: 264 Rainer Arnold Hermann Bachmaier Uwe Beckmeyer Kurt Bodewig Ernst Bahr (Neuruppin) Klaus Uwe Benneter Gerd Friedrich Bollmann Ja Doris Barnett Dr. Axel Berg Klaus Brandner Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1367

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert (A) Willi Brase Lothar Ibrügger Christel Riemann- Dr. Marlies Volkmer (C) Bernhard Brinkmann Brunhilde Irber Hanewinckel Hans Georg Wagner (Hildesheim) Renate Jäger Walter Riester Hedi Wegener Hans-Günter Bruckmann Jann-Peter Janssen Reinhold Robbe Andreas Weigel Edelgard Bulmahn Klaus Werner Jonas René Röspel Petra Weis Marco Bülow Johannes Kahrs Dr. Ernst Dieter Rossmann Reinhard Weis (Stendal) Ulla Burchardt Ulrich Kasparick Karin Roth (Esslingen) Matthias Weisheit Dr. Michael Bürsch Dr. h. c. Susanne Kastner Michael Roth (Heringen) Gunter Weißgerber Hans Martin Bury Ulrich Kelber Gerhard Rübenkönig Gert Weisskirchen Hans Büttner (Ingolstadt) Hans-Peter Kemper Ortwin Runde (Wiesloch) Marion Caspers-Merk Klaus Kirschner Marlene Rupprecht Dr. Ernst Ulrich von Dr. Peter Danckert Hans-Ulrich Klose (Tuchenbach) Weizsäcker Karl Diller Astrid Klug Thomas Sauer Jochen Welt Martin Dörmann Dr. Heinz Köhler Anton Schaaf Dr. Rainer Wend Peter Dreßen Walter Kolbow Axel Schäfer (Bochum) Lydia Westrich Detlef Dzembritzki Fritz Rudolf Körper Gudrun Schaich-Walch Inge Wettig-Danielmeier Sebastian Edathy Karin Kortmann Rudolf Scharping Dr. Margrit Wetzel Siegmund Ehrmann Rolf Kramer Bernd Scheelen Andrea Wicklein Hans Eichel Anette Kramme Dr. Hermann Scheer Jürgen Wieczorek (Böhlen) Marga Elser Ernst Kranz Siegfried Scheffler Heidemarie Wieczorek-Zeul Gernot Erler Nicolette Kressl Horst Schild Dr. Dieter Wiefelspütz Petra Ernstberger Volker Kröning Otto Schily Brigitte Wimmer (Karlsruhe) Karin Evers-Meyer Dr. Hans-Ulrich Krüger Horst Schmidbauer Engelbert Wistuba Annette Faße Angelika Krüger-Leißner (Nürnberg) Barbara Wittig Elke Ferner Horst Kubatschka Ulla Schmidt (Aachen) Dr. Wolfgang Wodarg Gabriele Fograscher Ernst Küchler Silvia Schmidt (Eisleben) Verena Wohlleben Rainer Fornahl Helga Kühn-Mengel Dagmar Schmidt (Meschede) Waltraud Wolff Gabriele Frechen Ute Kumpf Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (Wolmirstedt) Dagmar Freitag Dr. Uwe Küster Heinz Schmitt (Berg) Heidi Wright Lilo Friedrich (Mettmann) Christine Lambrecht Carsten Schneider Uta Zapf Iris Gleicke Christian Lange (Backnang) Walter Schöler Manfred Helmut Zöllmer Günter Gloser Christine Lehder Olaf Scholz Dr. Christoph Zöpel Uwe Göllner Waltraud Lehn Karsten Schönfeld Renate Gradistanac Dr. Elke Leonhard Fritz Schösser BÜNDNIS 90/ Angelika Graf (Rosenheim) Eckhart Lewering Wilfried Schreck DIE GRÜNEN (B) Dieter Grasedieck Götz-Peter Lohmann Ottmar Schreiner (D) Monika Griefahn Gabriele Lösekrug-Möller Gerhard Schröder Kerstin Andreae Kerstin Griese Erika Lotz Gisela Schröter Marieluise Beck (Bremen) Gabriele Groneberg Dr. Christine Lucyga Brigitte Schulte (Hameln) Volker Beck (Köln) Achim Großmann Dirk Manzewski Reinhard Schultz Cornelia Behm Wolfgang Grotthaus Tobias Marhold (Everswinkel) Birgitt Bender Karl Hermann Haack Lothar Mark Swen Schulz (Spandau) Matthias Berninger (Extertal) Caren Marks Dr. Angelica Schwall-Düren Grietje Bettin Hans-Joachim Hacker Christoph Matschie Dr. Martin Schwanholz Alexander Bonde Bettina Hagedorn Hilde Mattheis Rolf Schwanitz Ekin Deligöz Klaus Hagemann Markus Meckel Erika Simm Dr. Thea Dückert Alfred Hartenbach Ulrike Mehl Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Jutta Dümpe-Krüger Michael Hartmann Petra-Evelyne Merkel Dr. Cornelie Sonntag- Franziska Eichstädt-Bohlig (Wackernheim) Ulrike Merten Wolgast Dr. Uschi Eid Anke Hartnagel Angelika Mertens Wolfgang Spanier Hans-Josef Fell Nina Hauer Ursula Mogg Dr. Margrit Spielmann Joseph Fischer (Frankfurt) Hubertus Heil Michael Müller (Düsseldorf) Jörg-Otto Spiller Katrin Dagmar Göring- Reinhold Hemker Christian Müller (Zittau) Dr. Ditmar Staffelt Eckardt Rolf Hempelmann Gesine Multhaupt Ludwig Stiegler Anja Hajduk Dr. Barbara Hendricks Franz Müntefering Rolf Stöckel Winfried Hermann Gustav Herzog Dr. Rolf Mützenich Christoph Strässer Antje Hermenau Petra Heß Volker Neumann (Bramsche) Rita Streb-Hesse Peter Hettlich Monika Heubaum Dietmar Nietan Dr. Peter Struck Ulrike Höfken Gabriele Hiller-Ohm Dr. Erika Ober Joachim Stünker Thilo Hoppe Stephan Hilsberg Holger Ortel Jörg Tauss Michaele Hustedt Gerd Höfer Heinz Paula Jella Teuchner Fritz Kuhn Jelena Hoffmann (Chemnitz) Johannes Pflug Dr. Gerald Thalheim Renate Künast Walter Hoffmann Joachim Poß Wolfgang Thierse Markus Kurth (Darmstadt) Dr. Wilhelm Priesmeier Franz Thönnes Undine Kurth (Quedlinburg) Iris Hoffmann (Wismar) Florian Pronold Hans-Jürgen Uhl Dr. Reinhard Loske Frank Hofmann (Volkach) Dr. Sascha Raabe Rüdiger Veit Anna Lührmann Eike Hovermann Karin Rehbock-Zureich Simone Violka Jerzy Montag Klaas Hübner Gerold Reichenbach Jörg Vogelsänger Kerstin Müller (Köln) Christel Humme Dr. Carola Reimann Ute Vogt (Pforzheim) Winfried Nachtwei 1368 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert (A) Christa Nickels Georg Fahrenschon Norbert Königshofen Dr. Christian Ruck (C) Friedrich Ostendorff Ilse Falk Hartmut Koschyk Albert Rupprecht (Weiden) Simone Probst Dr. Hans Georg Faust Rudolf Kraus Peter Rzepka Claudia Roth (Augsburg) Albrecht Feibel Günther Krichbaum Anita Schäfer (Saalstadt) Krista Sager Enak Ferlemann Dr. Günter Krings Dr. Wolfgang Schäuble Christine Scheel Ingrid Fischbach Dr. Martina Krogmann Andreas Scheuer Irmingard Schewe-Gerigk Hartwig Fischer (Göttingen) Dr. Hermann Kues Norbert Schindler Rezzo Schlauch Dirk Fischer (Hamburg) Werner Kuhn (Zingst) Georg Schirmbeck Albert Schmidt (Hitzhofen) Axel E. Fischer Dr. Karl A. Lamers Christian Schmidt (Fürth) Werner Schulz (Berlin) (Karlsruhe-Land) (Heidelberg) Andreas Schmidt (Mülheim) Petra Selg Dr. Maria Flachsbarth Dr. Norbert Lammert Dr. Andreas Schockenhoff Ursula Sowa Klaus-Peter Flosbach Barbara Lanzinger Dr. Ole Schröder Rainder Steenblock Herbert Frankenhauser Karl-Josef Laumann Bernhard Schulte-Drüggelte Silke Stokar von Neuforn Dr. Hans-Peter Friedrich Vera Lengsfeld Wilhelm Josef Sebastian Hans-Christian Ströbele (Hof) Werner Lensing Horst Seehofer Jürgen Trittin Erich G. Fritz Peter Letzgus Kurt Segner Marianne Tritz Jochen-Konrad Fromme Ursula Lietz Matthias Sehling Hubert Ulrich Dr. Michael Fuchs Walter Link (Diepholz) Marion Seib Dr. Antje Vogel-Sperl Hans-Joachim Fuchtel Eduard Lintner Bernd Siebert Dr. Antje Vollmer Dr. Jürgen Gehb Patricia Lips Thomas Silberhorn Dr. Ludger Volmer Norbert Geis Dr. Michael Luther Johannes Singhammer Josef Philip Winkler Roland Gewalt Dorothee Mantel Jens Spahn Margareta Wolf (Frankfurt) Eberhard Gienger Erwin Marschewski Christian Freiherr von Stetten Georg Girisch (Recklinghausen) Gero Storjohann Michael Glos Stephan Mayer (Altötting) Nein Andreas Storm Ralf Göbel Dr. Martin Mayer Max Straubinger Dr. Reinhard Göhner (Siegertsbrunn) CDU/CSU Matthäus Strebl Tanja Gönner Wolfgang Meckelburg Thomas Strobl (Heilbronn) Ulrich Adam Josef Göppel Dr. Michael Meister Michael Stübgen Ilse Aigner Peter Götz Dr. Angela Merkel Michaela Tadjadod Peter Altmaier Dr. Wolfgang Götzer Friedrich Merz Antje Tillmann Dietrich Austermann Ute Granold Laurenz Meyer (Hamm) Edeltraut Töpfer Norbert Barthle Reinhard Grindel Doris Meyer (Tapfheim) Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Wolf Bauer Hermann Gröhe Maria Michalk Arnold Vaatz Günter Baumann Michael Grosse-Brömer Hans Michelbach Volkmar Uwe Vogel (B) Veronika Bellmann Markus Grübel Klaus Minkel Angelika Volquartz (D) Dr. Christoph Bergner Manfred Grund Marlene Mortler Andrea Astrid Voßhoff Otto Bernhardt Olav Gutting Dr. Gerd Müller Gerhard Wächter Dr. Rolf Bietmann Holger Haibach Hildegard Müller Marco Wanderwitz Clemens Binninger Gerda Hasselfeldt Stefan Müller (Erlangen) Peter Weiß (Emmendingen) Peter Bleser Helmut Heiderich Bernward Müller (Gera) Gerald Weiß (Groß-Gerau) Antje Blumenthal Ursula Heinen Bernd Neumann (Bremen) Ingo Wellenreuther Dr. Maria Böhmer Siegfried Helias Henry Nitzsche Annette Widmann-Mauz Jochen Borchert Uda Carmen Freia Heller Claudia Nolte Klaus-Peter Willsch Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Michael Hennrich Günter Nooke Willy Wimmer (Neuss) Wolfgang Bosbach Jürgen Herrmann Dr. Georg Nüßlein Werner Wittlich Dr. Wolfgang Bötsch Bernd Heynemann Franz Obermeier Dagmar Wöhrl Klaus Brähmig Ernst Hinsken Melanie Oßwald Wolfgang Zeitlmann Dr. Ralf Brauksiepe Peter Hintze Eduard Oswald Wolfgang Zöller Helge Braun Robert Hochbaum Rita Pawelski Willi Zylajew Paul Breuer Martin Hohmann Dr. Peter Paziorek Monika Brüning Joachim Hörster Ulrich Petzold FDP Georg Brunnhuber Hubert Hüppe Dr. Joachim Pfeiffer Verena Butalikakis Susanne Jaffke Dr. Friedbert Pflüger Daniel Bahr (Münster) Hartmut Büttner Dr. Peter Jahr Beatrix Philipp Ernst Burgbacher (Schönebeck) Dr. Egon Jüttner Ronald Pofalla Helga Daub Cajus Caesar Bartholomäus Kalb Ruprecht Polenz Dr. Christian Eberl Manfred Carstens (Emstek) Steffen Kampeter Daniela Raab Jörg van Essen Peter H. Carstensen Irmgard Karwatzki Thomas Rachel Otto Fricke (Nordstrand) Bernhard Kaster Hans Raidel Horst Friedrich (Bayreuth) Gitta Connemann Volker Kauder Dr. Peter Ramsauer Rainer Funke Leo Dautzenberg Siegfried Kauder Helmut Rauber Dr. Wolfgang Gerhardt Hubert Deittert (Bad Dürrheim) Christa Reichard (Dresden) Hans-Michael Goldmann Albert Deß Gerlinde Kaupa Klaus Riegert Joachim Günther (Plauen) Alexander Dobrindt Eckart von Klaeden Hannelore Roedel Dr. Karlheinz Guttmacher Vera Dominke Jürgen Klimke Franz Romer Dr. Christel Happach-Kasan Thomas Dörflinger Julia Klöckner Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Christoph Hartmann Marie-Luise Dött Kristina Köhler (Wiesbaden) Dr. Klaus Rose (Homburg) Maria Eichhorn Manfred Kolbe Kurt J. Rossmanith Klaus Haupt Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1369

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert (A) Ulrich Heinrich Sabine Leutheusser- Detlef Parr Carl-Ludwig Thiele (C) Birgit Homburger Schnarrenberger Cornelia Pieper Dr. Dieter Thomae Dr. Werner Hoyer Markus Löning Gisela Piltz Jürgen Türk Dr. Heinrich L. Kolb Dirk Niebel Dr. Andreas Pinkwart Dr. Claudia Winterstein Gudrun Kopp Günther Friedrich Nolting Dr. Günter Rexrodt Jürgen Koppelin Hans-Joachim Otto Marita Sehn fraktionslos Harald Leibrecht (Frankfurt) Dr. Hermann Otto Solms Dr. Gesine Lötzsch Ina Lenke Eberhard Otto (Godern) Dr. Max Stadler Petra Pau

die Einsprüche des Bundesrates sind damit zurückgewie- ich auch im Namen der übrigen Kolleginnen und Kolle- sen. gen des Präsidiums allen Mitgliedern des Bundestages Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord- und ihren Familien ein ruhiges, besinnliches und geseg- nung. netes Weihnachtsfest und alles Gute für das neue Jahr wünschen. Wir sind auch am Schluss der parlamentarischen Ar- beit dieses Jahres. Es war ein Jahr mit manchen Aufre- (Beifall) gungen, manchen Erfolgen, vielleicht auch manchen Ent- Die Sitzung ist geschlossen. täuschungen, viel notwendigem, gelegentlich vielleicht auch vermeidbarem Streit. Gerade weil dies so ist, will (Schluss: 15.21 Uhr)

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002 1371

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C) Anlage 1

Liste der entschuldigten Abgeordneten 2002 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (Drucksachen 15/128, 15/223 und 15/231)

entschuldigt bis Zum Antrag der Bundesregierung erkläre ich: Mit der Abgeordnete(r) einschließlich Fortsetzung der aktiven Beteiligung der Bundeswehr bei ISTAF zementieren wir den von der Regierung Schröder/ Brüderle, Rainer FDP 20.12.2002 Fischer begonnenen Weg der Militarisierung der Politik. Die Politik muss den Vorrang haben, nicht der militäri- Dr. Däubler-Gmelin, SPD 20.12.2002 sche Ansatz. Herta Es fehlt eine wirkliche Friedensperspektive für Afgha- Eppelmann, Rainer CDU/CSU 20.12.2002 nistan. Unsere Bundeswehr ist im Prinzip und in ihrer Tra- dition eine Verteidigungs-, keine Angriffsstreitmacht. Ihre Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 20.12.2002 Anwesenheit hat in Afghanistan keine Berechtigung, sie Flach, Ulrike FDP 20.12.2002 ist nicht im unmittelbaren deutschen Interesse. Das Risiko unserer Soldaten, die dort ihren Dienst tun, ist nach mei- Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 20.12.2002 ner Meinung unvertretbar, ihr Abzug ist unverzüglich vor- zunehmen. Freiherr von und zu CDU/CSU 20.12.2002 Guttenberg, Fragwürdig werden humanitäre Ziele, wenn sie mi- Karl-Theodor litärisch durchgesetzt werden. Es erschüttert, wenn man erfährt, dass die Zahl der getöteten afghanischen Zivilis- Hedrich, Klaus-Jürgen CDU/CSU 20.12.2002 ten die der Opfer des 11. September in den USA deutlich Hofbauer, Klaus CDU/CSU 20.12.2002 übersteigt. Der Krieg in Afghanistan läuft leer, es ist Zeit, auszusteigen. Das gilt auch für die Truppenkontingente in Laurischk, Sibylle FDP 20.12.2002 Usbekistan, Kuwait, Kenia und Dschibuti. Über 2 Milliar- den kostet die Bundesrepublik der Anti-Terror-Einsatz, Lehn, Waltraud SPD 20.12.2002 ohne dass die internationale Mitwirkungspflicht verfas- Dr. Lippold CDU/CSU 20.12.2002 sungsrechtlich ausreichend begründet ist. Auch deshalb (B) (Offenbach), Klaus W. sage ich Nein. (D) Möllemann, Jürgen W. FDP 20.12.2002 Pfeiffer, Sibylle CDU/CSU 20.12.2002 Anlage 3 Dr. Röttgen, Norbert CDU/CSU 20.12.2002 Erklärung nach § 31 GO Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 20.12.2002 der Abgeordneten Frank Hofmann (Volkach), Ursula Mogg, Gabriele Frechen, Petra-Evelyne Steinbach, Erika CDU/CSU 20.12.2002 Merkel, Gerd Friedrich Bollmann, Dr. Hans- Ulrich Krüger, Dr. Axel Berg, Ernst Kranz, Dr. Stinner, Rainer FDP 20.12.2002 Sabine Bätzing, Engelbert Wistuba, Astrid Klug, Dr. Westerwelle, Guido FDP 20.12.2002 Walter Hoffmann (Darmstadt), Hans Büttner (Ingolstadt), Achim Großmann, Ulla Burchardt, Dr. Wetzel, Margrit SPD 20.12.2002 Gabriele Groneberg, Tobias Marhold, Brigitte Wissmann, Matthias CDU/CSU 20.12.2002 Schulte (Hameln), Hans-Peter Kemper, Horst Schild, Uwe Beckmeyer, Anke Hartnagel, Bernd Wülfing, Elke CDU/CSU 20.12.2002 Scheelen, René Röspel, Ulrich Kasparick, Lothar Binding (Heidelberg), Siegmund Ehrmann, Reinhold Hemker, Holger Ortel, Anlage 2 Marco Bülow, Jürgen Wieczorek (Böhlen), Annette Faße, Petra Heß, Dr. Hans-Peter Erklärung nach § 31 GO Bartels, Hans-Werner Bertl, Hans-Ulrich Klose, des Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Ingrid Arndt-Brauer, Karin Evers-Meyer, (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Antrag Dagmar Freitag, Wolfgang Spanier, „Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut- Jelena Hoffmann (Chemnitz), Hans-Günter scher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internatio- Bruckmann, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. nalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afgha- Michael Bürsch, Dr. Margrit Wetzel, Dr. nistan“ auf Grundlage der Resolutionen 1386 Christine Lucyga, Bernhard Brinkmann (Hil- (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom desheim), Christel Riemann-Hanewinckel, Ernst 23. Mai 2002 und 1444 (2002) vom 27. November Küchler (alle SPD) zur Abstimmung über den 1372 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17. Sitzung. Berlin, Freitag, den 20. Dezember 2002

(A) Antrag der Fraktionen der SPD und des Wir stimmen dem Gesetz unter der Voraussetzung zu, (C) BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Zurück- dass im Laufe des Jahres 2003 eine Überprüfung nicht nur weisung des Einspruchs des Bundesrates gegen der geplanten und der tatsächlichen von den Apotheken das Beitragssatzsicherungsgesetz (Drucksache erbrachten Sparbeiträge, sondern auch der wirtschaft- 15/261) lichen Konsequenzen für die Apotheken erfolgt. Wir stimmen dem Gesetz unter der Voraussetzung zu, dass im Laufe des Jahres 2003 eine Überprüfung der ge- Anlage 5 planten und der tatsächlichen von den Apotheken er- brachten Sparbeiträge erfolgt. Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Vermittlungsausschusses hat mit Anlage 4 Schreiben vom 5. Dezember 2002 mitgeteilt, dass nach- folgende, vom Bundestag beschlossene Gesetze vom Ver- Erklärung nach § 31 GO mittlungsausschuss bestätigt worden sind: der Abgeordneten Monika Heubaum, Waltraud – Gesetz zur Fortentwicklung der ökologischen Steuer- Wolff (Wolmirstedt), Lothar Mark, Hans-Ulrich reform Klose, Siegfried Scheffler, Jelena Hoffmann – Zwölftes Gesetz zur Änderung des Fünften Buches (Chemnitz), Hans-Werner Bertl, Willi Brase, Sozialgesetzbuch (Zwölftes SGB V-Änderungs- (alle SPD) zur Abstimmung über den Antrag der gesetz – 12. SGB V-ÄndG) Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN auf Zurückweisung des Ein- – Gesetz zur Sicherung der Beiträge in der gesetzlichen spruchs des Bundesrates gegen das Beitragssatz- Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenver- sicherungsgesetz (Drucksache 15/261) sicherung (Beitragssatzsicherungsgesetz – BSSichG)

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