Föderalismusreform

Zwischenbilanz Kultur-Enquete Zeitung des Deutschen Kulturrates

Nr. 05/04 • September - Oktober 2004 www.kulturrat.de 3,00 € • ISSN 1619-4217 • B 58 662

Föderalismusreform Halbzeitbilanz Kulturenquete Arbeitsmarkt Kultur Deutsche Welle Bildungsreform Die Debatte um die Entflechtung Die Vorsitzende Welche Bedeutung die Künstlersozi- Welche Anforderungen sind an die Dass kulturelle Bildung für alle Be- der Kompetenzen von Bund und sowie die Obleute Siegmund Ehr- alversicherung für freiberufliche Reform des Deutsche Welle-Geset- völkerungsschichten sein muss, Ländern geht weiter. Franz Mün- mann, Günter Nooke, Ursula Sowa Künstler hat, streicht Angelika Krü- zes zu richten, welcher Nachbesse- unterstreicht Michael Sommer. tefering stellt die Handlungsfelder und Hans-Joachim Otto ziehen eine ger-Leißner heraus. Wie verändert rungsbedarf besteht am vorgeleg- Welche Bedeutung das Freiwillige der Föderalismuskommission dar. Zwischenbilanz der Enquete-Kom- sich der Arbeitsmarkt Kultur und wie ten Gesetzesentwurf und wie soll Kulturelle Jahr für Jugendliche ha- Es werden Vorschläge zur Kultur- mission „Kultur in Deutschland“. kann eine Alterssicherung für Kul- sich die Deutsche Welle künftig po- ben kann, schildern Kerstin Hüb- förderung des Bundes und der Olaf Zimmermann fragt nach dem turberufler aussehen? Autoren: Ca- sitionieren. Damit setzen sich Erik ner und Brigitte Schorn. Eske Nan- Länder, der Bildungsentwicklung Nutzen von Kommissionen und Hel- roline Dangel, Sigrid Betzelt, Bernd Bettermann, Heinrich Bleicher-Na- nen stellt die Kunsthalle Emden und der Vertretung deutscher Inte- ga Boldt nach kultureller Bildung als Fesel, Michael Recker, Christian Hel- gelsmann, und vor. Birgit Dankert will Schulbib- ressen in Europa debattiert. Lebensmitte(l). menstein und Michael Hennig. auseinander. liotheken zukunftsfähig machen. Seiten 1 – 5 Seiten 6 - 11 Seiten 20 - 24 Seiten 13 - 18 Seiten 27 - 29

Editorial Die Weichen richtig stellen Wegducken Für eine moderne Gesellschaft und ein zukunftsfähiges Land • Von Franz Müntefering

er Leitartikel von Edmund Stoi- soll, gibt ihnen eine erfreuliche neue Schon am Anfang der Kommissions- den. Jeder in der Kommission muss staat darstellt, da habe ich meine Dber zur Föderalismusreform in Qualität. Bislang verhandelten die arbeit im November 2003 war klar, für jede Seite des Tisches mitden- Zweifel. Ob es so etwas wie ein der letzten Ausgabe von politik und Chefs der Staatskanzleien der Län- dass unsere bundesstaatliche Ord- ken. materielles Zugriffsrecht der Län- kultur hat die Diskussionslage ge- der und die Kulturstaatsministerin nung zeitgerecht modernisiert wer- Wir haben jetzt nur noch wenige der in bestimmten Bereichen ge- klärt. Kulturpolitik und Kulturförde- hinter verschlossenen Türen, be- den muss. „Zuviel Verflechtung, zu Monate. Dann muss die Entschei- ben kann, weil wir uns in diesen rung sind Thema der noch bis Ende kanntermaßen ohne Erfolg. Jetzt be- wenig Transparenz der politischen dung fallen über den Vorschlag, den Gebieten über eine Kompetenz- des Jahres tagenden gemeinsamen steht die Chance, in einer öffentli- Verantwortlichkeiten“ waren häufig wir an und Bundesrat trennung nicht einigen können, ist Kommission von Bundestag und chen Debatte die strittigen Fragen zu hörende Klagen. Ziel war und ist, richten. Ich bin sicher, die Voraus- noch ungeklärt und bleibt Gegen- Bundesrat zur Modernisierung des zu erörtern. Es muss doch möglich dies bald zu ändern und die Hand- setzung für eine Entscheidung ist stand der Diskussion. Föderalismus. Alle, die geglaubt ha- sein zu klären, ob und unter wel- lungs- und Entscheidungsfähigkeit dann gegeben. Ich gehe davon aus, • Die Mischfinanzierungstatbestän- ben, man könnte sich wegducken, chen Bedingungen der Bund in der auf der Bundes- wie auf der Landes- die Mitglieder in dieser Kommission de werden modernisiert und flexi- wurden eines Besseren belehrt. Ge- Zukunft die Deutsche Schillergesell- ebene zu verbessern. wollen das alle so. bilisiert oder abgeschafft. Die Auf- rade die Kultur ist im Fokus der Fö- schaft, das Deutsche Literaturarchiv, deralismuskommission, da zentrale die Bayreuther Festspiele oder die ut ein halbes Jahr nach Beginn Entscheidungen auf anderen Felder, documenta fördern darf. Und es Gder Kommissionsarbeit ist die die nur mit einer grundgesetzän- muss auch möglich sein, die unsin- Antwort auf die Frage nach dem dernden 2/3-Mehrheit gefällt wer- nige Trennung der Kulturstiftung „Wie?“ dieser Veränderungen noch Platz schaffen zum Gestalten den können, an dem von Franz der Länder und der Kulturstiftung nicht gefunden – zumindest noch Müntefering in dieser Ausgabe be- des Bundes zu beenden. Edmund nicht schriftlich fixiert. Das irritiert braucht Zeit schriebenen „achteckigen Tariftisch“ Stoiber hatte in der letzten Ausgabe einige im Land, die unsere Arbeit öf- nur schwer zu erreichen sind. Doch von politik und kultur bereits seine fentlich begleiten. eine Kommission, deren Vorsitzen- grundsätzliche Zustimmung zur Fu- Die Gewissheit, dass gut Ding de, Ministerpräsident und CSU-Vor- sion der beiden Stiftungen angekün- Weile haben will, ist abhanden ge- Immerhin lässt sich heute schon gaben jedenfalls bleiben und es sitzender Stoiber und SPD-Partei- digt. Jetzt müssen die Bedingungen kommen im Lande. Man will sehen, einiges feststellen: müssen Regeln für deren Erledi- und Bundestagsfraktionsvorsitzen- für eine solche Fusion besprochen wie mit einem einzigen genialen • Art. 84 GG (Landeseigenverwal- gung gefunden werden. Wir müs- der Müntefering, und deren Mitglie- werden. Streich entschlossen der Knoten tung) soll in einen zustimmungs- sen die Möglichkeit nutzen, darü- der Ministerpräsidenten, Chefs der Doch noch wichtiger als die Klä- durchgeschlagen wird, man hat kei- freien Tatbestand umformuliert ber sachlich zu diskutieren. Auch Staatskanzleien und Politiker der rung dieser Einzelfälle, ist die Beant- ne Geduld, diesen Knoten aufzudrö- werden. Die Länder können dann unkonventionell. Für die SPD-Sei- ersten Reihe des Deutschen Bundes- wortung der grundsätzlichen Frage seln. Genau das muss aber sein, da- verfahrens- und organisations- te der Kommission äußert sich Vol- tages sind, wird nicht ohne ein Er- nach der Bedeutung der Kultur für mit Platz ist zum Gestalten. Seit No- rechtliche Regelungen selbst ab- ker Kröning, MdB, zu dieser The- gebnis abgeschlossen werden. Wenn unsere Gesellschaft. Franz Münter- vember 2003 haben wir eine ziem- weichend vom Bundesrecht re- matik auch in diesem Heft gründ- die unterschiedlichen Interessenla- fering beschreibt als Ziel der Födera- lich gründliche Analyse der Situati- geln. Dafür entfällt die Zustim- licher. gen schon den große Wurf, also eine lismuskommission, „diese Gesell- on und der Handlungsmöglichkei- mung des Bundesrates. Ob es hier Jedenfalls gilt: Der Solidarpakt II, umfassende Änderung des Grundge- schaft, dieses Land zu modernisie- ten gemeinsam erarbeitet. Die Fra- noch zu einer Sperrbefugnis des der vor drei Jahren von Bundestag setzes, nicht zulassen, dann sollen ren und zukunftsfähig zu erhalten gen – die richtigen Fragen – sind kla- Bundes für den Ausnahmefall und Bundesrat beschlossen wurde doch wenigsten einige deutliche und gerade im Bereich Bildung, In- rer geworden. Bekanntlich ist das kommen muss oder nicht, darüber und im nächsten Jahr in Kraft tritt, Kurskorrekturen angebracht werden. novation und Kultur“. Dieses Ziel die Chance, wenn nicht gar die Be- kann noch geredet werden. Im wird voll erfüllt! Und selbstver- Der Erste Parlamentarische Ge- muss auch in unserer Verfassung dingung, die richtigen Antworten zu Grundsatz sind wir aber in diesem ständlich ist ohnehin: Der Länder- schäftsführer der SPD-Bundestags- deutlich sichtbar sein. Nach der finden. Punkt ziemlich nahe beieinander. finanzausgleich behält seine fraktion, Wilhelm Schmidt, be- Wiedervereinigung scheiterte der Dabei wissen alle: Leicht ist die • Bei der Frage der Zustimmung bei Funktion. schreibt in dieser Ausgabe, was das Versuch ein Staatsziel „Bildung und Aufgabe nicht. Die Kommission ist Bundesgesetzen mit „erheblichen • Die Europafähigkeit des Grundge- besonders für die Kulturförderung Kultur“ im Grundgesetz zu veran- ein achteckiger Tariftisch. A gegen- Kostenfolgen“ – sozusagen als „Er- setzes bzw. des bundesstaatlichen des Bundes bedeuten kann. Die un- kern. Mit der Föderalismuskommis- über B. Länder gegenüber Bund. satz“ für die wegfallende Zustim- Handelns muss verbessert wer- geschriebenen Förderkompetenzen sion und der Enquete-Kommission Kleine Länder gegenüber große Län- mungsmöglichkeit bei Artikel 84 – den: Ob dazu eine Änderung des des Bundes müssen endlich geklärt „Kultur in Deutschland“ des Deut- der. Alle quer zu Europa. sehe ich eine konstruktive Ent- Art. 23 GG (Europäische Union) werden. Wilhelm Schmidt geht da- schen Bundestages erhalten wir eine Keine Tischseite allein hat die wicklung in der Debatte, noch kei- nötig ist (so tendenziell der Bund) von aus, dass die Föderalismuskom- zweite Chance, Versäumtes nachzu- 2/3-Mehrheit, die sie für die zentra- ne Lösung. oder nicht (so die Länder) ist strit- mission den Kulturverantwortlichen holen. Wegducken gilt dieses Mal len Entscheidungen brauchte. Wenn • Die Rahmenkompetenz des Art. 75 tig. Es könnten auch unterverfas- von Bund und Ländern einen klaren aber nicht. wir uns in diesem Stadium zu defini- GG (Rahmengesetzgebung des sungsrechtliche (gesetzliche oder Verhandlungsauftrag erteilen wird. tiv an ganz bestimmten Seiten des Bundes) wird aufgehoben. Einige untergesetzliche) Möglichkeiten Dass der Deutsche Bundestag an Olaf Zimmermann, Geschäftsführer Tisches festsetzen, werden wir Kompetenzen kommen – soviel zur besseren Abstimmung und ge- diesen Verhandlungen beteiligt sein des Deutschen Kulturrates ■ Mehrheiten für Lösungen nicht fin- können wir im Grunde schon sa- genseitigen Information zwischen gen – tendenziell eher zu den Län- Bund und Ländern in Betracht dern (etwa im Öffentlichen Dienst kommen, wenn dies wirklich trägt. oder bei den Hochschulen), einige Die entscheidenden Fragen sind: eher zum Bund (so etwa im Be- Sind wir in Deutschland für das Kultur-Mensch reich Umweltschutz). Vor die „Europa der 25“ ausreichend ge- Isabell Pfeiffer-Poensgen Klammer gezogen werden einige rüstet? Vertreten wir unsere natio- Kernpunkte, die in Bundeskompe- nalen Interessen in Brüssel – auch Ob die Kulturstiftung der Länder und die Kulturstiftung des Bundes einmal fusio- tenz verbleiben, wie etwa Status- im Vorfeld von Entscheidungen in nieren und wenn ja, zu welchen Bedingungen, hängt zu einem erheblichen Teil fragen im Dienstrecht oder der Europa – optimal? Sind wir dort von den Ergebnissen der Föderalismus-Kommission ab. Mit der Wahl der neuen Hochschulzugang und Hoch- wirklich gut aufgestellt, so wie es Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder Isabell Pfeiffer-Poensgen haben schulabschluss im Hochschul- die Länder eine Frau an die Spitze ihrer Kulturstiftung geholt, die über fundierte recht. Seit kurzem ist hierzu von Weiter auf Seite 2 Erfahrungen in der Leitung von großen Institutionen wie einer Kunsthochschule, Länderseite auch die Möglichkeit als Kanzlerin der Musikhochschule Köln, und in der kommunalen Politik, als Kul- staatsvertraglicher Regelungen ins turdezernentin der Stadt Aachen, hat. Man darf gespannt sein, welche Akzente Gespräch gebracht worden. Ob Isabell Pfeiffer-Poensgen in ihrer Amtszeit setzen und wie sie die Kulturstiftung dieses umständliche Instrument Foto: Andreas Hermann der Länder neben der Kulturstiftung des Bundes profilieren wird. allerdings wirklich einen Beitrag zu mehr Entflechtung im Bundes- FÖDERALISMUSREFORM politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 2

Fortsetzung von Seite 1 ren Sicherheit und eine Frage aus und schlimmen Herausforderun- setzes. Die Verfassung ist ein Wert an Wer dieses Land erneuern will, dem Bereich Recht der Wirtschaft gen gerecht werden. Vor allem sich und sie zu verändern, ist immer muss diese Weichen richtig stellen. – nämlich den Ladenschluss. steht aber die Frage im Raum, ob eine große Verantwortung. Wir haben eine große Chance aber Die Weichen richtig stellen Das Thema Innere Sicherheit kön- die erforderliche optimale Zusam- Es geht bei dieser Debatte um auch die Verantwortung, dieses in nen wir in der Kommission nicht menarbeit zwischen allen Verant- das Grundgesetz aber nicht nur um den nächsten Monaten gemeinsam für unser großes Land in der Euro- ignorieren. Unsere Welt ist unsi- wortlichen garantiert ist. verfassungsrechtliche Fragen. Es zu formulieren und dann entspre- päischen Union möglich und nötig cherer geworden, der internatio- Der Ladenschluss ist ein Beispiel, geht um das Ziel, diese Gesellschaft, chende Vorschläge zu machen. ist? nale Terrorismus erfordert neben wie nach Jahren der Diskussion dieses Land zu modernisieren und • Berlin soll eine Verankerung als un- der Vorbeugung und dem Kampf die Entscheidung des Bundesver- zukunftsfähig zu erhalten und das Der Verfasser ist Mitglied des sere Hauptstadt im Grundgesetz gegen ihn auch bestmögliche Ab- fassungsgerichts im Kaufhof-Fall gerade im Bereich Bildung, Innova- Deutschen Bundestags, Vorsitzender bekommen. Die genaue Formulie- wehrmechanismen im Inneren, eine klare Richtung eröffnet. Mehr tion und Kultur. Es geht dabei um der SPD-Bundestagsfraktion und rung wird noch in der entspre- übrigens auch europäisch. Wir Zuständigkeit für die Länder. die bestmöglichen Organisationsbe- zusammen mit Ministerpräsident chenden Projektgruppe erörtert. müssen uns fragen, ob die Struk- dingungen unserer Demokratie für Edmund Stoiber Vorsitzender der • Zum Abschluss zwei Themen, die turen, die wir in unserer Verfas- Schließlich: die Aufgaben, mit denen wir es als Kommission von Bundestag und in der Kommission noch nicht dis- sung seit Jahrzehnten haben, in al- Wir arbeiten an der zeitgemäßen Politiker und die Gesellschaft insge- Bundesrat zur Modernisierung der kutiert wurden: die Frage der Inne- len Punkten noch diesen neuen Fortentwicklung unseres Grundge- samt zu tun haben. bundesstaatlichen Ordnung ■

German Vote in der EU-Kulturpolitik Bedenklich: Stimmenthaltungen mangels innerstaatlicher Einheit • Von Wilhelm Schmidt

Deutschland hat eine weltweit ein- beit der Kulturverantwortlichen von matik dann im Kreis der Experten nur sinnvoll sein, wenn sie nicht zu stellte und noch stellt, bleibt auch die malige Kulturlandschaft. Kulturelle Bund und Ländern herausgebildet. weiter zu erörtern. Dabei könnten unzumutbaren Beschränkungen des Einigung Europas eine Herausforde- Vielfalt und Breite beruhen dabei Die Verflechtungen wurden in den wohl die im sog. Korb 1 vorläufig ge- Bundes und „kulturunverträgli- rung. Ziel ist die Einheit in Vielfalt. Ei- auch auf den historisch gewachse- letzten drei Jahren zwischen Bund fundenen Festlegungen über die chen“ Ergebnissen führen. Diese ne Bündelung der Bundeskulturpoli- nen dezentralen Strukturen. Noch und Ländern in einem Eckpunkte- Förderkompetenzen des Bundes Gefahr besteht indes. Denn die För- tik im Amt der Beauftragten für Kul- heute bildet die Kulturhoheit ein papier umfassend aufgelistet und weitgehend bestehen bleiben, so derung kultureller Vorhaben durch tur und Medien ohne Beschneidung Kernstück der Eigenstaatlichkeit der dargestellt. Durch ein Veto Bayerns dass die Klärung der im sog. Korb 2 den Bund ist Förderung im Einzel- der Kulturhoheit der Länder war eine Länder. Trotzdem gibt es in der Kul- kam die gemeinsame Verabschie- enthaltenen Punkte in den Mittel- fall, nach Qualitätskriterien und na- unserer Antworten auf die neuen He- turpolitik in Deutschland eine Viel- dung jedoch im Juni 2003 nicht zu- punkt rücken würde. tionaler Bedeutung, und damit not- rausforderungen. Die stärkere ein- zahl verfassungsrechtlicher und ge- stande und im Dezember 2003 end- heitliche Vertretung Deutschlands in setzlicher Bestimmungen. Aus die- gültig zu Fall. Nunmehr ist es in die Brüssel war überfällig. Trotzdem sen ergeben sich Zuständigkeiten Beratung der Kommission einge- stimmen Berichte bedenklich über auch für eine Bundeskulturpolitik führt worden und dient insbesonde- Stärkere Vertretung der Kultur in ein „german vote“ bei kulturpoliti- (zum Beispiel die Auswärtige Kultur- re der Projektgruppe „Bildung und schen Entscheidungen. Der Begriff politik). Die Kulturpolitik wird als Ge- Kultur“ als Arbeitsgrundlage. soll die Stimmenthaltung mangels staltungsaufgabe von Bund, Ländern Es macht wenig Sinn, den über Brüssel war überfällig innerstaatlicher Einigkeit ausdrü- und Gemeinden einerseits gemein- drei Jahre intensiver Bund-Länder- cken. Hier bleibt zu prüfen, ob ge- sam, andererseits weitgehend eigen- Verhandlungen gefundenen, durch- samtstaatliche Verantwortung nicht ständig wahrgenommen. aus innovativen und beiden Seiten effektiver organisiert werden kann. gerecht werdenden Lösungsansatz Ich möchte die zwei Hauptprob- wendigerweise unabhängig von Im Mittelpunkt von Absprachen ie Kommission zur Modernisie- völlig neu aufzurollen. Dies sehen leme, die einer Einigung über das Länderbelegenheiten und -quoten! und Regelungen in der Föderalis- Drung der bundesstaatlichen wohl auch die Länder so. Allerdings Eckpunktepapier bislang entgegen- Die documenta in Kassel ist mit den muskommission zu den kulturpoli- Ordnung wird bei den Themen, die wird das Eckpunktepapier auch stehen, benennen: Bayreuther Festspielen oder dem Li- tischen Fragen muss daher keine den ordnungsrechtlichen Rahmen nicht auszugsweise in das Grundge- Erstens das Abstimmungsquo- teraturarchiv in Marbach nur Formalisierung oder gar Zementie- der Kulturpolitik und des kulturellen setz eingefügt werden können. Das rum, mit denen in einem Konsultati- schwer vergleichbar; gemeinsam ist rung von Grundsätzen stehen, son- Schaffens betreffen (etwa im Ar- wäre eine Detailüberfrachtung, die onsverfahren zwischen Bund und ihnen allerdings eine gesamtstaatli- dern eher eine effiziente und nach- beits-, Sozial-, Steuer- und Urheber- dem Charakter unserer Verfassung Ländern künftig entschieden wer- che Ausstrahlungskraft, die eine haltige Sicherung und ein ebensol- recht) keine grundsätzlichen Ände- entgegenstünde. Bleibt also die kon- den soll, ob der Bund bei neuer För- Förderung durch den Bund rechtfer- cher Ausbau von Kulturstrukturen in rungen vorschlagen. Debattiert wird krete Arbeit am Papier auf der Basis derabsicht, soweit sie strittig ist, tigt. Durch notwendigerweise stark Deutschland. Das kann durchaus allerdings die Kulturförderung des des geltenden Verfassungsrechts. handeln darf. Bayern hat hier quasi generalisierte Fördergrundsätze pragmatisch angelegt sein und sollte Bundes. Kaum verwunderlich, Diese Detailarbeit würde aber die ein Vetorecht gefordert und damit könnte zudem ein neues Konflikt- sowohl beim Bund als auch in den herrscht hier doch – unabhängig Kommission zeitlich überfordern die maximale Position der Länder feld zwischen den Ländern entste- Ländern eine stärkere Beteiligung von den jeweiligen Mehrheitsver- und kann auch nicht ihre Aufgabe vertreten. Der Bund wollte ur- hen. Oft genug trägt das kulturelle der Parlamente sichern. Eine stärke- hältnissen im Bund und in den Län- sein. Aber es könnte den Kulturver- sprünglich einen mit Mehrheit ge- Selbstverständnis nur bis an die re Nutzung aller zivilgesellschaftli- dern – seit Jahren Streit über die un- antwortlichen von Bund und Län- fassten Einspruch der Länder akzep- Landesgrenzen. Man denke nur an chen Strukturen zu kulturpoliti- geschriebenen Förderkompetenzen dern ein klarer Verhandlungsauftrag tieren; als Kompromiss war und ist die liquidierte Stiftung Kulturfonds! schen Zwecken ist meines Erachtens des Bundes „aus der Natur der Sache dahingehend erteilt werden, auf der er aber bereit, den Ländern insofern Die immer wieder diskutierte unumgänglich und könnte der Kul- oder kraft Sachzusammenhangs“. In Grundlage des Eckpunktepapiers entgegenzukommen, als nur min- Frage der Aufnahme einer Staatziel- tur in Deutschland außerordentlich der Praxis hat sich eine hier zuneh- die Verhandlungen fortzusetzen und destens ein Drittel der Länder (also bestimmung „Kulturstaatlichkeit“ förderlich sein. mende Verflechtung entwickelt. Ei- zu einem Ergebnis zu führen. Die sechs) sich gegen eine künftige neue ins Grundgesetz halte ich für eher nerseits verteidigen die Länder ihre Bundesregierung hat dabei den Bundesförderung aussprechen problematisch, weil dadurch – ne- Der Verfasser ist Mitglied des Deut- Kulturhoheit nachdrücklich gegen Deutschen Bundestag hinreichend müssten, um sie zu blockieren. ben der grundsätzlichen Auseinan- schen Bundestags, Erster Parlamen- Mitsprache des Bundes, anderer- zu beteiligen. Ich plädiere jedenfalls Zweitens wollen die Länder auf dersetzung – kaum eine konkrete tarischer Geschäftsführer der SPD- seits akzeptieren sie nolens volens, dafür, von einer Grundgesetzände- dezidiertes Drängen Bayerns Finan- Verbesserung von kulturpolitischen Bundestagsfraktion und Mitglied dass Bundesgelder in ihr Land flie- rung abzusehen und den Beteiligten zierungsgrundsätze festschreiben, Aspekten erreicht werden könnte. der Kommission von Bundestag und ßen. Vielfach hat sich eine vertrauli- lediglich eine Richtung zur Prob- insbesondere bindende Förder- und Ebenso wie die deutsche Einheit Bundesrat zutr Modernisierung der che und fruchtbare Zusammenar- lemlösung vorzugeben und die The- Sitzlandquoten. Diese können aber kulturpolitische Herausforderungen bundesstaatlichen Ordnung ■ ✄

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Kein Schlachtfeld für Haarspaltereien Plädoyer für einen kooperativen Kulturföderalismus • Von Michael Vesper

Der deutsche Föderalismus, genauer Leidtragende dieser Besessen- liches und privates Engagement. Ei- gesagt: die Verflechtungen der Kom- heit ist am Ende die Kultur und ihre ne Win-Win-Situation aller Beteilig- petenzen der Länder und des Bundes öffentliche Förderung selbst. Das ten macht es in der Kultur oft mög- sind ins Gerede gekommen. Eine be- lässt sich am Beispiel der Kulturstif- lich, Kräfte zu bündeln und damit eindruckend große Kommission unter tungen des Bundes und der Länder entscheidend zu potenzieren. Vo- Vorsitz von Edmund Stoiber und Franz besonders deutlich zeigen: Bund raussetzung ist eine Haltung der Müntefering sucht nach Wegen, das und Länder hatten sich nach lang- Partner, die nicht kleinmütig und in der zweiten Hälfte des vorigen wierigen Auseinandersetzungen puristisch darauf aus ist, nur den ei- Jahrhunderts entstandene Zuständig- und intensiven Gesprächen auf ei- genen Anteil hervorzuheben und keitsgestrüpp zu entwirren. Ihre An- nen Weg verständigt, das einzig abzugrenzen, sondern Kunst und strengung ist aller Ehren wert. Sinnvolle zu tun und diese beiden Kultur in den Mittelpunkt stellt. Stiftungen unter einem Dach zu ver- Gewiss ist es sinnvoll, die Hand- enn wieso – ich greife nur zwei einen. Zahlreiche Sicherungsmaß- lungs- und Entscheidungsstruktu- DBeispiele aus meinem Ressort nahmen wurden eingebaut, kompli- ren von Bund, Ländern und Kom- heraus – muss das Wohngeld unbe- zierteste Verfahrensweisen sollten munen besser aufeinander abzu- dingt je zur Hälfte vom Bund und gewährleisten, dass der Bund sich stimmen und die politischen Verant- vom jeweiligen Land finanziert und über die gemeinsame Stiftung nicht wortlichkeiten deutlicher zuzuord- schließlich von der Kommune aus- in Länderkompetenzen hinein steh- nen. Auf Landesebene haben wir gezahlt werden?! Und welchen Sinn len konnte. Beim abschließenden mit unserem „Dschungelbuch“ rea- macht es, dass die soziale Wohn- Gespräch der Ministerpräsidenten giert, das Förderstrukturen trans- raumförderung in einem Bundesge- waren fünfzehn Länder dafür. Und parenter macht und damit den Trä- setz normiert, aber im Fall Nord- Bayern dagegen. Da aber bei sol- gern kultureller Aktivitäten mehr rhein-Westfalens zu über 95 Prozent chen Entscheidungen Einstimmig- Gestaltungsfreiheit gibt. vom Land finanziert wird?! Es gibt keit notwendig ist, war die Fusion Bundesrat: Repräsentanz der Länder in Berlin Foto: BPA Bildstelle Ein glühender Verfechter des für die Kommission also jede Menge damit gescheitert. Kulturföderalismus zu sein und zu tun, und wir wünschen ihr jede Was war die Folge? Der Bund, der Vorzug und kein Nachteil, dass un- Kulturstiftung der Länder – ein Pyr- auch dem Bund eine wichtige Rolle Menge Glück und Erfolg, damit am den Ländern in den Verhandlungen sere Kulturlandschaft nicht so zent- rhussieg, dessen Folgen hoffentlich im deutschen Kulturleben zuzubilli- Ende die notwendigen Zweidrittel- weit entgegen gekommen war, kün- ralisiert ist wie etwa die in Frank- in absehbarer Zeit korrigiert werden gen, das ist kein Widerspruch. Für mehrheiten zustande kommen. digte das so genannte „Mitwirkungs- reich oder Großbritannien. Weder in können. mich ist die Frage entscheidend: Leider aber gibt es im Zuge der abkommen“ und leitete damit eine Deutschland insgesamt noch in Kunst und Kultur können in Was nützt Kunst und Kultur am Föderalismusdiskussion die Nei- deutliche Verringerung der Bundes- Nordrhein-Westfalen gibt es das ei- rechteckigen Strukturen und Scha- meisten? Ich bin fest davon über- gung, von den großen Fragen in Po- mittel ein, die der Kulturstiftung der ne kulturelle Zentrum, das wie ein blonen nicht gedeihen. Sie brau- zeugt, dass wir in finanziell schwie- litikfeldern, die Milliardenbeträge Länder zustehen. Unter der Über- Magnet alle Institutionen, Förde- chen lebensnotwendig Grenzüber- rigen Zeiten jede Hilfe benötigen, hin und her verschieben, abzulen- schrift „Stärkung des Kulturfödera- rungen und Aktivitäten anzieht. Das schreitungen. Warum soll nicht um den Stellenwert von Kunst und ken und stattdessen die Kulturpoli- lismus“ wird dieser im Ergebnis ge- bunte und vielfältige Bild unserer auch der Bund Kulturereignisse in Kultur in unserer Gesellschaft zu tik auf die Bühne zu zerren, um hier schwächt. Wenn es in den kommen- Kulturlandschaft konnte gerade des- Ländern mit inspirieren. Es muss ja halten und auszubauen. Da sind mir ein Exempel des wahren und unein- den Monaten nicht doch noch ge- wegen entstehen, weil Bund und nicht nur Bayreuth sein, das er för- die Kultur-Staatsministerin, die Kul- geschränkten Föderalismus zu sta- lingt, eine Verständigung zu errei- Länder, Kommunen und freie Träger dert. Durch Partnerschaft und Zu- turstiftung des Bundes und alle, die tuieren. Die bayerische Staatsregie- chen, könnte es im schlimmsten Fall sich für Kunst und Kultur stark ge- sammenwirken werden in der Kul- sich dieser Aufgabe verschreiben, rung unter ihrem Ministerpräsiden- zu wechselseitigen Versuchen der macht haben. Der Kulturföderalis- tur Mittel aktiviert, nicht ver- willkommene Bündnispartner. ten Edmund Stoiber tut sich da be- beiden Stiftungen kommen, sich ge- mus dient der Entwicklung von schwendet. „Gemischte“ Finanzie- sonders hervor: Sie kämpft wie be- geneinander abzugrenzen und zu Kunst und Kulturlandschaft. Er darf rungen sind an der Tagesordnung Der Verfasser ist Minister für Städte- sessen gegen alles und jedes, was profilieren. Ein Bärendienst an der nicht als Schlachtfeld für Haarspal- und in der Regel wünschenswert. bau und Wohnen, Kultur und Sport der Bund auf dem Feld der Kultur Kultur. tereien missverstanden werden. Die Diese Erkenntnis ist nicht auf die des Landes Nordrhein-Westfalen ■ säen oder pflanzen, düngen oder Es ist ja richtig: Der Kulturföde- Folge des bayerischen Purismus war staatliche Ebene beschränkt, sie gilt pflegen könnte. ralismus ist ein hohes Gut. Es ist ein der Rückzug des Bundes aus der ausdrücklich auch für bürgerschaft-

Der Bildungsföderalismus am Scheideweg Richtschnur für die Kommissionsarbeit: Chance der Verfassungsänderung nutzen • Von Volker Kröning

Die Zukunft der Kultur im föderalen sierung der bundesstaatlichen Ord- Bund und Ländern im Abschnitt X und Bund bleiben – oder nicht unseres Bildungs- und Wissen- Deutschland hat im europäischen nung will die Länderseite die Kultur- und in einem neuen Artikel 104 b mehr? Sollen diese Zwecke gesamt- schaftssystems auf die ökonomi- Vergleich mit Besonderheiten unse- hoheit – im weitesten Sinne – als ih- GG zusammen gefasst. staatlichen Handelns reformuliert – schen und gesellschaftlichen Zu- rer Verfassung zu tun: „Bildung“ und re „Domäne“ bekräftigen – bei der • Im Zusammenhang mit unserem und das heißt ihre Erfüllung auch kunftsaufgaben, die allseits erkannt „Wissenschaft“ – also im Ganzen Gesetzgebung wie bei den Finanzen Thema sind dies „Fortentwicklung reorganisiert – werden, wie es längst und anerkannt zu sein scheinen, „Kultur“ – tauchen im Grundgesetz (vgl. Drucksache 45, Nrn. 7 und 4). des Bildungswesens sowie Förde- vom Publikum und von allen Fach- auch wirklich eingestellt werden! nur fragmentarisch auf, als Gemein- Als gemeinschaftliche Aufgabe von rung von Einrichtungen und Vor- leuten verlangt wird – oder nur in Drittens: Alle Beteiligten – För- schaftsaufgabe im Abschnitt VIII a, Bund und Ländern soll lediglich die haben der wissenschaftlichen For- den bisherigen Ansätzen der Kultus- derorganisationen, Wirtschaftsak- nämlich „Bildungsplanung“ und „For- Forschungsförderung erhalten blei- schung und der Hochschulen“ ministerkonferenz, von denen man teure, die Ministerialverwaltungen schungsförderung“ (Art. 91 b GG), ben, möglichst erweitert um die sog. (Art. 104 b Abs. 1 Nr. 2 neu). nicht einmal sicher sagen kann, ob und vor allem die auf diesen Gebie- und bei der (Hochschul-) Gesetzge- Ressortforschung. Die Gemein- • Die Zwecke gemeinsamer Verant- sie ausgebaut werden sollen und ten arbeitenden Menschen – brau- bung (Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 a und Art. schaftsaufgaben Hochschulbau wortung werden von „Muss-“ zu können. chen perspektivische Sicherheit. Die 74 Abs. 1 Nr. 13 GG). Ungeschriebe- (bisher Art. 91 a Abs. 1 Nr. 1 GG) und „Kann-“ Tatbeständen (anders als Zweitens: Warum nicht „Fortent- Messlatte ergibt sich aus der Finanz- ne Kompetenzen des Bundes hat das Bildungsplanung sollen abgeschafft in dem bisherigen Art. 91 a, aller- wicklung des Bildungswesens“ (statt verfassung des Grundgesetzes (mit Bundesverfassungsgericht nur in „äu- werden, allerdings unter finanzieller dings wie im bisherigen Art. 91 b wie bisher „Bildungsplanung“)? Dies der „Stellschraube“ der Umsatzsteu- ßerst engen Grenzen“ anerkannt. An- Kompensation, das heißt mit „dau- GG) umgewandelt und mit der wäre kein Einbruch in die Länder- erverteilung nach Art. 106 Abs. 3 Satz sonsten ist alles Sache der Länder. erhafter und dynamischer“ Übertra- Verpflichtung des (einfachen) Ge- kompetenzen, besonders nicht bei 3 und Abs. 4 GG) und der mehrjähri- gung der bisher dafür aufgewandten setzgebers und der Exekutive – das Gesetzgebung und Verwaltung. Die gen Finanzplanung (vgl. Art. 109 Abs. in Versuch der SPD, nach der Bundesmittel auf die Länder. Text- heißt der Fachpolitik – verbunden, Entscheidung des Bundesverfas- 3 GG). Der Finanzplan 2008, den das EWiedervereinigung in der Ge- vorschläge gibt es jedoch bisher sämtliche Ausführungsbestim- sungsgerichts zur Juniorprofessur Bundeskabinett mit dem Haushalts- meinsamen Verfassungskommissi- nicht; wozu die Mittel verwendet mungen (Gesetze, Rahmenpläne hat gezeigt – darin war sich die Kom- entwurf 2005 vorgelegt hat, liefert on von Bundestag und Bundesrat werden sollen, bleibt offen. und -vereinbarungen sowie sons- mission bereits einig –, dass diese mit seinen Eckwerten für die bisheri- zumindest ein Staatsziel „Bildung Von Bundesseite hat die SPD ei- tige Regeln) zu überprüfen (Art. Gestaltungsfelder gestärkt werden. gen beziehungsweise neu zu struk- und Kultur“ als Artikel 20 b im nen ausformulierten, nachlesbaren 125 a Abs. 3 neu). Es geht vielmehr um Anreize an alle turierenden Mischfinanzierungen Grundgesetz zu verankern, scheiter- Vorschlag eingebracht, der die • Zugleich wird ein Recht des Parla- Glieder der föderalen Gemeinschaft, zum Beispiel die Einlösung des In- te an einer Mehrheit der Länder und Mischfinanzierungen durchgreifend ments auf Unterrichtung geschaf- sich mit Ideen und Initiativen an der novationspaktes, den der Bundes- der anderen Parteien. modernisieren soll (Drucksache 57). fen, auch und gerade in Bezug auf „Verbesserung der Lebensverhält- kanzler mit den Spitzenvertretern Nach wie vor sind wir Zeugen ei- Und er will die Klärung der Sachfra- Bildung und Forschung (sowie die nisse“ (vgl. hierzu Art 91 a Abs. 1 alt von Wissenschaft und Wirtschaft ge- nes nicht enden wollenden Streits – gen, das heißt der Voraussetzungen Finanzhilfen), das heißt über den und Art. 104 b Abs. 1 neu) auf die- schlossen hat. weniger über die Sache, vielmehr und Folgen von Aufgaben und Fi- bisherigen Art. 91 a Abs. 5 GG hi- sem Feld zu beteiligen! Richtschnur für die Schlussrun- über Zuständigkeiten, zum Beispiel nanzierungen, die im gesamtstaatli- naus. Gegenstand dieser regelmä- Ähnlich verhält es sich mit der de der Kommissionsarbeit sollte al- anlässlich des mühsam zustande ge- chen Interesse liegen, der Verhand- ßigen Unterrichtung sind die „die Neuausrichtung der Forschungsför- so sein: Wer den Bildungsföderalis- brachten 4-Milliarden-Programms lung über die föderalen Verteilungs- Durchführung der Maßnahmen derung: Warum nicht weniger „För- mus in seinen Strukturen und seiner für Bildung und Betreuung. Die Fra- fragen voranstellen: und die erzielten Verbesserungen“ derung von Beton“ und mehr Kon- finanziellen Ausstattung moderni- ge, ob der deutsche Föderalismus • Die Gemeinschaftsaufgaben nach (Art. 104 b Abs. 5 neu). zentration auf einzelne Hochschu- sieren will, sollte die Chance der Ver- auf diesem Gebiet zeitgemäß aufge- Abschnitt VIII a GG werden zwar len und Projekte, vor allem im Ver- fassungsänderung nutzen. stellt ist, wird über Feuilletons hi- abgeschafft, aber nicht ersatzlos. Es geht also um folgende Fragen, bund von Forschung und Lehre und naus kaum diskutiert – ganz im Ge- Und sie werden nachhaltig entbü- über die Verfassungs- und Fachpoli- sogar im Wirkungszusammenhang Der Verfasser ist Mitglied des Deut- gensatz zur Debattenlage in der Eu- rokratisiert und dereguliert. Zu- tik eine Verständigung brauchen: von Wissenschaft und Bildung? schen Bundestags, Mitglied des ropäischen Union oder in anderen sammen mit den bisherigen Fi- Erstens: Sollen – wie bei der Kul- Es geht um nichts Geringeres als Haushalts- und des Rechtsausschus- föderalen Staaten, zum Beispiel der nanzhilfen nach Art. 104 a Abs. 4 turförderung – „Bildung“ und „Wis- darum, die deutsche und die inter- ses und Obmann der SPD in der Schweiz. GG werden sie als Zwecke gemein- senschaft“ Gegenstand – koordi- nationale Fachwelt davon zu über- Kommission zur Modernisierung der In der Kommission zur Moderni- samer Finanzverantwortung von nierter Finanzierung durch Länder zeugen, dass die Förderstrukturen bundesstaatlichen Ordnung ■ FÖDERALISMUSREFORM politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 4

Dissonanzen deutscher Vielstimmigkeit in Europa Wege aus dem Verflechtungsdilemma eines Bundesstaates • Von Hans-Peter Schneider

Die meisten Debatten über die „Eu- Brüssel direkt mit den zuständigen teile können durch gelegentliche, heiten oder zumindest für die Her- das Verhalten der Bundesrepublik in ropafähigkeit“ unseres Föderalismus Generaldirektionen der Kommissi- meist spektakuläre Auftritte des beiführung von Kompromissen lässt. Brüssel eher als reaktiv und unent- kreisen um das Problem, ob und in- on zu regeln. Dies führt nicht selten Bundeskanzlers oder einzelner Bun- Dies setzt den Einbau kurzfristiger schlossen, denn als aktiv und coura- wieweit die in Artikel 23 des Grund- zu einer verzerrten Wahrnehmung desminister in Brüssel in aller Regel Rückkopplungsmöglichkeiten und giert wahrgenommen. Nicht ohne gesetzes vorgesehenen Formen und deutscher Interessen als unabge- nicht mehr ausgeglichen werden. die Installation eines permanenten Grund wird bei Abstimmungen die Verfahren des Zusammenwirkens stimmt, inhomogen und teils sogar Auf europäischer Ebene fällt be- integrierten Abstimmungsverfah- Form der Enthaltung inzwischen all- von Bundestag, Bundesrat und Län- widersprüchlich, wie der Gesang ei- sonders nachteilig ins Gewicht, dass rens innerhalb der Bundesregierung gemein „German vote“ genannt. dern in Angelegenheiten der Europä- nes vielstimmigen Chores mit disso- die Interessen von Bund und Län- sowie zwischen Bund und Ländern Daraus folgt für die Länder, dass ischen Union sich bewährt haben. nanten Untertönen. dern nicht von einem einzigen Re- voraus. Außerdem muss die Vertre- sie ihre Sonderinteressen in Brüssel Während von Länderseite stets be- Im Bereich der Bundesregierung präsentanten der Bundesrepublik tung Deutschlands in die Lage ver- nicht mehr auf eigene Faust mit Hilfe hauptet wird, jene Regelungen seien fehlt eine zentrale Instanz, welche Deutschland vertreten, mit einer setzt werden, bereits im Vorfeld von selbst geknüpfter Netzwerke in Form bisher mit Erfolg praktiziert worden, die außerordentlich schwierige und Stimme vorgetragen und aus einem Entscheidungen auch mit den „Bot- einer Art „Neben-Europapolitik“ sind aus der Sicht der Bundesregie- mühevolle Ressortkoordinierung in Guss durchgesetzt werden. Von in- schaften“ anderer Mitgliedstaaten durchzusetzen versuchen (und des- rung die darin liegenden Möglichkei- europäischen Angelegenheiten eini- zwischen 25 Mitgliedstaaten haben Kontakt aufzunehmen und die halb nicht selten gegeneinander oder ten von den Ländern gar nicht ausge- germaßen befriedigend zu bewälti- nur drei eine föderale Struktur und Chancen eines gemeinsamen Vorge- gegen die Bundesregierung ausge- schöpft worden. Einigkeit besteht al- gen vermag. Die Europapolitik be- daher besondere Probleme mit ei- hens auszuloten. Eine solche voraus- spielt werden können), sondern sie lerdings darin, dass die Vertretung rührt wegen ihres durch die EG- ner Außendarstellung, welche ihre schauende Europapolitik erlangt in in den Prozess der Meinungs- und deutscher Interessen gegenüber den Rechtsetzung bewirkten Einflusses innere Kompetenzverteilung ange- einem „Europa der 25“ geradezu Willensbildung vor jeder endgültigen Organen der Europäischen Union und auf das alltägliche Leben der Bürger messen abbildet. Zweiundzwanzig existenzielle Bedeutung. Festlegung der politischen Interessen anderen Mitgliedstaaten in der Ver- sehr viel mehr die deutsche Innen- Staaten haben indessen für unsere Analytisch betrachtet besteht und Ziele Deutschlands sowie ihrer gangenheit wenig befriedigend ge- politik in all ihren Facetten als die innerstaatlichen Mitwirkungsbe- der Willensbildungs- und Entschei- Verhandlungs- und Umsetzungsstra- wesen ist. auswärtigen Beziehungen. Dies hat dürfnisse und Abstimmungsschwie- dungsprozeß auf europäischer Ebe- tegien einzubringen haben. Demge- zur Folge, dass sich die einzelnen rigkeiten überhaupt kein Verständ- ne aus vier Phasen: 1. der Initiativ- mäß müssen freilich auch umgekehrt ei der Vorbereitung von Ent- Ministerien inzwischen darauf ein- nis und werden, was die Gestaltung oder Entwurfsphase (im wesentli- die Leiter der Länderbüros in Brüssel Bscheidungen über Europafragen gestellt haben, ihre Anliegen unter von Entscheidungsprozessen und chen Sache der Kommission), 2. der aufgewertet und gleichsam als „Be- wird das im Grundgesetz vorgesehe- Umgehung des Auswärtigen Amtes Terminlagen angeht, auch nicht die Planungs- oder Programmentwick- vollmächtigte“ der Länder frühzeitig ne Verfahren der Abstimmung zwi- oder gar des Kabinetts direkt in Brüs- geringste Rücksicht auf uns neh- lungsphase (durch die Kommission in die nationalen Abstimmungs- und schen Bund und Ländern oft da- sel anzubringen und in ihren jeweili- men. Daher muss die Bundesrepub- unter Einbeziehung der Fachver- Koordinierungsverfahren, sowohl in- durch unterlaufen, dass hier nicht gen „Fachräten“ durchzusetzen. Be- lik, will sie auf europäischer Ebene bände und Mitgliedstaaten), 3. die nerhalb der Bundesregierung, als der Bundesrat die ihm zugedachte schlüsse dieser Fachräte können erfolgreich sein, wie ein dezentrali- Verhandlungsphase (zwischen auch zwischen Bund und Ländern zentrale Rolle spielt, sondern die Eu- dann wegen ihrer die Mitgliedstaa- sierter Einheitsstaat auftreten. Dies Kommission und Mitgliedstaaten) einbezogen werden. ropaministerkonferenz, die nach ten bindenden Wirkung selbst von wiederum setzt voraus, dass allen und 4. die Entscheidungsphase (von Daher sollte vor jeder auf eine dem Konsensprinzip handelt und der Bundesregierung insgesamt internen Kooperations- und Koordi- Kommission, Rat und Parlament). Änderung des Grundgesetzes ge- daher oft nur Beschlüsse auf dem kaum mehr verändert oder korrigiert nationserfordernissen erstens vor- Die nationalen Beteiligungs- und richteter Therapie zunächst überlegt kleinsten gemeinsamen Nenner fas- werden. Wenn die Fachressorts dann her und zweitens unterhalb dieser Koordinierungsregeln in Deutsch- werden, ob sich ein Großteil der er- sen kann. Jedenfalls hat die dafür noch unkoordiniert auf europäi- europäischen Handlungsebene land sind viel zu stark nur auf die wähnten Mängel nicht durch eine ausdrücklich vorgesehene „Europa- scher Ebene mit den jeweiligen Inte- Rechnung zu tragen ist. letzte Entscheidungsphase zuge- Verbesserung von Organisation und kammer“, die sogar stellvertretend ressengruppen oder Fachverbänden Wer auch immer als Repräsen- schnitten; sie vernachlässigen be- Verfahren der deutschen Europapo- für den gesamten Bundesrat ent- zusammenarbeiten, die ihrerseits tant der Bundesrepublik, als „Mr.“ reits die Verhandlungsphase und litik unterhalb der Verfassungsebene scheiden kann, bisher nur ein Schat- bereits multinational organisiert oder „Mrs. “ in Europa auf- lassen die Planungsphase fast voll- beheben oder zumindest abmildern tendasein geführt. Hinzu kommt, sind, verliert die deutsche Europa- tritt, muss schnell und flexibel agie- ständig außer Acht. Mit anderen lässt. Dies könnte etwa durch fol- dass manche Länder inzwischen da- politik vollends jedes eigene Profil ren oder reagieren können, das heißt Worten: Unter „europäischen Ange- gende Maßnahmen geschehen: zu übergegangen sind, die sie un- und wird für andere Mitgliedstaaten über ein weites Verhandlungsman- legenheiten“ werden in erster Linie mittelbar betreffenden Europaange- zur Verhandlungsmasse. Die da- dat verfügen, das genügend Spiel- nur Entscheidungen in den Gremien Weiter auf Seite 5 legenheiten über ihre „Büros“ in durch entstehenden Positionsnach- raum für die Gewinnung von Mehr- der EU verstanden. Deshalb wird FÖDERALISMUSREFORM politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 5

Fortsetzung von Seite 4 Staatsminister) sollte zugleich als nehmen. Im Ergebnis würde auf die- des Ständigen Vertreters maßgeblich Zeit innehaben und daher auch in Ständiger Vertreter der Bundesre- se Weise nicht nur die Europakam- mitbestimmt. Der Länderbeirat der Lage sind, diejenigen Kontakte publik Deutschland bei der EU tätig mer, sondern auch der Bundesrat beim Ständigen Vertreter könnte so- aufzubauen und zu pflegen, die zur Im Bund muss die gesamte Vor- sein. Die Europapolitik der Länder, insgesamt erheblich aufgewertet. mit zur eigentlichen „Schaltstelle“ Wahrnehmung eigener Interessen formung der deutschen Europapoli- auch soweit sie Gegenstand der Eu- Auf Länderseite sollten die jewei- der deutschen Europapolitik wer- im Beziehungsgeflecht des „Europa tik sowie eine effektive Koordinie- ropaministerkonferenz war und ist, ligen Leiter der Brüsseler Büros zu- den. Nach außen hin, das heißt ge- der 25“ unerlässlich sind. rung der Fachressorts für alle euro- muss über den Bundesrat zur Gel- sammen mit dem Vorsitzenden der genüber der Kommission, dem Rat päischen Angelegenheiten in einer tung gebracht werden. Zuständig Europakammer des Bundesrates der Europäischen Union und dem Der Verfasser ist Direktor des Hand zusammengeführt werden. hierfür ist allein die Europakammer beim Ständigen Vertreter einen „Bei- Europäischen Parlament, sollte al- Instituts für Föderalismusforschung Dies spricht für die Schaffung eines des Bundesrates, die an seiner Stelle rat“ bilden, der möglichst wöchent- lein der Ständige Vertreter bezie- der Universität Hannover und gesonderten Europaministeriums, Beschlüsse fassen und insoweit ihn lich tagt und nicht nur alle aktuell hungsweise als dessen Vorgesetzter Mitglied der Kommission von nicht zuletzt auch um in Brüssel auf auch nach außen vertreten kann. anstehenden Bund und/oder Länder der Bundesminister für Europaange- Bundestag und Bundesrat zur gleicher Augenhöhe agieren zu kön- Der jeweilige Vorsitzende der Euro- interessierenden Fragen erörtert, legenheiten handeln. Im Ergebnis Modernisierung der bundesstaat- nen wie die meisten anderen Mit- pakammer (in der Regel: der Europa- sondern im deutschen Interesse haben es daher die jeweiligen An- lichen Ordnung ■ gliedstaaten. Der neue Bundesmi- minister eines Landes) sollte in Brüs- auch mittel- und langfristige Projek- sprechpartner in den Organen der nister für Europaangelegenheiten sel zugleich die Funktion eines „Be- te der EU initiiert oder begleitet und EU mit zwei, höchstens drei Perso- (oder ein ihm zur Seite stehender vollmächtigten“ der Länder wahr- vor allem das Verhandlungsmandat nen zu tun, die ihre Ämter längere

Kulturzuständigkeit ist mehr als Kulturförderung! Diskussionspapier des Deutschen Kulturrates zur Entflechtung der Kompetenzen von Bund und Ländern

m Zuge der Debatten der „Kom- europäischen und/oder der Bundes- Subsidiaritätsprinzip auch in der künf- haben bislang keine Irritationen über die bundesweit fördernden selbst- Imission zur Modernisierung der ebene gestaltet. tigen Europäischen Verfassung den grundgesetzliche Zuständigkeiten ver- verwalteten Fonds wie der Deutsche bundesstaatlichen Ordnung“ (Föde- In den vergangenen Jahren wurde Mitgliedstaaten zugewiesen werden, ursacht. Ihr gesamtstaatlicher Nutzen Literaturfonds, der Fonds Darstel- ralismuskommission) werden von seit der Einsetzung des Ausschusses doch wird gerade auf der europäi- ist unstrittig, was eine neutrale Eva- lende Künste, der Fonds Soziokultur den Ländern sowie von einzelnen für Kultur und Medien im Deutschen schen Ebene sehr wirkungsvoll Kultur- luation auch zeigen könnte. und die Stiftung Kunstfonds an. Sachverständigen die Bereiche Bil- Bundestag sowie der Einrichtung des politik in anderen Politikfeldern wie Mit der deutschen Vereinigung Den Deutschen Kulturrat befrem- dung und Kultur als die Politikfelder Amtes des Beauftragten der Bundes- dem Wettbewerbsrecht, dem Han- sind die Aufgaben des Bundes in der det, dass die Ministerpräsidenten angeführt, in denen die Zuständig- regierung für Kultur und Medien die delsrecht oder der Binnenmarktpolitik Kulturförderung gewachsen. In den als Voraussetzung für die Fusion der keit ganz auf die Länder übergehen kulturpolitische Debatte vertieft und gestaltet. Ein prägnantes Beispiel ersten Jahren nach der Vereinigung Kulturstiftung des Bundes und der soll. Es wird darauf abgehoben, erweitert. Nicht mehr nur eine Hand- hierfür sind die jahrelangen Ausei- hat der Bund bis zum Jahr 1995 weit- Kulturstiftung der Länder im Zuge ei- dass Bildung und Kultur Kernberei- voll von Abgeordneten im Deutschen nandersetzungen um den Erhalt der gehende Aufgaben in der Finanzie- ner Systematisierung der Kulturför- che der Eigenstaatlichkeit der Län- Bundestag kümmert sich um ein ver- grenzüberschreitenden Buchpreisbin- rung der kulturellen Infrastruktur in derung von Bund und Ländern ein- der sind und im Sinne eines födera- meintlich exotisches Thema, sondern dung. Da die Europäische Union den neuen Ländern übernommen, da heitliche Sitzlandquoten für einzelne len Wettbewerbs diese Politikfelder Kulturpolitik ist ein wichtiger Bestand- schon heute das Verhandlungsman- diese ihrer finanziellen Verantwortung Förderbereiche sowie die Festlegung in der Gestaltung der Länder liegen teil der Debatten im Deutschen Bun- dat für die Mitgliedstaaten bei inter- noch nicht nachkommen konnten. von einheitlichen Förderquoten für sollte. Die Kompetenz des Bundes destag. Die Diskussion um die Refor- nationalen Abkommen wie zum Bei- Das Engagement des Bundes wurde einzelne Förderbereiche fordern. soll auf seine angeblich originäre men des Stiftungsrechts und des Stif- spiel dem GATS-Abkommen (Allgemei- in den letzten Jahren angesichts des Zuständigkeit in der Auswärtigen tungssteuerrechts hat gezeigt, dass nes Abkommen über den Handel mit Solidarpaktes I und II sukzessive zu- Forderungen des Kulturpolitik zurückgeführt werden. kulturpolitische Themen auch breite Dienstleistungen) hat, wird es in der rückgefahren, so dass sich der Bund Deutschen Kulturrates Die Länder und die Kommunen Bevölkerungsschichten betreffen. Die Zukunft vermehrt darauf ankommen, auch in den neuen Ländern immer übernehmen bisher den größten Teil Debatte um Raubkopien und die Um- die deutschen Interessen in der Kul- stärker auf die Unterstützung national Der Deutsche Kulturrat fordert Bund der Kulturfinanzierung in Deutsch- satzeinbrüche in der Tonträgerindust- turpolitik wirkungsvoll in den Gremien bedeutsamer Kultureinrichtungen und Länder auf, an der Mischfinan- land. Hier hat sich in den vergange- rie machen deutlich, dass es sich bei der Europäischen Union zu vertreten. konzentriert. zierung von national bedeutsamen nen Jahrzehnten ein lebendiges kul- Kultur auch um ein Wirtschaftsgut Dabei geht es weniger um die Kultur- Einrichtungen oder Institutionen turelles Leben mit einer jeweiligen handelt. Die Investition in neue Talen- förderung als vielmehr um die Ord- Gemeinsame Bildungs- festzuhalten. Diese Mischfinanzie- regionalen bzw. landesspezifischen te verlangt ein entsprechendes wirt- nungspolitik in den Feldern, in denen planung rungen basieren auf Zuschüssen Ausprägung entwickelt. Nicht zuletzt schaftliches Umfeld. Längst hat sich Europa die Kompetenzen besitzt. des jeweiligen Sitzlandes einer Ein- dem Föderalismus ist es unbestrit- in diesem Zusammenhang das Urhe- Der Deutsche Kulturrat fordert Im Rahmen der Bund-Länder-Kom- richtung, der Kommune, eigenen ten – in der alten Bundesrepublik – berrecht zum Marktordnungsrecht ent- den Bund auf, bei der Vertretung der mission für Bildungsplanung und For- Einnahmen und einem Bundeszu- zu verdanken, dass Deutschland wickelt. Die anstehenden Reformen in deutschen Interessen in den europäi- schungsförderung (BLK) wurden in schuss. Ein solcher Bundeszu- über eine ausdifferenzierte und der Krankenversicherung werden schen Gremien verstärkt den Kultur- den vergangenen Jahrzehnten zahlrei- schuss stellt die Kulturhoheit der breite Kulturlandschaft verfügt. Künstlerinnen und Künstler als eine bereich zu berücksichtigen. Insbeson- che wichtige Modellprojekte – gerade Länder nicht in Frage. Er ermöglicht Ebenso wie die Länder und die Kom- Versichertengruppe mit spezifischen dere ist auch hier, die Kulturverträg- im Feld der kulturellen Bildung bzw. vielmehr den Erhalt bzw. den Aus- munen in erster Linie für die kultu- Problemlagen besonders betreffen. lichkeitsklausel zu berücksichtigen. im Bereich der Entwicklung von Aus- bau national bedeutsamer bzw. relle Infrastruktur sich verantwort- Die Gestaltung der Rahmenbedin- bildungsmodellen auf Hochschulebe- zentraler Einrichtungen. Sollte der lich zeigen, übernimmt aber auch gungen für Kunst und Kultur muss in Kulturförderung des ne – gefördert. Dies gilt etwa für den Bund im Zuge einer radikalen Ent- der Bund bereits seit Jahrzehnten den Ausschüssen des Deutschen Bundes Bereich der Kunsttherapie, für Qualifi- flechtung der Förderkompetenzen Verantwortung in der Finanzierung Bundestags debattiert und durch zierung der Kulturpolitik im Rahmen von Bund und Ländern diese Einrich- von Kultureinrichtungen und -projek- sachkundige Abgeordnete vorange- Neben der Gestaltung der Rahmenbe- von – inzwischen etablierten – Kultur- tungen nicht mehr fördern dürfen, ten von nationaler bzw. überregiona- trieben werden. dingungen übernimmt der Bund auch management-Ausbildungen oder für müssten die Länder gemeinsam in ler Bedeutung. Auf Seiten der Exekutive gilt es, Aufgaben in der Kulturförderung. Ori- Projekte, in denen neue Beschäfti- die Verantwortung eintreten. Der Deutsche Kulturrat, der Spit- das Instrument der Kulturverträglich- ginär laut Grundgesetz zuständig ist gungsmöglichkeiten für Künstler er- Mit Sorge verfolgt der Deutsche zenverband der Bundeskulturver- keitsprüfung weiterzuentwickeln und er für die Auswärtige Kulturpolitik. kundet wurden. Diese Zusammenar- Kulturrat, dass im Rahmen des eu- bände, beobachtet jedoch die er- die Behörde der Staatsministerin für Der Deutsche Kulturrat sieht mit Sor- beit hat sich zumindest im Kulturbe- ropäischen Einigungsprozesses die neute Diskussion um die Entflech- Kultur und Medien auch bei solchen ge, dass die Etats für die Auswärtige reich bewährt. Daneben ist eine Stär- Exekutive gestärkt wird, die Parla- tung der Kulturförderung von Bund Gesetzgebungsmaßnahmen gegebe- Kulturpolitik in den vergangenen Jah- kung der kulturpolitischen Dimension mente, insbesondere die Landtage und Ländern mit erheblicher Sorge. nenfalls noch stärker zu beteiligen, ren zurückgefahren wurden. Der Deut- der Kultusministerkonferenz ausge- an Einflussmöglichkeiten verlieren. die auf den ersten Blick zwar nicht sche Kulturrat fordert den Bund auf, sprochen wünschenswert. Sie bedarf Der Deutsche Kulturrat fordert da- Gestaltung von dem Kulturbereich zu zuordnen sind, in diesem unstrittigen Bereich seiner allerdings keiner gesetzlichen Verän- her die Mitglieder der Föderalismus- Rahmenbedingungen jedoch große Auswirkungen auf Kunst grundgesetzlichen Verantwortung derung. Sie muss lediglich von den kommission auf, für eine Stärkung und Kultur haben können. Verschie- nachzukommen und für eine den Ländern praktiziert werden. der Entscheidungskompetenzen der Kulturpolitik des Bundes ist vor al- dene Bundesministerien gestalten wachsenden Anforderungen adäqua- Aus Ländersicht wird eine Kompe- Parlamente einzutreten. In diesen lem auch die Gestaltung von Rah- die Rahmenbedingungen für Kunst te Mittelausstattung in der Auswärti- tenzübertragung der öffentlichen Für- Zusammenhang gehört auch die menbedingungen im Bereich der und Kultur. Hier ist die erforderliche gen Kulturpolitik Sorge zu tragen. Da- sorge, hier: bei „ergänzenden öffent- Einbeziehung des Sachverstands Steuergesetzgebung, des Urheber- sachliche Kompetenz vorhanden, die- zu gehört, die Auswärtige Kulturpoli- lichen Leistungen im Bereich Erzie- aus den Verbänden des Kulturberei- rechts oder auch des Arbeits- und ses spezielle Themenfeld auf nationa- tik aus den im Koch/Steinbrück-Pa- hung und Bildung“ gefordert. Sofern ches, um so die Kompetenzen aus Sozialrechts. Diese Politikfelder ge- lem, europäischem und internationa- pier aufgeführten Finanzhilfen gänz- hiermit auch das Kinder- und Jugend- diesen Organisationen zu nutzen hören in die originäre Zuständigkeit lem Parkett zu vertreten. lich und auf Dauer herauszunehmen. hilfegesetz (Buch VIII des Sozialge- und die Bürgerinnen und Bürger des Bundes. Sie werden in zuneh- Die Zivilgesellschaft ist ein wichti- Über Jahrzehnte hat der Bund im setzbuches) gemeint ist, ist zum ei- stärker zu beteiligen. mendem Maße durch die europäi- ges Frühwarnsystem für mögliche ne- Inland Aufgaben in der Kulturfinanzie- nen auf die bislang erfolgreiche Pra- „Staat“ bedeutet heute jedoch sche Rechtssetzung vorgeprägt. Im gative Auswirkungen von Gesetzen. Ih- rung übernommen. Die Mischfinanzie- xis der Bundesförderung – etwa im nicht nur die Berücksichtigung der Urheberrecht ist deutlich zu be- re Beteiligung ist daher unerlässlich, rung von Bund und Ländern bei Ein- Rahmen des Kinder- und Jugendplans drei Gewalten: der moderne Staat obachten, dass die deutsche Ge- um bereits im vorgesetzlichen Raum richtungen wie zum Beispiel den Bay- des Bundes –, zum anderen auf die kann seine Steuerungsprobleme nur setzgebung wesentlich von europäi- den Sachverstand aus den Verbänden reuther Festspielen, dem Deutschen verfassungsgerichtliche Grundsatzer- lösen, wenn er etwa durch eine sys- schen Richtlinien vorgeprägt wird, einzubinden. Hier wird eine Verbin- Literaturarchiv in Marbach, den Ruhr- klärung aus dem Jahr 1967 hinzuwei- tematische Einbeziehung der Organi- wodurch die Einflussnahme auf eu- dung zur Umsetzung vor Ort herge- festspielen Recklinghausen oder auch sen. Demzufolge ist die Zuständigkeit sationen der Zivilgesellschaft seine ropäische Rechtssetzungsakte im- stellt. Die bundesweit arbeitenden der Dokumenta ist historisch gewach- des Bundes in der Anregung und För- legitimatorische Basis verbreitert, mer wichtiger wird. In der Steuerge- Kulturverbände leisten eine wesentli- sen. Es handelt sich bei diesen Ein- derung im Rahmen der Jugendhilfe so wie es inzwischen in internationa- setzgebung sind im Zuge der Mehr- che Arbeit im Informationsaustausch richtungen bzw. Ereignissen zweifellos unstrittig. Dies gilt insbesondere für len Kontexten, insbesondere auf der wertsteuerharmonisierung in der und der Vermittlung der Anliegen ihrer um Institutionen von gesamtstaatli- Aktivitäten gemäß § 11 KJHG. europäischen Ebene, üblich ist. Europäischen Union ähnliche Ten- Mitglieder untereinander sowie gegen- cher Bedeutung. Sie strahlen weit Die Förderung von national be- denzen zu verzeichnen. D.h. die Ge- über der Politik und Verwaltung. über das Bundesland, z.T. über ganz deutsamen Einrichtungen erfolgte Berlin, den 24.06.2004. ■ staltung der Rahmenbedingungen Die europäische Vereinigung be- Deutschland hinaus und erreichen ein bislang nach deren Qualität und bun- für die Entwicklung eines ausdiffe- deutet auch für den Kulturbereich ei- Fach- oder kulturell interessiertes desweiter Ausstrahlung bzw. Bedeu- renzierten kulturellen Lebens wer- ne tiefgreifende Veränderung. Zwar Publikum aus der gesamten Bundes- tung. Diesen Maßstab, die Qualität den zu erheblichen Teilen auf der soll die Kulturförderung nach dem republik. Diese Mischfinanzierungen künstlerischer Leistung, legen auch ZWISCHENBILANZ KULTUR-ENQUETE politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 6

Herkulesaufgabe für Zweiundzwanzig Auftrag und Zusammensetzung der Enquete- Über die Arbeit der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ • Von Gitta Connemann Kommission des Deutschen Bundestags sischen Kulturraumgesetz über „Kultur in Deutschland“ interkommunale Zusammenar- beit in der Kulturförderung infor- Dem Einsetzungsbeschluss des Deutschen Bundestags eine Enquete-Kom- miert. Hier geht es unter anderem mission „Kultur in Deutschland“ einzurichten, liegt der Antrag der Fraktionen um die Frage, wie die umliegen- SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP Einsetzung einer Enquete- den Kommunen in die Kulturfi- Kommission „Kultur in Deutschland“ (Drucksachennr. 15/1308 vom nanzierung der Metropolen ein- 01.07.2003) zugrunde. Die Bestandsaufnahme soll sich mit folgenden gebunden werden können. Schwerpunkten befassen: 4. Intensive Überlegungen werden zu der Frage angestellt, wie bei der Die öffentliche und private Förderung von Kunst und Kultur – Strukturwan- öffentlichen Finanznot die kultu- del, hierzu zählen: die Analyse der Situation der öffentlichen und privaten relle Grundversorgung sicherge- Kultureinrichtungen in Deutschland, die Erarbeitung einer vergleichbaren stellt werden kann. Deshalb wer- Darstellung der finanziellen Situation der Kommunen im kulturellen Bereich, den wir am 20. September fünf das Verhältnis von freiwilligen und Pflichtaufgaben, die Bestimmung, was zur Staatsrechtslehrer zu der Frage kulturellen Grundversorgung zählt, die Beschreibung von geeigneten Rechts- anhören, ob und wie die Kultur als formen für Kultureinrichtungen, die Beschreibung der Auswirkungen des öf- Staatsziel in der Verfassung veran- fentlichen Dienstrechts auf die Kultureinrichtungen, die Erörterung des Prob- kert werden kann. Das geschieht nicht zuletzt vor dem Hintergrund lems der Umlandfinanzierung, die Darstellung der Bedeutung des bürger- der derzeit parallel tagenden Fö- schaftlichen Engagements für die Kultur deralismuskommission, in der die Zuständigkeiten von Bund und Die wirtschaftliche und soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler, hier- Ländern für die Kultur auf dem zu gehören: die Erfassung des Personenkreises künstlerisch Tätiger, ihrer Prüfstand stehen. Hier müssen wir Aus- und Weiterbildung, ihrer Auftragslage, ihrer Einkommenssituation, ihrer alles tun, um die Interessen der Alters- und Krankheitsvorsorge, die Beleuchtung der individuellen Künstler- v.l.n.r.: Gitta Connemann, MdB, Horst Kubatschka, MdB Foto: Deutscher Bundestag Kultur bestmöglich zu wahren. förderung, die Entwicklung eines Anforderungsprofils für eine bundeseinheit- Ab Herbst 2004 wird sich die En- liche Kulturstatistik Einer wahren Herkulesaufgabe sahen 1. Mit der Vergabe eines Gutachtens quete-Kommission verstärkt mit der sich die 22 Mitglieder der Enquete- zur Kulturstatistik schaffen wir Zukunft der Künstlersozialkasse, mit Kulturlandschaft Deutschland – Kultur als Standortfaktor, hierunter werden Kommission „Kultur in Deutschland“ die methodischen Grundlagen, Fragen der Alterssicherung und der gefasst: die Erfassung von Kultur als Standortfaktor, die Frage wie Kommu- gegenüber, als sie im Oktober letzten um zukünftig eine bundesweite Existenzgründung von Künstlern be- nen künftig die kulturelle Grundversorgung leisten können, die Herausforde- Jahres ihre Arbeit aufnahmen. In Zei- einheitliche und kontinuierlich fassen. Weitere Schwerpunkte sollen rung für den Bund seine Verantwortung für Kultur in der Hauptstadt wahrzu- ten klammer öffentlicher Haushalte fortgeführte Bestandsaufnahme Modelle privater Kulturförderung, nehmen, die Untersuchung der Probleme und Entwicklungsmöglichkeiten der ist die Förderung von Kunst und Kul- der Situation von Kunst und Kul- das Stiftungswesen und Public-Pri- kulturellen Bildung tur unter Druck geraten. Den öffent- tur in Deutschland leisten zu kön- vate-Partnership, sowie die Lage der lichen Mitteln für kulturelle Bildung nen. Die Enquete-Kommission Kulturwirtschaft sein. Auch die Me- drohen massive Kürzungen. Neue Lö- wird damit ihrem Auftrag nach- dien und ihre Rolle bei der Vermitt- Auf der Grundlage ihrer Bestandsaufnahme soll die Enquete-Kommission sungen sind gefragt. Deshalb hat der haltiger Wirkung gerecht. lung von Kunst und Kultur rücken Handlungsempfehlungen entwickeln, wie die Rahmenbedingungen für Kunst Deutsche Bundestag erstmals seit 2. Wir haben eine Reihe von rechtli- nun ins Blickfeld. Gemeinsam mit und Kultur verbessert werden können. Die Enquete-Kommission „Kultur in 28 Jahren wieder eine Enquete-Kom- chen Rahmenbedingungen der dem Bundestagsausschuss für Kul- Deutschland“ soll im Herbst 2005 ihren Abschlussbericht mit den Arbeitser- mission zur Kulturpolitik eingesetzt. Kultur unter die Lupe genommen. tur und Medien werden wir während gebnissen vorlegen, damit noch in der laufenden Legislaturperiode mit der Er hat damit gerade jetzt ein Signal In einer Anhörung haben wir die der PopKomm eine öffentliche An- Umsetzung der Handlungsempfehlungen begonnen werden kann. Der Enque- gegeben, da Bibliotheksschließun- vor zwei Jahren in Kraft gesetzten hörung zum Thema „Eine Quote für te-Kommission gehören 22 Mitglieder an und zwar: 11 Abgeordnete und 11 gen und Theaterzusammenlegungen Regelungen zum Urheberver- Musik aus Deutschland in den Medi- Sachverständige, die Abgeordneten haben jeweils einen Stellvertreter. die Schlagzeilen des Feuilletons be- tragsrecht überprüft. Außerdem en“ durchführen. Auslandsreisen herrschen. haben wir ein Gutachten zu den werden Delegationen der Enquete- rechtlichen und strukturellen Kommission nach Großbritannien, Mitglieder der Enquete-Kommission ie Zeit drängt und entsprechend Rahmenbedingungen des Be- in die Niederlande und in die USA Dhat sich die Kommission sofort triebs von Theatern, Orchestern führen, um sich dort Anregungen für Ordentliche Mitglieder: Ehrmann, Siegmund (SPD); Krüger-Leißner, Angelika an die Arbeit gemacht. Ende 2005 soll und Opern vergeben. Darin sollen Deutschland zu holen. (SPD); **Kubatschka, Horst (SPD) ; Lucyga, Dr. Christine (SPD); Westrich, der Schlussbericht vorliegen, damit auch Vorschläge zum Tarifrecht Angesichts der Zahl und des Um- Lydia (SPD); *Connemann, Gitta (CDU/CSU); Nooke, Günter (CDU/CSU); die Handlungsempfehlungen für die und zu strukturellen Reformen an fangs der Probleme mag sich man- Sehling, Matthias (CDU/CSU); Freiherr von Stetten, Christian (CDU/CSU); gesetzgeberische Praxis wenn mög- den Bühnen unterbreitet werden. ches Mitglied der Enquete-Kommis- Sowa, Ursula (Bündnis 90/Die Grünen); Otto, Hans-Joachim (FDP); lich noch in dieser Legislaturperiode 3. Ein besonderes Augenmerk ha- sion gelegentlich an die Sagengestalt umgesetzt werden können. Begleitet ben wir auf die Situation und För- Sisyphos erinnert fühlen, die immer, Sachverständige Mitglieder: Binas, Dr. Susanne; Boldt, Helga; Harms, Dr. wird die Enquete-Kommission von derung von Kultur außerhalb der wenn sie den Fels den Berg hinaufge- Gerd; Kunze, Heinz Rudolf; Freiherr Loeffelholz von Colberg, Dr. Bernhard; geradezu riesigen Erwartungen der Ballungszentren gelegt. Eine De- rollt hatte, mit ansehen musste, wie Scheytt, Dr. Oliver; Schneider, Prof. Dr. Wolfgang; Sternberg, Prof. Dr. Tho- kulturpolitisch aktiven oder interes- legation der Enquete-Kommissi- er wieder herunterrollte. Aber ich bin mas; Wagner, Dr. Nike; Zehetmair, Dr. h.c. Johannes B. (Hans); Zimmer- sierten Öffentlichkeit. Das erlebe ich on hat sich an neun Stationen in zuversichtlich, dass die Enquete- mann, Olaf in meinen vielen persönlichen Ge- Norddeutschland ein Bild von Kommission am Ende wie Herkules sprächen mit Künstlern oder Verbän- Einrichtungen der Kultur und kul- sagen kann: alle Arbeiten erledigt, die devertretern immer wieder. Nicht al- turellen Bildung verschafft. Auch gesteckten Ziele erreicht. Sie muss ja Stellvertretende Mitglieder: Barthel, Eckhardt (SPD); Bürsch, Dr. Michael len Erwartungen werden wir gerecht in unserer Anhörung zur kulturel- nicht gleich unsterblich werden. (SPD); Kumpf, Ute (SPD); Merkel, Petra-Evelyn (SPD); Weis, Petra (SPD); werden können. Denn wir können len Bildung spielte die Frage, in- Bergner, Dr. Christoph (CDU/CSU); Dött, Marie Luise (CDU/CSU), Köhler, uns nur auf Schwerpunkte konzent- wiefern eine kulturelle Grundver- Die Verfasserin ist Mitglied des Kristina (CDU/CSU), Mantel, Dorothee (CDU/CSU); Vollmer, Dr. Antje (Bünd- rieren und nicht quasi per Knopf- sorgung in der Fläche verpflich- Deutschen Bundestags und nis 90/Die Grünen); Daub, Helga (FDP) druck alle Probleme der Kultur in tend gemacht werden kann, bei Vorsitzende der Enquete-Kommissi- Deutschland aus der Welt schaffen. allen eingeladenen Experten eine on des Deutschen Bundestags * Vorsitzende In unserer bisherigen Arbeit sehe große Rolle. In Dresden haben wir „Kultur in Deutschland“ ■ ** stellv. Vorsitzender ich folgende Schwerpunkte: uns in einer Anhörung zum Säch-

Das Stochern in der Koalitionsvereinbarung ist vorbei Für die Enquete-Kommission beginnt die Phase des Bewertens • Von Siegmund Ehrmann

Die Druckerschwärze der Rot-Grünen teil der Kulturausgaben leisten und tur zu gestalten, braucht er auch freien Kultureinrichtungen in Mitglieder der Enquete-Kommissi- Koalitionsvereinbarung 2002 – immer schwerer leisten können, soll verlässliches, vor allem aktuelles Ba- Deutschland, on (Abgeordnete und Sachverstän- 2006 war noch nicht getrocknet, da eine Enquete-Kommission zum The- sismaterial. • die öffentliche und private Kultur- dige) während einer Klausurtagung stocherten bekannterweise Viele in ma „Kultur in Deutschland“ unter Den Kulturpolitikerinnen und förderung, der Strukturwandel, im November 2003 ihr Arbeitspro- ihr herum. Gesucht wurde nach An- Einbeziehung der Länder eingerich- Kulturpolitikern der Koalition oblag • die Auswirkungen des bürger- gramm. Da die Enquete-Kommissi- kündigungen, die schwierig, nicht tet werden. Sie soll sich auch mit der es, nach den Wahlen ihre Ankündi- schaftlichen Engagements auf die on sich ein sehr umfängliches und machbar, unnötig – vielleicht aber sozialen Lage der Künstlerinnen und gungen umzusetzen. Es gelang ei- Entwicklung von Kunst und Kul- anspruchsvolles Arbeitsprogramm doch wichtig – erschienen. So geriet Künstler befassen...“ nen von allen Fraktionen getrage- tur, die Bedeutung von Kultur als gegeben hatte, wurde sich darauf sehr schnell die ins Auge gefasste Erinnert sei, dass die letzte um- nen Einsetzungsbeschluss zu for- ökonomischer Standortfaktor, verständigt, während der ersten Mo- Enquete-Kommission „Kultur in fassende Analyse über die wirt- mulieren und am 4. Juli 2003 im • Probleme und Entwicklungsmög- nate vorwiegend in interfraktionel- Deutschland“ in den kritischen Fo- schaftliche und soziale Lage künst- Parlament zu verabschieden. Ehr- lichkeiten der musisch-kulturellen len Arbeitsgruppen zu arbeiten. Die- kus. Die Resonanz erstreckte sich lerischer Berufe aus dem Jahre 1975 geizig war das Ziel. Themenberei- Bildung, se Herangehensweise hat sich als von großer Zustimmung über Skep- stammte und sich ausschließlich auf che, mit denen sich Parlament, Län- • der Einfluss des kooperativen Kul- hilfreich erwiesen, da es gelungen sis bis hin zu Ablehnung. die alte Bundesrepublik bezog. der, Kommunen und Sachverstän- turföderalismus auf die Vielfalt ist, unnötige Reibungsverluste zu Wenn aber, wie immer eindringli- dige befassen sollten, waren unter und Nachhaltigkeit von Kunst und minimieren und Arbeitsaufträge ge- ie einzusetzende Enquete-Kom- cher gefordert, der Bund seinen Auf- anderem: Kultur in der Bundesrepublik meinsam zu formulieren. Dmission war hingegen eindeutig gaben nachkommen soll, die Rah- • die wirtschaftliche und soziale La- Deutschland. begründet: „Aufgrund der Tatsache, menbedingungen für eine nachhal- ge der Künstlerinnen und Künstler, Nach ihrer Konstituierung am Weiter auf Seite 7 dass die Kommunen den Löwenan- tige Entwicklung von Kunst und Kul- • die Situation der öffentlichen und 13. Oktober 2003 erarbeiteten die ZWISCHENBILANZ KULTUR-ENQUETE politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 7

Fortsetzung von Seite 6 und Opern in Deutschland unter Betrachtung des Spannungsfeldes von freiwilligen kulturellen Leis- Die Arbeitsgruppe I, die öffentli- tungen und Pflichtaufgaben der che und private Förderung von öffentlichen Hand. Kunst und Kultur – Strukturwandel, • Förderung und Finanzierung der deren Einberufer ich bin, hat ein UNESCO-Welterbestätten in breit gefächertes Arbeitsprogramm. Deutschland. Themenbereiche wie: • Objektive und transparente För- • rechtliche Rahmenbedingungen derkriterien staatlicher Kulturfi- zur Kultur und deren Auswirkun- nanzierung – Vergleiche mit dem gen auf die Kultur, Ausland. • Kompetenzverteilung der Kultur Der Wissenschaftliche Dienst in Europa, beim Bund, den Län- des Deutschen Bundestages wurde dern und Kommunen, beauftragt, zu den rechtlichen Rah- • Lage der staatlichen und nicht- menbedingungen von Kultur und staatlichen Kulturförderung und Auswirkungen auf die Kultur sowie Strukturwandel, zur Kompetenzverteilung der Kultur • Kulturwirtschaft und Struktur- in Europa, dem Bund, den Ländern wandel und Kommunen ein Gutachten vor- sind zu untersuchen. Instrumente zulegen. wie Expertisen, Gutachten, Exper- Auch wurden spezielle Fragestel- tengespräche und Anhörungen wer- lungen zu den Themen den jenes Basismaterial ergeben, • Kulturförderung in den neuen das nach seiner Auswertung die Er- Bundesländern, Ost-West-Situati- arbeitung notwendiger Handlungs- on (Art. 35 Einigungsvertrag), empfehlungen für die politische Ar- • Kulturförderung in der Bundes- beit ermöglicht. hauptstadt, Die ersten Monate der Arbeit der • Förderung auf der Grundlage von Enquete-Kommission waren nach § 96 Bundesvertriebenengesetz – der Formulierung des Arbeitspro- Wandel und Stellenwert v. l. n. r.: Siegmund Ehrmann, MdB, Angelika Krüger-Leißner, MdB, Dr. Christine Lucyga, MdB Foto: Deutscher Bundestag gramms der inhaltlichen Fragestel- für entsprechende Gremien und lung für die Vergabe der Gutachten Einrichtungen formuliert und zur Kommission haben mit großem En- innen wäre es heute allerdings ver- fentlichkeit ist nachvollziehbar. gewidmet. Die Arbeitsgruppe I hat Beantwortung verschickt. gagement und intensivem Arbeits- früht, würde ich mich zu Einzelas- Aber auch hier gilt: „Gut Ding will bisher folgende Gutachten vergeben: Eine zweitägige Sitzung führte einsatz ein erhebliches Pensum be- pekten inhaltlich positionieren. In Weile haben.“ • Methoden kritischer Analyse kul- die Enquete-Kommission nach arbeitet, das vornehmlich einer breit der Kommission besteht darüber turstatistischer Grunddaten und Dresden. Hier wurden mit Abgeord- angelegten Bestandsaufnahme Einvernehmen, die Ergebnisse der Der Verfasser ist Mitglied des Deut- Fragen zu einem Anforderungs- neten des Landtages und Experten dient. beauftragten (zum großen Teil aber schen Bundestags und Obmann der profil an eine bundeseinheitliche die Erfahrungen bei der Umlandfi- In der jetzt beginnenden Phase noch nicht vorliegenden) Gutach- SPD-Fraktion in der Enquete-Kom- Kulturstatistik für die Bundesre- nanzierung und der interkommuna- des Bewertens und Verdichtens wird ten, Expertisen und Anhörungen mission des Deutschen Bundestags publik Deutschland. len Zusammenarbeit erörtert. es darum gehen, Handlungsemp- gründlich zu beraten, um hieraus „Kultur in Deutschland“ ■ • Rechtliche und strukturelle Rah- Zur Halbzeit kann folgende Bi- fehlungen herauszuarbeiten. Mit mit aller Sorgfalt Handlungsemp- menbedingungen des Betriebs lanz gezogen werden: Mitglieder Rücksicht auf die Themenverant- fehlungen abzuleiten. Die drängen- von Theatern, Kulturorchestern und Sachverständige der Enquete- wortlichkeit der Berichterstatter/- de Neugierde der interessierten Öf-

Nachforschen, prüfen, untersuchen Zwischenbericht zur Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ • Von Günter Nooke

Um Missverständnisse von vorne he- men nicht mehr viel zu tun haben fen; der Finanzminister als geistiger wohl sagen: „Die Kulturellen schon wobei vom Finanzminister nicht rein auszuschließen: Die Einsetzung kann. Nur so ist es zu erklären, dass Lenker war in diesem Zusammen- wieder. Haben wir denn nicht genü- einfach Geld ad maximum gefordert der Enquete-Kommission „Kultur in Kultur letztlich zumeist an hinters- hang allerdings nicht vorgesehen. gend andere Probleme. Und dann werden soll. Vielmehr muss den Fi- Deutschland“ war sinnvoll und setzt ter Stelle des Bedeutsamen rangiert Eine Enquete-Kommission mag noch eine Kommission, die nicht nanzpolitikern, übrigens auch in ein wichtiges Signal. Die tägliche Ar- und bei verschiedenen Verantwor- dies alles anmerken und bemän- von mir eingesetzt worden ist. Gibt’s den Ländern und Kommunen, Sinn beit zeigt dabei: Teilweise ist man tungsträgern nunmehr sogar unter geln. Auch mag sie die Wichtigkeit denn so was? Und, wie bitte? Den und Sinnhaftigkeit der kulturpoliti- sich unter Kulturellen über die grundsätzlichen Ziele gerne und schnell einig. Vielleicht sogar häufi- ger als in allen anderen politischen Bereichen, oftmals auch parteiüber- greifend.

ie Arbeit in der Enquete-Kom- Dmission offenbart dennoch für alle Kultur-Schaffenden und Kultur- Konsumierenden (also grundsätz- lich für uns alle) wieder einmal das alte Problem: Sie haben die Rech- nung ohne die Finanzpolitiker ge- macht. Sicher, mit der Zeit ist das Rollenbewusstsein der einzelnen Ressorts vollkommen aus den Fugen geraten. Auf Bundesebene gibt es al- lerlei Superminister, die für fast alles zuständig sind und auch auf der kommunalen Seite sind die Grenzen fließend bis bereits verflossen: Kul- turpolitik ist mancherorts nunmehr Aufgabe des Bau- oder Verkehrsde- zernenten. Es ist ja richtig, der Staat muss sparen. Nur wer eigentlich sagt, wo- für Geld ausgegeben wird und wofür nicht? War früher noch der Wirt- schaftsminister der wichtigste Mann hinter dem Kanzler, so hat sich im- v.r.n.l.: Günter Nooke, MdB, Matthias Sehling, MdB, Christian Freiherr von Stetten, MdB, Heinz Rudolf Kunze, Prof. Dr. Thomas Sternberg, Marie-Luise Dött, MdB, Kristina Köhler, mer mehr der Finanzminister als MdB, Dorothee Mantel, MdB Foto: Deutscher Bundestag „Verteiler“ kaum sichtbar vorhande- ner Mittel in diese Rolle gedrängt. den Begriff des „Subventionstatbe- und Notwendigkeit der kulturellen Vorsitz stellt eine CDU-Politikerin? schen Maßnahmen vermittelt wer- Daraus resultiert automatisch eine standes“ gefallen ist. Dies ist eine Verantwortung immer wieder he- Es reicht doch, wenn unsere Frau den. Im günstigsten Falle kommt Mentalität des „Händeaufhaltens“ Umkehr der Wertevorstellungen des rausstellen. Sie mag diesbezüglich Weiss mich ständig nervt.“ Und dieses Bewusstsein übrigens von ih- der einzelnen Fachressorts, welche Abendlandes, zumal bereits Planton sogar gehört werden, verstanden schon landet des Kanzlers Exemplar nen selbst, ganz im Sinne des Subsi- sich mit allen Tricks und Ellbogen in seiner „Politeia“ dargelegt hat, wird sie deswegen aber noch lange dieses Enquete-Berichtes in der Ab- diaritätsprinzips. Die Enquete- um den Finanzminister scharen und dass die Politik und die Leitung ei- nicht. Gut möglich, dass das Kabi- lage „P“ und das Kabinett-Exemplar Kommission kann hierzu, zumin- letztlich durch diesen mehr oder nes Staates von den „Philosophen“, nett – vielleicht sogar auch der bei der BKM – mit der Bitte um Ver- dest für die Rahmenbedingungen weniger nach Gutdünken bedient also den Vordenkern, den Intellektu- Kanzler – 2006 den Schlussbericht schonung. eines solchen Prozesses, einen Bei- werden. Ein typischer Verteilungs- ellen, den geistig-kulturellen „Groß- der Enquete-Kommission „Kultur in Wie lässt sich präventiv dagegen trag leisten. kampf, der mit erkanntem Sinn und meistern“ ausgehen solle. Auf die Deutschland“ auf dem Tisch hat. vorgehen? Kulturpolitik muss im- erkennbarem Unsinn im Hinblick Grundzüge dieses Demokratiever- Herr Schröder mag – und so un- mer zusammen mit den Finanz- Weiter auf Seite 8 auf politisch notwendige Maßnah- ständnis haben wir uns immer beru- wahrscheinlich ist dies gar nicht – und Haushaltspolitikern geschehen, ZWISCHENBILANZ KULTUR-ENQUETE politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 8

Fortsetzung von Seite 7 fragt, was der Staat für die Künstler- Gesellschaft; gerade wir in Berlin Einen wichtigen Schritt hat die Wort „inquirere“ her und bedeutet innen und Künstler tun kann, fragen profitieren davon jeden Tag. Dieses CDU/CSU-Fraktion bei den weni- so viel wie nachforschen, prüfen wir zunächst danach, was Künstle- Potential der originären Künstler als gen vorhandenen Kompetenzen, die oder untersuchen. Vor der kleinen Nachforschen, prüfen, rinnen und Künstler, Kreative und quasi selbständige Unternehmer der Gesetzgeber in der Kultur dem Parlamentsreform von 1969 über- untersuchen Kulturschaffende für sich selbst und muss von der Politik erkannt und Bund zuschreibt, bereits in der En- nahmen solche Kommissionen die für die Gemeinschaft tun oder tun gefördert werden. Dies geht nur, in- quete-Kommission durchgesetzt: Überprüfung von Skandalen, Miss- Wie nun soll dies konkret aussehen? können. Dies ist ein elementarer dem man von Seiten der Nicht- Eine genaue Überprüfung des in ständen und Fehlentwicklungen. Die Enquete-Kommission „Kultur in Unterschied: Künstler sind eben Künstler, also des möglichen Publi- den Theater-, Orchester- und Ganz so schlimm steht es noch nicht Deutschland“ des Deutschen Bun- kein Bettelstab unserer Gesellschaft, kums, die Nachfrage nach Kultur Opernbetrieben geltenden Tarif- um die Kultur, angesichts der Tatsa- destages beschäftigt sich im Unter- die als solche per se aus einem kom- und diese vor allem auch durch kul- rechts. Dieses muss zum Wohle und che, dass Deutschland immer noch schied zum ständigen Bundestags- merziellen und wirtschaftlichen Ge- turelle Bildung fördert. Warum? Oh- Erhalt unserer in der Welt einzigarti- über mehr öffentlich geführte Thea- ausschuss für Kultur und Medien füge ausgegliedert sind und daher in ne eine adäquate Nachfrage nach gen Theaterlandschaft dringend den ter und Orchester verfügt als die mit den langfristigen und perspekti- jedem Falle staatlich gebettet wer- Kunst und Kultur ist die Finanzie- heutigen Gegebenheiten angepasst ganze übrige Welt zusammen. Da- vischen Fragestellungen des Akti- den müssen. Das Gegenteil ist der rung nicht mehr möglich. Die Fi- werden. Es geht dabei nicht um mit dies allerdings so bleibt, wird die onsfeldes „Kultur“. Hier geht es Fall: es sind gerade die freischaffen- nanzierung der Selbstbeschäftigung Kahlschlag, sondern vielmehr da- Enquete-Kommission weiter fleißig nicht nur um politisches Stückwerk, den Künstler, die genau das Gegen- von Künstlerinnen und Künstlern rum, die Betriebe auf eine reelle Ba- prüfen und untersuchen. Es ist dann sondern um eine nachhaltige teil von Versorgungsmentalität und kann nicht der Staat alleine über- sis zu stellen, mit der sie wirklich ab 2006 vor allem Sache der neuen Marschrute mit gelegentlich gesell- Subventionsdenken darstellen und nehmen. Genauso klar ist aber, dass überlebensfähig sind. Es geht um Si- Regierung, wie sie mit dem Kom- schaftsphilosophischen Fragestel- zunächst hungrig an sich selbst ar- er auch den Rahmen schaffen und cherheit, an der sich die öffentliche missionsbericht verfahren wird. lungen. Daher sind wir Politiker be- beiten, um sich stetig zu verbessern erhalten muss, damit Künstler der Hand entweder für mehr als fünf sonders dankbar, dass auch externe und um Erfolg zu haben. Gerade Gesellschaft Angebote machen kön- Jahre beteiligt oder gar nicht. Was Der Verfasser ist Mitglied des Sachverständige dem Gremium mit diesen wäre es ein innerer Greuel, nen, für die die Gesellschaft heute nützt ein geheiztes Theater mit Büh- Deutschen Bundestags, Kultur- und vollwertigem Stimmrecht angehö- das Formular für das Arbeitslosen- noch keine Nachfrage hat, weil sie nenpersonal, wenn kein Geld mehr medienpolitischer Sprecher der ren. geld II auszufüllen. Sie legen in der diese „neue Kunst“ noch gar nicht für die Künstler vorhanden ist? Von CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Die Haltung der CDU/CSU- Regel viel mehr Kraft und Kreativität kennt. Unsere Maxime lautet unter Jahr zu Jahr leben, die Berliner Sym- Bundestag und Obmann der Fraktion entspricht in der Kulturpo- an den Tag, eben dieses zu vermei- Einbeziehung des oben Gesagten: phoniker und viel andere wissen, CDU/CSU-Fraktion in der Enquete- litik den gleichen Grundsätzen wie den. Viele Künstler werden dadurch Eigeninitiative fördern, Subsidiarität was das heißt. Kommission des Deutschen Bundes- bei anderen Themenfeldern auch: zu Lebenskünstlern und bereichern stärken, und die Nachfrage nach Der Begriff „Enquete-Kommissi- tags „Kultur in Deutschland“ ■ Während Rot/Grün gerne danach in ihrer unnachahmlichen Art eine Kultur stärken. on“ leitet sich von dem lateinischen

Die Halbzeitbilanz Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ • Von Hans-Joachim Otto

Knapp ein Jahr nach der Konstituie- grund ist es bedauerlich, dass die rerseits ist es eher verwunderlich, tersuchung zu verzichten. Dazu delle, zum Beispiel erfolgreiche Or- rung der Enquete-Kommission „Kul- Enquete-Kommission bisher viel zu dass zwar die Fachöffentlichkeit mit zählt die Diskussion um eine Veran- ganisationsstrukturen oder wegwei- tur in Deutschland“ ist man fast ver- selten über die anstehenden The- großer Aufmerksamkeit auf die Er- kerung der Kultur als staatliche sende Tarifmodelle, eine breite Wir- sucht zu sagen, dass die Geschäfts- men diskutiert hat. Viel Zeit ist ver- gebnisse der Enquete-Kommission Pflichtaufgabe. Dies ist zwar ein auf kung entfalten. ordnung und das Haushaltsrecht des geudet worden, um auch noch die schaut, die Allgemeinheit sich aber den ersten Blick gutes und ehren- Auch bei dem bereits vergebe- Bundestages die bisher bestimmen- letzte Vorgabe des Haushaltsrechts offenbar wenig für dieses Gremium wertes Ansinnen, der zweite Blick nen Gutachten zur Kulturstatistik den und meistdiskutierten Themen und der Geschäftsordnung des Bun- interessiert. Dies ist bei Pressekon- zeigt aber, dass es mitnichten die ist es die vornehmliche Aufgabe, waren. Wenn die Enquete-Kommissi- destages penibel zu erfüllen. Dazu ferenzen, insbesondere bei auswär- Rettung für eine dauerhafte staatli- einheitliche – und damit vergleich- on bis zum Herbst 2005 zu den Er- kam, dass in verstärktem Maße of- tigen Sitzungen, leider immer wie- che Kulturfinanzierung wäre. Denn bare – Kriterien für zukünftige Sta- erstens würde eine Verankerung von tistiken auf Landes- Bundes- und Kultur als Pflichtaufgabe, wie von europäischer Ebene zu entwickeln. vielen in der Enquete-Kommission Aufgrund ihrer Zusammensetzung gefordert, die für den Kulturbereich und der Aufmerksamkeit, die ihr ge- zur Verfügung stehenden öffentli- schenkt wird, hat die Kultur-Enque- chen Mittel wohl nicht erhöhen. te die berechtigte Aussicht, Vor- Zweitens – und dies ist das schwer- schläge für eine einheitliche Kultur- wiegendere Argument – wird es zu statistik zu machen, die die Chance einer Zwei-Klassen-Kultur führen, auf Beachtung bei allen Beteiligten die alles andere als wünschenswert hat. Ein weiterer Bereich, in dem die wäre. Denn angesichts der be- Enquete-Kommission – und wahr- schränkten öffentlichen Mittel wür- scheinlich nur sie – wegweisende de es zwangsläufig zu einer Diffe- Modelle entwickeln kann, ist die renzierung in „Pflicht-Kultur“ und Definition objektiver Kriterien im „freiwillige“ Kultur kommen. Bereich der öffentlichen Kulturför- Die Enquete-Kommission sollte derung. Hier kann u.U. der Blick ins sich vielmehr auf die Bereiche kon- Ausland hilfreich sein, die Vergabe zentrieren, in denen tatsächlich von öffentlichen Mitteln gerechter, mehr Mittel für die Kultur zu gene- zielgenauer und transparenter zu rieren sind, sowie über die Schaf- gestalten. fung günstigerer Rahmenbedingun- Darüber hinaus wäre zu erwä- gen für privates Engagement nach- gen, ob die Enquete-Kommission denken und für diese Bereiche kon- nicht verstärkt öffentliche Debatten krete Handlungsempfehlungen ab- zu kulturpolitischen Themen ansto- geben. Dabei ist zum Beispiel der ßen sollte und damit eine Aufgabe Sektor der Kulturwirtschaft von be- zu erfüllen, die die derzeitige Bun- sonderem Interesse. Die Umsätze desregierung leider nicht wahr- der Kulturwirtschaft sind angesichts nimmt. Eine breite Debatte in der der Unschärfe des Begriffs und der Öffentlichkeit, zum Beispiel über die unterschiedlichen Definitionen (ei- Notwendigkeit und Bedeutung kul- ne Vereinheitlichung ist eine Aufga- tureller Bildung, wäre sicherlich an- be, die die Enquete-Kommission zu gebracht. leisten hat!) nicht eindeutig zu bezif- Das Ziel der Enquete-Kommissi- fern. Sie betragen aber jedenfalls ein on „Kultur in Deutschland“ darf es v. r. n. l.: Hans-Joachim Otto, MdB, Olaf Zimmermann Foto: Deutscher Bundestag Vielfaches der circa 8,35 Milliarden vor allem aber nicht sein, den Status Euro, die Bund, Länder und Kom- quo zu erhalten. Die besondere gebnissen kommen will, die alle mit fensichtlich parteipolitisch moti- der festzustellen. munen zusammen jedes Jahr für Chance der Kultur-Enquete besteht Recht von ihr erwarten, wird vor al- vierte und klientelgerichtete Inte- Für den Herbst sind die ersten Kultur ausgeben. darin, neue Wege und zukunftswei- lem mehr über Inhalte diskutiert ressen bei wichtigen Entscheidun- Gutachten zu erwarten, die nach Angesichts der begrenzten Be- sende Modelle aufzuzeigen. Wer, werden müssen als über die Einhal- gen höher bewertet wurden als eine langen, mühseligen und oftmals fugnisse, die sich unter anderem aus wenn nicht eine Enquete-Kommis- tung formaler Voraussetzungen. Das objektive Würdigung der Sachlage. überflüssigen Diskussionen verge- der Kulturhoheit der Länder erge- sion könnte und sollte dies tun! Dies Setzen von Schwerpunkten ist ange- Es bleibt zu hoffen, dass dies bei der ben wurden. Wenn die Ergebnisse ben, sollte sich die Enquete-Kom- erfordert allerdings den Mut aller sichts des ehrgeizigen Arbeitspro- vor uns liegenden Arbeit nicht zur vorliegen, ist es an den Mitgliedern mission auf die Bereiche konzent- Mitglieder der Enquete-Kommissi- gramms, welches die Enquete-Kom- dauerhaften Praxis wird. der Enquete-Kommission, die ge- rieren, wo sie wirksam Empfehlun- on und die Bereitschaft, erforderli- mission aufgestellt hat, notwendig Zu den erfreulichen Erfahrun- wonnenen Erkenntnisse zu bewer- gen geben kann. Dies betrifft zum chenfalls alte Zöpfe abzuschneiden. und unausweichlich. gen des ersten Jahres zählt die be- ten und zu diskutieren. Um den vor- einen die Bereiche, in denen eine merkenswerte Bereitschaft der Kul- gegebenen Zeitplan einzuhalten, Zuständigkeit des Bundes vorliegt, Der Verfasser ist Mitglied des ie Zielsetzungen, welche die turinstitutionen und -verbände, an wird es erforderlich und der Qualität wie zum Beispiel die Hauptstadtkul- Deutschen Bundestags, Kultur- und DEnquete-Kommission hat, sind der Arbeit der Enquete-Kommissi- der Arbeit sicherlich zuträglich sein, turförderung oder die Leuchtturm- medienpolitischer Sprecher der verheißungsvoll. Die Zusammenset- on mitzuwirken und sie zu unter- sich auf die gewichtigsten Fragestel- förderung in den neuen Bundeslän- FDP-Bundestagsfraktion und zung der Enquete-Kommission und stützen. Allein die Tatsache, dass lungen zu konzentrieren. Das Setzen dern, zum anderen aber all jene Be- Obmann der FDP-Fraktion in der der versammelte Sachverstand aus sich der Bundestag in dieser grund- von Schwerpunkten impliziert aber reiche, in denen die Enquete-Kom- Enquete-Kommission des Deutschen nahezu allen relevanten Bereichen sätzlichen Art und Weise mit der auch die Bereitschaft, einige The- mission durch ihre Signalfunktion Bundestags „Kultur in Deutschland“ der Kultur bilden eine gute Grundla- Kultur in Deutschland beschäftigt, men nur am Rande zu streifen. Es Maßstäbe und Richtlinien setzen ■ ge für eine solide Erörterung aller wird als positive Signalwirkung bei gibt einige Bereiche, bei denen die kann. Hier kann die Enquete-Kom- wichtigen kulturpolitischen The- all jenen, die im Kunst- und Kultur- Enquete-Kommission den Mut ha- mission durch das Hervorheben menbereiche. Vor diesem Hinter- bereich tätig sind, gewertet. Ande- ben sollte, auf eine eingehende Un- und Herausstellen vorbildlicher Mo- ZWISCHENBILANZ KULTUR-ENQUETE politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 9

Kulturteppich Deutschland – von Motten zerfressen? Lebensssituation von Künstlern als Spiegel für die Gesellschaft • Von Ursula Sowa

Deutschland gilt nach wie vor in der oder nicht leben können, werden und Leistungsschutzrechts oder Än- plan für Soziale Eingliederung, der lige Zielstellung eines Nationalen Liga der europäischen Länder als wir – nachdem wir unsere in Auftrag derungen im Steuerrecht. Im Be- einen Schwerpunkt auf den Bereich Aktionsplans zu erreichen. das Kulturland, ganz besonders im gegeben Expertisen ausgewertet ha- reich der Aus-, Fort- und Weiterbil- Kultur legt. Ein solcher Nationaler Ich möchte mich dafür einset- Hinblick auf seine Theater- und Or- ben – etwa zu Beginn des nächsten dung will ich mir sehr gern in den Aktionsplan, wie ihn zahlreiche EU- zen, dass Deutschland künftig bei chesterlandschaft, die in ihrer Dich- Jahres genauer wissen. Was sich aber Kunstakademien vor Ort ein Bild Länder bereits verfolgen, bündelt der Entwicklung des Nationalen Ak- te und Strahlkraft in der Tat einem natürlich schon jetzt abzeichnet, ist machen: bei etwa 50 Akademien in diverse Programme und Aktionen zu tionsplan für soziale Inklusion nicht orientalischen Teppich gleicht, der ein ziemlich desaströses Bild von Deutschland ein schwieriges Unter- einer nationalen Strategie der Inklu- erneut die Chancen verpasst, die ei- als Ganzes mehr Wirkung entfaltet der Lage unserer Kulturschaffenden. fangen. Es wird also notwendig sein sion aller Bevölkerungsgruppen in ne Verstärkung der Kulturvermitt- als seine einzelnen Teile. Doch Ein Beispiel: Wer seine Beiträge in exemplarisch vorzugehen. Auf- unserer Gesellschaft und weist der lung versprechen. Durch die in Fol- Deutschlands Kulturteppich wird all- die Künstlersozialkasse über zwan- schlussreich wird der Vergleich der Kultur in diesem Zusammenhang ge einer stärkeren zielbezogenen mählich angefressen. Die Meldun- zig Jahre eingezahlt hat, erhält eine institutionellen ebenso wie der re- eine Schlüsselrolle zu. Ziel einer sol- Kulturförderung entstehenden Pro- gen von Gefährdungen oder gar maximale Rente von 400 Euro mo- gionalen Unterscheide sein, etwa chen Strategie kann beispielsweise jekte und Aufträge würde auch die Schließungen von Kultureinrichtun- natlich. Hier besteht Handlungsbe- zwischen München und Leipzig, die Verbesserung des Zugangs zu Künstlerförderung neuen Schwung gen sind an der Tagesordnung – als darf. zwischen Ost- und Westdeutschland kulturellen Einrichtungen und ihren erhalten, verstaubte Teppiche könn- Oberfränkin verfolge ich gerade die Sinn der Enquête ist, und ich Diskussion über das Sterben der Sel- werde mich als Obfrau meiner Frak- ber Grenzland-Filmtage, die in einer tion für diesen Bereich besonders gebeutelten Region schon zur „gu- stark machen, nach neuen Wegen zu ten Kulturtradition“ gehörten, aber suchen, wie die soziale und wirt- jetzt mangels Personal und Geldmit- schaftliche Lage, aber auch die ge- teln möglicherweise im nächsten sellschaftliche Akzeptanz in Jahr eingestellt werden. Die Kommu- Deutschland und im internationa- nalpolitiker wollen rettend einsprin- len Kontext für Künstlerinnen und gen. Ich hoffe es gelingt. Künstler gestärkt werden kann. Wenn böse Zungen jetzt spotten, ie Arbeit in der Enquête-Kom- dass die Bundesländer und die Dmission „Kultur in Deutsch- Kommunen in unserem Land die land“ ist praxisnah, befasst sich mit wahren Hüter der Kultur seien, kann den aktuellen Problemen, die wir in ich nur entgegnen: Aus meiner Sicht unserer Kulturrepublik nicht lange ist gerade die Gesamtschau auf Bun- suchen müssen. Die gefräßigen desebene außerordentlich kon- Motten finden wir nicht nur im struktiv, um Ungleichgewichte zwi- Theaterfundus, nein überall wird schen den einzelnen Ländern und gejammert: Kultur wird in allen Be- Kommunen festzustellen. Der Kul- reichen angeknabbert, an- und auf- turteppich ist an manchen Stellen gefressen! Im Rahmen der Bestands- dick und flauschig geknüpft, an aufnahmen durch die Enquête wer- manchen aber abgetreten oder so- den wir überprüfen, wie sich die gar löchrig. Insofern lassen wir uns Kultursituation seit den 70iger Jah- in der Enquête nicht auf das Spiel- ren bis heute verändert hat. In den chen „Bund halt dich raus“ ein, son- Siebzigern hatte sich der Bundestag dern verstehen uns als Gremium mit das letzte Mal dieses Themas ange- Gestaltungsanspruch. nommen. Was wollen wir in der Enquête Als Kulturpolitikerin von Bünd- erreichen? Neben einer Bestands- nis90/Die Grünen interessiert mich analyse wollen wir die verschiede- besonders die höchst spannende nen Möglichkeiten der Künstlerför- Aufgabe, die Schaffens- und Lebens- derung im weitesten Sinne verglei- situation von Künstlern zu beleuch- chen und auswerten und Reformen ten. Wie gehen der Bund, die Länder, oder Empfehlungen vorschlagen, v. l. .n. r.: Ursula Sowa, MdB, Helga Boldt Foto: Deutscher Bundestag die Kommunen mit Künstlerinnen die in die Praxis umgesetzt werden und Künstlern um? Bleiben alle auf können. Dies können veränderte ge- oder im europäischen Länderver- Angeboten für bildungsferne ten ausgeklopft und an manchen dem Kulturteppich, werden sie ge- sellschaftliche Rahmenbedingun- gleich. Schichten sein. Um ein Beispiel zu Stellen durch seidenes Tuch ersetzt treten, erstickt, eingewickelt, oder gen sein, wie etwa ein Kulturraum- Ein weiterer Bereich der Kultur- nennen: Schottland hat sich zum werden. ziehen sie einen fliegenden Teppich gesetz auf Länderebene. Das Land politik liegt mir sehr am Herzen und Ziel gesetzt, den Anteil der sozial Be- vor? Hier sehe ich einen Spiegel für Sachsen steht hier beispielhaft für sollte in der Agenda der Enquete nachteiligten an den Besuchern von Die Verfasserin ist Mitglied des Deut- die ganze Gesellschaft. die Anwendung einer Ordnung der stärkeres Gewicht erhalten: Die In- Kultureinrichtungen in sechs Jahren schen Bundestags, Obfrau der En- In einer Bestandsaufnahme, wie kulturellen Angebote nach Regio- tegration so genannter bildungsfer- um 5 Prozent zu steigern. Allgemein quete Kommission für Bündnis 90 / viele Künstlerinnen und Künstler nen. Vorstellbar ist der Vorschlag zur ner Schichten in das Kunst- und Kul- gilt: eine Vielzahl von Kleinprojekten Die Grünen, Einberuferin der welche Kunst unter welchen Bedin- Schaffung eines Kunst-Fonds, der turleben Deutschlands. – fahrende Bibliothek, Museums- Arbeitsgruppe II „Wirtschaftliche gungen schaffen, wie viele vom die alte Künstlersozialkasse ablöst Hilfreich wäre hier die Verständi- und TheaterpädagogInnen in die und soziale Lage der Künstlerinnen Kunst- und Kulturschaffen leben oder die Verbesserung des Urheber- gung auf einen Nationalen Aktions- Schulen etc. – soll helfen, die jewei- und Künstler“ ■

Kulturelle Bildung als Lebensmitte(l) Enquete-Kommission: Es geht um die Entwicklung überzeugender Handlungsempfehlungen • Von Helga Boldt

Vor unseren Augen vollziehen sich nalentwicklung vor gewaltige He- Generationentransfer dass bei kultureller Tätigkeit die sowohl rezeptiv als auch produktiv – Umbrüche, deren kulturelle und kul- rausforderungen. Gleichzeitig sind Spannung zwischen Vergangenheit legt den Grundstein für lebenslange turpolitische Tragweite erst zu ah- wir Zeuge des Übergangs von einer Mit Blick auf den Übergang von der und Zukunft nicht primär bedroh- Offenheit, Flexibilität und Gestal- nen ist. So verändern sich die seit Zwei- zur Vier-Generationen-Gesell- Zwei- zur Vier-Generationen-Gesell- lich-entwertend erfahren wird, son- tungskraft. Ästhetische Eindrücke, fast zwei Jahrhunderten bestimmen- schaft. Erstmalig in der europäi- schaft, kommt dem kulturellen Ge- dern gestaltend genutzt werden die früh und intensiv gespürt, entwi- den Grundmuster der Sozialisation in schen Entwicklung leben in größe- nerationentransfer prägende Be- kann. Kulturelle Bildung besitzt so- ckelt, erlebt wurden, sind bis an das deutlich schnellerem Tempo als je rem Umfang vier Generationen mit deutung zu. Kulturelle Bildung kann zusagen eine Werkstatt-Funktion für Lebensende abrufbar. Kulturelle zuvor. In manchen Großstadtbezir- ihren spezifischen kulturellen Prä- und muss in diesem Zusammen- Gesellschaftsentwicklung in dieser „Frühförderung“ besitzt daher in ken lebt nicht einmal mehr die Hälf- gungen neben- und miteinander. hang die Sensibilität dafür stärken, Vier-Generationen-Gesellschaft. sich genau das, was für andere Lern- te der schulpflichtigen Kinder in Versteht man Kultur als den Faktor, dass kulturelle Vielfalt und Differenz Was in diesem Feld gelernt, geliebt, felder erst mühsam konstruiert wer- häuslicher Gemeinschaft mit den der das Zusammenleben der Mit- nicht nur zwischen Regionen, Mi- erfahren wird, macht auch stark für den muss: die Anschlussfähigkeit an leiblichen Eltern. Die oft als Normal- glieder einer Gesellschaft in einem lieus und Geschlechtern, sondern andere Gestaltungsaufgaben. zukünftige Entwicklungen und Ge- fall unterstellte Form des Aufwach- umfassenden Sinne prägt, kommt auch zwischen den Generationen staltungsaufgaben. Sich der eigenen sens in der Kleinfamilie ist vielerorts diesen Veränderungen entscheiden- eine kostbare Entwicklungsressour- Lebenszeitperspektive schöpferischen Kräfte bewusst zu eher die Ausnahme als die Regel. de Bedeutung zu. Tragende Kom- ce der Gesellschaft darstellt. Die Se- sein, sich als Produzent und Rezipi- munikationsmuster unserer Gesell- paration von Generationenmilieus Bildungswissenschaft und neuro- ent gleichermaßen erfahren, Balan- nsbesondere in Ballungsgebieten schaft sind von diesen Veränderun- ist heute weniger denn je möglich. physiologische Forschungen bestä- ce spüren, Wahrnehmung und Aus- Iist längst nicht mehr zu überse- gen betroffen und tangieren nicht Daraus folgt aber auch, dass Orte, tigen, was die Kulturakteure schon druck verfeinern, sich selbst in his- hen, dass Deutschland ein Einwan- zuletzt das Gebiet der kulturellen Strukturen und Anlässe für interge- lange wussten: Kulturelle Tätigkeit torischer Kontinuität begreifen und derungsland ist; vielfältigste kultu- Bildung, das in den Beratungen der nerative Begegnung an Bedeutung ist wie keine andere Tätigkeit in der damit Zukunftsverantwortung über- relle Prägungen und eine starke In- Enquete-Kommission „Kultur in gewinnen. Kulturinstitutionen – Lage, dem Gehirn genau die anre- nehmen können, Eigensinnigkeit, ternationalisierung kultureller Ein- Deutschland“ eine wichtige Rolle Bibliotheken, Museen, Theater – gende Nahrung zuzuführen, die es Individualität und Gemeinschafts- flüsse beleben das kulturelle Leben spielt. Ich möchte zu drei Akzenten aber auch informelle Räume und lebenslang offen hält für ein Ausba- sinn erproben – alles dieses sind und fordern es gleichzeitig heraus. – Generationentransfer, Lebenszeit- vielfältige kulturelle Traditionen lancieren von Eindrücken, Emotio- Qualitäten, auf die kulturelle „Spät- In einigen Großstädten sind Single- perspektive, interkulturelle Neugier sind in diesem Zusammenhang be- nen und Entscheidungen. Daraus förderung“ zurückgreifen kann, Haushalte bereits die dominante Le- – erste Ansätze zu Handlungsemp- wusst und in öffentlicher Verantwor- folgt: Eine frühe, sorgfältig arran- bensform und der demographische fehlungen im Kontext der Enquete- tung zu gestalten. gierte, differenzierte Begegnung mit Weiter auf Seite 10 Wandel stellt die Stadt- und Regio- Kommission formulieren. Es liegt eine große Chance darin, Bewegung, Farben, Musik, Sprache – ZWISCHENBILANZ KULTUR-ENQUETE politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 10

Fortsetzung von Seite 9 merkmal, nicht „Migrantenkultur“ te selbstbewusst aus dem Schatten tische Begegnung mit Menschen, in ist in diesem Zusammenhang auf- als kulturelle Nische: Es geht um ei- der Kunstausübung treten, sich eben deren persönlich-beruflichem Mit- schlussreich: Wo gelingt die Verbin- ne umfassende interkulturelle Bil- nicht defizitär – „zum Künstler hat’s telpunkt Musik, Theater, Literatur dung Kultur – Schule, kulturelle Bil- Kulturelle Bildung als dung als Methode der Gesellschafts- halt nicht gereicht“ – sondern gestal- und Tanz, Kunst und Medien stehen. dung – allgemeine Bildung? Vor al- Lebensmitte(l) entwicklung. Wir brauchen eine tend präsentieren. Öffentliche Kul- Alle Beteiligten können profitieren. lem: Wie gelingt sie besser als hier? „Förderkulisse“, in der alle staatli- turvermittlung muss auf einem aus- Den Schülerinnen und Schülern er- Erfolgreiche PISA-Länder integrie- wenn in der „Frühförderung“ die Ba- chen Ebenen – Bund, Land, Kom- differenzierten „Freizeitmarkt“ um öffnet sich ein breiterer, für viele im- ren kulturelle Bildung systematisch sis gelegt wurde. Gerade eine immer mune, Stiftungen – ihre Mittel ge- private und öffentliche Zeit, um Räu- mer noch durch Schwellenängste in ihre Lernpartitur. Daneben sollte älter werdende Gesellschaft ist gut zielt, nachhaltig und aufeinander me, Geld und Aufmerksamkeit kon- verbauter Zugang zur Welt der Kunst; der interkulturellen Bildung in einer beraten, sich dieses Bogens von der bezogen zur Förderung des interkul- kurrieren. Nur wenn Kulturvermitt- die Künstlerinnen und Künstler fin- europäischen Perspektive für Euro- Früh– zur Spätförderung bewusst zu turellen Austauschs, der interkultu- lung gut gelingt, wird auch in Zu- den mehr Anregung, Anerkennung pa nachgegangen werden. Denkbar sein und ihre Strukturen an dieser rellen Bildung einsetzen. kunft der Einsatz öffentlicher Mittel und Resonanz und auch Lehrerin- wäre der Entwurf eines 10-Jahres- Aufgabe auszurichten. Was folgt nun aus diesen Überle- für Kultureinrichtungen, Kulturför- nen und Lehrer erfahren diesen Aus- Plans zur systematischen Stärkung gungen für die Arbeit der Enquete- derung, Kulturereignisse gesell- tausch als persönlich-pädagogische interkultureller Bildung parallel zum Interkulturelle Neugier Kommission? schaftlich akzeptiert sein. Eine Emp- Bereicherung und als Anstoß für wei- EU-Erweiterungsprozess. Kulturelle fehlung der Enquete-Kommission tergehende schulische Reformen. Mehrsprachigkeit und auswärtige Kulturelle Verständigung gilt als 1. Ausbildung: Kulturvermittler sollte darin liegen, der Kulturver- Kulturpolitik sind zwei Blickrichtun- Schlüssel für demokratische Ent- Wir haben in Deutschland Ausbil- mittlung in allen künstlerischen und 3. Kultur macht schlau, sozial und gen auf das gleiche Ziel. wicklung, nicht nur für das zusam- dungseinrichtungen für Kulturberu- kulturwissenschaftlichen Ausbil- glücklich Die Enquete-Kommission „Kul- menwachsende Europa. Nur Kultu- fe in großer Vielfalt, Qualität und dungsgängen größeres Gewicht zu Forschungsergebnisse zur Wirksam- tur in Deutschland“ hat in ihrer Ar- ren, die sich mit Neugier und Offen- Spezialisierung. Es gibt allerdings geben und sowohl Praxiserfahrun- keit kultureller Bildung belegen in beit inzwischen einen deutlichen heit austauschen, anregen und an- trotz der großen Anzahl öffentlich gen als auch interdisziplinäre Quali- beeindruckender Weise, dass Kul- Akzent auf das Desiderat einer um- reichern, bleiben entwicklungsfä- beauftragter Kulturarbeiter einen fikationen zu verstärken. turaktivitäten „schlau, sozial und fassenden und aktivierenden kultu- hig. Das Bekenntnis zu dem Wert kaum entwickelten Dialog zwischen glücklich“ machen. Gerade dieser rellen Bildung gelegt und eine erste kultureller Vielfalt in Europa erfor- Kulturausbildung und öffentlich ver- 2. Ganztagsschule – Zeit, Freiheit Dreiklang verhindert ein Instrumen- größere Anhörung zum Thema dert öffentliches Engagement für in- antwortetem Kulturarbeitsmarkt. und Geld für kulturelle Bildung talisieren kultureller Tätigkeit für durchgeführt. Im Weiteren wird es terkulturelle Begegnung auf allen Gemessen an der Quantität – allein Parallel zu den Veränderungen in „kulturfremde“ Zwecke. Wie wirkt ganz wesentlich um die Entwicklung Ebenen. Das alltägliche Zusammen- in einer mittleren Großstadt arbeiten den Familien- und Berufsstrukturen kulturelle Bildung konkret? Wie von tragfähigen, umsetzbaren und spiel von Dialog und Differenz ge- ungefähr 500 gut ausgebildete Kul- wächst die Akzeptanz öffentlich ver- wirkt intensive kulturelle Frühförde- überzeugenden Handlungsempfeh- lingt allerdings nur in einem för- turfachleute in kommunalem Auf- antworteter ganztägiger Bildung, Er- rung? Auch neurobiologische For- lungen für diese Querschnittsaufga- dernden und fordernden Milieu. trag in Bücherein, Musikschulen, im ziehung und Betreuung. Aus diesem schungsergebnisse sind hier einzu- be gehen. Interkulturelle Bildung im um- Theater, in Museen und Gedenkstät- Dreiklang – Erziehung, Bildung und beziehen. Eine zentrale Frage wird fassenden Sinne bedeutet dabei we- ten, in der Unterstützung freier Kul- Betreuung – ergeben sich sowohl An- also sein, wie zukünftig ein „Recht Die Verfasserin ist Dezernentin für sentlich mehr als ein geduldetes Ne- tur – verwundert dieser Mangel an forderungen als auch Chancen für auf kulturelle Bildung“ ausgestaltet Schule, Kultur und Sport der Stadt beneinander unterschiedlicher Kul- öffentlichem Dialog. Professionelle die musisch-kulturelle Bildung. sein könnte, das eine breite Partizi- Münster und sachverständiges turen. Nicht Mehrheits- und Min- Kulturvermittlung ist anspruchsvoll Mehr Zeit, Freiheit und Geld für Kul- pation an Kultur gewährleistet. Mitglied der Enquete-Kommission derheitskultur als Unterscheidungs- und chancengleich zugleich; sie soll- tur, das bedeutet auch mehr authen- Auch ein „Blick über den Zaun“ „Kultur in Deutschland“ ■

Wissensgrundlage für das Parlament Sind Enquete-Kommissionen sinnvolle Instrumente der Politikberatung? • Von Olaf Zimmermann

Die Bundestagsabgeordneten sind es im Deutschen Bundestag gibt. Münden sollte diese Aufnahme des tionen der Länder, der Städte und Zum Beispiel: Bundesnetzwerk oft nicht zu beneiden. Der normale Insgesamt wurden seit 1969 33 Ist-Zustands in konkrete Hand- Gemeinden sowie der zivilgesell- Bürgerschaftliches Engagements Ausschussalltag im Deutschen Bun- Enquete-Kommissionen eingerich- lungsempfehlungen an den Bundes- schaftlichen Akteure selbst sehr vor- Ein greifbares Ergebnis der Arbeit destag lässt ihnen nur wenig Zeit, tet. (Aufstellung siehe nächste Seite) gesetzgeber zur Verbesserung der sichtig anzudeuten. Handgreiflich der Enquete-Kommission „Zukunft sich mit wichtigen Fragen ausführ- Doch sind Enquete-Kommissio- Rahmenbedingungen für Bürger- sind vor allem die Vorschläge für den des Bürgerschaftlichen Engage- lich zu befassen. Die Anwesenheit nen wirklich der richtige Ort, um schaftliches Engagement. Bundesgesetzgeber. ments“ ist das im letzten Jahr ge- der Abgeordneten im Plenum, die unabhängig von den Ministerien der Diesen Auftrag hat die Enquete- Zur Vorbereitung der Hand- gründete Bundesnetzwerk Bürger- von den Medien oftmals als Grad- Bundesregierung Wissensgrundla- Kommission pünktlich zum Ende lungsempfehlungen und um die ei- schaftliches Engagements. Die En- messer für den Fleiß der Abgeordne- gen zu erarbeiten und Handlungsal- der Legislaturperiode erledigt und gene Arbeit auf eine sichere Grund- quete-Kommission hatte in ihrem ten genommen wird, ist in Wirklich- ternativen für den Deutschen Bun- einen umfassenden Abschlussbe- lage zu stellen, hatte die Enquete- Abschlussbericht die Einrichtung ei- keit nicht der Ort der Arbeit. Gear- destag zu entwickeln? Und werden richt vorgelegt. Im Abschlussbericht Kommission die Gelegenheit, Gut- nes solchen Bundesnetzwerkes ge- beitet wird in den Ausschüssen, wie die Vorschläge der Enquete-Kom- wurde die Vision einer engagierten achten an externe Experten zu ver- fordert und die Anschubfinanzie- zum Beispiel „Kultur und Medien“, missionen wirklich von Parlament Bürgergesellschaft skizziert und sehr geben. Das interessanteste, umstrit- rung durch die Bundesregierung ge- „Gesundheit und Soziale Sicherung“, ernst genommen und umgesetzt? konkret beschrieben, welche Hemm- tenste, am Ende aber fast das hilf- fordert. „Haushalt“ oder „Recht“. In den Ich will versuchen, diese Frage nisse auf dem Weg dorthin vom Ge- reichste Gutachten war das so ge- Ausschüssen müssen Gesetzesent- anhand der Enquete-Kommission setzgeber beseitigt werden müssten. nannte Rechtsgutachten, das sehr Zum Beispiel: Unterausschusses würfe fristgerecht beraten und abge- Zukunft des Bürgerschaftlichen En- Am 13. Juni 2002 wurde der Ab- frühzeitig an ein Forscherkollegium Bürgerschaftliches Engagements stimmt werden, Initiativen aus dem gagements (14. Wahlperiode 1998- schlussbericht im Deutschen Bun- von Steuer- und Sozialrechtlern ver- Ein zweites ist die Institutionalisie- Parlament müssen eingebracht wer- 2002) zu erläutern und Rückschlüs- destag debattiert. Er wurde mit den geben worden war. rung der Parlamentarischen Debat- den, Gespräche mit Experten und se auf die aktuelle Arbeit der Enque- Stimmen aller Fraktionen verab- In diesem Gutachten wurde akri- te zu Fragen des Bürgerschaftlichen Verbandvertretern, mit Mitgliedern te-Kommission Kultur in Deutsch- schiedet. Kritische Leser von Enque- bisch und umfassend durchleuch- Engagement durch die Einrichtung der Regierung und mit Beamten der land (15. Wahlperiode 2002 - voraus- te-Kommissionsberichten werden tet, inwieweit die rechtlichen Rah- des Unterausschusses Bürgerschaft- Ministerien müssen geführt werden. sichtlich 2006) zu ziehen. feststellen, dass gerade dieser Be- menbedingungen geändert werden liches Engagements des Deutschen Und natürlich mit der eigenen Frakti- richt relativ wenige Minderheitenvo- müssten. Es wurde zugleich reflek- Bundestages. Der Unterausschuss on, der Regierungskoalition oder der Enquete-Kommission ten enthält. Das zeigt, dass in vielen tiert, wie sich solche Änderungen in hat sich selbst die Aufgabe gesellt, Opposition, müssen rechtzeitig Ab- Feldern Übereinstimmung zwischen die generelle Rechtssetzung einord- die Vorschläge der Enquete-Kom- sprachen getroffen werden. Viel Zeit „Zukunft des Bürgerschaft- Regierung, Opposition sowie Sach- nen könnten. Durch das Rechtsgut- mission „Zukunft des Bürgerschaft- bleibt da nicht, um sich einem um- lichen Engagements“ verständigen erzielt werden konnte. achten kehrte bei einigen Kommis- lichen Engagements“ kontinuierlich fangreichen Sachverhalt intensiv Der Arbeitsauftrag der Enquete- sionsmitgliedern Ernüchterung ein. auf der Agenda der Beratungen des und über einen längeren Zeitraum Die 22 Mitglieder der Enquete-Kom- Kommission des Deutschen Bun- Viele Vorschläge, die aus den Verei- Deutschen Bundestags zu halten. widmen zu können. mission „Zukunft des Bürgerschaft- destags „Zukunft des Bürgerschaftli- nen oder von Bürgerschaftlich En- lichen Engagements“ haben in der chen Engagement“ reichte über die gagierten an die Kommissionsmit- Zum Beispiel: Unfallversicherungs- eshalb hat der Deutsche Bun- zweieinhalbjährigen Laufzeit der Beschreibung von Engagementfel- glieder herangetragen wurden, er- rechtlichen Schutzes bürgerschaft- Ddestag 1969 das Instrumentari- Kommission ein gewaltiges Arbeits- dern hinaus. Entsprechend gliedert wiesen sich als nicht umsetzbar, da lich Engagierter um der „Enquete-Kommission“ ein- pensum erledigt. Mitglieder der sich der Abschlussbericht in drei weder Bürgerschaftlich Engagierte Das dritte ist der Entwurf eines Ge- geführt. Auf Antrag mindestens ei- Kommission waren 11 Abgeordnete umfangreiche Teile. noch Vereine eine gänzliche Freistel- setzes zur Verbesserung des unfall- nes Viertels seiner Mitglieder ist der des Deutschen Bundestags. Fünf Im ersten Teil, Teil A, wird die Vi- lung von dem geltenden gesetzli- versicherungsrechtlichen Schutzes Bundestag verpflichtet, zur Vorbe- Mitglieder der SPD-Fraktion, drei sion einer engagierten Bürgergesell- chen Rahmen erwarten können. bürgerschaftlich Engagierter und reitung von Entscheidungen über der CDU/CSU-Fraktion und jeweils schaft entworfen. Es werden also die Von dem großen Ziel einer um- weiterer Personen der am umfangreiche und bedeutsame eines der FDP-Fraktion, der PDS- Perspektiven eines künftigen Enga- fassenden Änderung des Steuer- 29.06.2004 von der SPD-Fraktion Sachkomplexe Enquete-Kommis- Fraktion und der Fraktion Bündnis gement umrissen. Teil B beschreibt rechts speziell für Vereine oder für und der Fraktion Bündnis 90/Die sionen einzusetzen. Die Mitglieder 90/Die Grünen. Jeder Abgeordnete die Strukturen des aktuellen Enga- Bürgerschaftlich Engagierte musste Grünen in den Deutschen Bundes- der Enquete-Kommission werden hatten einen Stellvertreter. Zusätz- gement. Hier werden verschiedene daher sehr schnell Abstand genom- tag eingebracht wurde. Dieser Ge- im Einvernehmen der Fraktionen lich gehörten der Enquete-Kommis- Handlungsfelder, so auch Kultur, men werden. Auch wenn Vereine im setzesentwurf geht direkt auf Hand- benannt. Enquete-Kommissionen sion 11 Sachverständige an, die von vorgestellt. Spezifische Problemla- Alltag mit zahlreichen Problemen lungsempfehlungen der Enquete- bestehen aus Abgeordneten und ex- den Fraktionen persönlich benannt gen werden angerissen und Ent- aus dem Steuerrecht konfrontiert Kommission „Zukunft des Bürger- ternen Sachverständigen, die in der waren. Auch hier spiegelten sich die wicklungsperspektiven aufgezeigt. sind, erschien es als nicht umsetz- schaftlichen Engagements“ zurück. Enquete-Kommission die selben Mehrheitsverhältnisse des Parla- Am konkretesten wird Teil C des Ab- bar, für Vereine spezielle Ausnah- Rechte und Pflichten wie die Abge- mentes wieder. So stellte die SPD schlussberichtes. Hier werden greif- men der steuerrechtlichen Bestim- Zum Beispiel: Übungsleiterpau- ordneten haben. Sie legen dem Bun- fünf Sachverständige, die CDU/CSU bare Vorschläge unterbreitet, welche mungen zu schaffen. Trotz dieser schale und Stiftungs- und des Stif- destag Berichte und Empfehlungen drei, die FDP, Bündnis 90/Die Grü- Gesetze bzw. Verordnungen des Einschränkung, dass zu Gunsten des tungssteuerrechts bis zum Ende der Wahlperiode vor. nen und die PDS jeweils einen. Bundes geändert werden sollten, Bürgerschaftlichen Engagement Der Bundesgesetzgeber hat außer- In den Empfehlungen werden dem Die Fraktionen des Deutschen damit das Bürgerschaftliche Enga- nicht das gesamte Rechtssystem auf dem bereits in der 14. Legislaturpe- Deutschen Bundestag für zukünfti- Bundestag hatten in ihrem Einset- gement sich besser entfalten kann. „den Kopf gestellt“ werden kann, hat riode mit der Anhebung der ge politische Entscheidungen Vor- zungsbeschluss der Enquete-Kom- Dabei hat sich die Enquete-Kom- die Enquete-Kommission einige be- Übungsleiterpauschale sowie der schläge unterbreitet. Eine Enquete- mission zuerst den Auftrag erteilt, mission als Kommission des Deut- merkenswerte Vorschläge erarbeitet, Kommission ist die stärkste Form das Bürgerschaftliche Engagement schen Bundestags darauf be- die bereits umgesetzt wurden oder Weiter auf Seite 11 unmittelbarer Politikberatung, die zu erfassen und zu beschreiben. schränkt, mögliche Handlungsop- gerade umgesetzt werden. ZWISCHENBILANZ KULTUR-ENQUETE politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 11

Fortsetzung von Seite 10 Sachverständige an, die von den gen der sich zur Zeit in der Diskussi- Fraktionen persönlich benannt wa- on befindlichen neuen Krankenver- Die Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestags ren. Auch hier spiegelten sich die sicherungssysteme, wie die Bürger- Reform des Stiftungs- und des Stif- Mehrheitsverhältnisse des Parla- versicherung oder die Kopfpauscha- tungssteuerrechts Signale zur Stär- mentes wieder. So stellte die SPD le, auf die Künstlersozialkasse rich- kung des Bürgerschaftlichen Enga- fünf Sachverständige, die CDU/CSU ten. Gelten auch in der Zukunft noch 06. Wahlperiode • Auswärtige Kulturpolitik gements gegeben. Diese Signale wä- vier, die FDP und Bündnis 90/Die die Sonderregelungen des Künstler- ren nicht so deutlich ausgefallen, Grünen jeweils einen (siehe hierzu sozialversicherungsgesetzes für selb- 1969 - 1972 • Fragen zur Verfassungsreform hätte die Enquete-Kommission „Zu- Seite 6). ständige Künstler und Publizisten? kunft des Bürgerschaftlichen Enga- Das Arbeitsprogramm der En- Bleibt es bei einer paritätischen Fi- gements“ diese positiven Initiativen quetekommission teilt sich in drei nanzierung der Künstlersozialversi- 07. Wahlperiode • Auswärtige Kulturpolitik * nicht begleitet und unterstützt. Schwerpunktbereiche auf: cherung durch die Versicherten (50 1972 - 1976 • Verfassungsreform * • Die öffentliche und private Förde- Prozent), die Verwerter (30 Prozent) Zum Beispiel: Öffentliche Beach- rung von Kunst und Kultur – Struk- und den Bund (20 Prozent)? Bleibt • Frau und Gesellschaft tung turwandel die Künstlersozialversicherung ein Ein wirkliches Verdienst der Enque- • Die wirtschaftliche und soziale La- eigenständige Einrichtung, angeglie- te-Kommission war, das sie mithalf, ge der Künstlerinnen und Künstler dert an die Unfallkasse des Bundes, 08. Wahlperiode • Frau und Gesellschaft * das Thema „Bürgerschaftliches En- • Kulturlandschaft und Kulturstand- wird sie selbständig oder wird sie in 1976 - 1980 • Zukünftige Kernenergiepolitik gagement“ in den Köpfen der Politi- ort Deutschland – kulturelle ein neues System überführt? ker und auch der Öffentlichkeit zu Grundversorgung verankern. Schon die heftig geführte Jeder Arbeitsbereich hat noch zig Fazit: 09. Wahlperiode • Neue Informations- und Kommunikationstechniken Debatte in der Enquete um den Be- Unterpunkte, die in Gänze sicher griff „Bürgerschaftliches Engage- nicht vollständig bearbeitet werden Als erstes Fazit aus der Arbeit der 1980 - 1983 • Jugendprotest im demokratischen Staat ment“ versus „Ehrenamt“ war dabei können. In den Diskussionen schä- Enquete-Kommission „Zukunft des • Zukünftige Kernenergiepolitik * sehr hilfreich. Das selbst der Bun- len sich aber bereits mindestens drei Bürgerschaftlichen Engagements“ deskanzler sich das Thema „Bürger- Handlungsbereiche heraus, in de- kann an dieser Stelle gezogen wer- schaftliches Engagement“ zu eigen nen die Enquete-Kommission deut- den, dass es weniger auf die Quanti- 10. Wahlperiode • Chancen und Risiken der Gentechnologie gemacht hatte, zeigt die Dynamik liche Akzente setzen will: tät an Vorschlägen und Handlungs- der Diskussion. Heute ist der Begriff empfehlungen sondern vielmehr 1983 - 1987 • Einschätzung und Bewertung von Technikfolgen; „Bürgerschaftliches Engagement“ Zum Beispiel: Staatszielbestim- auf die Qualität ankommt. Der Ab- Gestaltung von Rahmenbedingungen der techni- nicht mehr umstritten. mung Kultur schlussbericht der Enquete-Kom- Zwei Jahre nach Ende der En- Neuen Fahrtwind hat die Diskussion mission „Zukunft des Bürgerschaft- schen Entwicklung lichen Engagements“ enthielt bei- des. Einige der Handlungsempfeh- lungen waren sehr praxisnah formu- 11. Wahlperiode • Gefahren von AIDS und wirksame Wege zu ihrer liert und konnte deshalb rasch um- 1987 - 1990 Eindämmung gesetzt werden konnten. Es hat sich Qualität vor Quantität außerordentlich bewährt, die Vor- • Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung schläge, die in Anhörungen, Gutach- • Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre ten und Gesprächen zur Verbesse- rung der Rahmenbedingungen für • Gestaltung der technischen Entwicklung; Technik- Bürgerschaftliches Engagements eingesammelt wurden, auf ihre folgenabschätzung und -Bewertung * quete-Kommission „Zukunft des um die Verankerung des Staatsziels rechtliche Umsetzung abzuklopfen • Zukünftige Bildungspolitik Bürgerschaftlichen Engagements“ Kultur im Grundgesetz durch die und sowohl in das Steuerrecht, Sozi- kann ein erstes positives Fazit gezo- Aussagen des letzten Bundespräsi- alversicherungsrecht oder anderer gen werden. Erste gesetzliche Maß- denten Johannes Rau bekommen, Rechtsgebiete einzuordnen. 12. Wahlperiode • Schutz der Erdatmosphäre nahmen sind auf den Weg und die der sich als überzeugter Föderalist Die Enquete-Kommission „Kul- Debatte zur Verbesserung der Rah- dafür stark gemacht, Kultur als tur in Deutschland“ sollte sich die 1990 - 1994 • Schutz des Menschen und der Umwelt – Bewer- menbedingungen für das Bürger- Staatsziel im Grundgesetz zu veran- erfolgreiche Arbeit der Enquete- tungskriterien und Perspektiven für umweltverträg- schaftliche Engagement ist im Deut- kern, um so die Rahmenbedingun- Kommission „Zukunft des Bürger- schen Bundestag dauerhaft institu- gen für die Kulturfinanzierung und schaftlichen Engagements“ genau liche Stoffkreisläufe in der Industriegesellschaft tionalisierte worden. Diese Bewäh- Kulturförderung nachhaltig zu ver- anschauen. Vorschläge an die Kom- • Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED- rungsprobe hat die Enquete-Kom- bessern. In ersten Diskussionen in munen, die Länder, die Verbände mission „Kultur in Deutschland“ der Enquete-Kommission zeichnet und die Tarifparteien zu machen, ist Diktatur noch vor sich. sich ab, dass eine Reihe von Kom- legitimes Recht einer Enquete-Kom- • Demographischer Wandel – Herausforderung unse- missionsmitgliedern eine solche mission. Hauptaufgabe aber ist es, Enquete-Kommission Forderung teilen würden. Ein Staats- Vorschläge für den Deutschen Bun- rer älter werdenden Gesellschaft an den einzelnen ziel Kultur müsste die kulturelle Bil- destag zu unterbreiten. Diese Vor- „Kultur in Deutschland“ dung einschließen und wäre eine ge- schläge haben eine größere Realisie- und die Politik Ebenso wie die Enquete-Kommissi- eignete Argumentationshilfe für Kul- rungschance, wenn sie rechtlich sau- on „Zukunft des Bürgerschaftlichen turpolitiker in Kommunen, Land- ber abgesichert und von einer mög- 13. Wahlperiode • Schutz des Menschen und der Umwelt – Ziele und Engagements“ steht auch die En- kreise, Ländern und dem Bund. lichst großen Zahl von Enquetemit- quete-Kommission „Kultur in gliedern getragen werden können. 1994 - 1998 Rahmenbedingungen einer nachhaltigen zukunfts- Deutschland“ vor der Herausforde- Zum Beispiel: Kulturelle Grundver- Es sollte bei der Enquete-Kom- rung ein sehr komplexes Feld inner- sorgung mission „Kultur in Deutschland“ wie trächtigen Entwicklung * halb eines relativ kurzen Zeitrah- Kulturförderung ist eine freiwillige schon bei der Enquete-Kommission • Demographischer Wandel – Herausforderung unse- mens aufzunehmen, zu beschreiben Leistung der Kommunen, Länder „Zukunft des Bürgerschaftlichen und schließlich Handlungsempfeh- und des Bundes. Mit der „Freiwillig- Engagements“ das Ziel verfolgt wer- rer älter werdenden Gesellschaft an den einzelnen lungen zu unterbreiten. Je tiefer in keit“ ist man auch so lange gut ge- den, in den wichtigen Punkten ein und die Politik * die Materie eingetaucht wird, desto fahren, solange die Öffentlichen gemeinsames Votum der gesamten deutlicher wird, dass ebenso wenig Haushalte Spielräume bei der Verga- Enquete abzugeben. Minderheiten- • Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Pro- von dem Kulturbereich als solchen be von Mitteln hatten. Jetzt wo viele voten sind oft ein Ausdruck fehlen- wie der deutschen Kultur gespro- Kommunen und einige Länder kei- der Diskussions- und Kompromiss- zess der deutschen Einheit * chen werden kann. Kultur in nen ausgeglichen Haushalt mehr bereitschaft der Mehrheitsfraktio- • Zukunft der Medien Deutschland ist sehr vielgestaltig vorlegen können, dürfen Finanzie- nen und behindern die Umsetzung und von Interessengegensätzen ge- rungen in freiwillige Leistungen nur der Vorschläge in der nächsten Le- • Sogenannte Sekten und Psychogruppen prägt. Verbesserungen für die eine noch in sehr engen Grenzen vorge- gislaturperiode. Seite, die Künstler beispielsweise, nommen werden. Die Enquete- Eine Enquete-Kommission ist können Verschlechterungen für die Kommission wird die Frage beant- kein normaler Ausschuss des Deut- 14. Wahlperiode • Recht und Ethik der modernen Medizin andere, die Verwerter zum Beispiel, worten müssen, ob Kultur eine ent- schen Bundestages. In einer Enque- 1998 - 2002 • Globalisierung der Weltwirtschaft - Herausforderun- bedeuten. Die Enquete-Kommissi- behrliche freiwillige Leistung ist, te-Kommission müssen weder die on wird versuchen müssen, den un- oder ob eine kulturelle Grundver- Ziele der Regierung, noch der Oppo- gen und Antworten terschiedlichen Akteuren und deren sorgung Pflichtaufgabe werden sition durchgesetzt werden. Ge- • Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements hohen Erwartungen gerecht zu wer- muss. Besonders die Definition was meinsam mit den Sachverständigen den. Die Konzentration auf einige zur „Kulturellen Grundversorgung“ sollen die Abgeordneten nachden- • Demographischer Wandel - Herausforderungen un- wesentliche Aspekte könnte dabei dazu gehört, verspricht sehr span- ken und Vorschläge für neue Wege hilfreich sein. nend zu werden. machen. In einer Enquete-Kommis- serer älter werdenden Gesellschaft an den Einzel- Die Enquete-Kommission „Kul- sion kann keine Partei gewinnen, nen und die Politik * tur in Deutschland“ besteht wie die Zum Beispiel: Soziale Sicherung der sondern im besten Fall der Sache ge- Enquete-Kommission „Zukunft des Künstler nützt werden. • Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedin- Bürgerschaftlichen Engagements“ Künstlerinnen und Künstler verfü- gungen der Globalisierung und der Liberalisierung aus 22 Mitgliedern. Mitglieder der gen über ein durchschnittliches Jah- Der Verfasser, Geschäftsführer des Kommission sind 11 Abgeordnete reseinkommen von rund 11.100 Eu- Deutschen Kulturrates, war Sachver- des Deutschen Bundestags. Fünf ro, dass ist nur 1/3 des Einkommens ständiges Mitglied der Enquete- 15. Wahlperiode • Ethik und Recht der modernen Medizin * Mitglieder der SPD-Fraktion, vier eines normalen Arbeitnehmers. Das Kommission „Zukunft des Bürger- der CDU/CSU-Fraktion und jeweils geringe Einkommen der Künstler schaftlichen Engagements“ und ist 2002 – voraus- • Kultur in Deutschland eines der FDP-Fraktion und der zieht automatisch eine sehr kleine Sachverständiges Mitglied der sichtlich 2006 Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Renten nach sich. Hier wird die En- Enquete-Kommission „Kultur in Jeder Abgeordnete hatten einen quete-Kommission Antworten für Deutschland“ ■ * Enquete-Kommissionen, die erneut eingesetzt wurden, weil die Arbeit Stellvertreter. Zusätzlich gehören Verbesserungen finden müssen. Be- noch nicht abgeschlossen wurde oder eine erweiterte Thematik der Enquete-Kommission 11 den sonders Augenmerk muss die Enque- behandelt werden sollte. Abgeordneten gleichberechtigte te-Kommission auf die Auswirkun- ZUR DISKUSSION GESTELLT politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 12

Autonomie der Kunst stellt zur Diskussion Systematische und historische Anmerkungen zu einem schwierigen Begriff • Von Max Fuchs

Wenn ein großer Kulturverband aus sich doch, über diese unterstellte Kontext zu tun: Es ist ein sozialer, politik und kultur stellt in dieser Rubrik Beiträge zur Diskussion. Es werden dem Theaterbereich auf seiner Selbstverständlichkeit nachzuden- ein politischer und ein ökonomi- bewusst Artikel publiziert, die zum Widerspruch reizen, die kulturpolitische Hauptversammlung ausdrücklich in ken. Denn man muss nur die Gren- scher Prozess und kann damit auch Debatte anregen und Diskussionen hervorrufen sollen. Die Beiträge spiegeln einer Resolution formuliert, Theater zen Deutschlands überschreiten, in einer sozialen, politischen und als Namensartikel die Meinung der Autorinnen und Autoren wieder. sei Kunst und sonst nichts und dies um zu erleben, dass in anderen Län- ökonomischen Perspektive betrach- Die Redaktion erhofft sich mit dieser Rubrik, die kulturpolitische Debatte zu mit der bedrohlichen Bemerkung ver- dern der Hinweis auf eine vorgebli- tet werden. Die These, Theater sei beleben und jenseits abgestimmter Verbandsmeinungen, die immer einen stärkt, dass jeder, der etwas ande- che „Autonomie“ keineswegs aus- Kunst und sonst nichts, führt also Kompromiss darstellen müssen, Anstöße zur künftigen Kulturpolitik zu geben. res sage, nichts von Theater ver- reicht, um Finanzierungsfragen zu gerade nicht zur Beendigung der Widerspruch zu den vorgetragenen Meinungen ist nicht nur erlaubt, sondern stünde, dann muss man durchaus lösen. Debatte, sondern man kann wegen ausdrücklich erwünscht. einmal darüber nachdenken, warum Eine erste Assoziation zur „Auto- der Vielperspektivität von Kunst dies so formuliert wird, welches das nomie der Kunst“ könnte die unter- dann auch bei dem Theater anfan- Die Redaktion ■ Ziel dieser Formulierung ist und auf schiedlichen Erscheinungsformen gen mit einer vielperspektivischen welche historischen und systemati- dessen, was unter Kunst subsum- Diskussion. schen Zusammenhänge man mit ei- miert wird, Revue passieren lassen. Daraus folgt, dass sich aus der ner solchen Formulierung anspielt. Wenn man sich etwa ganz traditio- Einordnung einer künstlerischen geht von einem handelnden und Kunstrezeption nicht im luftleeren nell und im Einklang mit dem All- Aktivität gleich welcher Art unter die wertenden Subjekt aus, das sich sel- Raum stattfinden, sondern unter as Ziel dieser Formulierung ist tagsverständnis ein Gedicht vor- Rubrik „Kunst“ nicht sofort eine ber die Regeln seines Handelns oder konkreten sozialen, politischen und Drelativ leicht aus dem Kontext stellt, ein Bild, eine Skulptur, ein plausible Erklärung der Sonderstel- Wertens gibt. Doch welches sind die ökonomischen Verhältnissen, dann zu erschließen: Es geht um den Ver- Konzert, eine Choreographie oder lung des betreffenden Bereichs er- „handelnden Subjekte“ im Kontext ist es unmittelbar einsichtig, dass such, die reichhaltige Theaterland- eine Theateraufführung, dann ge- gibt, sondern vielmehr dadurch viel- der Kunst und welche Dimensionen diese Prozesse zum Gegenstand der schaft in Deutschland zu erhalten langt man schnell zu der Überle- fältigste Diskurse eröffnet werden, von Kunst lassen sich außerdem unterschiedlichen wissenschaftli- und weiteren Kürzungen der öffent- gung, dass bei all diesen künstleri- bei denen die Frage der „Autono- noch identifizieren? chen Disziplinen werden können: lichen Hand entgegenzutreten. Dies schen Manifestationen Menschen mie“ sich gerade nicht von selbst be- „Kunst“ ist ein ausgesprochen Natürlich sind in erster Linie die ist selbstverständlich eine legitime beteiligt sind, die damit ihren Le- antwortet. komplexes Geschehen. Man mag spartenbezogene Kunstwissen- daher von einem einfachen Struk- schaften (mit historischer und syste- turmodell des Kunstprozesses aus- matischer Perspektive) und die phi- gehen: bei dem wir die drei Kompo- losophische Ästhetik gefragt. Es er- nenten künstlerisches Subjekt, geben sich allerdings auch sinnvolle künstlerische Tätigkeit und künstle- Fragestellungen für die Ökonomie, risches Objekt (Kunstwerk) unter- die Soziologie, die Politikwissen- scheiden und jeweils die Frage nach schaft oder die Psychologie. Da die der Autonomie stellen. In der Tat Künste außerdem Gegenstand der führt selbst diese einfache Ausdiffe- Bildungsarbeit sind, interessieren renzierung des Komplexes Kunst zu sich auch die Erziehungswissen- sinnvollen Untersuchungsrichtun- schaften für diese Prozesse. Auch gen: hier ist es bekannt, dass „Autono- • Man kann sich mit der Genese des mie“ (man spricht hier lieber vom Künstlerberufes beschäftigen und Eigenwert oder Eigensinn der künst- danach fragen, unter welchen lerischen Tätigkeit) eine Vorausset- Umständen der Beruf des Musi- zung für gelingende künstlerische kers, des Komponisten, des Ma- Bildungsarbeit ist. lers, des Schauspielers, des Schriftstellers, des Regisseurs oder Kunst im sozialen Kontext Dichters etc. entstanden ist, aus welchen Berufen sich diese künst- Die These von der Autonomie der lerischen Berufe entwickelt haben Kunst war nicht bloß immer wieder und wie und warum sie ihre Eigen- ein Gegenstand einer wertfreien ständigkeit gewonnen haben (vgl. Nachforschung ihrer historischen Ruppert 1998). Autonomie der Genese und ihrer systematischen Kunst heißt unter dieser Perspekti- Bedeutung im Rahmen der Ästhetik ve: Autonomie des künstlerischen oder den Theorien der Künste. Sie Berufs. war auch immer wieder eine He- • Man kann danach fragen, unter rausforderung für Künstlerinnen welchen Bedingungen sich die und Künstler, die sich mit ihrer Das Bürgertum schafft sich seine Kunst: Konzert im »Neuen Gewandhaus« Leipzig, 1891. Nach einer Zeichnung von Emil Limmer verschiedenen künstlerischen Tä- Kunst bewusst in soziale und politi- tigkeiten als besondere Tätigkeits- sche Prozesse einmischen wollten Aufgabe eines kulturellen Fachver- bensunterhalt bestreiten! Man Dass man sich gegen eine Öko- formen (die gegebenenfalls von und die die von der Autonomiethese bandes. Aus dem Kontext erschlie- denkt daran, dass man es unter Um- nomisierung des Kunstbereichs Menschen mit speziellen Berufen unterstellte Trennung von Kunst ßet sich auch schnell, dass man sich ständen mit Betrieben und Kultur- wehrt, ist einsichtig. Denn eine Un- ausgeübt werden) entwickelt ha- und Leben bewusst nicht mit voll- mit der Formulierung, Theater sei einrichtungen unterschiedlicher terordnung unter das ökonomische ben. Autonomie der Kunst heißt ziehen wollten. Insbesondere war es nichts anderes als Kunst, nicht bloß Größe zu tun hat, die aus der Bereit- Verwertungsprinzip, was auch heißt: unter dieser Perspektive: Autono- immer wieder die Avantgarde, die gegen die im Moment grassierende stellung dieser künstlerischen Pro- unter den Zwang zur Gewinnmaxi- mie der künstlerischen Tätigkei- Kunst und Leben zusammenbrin- Ökonomisierung aller Lebensberei- dukte nicht bloß Einnahmen, son- mierung, würde sofort zum Ende ei- ten. gen wollte und die von daher das che wendet, die auch vor dem Kul- dern manchmal sogar einen Gewinn nes jeden künstlerischen Experi- • Man kann danach fragen, unter Verständnis einer autonomen Kunst turbereich nicht Halt macht, son- erzielen wollen und können. Aller- ments führen. Doch wieso wehrt welchen Bedingungen die Ergeb- nicht teilte. dern man wendet sich auch gegen dings denkt man in diesem finanzi- man sich dagegen, ein Teil der „Da- nisse der künstlerischen Tätigkeit In einer materialistischen Per- Versuche, Kultur- und Kunsteinrich- ellen Zusammenhang sicherlich seinsvorsorge“ beziehungsweise der einen besonderen Status erhalten spektive gehört Kunst zum ideologi- tungen im Rahmen einer Argumen- auch daran, dass viele der Einrich- „Grundversorgung“ zu sein? Beide (zum Beispiel „Aura“) und in einer schen Überbau der Gesellschaft und tation mit Begriffen wie „Daseins- tungen einen erheblichen Zuschuss Begriffe haben zwar durchaus eine besonderen Weise präsentiert wer- ist daher abhängig von der materiel- vorsorge“ oder „Grundversorgung“ zu ihren Betriebskosten brauchen. problematische Geschichte bezie- den. Autonomie der Kunst heißt len Basis. Materialistische Untersu- vor dem Zugriff einer ökonomi- Spätestens hierbei fällt auf, dass hungsweise führen zu Assoziatio- unter dieser Perspektive: Autono- chungen zur Geschichte der Kunst schen Denkweise und sparwütiger es zwar bei der Rede von Kunst na- nen, die dem Kulturbereich unange- mie des Kunstwerks. versuchten daher immer wieder, Politiker zu schützen und eine öf- türlich und in erster Linie um den messen sind, so dass man sehr ge- diese Abhängigkeit der Kunst von fentliche Förderung des Theaterbe- künstlerischen Prozess oder ein nau über die Bedingungen ihrer An- Der Kunstprozess besteht jedoch den Produktionsverhältnissen nach- reichs auch zukünftig aufrechtzuer- Kunstwerk geht, dass aber dieses wendbarkeit nachdenken muss. Zu nicht nur in der Herstellung von zuweisen. Im Gegenzug hierzu be- halten. Kunstwerk auf vielfältige Weise in dem Begriff der Daseinsvorsorge Kunstwerken, sondern es müssen standen anti-materialistische Den- Möglicherweise ist es gerade an- gesellschaftliche und auch in öko- siehe meinen entsprechenden Auf- diese auch verteilt (Kunstvermitt- ker auf der Priorität des geistigen Le- gesichts der historischen Tradition nomische Zusammenhänge einge- satz in „Politik und Kultur“, Ausgabe lung, Distribution) und schließlich bens. Es liegt auf der Hand, dass die- in Deutschland nicht sonderlich be- bettet ist, bis es seinen Weg von sei- 2/2004. Doch wird man beiden Be- auch rezipiert werden. In einer se- se beiden konträren Positionen über merkenswert, dass man glaubt, dies nem künstlerischen Produzenten griffen nicht bestreiten können, dass miotischen Sichtweise ist dies die den Status der Kunst zu unter- mit einer Einordnung des Theaters bis zu dem Rezipienten gegangen sie sich mit existenziellen Fragen pragmatische Dimension eines Um- schiedlichen Konzeptionen von Kul- in den Kunstkontext erreichen zu ist. „Kunst“ hat es also natürlich mit des menschlichen Lebens („Da- gangs mit dem Zeichenkomplex turpolitik führen müssen. können. Denn Kunst, so die hier ver- künstlerischen Artefakten oder Pro- sein“) befassen. Kunstwerk. Diese nicht vermittelbare Entge- mutlich gemeinte, allerdings nicht zessen zu tun, doch ist Kunst auch • Man kann danach fragen, ob die gensetzung eines lebensdistanzier- explizit ausgesprochene Bedeutung ein sozialer Prozess, ein ökonomi- Was ist „autonom“ an Kategorie der Autonomie in ir- ten Idealismus und eines mechanis- dieses Begriffes, ist „autonom“, was scher Prozess, ein Prozess der Kom- gendeiner Weise sinnvoll auf den tischen Materialismus hat lange Zeit hier etwa meinen könnte: nicht wei- munikation. Es geht um Personen der Kunst? Prozess der Kunstvermittlung an- den Blick darauf verstellt, in welcher ter begründungsbedürftig und so ei- und Einrichtungen, um ökonomi- „Autonomie“ ist zunächst einmal gewandt werden kann. Weise und in welchen Abhängigkei- genständig, dass weitere Legitima- sche Abläufe, um politische Rah- ein Begriff der Praktischen Philoso- • Man kann danach fragen, ob der ten sich das System der Künste his- tionen für eine Förderung nicht nur menbedingungen und um spezifi- phie und erfüllt in dem subjektori- Prozess der Kunstrezeption in ei- torisch-konkret entwickelt hat. Im nicht nötig sind, sondern mögli- sche Professionalitäten, die der Er- entierten Philosophiegebäude von ner Weise stattfindet, dass man Schoße der Feudal-Gesellschaft, al- cherweise das „Wesen“ des ange- werbstätigkeit dienen, so dass man Kant eine Querschnittsfunktion für von seiner „Autonomie“ sprechen so insbesondere in Abhängigkeit sprochenen Gegenstandsbereichs, es nicht vermeiden kann, dass sich alle philosophischen Teildiszipli- könnte. von Hof und Kirche, löste sich nach der „Kunst“, sogar beschädigen alle relevanten Wissenschaften mit nen. Dieses ist möglich aufgrund und nach die künstlerische Pro- könnten. So selbstverständlich diese Kunst befassen. der zentralen Rolle des Subjekts in Wenn man berücksichtigt, dass Formulierung gerade in deutscher Theater als Kunst hat natürlich der Philosophie Kants: Wer im Sinne all diese Prozesse der Kunstherstel- Weiter auf Seite 13 Tradition also erscheint, so lohnt es auch mit diesem komplexen Kunst- von Kant von Autonomie spricht, lung, der Kunstvermittlung und der DEUTSCHE WELLE politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 13

Fortsetzung von Seite 12 nes einheitlichen Kunstbegriffes, selbstständige Subsysteme (Wissen- wissen liefern, die aber nicht so tun und durchaus auch Funktionen von der die bislang getrennt behandelten schaft, Bildung, Wirtschaft, Politik darf, als ob es um Tanz, Theater, Li- Kunst nachdenkt. Man macht daher Bereich Literatur, Musik und Malerei etc.) gebildet haben. „Relative Auto- teratur oder bildende Kunst oder mit einem solchen Gebrauch den duktion sowohl in der Literatur, aber zusammenfasst. nomie“ bedeutet dabei nicht eine Musik „an sich“ ginge. Kulturpolitik nach wie vor wichtigen Begriff der vor allem im Bereich der bildenden Es gibt also eine Berechtigung, hermetische Abriegelung gegenüber muss vielmehr die politischen, Autonomie zu einem ideologischen Kunst aus der Enge der Auftragsver- nicht nur die Frage der Einbezie- anderen Subsystemen, sondern – im rechtlichen und ökonomischen Konzept und zerstört ihn dadurch gabe und Kontrolle der genannten hung des Theaters unter „Kunst“ zu Sinne der Soziologie nach Parsons – Rahmenbedingungen sicherstellen, letztlich. Man tut dies auch ohne Instanzen. Es entsteht allmählich diskutieren, sondern es ist auch die vielfältige Interpenetrationen, also damit die Künste sich in ihrer Not, denn ein realistischer Blick so- ein Kunstmarkt, bei dem der Künst- Beziehung von „Kunst“ und „Kultur“ wechselseitige Beeinflussungen und grundgesetzlich gesicherten Auto- wohl auf die anthropologische Not- ler als identifizierbarer Autor und durchaus ein interessantes Untersu- Interdependenzen. nomie entfalten können. wendigkeit von Kunst als auch auf Schöpfer seines Werkes namentlich chungsfeld. Allerdings liegen die Zu einer solchen soziologischen ihre aktuellen Kulturfunktionen lie- in Erscheinung tritt und nicht mehr hierfür entscheidenden Diskussio- Betrachtungsweise von Kunst ge- Schlussbemerkung fert genügend Argumentationspo- nur für konkrete Auftraggeber – etwa nen von Herder und Schiller etwa hört auch die Berücksichtigung der tential für eine Politik, die über- für das reich gewordene Bürgertum 200 Jahre zurück. Gerade die Ge- Entstehung dessen, was der Litera- Die Rede von der „Autonomie der haupt noch an rationalen Begrün- – sondern auch für einen entstehen- schichte des Theaters ist im Hinblick turwissenschaftler Peter Bürger „das Kunst“ kann nicht die Unterstellung dungen interessiert ist. Der „weite den anonymen Markt herstellt. auf ein Selbstverständnis als „Kunst“ Betriebssystem der Kunst“ oder was einer rein geistigen, von materiellen Kulturbegriff“, der diese humane Mit erheblichen Unterschieden äußerst vielschichtig. Während etwa der amerikanische Kunsttheoretiker Realisierungsbedingungen abge- Relevanz von Kunst zur Grundlage in den einzelnen Kunstsparten und Literatur als Gattung relativ früh Danto „art world“ nennt: die Künste trennten Entwicklung der Künste hat und auf ihre Unverzichtbarkeit durchaus in einer Konkurrenz zuei- sich unstrittig unter den einheitli- benötigen für ihre gesellschaftliche bedeuten. Vielmehr sind die Künste hinweist, höhlt daher gerade nicht nander entstehen die künstleri- chen Kunstbegriff einordnen konn- Wirksamkeit bestimmte Institutio- in enger Verbindung mit sozialen, den Kunstbegriff aus, sondern setzt schen Berufe in einem ersten Schritt te, stand der Kunstcharakter des nen. So braucht die Kunstform ökonomischen und politischen Ent- ihn – philosophisch und wissen- dadurch, dass sie sich aus den mit- Theaters immer wieder zur Diskus- Theater ein Theatergebäude, für Bü- wicklungen der Gesellschaft ent- schaftlich redlich und nachvollzieh- telalterlichen mechanischen artes sion. Es ist in unserem Kontext cher braucht man Bibliotheken, für standen. Auch heute sind die Künste bar – in sein Recht. Kunstpolitik herauslösen. Künstler sind damit durchaus interessant, dass die (äs- die bildende Kunst (und auch für als relativ autonomes Subsystem kann daher heute – zumal in inter- nicht mehr dem Zwang unterwor- thetische) Frage nach dem Kunst- andere Artefakte der Kultur) hat vielfach mit den anderen Subsyste- nationaler Perspektive – nur im Rah- fen, ihre Produkte gemäß präzise charakter aufs engste mit dem Thea- man entsprechende Museen einge- men der Gesellschaft verbunden. men einer Kulturpolitik betrieben vorgegebener Regeln, die die Zunft ter als sozialer und kultureller Er- richtet. Der Ausbau einer umfang- Sinn macht die Autonomiethese werden, die sich den weiten Kultur- streng kontrolliert, herzustellen. Es scheinung und mit seiner gesell- reichen Kunstlandschaft in dort, wo es um die Handlungsent- begriff zu eigen gemacht hat. So ver- entsteht der Künstler als Schöpfer, schaftlichen Funktion zu tun hat. Deutschland hatte dabei sehr viel lastung des Menschen, um die Ab- stehe ich auch den derzeitigen Prä- der sich die Regeln selbst gibt (in ei- Heute ist Kunst- und Kulturso- mit dem Bürgertum zu tun, das über wehr von eindimensionalen politi- sidenten des Deutschen Bühnenver- ner späteren Phase: das Genie) ziologie eine eigenständige soziolo- kulturelle Mittel versucht hat, sozia- schen und ökonomischen Verein- eins, Klaus Zehelein, wenn er sagt: Wir haben es also mit parallel gische Disziplin; zudem gibt es in al- le und politische Hegemonie zu ge- nahmungen geht. All dies kann je- „Wir müssen aus der Perspektive laufenden Prozessen zu tun, die in len Kunstsparten materialreiche so- winnen beziehungsweise seinen doch in seiner Komplexität nur argumentieren, dass das Theater den einzelnen Sparten (Musik, Lite- zialgeschichtliche Darstellungen ih- Ausschluss aus der politischen Steu- schwer auf die These, irgendetwas eben kein sozial isoliertes Kunstbio- ratur, Malerei, Architektur) höchst rer Genese, so dass die Annahme ei- erung zumindest kulturell zu kom- „sei Kunst und nichts anderes“ ge- top ist, sondern dass Theater einge- ungleichzeitig verlaufen und bei de- nes von der Gesellschaft strikt abge- pensieren (vgl. Nipperdey 1988). Ge- bracht werden: Die ästhetische Ver- bunden ist in ein soziales Netz und nen eine Loslösung aus dem Ein- koppelten geistigen Seinsbereichs rade die autonome Kunst konnte of- wendung des Autonomietopos ist in diesem Netz entscheidend zur flussbereich von Hof und Kirche, die „Kunst“ kaum noch vertreten wird: fenbar diese soziale und politische nicht so ohne weiteres auf die Kul- Entwicklung sozialer, kreativer, kul- Entwicklung eines einflussreichen Kunst wird von Menschen gemacht Funktion erfüllen. turpolitik zu übertragen. In einem tureller Kompetenzen beiträgt, die Bürgertum, die Entstehung eigen- und sie wird unter konkreten Bedin- Man kann zwar in einer abstrak- politischen Verwendungszusam- entwickelt werden müssen in einer ständiger künstlerischer Berufsbil- gungen, also unter sozialen, ökono- ten Betrachtung die Kunstformen menhang, wo es um Geld, Struktu- Stadt, in einer Region, in einem der, die Entwicklung spezifischer mischen, politischen und kulturel- von ihren Realisierungsbedingun- ren, Richtlinien und Regeln geht, wo Land“. (Deutsche Bühne 7/2003, S. Kultureinrichtungen und die Genese len Bedingungen gemacht, auf die gen trennen und die Künste rein im- es um Bestandssicherung und be- 25). von Kulturmärkten ein interdepen- sie wiederum auf eine oft nicht un- manent in einer ästhetischen Zu- rufliche Existenzen geht, kann man Eine ausführlichere Fassung des dentes Beziehungsgeflecht bilden. mittelbar erkennbare Weise Einfluss gangsweise untersuchen, wenn man möglicherweise (in Deutschland) Text mit Literaturhinweisen kann Mitte des 18. Jahrhunderts da- nimmt. „Autonomie in der Kunst“ dabei nicht vergisst, dass die Künste noch eine Weile einige politische nachgelesen werden unter: tiert die Entstehung einer eigenstän- bedeutet dann, dass sich im Zuge ohne die zugehörigen Einrichtun- Scharmützel mit einer solchen Ar- http://www.kulturrat.de digen philosophischen Disziplin der Ausdifferenzierung der moder- gen nicht existieren können. Dies gumentation gewinnen, was aller- Ästhetik als Theorie der sinnlichen nen Gesellschaft ein relativ selb- gilt in besonderer Weise für die Kul- dings voraussetzt, dass man nicht Der Verfasser ist Vorsitzender des Wahrnehmung (Baumgarten) und ständiges Sub-System gebildet hat, turpolitik, für die die Kunsttheorien allzu genau über reale Geschichts- Deutschen Kulturrates ■ gleichzeitig entsteht das Konzept ei- ebenso wie sich andere relativ und die Ästhetik relevantes Basis- verläufe und aktuelle Wirkungen

Dialog der Kulturen Programmauftrag der Deutschen Welle • Von Erik Bettermann

Die Deutsche Welle ist seit 51 Jah- ren einer der wichtigsten Träger aus- wärtiger Kulturpolitik. Als Auslands- rundfunkanstalt ist es ihre Aufgabe, durch Hörfunk, Fernsehen und Onli- ne ein Bild Deutschlands im Ausland zu vermitteln, das politische, kultu- relle und wirtschaftliche Leben in Deutschland und Europa darzustel- len sowie über das Geschehen und die Meinungsströme in den verschie- denen Regionen der Welt aus deut- scher und europäischer Perspektive zu berichten.

egen des im Laufe der Jahre Wpermanent ausgeweiteten Programmangebotes und vor allem wegen der nach der deutschen Wie- dervereinigung erforderlich gewor- denen Neuordnung der Rundfunk- landschaft erließ der Bundesgesetz- geber 1998 das Deutsche Welle-Ge- setz (DWG), das die Aufgabe, Organi- sation und Finanzierung der Deut- schen Auslandsrundfunkanstalt auf eine ganz neue Grundlage stellte. Die weiteren politischen Verän- derungen in der Welt und die da- durch erhöhten Anforderungen an die Medien erforderten es, den deut- schen Auslandsender besser zu po- sitionieren und ihm ein moderneres Aufgabenprofil zu geben, damit die Deutsche Welle Deutschland in sei- ner kulturellen Vielfalt durch Hör- funk, Fernsehen und Online wir- Funkhaus Bonn (auch "Schürmann-Bau" genannt) Foto: Deutsche Welle kungsvoller repräsentieren und ih- rer weltweiten Aufgabe umfassender DWG, der am 17. Juni 2004 in erster Punkten von allen Parteien begrüßt tionales Anliegen im Parlament be- destags-Ausschuss für Kultur und gerecht werden kann. Deswegen er- Lesung im Deutschen Bundestag und mitgetragen. Nach derzeitigem schlossen werden wird. Medien sowie den Auswärtigen Aus- arbeitete die Beauftragte der Bun- behandelt wurde (Bundestags- Stand bestehen berechtigte Hoff- Der Gesetzentwurf zur Novellie- schuss und den Haushaltsausschuss desregierung für Kultur und Medien Drucksache 15/3278). Die Gesetzes- nungen, dass die gesetzliche Stär- rung des DWG wurde vom Deut- als zuständiges Ressort den Entwurf novelle, die Anfang 2005 in Kraft tre- kung des deutschen Auslandsrund- schen Bundestag zur weiteren Bera- Weiter auf Seite 14 eines Gesetzes zur Änderung des ten soll, wird in ihren wesentlichen funks als parteiübergreifendes, na- tung in den federführenden Bun- DEUTSCHE WELLE politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 14

Fortsetzung von Seite 13 gruppen und entsprechend den Planung, Beteiligungs- die mit Bundesregierung und Bun- lichen Grundlagen für die Deutsche technischen und medialen Verhält- destag abgestimmte Aufgabenpla- Welle wird die journalistischen und nissen in den Zielgebieten diversifi- verfahren und Bewertung nung für den vierjährigen Zeitraum unternehmerischen Gestaltungs- Aufgabe und zieren. Deswegen ist die Erreichbar- Da der Programmauftrag einer finanziell sichergestellt wird. Da- möglichkeiten erweitern sowie die keit des Publikums eine tägliche He- Rundfunkanstalt notwendigerweise durch soll eine Bindung erzeugt Staatsunabhängigkeit des deut- Programmauftrag rausforderung für die mit Marke- weit und offen formuliert sein muss, werden, die Finanzierung derjeni- schen Auslandsrundfunks substan- überwiesen. Er beinhaltet im we- ting, Technik und Vertrieb befassten soll er nun durch eine näher kodifi- gen Programme und Vorhaben zu ziell stärken. Die Novelle enthält sentlichen folgende Änderungen: Bereiche des Auslandssenders. zierte Aufgabenplanung für einen gewährleisten, welche die Deutsche wichtige Kernforderungen der Deut- Die bisherige Aufgabenstellung Nicht nur weil die finanziellen Res- Zeitraum von vier Jahren konkreti- Welle in ihrer Aufgabenplanung ver- schen Welle an ein neues, zeitgemä- der Deutschen Welle, Hörfunk und sourcen begrenzt sind, kann nicht siert werden. Danach werden die abschiedet hat. ßes Gesetz. Insgesamt beruht es auf Fernsehen für das Ausland zu veran- die Welt gleich bedient werden. On- Zielgruppen, Verbreitungswege und einem sehr freiheitlichen Verständ- stalten, wird um Telemedien (Tele- line-Angebote entsprechen diesem Programmangebote näher beschrie- Haushaltswirtschaft nis von Rundfunkautonomie. Die dienste und Mediendienste) er- besonderen Erfordernis, weil durch ben. Durch das im einzelnen gere- Gesetzesnovelle schafft die Voraus- gänzt. Dadurch wird der Online- das Internet eine weltweite und kos- gelte Beteiligungsverfahren erhalten Die Haushaltswirtschaft der Deut- setzungen, mehr als bisher flexibel Auftritt der Deutschen Welle tengünstige Infrastruktur zur Ver- Bundesregierung, Bundestag und schen Welle soll sich in Zukunft zwar auf die weltpolitischen Herausforde- (www.dw-world.de) gesetzlich be- breitung vorhanden ist. Darüber hi- die interessierte Öffentlichkeit vor in demselben Ausmaß wie bisher rungen zu reagieren. Die Position stätigt, und zwar nicht nur wie im naus erlaubt die interaktive Nutzung der Verabschiedung der Aufgaben- nach der für staatliche Behörden der Deutschen Welle als bedeuten- Rundfunkstaatsvertrag für die Lan- dieses Mediums in höherem Maße planung durch die Deutsche Welle geltenden Bundeshaushaltsord- des Instrument auswärtiger Medi- desrundfunkanstalten lediglich eine Medienforschung, die ansons- en- und Kulturpolitik wird fester „programmbegleitend“ beziehungs- ten im Ausland auf besondere verankert. weise „programmbezogen“, son- Schwierigkeiten stößt. Die Begrenzung des gesetzlichen dern mit für dieses Medium eigen- Der Programmauftrag der Aus- Betonung liegt auf dem Kulturauftrag Auftrags ausschließlich auf die Ver- ständigen redaktionellen Inhalten. landsrundfunkanstalt wird ganz neu mittlung eines Deutschlandbildes Allerdings ist eine Kommerzialisie- formuliert. Im Ausland sollen nun ist – seien wir ehrlich – längst obso- rung der Telemedien-Angebote nicht nur „deutsche Auffassungen“ Gelegenheit zur Stellungnahme. nung richten, zugleich aber auch, let gewesen. Informationen aus der nach wie vor ausgeschlossen. Das dargestellt werden, sondern auch Nach Ablauf des vierjährigen Pla- wie bei anderen Medienunterneh- Region für die Region sind unerläss- Gesetz lässt Werbung und Sponso- „andere Sichtweisen“ aus anderen nungszeitraums erstellt die Deut- men, kaufmännischen Grundsätzen lich, um Hörer, Zuschauer und In- ring in den Programmen und Ange- Kontinenten, was eine Regionalisie- sche Welle einen Bericht über die Be- folgen. Dazu wird unter anderem ternet-Nutzer an die Deutsche Welle boten der Deutschen Welle nur in rung der Berichterstattung in dem wertung ihrer Angebote und deren der bisherige Haushaltsplan durch zu binden. Nur ein intelligenter Mix engen Grenzen zu und sie dürfen in Sinne erfordert, dass nicht nur das Wirkungen. Dadurch wird geprüft, einen Wirtschaftsplan ersetzt. Auch deutscher, europäischer und zielge- keinem Falle die redaktionellen In- Geschehen in Deutschland und Eu- ob die in der Aufgabenplanung ge- ansonsten erlauben die neuen Vor- bietsbezogener Themen sichert die halte beeinflussen. Die gesetzliche ropa Gegenstand der Berichterstat- setzten Ziele erreicht wurden. schriften eine flexiblere Wirtschafts- Akzeptanz unserer journalistischen Ausgestaltung der Internet-Platt- tung sein soll, sondern auch die re- führung und eine Erstellung des Jah- Angebote weltweit. Mit unserer Re- form der Deutschen Welle als eigen- gionalen Ereignisse vor Ort und die Finanzierung resabschlusses in Anwendung han- gionalisierungsstrategie haben wir ständiges Primärmedium neben dortigen Sichtweisen dazu. Dies delsrechtlicher Grundsätze, wie es im Übrigen bereits wichtige Wei- Fernsehen und Hörfunk ist für den dient nicht nur dem Rezipientenin- Ein weiteres Kernanliegen des No- für kaufmännische Unternehmen chen zur erfolgreichen Erfüllung des Auslandsrundfunk besonders wich- teresse, sondern auch der Zuschau- vellierungsentwurfs – und eine zent- üblich ist. neuen Programmauftrags gestellt. tig, weil viele Zielgruppen im Aus- er- und Hörerbindung. rale Forderung der Deutschen Welle Und auch für das im neuen Ge- land lediglich auf diesem Wege er- Des weiteren wird im Programm- an ein neues Gesetz – ist eine Verste- Bewertung: setz intendierte Ziel, den Dialog der reicht werden können. Die inhaltli- auftrag dessen Ziel angegeben, näm- tigung der jährlich aus dem Bundes- Kulturen und die Verständigung zwi- che Ausfüllung des Programmauf- lich „das Verständnis und den Aus- haushalt erfolgenden Finanzierung, Die Deutsche Welle begrüßt den von schen den Völkern zu fördern, steht trags und der Transportweg zu den tausch zwischen den Kulturen und damit für einen mittelfristigen Zeit- der Bundesregierung vorgelegten die Deutsche Welle schon länger: Zielgruppen bilden beim Auslands- Völkern zu fördern“. Ergänzend soll raum die unerlässliche Planungssi- Entwurf zur Novellierung des DWG. seit mehr als 50 Jahren. Denn dies rundfunk geradezu eine innere Ein- die Deutsche Welle dabei die deut- cherheit gegeben ist. Zwar legt der Der Beauftragten der Bundesregie- ist, unausgesprochen, ohnehin un- heit. Es ist nämlich ein Charakteris- sche Sprache fördern. Der Kulturauf- Haushaltsgesetzgeber den Zuschuss rung für Kultur und Medien, Christi- ser eigentlicher Programmauftrag. tikum des Auslandsrundfunks, dass trag der Deutschen Welle erfährt hier an die Deutsche Welle nach wie vor na Weiss, ist im Wesentlichen ein sich seine Produkte und Transport- also eine besondere Betonung. jährlich fest; jedoch ist nun aus- überzeugender Wurf gelungen. Die Der Verfasser ist Intendant der wege für die unterschiedlichen Ziel- drücklich gesetzlich bestimmt, dass vorgesehene Neufassung der recht- Deutschen Welle ■ DEUTSCHE WELLE politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 15

Dialog statt Verlautbarung Zukunftsfähige Grundlagen für eine neue Deutsche Welle • Von Heinrich Bleicher-Nagelsmann

„Die Sendungen der Deutschen Wel- Schiller, Goethe, Herder und Heine Internetportal der Deutschen Welle vorgesehenen Gesetzentwurf. In es gesetzlich zu verankern. le sollen den Rundfunkteilnehmern im Kopf hat, wird allzu schnell damit hat darüber hinaus den entschei- dem vorgesehenen Verfahren mani- Dass Intendant und Gremien der im Ausland ein umfassendes Bild konfrontiert, dass die expandierende denden Vorteil, dass auch deutsche festiert sich eine Dominanz der Deutschen Welle einen verantwortli- des politischen kulturellen und wirt- Wirtschaftsmacht Deutschland ver- Nutzerinnen und Nutzer, die keine Bundestagsentscheidung, die mit chen und zukunftsfähigen Mittel- schaftlichen Lebens in Deutschland bunden mit dem vom Nationalsozia- Chance haben die Rundfunkpro- dem Status einer Öffentlich-Rechtli- einsatz an den Tag legen, beweist die vermitteln und ihnen die deutschen lismus geprägtem Bild des hässli- gramme zu empfangen, sich ein gu- chen Rundfunkanstalt als Trägerin Praxis der letzten Jahre. Verbunden Auffassungen zu wichtigen Fragen chen Deutschen in der Sichtweise tes Bild über ihren internationalen der Rundfunkfreiheit nicht verein- damit sind trotz reduzierter Finanz- darstellen und erläutern“, so lautet von Ausländern noch dominiert. Sender machen können. bar scheint. Erforderlich ist, auch für mittel eine Verbesserung des Pro- der Auftrag für den deutschen Aus- Zu Recht weist Prof. Kleinste- Öffentlich-Rechtlicher Rund- die Feststellung des Finanzbedarfs grammangebotes und Programmin- landsrundfunksender noch ein Jahr uber, Mitglied des Rundfunkrates, in funk als Medium und Faktor der der Deutschen Welle eine unabhän- novationen. Dies betrifft nicht zu- nach seinem fünfzigsten Geburtstag. seinem Beitrag »EuroFuture (epd Meinungsbildung braucht die öf- gige Kommission zu Rate zu ziehen. letzt den Kulturbereich. Zu nennen Dies soll sich nach langer und durch- medien Nr. 52)« darauf hin, dass fentliche Diskussion und Auseinan- Die in der Begründung zum Ge- sind hier die Magazine Kultur.21, aus kontroverser Diskussion mit der Auslandsrundfunk ein verquerer Be- dersetzung. Zu begrüßen ist des- setzentwurf angeführten Argumente euromaxx und popXport sowie das Novellierung des Deutschen Welle- griff ist. Seinem Fazit, dass die Stär- halb, dass als wesentliche Neuerung zur Ablehnung einer Dritten Instanz Filmmagazin Kino. Gesetzes in diesem Jahr nun endlich kung von Europas Öffentlichkeit in des Gesetzentwurfes die Öffentlich- zur Feststellung des Finanzbedarfs Für diejenigen, denen ein Emp- ändern. Faktisch allerdings, dass den vereinten Bemühungen der keit in die Diskussion der Aufgaben- sind wenig stichhaltig. Der Finanz- fang der Programme nicht möglich muss zum Lob des Senders deutlich Deutschen Welle und anderen inter- planung für die Deutschen Welle bedarf entsprechend dem spezifi- ist, bietet wiederum das Internet- gesagt werden, hat sich dieser Wan- nationalen europäischen Sendern einbezogen werden soll. Entschei- schen Programmauftrag der Deut- portal mit seinem Kulturfenster ei- del schon vollzogen. Was im neu for- liegen muss, beschreibt die Zielrich- dend für die Unabhängigkeit der schen Welle lässt sich letztlich eben- nen umfangreichen Einblick in die mulierten Paragraphen 4 als Ziel der tung. Wer Europa und Deutschland Deutschen Welle ist dabei, dass sie so wie der anderer Öffentlich-Recht- Aktivitäten der Deutschen Welle. Auf Deutschen Welle formuliert wird, ist in einem zusammenwachsenden diese Aufgabenplanung in eigener lichen Rundfunkanstalten überprü- diesem Sektor verbunden mit einem im Programm schon Realität. Nicht Europa und einer globalisierten Welt Verantwortung durch ihre Gremien fen. Das Argument der Konsolidie- beachtlichem Informationsangebot zuletzt im Zusammenhang mit der ernst nimmt, kann dem nur zustim- vornimmt. Hinsichtlich der prakti- rung des Bundeshaushaltes muss im über kulturelle Angebote in ganz EU-Osterweiterung hat die Deutsche men. In diesem Sinn hat die Deut- schen Durchführung dieses Beteili- Zusammenhang mit der Rundfunk- Deutschland. Erste Erfahrungen der Welle unter Beweis gestellt, dass sche Welle als Öffentlich-Rechtliche gungsverfahrens besteht allerdings freiheit, die auch für die Deutsche Zusammenarbeit mit anderen Mitt- sie ein Sender im europäischen Kon- Rundfunkanstalt einen Kulturauf- noch Verbesserungsbedarf. Über die Welle gilt und unter Bezug auf den lerorganisationen für die auswärtige text ist. trag, den sie in Verbindung mit an- für Bundestag und Bundesrat vor- drastischen Sparkurs der vergange- Kulturpolitik gestalten sich nach An- deren Trägerorganisationen wie gesehene Beteiligung hinaus muss nen Jahre ebenfalls relativiert wer- laufschwierigkeiten erfreulich und ositiv ist auch zu bewerten, dass Goethe-Institut in der auswärtigen der Zeitrahmen bedacht werden, den. Die Entscheidung des Parla- sind unbedingt ausbaufähig. Die Pim Zusammenhang mit der Ziel- Kulturpolitik wahrnehmen muss. wenn man auch Gruppen der Zivil- ments wäre im übrigen gleichzuset- notwendige rechtliche Basis hierfür definition auf den Begriff der Kultur- Dialog der Kulturen statt Verlaut- gesellschaft beteiligen will. Der zen mit der Entscheidung der Län- bietet das neue Gesetz ebenfalls. nation verzichtet worden ist. Die De- barung ist die Devise. zweite Korrekturbedarf liegt im Zu- derparlamente, über die Mittel für Wünschenswert ist, benannte Män- batten um das Deutschlandbild, was In der Realisierung ihres Auftra- sammenhang zwischen dem vier- Landesrundfunkanstalten. gel des Gesetzentwurfs nachzubes- vermittelt werden soll, respektive ges kann sich die Deutsche Welle jährigen Planungszeitraum und der Unbestritten bleibt festzuhalten, sern, damit der neue Programmauf- das Bild, was andere Länder von entsprechend dem neuen Gesetz jährlichen Finanzmittelzuweisung. dass mit den neuen Regelungen der trag optimal erfüllt werden kann. Deutschland haben, ist zu schillernd zukünftig rechtlich abgesichert auf Naturgemäß orientiert sich die Status quo verbessert wird. Trotz- und vielfältig, als dass es Grundlage drei Säulen stützen. Auf Radio, Fern- Zuweisung der Finanzmittel an der dem ist damit noch keine ausrei- Der Verfasser ist Stellvertretender für einen Programmauftrag sein sehen und das Online-Medium (dw- Aufgabenplanung bzw. der daraus chende Planungssicherheit erreicht. Vorsitzender des Deutschen Kultur- könnte. Wer als klassisch gebildeter world). In dem als Telemedium be- resultierenden programmlichen Die überjährige Verwendung der rates und Mitglied im Rundfunkrat Humanist noch das Bild eines zeichneten Online-Dienst kommt Umsetzung. Problematisch er- Mittel muss ebenso gewährleistet der Deutschen Welle ■ Deutschland verbunden mit dem der Dialogcharakter und Auftrag am scheint allerdings die enge Verqui- werden wie eine Planungssicherheit Freiheits- und Humanitätsideal von nachhaltigsten zum Ausdruck. Das ckung in der Umsetzung durch den für den Vierjahreszeitraum. Dies gilt

In Kooperation mit der Archenhold-Sternwarte Berlin

Einladung zur Tagung des Deutschen Kulturrates in der Archenhold-Sternwarte Berlin „Kulturelle Bildung in der Bildungsreformdiskussion – Konzeption Kulturelle Bildung“ 29.09. und 30.09.2004

Welchen Stellenwert hat die kulturelle Bildung in der Bildungsreformdis- Institut für Erwachsenenbildung ■ Prof. Dr. Dieter B. Herrmann, Direktor kussion? Welche Defizite in der kulturellen Bildung bestehen? Wie kann der Archenhold-Sternwarte und des Zeiss-Großplanetarium ■ Christian die kulturelle Bildung gestärkt werden? Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates ■ Eske Nannen, Henri und Eske Nannen Stiftung ■ Dr. Georg Ruppelt, Direktor der Nie- Diese und weitere Fragen werden in der Tagung „Kulturelle Bildung in der dersächsischen Landesbibliothek Hannover und Vorsitzender der Stiftung Bildungsreformdiskussion – Konzeption Kulturelle Bildung“ gestellt. Wel- Lesen ■ Prof. Dr. Andreas Joh. Wiesand, Direktor des Zentrums für Kul- chen Beitrag können die unterschiedlichen Akteure aus der Kultur dabei turforschung ■ Prof. Dr. Max Fuchs, Vorsitzender des Deutschen Kultur- leisten und welche Forderungen zur Verbesserung der Rahmenbedingun- rates ■ Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates gen werden an die Politik gerichtet? und viele andere.

Es referieren und diskutieren u.a.: ■ Bundesbildungsministerin Edelgard Die Tagung ist gedacht für Multiplikatoren aus Bildungs- und Kulturpolitik, Bulmahn ■ Präsident der KMK Doris Ahnen ■ Staatsminister für Wissen- Experten aus der kulturellen Bildung, Verantwortliche aus Kultur- und Bil- schaft, Forschung und Kultur Dr. Thomas Goppel ■ Bundestagsvizeprä- dungseinrichtungen, Verantwortliche aus der Kulturverwaltung und Kultur- sident Dr. . Außerdem ■ Dr. Richard Stang, Deutsches und Bildungsverbänden, kulturpolitisch Interessierte und Studierende.

Deutscher Kulturrat e.V. Termin: 29.09.2004 bis 30.09.2004, Ort: Archenhold-Sternwarte Berlin Chausseestr. 103 10115 Berlin Tel: Gerne senden wir das ausführliche Tagungsprogramm mit den Anmeldeunterla- 030/247 280 14 Fax: 030/247 212 45 gen zu. Die Informationen können auch im Internet unter: http://www.kultur- E-Mail: [email protected] rat.de/tagung eingesehen werden. http://www.kulturrat.de DEUTSCHE WELLE politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 16

Neue Herausforderungen für die Deutsche Welle Kulturaustausch und Krisenprävention als neues Leitbild für den Auslandsrundfunk • Von Monika Griefahn

Bereits seit 1998 debattieren wir Bundesregierung und Öffentlichkeit andere Überlegung bezüglich des ne besondere Bedeutung zu. In die- Kulturpolitik und entwicklungspoli- darüber, in welcher Form das Gesetz über Zielgruppen, Aufgabenpla- Programms folgen wird. Denn wenn sem Sinne ist auch das Engagement tischer Zusammenarbeit mitwirken der Deutschen Welle reformiert wer- nung, Sendegebiete und Vertriebs- der Empfang nicht immer weg- der Deutschen Welle in Afghanistan kann und ihre spezifischen Beiträge den soll oder muss. Heute steht der wege zunächst selbst zu bestimmen schmiert und sogar das Autoradio zu sehen, wo der Sender das einzige leistet. Damit bekommt sie stärker Sender als Auslandsrundfunk vor und dann zu justieren. Das Parla- ein ernsthaftes Abhörgerät für die mediale Tor zur Welt ist. In Berlin als bisher friedens- und sicherheits- neuen Herausforderungen. Und es ment bekommt so die Möglichkeit, Sendungen der Deutschen Welle werden die internationalen Nach- politische Relevanz im Gesamtgefü- ist relativ unstreitig gewesen, dass sich intensiver als bisher mit der Ar- wird, dann werden sich vielleicht richten für Afghanistan in beiden ge der internationalen Beziehungen Neuregelungen nötig waren. Es gab beit der Deutschen Welle auseinan- auch Zielgruppen und Hörgewohn- Landessprachen Dari und Paschtu der Bundesrepublik. Sie ist in die- und gibt viele Debatten über Sinn derzusetzen. Die Deutsche Welle an- heiten verändern. produziert und täglich live gesendet. sem Sinne das geeigneteste Instru- oder Unsinn der Deutschen Welle, ment zum Transport unserer werte- über ihr Programm und über ihre orientierten Außenpolitik in der me- Zielgruppen. Diese Debatten sind dialen Außenrepräsentanz. notwendig. Ohne sie kann die Welle Der zweite Gedanke dreht sich nicht das leisten, was sie leisten um den Haushalt. Die Deutsche soll. Welle muss in die Lage versetzt wer- den, flexibel und adäquat auf Kri- n den letzten Jahren hat sich die sensituationen reagieren zu können, IDeutsche Welle zu einem moder- ohne dass etwa interne Umschich- nen Sender entwickelt, der in der so- tungen vorgenommen werden genannten „medialen Außenreprä- müssten. Dazu gehört nicht nur eine sentanz“ der Bundesrepublik eine gewisse Planungssicherheit wie sie entscheidende, vielleicht die zentra- nun durch das Beteiligungsverfah- le Rolle spielt. Dieser Begriff besagt ren im neuen Gesetz ermöglicht allerdings nicht allzu viel, so dass es wird. nun darum geht, der Deutschen Diese beiden hier skizzierten Ge- Welle eine zeitgemäße Basis zu ge- danken – Betonung des internatio- ben, die den Herausforderungen der nalen Kulturaustausches und flexib- internationalen Politik und vor al- le Finanzausstattung – werden auch lem der internationalen Kulturbe- im Zusammenhang mit der dritten ziehungen gerecht werden kann. So großen Aufgabe der Deutschen Wel- wurde vor allem der Programmauf- le zu beachten sein: die Bestim- trag des neuen Deutsche-Welle-Ge- mung der Zielgruppen unter regio- setzes genau darauf ausgerichtet nalen und sachlichen Gesichts- und konkretisiert. punkten. Zusammen mit der Re- Die Deutsche Welle ist heute ein form des Programmauftrages war modernes Medium, das bestens da- dies ein zentrales Vorhaben der Ge- zu geeignet ist, eine Plattform des setzesnovelle. Die Definition der kulturellen Austausches zu sein. Zielgruppen wird sich nach Regio- Hier – wie in der auswärtigen Kultur- nen, technischer Erreichbarkeit und politik insgesamt – wollen wir errei- gesellschaftlicher Struktur differen- chen, dass der Sender mit seinen zieren müssen. Dabei wird vor allem drei Säulen – nämlich Fernsehen, darüber diskutiert werden müssen, Hörfunk und Internet – dazu bei- was unter den Begriffen „Multiplika- trägt, die Zweibahnstraße des Kul- toren“ und „Eliten“ genau zu verste- turaustausches zu begehen. Die hen ist und wie diese am besten zu Deutsche Welle wird nicht mehr nur erreichen sind: ob mit Fernsehen, ein reiner Nachrichtensender sein – Eine halbe Million Briefe im Jahr. Die Hörerpost ist für den Auslandsrundfunk ein wichtiges Instrument der Evaluierung der Pro- Radio oder Internet oder einer Mi- was sie eigentlich ohnehin nicht ist – gramme Foto: Deutsche Welle schung dieser Medien. Die Zielgrup- , sondern sie trägt dazu bei, im Aus- penfrage ist entscheidend für die tausch mit den Hörern, Zuschauern dererseits kann sich in einem regel- Für diese und andere Entwick- Der Sender ist das einzige Medium, Wirkkraft des deutschen Auslands- oder Online-Nutzern ein Forum des mäßigen Konsultationsprozess in lungen brauchen wir einen moder- das es den Menschen in Afghanistan rundfunks. Die aktuelle Diskussion Dialogs in, über und mit Deutsch- die politische Diskussion „einklin- nen, leistungsfähigen Auslands- ermöglicht, sich umfassend Infor- um das spanischsprachige Pro- land zu sein. So erfahren wir die An- ken“. Dieser Prozess soll offen und rundfunk. Die Neugestaltung der mationen über das Geschehen in gramm von DW-TV ist ein Ergebnis sichten der Anderen und gleichzei- transparent gestaltet werden, damit Deutschen Welle sieht sich vor völlig der Welt zu beschaffen. dieser Prioritätensetzung und folgt tig können wir im Dialog unsere diesbezügliche Lücken im Gesetz neue Aspekte der auswärtigen Medi- Nun haben wir es aber immer natürlich auch der Haushaltskonso- Sichtweisen mitteilen und darstel- geschlossen werden. Die Deutsche enarbeit gestellt. Die Anschläge von mehr mit Konflikten zu tun, die ers- lidierung. Im Fernsehen wird täglich len. So stelle ich mir einen moder- Welle soll sich darüber hinaus wei- September 2001 in den USA haben tens nicht vorhersehbar und zwei- eine Stunde Spanisch mit einer Wie- nen Auslandsrundfunk vor, der eben terhin für die Verbreitung von uns erneut gezeigt, dass wir in den tens im weitesten Sinne kulturell be- derholung gesendet. Nun gibt es sei- nicht mehr ein reines Transportmit- Deutsch-Sprachkursen engagieren, internationalen Beziehungen noch dingt sind. tens des Senders die Überlegung, tel für „...deutsche Auffassungen zu wie sie das bisher schon in Eigenre- mehr dazu kommen müssen, die Si- Daraus folgen zwei Überlegun- stattdessen fünf Stunden Spanisch wichtigen Fragen...“ (so §4 im alten gie und in Zusammenarbeit mit cherheitspolitik viel stärker unter zi- gen: zu senden, dies aber mit Untertite- DW-Gesetz) ist. dem Goethe-Institut tut. Die Deut- vilen Gesichtspunkten zu gestalten. Die Deutsche Welle wird ein Sen- lung und nicht mehr in der Original- Die globale Präsenz der Deut- sche Welle bleibt natürlich ein deut- Die Vermittlung von Werten wie De- der sein, der zwar immer noch sprache. Man kann sich natürlich schen Welle trägt dazu bei, kulturel- scher Auslandssender, auch wenn mokratie, Beachtung der Menschen- Nachrichten und Informationen aus fragen, ob dies ausreicht bezie- le Brücken zwischen Deutschland wir die Anteile und Möglichkeiten rechte, Zugang zu Bildung und die und über Deutschland sendet und hungsweise der politischen Bedeu- und der Welt zu bauen. Unkenntnis zum interkulturellen Austausch Beachtung von Gleichheitsrechten zunehmend im Internet zur Verfü- tung des lateinamerikanischen Kon- ist immer der Grund für Vorurteile, stark erhöhen wollen. ist damit auch eine Aufgabe des gung stellt. Sie wird darüber hinaus tinents gerecht wird. Auf der ande- Hass und Intoleranz. Sie machen Die Deutsche Welle soll die zuge- deutschen Auslandsrundfunks. Die aber immer mehr zur regionalen In- ren Seite muss man auch sehen, wo Verständigung unmöglich. Wir brau- wiesenen Mittel selbst verwalten, DW hat ihre Medienarbeit immer formationsquelle für regionale Er- die Prioritäten der deutschen Au- chen die geistig-kulturelle Verstän- das Parlament wird ihre Arbeit wei- schon unter diesen Aspekten betrie- eignisse unter gleichzeitiger Darstel- ßenpolitik im Moment liegen. Der digung und den Austausch, weil nur ter wohlwollend begleiten, aber ben. Sie hat deshalb die besten Vor- lung der deutschen und europäi- Sender entscheidet dann nach einer dann das Interesse aneinander ge- auch stärker als bisher in die politi- aussetzungen, um auch in Zukunft schen Sicht zu bestimmten Ereignis- Abwägung und Diskussion natürlich weckt werden kann. Das wiederum sche Diskussion mit dem Sender die Werte der Aufklärung darzustel- sen. Daraus folgt, dass wir weiter re- autonom über die Verbreitungsge- ist Basis nicht nur für besseres Ver- einsteigen. Wir brauchen mehr denn len, aber auch auf spezifische Prob- gionale Schwerpunktsetzungen für biete und -formen seiner Program- ständnis, sondern auch für wirt- je einen leistungsfähigen Auslands- leme in der Region einzugehen. den Sendebetrieb vornehmen müs- me und wird dabei den Haushalts- schaftliches Handeln. Wenn das Bild rundfunk, dessen Aufgaben sicher Hierbei hat der Grundsatz „infor- sen. Die allgemeinpolitische Rich- vorgaben folgen. Deutschlands nicht nur von der Ver- nicht weniger, sondern angesichts mieren statt zu missionieren“ erste tung muss von der Außenpolitik Die Deutsche Welle ist ein unver- gangenheit, sondern von dem, was vielgestaltiger Krisen eher zuneh- Priorität! kommen; die Deutsche Welle wird zichtbarer Teil der internationalen heute passiert, bestimmt ist, dann men werden. Die Vermittlung von Aufgrund der krisenhaften Situa- somit mehr als bisher Synergien mit Beziehungen und wird auch in der haben wir die Chance, ein zeitgemä- Demokratie und Menschenrechten tionen in vielen Teilen der Welt muss den Mittlern der Auswärtigen Kul- Zukunft, besonders, wenn sich die ßes, der Lebenswirklichkeit nahe und vor allem ihre praktische Um- es aber auch darum gehen, wohin tur- und Bildungspolitik schaffen. Neuen Medien so weiter entwickeln, kommendes Image zu etablieren. setzung in der täglichen medialen die DW im Sinne einer zivilen Si- Die Deutsche Welle sollte ihre Pro- wie es aussieht, unverzichtbar sein. Von entscheidender Bedeutung Arbeit der „kleinen UNO“, ist für die cherheitspolitik, in Abstimmung mit gramme dementsprechend für den Das Internetangebot der Deutschen für die zukünftige Arbeit der Deut- „mediale Außenrepräsentanz“ und dem Auswärtigen Amt und dem Mi- internationalen Kulturaustausch Welle ist schon heute ein hochquali- schen Welle wird eine engere Zu- die auswärtige Kulturpolitik unver- nisterium für wirtschaftliche Zu- nutzen und gestalten und so auch in tatives „Einfallstor“ zur deutschen sammenarbeit mit den Verfassungs- zichtbar. Dazu gehört, auch die sammenarbeit und Entwicklung, anderen Regionen in der Lage sein, Kultur, Politik, Wirtschaft und Ge- organen sein. Leider war es bisher technischen Entwicklungen genau schwerpunktmäßig sendet. Krisen- krisenpräventiv zu wirken. Die so sellschaft. An dieser Entwicklung so, dass die Zuleitung der jährlichen zu beobachten und in die Arbeit ein- und Kompensationsradio werden, genannte „zivile Sicherheitspolitik“ der Deutschen Welle arbeiten wir Aufgabenplanung an den Bundestag zubeziehen. Ich glaube, wir werden davon bin ich überzeugt, zuneh- erfährt dadurch mediale Unterstüt- weiter, um auch weiterhin eine an- quasi Anfangs- und zugleich End- beispielsweise sehr bald darüber mend wichtiger werden. Die media- zung. Auch die Programme der „Hil- gemessene mediale Außenrepräsen- punkt der Zusammenarbeit darstell- nachdenken müssen, welche Mög- le Unterstützung von Menschen in fe zur Selbsthilfe“ in der entwick- tanz zu haben. te. Damit waren die Formalien er- lichkeiten interaktives Fernsehen Krisensituationen beziehungsweise lungspolitischen Zusammenarbeit füllt. Wir werden nun zukünftig ei- für unsere internationalen Kulturbe- in Ländern ohne Medienfreiheit war erfahren so eine Erweiterung. Auch Die Verfasserin ist Mitglied des nen transparenten Prozess, ein Be- ziehungen bieten könnte. Und die und bleibt immer eine Hauptaufga- hier gibt es vielfältige Möglichkeiten Deutschen Bundestags und Vorsit- teiligungsverfahren haben, das es Einführung der digitalen Kurzwelle be der deutschen auswärtigen Medi- für Synergieeffekte, so dass die zende des Ausschusses für Kultur der Deutschen Welle ermöglicht, in wird dem Radio neue Möglichkeiten enrepräsentanz und dabei kommt Deutsche Welle in Zukunft an der und Medien des Deutschen Konsultationen mit Bundestag, geben, woraus sicher die eine oder der Zielgruppe von Jugendlichen ei- Schnittstelle zwischen Auswärtiger Bundestags ■ DEUTSCHE WELLE politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 17

Mediales Aushängeschild Deutsche Welle repräsentiert Deutschland in der Welt • Von Bernd Neumann

Mit 30 Hörfunkprogrammen in 30 diesem Zusammenhang kommt der im Hörfunk- und Fernsehprogramm ständen in Konsultation mit Bun- te Arm der jeweiligen Regierung be- Sprachen, die weltweit empfangen Deutschen Welle die wichtige Aufga- verankert werden. destag und Bundesregierung statt- ziehungsweise Parlamentsmehrheit werden können, sowie mit dem seit be zu – gerade nach dem Ende des Die Staatsunabhängigkeit der finden. Aber Eingriffe in die Pro- ist, wäre es wünschenswert, dass 1992 hinzugekommenen Fernseh- Kalten Krieges – Programme in die Rundfunkanstalt Deutsche Welle grammverantwortung und Einfluss- Veränderungen im DW-Gesetz von programm, das dreisprachig eben- Länder Ost- und Südosteuropas muss auch in Zukunft gewährleistet nahme auf das Programm seitens einer breiten Mehrheit getragen falls weltweit ausgestrahlt wird, ist auszustrahlen. Weder in Russland sein. Die Deutsche Welle hat zwar ei- der Politik sind unzulässig. Um die- werden. Das war in der Vergangen- die Deutsche Welle (DW) der ent- noch in der Ukraine oder gar in nen gesetzlich definierten Auftrag ses sicherzustellen, treten wir dafür heit so und sollte aus Sicht der scheidende Faktor medialer Außen- Weißrussland herrscht Pressefrei- im Dienste der Bundesrepublik ein, dass ebenso wie bei den Lan- CDU/CSU-Bundestagsfraktion auch repräsentanz der Bundesrepublik heit, wie wir sie in West-Europa ken- Deutschland zu erfüllen, sie ist aber Deutschland. nen. In der Regel sind die elektroni- als Mitglied der ARD eine Rundfunk- schen Medien in den meisten GUS- anstalt, bei der der Staatseinfluss an schätzt, dass die Deutsche Republiken staatlich gelenkt. Folg- den verfassungsrechtlichen Kriteri- MWelle weltweit etwa 30 Millio- lich sind die Menschen in diesem en genügen muss (Rundfunkfreiheit nen Menschen über das Radio und für Deutschland wichtigen Teil Eu- gemäß Art. 5 Grundgesetz). Auch, 25 Millionen Menschen über das ropas auf die Programme der Deut- wenn die Deutsche Welle aus dem Fernsehen erreicht, denen ein um- schen Welle und anderer westlicher Bundeshaushalt finanziert wird, fassendes Bild Deutschlands vermit- Auslandssender angewiesen, wenn muss die Staatsferne ihres Pro- telt wird. Die Deutsche Welle ist des- sie beispielsweise mehr erfahren gramms gewährleistet sein. Die halb ein unverzichtbarer Eckpfeiler wollen über den wahren Verlauf des Hoffnung, dass nach dem konzepti- im Rahmen auswärtiger Kulturpoli- Krieges in Tschetschenien, die Ver- onslosen finanziellen Kahlschlag bei tik. folgung von Menschenrechtsaktivis- der Deutschen Welle seit 1998 nun Die gravierenden politischen ten oder auch die deutsche Position mit dem neuen Gesetzentwurf end- und kulturellen Veränderungen be- zum Beispiel bei der so genannten lich der Deutschen Welle konkrete ziehungsweise Umbrüche in Europa Beutekunstfrage. Nach dem Beitritt Planungs- und Finanzierungssi- und in vielen Teilen der Welt, wie Polens zur Europäischen Gemein- cherheit über mehrere Jahre gege- auch die Fortschritte in der Kommu- schaft grenzen Länder wie die ben würde, wird nicht erfüllt. Zu ei- nikationstechnologie, stellen die Ukraine, Weißrussland oder das Ge- ner mittelfristigen Planungssicher- Deutsche Welle vor neue Herausfor- biet Kaliningrad an die EU. Das rus- heit gehört auch eine flexible Wirt- derungen und Aufgaben, die eine sisch- und das ukrainischsprachige schaftsführung. Wichtigstes Instru- Novellierung des DW-Gesetzes Hörfunk-Programm der Deutschen ment hierfür ist der Grundsatz der dringlich machen. Umso mehr ist es Welle fördern die Demokratisie- überjährigen Verfügbarkeit finanzi- bedauerlich, dass die in der Koaliti- rungsprozesse in diesen Staaten. Mit eller Mittel. Im Gegensatz zum Refe- onsvereinbarung von SPD und ihren Programmangeboten leistet rentenentwurf der Behörde der Be- Bündnis 90/Die Grünen im Jahre die Deutsche Welle einen wichtigen auftragten für Kultur und Medien ist 1998 angekündigte und von der Beitrag zur Integration des „Europas in dem von der Bundesregierung Bundesregierung mehrfach zuge- der 25“. verabschiedeten Entwurf diese sagte Neugestaltung des deutschen Ausdrücklich begrüßen möchte Möglichkeit nicht mehr vorgesehen. Auslandsrundfunks in Verbindung ich das Engagement des deutschen Auch die von der Deutschen Wel- mit einer Novellierung des DW-Ge- Auslandssenders in den zentralasia- le erhobene, berechtigte Forderung, setzes erst jetzt erfolgt. Die Vorlage tischen GUS-Ländern, wo die Pres- dass ebenso wie bei den Landes- des Gesetzentwurfes zur Änderung sefreiheit unterdrückt wird, ehema- rundfunkanstalten die Finanzie- des DW-Gesetzes durch die Bundes- lige sowjetische KP-Funktionäre die rungshöhe durch eine unabhängige regierung ist ein längst überfälliger Macht in den Händen haben und is- Kommission ermittelt wird, ist im Schritt. Nach zwei misslungenen Re- lamistische Gruppierungen Zulauf Entwurf abgelehnt worden. Damit formkonzepten unter den Staatsmi- erhalten. Es war richtig, dass die wird die Chance, die Finanzierung nistern Naumann und Nida-Rüme- Deutsche Welle gleich nach den Er- der Deutschen Welle in verfassungs- lin in der letzten Legislaturperiode eignissen vom 11. September 2001 konformer Weise auszuprägen und nimmt die Neugestaltung des deut- Programme für die rund 60 Millio- so die Grundsätze des 8. Rundfunk- schen Auslandsrundfunks nach nen Menschen in den zentralasiati- urteils des Bundesverfassungsge- nunmehr 5 Jahren endlich konkrete schen GUS-Staaten eingerichtet hat. richtes hinsichtlich der politischen Formen an. Das Programm erreicht die Multipli- Unabhängigkeit und Staatsferne zu Die Hauptzielsetzung des Aus- katoren in dieser Region und gilt bei berücksichtigen, versäumt. landsrundfunks (DW) muss die Ver- allen Hörern als seriöse Informati- Positiv zu bewerten ist, dass der mittlung eines umfassenden Bildes onsquelle. Bei Krisen und Konflikten Programmauftrag der Deutschen des politischen, kulturellen und in anderen Ländern sollte in einzel- Welle lediglich in einer Generalklau- wirtschaftlichen Lebens in Deutsch- nen politisch begründeten Fällen sel im Gesetz festgelegt und damit Koproduktion in Pakistan: Deutsche Welle-Redakteur John Hay Foto: Deutsche Welle land mittels Hörfunk, Fernsehen die Deutsche Welle als „Krisenprä- die uneingeschränkte Verantwor- und Telemedien (Internet) sein und ventionssender“ wirken. Die jetzige tung der Deutschen Welle für ihr desrundfunkanstalten die Finanzie- zukünftig so bleiben; das setzt vo- bleiben. Der „Dialog der Kulturen“ Hilfe in Afghanistan ist dafür ein lo- Programm gesichert werden soll. rungshöhe durch eine unabhängige raus, dass die Koalitionsfraktionen gehört dazu; ist aber nicht prioritär. bendes Beispiel. Natürlich muss das Parlament den Kommission ermittelt wird; das Er- den Vorschlägen der Opposition In Ländern ohne oder mit einge- Beim künftigen Auftrag der Rahmen – wenn auch weit gefasst – gebnis dient dann dem Parlament entgegenkommen. schränkter Informationsfreiheit Deutschen Welle muss im Gesetz für den Programmauftrag festlegen. als Anhaltspunkt für seine Be- kann die Deutsche Welle als „Stim- unmissverständlich die Förderung Und die geplante Selbstevaluation schlussfassung. Der Verfasser ist Mitglied des Deut- me der Freiheit“ eine zusätzliche der deutschen Sprache und ihre Be- der Deutschen Welle von Zielen und Um deutlich zu machen, dass die schen Bundestags ■ wichtige Aufgabe wahrnehmen. In deutung als Vermittlungsinstrument Aufgaben sollte in regelmäßigen Ab- Deutsche Welle nicht der verlänger- STEUERN politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 18

Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zum Entwurf des „Gesetz zur Änderung des Deutsche-Welle-Gesetzes“

er Deutsche Kulturrat begrüßt, ten Verbreitungswegen in Form von in der notwendigen Reflexion und un- ne Zeitraum mit dem in § 4 b ange- Neuformulierung von Ziff. 1 a § 37 Ddass mit dem vorliegenden Ge- Hörfunk und Fernsehen auch der On- ter Berücksichtigung der Sicht- und sprochenen Rhythmus für Beteili- gesehen werden. setzentwurf Auftrag und Handlungs- line-Dienst mit dem Begriff Telemedi- Denkweisen auch der Zuhörer, Zu- gungsverfahren synchronisiert wird. Durch die in § 37 Ziff. 1 a gefun- fähigkeit der Deutschen Welle auf en (Teledienste und Mediendienste) schauer und Nutzer erfolgt. Wie dies dene Formulierung „Bedarf der Zu- eine zukunftsfähige Grundlage ge- ausdrücklich als Aufgabe und Ange- je nach Zielgebiet, Zielgruppe und Zusammenarbeit mit Dritten (§ 8) stimmung des Verwaltungsrates“ stellt werden sollen. In wesentli- bot aufgenommen wird. Medium aussehen kann, kann nicht Die Neuformulierung und Erweiterung wird diesem quasi ein „Veto-Recht“ chen Punkten bedeuten die Neufor- Nachdrücklich begrüßt werden per Gesetz festgelegt werden, son- bezüglich der Zusammenarbeit mit öf- zugebilligt. Da ohnehin beide Gremi- mulierungen des Gesetzes eine An- muss im Zusammenhang mit der ei- dern muss in der strategischen Auf- fentlich-rechtlichen Rundfunkanstal- en über die Aufgabenplanung abstim- passung an die Erfordernisse, die genverantwortlichen Aufgabenpla- gabenplanung und journalistischen ten im „In- und Ausland“ fixiert ge- men müssen, wäre es sicher zweck- sich mit den veränderten politi- nung das öffentliche Beteiligungsver- Umsetzung durch die Deutsche Welle setzlich, was sich in der praktischen dienlich, dies auch praktisch werden schen und z.T. rechtlichen Rahmen- fahren. Auch wenn es im einzelnen und ihre Beschäftigten immer wieder Arbeit der Deutschen Welle in Koope- zu lassen. Angeregt wird, darüber bedingungen ergeben haben. Insbe- noch Klärungsbedarf hinsichtlich der neu formuliert werden. Den gesetzli- ration mit ausländischen Rundfunk- nachzudenken, ob nicht beide Gremi- sondere mit der Neuformulierung praktikablen Umsetzung gibt, ist der chen Rahmen hierfür steckt die in § sendern bereits als vorteilhaft und en in einer gemeinsamen Sitzung des Programmauftrages werden die Ansatz einer offenen Diskussion mit 4 a formulierte Aufgabenplanung aus- sinnvoll erwiesen hat. In der Zusam- über die Aufgabenplanung abschlie- Ziele eines journalistisch unabhän- politisch verantwortlichen gesell- reichend ab. menarbeit mit den Landesrundfunk- ßend beraten und beschließen. gigen Ausland-rundfunks definiert, schaftlichen Gruppen und letztlich Nachdrücklich begrüßt der Deut- anstalten, der ARD und dem ZDF, der in einem neu sich findenden Eu- auch den Nutzern bzw. Zuschauern sche Kulturrat auch die in der Zielfor- kann die einschlägige Kompetenz der Finanzgarantie und– Einnahmen ropa, in einer globalisierten Welt zur grundsätzlich möglich. Dies fördert mulierung aufgenommene Förderung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der (§§ 44 und 45) Verständigung der Kulturen auch sowohl die Akzeptanz und ist sicher der deutschen Sprache. Deutschen Welle in Bezug auf die von Zu begrüßen ist, dass die Neufor- durch die Sichtweisen und Darstel- eine neue Qualität im Dialog zwi- ihnen belieferten Sendegebiete und mulierungen des Gesetzes einen lungen deutscher Positionen beitra- schen allen Beteiligten. Förderlich Beteiligungsverfahren (§ 4 b) Regionen gar nicht genug herausge- verlässlichen Planungszeitraum von gen kann. Gerade wegen ihres be- dürfte sich dies auch auf den Selbst- Das vorgesehene institutionalisierte stellt werden. In einem zusammen- 4 Jahren ermöglichen. Sinnvoll wäre sonderen Status als Bundesrund- evaluierungsprozess auswirken, zu Beteiligungsverfahren ist im Grund- wachsenden Europa und einer globa- in diesem Zusammenhang aller- funkanstalt und der damit verbunde- dem die Deutsche Welle verpflichtet satz zu begrüßen, muss aber hinsicht- lisierten Welt muss der Auslandssen- dings auch, den Grundsatz einer nen Finanzierung muss die Stellung ist. lich der Praktikabilität einer jährlichen der Deutsche Welle nicht nur als nach überjährigen Verfügbarkeit finanziel- der Deutschen Welle als Trägerin Zu den Neuregelungen im Einzel- Diskussion, gekoppelt an die damit außen wirkendes Medium, sondern ler Mittel zu ermöglichen. des Grundrechts der Rundfunkfrei- nen: verbundene Finanzierung, kritisch hin- auch in seiner Bedeutung für die In Anerkenntnis der Besonder- heit gemäß Artikel 5 Absatz 1 Satz terfragt werden. Ebenso wie eine grö- Kommunikation europäischer und glo- heit der Deutschen Welle als Bun- 2 des Grundgesetzes deutlich he- Ziele (§ 4) ßere Flexibilität hinsichtlich des finan- baler Fragen in seiner Innenwirkung desrundfunkanstalt und der damit rausgestellt werden. Der längst überholte Auftrag zur Ver- ziellen Planungszeitraumes erforder- erkannt werden. Dieser wechselseiti- verbundenen Mittelzuweisung wird Der erweiterten Aufgabenstel- mittlung eines umfassenden lich ist (siehe dazu die Anmerkungen ge Nutzen ist auch in der Kooperation angeregt, wie bei den anderen An- lung entspricht die verpflichtende, in Deutschlandbildes, der auch in der zu § 44 ff.) erscheint es zumindest der Deutschen Welle mit den Institu- stalten des öffentlich-rechtlichen eigener Verantwortung vorzunehmen- praktischen Rundfunkpolitik der Deut- fraglich, ob eine jährliche Diskussion tionen zu sehen, die sich mit interna- Rundfunks eine unabhängige Kom- de Aufgabenplanung für einen Zeit- schen Welle in dieser reduzierten der Aufgabenplanung in zeitlich ver- tionalen Beziehungen in Kultur, Wirt- mission über den Finanzbedarf, re- raum von jeweils 4 Jahren. Die mit Form kaum noch eine Rolle gespielt nünftiger Relation zu einer fundierten, schaft und Wissenschaft befassen. spektive die Feststellung der Finan- dieser Aufgabenplanung verbundene hatte, ist zu Gunsten der Zielformulie- verlässlichen und kalkulierbaren Eine damit möglicherweise verbunde- zierungshöhe beraten und eine Formulierung der Ziele, einschließ- rung für ein Angebot, das „Verständ- „Sendepolitik“ und praktikabler Betei- ne Einflussnahme auf die Unabhän- Empfehlung ausarbeiten zu lassen. lich ihrer konkreten Umsetzung, was nis und den Austausch zwischen den ligungskultur steht. Geradezu fatal wä- gigkeit der Deutschen Welle muss al- Entsprechend der Intention des Programme, Schwerpunkte und Ver- Kulturen und den Völkern zur fördern“ re es, wenn die begrüßenswerte Öff- lerdings ausgeschlossen bleiben. neuen Gesetzes die Unabhängigkeit breitungswege anbetrifft, erfordert hat, aufgegeben worden. Die bei aller nung für eine öffentliche Diskussion der Deutschen Welle als öffentlich- allerdings auch eine entsprechende Dominanz der Vielfalt über deutsche u.a. mit Gruppen der Zivilgesellschaft Zusammensetzung der Gremien rechtliche Rundfunkanstalt weitge- Planungssicherheit und Finanzierung Standpunkte und Entwicklungen ein- in eine scheindemokratische Veran- (§§ 31 und 36) hend abzusichern, würde auch auf über eben diesen Zeitraum. Hier ist geforderte Gleichrangigkeit deutscher staltung münden würde. Die Einführung einer Stellvertreterre- diesem Wege gemäß dem 8. Rund- der Gesetzentwurf, auch wenn er ge- und anderer Sichtweisen bedeutet ei- gelung (Ziff. 4) scheint bei Abwägung funkurteil des Bundesverfassungs- genüber dem status quo schon eine nen entscheidenden Schritt voran. Bewertung (§ 4 c) aller Gesichtspunkte letztlich nicht gerichts vom 22. Februar 1994 in deutliche Verbesserung darstellt, Für eine wirklich glaubwürdige und Die Aufnahme eines Evaluierungsver- förderlich und ist daher abzulehnen. Bezug auf die Finanzierungsmodali- noch korrekturbedürftig. verständliche Darstellung eigener Po- fahrens in eigener Verantwortung in Aufgaben (§ 32) täten Rechnung getragen. Zu begrüßen ist, dass neben sitionen und Sichtweisen besteht nur das Gesetz ist zu begrüßen. Zu über- Die Neuformulierung der Ziff. 2 a den bisherigen im Gesetz veranker- dann Aussicht auf Erfolg, wenn diese legen wäre, ob der hierfür vorgesehe- muss im Zusammenhang mit der Berlin, den 24.06.2004. ■

Drama ohne Ende Deutschland und seine Ausländersteuer • Von Jens Michow

Der Unmut der Veranstaltungswirt- tigen übernommene und mit Drit- den Zahl von Prozessen ausgesetzt, brechen“ würde, haben die mit der freibetrags ergeben würde. schaft mit der sog. „Ausländersteu- ten unmittelbar abgerechnete Ne- in welchen die Finanzverwaltung Materie befassten Steuerexperten Das Bundesministerium der Fi- er“, also der Besteuerung der inlän- benkosten zum Beispiel für Hotels, mit eigenwilliger Interpretation die- dem deutschen Gesetzgeber schon nanzen hat darauf mit einer Verwal- dischen Einnahmen ausländischer Reisekosten und technische Neben- se auszuhöhlen versucht und vom in den neunziger Jahren prophezeit. tungsanordnung vom 3. November Künstler und Produktionsgesell- leistungen sowie Agenturprovisio- Veranstalter als Haftungsschuldner Am 12. Juni 2003 hat die Fünfte 2003 reagiert. Diese Anordnung soll schaften, nimmt kein Ende. nen zur Bemessungsgrundlage für im Nachhinein auch die Besteue- Kammer des Europäischen Ge- als vorläufige Regelung gelten, bis ei- den Steuerabzug zählen. Während rung jener Nebenkosten fordert. richtshofes anlässlich des Verfah- ne neue und dauerhafte gesetzliche ährend 1996, als der Pauschal- der insoweit nach wie vor eindeutige Einen erhebliche Hoffnungs- rens des Musikers Arnoud Gerritse Regelung verabschiedet wird. Der Wsteuersatz von 15 auf 25 Pro- Standpunkt der Finanzverwaltung schimmer verbreitete kürzlich ein gegen das Finanzamt Neukölln- Weg läuft über das sogenannte Ver- zent erhöht wurde, die Branche sich sowie des Bundesfinanzhofs, dass Urteil des Europäischen Gerichtsho- Nord festgestellt, dass die deutsche einfachte Erstattungsverfahren. Die- bei ihrem Kampf mit dem Gesetzge- vom Vertragspartner übernommene fes, der sich im vergangenen Jahr Pauschalbesteuerung gegen Art. 49 ses in § 50 Abs. 5 Einkommensteuer- ber noch breiter Unterstützung aller Hotel- und Reisekosten grundsätz- zum wiederholten Mal mit dem und 50 EG-Vertrag (Verbot der Be- gesetz (EStG) geregelte Verfahren er- interessierten Kreise und vor allem lich Teil der Bemessungsgrundlage deutschen Pauschalbesteuerungs- schränkung des freien Dienstleis- möglicht es seit 1996 dem be- der Medien sicher sein konnte, ist es seien, noch nachvollziehbar sein system zu beschäftigen hatte. Zwar tungsverkehrs) verstößt. Würden be- schränkt Steuerpflichtigen, Steuer- heutzutage fast hoffnungslos, dem mag, gibt es bezüglich der Kosten handelt es sich bei der Einkommen- stimmte Steuervergünstigungen, die beträge, welche die Hälfte seines Ge- interessierten Laien noch verständ- für technische Nebenleistungen stuer nicht um eine sog. harmoni- Gebietsansässigen gewährt werden, winns übersteigen, nachträglich zu- lich zu machen, wieso trotz zwi- (Ton und Licht, Bühnenaufbauten sierte Steuer wie zum Beispiel der Gebietsfremden untersagt, sei dies rückzufordern. Dies ist immer dann schenzeitlich eingeführtem Verein- etc.) sowie Agenturprovisionen, die Umsatzsteuer. Jedem Mitgliedsstaat nur gerechtfertigt, sofern es zwi- der Fall, wenn die Kosten des be- fachtem Erstattungsverfahren, Frei- vom Agenten unmittelbar dem Ver- der EU steht es somit frei, selbst die schen ihnen objektive Unterschiede schränkt Steuerpflichtigen die Hälfte betragsgrenze und Staffelsteuerbe- gütungsschuldner berechnet wer- Höhe seiner direkten Steuern fest- sowohl hinsichtlich ihrer persönli- seiner Einnahmen übersteigen. trägen für Geringverdiener (sog. den, eine insoweit eindeutige Ver- zulegen. Dennoch sind mit dem chen Steuerkraft sowie der persönli- Dieses Verfahren wird durch die Milderungsregelung) sich immer waltungsanordnung des Bundesmi- Binnenmarkt unvereinbar vor allem chen Lage und des Familienstandes neue Anordnung nun dahingehend noch deutsche Gerichte und auch nisteriums für Finanzen (BMF) steuerliche Abgaben oder Erschwer- gäbe. Es sei zwar legitim, den abgeändert, dass von den Einkünf- der Europäische Gerichtshof mit (Schreiben des BMF vom 23. Januar nisse, die an einen Waren- oder Grundfreibetrag in der Regel nur In- ten des beschränkt Steuerpflichti- dem deutschen Besteuerungsver- 1996 in BStBl I 96, S. 89 ff). Danach Dienstleistungsverkehr über die in- ländern zu gewähren. Das System gen – wie bei einem Steuerinländer – fahren auseinandersetzen. Doch lei- zählen diese dann nicht zur Bemes- nergemeinschaftlichen Staatsgren- der deutschen Pauschalbesteuerung von der Bruttoeinnahme die im un- der gibt es nach wie vor erheblichen sungsgrundlage, wenn sie seitens zen anknüpfen, sowie jegliche steu- stehe jedoch, so urteilte das Gericht, mittelbaren wirtschaftlichen Zu- Anlass, das deutsche Besteuerungs- des Vergütungsschuldners auf der erliche Diskriminierung von EG- den Vorschriften des EG-Vertrages sammenhang mit dem Auftritt ste- verfahren zu kritisieren. Basis separater Verträge mit Dritten Ausländern gegenüber Inländern. nur dann nicht entgegen, wenn der henden Betriebs- und Werbekosten Da gibt es zunächst einmal das übernommenen werden. Die deut- Dass dieses Grundprinzip des Bin- Pauschalsteuersatz nicht höher sei in Abzug gebracht werden. Sodann Standardproblem der Pauschalbe- sche Veranstaltungswirtschaft, die nenmarktes dem deutschen System als der Steuersatz, der sich für den wird der Grundfreibetrag in Höhe steuerung, welches in der Frage be- seitdem im Vertrauen auf die bin- der Pauschalbesteuerung der Ein- Betroffenen tatsächlich aus der An- von derzeit 7.235,— Euro hinzuge- steht, inwieweit vom Vergütungs- dende Wirkung dieser Anordnung nahmen ausländischer Künstler und wendung des progressiven Steuerta- schuldner (zum Beispiel Veranstal- agierte, sieht sich nunmehr insbe- Produktionsgesellschaften irgend- rifs auf die Nettoeinkünfte zuzüglich Weiter auf Seite 19 ter) für den beschränkt Steuerpflich- sondere in Bayern einer zunehmen- wann sprichwörtlich „das Genick eines Betrages in Höhe des Grund- STEUERN politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 19

Fortsetzung von Seite 18 des beschränkt Steuerpflichtigen ein- nach wie vor dazu, dass der Steuer- die im Konzertgeschäft nicht selten wie es ja eigentlich sein sollte – wie- zubehalten und an sein Finanzamt ausländer schlechter gestellt wird mehr als 50 Prozent der Gesamtein- der selbst zur Übernahme ihrer Steu- abzuführen. Somit bleibt es dabei, als der Steuerinländer. Während nahme betragen, erheblich auf die erverpflichtung zu motivieren und rechnet. Auf den sich danach erge- dass der beschränkt Steuerpflichtige Letzterer gem. § 37 Abs. 1 EStG eine Steuerbelastung auswirken, wenn die Abwälzung der Steuerschuld auf benden Betrag sollen nunmehr die zunächst die Steuer zahlen muss und Einkommensteuervorauszahlung Betriebs- und Werbekosten vor Er- den Veranstalter zur Ausnahme wer- tariflichen Steuersätze nach § 32 a auf eine spätere Erstattungsforde- auf der Basis einer prognostischen mittlung der Steuerlast Berücksichti- den zu lassen. Abs. 1 EStG angewandt werden. Die rung im Wege einer Einkommensteu- Beurteilung seiner Einnahmen- und gung fänden, wie dies zum Beispiel Das BMF verschließt sich bedau- Anordnung gilt auch für Staatsange- ererklärung verwiesen bleibt. Kostensituation zu leisten hat, bleibt in England und den Niederlanden erlicherweise jeder praxisorientier- hörige aus nicht zur EU zählenden Kontrahieren Künstler und Ver- diese dem Steuerausländer versagt, längst gängige Praxis ist . Dort kön- ten Diskussion. Verbände wie der Staaten. Das bisherige Pauschalbe- anstalter – was in der Praxis häufig indem dieser zunächst pauschal be- nen die Kosten einer Tournee, soweit Bundesverband der Veranstaltungs- steuerungsverfahren kann optional der Fall ist – auf Nettohonorarbasis steuert wird und auf eine Erstat- sie feststehen, bereits im Vorwege bei wirtschaft (idkv) e.V. haben mehr- weiter angewandt werden. und verpflichtet sich der Veranstal- tungsforderung angewiesen bleibt, einer zentralen Stelle angemeldet fach angeboten, ihren Sachverstand Das Verfahren klingt gut, ist in der ter, die Steuerpflicht separat zu die er erst im Nachhinein geltend werden. Für noch entstehende Kos- in die Findung einer praxisgerechten Praxis jedoch ohne Hilfe eines Steu- übernehmen, bleibt der Veranstalter machen kann. Durch dieses Verfah- ten gibt es ein Schätzungs- bezie- Lösung einzubringen. Das BMF hat erberaters oder Rechtsanwaltes nicht letztlich auf die Kooperationsbereit- ren wird seine Liquidität erheblich hungsweise Pauschalierungsverfah- diese Hilfe leider bisher abgelehnt. durchführbar. Erschwerend kommt schaft und den goodwill des Künst- eingeschränkt.. ren, um auf diesem Wege ein mög- So wird sich also der EuGH ganz si- hinzu, dass der Antrag gemäß der lers angewiesen, da dieser das für Eine pragmatische Umsetzung lichst unkompliziertes und zeitnahes cher kurzfristig erneut mit der The- Anordnung nur durch den Künstler ihn komplizierte Erstattungsverfah- des Urteils in innerstaatliches Recht Besteuerungsverfahren zu ermögli- matik zu beschäftigen haben. selbst gestellt werden kann. Dem Ver- ren beantragen und dem Veranstal- könnte darin bestehen, dass zumin- chen. Tatsächlich besteuert wird auf gütungsschuldner ist eine Berufung ter, sofern denn Steuerbeträge er- dest optional eine Steuerveranlagung diesem Wege dann nur noch dem Der Verfasser ist Rechtsanwalt und auf die Rechte versagt, das heißt, er stattet werden, diese auskehren im Einzelfall eröffnet wird. Trotz Sen- Künstler beziehungsweise der Pro- Präsident des Bundesverbands der ist weiterhin verpflichtet, die Pau- müsste. Ein in der Praxis kaum vor- kung des Steuersatzes auf mittlerwei- duktionsgesellschaft verbleibende Veranstaltungswirtschaft (idkv) ■ schalsteuer in Höhe der Sätze des § stellbarer Geschehensablauf. le 20 Prozent würde es sich insbeson- Gewinn. Allein ein derartiges Verfah- 50 a Abs. 4 EStG von der Vergütung Insgesamt führt das Verfahren dere bei hohen Produktionskosten, ren scheint geeignet, die Künstler –

Echternacher Springprozession für Fundraiser Erneute Änderung der Gesetzeslage für Fördervereine • Von Malte Christopher Boecker

Über der Gemeinnützigkeit deutscher rechts genügende Satzung vorberei- der- und Sammelspendenverei- Satzungsaufhebung. vorzukommen. Ziel muss es ein, Förder- und Sammelspendenvereine tet oder eingeführt. nen der Kultureinrichtungen der c) Für Fördervereine von privaten dass der Förderverein selbst un- von Kultureinrichtungen hängt ein Die Satzungsverpflichtung war öffentlichen Hand, die sich auf Kultureinrichtungen gilt das Sat- mittelbar kulturelle Zwecke ver- Damoklesschwert: Durch eine Geset- zwar bereits zum 1. Januar 2001 in die veränderte Gesetzeslage seit zungserfordernis weiterhin. Da wirklicht und die Kultureinrich- zesänderung setzt ihre Steuerbe- Kraft getreten. Die Finanzverwaltung 2001 noch nicht eingestellt hat- die Übergangsregelung bereits am tung fortan als Dienstleister statt günstigung seit Anfang 2001 voraus, hatte jedoch eine Übergangsrege- ten, bleibt weiterhin bestehen. 30. Juni 2003 abgelaufen ist, sehen als Mittelempfänger auftritt. dass die begünstigte kulturelle Ein- lung erlassen, die inzwischen mehr- b) Gesetzestreue Kommunen, die sich alle Fördervereine von richtung selbst steuerbegünstigt ist fach verlängert wurde. So hat das den Empfehlungen ihrer Dach- GmbHs, die sich zwischenzeitlich Der Verfasser ist Rechtsanwalt und (s. Beitrag in puk 03/03). Aufgrund BMF mit Schreiben vom 2. April 2002 verbände gefolgt waren und zwi- keine gemeinnützige Satzung ge- Projektmanager für Kultur bei der eines neuen Beschlusses von Bun- und 13. November 2002 erklärt, dass schenzeitlich für ihre Kulturein- geben haben, der Gefahr des Ge- Bertelsmann Stiftung ■ destag und Bundesrat zur Änderung Fördervereine in den Veranlagungs- richtungen eine gemeinnützige meinnützigkeitsverlustes ausge- der Abgabenordnung (BT-Drs. zeiträumen 2001 bis 2003 auch dann Satzung erlassen haben, werden setzt. Hier kann nur eine sofortige 15/904 sowie BR-Drs. 508/04) wur- weiterhin als gemeinnützig behan- doppelt belastet: Entweder gelten Satzungsänderung des Förderver- de die Gesetzesänderung am 9. Juli delt werden, wenn die Anerkennung für sie nun die engeren Bindun- eins selbst einen Ausweg bieten, 2004 aber teilweise wieder rückgän- der Gemeinnützigkeit lediglich daran gen des Gemeinnützigkeitsrechts um der Rückabwicklung von gig gemacht. Der Artikel erläutert, scheitern würde, dass bei der geför- oder sie haben wiederholten Um- Spenden und haftungsrechtlichen worauf zu achten ist. derten Körperschaft am Beginn des stellungsaufwand durch erneute Konsequenzen des Vorstandes zu- Veranlagungszeitraums keine oder it dem Gesetz zur Änderung keine ausreichende Satzung vorhan- Mdes Investitionszulagengeset- den war und die geförderte Körper- zes 1999 vom 20. Dezember 2000 schaft bis zum 30. Juni 2003 eine Sat- war ab dem 1. Januar 2001 unter an- zung erhält, die den Anforderungen derem § 58 der Abgabenordnung des Gemeinnützigkeitsrechts genügt. (AO) geändert worden. Danach Diese Frist wurde für Betriebe ge- konnte seither die Beschaffung von werblicher Art mit Schreiben des Mitteln für eine Kultureinrichtung BMF vom 4. März 2003 und Schrei- in Deutschland nur dann steuerbe- ben vom 2. April 2004 sogar bis zum günstigt sein, wenn die zu fördern- 31. Dezember 2004 verlängert. Die de Einrichtung selbst die Vorausset- Verlängerung erfolgte jedoch nicht zungen der Steuerbegünstigung er- für die Förderung von privatrechtli- füllt. Die Gesetzesänderung sollte chen Körperschaften. Missbrauchstatbestände verhin- Gleichzeitig formierte sich auf dern. Anders als bis Ende 2000 soll- Initiative des Landes Rheinland- ten Kultureinrichtungen, die aus Pfalz ein Gesetzesvorstoß, der für bestimmten Gründen keine Ge- Fördervereine von Einrichtungen öf- meinnützigkeit erlangen wollten fentlich-rechtlicher Körperschaften oder konnten, nun nicht mehr die Wiederherstellung des Rechtszu- durch die Gründung eines Förder- standes vor der Änderung des § 58 vereins eine mittelbare Empfangs- nr. 1 AO im InvZulG 1999 bezweckte. berechtigung für steuerlich abzieh- Er wurde von zahlreichen Bundes- bare Spenden zustehen. Diese auf ländern und der Bundesvereinigung gewerbliche Golfvereine oder Pfle- Deutscher Musik- und Theaterfreun- geheime abzielende Vorschrift be- de e.V. in Braunschweig unterstützt. deutete im Kulturbereich eine nicht Begründet wurde er damit, dass bei unwesentliche Erschwernis. Sie traf Einrichtungen der öffentlichen eine Vielzahl von Kultureinrichtun- Hand und ihren Fördervereinen die gen, die als nicht gemeinnützige Frage der Missbrauchsvermeidung GmbHs oder als Betriebe gewerbli- regelmäßig keine Bedeutung habe. cher Art von juristischen Personen Fördervereine bestünden hier des öffentlichen Rechts geführt wer- hauptsächlich für Einrichtungen, die den (S. dazu § 4 Körperschaftsteuer- zweifelsfrei ausschließlich steuerbe- gesetz). Für diese Einrichtungen günstigte Zwecke i.S.d. § 52 AO ver- hatte die Gesetzesänderung zur Fol- folgen und deren Eigenschaft als Be- ge, dass ihre Förder- und Sammel- trieb gewerblicher Art nur auf der spendenvereine nicht mehr als ge- haushaltsmäßig notwendigen Erhe- meinnützig hätten anerkannt wer- bung von Eintrittsgeldern beruhe. den können, es sei denn, die be- Nach Beschluss durch Bundestag günstigte GmbH oder der Betrieb und Bundesrat wurde dieser Geset- gewerblicher Art hätte sich nach zesvorstoß am 9. Juli 2004 verab- den §§59ff AO selbst eine Satzung schiedet, so dass die Verpflichtung oder sonstige vergleichbare Verfas- für die betroffenen Betriebe gewerb- sung gegeben. Darauf hatte der licher Art, sich eine den gemeinnüt- Deutsche Kulturrat in seiner Presse- zigkeitsrechtlichen Anforderungen meldung vom 12. Juni 2003 hinge- genügende Satzung zu geben, rück- wiesen und alle Kultureinrichtun- wirkend zum 1. Januar 2001 wieder gen angemahnt, sich eine gemein- entfallen ist. nützige Satzung zu geben. Dement- Mit dieser steuergesetzgeberi- sprechend wurde zwischenzeitlich schen Variante der Echternacher in zahlreichen Kommunen für ihre Springprozession gilt für Förderver- Kulturinstitutionen eine den Anfor- eine somit: derungen des Gemeinnützigkeits- a) Die Gemeinnützigkeit von För- ARBEITSMARKT KULTUR politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 20

Keine Experimente mit der Künstlersozialversicherung Die soziale Sicherung von Künstlerinnen und Künstlern muss erhalten bleiben • Von Angelika Krüger-Leißner

Die Auseinandersetzung mit der wirt- Es gibt aber systemimmanente Enquete, in gezielter Kooperation del diese Berufsgruppe ausgesetzt nicht entlassen werden. Angesichts schaftlichen und sozialen Lage der Schwächen, die eine Erörterung des mit Verbänden und Ministerien, Or- ist und wie wichtig es ist, unsere be- der Novellierung des KSVG im Jahre Künstlerinnen und Künstler ist eine Reformbedarfes nötig machen. Da ganisations- und Finanzierungsvor- stehenden sozialen Sicherungssys- 2001 wird es innerhalb der Enquete der wichtigsten Aufgaben der Enque- die Finanzierung der Sozialversiche- schläge zu erarbeiten, um Künstlern teme an diese Veränderungen anzu- nicht um tiefgreifende strukturelle te-Kommission „Kultur in Deutsch- rungsbeiträge derjenigen der Arbeit- und Publizisten nicht nur eine Parti- passen. Ein alternatives Konzept zur Änderungen gehen. Dennoch haben land“. Es ist erforderlich, dass wir nehmer nachgebildet ist, werden zipationsmöglichkeit an staatlich wir die Aufgabe, über die Beibehal- uns damit beschäftigen, wie wir die Sozialleistungen nur erbracht, wenn bezuschusster gesetzlicher Renten- tung des derzeitigen Status Quo hi- soziale Absicherung der Kunst- und und soweit zuvor Beiträge entrichtet versicherung zu gewährleisten, son- naus, Vorschläge, die an uns von Ex- Kulturschaffenden optimieren und wurden. Im Unterschied zur Kran- dern deren Teilhabe an betrieblicher pertenseite herangetragen werden, verbessern können. Dazu müssen ken- und Pflegeversicherung, in der und privater Altersvorsorge sicher- zu bewerten und gemeinsam deutli- wir die bestehenden Systeme unter die zumeist niedrigen Einkommen zustellen. che Verbesserungen anzustreben, die Lupe nehmen, auf ihre Effektivi- der Versicherten insofern berück- die die Aufrechterhaltung dieses tät überprüfen und Handlungsvor- sichtigt werden, als Leistungen Kurzzeitarbeitstverhältnisse Sondersystems auch in Zukunft ge- schläge erarbeiten. grundsätzlich unabhängig von der währleisten. Höhe der gezahlten Beiträge ge- und Arbeitslosengeld n Deutschland haben wir mit der währt werden, hängen die Leistun- Darüber hinaus muss es uns gelin- Soziale Absicherung IKünstlersozialkasse (KSK) eine gen der Rentenversicherung von der gen, diverse Teilsysteme, wie Ren- wichtige Stütze für Künstlerinnen Höhe der Arbeitseinkommen ab. ten- Kranken- und Arbeitslosenver- für Künstler und Künstler in Deutschland, die Gerade hier zeigt sich die Anfällig- sicherung angemessen zu berück- Es geht darum, die KSK zukunftsfä- ihresgleichen sucht. Kaum ein an- keit eines Systems, das auf eine lü- sichtigen und miteinander in Ein- hig zu machen, nicht sie im Kern in deres Land bietet Kulturschaffen- ckenlose Erwerbsbiographie ausge- klang zu bringen. Das betrifft vor al- Frage zu stellen. Auch wenn wir vie- den eine derartige Möglichkeit, richtet ist. Die Vorteile des in der lem die, die in dieser speziellen Be- le Veränderungen der sozialen Si- sich sozial abzusichern. Neben be- Künstlersozialkasse versicherten rufsgruppe im Grenzbereich von cherungssysteme, die die Zukunft trieblicher Altersvorsorge und di- Personenkreises liegen zwar in der selbstständiger und abhängiger Be- bringen werden, wie zum Beispiel versen Leistungen der privaten Entlastung der Beitragszahlenden, schäftigung arbeiten. Da der Bezug das Modell einer Bürgerversiche- Versicherungswirtschaft rücken in- nicht aber in der Begründung be- von Arbeitslosengeld erst dann ga- rung, noch nicht abschätzen kön- puncto soziale Sicherung von sonderer Rentenansprüche. rantiert ist, wenn Beschäftigungslo- nen, muss klar sein, dass die KSK er- Künstlerinnen und Künstlern vor se innerhalb von zwei Jahren vor halten bleibt. Sie bietet am ehesten allem vom Staat geschaffene Ein- Problem der Eintritt der Arbeitslosigkeit 12 Mo- Angelika Krüger-Leißner eine soziale Absicherung für Men- richtungen in das Blickfeld der Be- nate kontinuierlich versicherungs- Foto: Bundestag schen, die für die Kultur arbeiten. trachtung. Die Schutzbedürftigkeit Altersarmut erkennen pflichtig beschäftigt waren, sind vor Und die hervorragende kulturelle selbstständiger Künstler und Publi- Die meisten Künstlerinnen und allem diejenigen in der Kultur- und Künstlersozialversicherung wird es Landschaft in Deutschland muss zisten wurde mit dem Künstlerso- Künstler treten vergleichsweise spät Medienbranche benachteiligt, die aus meiner Sicht nicht geben. In kei- vom Staat besonders geschützt blei- zialversicherungsgesetz (KSVG) ins Berufsleben ein. Darüber hinaus durch ständig wiederkehrende nem anderen europäischen Nach- ben. Hierzu beizutragen ist die viel- von 1983 erkannt und damit den belegen Daten, dass auch nach lang- Kurzzeitarbeitsverhältnisse keine barland obliegt die Finanzierung der leicht wichtigste Aufgabe der En- Pionieren eines Erwerbstypus Re- jähriger Beitragszahlung selten An- Ansprüche aus der Arbeitslosenver- Sozialversicherungsbeiträge für quete-Kommission. chnung getragen, die im Gegensatz sprüche erworben werden, die ober- sicherung erhalten. Da für diese In- selbstständige Künstler wie in zu abhängig Beschäftigten, nicht in halb des Existenzminimums liegen. teressengruppe keine gesetzliche Deutschland dem paritätischen Die Verfasserin ist Mitglied des ausreichendem Maße zu Selbstvor- Die Enquete-Kommission hat das Sonderreglung geschaffen werden Prinzip. Das aber hat sich bewährt. Deutschen Bundestags und gehört sorge fähig sind. Unbestritten ist Problem der Altersarmut als sozial- kann, scheint es ratsam, auf die Fle- Zweifellos haben wir dafür Sorge der Enquete-Kommission des dieses Sondersystem, das einen politischen Handlungsbedarf er- xibilisierung von Anwartschaften zu zu tragen, das auch die Finanzier- Deutschen Bundestags „Kultur in speziellen Personenkreis als kannt. In sinnvoller Ergänzung zum setzten, die Rahmenfristen zu ver- barkeit sichergestellt bleibt und dass Deutschland“ an ■ Pflichtversicherte in den Schutz deutschen Alterssicherungsmodell kürzen, um wenigstens übergangs- es uns gelingt, sowohl den Bund, als der gesetzlichen Kranken- und werden alternative Konzepte im eu- weise eine Anspruchsdauer auf Ar- auch die Verwerterseite wie bisher Rentenversicherung einbezieht ropäischen Ausland einer Prüfung beitslosengeld zu ermöglichen. weiter in die Pflicht zu nehmen. Ge- und seit 1995 den Versicherungs- unterzogen. Altersabsichernde Zu- Bis Ende 2003 waren bei der KSK rade letztere fungieren gegenüber schutz um die soziale Pflegeversi- satzleistungen werden indes allein 131 000 Versicherte aller Sparten ge- selbstständigen Künstlern als Auf- cherung erweitert hat, von un- in staatlicher Regie nicht durchzu- meldet. Der enorme Zuwachs zeigt, traggeber und dürfen infolgedessen schätzbarem Wert. führen sein. Daher ist es Aufgabe der welchem erwerbsstrukturellen Wan- aus ihrer sozialen Verantwortung

Künstler im Spannungsfeld zwischen Arbeit und Leben Eine empirische Untersuchung an der Universität Bonn • Von Caroline Dangel

Die wirtschaftliche und soziale Si- selbständige Künstlerinnen und nichtkünstlerischen Bereichen selb- ternehmen verschiedene Funktio- Unternehmenseinnahmen und -aus- tuation von Künstlerinnen und Künst- Künstler im Haupterwerb gerichtet. ständig? Darüber hinaus soll unter- nen. Untersucht werden soll daher gaben von den Haushaltseinnah- lern in Deutschland ist aktuell eines Der hinreichende Einbezug des so- sucht werden, ob besondere Motive, in diesem Zusammenhang, inwie- men und -ausgaben getrennt füh- der wichtigsten kulturpolitischen zialen Umfeldes fehlt in aktuellen für den Schritt in die Selbständigkeit fern dieses Phänomen auf die ren. Wie die Befragten mit diesem Themen. Die Frage, wie weiterhin Untersuchungen zur Selbständig- eine Rolle spielen und wenn ja, wie Künstler-Unternehmung zutrifft. So Sachverhalt umgehen, ist ebenfalls die soziale Absicherung von Kultur- keit von Künstlerinnen und Künst- diese aussehen. Denkbar sind hier- kommen zum Beispiel die Ehepart- Bestandteil der Untersuchung. schaffenden garantiert werden soll, lern, doch gerade Arbeitsräume und bei zum Beispiel das Gefühl der per- ner bei der ideellen, materiellen und Alle genannten Aspekte stehen beschäftigt zur Zeit unter anderem Lebensräume überschneiden sich sönlichen Unabhängigkeit oder die beratendenden Unterstützung oder unter dem Ziel des Versuchs einer die Enquete-Kommission des Deut- häufig. Die Bedeutung der Familie Vereinbarkeit von Haushalt und Fa- als Mitarbeiter oder mithelfende Fa- Typisierung von Künstler-Selbstän- schen Bundestages „Kultur in beziehungsweise die Bedeutung des milie mit dem Beruf. milienangehörige in Frage. digkeiten. Teilzeitselbständige wer- Deutschland“. Angesichts von Ein- Haushaltes sowie die Frage nach der Auch das subjektive Empfinden Doch nicht nur, was die im Un- den gesondert ausgewiesen. An- sparungen der öffentlichen Haushal- Organisation der künstlerischen der Künstlerinnen und Künstler als ternehmen tätige Personen betrifft, hand der Ergebnisse soll außerdem te auf allen Ebenen und der ange- Selbständigkeit für die Selbständi- Selbständige geht in die Untersu- gibt es Verflechtungen mit dem ein Ausblick darüber gegeben wer- spannten wirtschaftlichen Lage, ist gen müssen ebenfalls integriert be- chung ein. Die Erkenntnis über das Haushalt, sondern auch in den Mit- den, wie eine Beratung für selbstän- es nur folgerichtig zu fragen, wie trachtet werden. Maß an individueller Zufriedenheit teln und Zielen der beiden Systeme. dige Künstler, die über die alleinige künstlerische Unabhängigkeit und In diese Lücke stößt eine Unter- und die Nennung besonderer Prob- Aus diesem Grund geht das Modell Betrachtung des Unternehmens hi- ökonomische Sicherheit für die in suchung, die zur Zeit am Lehrstuhl leme ist für die Bewertung der eige- des so genannten Haushalts-Unter- nausgeht, aussehen könnte. Gerade Kunst und Kultur Tätigen weiterhin für Haushalts- und Konsumökono- nen Situation relevant. nehmens-Komplexes, das der Arbeit unter Berücksichtigung der starken gewährleistet werden kann. mik der Rheinischen Friedrich-Wil- Um zudem die ökonomische Be- zugrunde liegt, davon aus, dass Un- Verzahnung von Haushalt und Un- helms-Universität zu Bonn in Koo- deutung der künstlerischen Tätig- ternehmen und Haushalt nicht als ternehmung bei selbständigen ls besondere Schwierigkeit in peration mit dem Deutschen Kultur- keit einordnen zu können, ist es zwei getrennte Systeme, sondern als Künstlern kann aufgezeigt werden, Adieser Debatte kann gewertet rat e.V. und verdi durchgeführt wird. nicht nur wichtig, den Anteil dieser ein sozioökonomisches System be- wo Handlungsbedarf besteht, nicht werden, dass wir auf vielen Ebenen Hierzu wurden 3000 Mitglieder der Tätigkeit am gesamten persönlichen trachtet werden müssen. Da unter- nur für den einzelnen Künstler, son- nur sehr wenig über die aktuelle so- Gewerkschaft verdi angeschrieben, Einkommen zu erfragen, sondern nehmerische Tätigkeiten kleiner Be- dern auch für die Politik. ziale und ökonomische Situation die angegeben hatten, als Bildende auch das gesamte Haushaltsein- triebe häufig im Wohnbereich aus- Die Ergebnisse der Arbeit tragen der Künstlerinnen und Künstler wis- Künstler, Darstellende Künstler, Mu- kommen. geübt werden, können Haushalts- somit auch zur Entscheidungsfin- sen. Das gilt vor allem für die Selb- siker und Schriftsteller beziehungs- Traditionell arbeiten Künstlerin- ressourcen für das Unternehmen dung im Rahmen der aktuellen ständigen unter ihnen. Es ist be- weise Literarische Übersetzer selb- nen und Künstler alleine oder mit und Unternehmensressourcen für Überlegungen zur Zukunft der wirt- kannt, dass das Einkommen aus der ständig zu sein. einer nur sehr geringen Anzahl an den Haushalt genutzt werden, wie schaftlichen und sozialen Lage der künstlerischen Tätigkeit für viele Untersucht werden verschiede- Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. zum Beispiel der Privatwagen für Künstlerinnen und Künstlern in zum Lebensunterhalt kaum ausrei- ne Aspekte, die Erkenntnisse über Daher werden sie ökonomisch den Wege im Rahmen der Selbständig- Deutschland bei. chend sein dürfte und dass andere Arbeit und Leben der selbständigen Kleinstbetrieben zugeordnet, auch keit oder umgekehrt. Im Hinblick Erwerbsquellen oft eine große Rolle Künstlerinnen und Künstler in wenn Kulturschaffende gewöhnlich darauf ist vor allem bei Künstlern als Die Verfasserin arbeitet am Lehr- spielen. Eine Erhebung unter Be- Deutschland geben sollen. So ist zu- freiberuflich selbständig sind und freiberuflich Selbständige der As- stuhl für Haushalts- und Konsumö- rücksichtigung von Teilzeitselbst- nächst die Frage nach dem Weg in sich selbst nicht als Unternehmer pekt Haushalts- und Unterneh- konomik der Universität Bonn und ständigkeit wurde seit langem nicht die Selbständigkeit von großer bezeichnen würden. Gerade bei mensfinanzen interessant. Da frei- erstellt die genannte Studie ■ mehr vorgenommen. Die letzte Kul- Wichtigkeit. Waren die Befragten zu- kleinen Unternehmen in Deutsch- beruflich Selbständige nicht zur turenquete des Bundestages in den vor Studenten, abhängig Beschäftig- land übernehmen Personen aus doppelten Buchführung verpflichtet 70er Jahren hatte ihren Fokus auf te oder möglicherweise in anderen, dem mikrosozialen Umfeld im Un- sind, müssen sie nicht zwingend ARBEITSMARKT KULTUR politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 21

Frei flottierend auf dem Markt der Kultur Welche Chancen und Risiken birgt die Selbständigkeit im Kultur- und Mediensektor? • Von Sigrid Betzelt

Immer mehr KulturberuflerInnen ar- terviews von Berufsangehörigen im der Vergangenheit von offizieller Rund drei Viertel der weit über- schieden, und die Aushandlung der beiten nicht als Festangestellte, Bundesgebiet. Erste Teilergebnisse Seite offenbar wenig Aufmerksam- wiegend akademisch gebildeten Be- eigenen Ambitionen mit den Vor- sondern als „Solo-Selbständige“, wurden bereits veröffentlicht (vgl. keit geschenkt. Doch selbst die Be- fragten gaben relativ niedrige Ein- stellungen der Auftraggeber gelingt das heißt ohne weitere Angestellte. www.zes.uni-bremen.de), gegen En- rufsverbände haben nur wenige In- kommen zwischen unter 10.000 nicht allen gleichermaßen. Dabei hat freie Mitarbeit in den Kul- de des Jahres erscheint ein Ab- formationen über ihre Mitglieder. Euro und maximal 30.000 Euro im turberufen bereits Tradition. Insofern schlussbericht. Sie unterstützten deshalb das For- Jahr an, nur eine kleine „Elite“ von Handlungsbedarf ist der Kultur- und Mediensektor Vor- schungsprojekt bei der Durchfüh- unter 10 Prozent schätzte den Ver- reiter eines Trends, der sich auch in Ergebnisse der Studie rung eigener Erhebungen, indem sie dienst deutlich höher. Die meisten Als vorläufiges Fazit ist festzustellen, anderen wissensintensiven Dienst- den Zugang zu ihren Mitgliedern er- der Interviewten sind daher zumin- dass die Situation der Alleindienst- leistungsfeldern durchsetzt. Die Ein erstes Ergebnis ist das erhebli- möglichten. Gleichwohl können die dest phasenweise auf die finanzielle leisterInnen mehr Aufmerksamkeit Chancen und Risiken selbständiger che Manko an aussagefähigem sta- dadurch erhobenen statistischen Unterstützung von (Ehe-) PartnerIn- verdient. Handlungsbedarf besteht Erwerbsarbeit im Kulturbereich wur- tistischem Material zur Sozialstruk- Daten die Informationsdefizite nur nen oder Eltern angewiesen. Die bei verschiedenen Akteuren: den von Prof. Karin Gottschall und tur der Kulturberufe, also zur Zu- begrenzt kompensieren und haben Kulturberufe bieten Selbständigen 1. Die hohen individuellen Risiken, Dr. Sigrid Betzelt, Zentrum für Sozi- trotz hoher Qualifikationen und ho- die diese Gruppe eingeht, sollten alpolitik der Universität Bremen, un- hen zeitlichen Engagements also durch ausreichende institutionel- tersucht. Das dreijährige For- nicht durchweg existenzsichernde le Absicherungen begrenzt wer- schungsprojekt wird gefördert durch Einkommen. Einfluss auf den den, auch um gesellschaftliche die Deutsche Forschungsgemein- „Markterfolg“ und damit die Ein- Folgekosten zu vermeiden. schaft im Schwerpunktprogramm kommenshöhe haben das jeweilige 2. Die Berufsverbände sollten ihre „Professionalisierung, Organisation, Branchensegment, gefundene Weiterbildungsangebote insbe- Geschlecht“. Marktnischen, der Spezialisierungs- sondere zur Selbstvermarktung grad der AlleindienstleisterInnen ausbauen. Um gerade den kom- ie meisten der „Selbstunterneh- und – last but not least – die Kompe- merziell (noch) wenig Erfolgrei- DmerInnen“ haben einen Hoch- tenz der Selbstvermarktung. Die chen die nötige Weiterbildung zu schulabschluss, und es finden sich Einbindung in Netzwerke anderer ermöglichen, sollte zum Beispiel überproportional viele Frauen unter Professioneller und / oder von Auf- über verbilligte Weiterbildungs- ihnen. Das Besondere dieser Er- traggebern ist zudem relevant. Die gutscheine nachgedacht werden. werbsform im Vergleich zu Festan- Einkommensunterschiede zwischen 3. Die Ausbildungseinrichtungen, gestellten oder den klassischen Frei- Frauen und Männern sind zumin- besonders die Hochschulen, soll- en Berufen ist, dass ihre Arbeit kaum dest unter den Befragten der Studie ten dringend das Rüstzeug zur durch staatliche Vorgaben oder be- relativ gering. In der Bilanzierung Selbständigkeit als häufig einzig rufsständische Organisationen ver- der Vor- und Nachteile ihrer Selb- realistischer Erwerbsform in die bindlich reguliert wird: Es existieren ständigkeit überwiegen für die Lehrpläne aufnehmen. Die Ver- weder standardisierte Ausbildungs- meisten Interviewten die Vorzüge mittlung betriebswirtschaftlichen wege und geschützte Berufsbezeich- der relativ selbstbestimmten Ar- Basiswissens und bestimmter nungen noch verbindliche Preis- beitsgestaltung. Moniert wird aller- Marketingkompetenzen fehlt in und Qualitätsstandards. Statt Tarif- dings von vielen die schlechte sozia- künstlerischen und geisteswis- verträgen gibt es höchstens unver- le Absicherung und – nahezu ein- senschaftlichen Studiengängen bindliche Honorarempfehlungen stimmig – die mangelnde Vorberei- meist völlig. Außerdem sollte freiwilliger Berufsorganisationen. tung auf die Anforderungen der nicht länger auf den künstleri- Die einzelnen AlleindienstleisterIn- Selbständigkeit in der Ausbildung. schen Einzelkämpfer orientiert nen sind damit unmittelbar den Die Frage nach dem „Mi- werden, sondern die Wichtigkeit Marktbedingungen ausgesetzt. Die- schungsverhältnis“ von professio- professioneller Netzwerke für die se Situation bringt einerseits erhöh- neller Selbstbestimmung und exis- selbständige Existenz hervorge- te Risiken mit sich, andererseits tenzieller Unsicherheit lässt sich hoben werden. können die „Freien“ Arbeitszeit und noch nicht abschließend beantwor- 4. Die amtliche Statistik und andere -ort weitgehend selbst bestimmen ten. Es zeichnet sich aber eine ge- Datenquellen sollten selbständige und müssen sich nicht den Anord- wisse Polarisierung ab, die mit dem Erwerbsformen und die Dienst- nungen eines Chefs fügen. Berufsverständnis zusammenhängt: leistungsberufe differenzierter er- Die Untersuchung bezieht sich Zeichnung: Dieko Müller Das Spektrum reicht von einem pri- fassen, um Informationsdefizite auf vier Berufsgruppen – Journalist- mär künstlerisch oder wissenschaft- zu verringern. Innen, ÜbersetzerInnen, LektorIn- sammensetzung nach Geschlech- daher eher illustrativen Charakter. lich geprägten Verständnis mit nen und DesignerInnen. Die Ergeb- tern, den Anteilen Selbständiger, der Wichtige neue Erkenntnisse liefern Drang zur Selbstverwirklichung bis Die Verfasserin ist Wissenschaftliche nisse stützen sich auf Expertenge- Verteilung von Einkommen, Arbeits- darüber hinaus die zahlreichen In- zur Identifikation als DienstleisterIn Mitarbeiterin der Abteilung spräche mit Berufsverbänden und zeiten und privaten Haushaltsfor- tensivinterviews. An dieser Stelle mit starker Kundenorientierung. Die Geschlechterpolitik im Wohlfahrts- Gewerkschaften, schriftliche Befra- men. Dem Kulturbereich als Arbeits- nur einige Schlaglichter auf die Er- Ansprüche an professionelle Quali- staat im Zentrum für Sozialpolitik gungen und über 40 biografische In- und Dienstleistungsmarkt wurde in gebnisse: tät der Arbeit sind individuell ver- der Universität Bremen ■

MutualArt – Kunst mit ökonomischem Doppelnutzen Internationale institutionelle Innovation als Reformbeitrag für die Alterssicherung von Künstlern • Von Christian Helmenstein und Michael Hennig

Puristen möchten Kunst häufig auf mit der Höhe der Geldbeiträge – ge- die Kreativwirtschaft verkörpert ein tungsbereitschaft und Abgabenver- tungen auch lagerfähige Güter – in ihre ästhetischen und damit immate- wahrt bleiben sollen und sich das Netzwerk, dessen Wert für den ein- meidung vielmehr sogar auch abso- Gestalt von Kunstwerken – schaffen, riellen Aspekte fokussiert wissen. Lebenseinkommen der Versicherten zelnen (auch nur sporadischen) lut wieder abnimmt. steht aber prinzipiell eine zweite Der Politik kann auch ihre wirt- nicht sprunghaft über das gegen- Netzwerkteilnehmer mit seiner Grö- Wenn aber das gegenwärtige Beitragsart zur Verfügung. Bildende schaftliche Bedeutung namentlich wärtige Niveau hinaus entwickelt, ße zunimmt. Die KSK ist ein nicht zu Modell für den Durchschnitt der Künstlerinnen und Künstler könn- für die Kunstschaffenden selbst kann die Existenz des einzelnen unterschätzender Katalysator für Versicherten in der KSK also auch in ten einen (kleinen) Teil ihrer Werke nicht entgehen. Wer nicht außer Kunstschaffenden im Alter kaum den Erhalt und den Ausbau des Zukunft kaum mehr als eine Grund- im Sinne von Naturalbeiträgen in ei- Acht lassen möchte, dass das Gros über Subsistenzniveau dargestellt Netzwerkes – sie generiert eine posi- sicherung zu leisten imstande sein nen Fonds zwecks Aufbau einer ei- der Kunstschaffenden mit fortge- werden. Ein solcher Befund taugt je- tive Netzwerkexternalität, die der wird, stellt sich die Frage nach er- genständigen, kapitalgedeckten schrittener Erwerbsbiografie, das doch nicht zum Kronzeugen, um Gesellschaft als Ganzes anderenfalls gänzenden Instrumenten der Alters- Säule der Alterssicherung einbrin- heißt spätestens mit Erreichen des das soziale Sicherungsmodell des verloren ginge. vorsorge für Kunstschaffende. Über gen. Dieser Gedanke liegt „Mutual- – bei Selbstständigen zumeist imagi- KSVG oder die Institution KSK in to- Indes wäre es ebenso ein Trug- die umlagefinanzierte, gesetzliche Art“ zugrunde, einem in New York nären – Rentenalters, einkommens- to in Frage zu stellen. Die über die schluss, zu folgern, dass das über Rentenversicherung hinaus könnte aufgelegten Fonds zum Zwecke der mäßig auf das Niveau von Sozialhil- KSVG gewährleistete Grundsiche- das KSVG und die KSK abgesicherte – auf die vielleicht bedeutsamste Alterssicherung für bildende Künst- feempfängern herabgewürdigt wird, rung – insbesondere im Hinblick auf (geringe) Rentenniveau die Forde- Einsicht der Finanztheorie verwei- lerinnen und Künstler. kommt nicht umhin, sich mit dem in- ihre Krankenversicherungskompo- rung nach schärferer Umverteilung send, dass Diversifikation wohl- Die Kardinalfrage für den Erfolg strumentalen Charakter von Kunst nente – trägt essentiell dazu bei, das rechtfertigte. Eine solche wäre zum fahrtserhöhende Effekte zeitigen eines solchen Ansatzes lautet: Wel- für den Einkommenserwerb ausei- Berufsbild des freien Künstlers und einen ordnungspolitisch problema- kann – auch eine über das Kapital- che Rendite lässt das systematische nander zu setzen. Publizisten zu erhalten. Sie stellt si- tisch, da dann einer weiteren Vermi- deckungsverfahren aufgebaute Säu- Sammeln von Kunst im Durch- cher, dass die „Kunstindustrie“, also schung des Versicherungsprinzips le der Altersvorsorge in Betracht schnitt erwarten? Die Eisenbahnge- as gegenwärtige Modell einer die gesamte an der Arbeit der Kunst- mit dem Sozialstaatsprinzip Vor- kommen. sellschaft British Rail hat über Jahr- DAlterssicherung nach dem schaffenden anknüpfende, kunstna- schub geleistet wird; ein Fehler wird Wie könnte eine solche kapital- zehnte hinweg in (klassische) bil- Künstlersozialversicherungsgesetz he Dienstleistungswirtschaft, aus ei- nicht schon deshalb zu einer Tu- gedeckte Säule der Alterssicherung dende Kunst investiert – und damit (KSVG) über die Künstlersozialkasse nem Pool von Kunstschaffenden gend, nur weil er die soziale Siche- für Kunstschaffende konstruiert eine inflationsbereinigte Rendite (KSK) vermag den meisten so Versi- und deren Werken zu schöpfen ver- rung in Deutschland systematisch werden? Sie wird wohl kaum am von rund 4 Prozent p.a. erzielt. Im cherten kaum mehr als eine Grund- mag. Ohne KSK wäre dieser Pool durchzieht. Zum anderen wäre sie Geldeinkommen ansetzen können, Vergleich dazu zeigen komplexe Mo- sicherung zu bieten – vulgo „zum sehr wahrscheinlich wesentlich klei- auch nicht zielführend, da das Bei- denn in dem Fall ließe sich auch dellrechnungen, dass die erwartete Sterben zu viel, zum Leben zu we- ner, die Verdienstmöglichkeiten tragsaufkommen durch eine noch über das KSVG und die KSK ein zu- Rendite einer Alterssicherung nach nig“. Solange zumindest Elemente durch die Erbringung kunstbezoge- schärfere Belastung des Einkom- meist auskömmliches Rentenniveau dem Umlageverfahren auf Sicht der von Beitragsäquivalenz – die Höhe ner Dienstleistungen in kreativwirt- mens mit Abgaben kaum mehr zu darstellen. Insoweit beispielsweise der Anwartschaften und damit der schaftsweiter Betrachtung mithin steigern ist, jenseits bestimmter bildende Künstlerinnen und Künst- Weiter auf Seite 22 erwarteten Rentenleistungen steigt geringer. In ökonomischer Diktion: Werte aufgrund abnehmender Leis- ler neben künstlerischen Dienstleis- ARBEITSMARKT KULTUR politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 22

Fortsetzung von Seite 21 gensatz zu dem Modell der umlage- steht ein Anreiz, für eine entspre- des Marktwertes der übrigen Werke Unter Berücksichtigung dieser finanzierten Grundsicherung aller- chend professionelle „Bewirtschaf- der betreffenden Kunstschaffenden Einschränkungen könnte „Mutual- dings nicht ausschließlich in hori- tung“ des Fonds Sorge zu tragen. zu erwarten steht. Art“ jedoch, mutatis mutandis wohl- MutualArt – Kunst mit zontaler Richtung, also zwischen Falls der für Kunst erzielbare Preis Das zunächst für US-amerikani- gemerkt, einen jener besonders ökonomischem den Versicherten mit ihren unter- auch Resultat von Marketingan- sche Verhältnisse konstruierte Kon- wertvollen Geistesblitze mit ökono- schiedlichen Einkommenshöhen, strengungen (und der mit ihnen zu- zept von „MutualArt“ wird sich aller- mischem Doppelnutzen verkör- Doppelnutzen sondern auch in vertikaler Richtung, sammenhängenden Platzierungs- dings nicht ohne adäquate Anpas- pern. Zum einen impliziert dieser indem der Versuch unternommen kraft) ist – gerade wegen des zum sungen auf kontinentaleuropäische, Ansatz eine laufende, aktiv betriebe- nächsten Jahrzehnte in inflationsbe- wird, einen Teil der zukünftig eintre- Teil geringen Gebrauchswertes von namentlich deutsche Verhältnisse ne Förderung künstlerischen Schaf- reinigter Betrachtung nahe der Null- tenden Wertsteigerungen, die an- Kunst ist dies wahrscheinlich –, soll- übertragen lassen. Zu berücksichti- fens – nicht zuletzt zum Nutzen des linie liegt, ob ober- oder unterhalb dernfalls Sammlern und Händlern te sich auf diese Weise ein Mehrer- gen sind hierzulande insbesondere Publikums. Zum anderen hat das derselben hängt unter anderem von zufließen würden, für die Künstle- trag zugunsten der in diesem Pool die durch das gegenwärtig in der Re- Konzept den Charakter einer Inves- der weiteren demographischen Ent- rinnen und Künstler selbst zu lukrie- zusammengeschlossenen Kunst- form befindliche Rentensteuerrecht tition mit dem Ziel, Renditen zu wicklung und der Partizipationsrate ren. Zweitens ist das Modell so kon- schaffenden erzielen lassen. Hiermit bedingten Implikationen. Auch darf Gunsten der Künstlerinnen und vor allem des weiblichen Bevölke- struiert, dass eine Interessenkon- einher geht ein höchst willkomme- nicht unerwähnt bleiben, dass eine Künstler selbst zu erwirtschaften. rungsteils am Arbeitsmarkt ab. gruenz von Künstlern und Fonds- ner Spill-Over-Effekt, da von sol- ergänzende Alterssicherung nach Der besondere Reiz von „Mutu- managern geradezu erzwungen chen Wertsteigerungen nicht nur je- dem Konzept von „MutualArt“ nur Die Verfasser sind Mitarbeiter bei alArt“ ist ein doppelter: Erstens wird. Ist das Einkommen der Fonds- ne Werke profitieren dürften, welche für einen kleinen Teil der gegenwär- ESCE Economic & Social Research kommt es auch bei diesem Modell manager mit der Wertsteigerung ih- Eingang in den Fonds gefunden ha- tig in der KSK versicherten Kunst- Center, Eisenstadt, Köln und Wien ■ zu einer „Umverteilung“ – im Ge- res Kunstportfolios gekoppelt, be- ben, sondern auch eine Steigerung schaffenden in Betracht kommt.

Kulturberuf zwischen Wissenschaft und Kunst Fällt die Berufsgruppe Restauratoren durchs Raster? • Von Michael C. Recker

Der Deutsche Kulturrat hat in seiner Restauratoren zusammen. Die 3800 Zahl der verfügbaren Stellen für Stellungnahme zur sozialen Siche- Mitglieder sind in Fach- und Län- Museumsrestauratoren reduziert, rung der Künstlerinnen und Künstler dergruppen tätig. Schwerpunkte der ist Einhalt zu gebieten. Je nach den Deutschen Bundestag und die Verbandstätigkeit sind neben be- Größe der Institution müssen die Bundesregierung aufgefordert „bei rufspolitischen Aktivitäten der inter- jeweiligen Restauratoren zuneh- anstehenden Änderungen der sozia- disziplinäre Austausch und die fach- mend interdisziplinäre oder sogar len Sicherungssysteme die spezifi- liche Weiterbildung. nichtrestauratorische Tätigkeiten sche Situation der freiberuflichen Restauratoren gehen als hoch- ausüben. Dies widerspricht unter Künstlerinnen und Künstler zu be- qualifizierte Spezialisten regelmäßig anderem der berufsständischen rücksichtigen“. Der Verband der mit Kunst- und Kulturgut um. Entwicklung mit einer akademi- Restauratoren (VDR), der als Mit- Kunst- und Kulturgüter vermitteln schen und stark differenzierten glied im Deutschen Kulturrat an der als materielle Zeugnisse des kultu- Ausbildung, die der hohen Verant- Entwicklung dieser Stellungnahme rellen Erbes einen lebendigen Ein- wortung bei der Bewahrung und im Rahmen einer Arbeitsgruppe mit- blick in die Vergangenheit. Für die Erhaltung von Kulturgütern ge- gearbeitet hat, unterstützt das Pa- Gesellschaft ist es von besonderer recht werden muss. pier voll und ganz. Gleichwohl ent- Bedeutung die Kulturgüter zu be- • Der Bund und die Länder müssen stehen daraus für die Berufsgruppe wahren und weiterzugeben. Die den Erhalt und die Bewahrung des der Restauratoren etliche Fragen. Restauratoren übernehmen mit ih- Kunst- und Kulturgutes mit geeig- Der Beruf des Restaurators ist ein rer Arbeit eine besondere Verant- neten Mitteln nachhaltig fördern Kulturberuf. Er, der Restaurator wird wortung für das Kulturgut gegen- und kontinuierlich ausbauen. Laut allgemein auch als eine „Art“ Künst- über der Gesellschaft und der Nach- einer Pilotstudie über die wirt- ler angesehen. In den berufspolitisch welt. Ihre Aufgabe ist der Schutz, die schaftlichen Auswirkungen der relevanten Strukturen findet das Erhaltung und die Restaurierung Denkmalpflege beziffert die „Eu- aber keinen Niederschlag. Es be- des Kulturgutes im Respekt des gan- ropäische Union des Handwerks steht die Gefahr, dass der Begriff zen Reichtums seiner Authentizität und der Klein- und Mittelbetrie- Künstler entlang des Künstlersozial- und unter Wahrung seiner Integri- be“ den Umsatz deutschlandweit versicherungsgesetzes (KSK-Ge- tät. In diesem Sinne sind Kunst- und auf rund 3,5 Milliarden Euro für setz) definiert wird und dabei der Kulturgüter keine gewöhnliche den Bereich der Denkmalpflege. Restaurator wieder einmal durch das „Handelsware“. In der „Erklärung Im hessischen Kulturwirtschafts- „Raster“ fällt. von Cancùn“ zur kulturellen Vielfalt bericht von 2003 wird der Umsatz der ARD, des Deutschen Kulturrates, im Bereich der Gesamtunterneh- m Folgenden möchte ich versu- der Heinrich-Böll-Stiftung und des men „Kulturelles Erbe in Deutsch- Ichen die spezielle Lage der Res- International Network for Cultural land“ für das Jahr 2000 auf 11 Mil- tauratorinnen und Restauratoren in Diversity vom September 2003 er- liarden Euro beziffert. Die bundes- Deutschland darzustellen. Diplom- klären die unterzeichnenden Mit- weit zirka 2000 hochspezialisier- Restauratorin Dr. Katrin Janis fasste glieder unter anderem „dass kultu- ten restauratorischen Kleinbetrie- kürzlich in einem Vortrag über Be- relle Dienstleistungen einzigartige be bewegen sich in diesem Markt- rufsethik die Entwicklung des Res- gesellschaftliche Werte widerspie- segment in Konkurrenz zum tauratorenberufes treffend zusam- geln und vermitteln, die weit über Die Suche nach dem Original: eine unendliche Geschichte Handwerk und anderen Anbie- men. „Die Herausbildung eines ei- kommerzielle Interessen hinausge- Beide Fotos: Böke und Fritz Schloss Bauschlott tern. Freiberufliche Restauratoren genständigen Berufs des Restaura- hen und dass entsprechende han- sind in weiten Teilen abhängig von tors ist angesichts vielfältiger und delspolitische Maßnahmen diese die künstlerische Intention zu erfas- weise ist ein Faktor, der den nach- öffentlichen Aufträgen. verschiedener Traditionen schwer Werte voll berücksichtigen müssen“. sen. Gerade dieser Prozess beinhal- haltigen Erfolg einer Restaurie- • Zumindest im öffentlichen Be- zu fassen. In den 30er Jahren des Restauratoren sind in vielen tet oftmals das Nachempfinden des rung/Konservierung mitbestimmt. reich sollten Ausschreibungsver- letzten Jahrhunderts entstanden Fachbereichen mit ihrem Spezial- Schaffungsprozesses, den der Darum ist der Restaurator meines fahren zur Konservierung und erste Studienorte an den Universitä- wissen tätig. Sie erfüllen Aufgaben- Künstler vollzogen hat. Fehldeutun- Erachtens nach nicht nur Anwender Restaurierung bundesweit in einer ten in London und Brüssel, sowie an bereiche, die berufssoziologisch ein- gen, die entstehen können, wenn wissenschaftlicher Techniken, son- Art und Weise erfolgen, die das der Akademie der Bildenden Künste deutig zu den freien Berufen zählen. das Kunstwerk vor einer Konservie- dern auch Künstler. Kulturgut nicht als Bauleistung je- in Wien. An diese Entwicklung an- Ein hohes Maß an Eigenverantwor- rung/Restaurierung nicht ausrei- Betrachtet man die soziale Lage der Art betrachtet, sondern Res- knüpfend begann man in den tung und Unabhängigkeit ist hier chend untersucht wird, werden dem und das berufspolitische Umfeld der taurierungsleistungen als beson- 1970er Jahren in Ost- und West- das prägende Merkmal. Im Restau- Künstler und dem Kunstwerk nicht Diplom-Restauratoren, so muss dere Dienstleistungen ansieht. deutschland mit der Einrichtung ratorengesetz von Mecklenburg- gerecht oder führen sogar zu folgen- man feststellen, dass sowohl für die • Die steuerliche Veranlagung von zahlreicher Hochschul-Studiengän- Vorpommern heißt es in Paragraf 1: schweren Fehldeutungen. Das Ein- selbständigen als auch für die ange- Restaurierungsleistungen zur Ge- ge für Restauratoren an Kunstakade- „Der Restaurator betreibt kein Ge- fühlen in die künstlerische Intention stellten Restauratoren in verschie- werbesteuer sollte einheitlich ge- mien und seit den 80er Jahren auch werbe“. Die wissenschaftliche Tätig- ist für eine Restaurierung zwingend denen Bereichen Handlungsbedarf regelt werden. Restaurierungs- an verschiedenen Fachhochschu- keit, und meines Erachtens nach erforderlich, damit keine Verfäl- der Politik angemahnt werden muss: und Konservierungsleistungen len. Die Aufgaben und Ziele der Res- auch die künstlerische Tätigkeit schungen am Kunstwerk entstehen. • In keinem Bundesland, außer in müssen dabei einheitlich betrach- taurierung und Denkmalpflege sind spielen außerdem eine gewichtige Zum Beispiel werden bei zeitgenös- Mecklenburg-Vorpommern, wo es tet werden und nicht getrennt in in allgemeiner Form in einschlägi- Rolle. sischen Kunstwerken die noch le- ein Gesetz über die Führung der zum Beispiel Wandmalerei (bau- gen Chartas und Kodizes fixiert, zum Der Restaurator ist unzweideutig benden Künstler interviewt, um In- Berufsbezeichnung „Restaurator“ verbunden- gewerblich) und Lein- Beispiel die „Charta von Venedig nicht künstlerisch eigenschöpfe- formationen über den Herstellungs- seit 1999 gibt, ist die Berufsbe- wandmalerei (Kunst – freiberuf- 1964“ und die „Berufsrichtlinien für risch tätig. Alles, was er „händig“ tut, prozess zu erhalten und der künstle- zeichnung „Restaurator“ geregelt. lich). bewegliche Kulturgüter“, die hat nichts mit eigenschöpferischer rischen Intention auf die Spur zu Dieses Ansinnen mag in Zeiten • Durch die weitgehende Abhängig- 1993/94 durch die „Europäische Ver- Gestaltung im Sinne von Kunst zu kommen. Die Verfälschung der von Deregulierungsdiskussionen keit von öffentlichen Auftragge- einigung der Restauratorenverbän- tun. Ein Teil seiner Tätigkeit ist aber künstlerischen Intention geschieht unzeitgemäß erscheinen. Aber ge- bern (Museen, Denkmalämter und de“ (ECCO) definiert wurden“. sehr wohl künstlerisch zu nennen, dann, wenn diese vom Restaurator rade anlässlich europaweiter Har- Kirchen) liegt ein Argument vor, Heute lässt sich feststellen, dass denn Konservierung und Restaurie- sowohl auf technischer als auch auf monisierungsbestrebungen be- den Restauratoren die Mitglied- die Ausbildung für Restauratoren in rung bedeuten mehr als die Rettung künstlerischer Ebene nicht erkannt steht die Notwendigkeit zu Quali- schaft in der KSK zu ermöglichen. Deutschland mit dem Abschluss als eines Objektes vor weiterem Verfall. wird. tätsprädikaten, um unser kulturel- Diplom-Restaurator auf sehr hohem Die Erstellung eines Restaurierungs- Die Fähigkeit des Restaurators, les Erbe vor unsachgemäßer Der Verfasser ist Vorstandsmitglied Niveau stattfindet. Zum „Verband konzeptes nach eingehender Vorun- die künstlerische Absicht und Be- Handhabung zu schützen und auf im Verband Deutscher Restaurato- der Restauratoren“(VDR) schlossen tersuchung dient unter anderem da- deutung erfassen zu können, ist un- Dauer zu erhalten. ren, Fachgruppe Selbständige- sich im September 2000 per Fusion zu, die materielle und immaterielle trennbar und wechselseitig mit sei- • Einer Entwicklung, bedingt durch Freiberufler ■ die bisher in verschiedenen Verbän- Substanz des Kunstwerkes zu erken- nen anderen Tätigkeiten verknüpft. allgemeine Sparmaßnahmen der den Deutschlands organisierten nen, zu beurteilen und parallel dazu Eine ganzheitliche Herangehens- öffentlichen Hand, welche die ARBEITSMARKT KULTUR politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 23

930.000 Erwerbstätige im Kultursektor Aktuelles Statistik-Chaos hilft dem Kulturstandort Deutschland nicht • Von Bernd Fesel

Letztes Jahr im Juni legte die griechi- turvermittler als Einzelunternehmer Die Kulturwirtschaft in der doch dies müßte das Ziel einer Sta- hen Immobilienpreise findet sich je- sche Europaparlamentarierin Myrsini oder der globalen Kulturkonzerne? Schweiz kann man in eine Kultur- tistik zum Kunstmarkt sein. doch nicht in den Einnahmen der Zorba dem Ausschuss für Kultur, Ju- Dieser zur Zeit umstrittene Bran- wirtschaft im engeren Sinne und im Die Empfehlung der ausländi- Kulturinstitute. Die Beispiele ließen gend, Bildung, Medien und Sport des chenzuschnitt von Kulturwirtschaft weiteren Sinne unterteilen – diese schen Experten aus der Jahrestagung sich beliebig ausweiten – bis hin Europäischen Parlaments den ersten definiert für die Politik ein Tätig- Systematik wird auch vom Land war so schlicht wie überzeugend: Es zum Imagevorteil für Firmen auf- Bericht zur europäischen Kulturwirt- keitsfeld, in dem viele Menschen ar- Nordrhein-Westfalen und auch von wird eine gemeinsame Definition grund eines überregional bekannten schaft vor. Im Dezember 2003 folgte beiten und leben – in Deutschland Hessen angewandt: der kleinsten Einheit von Kulturwirt- Kulturstandorts. der erste Kulturwirtschaftsbericht 2002 in der Kulturwirtschaft immer- Richtige und schlechte Ökono- des Landes Hessen, im Sommer hin 677.000 Erwerbstätige, darunter mie: In der Industrie so auch in der 2004 dann die erste Kulturwirt- 29 Prozent Selbständige und 71 Pro- Kulturwirtschaft Schweiz Gesamtumsatz Jährliche Kultur ! schaftsinitiative Berlins. Schon seit zent abhängig Beschäftigte. Be- 2000 Veränderung Den Mythos „Kultur contra Wirt- 1992 erscheinen die Kulturwirt- trachtet man die Zahl aller Erwerbs- 1. Kulturwirtschaft im engeren Sinne In Millionen CHF schaft“, wonach Kulturinstitute nicht schaftsberichte des Landes Nord- tätigen im privatwirtschaftlichen Musikwirtschaft 1.360.7 3,9 % wirtschafteten oder gar der Wirt- rhein-Westfalen (www.kulturwirt- und öffentlichen Sektor, ist Literatur 2.065.8 2,6 % schaft feindlich gegenüber eingestellt schaft-nrw.de). Der Tenor aller Be- Deutschland in absoluten Zahlen Kunstmarkt 1.003.1 18,9 % seien, erklärten die Kulturvertreter richte: „Boombranche Kulturwirt- mit 930.000 Erwerbstätigen europa- Filmwirtschaft 890.6 2,2 % anlässlich einer Tagung der Fried- schaft“. Die jüngsten Zahlen, die auf weit führend. Dies entspricht 2,7 Darstellende Kunst 400.0 19,2 % rich-Naumann-Stiftung im Juni 2004 der Jahrestagung zur Kulturwirt- Prozent der Gesamtbeschäftigung Summe 5.339.8 5,5 % zum Thema Kulturwirtschaft für ob- schaft von Michael Söndermann, Deutschlands. Im prozentualeln 2. Kulturwirtschaft im weiteren Sinne solet: Viele Aktivitäten seien nur noch Vorsitzender des Arbeitskreises Kul- Vergleich gibt es jedoch mehr Er- Musik-/Phonomarkt 1.653,4 8,0 % durch private Sponsoren möglich – turstatistik, vorgelegt wurden, werbstätige im Kultursektor in Eng- Pressemarkt 5.131.6 3,0 % so Raimund Stecker, Direktor des zeichneten jedoch ein anderes Bild: land (3,2 Prozent) und dem Kultur- Kunsthandwerk / Antiquitäten 1.583.0 -2,4 % Bahnhof Rolandseck. Die Wirtschaft Erstmals seit Jahren sinkt die Zahl markt der Niederlande (3,3 Prozent), Rundfunk 3.378.0 9,9 % sei heute ein unverzichtbarer Partner der Erwerbstätigen – und zwar 2002 der absolut gesehen jedoch nur Darstellende Kunst im weiten Sinne 228.6 -0,4 % der öffentlichen Institute – und dies und 2003 um immerhin 3 Prozent. knapp ein Drittel so viele Erwerbstä- Summe II 11.746.1 4,6 % werde auch auf Jahre so bleiben, an- tige umfaßt wie Deutschland. gesichts der Kassenlage der öffentli- benfalls in 2003 wurden der erste chen Hand. Ferner sei es ein Vorur- ESchweizer Kulturwirtschaftsbe- Kirchturmpolitik in der deutschen Aufgeblasene Statistiken schaden schaft erstellt, die jedes Bundesland teil, dass öffentliche Kulturinstitute richt (www.kulturwirtschaft.ch) und Kulturstatistik den Kulturakteuren zum Zwecke der Vergleichbarkeit nicht auch wirtschaftlich arbeiten. So der erste Kreativwirtschaftsbericht Dennoch leistet sich Deutschland Trotz gleicher Systematik entstehen einheitlich erheben muss. Erweite- verwies Prof. Ronte, Direktor des Österreichs vorlegt (http://wko.at/ den Luxus, keinen nationalen Kul- jedoch völlig andere Zahlen im De- rungen dazu kann dann jedes Bun- Kunstmuseums Bonn darauf, dass kreativwirtschaftsbericht). Zweifels- turwirtschaftsbericht wie die tail – ein Beispiel am Fall „Kunst- desland nach Belieben und politi- Museen von Jahr zu Jahr wirtschaftli- ohne: „Kulturwirtschaft“ ist in Mode. Schweiz oder England zu erstellen – markt im Jahr 2000“: In der Schweiz: scher Zielsetzung vornehmen. cher arbeiteten. Angesichts der jähr- Doch darauf, welche Branchen und obwohl der erste wegweisende Kul- 1,003 Milliarden Euro, in Hessen lichen Budgetkürzungen bliebe den welche Leistungen zur Kulturwirt- turwirtschaftsbericht Europas in 6,538 Milliarden Euro, denn: Das Welche Leistungen zählen Kultur- meisten Museen in Deutschland schaft zählen, konnten sich Forscher Nordrhein-Westfalen schon seit 1992 Land Hessen zählt zur Rubrik akteure zur Kulturwirtschaft? auch nichts anders übrig. „Doch dies und Politik bis dato nicht verständi- erstellt wird. Zwar debattiert die „Kunstmarkt im engeren Sinne“ Die Frage, was Kulturwirtschaft sta- ist unstrittig: Die Frage ist vielmehr: gen – auch nicht zwischen den Bun- Konferenz der Wirtschaftsminister auch die Umsätze der Branchen tistisch ist, genügte den Kulturex- Mit welchen Aktivitäten erziele ich desländern in Deutschland. der Länder seit Anfang 2004, wie weit „Büro für Industrie-Design“, „Wer- perten nicht. Sie stellen die Frage Einnahmen? Was erwirtschaftet ein man künftig den Begriff der Kultur- begestaltung“ und „Ateliers für Textil danach, welche Leistungen der Kul- Museum heute? Gelder aus Vermie- Welche Auskünfte gibt die Umsatz- wirtschaft fassen will. Doch dabei ist – und Möbeldesign“. Doch mit die- turinstitute und privatwirtschaftli- tung an Autokonzerne oder Gelder und Wirtschaftsstatistik über Kul- es kürzlich zur Grundsatzkontrover- sem Zahlenabenteuer steht Hessen chen Kulturakteuere wirtschaftlich durch mehr zahlende Besucher?“. turwirtschaft ? se gekommen. Die Gespräche wurde nicht alleine da: Der Senat Berlin be- relevant seien – zunächst unabhän- Prof. Dr. Bonus spitzte die De- Die Definition und damit die Umsät- vertagt – trotz der im Herbst anste- hauptete kürzlich, dass der Kunst- gig davon, ob diese statistisch er- batte zu: „Es gibt eine gute und eine ze von Kulturwirtschaft in Deutsch- henden Debatte über Kulturwirt- markt Berlins einen Jahresumsatz fasst oder erfassbar sind. schlechte Ökonomie für Museen be- land schwanken extrem –zwischen schaft im europäischen Raum. von 2,3 Milliarden Euro habe. Um ziehungsweise Kulturinstitute – wie 43 und 204 Milliarden Euro im Jahr Die zur Konferenz erschienen Ex- diese Zahl zu produzieren, subsu- Positive externe Effekte der Kultur- für alle anderen Firmen in der Wirt- 2000 – je nachdem welche Aktivitäten perten legten dar, dass sich die Frage mierte man Werbung, Mode, Design wirtschaft nicht erfasst schaft auch!“. Bonus verwies darauf, und Branchen man zur Kulturwirt- der Branchendefinition auch am po- und Kunsthandwerk unter den Titel Kultur erzeugt positive externe Ef- dass Wirtschaften in der Kultur nicht schaft zählt. Christoph Weckerle von litischen Verwendungsziel orientiert: „Kunstmarkt“ – ebenfalls eine be- fekte – im Gegensatz zur Industrie- bedeuten könne, die Identität von der Hochschule für Gestaltung und So stand in Österreich die Herausar- achtliche Begriffsdehnung, wenn produktion, die durch Umweltver- Kultur, sprich das „Produkt“, aufs Kunst in Zürich formuliert abstrakt: beitung der Kreativleistung an sich man bedenkt, dass die Europäische schmutzung negative externe Effek- Spiel zu setzen, denn: Wenn ein In- „Kulturwirtschaft meint in der Studie im Vordergrund – im Opernhaus Union für den Kunstmarkt in ganz te erzeugt. Zu den positiven Effek- dustriekonzern durch falsche Pro- Kulturwirtschaft Schweiz (2003) die- ebenso wie in der Werbe- oder Tou- Europa von einem Umsatz um die 8 ten, dem „Kulturnutzen“, zählen duktpolitik seine Marke und Identi- jenigen Teile des Kultursektors, die rismusbranche. In der Schweiz wähl- Milliarden Euro (1999) ausgeht. Stadtimage, Sozialklima und sog. tät aufs Spiel setzt, funktioniert dies als Kulturbetriebe im privatwirt- te man einen Stufenansatz, der zent- Ganz offensichtlich haben einige weiche Standortfaktoren, die Kultur- wirtschaftlich auch nicht. Die Aufga- schaftlichen Sektor existieren und ral vom Künstler ausgeht: Der Künst- Bundesländer in Deutschland – auf- akteure für Externe erzeugen, von be, eine spezifische Ökonomie der folglich nicht oder nur bedingt von ler ist in drei Sektoren tätig – in der geschreckt durch die ausländischen denen Städte, ihre Bürger und Fir- Kultur zu schaffen und sie alltagst- staatlichen Fördergeldern profitie- Kulturwirtschaft, im öffentlichen Kulturwirtschaftsberichte – ein neu- men profitieren – unentgeltlich. Da auglich und umsetzbar in konkreten ren. Es sind dies Unternehmen, die und ehrenamtlichen Sektor. In die- es Feld der Kirchturmspolitik ent- diese Erträge für Externe den Insti- Zielen zu formulieren, war damit ge- sich auf erwerbswirtschaftlicher Ba- sem 3-Säulen-Modell, das im übri- deckt: Meine „Kulturwirtschaft“ ist sis mit der künstlerischen Produkti- gen auch die EU-Kommission ver- größer, schöner und besser! Beispiele der Begriffs „Abgrenzungen“ on, kulturellen Vermittlung und/ wendet, stehen öffentliche und pri- Beispiele der Begriffs „Abgren- Umsatz für das Abgrenzung oder medialen Verbreitung von Gü- vatwirtschaftliche Träger von Kultur- zungen“ (siehe Tabelle rechts) jeweilige tern und Dienstleistungen befassen.“ leistungen integrativ in einer „kapil- Besonders kurios: Laut der Hes- Bundesland In der Praxis sind zahlreiche Abgren- laren“ Beziehung – wie zum Beispiel sischen Branchendefinition erwirt- zungsfragen offen: Ist der Verkauf von Museen und Galerien und Kunstver- schaftete der Kunstmarkt in Kunstmarkt lt. 6,538 Mrd. Euro Einzelhandel mit Kunst und ähnlichem Postern und T-Shirts in öffentlichen eine. Damit scheint die Stellung von Deutschland 2000 einen Jahresum- Bericht Hessen sowie Büro für Industrie-Design, Instituten eine kulturwirtschaftliche Kultur als autonomer Äußerung au- satz von 44 Milliarden Euro. Damit Werbegestaltung, Ateliers für Textil - Aktivität? Zählen gewisse kulturrele- ßerhalb wirtschaftlicher Interessen ist der Begriff vom Kunstmarkt völlig und Möbeldesign vante Aktivitäten der Phono-Indust- aufgelöst: Wirtschaft contra Kultur – ad absurdum geführt. Diese Zahlen- Kunstmarkt lt. 2,3 Mrd. Euro Einzelhandel mit Kunst und ähnlichem rie zur Musik- und damit Kulturwirt- ist damit diese gerade in Deutsch- spiele werden Künstlern, Museen Bericht Berlin sowie Werbung, Mode, Design und schaft? Und zu welcher Kulturbran- land traditierte Position „Kultur con- und Galerien in ihren wirtschaftli- Kunsthandwerk che zählen Design-Aktivitäten – nicht tra Wirtschaft“ obsolet? chen Belangen nicht weiterhelfen, nur an kulturellen „Produkten“, son- dern sogar Alltagsgegenständen wie tuten nicht in Form von Eintrittsgel- stellt. Es wurde deutlich, dass der Cosmetik-Artikeln oder Schokola- Das Problem der Definition dern oder Einnahmen zufließen, Kultursektor nicht einseitig von der den-Verpackungen? (siehe Grafik sind sie in Bilanzen und damit in Forschung beziehungsweise der „Das Problem der Definition“) – unterschiedliche nationale und internationale Konzepte – den Kulturwirtschaftsstatistiken „Wirtschaft“ erwarten kann, Kultur Die Frage, wie Kulturwirtschaft nicht verzeichnet. Kultur und ihre in ihrer wirtschaftlichen Eigenheit Umsätze der Kulturwirtschaft in Deutschland inhaltlich definiert wird, ist bei wei- 204 Wirtschaftsleistung wird somit in zu akzeptieren, solange der Kultur- tem keine theoretische Debatte über der bisherigen Erfassung der Kultur- sektor diese selbst nicht formulieren die Höhe von Umsätzen. Hinter die- in Milliarden Euro wirtschaftsberichte objektiv unter- kann. Hans Joachim Otto, kulturpo- sen Zahlen stehen verschiedene (%-Anteil an Gesamtwirtschaft) bewertet. Diese „Kulturleistung“ re- litischer Sprecher der FDP im Bun- Auffassungen von Kulturwirtschaft 140 duziert sich nicht auf ideelle Effekte destag, erinnerte daran, dass es und damit von Branchenzuschnit- nach dem Motto „Kultur ist mehr als nicht um eine Vorherrschaft von ten: Je größer der Umsatz der Kul- Wirtschaft“. Vielmehr erwirtschaf- Öknonomie oder Kultur gehe, son- turwirtschaft gerechnet wird, umso (4,9%) ten Kulturakteure einen Nutzen, der dern um eine gegenseitige Überset- mehr sind darin auch die Umsätze, 67 80 für andere zwar von geldwertem zung der Systeme – zum Nutzen bei- (3,4%) die Aktivitäten und Interessen inter- 43 Vorteil ist, für den sie nicht bezahlt der Seiten! Es geht um Unterneh- nationaler Kulturkonzerne berück- beziehungsweise entlohnt werden – menskultur einerseits und Kultur- (1,9%) sichtigt. Die Statistik-Debatte dreht (1,6%) ein Beispiel: Ein positives Standort- öknomie andererseits. (1,0%) sich verdeckt um eine politische klima durch Kultur schafft eine sog. Ausrichtung: Wer steht in dieser „kreative Stadtszene“, die eine hohe Der Verfasser ist Inhaber des Büros Kulturwirtschaft Kulturwirtschaft Kulturwirtschaft Abgrenzung nach Abgrenzung nach Branche künftig im Focus: Die För- und selbst. nach CH- nach EU- Wirtschafts- Wirtschafts- Lebensqualität bietet und damit die für Kulturpolitik und Künstler in enger Abgrenzung Abgrenzung ministerium und Kultusminis- Kulturwirtschaft ■ derung des selbständigen kreativen Abgrenzung NRW terium Hessen Immobilien in diesem Stadtteil teu- Künstlers beziehungsweise der Kul- er werden läßt. Der Nutzen der ho- EUROPA politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 24

Deutscher Kulturrat fordert Politik auf, die soziale Sicherung der Künstlerinnen und Künstler zu stärken! Stellungnahme des Deutschen Kulturrates

er Deutsche Kulturrat, der Spit- der Mitte der 70er Jahre. Im Einset- Fraktion und FDP-Fraktion im Deut- nicht Mitglied in der gesetzlichen Ren- der Entwicklung solcher Modelle be- Dzenverband der Bundeskultur- zungsbeschluss der Enquete-Kom- schen Bundestag „Wirtschaftliche tenversicherung werden konnten. Die- teiligen. verbände, fordert den Deutschen mission des Deutschen Bundestags und soziale Entwicklung der künstleri- se Personengruppe bezieht auf Grund Bundestag und die Bundesregie- „Kultur in Deutschland“ wird hierauf schen Berufe und des Kunstbetriebs der kürzeren Versicherungszeiten da- Künstlersozialkasse rung auf, die soziale Sicherung der Bezug genommen. Der Deutsche Kul- in Deutschland“ selbst bestätigt, un- her eine besonders kleine Altersrente freiberuflichen Künstlerinnen und turrat versteht dieses als Verpflich- terdurchschnittlichen Einkommen die- und muss in besonderem Maße die Die Künstlersozialkasse ist zur Zeit Künstler zu stärken. Künstlerinnen tung der Enquete-Kommission, Mo- se Eigenleistungen kaum erbringen. bedarfsorientierte Grundsicherung in organisatorisch an die Unfallkasse und Künstler leisten mit ihrer Arbeit delle zu entwickeln, wie die soziale Si- Bundesregierung und Parlament sind Anspruch nehmen. des Bundes angebunden. Die Anbin- einen wesentlichen Teil zur Selbst- cherung der Künstler zukunftsfest ge- daher aufgefordert, Lösungen für die- Die bedarfsorientierte Grundsiche- dung an eine Sozialversicherung vergewisserung und Reflektion der macht werden kann. Dabei müssen se Personengruppe zu entwickeln, da- rung entspricht der Sozialhilfe und ist war gerade in den Anfangsjahren Gesellschaft. die zur Zeit diskutierten Modelle künf- mit sie weiterhin Krankengeld und für Fälle gedacht, in denen Personen der Künstlersozialkasse erforder- Freiberufliche Künstler und Pub- tiger sozialer Sicherungssysteme wie Zahnersatz in Anspruch nehmen aus verschiedenen Gründen am Ar- lich, um die erforderliche Sach- lizisten sind seit 1983 Pflichtmit- z.B. die „Bürgerversicherung“ und die kann. beitsleben nicht teilnehmen und des- kenntnis entwickeln zu können. In glied in der Künstlersozialversiche- „Kopfpauschale“ auf ihre möglichen halb nur geringe Rentenanwartschaf- den mehr als zwanzig Jahren ihres rung. Sie haben damit in der Kran- Auswirkungen auf die soziale Siche- Rentenversicherung ten aufbauen konnten. Auf Künstlerin- Bestehens hat sich die Künstlerso- ken-, Pflege- und Rentenversiche- rung der Künstlerinnen und Künstler nen und Künstler trifft dieses nicht zu. zialkasse jedoch zu einer anerkann- rung zumindest grundsätzlich den rechtzeitig abgeklopft werden. Freiberufliche Künstlerinnen und Es ist deshalb nicht sachgerecht, dass ten Institution entwickelt, die unbe- selben Versicherungsschutz wie Ar- Freiberufliche Künstlerinnen und Künstler erzielen in ihrer überwiegen- diese Berufe nach arbeitsreichen Jah- stritten über die erforderlichen beitnehmer. Die Beiträge zur Künst- Künstler dürfen bei einer Neugestal- den Mehrheit ein unterdurchschnittli- ren und der Schaffung von Werken, die sachlichen und personellen Kompe- lersozialversicherung werden zu tung der sozialen Sicherungssysteme ches Einkommen. Die Bundesregie- sich heute vielleicht noch einer ab- tenzen verfügt, um ihren Auftrag 50% von den Versicherten selbst, zu nicht auf der Strecke bleiben! rung gibt in ihrer bereits erwähnten schließenden Bewertung entziehen, in sachgerecht zu erfüllen. Der Deut- 30% von den Verwertern künstleri- Antwort auf die Große Anfrage der Altersarmut fallen. sche Kulturrat fordert daher die scher Leistungen und zu 20% durch Krankenversicherung CDU/CSU-Fraktion und der FDP-Frakti- Die bestehenden Alterssiche- Selbständigkeit der Künstlersozial- einen Bundeszuschuss gedeckt. on im Deutschen Bundestag „Wirt- rungssysteme reichen auf Grund der kasse. Der Bundeszuschuss wird aus sozi- Den Deutschen Kulturrat erfüllt mit schaftliche und soziale Entwicklung geringen Einkommen und teilweise al- und kulturpolitischen Gründen Sorge, dass die zur Diskussion ste- der künstlerischen Berufe und des der kürzeren Versicherungszeiten Erfordernis der sozialen gezahlt. henden Modelle der „Bürgerversiche- Kunstbetriebs in Deutschland“ das nicht aus, Künstlerinnen und Künst- Sicherung von Künstlern Der Deutsche Kulturrat fordert rung“ und der „Kopfpauschale“ das Durchschnittseinkommen der in der lern eine auskömmliche Rente zu er- den Deutschen Bundestag und die System der sozialen Sicherung der Künstlersozialkasse Versicherten mit möglichen. Der Deutsche Kulturrat Kunst und Kultur sind unver- Bundesregierung auf, bei anstehen- Künstler und Publizisten gefährden rund 11.000 Euro im Jahr an. Ein fordert daher die Bundesregierung, zichtbar für die Gesellschaft. Ohne den Änderungen der sozialen Siche- könnten. Der Deutsche Kulturrat for- solch geringes Einkommen hat zur den Deutschen Bundestag und in be- Künstlerinnen und Künstler, Autorin- rungssysteme die spezifische Situa- dert daher die Bundesregierung, den Folge, dass im Rentenalter nur sehr sonderem Maße die Enquete-Kom- nen und Autoren würden künstleri- tion der freiberuflichen Künstlerin- Deutschen Bundestag und die Partei- kleine Renten zu erwarten sind. Die mission des Deutschen Bundestags sche Werke weder geschaffen noch nen und Künstler zu berücksichti- en auf, bei ihren Überlegungen zur Mehrzahl der Künstlerinnen und „Kultur in Deutschland“ auf, Modelle aufgeführt werden. Eine angemes- gen. Veränderung der Krankenversiche- Künstler wird daher im Alter auf die zu entwickeln, nach denen freiberufli- sene soziale Sicherung der freibe- Der Deutsche Kulturrat sieht be- rung die bisher gewollten Besonder- bedarfsorientierte Grundsicherung che Künstlerinnen und Künstler trotz ruflichen Künstler und Publizisten sonders die Enquete-Kommission heiten der Künstlersozialversicherung angewiesen sein. ihres geringen Einkommens eine zu- liegt im Interesse der gesamten Ge- des Deutschen Bundestags „Kultur zu berücksichtigen. Die Generation der Künstlerinnen sätzliche Alterssicherung aufbauen sellschaft, damit diese Berufsgrup- in Deutschland“ in der Verantwor- Mit Sorge erfüllen den Deutschen und Künstler, die jetzt und in den können. Dieses würde mittelfristig pe sich ihrer eigentlichen Arbeit, der tung, über die aktuelle Tagespolitik Kulturrat weiter die im Gesundheits- kommenden zwei Jahrzehnten das auch zu einer Entlastung der öffentli- Kunst, widmen kann, und bei Krank- hinaus in ihren Handlungsempfeh- modernisierungsgesetz verabschie- Rentenalter erreichen, steht zusätz- chen Haushalte führen, da die be- heit und Invalidität sowie im Alter lungen Modelle zu entwickeln, wie deten Änderungen (Praxisgebühr, lich vor dem Problem, dass sie einen darfsorientierte Grundsicherung abgesichert ist. die soziale Sicherung der Künstle- Zahnersatz, Krankengeld, Zuzahlun- vollen Versicherungszeitraum von 40 dann weniger in Anspruch genommen rinnen und Künstler verbessert wer- gen). Freiberufliche Künstlerinnen Jahren nicht erreichen kann, da die werden müsste. Die neuen Modelle Berlin, den 24.06.2004. ■ den kann. Auslöser für die Einrich- und Künstler können mit ihren, wie Künstlersozialkasse erst im Jahr dürfen nicht zu einer höheren Belas- tung der Künstlersozialkasse war die Bundesregierung in der Antwort 1983 errichtet wurde und freiberufli- tung der Abgabepflichtigen führen. die so genannte Künstler-Enquete in auf die Große Anfrage der CDU/CSU- che Künstlerinnen und Künstler zuvor Der Deutsche Kulturrat wird sich an

Internationale Handelspolitik – Durchbrüche und Dammbauten Verhandlungen zur Konvention Kulturelle Vielfalt sowie dem GATS-Abkommen gehen weiter • Von Gabriele Schulz

Die vermeintliche Atempause bei der men. Davon sind alle Bereiche be- präsident José Manuel Barroso hat noch offen ist, welchen Rechtsstatus dass ein abgestimmtes Vorgehen in GATS-Verhandlungen (Allgemeines troffen, in denen eine Liberalisie- mit seiner Personalentscheidung dieses Konvention gegenüber ande- anderen internationalen Foren wie Abkommen über den Handel mit rung des Handels angestrebt wird, diese wichtige Verhandlungsposition ren völkerrechtlich vereinbarten z.B. den WTO-Verhandlungen einge- Dienstleistungen) währte noch nicht so auch Dienstleistungen wie Kultur mit einem Briten zu besetzen, ein Vertragswerken haben wird. Im fordert wird sowie der Abschluss von einmal ein Jahr. Im September 2003 und Medien. deutliches Signal für einen wirt- Klartext heißt dies, dass unklar ist, AV-(Ko-)Produktionsabkommen (In- war die GATS-Ministerrunde in Can- Bis zum Mai 2005 müssen die Li- schaftsliberalen Kurs gesetzt. ob die Konvention zum Schutz der länderbehandlung, Zugang zu För- cún (Mexiko) gescheitert. Längere beralisierungsforderungen auf den Es bleibt abzuwarten, ob die Zu- kulturellen Vielfalt tatsächlich ein derung). In Kapitel IV wird schließ- Zeit schien offen zu sein, ob die Tisch gelegt werden. Die nächste sagen, Kultur und Medien nicht in Gegeninstrument gegenüber dem lich der Bezug zu anderen Rechtsin- GATS-Verhandlungen noch einmal an WTO-Ministerrunde zur Fortset- die GATS-Verhandlungen einzufüh- GATS-Abkommen darstellen kann strumenten skizziert und in Kapitel V Fahrt gewinnen werden. Fast un- zung der GATS-Verhandlungen auf ren, Bestand haben werden oder ob oder anders gesagt, ob Liberalisie- die Organe und Umsetzung. überwindlich schienen die Gegensät- höchster Ebene wird im Dezember die neue Kommission sich anders rungen im Kulturbereich im Rah- Die Konvention zum Schutz der ze zwischen den großen Industriena- 2005 in Hongkong stattfinden. In der positionieren wird. Neben dem men des GATS durch die Konvention kulturellen Vielfalt wird kein Selbst- tionen angeführt von den USA aber Zwischenzeit werden die Verhand- künftigen EU-Handelskomissar zum Schutz der kulturellen Vielfalt läufer werden. Es kommt vielmehr auch der Europäischen Union und lungen auf der Fachbeamtenebene Mandelson wird die aus den Nieder- wieder zurückgeholt werden kön- darauf an, im innerstaatlichen Kon- den Entwicklungsländer und hier be- weiter vorangetrieben. landen stammende desgnierte EU- nen. Es besteht die Gefahr, dass die sultationsprozess bis Mitte Novem- sonders den selbstbewusst auftre- Bislang herrschte in der Europä- Wettbewerbskommissarin Neelie Konvention zwar viele wichtige Ziele ber dafür einzutreten, die Konven- tenden Schwellenländern zu sein. ischen Union die Auffassung vor, Kroes wahrscheinlich ebenfalls ei- enthalten wird, aber bei den letztli- tion zu positionieren und sie zu ei- den Kultur- und Medienbereich nen Kurs einschlagen, der der Glo- chen wirtschaftlichen Auseinander- nem wirksamen Instrument gegen ie entscheidende Klippe waren nicht in die Verhandlungen einzu- balisierung positiv gegenübersteht setzungen, bei denen es auch im Liberalisierungen im Kultur- und Dseiner Zeit die Agrarsubventio- bringen. EU-Handelskommissar und Schutzmechanismen keinen so Kulturbereich um Marktanteile geht, Medienbereich zu entwickeln. Bis nen der entwickelten Industriena- Pascal Lamy hat dies unter anderem hohen Stellenwert einräumt. ein stumpfes Schwert bleibt. Dezember 2004 wird die WTO zum tionen, die für die so genannten Ent- in der Ausgabe 3/2003 von politik Es wird daher umso wichtiger Bislang werden im Entwurf der ersten Entwurf der Konvention zum wicklungsländer immer noch eine und kultur bekräftigt. sein, sich vor Augen zu führen, dass Konvention zum Schutz der kulturel- Schutz der kulturellen Vielfalt Stel- kaum zu überwindende Hürden Nun wird ab November eine neue das Thema GATS keineswegs erle- len Vielfalt folgende Fragen behan- lung nehmen. beim Export ihrer Produkte herstel- Kommission ihr Amt antreten. Der digt ist. Im Gegenteil, es geht nun- delt: In der Präambel wird unter den Als erste Zwischenbilanz kann len. EU-Agrarkommissar Fischler Franzose Pascal Lamy wird durch mehr darum, dass die deutschen Zielen eine deutliche Verankerung gezogen werden, dass die interna- hat als eines seiner letzten Reform- den Briten Peter Mandelson abge- Vertreter in den entsprechenden eu- des kulturellen Aspektes von Kultur- tionalen Abkommen weiterhin von vorhaben massive Kürzungen bei löst. Bekanntermaßen gehört Frank- ropäischen Gremien sich für den Er- dienstleistungen vorgenommen. Da- großer Bedeutung für die nationale den Landwirtschaftssubventionen reich zu den EU-Mitgliedsstaaten, halt des Schutzes der kulturellen mit wird der Kulturpolitik ein wichti- Kulturpolitik sind. Zum einen weil im Europäischen Binnenmarkt auf die sich besonders intensiv für den Vielfalt einsetzen und sich dagegen ger Part bei der Gestaltung der Rah- sich Deutschland gegenüber den den Weg gebracht. Diese Subventi- Schutz der kulturellen Vielfalt einset- aussprechen, von europäischer Sei- menbedingungen zugewiesen. Im anderen Staaten deutlich positio- onskürzungen, die auf der anderen zen und für Ausnahmeregelungen te aus den Kultur- und Medienbe- Kapitel I wird der Bezug zu den Prin- nieren muss. Zum anderen weil die Seite die Marktzugangschancen für für Kultur und Medien bei den GATS- reich in die GATS-Verhandlungen zipien Freiheitsrechte, Grundrechte, Zivilgesellschaft ihre Position zu den die Entwicklungsländer vergrößer- Verhandlungen eingetreten sind. Die einzubringen. Minderheitenrechte hergestellt. Ka- aktuellen Abkommen formulieren ten, bahnten u.a. den Weg für die Briten hingegen gehören zu den Be- Dieses wird umso wichtiger sein pitel II umreißt die Reichweite des muss. ■ Fortsetzung der GATS-Verhandlun- fürwortern einer Liberalisierung des als dass beim ersten Entwurf der Abkommens. Kapitel III beschreibt gen. Die GATS-Verhandlungen ha- Handels, so auch des Handels mit UNESCO-Kovention zum Schutz der die Rechte und Pflichten der Ver- ben also an Fahrtwind zugenom- Dienstleistungen. EU-Kommissions- kulturellen Vielfalt gegenwärtig tragsstaaten. Wichtig ist hier u.a., EUROPA politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 25

Kulturpolitik in Malta beim Nachbarn Ort der kulturellen Begegnung • Von Kornelia Klenner

Malta bringt ein einzigartiges kultu- zur Kulturpolitik heraus. Dieses Do- kulturellen Erbes. Der Cultural Heri- Wie ist der Kulturbereich in anderen europäischen Ländern organisiert? relles Erbe mit in die EU, eine faszi- kument sieht Kultur in einem allum- tage Act 2002 enthält hierzu eine Wie wird Kultur finanziert? Welche Fragen beschäftigen die Kulturverbän- nierende Mischung mediterraner und fassenden, ganzheitlichen Kontext, neue Rahmengesetzgebung. Haupt- de dort? Solche und andere Fragen stellten wir Vertretern aus anderen Län- europäischer Enflüsse. der auf Prinzipien wie demokrati- aufgabe dieser Gesetzgebung ist es, dern. Eine kleine Serie. scher Beteiligung, Verschiedenheit Maltas Kulturerbe (mit nicht weni- iele fremde Nationen haben die und Subsidiarität basiert. Die Regie- ger als 2.025 geschützten kulturellen VGeschichte Maltas geprägt und rung fordert sowohl den öffentli- und archäologischen Stätten) ent- trotzdem ist es den Maltesern gelun- chen als auch den privaten Sektor sprechend zu schützen, konservie- unterstützt bereits zahlreiche kultu- von Amateur-Künstler-Gruppen gen, ihre eigene kulturelle Identität dazu auf, Kultur und die Künste zu ren und zu fördern. Dies wird durch relle Veranstaltungen, wie z.B: das und Vereinigungen, die ursprüng- zu wahren. Ein wichtiger Aspekt der unterstützen und fördert die Etab- eine Reihe von Institutionen ge- internationale Jazz-Festival oder das lich mit Kirchengemeinden und den maltesischen Kulturpolitik heute ist lierung neuer Strukturen, so zum währleistet, die für Politik, Stan- internationale Chor-Festival. Clubs der zahlreichen typisch mal- zum einen, diese Identität und das Beispiel die Einrichtung unabhängi- dards und Richtlinien zuständig tesichen Blaskapellen verbunden reiche kulturelle Erbe zu bewahren. ger Organe, um ihre Politik umzu- sind und gleichzeitig zur Aufgabe Aktuelle Debatten sind. Jede Stadt und jedes Dorf hat Zum anderen ist Malta geradezu setzen. Das wichtigste dieser neuen haben, Maltas Kulturerbe auch auf Da Sprache einen der wichtigsten seine eigene Vielfalt kultureller Ver- prädestiniert dazu aufgrund der Fä- Organe ist der Malta Council for internationaler Ebene zu schützen Faktoren für die kulturelle Identität einigungen, die von historischen higkeit, verschiedene kulturelle Ein- Culture and the Arts (MCCA). und fördern. Eine Zusammenarbeit einer Nation darstellt, ist es erklärtes Vereinigungen bis hin zu Theater- flüsse zu integrieren, ein Zentrum Das MCCA ist die wichtigste kul- erfolgt hier mit der UNESCO, dem Ziel der maltesischen Regierung, die gruppen reichen können. Staatliche für die Begegnung verschiedener turelle Institution mit der Aufgabe, Europarat und der EU. maltesische Sprache (die einzige se- Unterstützung erhalten sie nicht. Kulturen zu sein, um interkulturel- die Zusammenarbeit von Künstlern Garantiert wird auch hier größe- mitische Sprache innerhalb der EU) len Dialog zu fördern und das Wis- durch gesetzgeberische Maßnahmen Kulturpolitik und die EU sen über Europas gemeinsames Kul- zu schützen und zu fördern. In der Malta hat sich mit einigen Projekten turerbe zu verbreiten, unter Berück- Debatte über eine Kultur der Eliten am Programm Kultur 2000 der EU be- sictigung nationaler und regionaler im Gegensatz zu populärer Kultur teiligt und beabsichtigt, auch am er- Unterschiede. wird immer wieder betont, wie wich- weiterten Kultur 2000 Programm tig die Reaktivierung von lokalen (2004-2006) teilzunehmen, um das Ziele der Kulturpolitik maltesischen Produktionen, insbe- Bewußtsein eines gemeinsamen eu- Eines der wichtigsten Ziele maltesi- sondere im Bereich des Theaters, ist. ropäischen kulturellen Erbes als ein scher Kulturpolitik in den letzten Auch die Förderung maltesischer Li- Mittel für Dialog, gegenseitiges Verste- Jahren war die Dezentralisierung teratur durch Übersetzung von mal- hen und Kooperation zu fördern, in- der Verantwortlichkeit für Kultur. tesischen Werken und Publikationen nerhalb Europas und auch weltweit. Zuständigkeiten sollten neu zuge- im Ausland soll verstärkt werden. Malta unterstützt voll und ganz wiesen und effektive Wege gefunden Eine weitere Angelegenheit, die die Ideale wie sie im ‚Public Consul- werden, die Verantwortung für kul- diskutiert wird, ist die Notwendig- tation Document des ‚European turelle Belange auf Gemeinderäte, keit, eine Art Blaupause zu entwer- Commission’s Directorate General Kulturinsitute und andere Einrich- fen, um Anreize für Unternehmen for Education and Culture’ im April tungen zu verteilen, um kreatives zu schaffen, sich noch stärker im 2003 erklärt sind und wo die Ziele Potential auf demokratischere Art Kulturbereich zu engagieren. kultureller Kooperation der EU nach und Weise zu verbreiten. 2006 klar formuliert werden. Malta Die Regierung hat im Zuge des- Finanzierung hat zu verschiedenen Gelegenheiten sen eine Reihe staatlich unterstütz- St. John's Co-Cathedral Foto: Archiv Kultur in Malta wird zu einem gro- betont, wie notwendig es für die EU ter Stiftungen und anderer Einrich- ßen Teil privat finanziert ( so z.B. das sei, die kulturelle Vielseitigkeit der tungen ins Leben gerufen. Diese Ein- und der Öffentlichkeit zu verbes- re öffentliche Zugänglichkeit und jährliche Opern-Festival durch die EU-Mitglieder zu respektieren und richtungen haben die Befugnis, neue sern, Maltas Kultur in all ihren For- Anerkennung von Maltas Kultur- Bank von Valletta). Auch werden vie- gleichzeitig das gemeinsame Erbe Partnerschaften mit dem privaten men zu fördern und die Zugänglich- schätzen sowie kultureller und pä- le Projekte in Kooperation mit aus- zu fördern und neue Wege der Zu- Sektor aufzubauen. Ferner werden keit der Öffentlichkeit zur Kultur zu dagogischer Nutzen für zukünftige ländischen Kulturinstituten finan- sammenarbeit zu finden. Konzepte für private Stiftungen un- erhöhen. Weiterhin soll es Maltas Generationen. ziert. Nationale Kultureinrichtungen Es wird ein Anliegen zukünftiger terstützt, die Maltas kulturellen Be- Kulturerbe im Land selber und im (Theater, Kulturzentren, Nationalor- maltesischer Kulturpolitik sein, dem dürfnissen zu Gute kommen sollen. Ausland stärken. Das MCCA berät Kultur und Tourismus chester etc.) erhalten regelmäßige gemeinsamen kulturellen Erbe Euro- den Minister in Bezug auf Kulturpo- Betrachtet man Maltas reiches kul- finanzielle Unterstützung durch die pas Rechnung zu tragen und gleich- Strukturen, Kompetenzen, Institu- litik und Strategien und kooperiert turelles Erbe, die Bedeutung der Regierung. Eine wachsende Zahl zeitig Maltas reiches Kulturerbe in- tionen mit Gemeinderäten und Nicht-Re- Tourismusindustrie für Malta und privater Gruppen und Kompagnien nerhalb der EU zu bewahren und zu Die allgemeine Verantwortung für gierungs Organisationen. Daneben die Herausforderungen der Globali- in den Bereichen Musik, Tanz, Thea- propagieren. Ebenso wird Malta aber die Verwaltung kultureller Angele- ist es verpflichtet, Erziehungspro- sierung, so liegt eine engere Zusam- ter und Oper treten regelmäßig in die Rolle wahrnehmen, aufgrund sei- genheiten in Malta liegt bei der Re- gramme zu fördern und Gelder für menarbeit zwischen dem MCCA den Programmen der öffentlichen ner geographischen Lage und bun- gierung, insbesondere beim Minis- bestimmte Projekte und Veranstal- und der maltesischen Tourismusbe- Kulturinstitutionen auf. Das Reper- ten Geschichte, ein Ort der kulturel- terium für Tourismus und Kultur, tungen zuzuweisen. hörde auf der Hand. Beide wollen toire des Manoel-Theaters beispiels- len Begegnung und des internatio- beim Außenministerium und beim gemeinsam neue Synergien entwi- weise setzt sich fast ausnahmslos nalen Kulturaustausches zu sein. Erziehungsministerium. Pflege des Kulturerbes ckeln und für Malta als Kulturzent- aus Projekten privat organisierter 2001 gab die Regierung den ers- Ein zweites wichtiges kulturpoliti- rum im Mittelmeer werben. Die Künstlergruppen zusammen. Die Verfasserin ist Public Relations ten umfassenden, offiziellen Bericht sche Ziel Maltas ist die Pflege des Tourismusbehörde organisiert und Malta hat eine lange Tradition Officer der Botschaft von Malta ■

Europa und die Kultur Bekannte und unbekannte Gesichter, alte und neue Dossiers • Von Barbara Gessler

Diesen Sommer hat Europa nicht wie meinsamen nationalen oder regio- schuss einen Bericht über seine Ak- macht sich derzeit auf vielfältige len Sektors bei der Bildung einer eu- sonst traditionell im August eine nalen Interessen. Eine erste Nagel- tivitäten in der vergangenen Legisla- Weise und auf den verschiedensten ropäischen Identität Rechnung tra- Pause eingelegt: neben den Überle- probe für die „neuen“ Verhältnisse tur vorgelegt. Viele der dort ange- Foren dafür stark, nicht nur die au- gen. Die Kommission schlägt für gungen über die Verteilung der Port- (Abgeordnete aus den zehn neuen sprochenen Themen sind bis heute diovisuelle Industrie in den Ge- KULTUR 2000 auch einen prozen- folios in der Europäischen Kommissi- Mitgliedstaaten, europakritische aktuell und müssten in der kom- meinschaftsprogrammen zu för- tualen Anteil am Gesamtbudget als on und somit auch darüber, ob die Mitglieder etc.) werden die Verhand- menden Zeit angegangen werden. dern. Sie spricht sich außerdem für Richtwert für die Unterstützung der aktuellen Kommissarinnen für Kultur lungen über das Budget für 2005 so- So hat sich auch die Niederländi- eine stärkere positive Diskriminie- verschiedenen Aktionsbereiche vor. auch weiterhin ihr Dossier behalten wie für den Finanzrahmen 2007- sche Ratspräsidentschaft besonders rung zugunsten der Kultur im Rah- Darüber hinaus stehen für die- würden, hat dieses Kollegium im Juli 2013 bringen: dann wird sich zeigen, das Thema „Mobilität von Künstle- men der zukünftigen Regionalpoli- sen Herbst auch andere große euro- seine Vorschläge für die Nachfolge- ob sich die auf Sparen ausgerichte- rinnen und Künstlern sowie von tik aus. Ihr Anliegen ist es, einen päische Fragen an, für die die intel- generation der so genannten Bürger- ten Regierungen auch über ihre Ab- Kunstwerken“ auf die Fahnen ge- „Pakt für das Europa der Kultur“ zu lektuelle Auseinandersetzug auch schaftsprogramme vorgelegt. Über geordneten äußern. Wie jedoch be- schrieben. Eine Expertenstudie der schaffen. Dieser soll insbesondere unter den Kulturschaffenden wich- diese wird sich dann das frisch ge- reits aus den ersten Diskussionen Kommission über die bestehenden auch im Kontext mit dem wieder tig wäre: einerseits wird die Europä- wählte Europäische Parlament mit zum Budget für nächstes Jahr be- Hindernisse für den grenzüber- aufgelebten Doha-Prozeß zur Libe- ische Kommission im Oktober die Elan beugen, dessen zuständiger richtet wird, wird sich auch in dieser schreitenden Verkehr für Kunstwer- ralisierung des Welthandels mit Stellungnahme der Europäischen Ausschuss mit jetzt kürzerem Na- Legislatur der Kulturausschuss für ke soll im Oktober vorgelegt werden. Dienstleistungen greifen. Kommission zur Aufnahme von Bei- men „Ausschuss für Kultur und Bil- eine Erhöhung der Mittel (sie reprä- In ihrem informellen Treffen in Rot- Konkret werden sich nicht nur trittsverhandlungen mit der Türkei dung“ schon im Juli unter dem neuen sentieren unter 1 Prozent des ge- terdam haben sich die Kulturminis- die deutschen Kulturorganisationen vorlegen, andererseits ist zu erwar- Vorsitz getagt hat. samten EU-Haushalts!) für Kultur ter unter anderem über die Zusam- und VertreterInnen der Filmbranche ten, dass die Diskussion in Deutsch- und Bildung aussprechen. Ebenso menhänge zwischen Kultur und Bil- in Kooperation mit ihren Regierun- land um den Ratifizierungsprozess icht völlig unerwartet stellen konstituiert haben sich die neuen dung beraten: die Kommission hat gen jetzt mit den Vorschlägen der der Verfassung weitergeht. Die Frist Ndie Franzosen die meisten Voll- Ausschüsse für Fragen des Interna- zu diesem Thema eine Expertenstu- Kommission zu den Nachfolgepro- für die Ratifizierung läuft nach der Mitglieder, während die deutschen tionalen Handels, für Fragen des die in Auftrag gegeben. Die Ministe- grammen Kultur 2000 und MEDIA feierlichen Unterschrift Ende Okto- Abgeordneten mit einer Vizepräsi- Binnenmarkts und des Verbraucher- rinnen und Minister haben erneut Plus beschäftigen müssen. Insge- ber in Rom an. dentin aufwarten können. Im Euro- schutzes und der Rechtsausschuss, über die Bedeutung der Kulturin- samt ist eine erhebliche Erhöhung päischen Parlament spielte, zumin- der sich auch mit Fragen des geisti- dustrien im Lissabon-Prozess zur der Budgets für beide Programme Die Verfasserin ist Leiterin der dest in der Vergangenheit, die Par- gen Eigentums befassen wird. Entwicklung einer nachhaltigen vorgesehen, die nicht nur der Nach- EU-Vertretung in Bonn ■ teienzugehörigkeit eine geringere Rechtzeitig zur Information der Wettbewerbsfähigkeit in Europa dis- frage, sondern auch der besonderen Rolle als die möglicherweise ge- neuen KollegInnen hat der Aus- kutiert; die französische Regierung Rolle insbesondere des audiovisuel- EUROPA politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 26

Kulturhauptstadtbewerbung 2010: Essen Mythos und Moderne • Von Dieter Nellen

Bewerbung zur Kultur- Nein, es ist anders gekommen, als Ernst Osthaus das industrielle Bür- nen Stadt für die erste Liga des kul- den Stichworten “Dialog der Gegen- wir selbst dachten und andere es gertum auch schon früh kulturpoli- turellen Benchmarkings heute nicht sätze“ beziehungsweise „Mythos hauptstadt Europas womöglich wollten: Nicht das ver- tischen Pioniergeist zeigte. mehr aus. Von Woody Allen soll der und Moderne“ keine Gegensätze meintlich so große Köln und auch Doch die eigentlichen Revolutio- Satz stammen: „Um Erfolg zu haben, mehr; sie bereichern vielmehr ge- nicht das umtriebige Münster ist der nen fanden in der zweiten Hälfte des muss man anders sein“. genseitig das gemeinsame regionale Bis zum 31. März 2004 mussten Bewerber des größten Bundeslan- 20.Jahrhunderts statt. Die Bildungs- Bei den nordrhein-westfälischen Konto. 15 der 16 Bewerberstädte für die des für die „Kulturhauptstadt Euro- expansion der sechziger und siebzi- Jurymitgliedern waren deshalb zwei Das Ruhrgebiet war und ist mehr Kulturhauptstadt Europas ihre Be- pas 2010“ geworden. Vielmehr wird ger Jahre bescherte nämlich zu- weitere Eindrücke vor Ort maßge- als eine Stadt. „Die Region als die werbung bei den jeweiligen Kul- „Essen für das Ruhrgebiet“ antre- nächst der Region eine der vielfäl- bend, welche in dieser Weise wohl neue Stadt – diese Veränderung der turministerien der Länder abge- ten. tigsten und dichtesten Hochschul- nur im Ruhrgebiet zu machen sind: urbanen Wirklichkeit“ lässt sich zu- ben. Die erste Runde hatten die Bewerberstädte Augsburg, Bam- instimmig entschieden hat das berg, Braunschweig, Dessau/Wit- Eeine vom zuständigen NRW-Mi- tenberg, Essen, Görlitz, Halle, nisterium berufene Jury, der so un- Karlsruhe, Kassel, Köln, Lübeck, bestechliche Köpfe wie Peter Conra- Münster, Osnabrück, Potsdam, di, Holk Freytag, Adrienne Goehler, Regensburg damit genommen. Klaus-Dieter Lehmann sowie Wolf- gang Lorenz (ausgestattet mit der Bis Juni 2004 fanden in den Län- noch frischen Erfahrung als Inten- dern Bayern, Niedersachsen, dant der Kulturhauptstadt Graz Nordrhein-Westfalen und Sach- 2003) angehörten. Und was sich zu- sen-Anhalt die Ausscheidungsrun- nächst als Hürde ankündigte, stärkt den auf der Landesebene statt. jetzt den eigenen Anspruch: die Aus- zeichnung durch eine gleicherma- Am 2.Juli 2004 haben die Länder ßen renommierte wie unabhängige dem Auswärtigen Amt mitteilt, Jury. Zwei Tage reisten die kundigen welche Stadt sich bewerben Gutachter durch die drei Bewerber- wird. Bremen als Stadtstaat hat städte, wurden von beflissenen ebenfalls seine Bewerbung dem Gastgebern freundlichst umsorgt Auswärtigen Amt übergeben. und bekamen vor Ort vieles zu se- Das Auswärtige Amt wird den hen. Am Ende sagten sie einmütig: Ball wiederum bis September Die Stadt Essen soll und muss es für 2004 an den Bundesrat weiter- das Ruhrgebiet machen. Das Leben reichen, der bis Juni 2005 dem kann schön sein. Auswärtigen Amt seine Entschei- Essen, „tief im Westen“, bestach dung und Stellungnahmen mittei- vor Ort nicht nur durch die Ernst- len muss. haftigkeit seiner regionalen Präsen- tation. Programmatisch überzeugte Da sich mehrere Städte darum be- man aber vor allem durch „die Kunst werben, im Jahr 2010 Kultur- der Verwandlung und den Dialog hauptstadt Europas zu werden, der Gegensätze“. Was wohl auch muss der Bundesrat laut Be- noch wirkte: Fast alle namhaften schluss des Europäischen Parla- Unternehmen der Ruhrwirtschaft, ments mindestens zwei Bewer- in Zeiten von Globalisierung und berstädte dem Auswärtigen Amt weltweiter Bindungen auch andern- mitteilen. Es besteht die Möglich- orts zuhause, stehen mit zusätzli- keit, dass es auch mehr als zwei chen Budgets für die begleitende Fi- sind. Das Auswärtige Amt über- nanzierung des Projektes bereit. Ei- mittelt diese Entscheidung dann nige von ihnen, so zum Beispiel die der Europäischen Kommission. RAG oder die WAZ-Mediengruppe, Die siebenköpfige Jury der Exper- nutzen es sogar für den eigenen ten aus den Mitgliedstaaten wird Identitäts- und Imagewandel. dann eine Empfehlung ausspre- Inzwischen hat Essen wie die an- chen, die dem Rat, der Kommissi- deren neun deutschen Kandidaten on und dem Europäischen Parla- seine Bewerbung in Berlin dem Aus- ment mitgeteilt wird. Im Jahr wärtigen Amt als nationaler Trans- 2006 wird die Entscheidung fal- ferstelle übergeben. Dieses wird die len, welche Stadt letztlich das ehrgeizigen Entwürfe demnächst an Rennen macht und zusammen mit den letztlich entscheidenden Bun- einer ungarischen Stadt Kultur- desrat weiterreichen. Fast alle Expo- hauptstadt Europas 2010 werden sees dokumentieren mit Konzept, wird. Layout und Prosa „the state of the art“, und man muss schon sehr ge- politik und kultur stellt in jeder nau hinsehen, um herauszufinden, Essen tritt an, doch das Ruhrgebiet gewinnt. Foto: CP/COMPARTNER Ausgabe jeweils zwei Bewerber- wer die Bewerbung um das an- städte kurz vor. Die Vorstellung der spruchsvolle Projekt „Kulturhaupt- landschaften auf dem Kontinent Die Transformation altindustri- kunftsweisend als Paradigma des Bewerberstädte soll neugierig ma- stadt Europas 2010“ als reines tou- und hebt diese inzwischen auf glei- eller Räume, einhergehend „mit europäischen Städtetyps hier be- chen auf die Konzepte der Städte ristisches Marketingprogramm che Augenhöhe mit Berlin und neuen Bildern, einzigartigen Per- sichtigen. Die Programmarchitektur und zugleich zeigen, welche kultu- (miss)verstanden hat. München. spektiven und grandiosen Durchbli- der Bewerbung „Essen für das Ruhr- relle Vielfalt in Deutschland be- Maßstäbe wurden in der Vergan- Gleichzeitig wurden die Univer- cken“, kann ein spannendes kultu- gebiet“ setzt deshalb folgerichtig steht. Als Bewerberstädte für genheit schon gesetzt: Die „Kultur- sitäten „Entstehungsorte für ein relles Projekt sein. Die Stätten von auf eine regionale Dramaturgie und 2010 stellen sich in dieser Ausga- stadt Weimar“ überzeugte 1999 neues Bürgertum“. Eine weitere Kohle und Stahl sind nämlich längst lässt die kommunalen Grenzen mit be vor: Die Ruhrgebietsmetropole durch den Rückgriff auf zwei identi- Emanzipation fand dank mutiger nicht mehr die unübersehbaren ihren teils obsoleten Zufälligkeiten Essen und die ehemalige Reichs- tätsprägende Epochen der deut- Investitionen und Zuwendungen Symbole des Niedergangs. Sie haben und funktionsfremden Beliebigkei- hauptstadt Regensburg. schen Geschichte. Während mit den auf den verschiedensten Feldern der sich inzwischen quer durch das ten weit hinter sich. Dass im Übri- klangvollen Namen Goethe und kulturellen Infrastruktur statt. Beide Ruhrgebiet in identitätsbildende gen immer mehr die regionale Karte Bereits vorgestellt haben sich die Schiller die Stadt als Zentrum der Entwicklungen generieren „eine Zukunftsstandorte mit kultureller auch in der internationalen Wahr- Städte Bremen „Für Brutstätten, deutschen Klassik präsentiert wur- ruhrspezifische, unaufgeregte Urba- Sinnstiftung und ökonomischer nehmung. sticht, zeigt die in diesem Besessene und transnationales de, brachte die programmatisch ein- nität, an der es dem alten Revier ge- Wertschöpfung verwandelt. Die Kul- Sommer glanzvoll zu Ende gegange- Lernen“ und Görlitz „From the bezogene Nähe des Konzentrations- fehlt hatte, bis hin zu bunten städti- tur schafft und gestaltet den Wandel, ne RUHRTriennale unter Gerard middle of nowhere to the heart of lagers Buchenwald die Topographie schen Szenen, neuen Kneipenvier- wie umgekehrt der Wandel Kultur Mortier, die das ganze Ruhrgebiet Europe“ (politik und kultur 3/ des Terrors mahnend in Erinnerung. teln oder literarischen Gesellschaf- schafft. mit ihren spektakulären Inszenie- 2004), Lübeck „Lübeck liegt Scheinbar nebenher beseitigte Wei- ten“ (D. Petzina). Diese sichtbare Metamorphose rungen bespielte. Fortsetzung ist ge- einfach richtig“ und Karlsruhe mar alle baulichen Verwerfungen Während die Emscherstädte wie beginnt in Duisburg mit dem Innen- plant. „Europäisches Haus für Gerech- seiner grauen DDR-Vergangenheit. Bottrop, Gelsenkirchen, Marl oder hafen und Landschaftspark Duis- Aus all dem haben wir einen ein- tigkeit“ (politik und kultur 4/ Hier fand keine Metamorphose, auch Hamm in den achtziger und burg Nord, setzt sich in Oberhausen fachen Schluss gezogen: Essen tritt 2004). wohl aber eine Rückkehr zu den ei- neunziger Jahre erhebliche Investi- mit dem Gasometer, in Essen mit an, doch das Ruhrgebiet gewinnt. genen Ursprüngen statt. tionen für Museumsneubauten auf- der Zeche Zollverein, in Bochum mit In den nächsten Ausgaben folgen Im Revier wurde dagegen im brachten und damit gegenüber dem der zum Musik- und Sprechtheater Der Verfasser ist Leiter des Fachbe- die Städte: Kassel und Potsdam, klassischen Sinne weniger National- traditionellen Primat der Hellweg- mutierten Jahrhunderthalle fort und reichs Öffentlichkeitsarbeit und Braunschweig und Halle/Saale. ■ als Industriegeschichte geschrieben. zone aufholten, eröffneten jüngst in zieht sich über Dortmund mit der Regionalmarketing beim Kommu- Das Ruhrgebiet ist zudem durch das kurzer Zeitfolge hintereinander al- Zeche Zollern (ergänzt demnächst nalverband Ruhrgebiet ■ Fehlen feudaler und großbürgerli- lein Dortmund und Essen zwei gro- um Phoenix und das Dortmunder cher Traditionen kulturpolitisch ei- ße Konzerthäuser, in denen interna- U) bis zum Gebäudeensemble der ne eher späte (oder gerade deshalb tionale Spitzenorchester auftreten. ehemaligen Sachsen mit der Alfred- höchst moderne) Region, wenn- Dennoch reicht der Beweis ge- Fischer-Halle in Hamm fort. Vergan- gleich mit Friedrich Grillo und Karl hobener Normalität in der einzel- genheit und Modernität sind unter EUROPA politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 27

Kulturhauptstadtbewerbung 2010: Regensburg Die Donau als verbindendes Band und der Weg als Ziel • Von Harald Raab

Es geschieht Bedenkliches in deut- ausgelegten Projekt „donumenta“ geschichte gestaltet. Eine intakte, im zu pflegen. der Akzent gesetzt – voraussicht- schen Landen: Kultur wird auf der dieses Band geknüpft worden. Die Kern romanische Altstadt mit Klös- Was kann auf dieser kulturellen lich an der Donau und unmittel- Ebene von Gladiatorenkämpfen mit private Initiative stellt jedes Jahr die tern, Kirchen und turmbewehrten Grundlage im Jahr 2010 mit Strahl- bar beim historischen Altstadt- Siegern und Besiegten und viel Me- Kultur eines der zehn Donauländer Patrizierhäusern erzählt davon. Re- kraft und beispielgebend für euro- kern. diengetöse auf dem Jahrmarkt der vor. gensburg hat in Fragen der Altstadt- päische Stadtgesellschaften beson- 4.) Und schließlich soll das Bürger- Eitelkeiten zur Schau gestellt. Re- Und auch das muss klar und so- sanierung und des Denkmalschut- ders herausgestellt werden, zumal engagement bei der Gestaltung gensburg, bald 2000 Jahre alte Kul- gar mit Freude gesehen werden: Die zes europaweit einen exzellenten Regensburg in der Wirtschafts- und des kulturellen, aber auch sozia- turstadt an der Donau, hat mit sei- kulturellen Aktivitäten, sowohl in Ruf und gilt als gelungenes Beispiel Bevölkerungsentwicklung unisono len Stadtlebens neue Impulse nen 145 000 Einwohnern einen ganz der Breite als auch in der allgemei- für sensible Sanierung. äußerst positiv bewertet wird? bekommen, unter gleichzeitiger anderen Ehrgeiz: Sie will mit der Be- nen Qualität mit variierenden Spit- Kultur war hier nach blühenden Regensburgs Oberbürgermeis- Einbindung herausragender werbung um Titel und Ehre, Kultur- zenausprägungen besitzen überall klösterlichen Traditionen und be- ter, Hans Schaidinger, hält es nicht Kräfte und Ideen von außerhalb. hauptstadt Europas 2010 zu wer- ein hohes Niveau. Das gilt im beson- reits neben den höfischen Aktivitä- nur strategisch für klug, sondern der den, unter Beweis stellen, dass Kul- deren Maß und mit breiter Bürger- ten der kaiserlichen Prinzipalkom- Sache angemessen, nicht jetzt schon Egal, wie dann 2006 beim Euro- tur nicht ein einmal erworbener Be- beteiligung für Regensburg. Die missare aus dem Fürstenhauses ein fertiges und damit einengendes päischen Rat die Entscheidung fällt: sitz ist, sondern vielmehr ein stets Zahl der Vereine und kulturellen Ak- Thurn und Taxis stets Bürgersache. Konzept für 2010 zu haben. Ein Work Regensburg hat – wie die anderen neues Bemühen sein muss. tivitäten ist hier besonders groß. Vor exakt 200 Jahren schuf eine bür- in progress ist vielmehr in Gang ge- Bewerberstädte auch – jetzt schon

nd genau dieser Ansatz war es - UKultur als Zukunftsprojekt auf solidem historischen Boden und mit viel aktuellem Bürgerengagement -, den die bayerische Fachjury hono- riert hat: Regensburg wurde in Bay- ern noch vor Bamberg und Augs- burg zugetraut, die Brücke vom Heute zum Morgen zu schlagen. Die Stadt als vitaler Lebensraum für Menschen auf der Suche nach neu- en Gesellschaftsmodellen. In ihnen sollen humanistisches und christli- ches Erbe neu definiert werden. Da- für will Regensburg Labor sein und als Vorbild Impulse geben. Dazu kommt die aktuelle He- rausforderung, Europa wieder zur alten Einheit zusammenwachsen zu lassen. Regensburg, am nördlichs- ten Punkt der Donau, ist mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und mit der EU-Osterweiterung wieder ins europäische Zentrum gerückt und hat eine große Brücken-Zukunft als Mittler zwischen West und Ost. Dabei geht es um Vertrauen statt Misstrauen, um Kennenlernen statt Abschotten. Ohne geographische Gegebenheiten überzubewerten: Die Donau ist eine natürliche Ver- bindung zu Mittel- und Südosteuro- pa. Auf dem Strom werden nicht nur Waren in beide Richtungen trans- Regensburg: 179 n.Chr. als römisches Militärlager gegründet, heute die am besten erhaltene mittelalterliche Großstadt in Deutschland Foto: Kulturamt Regensburg portiert. Kulturelle Fracht ist glei- chermaßen zugeladen. Was ist Regensburgs spezielles gerliche Aktiengesellschaft das setzt worden. Vier Zielrichtungen gewonnen: Weil über die Kulturent- Regensburg hat städtepartner- geschichtliches Erbe, das es gilt, de- Theater. Nicht nur wegen der welt- sind für 2010 angepeilt und auch wicklung neu nachgedacht wird, schaftliche Bande zu Odessa in der mokratisch gewandelt, fortzuentwi- berühmten Regensburger Domspat- schon in Vorbereitung: das notwendige Künftige schärfer Ukraine, zu Pilsen in Tschechien, zu ckeln? Als Römergründung „Castra zen ist die Stadt an der Donau seit 1.) Die Brückenfunktion zu den ins Blickfeld kommt und man auf- Aberdeen in Großbritannien, zu Regina“ auf keltischem Siedlungs- Jahrhunderten ein Zentrum für Mu- mittel-osteuropäischen Nach- merksamer registriert, was und wie Clermont Ferrand in Frankreich und grund hat Regensburg eine steiner- sik. Regensburg ist Sitz der vierten barn wird mit künstlerischen, es die anderen machen. Klemens zu Brixen in Italien. Aktuell wird ge- ne „Geburtsurkunde“, datiert auf bayerischen Landesuniversität und aber auch sozialen Begegnun- Unger, der Chef des Kulturreferats, rade eine Beziehung zu Budwar, 179 n. Chr. Danach war Regensburg einer der großen Fachhochschulen gen vor allem unter jungen aus dem der Impuls für die Bewer- dem selbständigen Altstadtdistrikt unter den Agilolfingern die Wiege des Freistaats. Beide Hochschulen Menschen, intensiv mit Leben bung um den Kulturhauptstadt-Titel von Budapest, aufgenommen. Die der Bayerischen Staatswerdung. pflegen wissenschaftlichen Aus- erfüllt. 2010 stammt, formuliert es so: „Wir ungarische Hauptstadt ist auch mit Hier hatte später Karl der Große eine tausch weltweit, vor allem aber mit 2.) Im Religiös-Spirituellen wird freuen uns, dass wir auf bayerischer ziemlicher Wahrscheinlichkeit die seiner wechselnden Residenzen. osteuropäischen Ländern. Beson- ein weiterer Schwerpunkt beim Ebene ausgewählt worden sind. Das zweite Kulturhauptstadt Europas Seit 1250 war Regensburg Freie ders die Universität bemüht sich multikulturellen Austausch lie- bedeutet aber für uns Verpflichtung 2010. Die Donau als Transmissions- Reichsstadt. Als Stadt des Immer- sehr erfolgreich mit einer eigenen gen. und viel, viel Arbeit.“ riemen für kulturelle Synergieeffek- währenden Reichstages wurde von Einrichtung, dem „Europeum“, Stu- 3.) Architektonisch wird mit dem te: Bereits vor der Kulturhauptstadt- 1663 bis zum Beginn des 19. Jahr- dierende aus Mittel- und Osteuropa Bau eines Kultur- und Kongress- Der Verfasser ist langjähriger bewerbung ist mit dem auf Jahre hunderts hier europäische Reichs- anzusprechen und Kulturaustausch zentrums ein zukunftsweisen- Kulturjournalist in Regensburg ■

workshop schulbibliothek: fit for future Über den richtigen Aufbau von Schulbibliotheken • Von Birgit Dankert

Jeder will sie, denn ihr pädagogi- voll zum Schulleben gehören soll, ist für den Aufbau und die Organisation ABC und Multimedia. Bestandsma- Lernzentrum sein will. Computer scher Wert ist unbestritten und bil- Professionalität angesagt. einer Schulbibliothek. nagement in Schulbibliotheken und Internet organisieren gleichzei- dungspolitisch sanktioniert. Aber Für Lehrer, Bibliothekare und al- Themen des Workshops, der ins- Bücher, audiovisuelle und digitale tig die Geschäftsabläufe der Biblio- höchstens 15 Prozent aller deut- le anderen, die schulbibliotheka- gesamt zehn Veranstaltungen um- Medien gehen einen langen Weg von thek. Es gibt Software wie „ALLE- schen Schulen besitzen eine funktio- risch arbeiten wollen, vermitteln fasst, sind: der Produktion bis in die Regale der GRO“, die sich auf den Einsatz in nierende Schulbibliothek. zehn Meetings eines Workshops, der Best-Practice. Erfolgreiche Strate- Schulbibliothek. Ein gutes Manage- Schulbibliotheken spezialisiert ha- von der Hochschule für Angewandte gien für Schulbibliotheken ment für Marktsichtung, Kaufent- ben und deren IT-Support schnell it ihrem Aufbau fängt man am Wissenschaften in Hamburg zusam- Das Bertelsmann-Projekt „Medien- scheidung, Aufbau eines pädago- greifbar ist. Information und Übung MBesten dort an, wo bereits et- men mit der ekz. Bibliotheksservice partner. Bibliothek + Schule NRW“ gisch wirksamen Bestandes und sei- führen in die neueste Entwicklung was vorhanden ist. Die Websites vie- GmbH, Schule und Bibliothek, dem ist eine Erfolgsgeschichte. Sie gibt ne Präsentation ist entscheidend für der hybriden (halb Buch, halb Com- ler Schulen zeigen, dass nach der Deutschen Bibliotheksverband, Antworten auf die Fragen „Wie setze den Erfolg. Individueller Ansatz und puter) Schulbibliothek ein. Barbara Veröffentlichung der PISA-Studie DBV-Expertengruppe Bibliothek ich Schulbibliotheken durch? Was verfügbare professionelle Organisa- Schulz, Büchereizentrale Lüneburg. zahlreiche Schulbibliotheken neu und Schule, den Hamburger Öffent- sind die Voraussetzungen erfolgrei- tionshilfen können eine effiziente entstanden sind. Nun sieht man sich lichen Bücherhallen, Schulbiblio- cher Schulbibliotheken? Welche Ak- Einheit bilden, die Zeit und Geld Informationskompetenz nach Verbündeten, nach fachlichem thekarische Arbeitsstelle, der Nie- tivitäten zeigen Wirkung bei Schü- spart. Angelika Holderried, ekz bib- Zu den wichtigsten schulbibliothe- Austausch und Hilfestellung um. dersächsischen Landesbibliothek lern, Eltern und Politikern?“ liotheksservice GmbH. karischen Aufgaben zählt die Förde- Denn egal, ob die Zielvorstellung ei- Hannover, Zentrum für Aus- und Heike Lander, Bertelsmann Stif- rung von Informationskompetenz. nen Lesesalon oder ein Informati- Fortbildung, veranstaltet wird, die tung, Abt. Bildung, und Prof. Birgit Digitales Herz der Schulbibliothek onszentrum beschreiben, wenn die wichtigsten aktuellen Informatio- Dankert M.A., Hochschule für Ange- Digitale Ressourcen gehören zum Weiter auf Seite 28 Bibliothek dauerhaft und wirkungs- nen, Kenntnisse und Kompetenzen wandte Wissenschaften Hamburg. Bestand einer Schulbibliothek, die BILDUNGSREFORM politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 28

Fortsetzung von Seite 27 nen bedienen, soll Schüler zum Be- ge der bildungspolitischen Schlag- EU-Gesetzgebung und der globale mittelt werden können. such animieren und eine klare Ori- worte, die eine neue Schulwirklich- Austausch von online-Medien Dr. Georg Ruppelt, Präsident der entierung bieten. Möbel, Licht, ein keit beschreiben. Dazu gehört auch schaffen neue Rechtsverhältnisse. Stiftung Lesen, und Thomas Feibel, Dazu gehören die Fertigkeiten der Leitsystem: Auch hier werden indi- die Profilbildung der Institutionen Eine Juristin berät. Dr. Gabriele Be- Büro für Kindermedien, Berlin. Themenformulierung, der Informa- viduelle Zielvorstellungen mit auf Schule und Bibliothek, die attraktiv ger, Präsidentin der Deutschen Ge- tionsrecherche und die Verarbeitung dem Markt verfügbaren Angeboten und förderungswürdig machen soll. sellschaft für Informationswissen- Der ultimative Werkzeugkasten. zweckdienlicher Informationen. verbunden. Klaus Dahm, Staatliche Zwei Praktiker geben Einblick in er- schaft und Informationspraxis. Was braucht, was kostet, was bringt Praxiserprobte Programme für un- Fachstelle für das öffentliche Biblio- folgreiche Projekte. Dr. Dirk Hage- die Schulbibliothek? terschiedliche Schulstufen werden thekswesen, München, und Kai ner, Gesamtschule Bergedorf, und Utopia. „Alte“ Science Fiction und Mit Check-Listen, Organisationsab- vorgestellt und trainiert. Detlev Schröder, Hochschule für Ange- Eva von Jordan-Bonin, Stadtbüche- neue Medien im Schulalltag und als läufen und Arbeitsplänen wird noch Dannenberg, Hochschule für Ange- wandte Wissenschaften Hamburg. rei Frankfurt. Event einmal ein Best-Practice-Programm wandte Wissenschaften Hamburg. Spannende Lektüre u n d ein Com- für Schulbibliotheken präsentiert. Öffentlichkeitsarbeit und Marke- Personal, Copyright, Ausweis und puter-Spiel, Lesen u n d Chatten Prof. Birgit Dankert und Detlev Dan- Bibliotheksräume. Planung. Ein- ting. Die Schulbibliothek als Motor Schlüssel. Rechtsfragen der Schul- bestimmen das Medienverhalten nenberg. richtung. Orientierung. Beschrif- neuer Schulwirklichkeit bibliothek von Schülerinnen und Schüler. Ein Informationen: www.winq.de tung Schulautonomie, Öffnung der Schu- Arbeitsrechtliche Fragen, Urheber- Science-Fiction-Experte und der Zum Einrichten einer Bibliothek ge- le, interkulturelles Lernen, Nachhal- schutz, Datenschutz und die rechtli- beste deutsche Kenner digitaler Me- Die Verfasserin ist Professorin am hört mehr, als Bücher und CD- tigkeit, bundesweite Standards und chen Positionen von Schülern, El- dien für Kinder und Jugendliche zei- Fachbereich Bibliothek und Infor- ROMs in Regale zu stellen. Der Normen für die Orientierung in der tern und Lehrer werden in der gen, wie utopische Welten im Medi- mation der Hochschule für Ange- Raum muss verschiedene Funktio- Wissensgesellschaft – das sind eini- Schulbibliothek relevant. Die neue enverbund von der Bibliothek ver- wandte Wissenschaften Hamburg ■

Was ist mit den jugendlichen Museumsbesuchern Replik auf Bernd Fesel und Gabriele Schulz • Von Eske Nannen

Bernd Fesel und Gabriele Schulz tref- seres Wissens als erstes europäisches Kreativangebot statt. Mehrtägige Fe- fen den Nagel auf den Kopf. Kinder Kunstmuseum – eine Audioführung rienprogramme laden ein zum Aus- und Jugendliche sind offenbar in vie- nicht nur für Erwachsene sondern probieren verschiedener Techniken. len deutschen Museen nicht nur auch für Kinder und Jugendliche an. Junge Leute feiern ihren Geburtstag kaum vorhanden, sondern auch gar Sie gibt zu 80 Werken Informationen in der Kunsthalle und der Malschu- nicht erwünscht. Es beginnt schon und Anregungen, die nicht durch le. Kindergärten der Region kom- damit, dass in Deutschland Kindern Fakten und Zahlen belehren, son- men im Rahmen von 10-wöchigen und Jugendlichen von vorne herein dern in erster Linie zum differenzier- Projekten einmal pro Woche in die keine Beachtung bei der Planung ten Sehen animieren wollen. Kunsthalle. Auf diese Weise werden und Gestaltung von Museen ge- Ebenfalls wohl einzigartig ist die schon die Vorschulkinder mit mo- schenkt wird. Verbindung von Kunsthalle und derner Kunst in Berührung ge- Kunstschule in Emden. In Kursen bracht. Geplant ist die Einrichtung n der Kunsthalle von Emden wur- und Projekten, Workshops, Themen- eines „Kunst-Kindergartens“. Ide dieser Aspekt von Anfang an führungen und vielen weiteren Ver- Alle diese Angebote betten wir in berücksichtigt. Unser Haus versteht anstaltungen haben hier junge Men- eine Atmosphäre der Familien- sich als lebendige Begegnungsstätte schen die Möglichkeit, sich nicht al- freundlichkeit ein, und das betrifft zwischen Bürgern und Bildern – lein lernend und verstehend mit nicht nur die Eintrittspreise. Es be- und das gilt nicht nur für Erwachse- Kunst zu beschäftigen, sondern auch ginnt bei Aufsichten, die nicht gleich ne. Kinder und Jugendliche gelten in den Werkstätten alle künstleri- mahnen, wenn es mal etwas lauter hier nicht nur als die berühmten schen Techniken ganz praktisch aus- wird, geht über einen geräumigen „Besucher von morgen“ – sie sind zuprobieren und das Kunsterlebnis Wickeltisch auf der Toilette und gro- Museumspädagogische Arbeit in der Kunsthalle Emden Foto: Kunsthalle Emden für uns auch heute schon wichtige in eigenes schöpferisches Tun umzu- ße, funktionierende Aufzüge bis hin Besucher. Ich bin der festen Über- setzen. Sie finden alle Materialien zur Malecke im Leseraum, dem Erst wenn die Museumslandschaft Zukunft von Museen befriedigend zeugung, dass die Förderung der und technischen Voraussetzungen Hochstuhl im Café und den von flächendeckend Kinder als Besucher erfüllt werden. Die Kulturstiftung Kreativität und Phantasie einen zum Malen und Zeichnen, für Druck- Frau Schulz vermissten Pommes ernst nimmt, wenn Architekten der Länder hat mit ihrer Initiative wichtigen Beitrag zur Persönlich- graphik, Bildhauerei, Metallbearbei- Frites auf der Speisekarte. selbstverständlich Räume für kreati- „Kinder zum Olymp!“ einen wichti- keitsentwicklung von jungen Men- tung, kreatives Schreiben, Videofil- Sie sehen, man kann durchaus ve Angebote mitplanen (warum gen Schritt in die richtige Richtung schen leistet. Wer früh mit Kunst in men, Theaterspielen und Computer- eine Menge tun und wir sind in Em- nicht verpflichtend, à la „Kunst am getan, der alle Kulturschaffenden Berührung kommt, geht gestärkt grafik. 250 Teilnehmer nutzen derzeit den ständig auf der Suche nach neu- Bau“?) und kulturelle Bildung nicht zum Mittun anspornen sollte. durchs Leben. über 50 wöchentliche Angebote. en Ideen, um Kindern Lust auf Mu- allein am Geldbeutel der Familie In der Kunsthalle in Emden ha- An jedem Sonntag findet parallel seum zu machen. Doch es hilft hängt, kann dieser Teil des gesell- Die Verfasserin ist Geschäftsführerin ben Kinder bis 15 Jahre freien Ein- zur öffentlichen Führung für Er- nichts, wenn die Museen hier und schaftlichen Auftrags von Museen der Kunsthalle in Emden ■ tritt. Seit vier Jahren bieten wir – un- wachsene eine Kinderführung mit da über die Republik verstreut tun. aber auch diese Investition in die

Chancengleichheit und Persönlichkeitsbildung Erwartungen des DGB an Bildungsreformen • Von Michael Sommer

Bildung ist eine der zentralen Res- gelegt sein, dass sich die einzelnen erarbeitet, kann nachvollziehen, Damit werden neue Strukturen Hände nicht mehr alles finanzieren sourcen Deutschlands für die Zu- Bildungsabschnitte sinnvoll in ein warum wir für einen umfassenden geschaffen, die nun mit Inhalten ge- können oder wollen. Ich meine aber kunft, für die Innovationsfähigkeit Gesamtkonzept des lebenslangen Bildungsbegriff eintreten. füllt werden müssen, wenn nicht auch, dass wir es hier mit einer Form der Gesellschaft wie für die Einzel- Lernens einfügen und miteinander Keiner darf verloren gehen, heißt nur allein der – durchaus wichtige – von Politikverständnis zu tun ha- nen. Doch unser bestehendes Bil- verzahnen lassen. Lebenslanges es in Finnland. Damit ist die zentra- Aspekt von zusätzlichen Betreu- ben, das Mitgestaltungsmöglichkei- dungssystem ist darauf immer noch Lernen darf dabei nicht die Dro- le gewerkschaftliche Forderung ungskapazitäten verwirklicht wer- ten einräumen will. Die organisierte nicht eingerichtet. Wir alle kennen hung fortschreitender Ausgrenzung nach Chancengleichheit auf einen den soll. Wir brauchen ein System Zivilgesellschaft sollte diese ausge- die Stichworte: Strukturelles Defizit bedeuten. Vielmehr geht es darum, einprägsamen Satz komprimiert. In der individuellen Förderung von streckte Hand ergreifen und – bei al- bei der frühkindlichen Förderung, immer wieder neue Chancen für die Deutschland gehen viel zu viele ver- Anfang an, also auch schon im Ele- len Risiken und Schwierigkeiten, die schlechtes Abschneiden bei PISA, Einzelnen zu eröffnen. Damit sind loren, und selbst eine oder einer wä- mentarbereich. Ziel ist es, Stärken damit durchaus auch verbunden Hochschulmisere, und, und, und. Wir Chancen auf Integration in die Ge- ren schon zu viel. Bei uns stimmen und Unterschiedlichkeiten der Kin- sind – die Chancen nutzen. Das gilt haben in Deutschland in bildungspo- sellschaft gemeint – in beruflicher die Rahmenbedingungen für indivi- der und Jugendlichen zu unterstüt- auch für die kulturelle Bildung. litischer Hinsicht im Wesentlichen wie in sozialer, politischer und kul- duelle Förderung nicht. Es haben zen und verschiedenste Persönlich- Denn kulturelle Bildung hat in die längst kein Erkenntnisdefizit mehr, tureller Hinsicht. Bildung lässt sich soziale Veränderungen zwischen keitsaspekte zu entfalten. Dazu ge- laufenden Reformprozesse viel ein- wir haben ein politisches Handlungs- deshalb keinesfalls auf berufliche den Geschlechtern und in den Fami- hören kognitive und soziale, emo- zubringen an fachlicher und päda- defizit. Verwertbarkeit reduzieren. Sie ist lien stattgefunden. Migration und tionale, wie motorische oder kreati- gogischer Kompetenz. Ich denke immer umfassende Persönlichkeits- die Zahl von Kindern aus bildungs- ve Potentiale. Nur so kann die Ver- beispielsweise an die Arbeit der kul- ildung im gewerkschaftlichen bildung, die dazu befähigt, ein ei- fernen Schichten haben zugenom- bindung von Schichtzugehörigkeit turpädagogischen Einrichtungen BSinn meint mehr als berufliche genständiges, selbst gestaltetes Le- men. Zugleich steigen die Anforde- und Lernerfolg, die in den deut- wie Jugendkunstschulen, Orchester, Bildung, bei der im übrigen vieles im ben in der Gesellschaft zu führen. rungen an die Einzelnen, ihr berufli- schen Schulen bisher die Regel ist, Bibliotheken, Theater oder an die argen liegt. Viel zu viele junge Men- Kulturelle Bildung ist in diesem ches und privates Leben vor dem überwunden werden. Eine solches medienpädagogische Einrichtun- schen finden gar nicht erst einen Zusammenhang kein „Luxus“ und Hintergrund der fortschreitenden Verständnis von Förderung muss gen. Ausbildungsplatz, andere brechen schon gar kein Privileg der oberen Globalisierung selbst zu gestalten. Einzug finden in ein neues Bil- Auf den Punkt gebracht: Wir ihre Ausbildung ab, um an dieser Mittelschicht. Wer je in einem ge- Die Anstrengungen der Bundes- dungskonzept. können bei der Beschäftigung mit Stelle nur zwei Schlaglichter zu wer- werkschaftlichen internationalen regierung, den Ausbau der Kinderta- In den angeschobenen Reform- Zukunftsfragen auf einen umfassen- fen. Austausch mit benachteiligten jun- geseinrichtungen voranzutreiben, prozessen ist die Politik wiederholt den, einen „erweiterten“ Bildungs- Doch der gewerkschaftliche Fo- gen Menschen erlebt hat, wie ein gehen deshalb in die richtige Rich- auf die Zivilgesellschaft zugegangen begriff nicht verzichten. cus richtet sich nicht allein auf den türkischer Jugendlicher, der auf- tung. Darum beteiligt sich der DGB und hat um Unterstützung gewor- berufsbezogenen Teil des Bildungs- grund massierter persönlicher Prob- auch an der „Allianz für Familien“ ben. Sei es in den „Lokalen Bündnis- Der Verfasser ist Vorsitzender des systems. Die berufliche Bildung ist leme Schwierigkeiten hat, sich auf und den „Lokalen Bündnissen für sen“, sei es in den Konzepten, Ganz- Deutschen Gewerkschaftsbundes ■ ein Baustein in einem gewerkschaft- die Veranstaltung einzulassen, in ei- Familien“. Ebenso beschreitet die tagsschulen zu Räumen zu machen, lichen Konzept des lebenslangen nem Kunstworkshop plötzlich auf- Bundesregierung den richtigen Weg, die sich dem sozialen Umfeld öff- Lernens. Alle Bildungsbausteine im blüht, lebendig wird und aus eige- wenn sie die Einrichtung von Ganz- nen. Dies ist einerseits der Tatsache Leben der Menschen müssen so an- nem Antrieb vorzeigbare Produkte tagsschulen unterstützt. geschuldet, dass die öffentlichen BILDUNGSREFORM politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 29

Ein Bildungsjahr mit Folgen Das Freiwillige Soziale Jahr in der Kultur • Von Kerstin Hübner und Brigitte Schorn

Wochen, am 1. September 2004, star- ten bundesweit 400 Jugendliche ihr Freiwilliges Soziales Jahr in den un- terschiedlichsten Kultureinrichtun- gen, -initiativen und -projekten. Be- worben hatten sich mehr als 3.200 junge Frauen und Männer für ein FSJ Kultur. Doch weder gibt es bislang so viele Einsatzstellen noch reichen die Zuschüsse von Bund und Ländern, um diesen Bedarf auch nur annä- hernd zu decken. Der Kulturbereich hat keine Refinanzierungsmöglich- keiten, über die andere Träger im FSJ, vor allem die großen Wohl- fahrtsverbände normalerweise ver- fügen. Wünschenswert wäre aber, wenn dem politischen Willen, den Freiwilligendienst attraktiv zu gestal- ten und auszuweiten, Taten folgen könnten. Die Jugendlichen jeden- falls sind voller Tatendrang, moti- viert und wollen „rein ins Leben“. Je- de Verweigerung dieses Engage- ments schwächt unsere Gesellschaft!

Weitere Informationen über das FSJ Kultur Die Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (BKJ) sichert gemein- sam mit den anderen Trägern im Trä- gerverbund die Rahmenbedingun- gen des FSJ Kultur. Sie begleiten die Einsatzstellen bei allen finanziellen, organisatorischen und pädagogi- schen Fragen und unterstützen sie, Zwischen Schule und Ausbildung den Marktwert steigern: Das freiwillige Soziale Jahr als Karrierebeschleuniger Foto: Michael Bause, Bonn die Arbeit nach Qualitätsstandards auszurichten. Sie organisieren die „Wenn mir jemand gesagt hätte: „Du men der Tätigkeit ein eigenes Pro- der BKJ flankiert von zuständigen gerschaftliches Engagement in der Weiterbildung und Vernetzung der wirst ein Jahr lang etwas tun, wovon jekt zu realisieren, entwickeln die Ju- Ministerien der fünf beteiligten Län- Kulturarbeit zeigt bereits deutliche Kultureinrichtungen, betreiben Lob- Du bis dahin keine Ahnung hattest, gendlichen ein Gespür für ihre eige- der. Die Jugend- und Familienstif- Spuren in der Öffnung von Kultur- byarbeit und präsentieren das FSJ mehr arbeiten als in Deiner ganzen nen Stärken und Schwächen und er- tung des Landes Berlin, die Stiftung einrichtungen für Freiwilligendiens- Kultur in der Öffentlichkeit. Schulzeit zusammen, Verantwortung werben gleichzeitig neue Schlüssel- Demokratische Jugend und die Ro- te und ehrenamtliches Engagement. Infos: Bundesvereinigung Kultu- und die Konsequenzen deines Han- kompetenzen, die berufsqualifizie- bert Bosch Stiftung sind weitere För- Damit entwickelte das FSJ Kultur relle Jugendbildung, Büro Leipzig, delns tragen, tagtäglich und an Wo- rend sind und ihre Persönlichkeit derer. Im Mai 2002 wurde ein novel- nicht nur Schlüsselkompetenzen bei Sternwartenstr. 4, 04103 Leipzig, chenenden und Feiertagen arbeiten, stärken. liertes FSJ-Gesetz verabschiedet. Freiwilligen, sondern durchaus ei- Fon:0341/257 73 07, Fax: 0341/257 dafür allerdings weniger Lohn be- Auch die Einsatzstellen werden Der kulturelle Bereich ist darin aus- nen deutlichen Kompetenzgewinn 73 09, www.fsjkultur.de kommen als eine ungelernte Hilfs- auf den Einsatz der Jugendlichen gut drücklich als neues Einsatzfeld be- auf allen beteiligten Ebenen. kraft, dann hätte ich vermutlich ge- vorbereitet und bei auftretenden nannt. Kerstin Hübner ist Bundestutorin fragt, warum ich mir das antun solle Problemen beraten. Qualitätsstan- Ausgangspunkt der BKJ für ihre 3.200 Bewerbungen um FSJ Kultur, Brigitte Schorn ist und dann auch noch freiwillig. Die dards sorgen dafür, dass die Jugend- Initiative „Rein ins Leben!“ war die Bildungsreferentin der Bundesverei- Antwort ist verblüffend einfach: lichen in allen Arbeitsstellen mög- Überzeugung, dass der Kulturbe- 400 Plätze nigung Kulturelle Jugendbildung ■ Weil´s richtig was bringt!“ lichst ähnliche Rahmenbedingun- reich gut geeignet ist, Jugendlichen Sei dem Start des FSJ Kultur ist die gen vorfinden. einen Gestaltungs- und Experimen- Zahl interessierter Jugendlicher kon- it Begeisterung spricht Katja tierraum für bürgerschaftliches En- tinuierlich gestiegen. In wenigen Müber ihr FSJ Kultur. Ein Jahr Kulturarbeit ist gagement zu geben. Die in weiten lang hat sie bei der Landesvereini- Teilen der Kulturarbeit (überlebens- gung Kulturelle Jugendbildung in engagementfreundlich notwendige) Flexibilität und Offen- Sachsen gearbeitet. Neben der all- Die Gesellschaft braucht das freiwil- heit für neue Ideen und gesellschaft- Bildung im FSJ Kultur ist: täglichen Arbeit im Team hat sie ei- lige Engagement junger Menschen. liche Veränderungen sind gute Vor- genverantwortlich ein Projekt ge- Die Diskussion um das soziale aussetzungen dafür, den Engage- ganzheitlich und universell, da Kultur(arbeit) im Besonderen die Einheit von plant und durchgeführt. „Ich fühle Pflichtjahr spiegelt diesen Bedarf mentwillen der Jugendlichen in ent- Denken, Fühlen und Handeln fordert und fördert. mich gebraucht und nützlich, meine und ist der Versuch, Engagement zur sprechende Aufgabenprofile zu Arbeit geschätzt und wertvoll. In Regel und damit verbindlich für je- übersetzen. In den meisten Fällen individuell und subjektbezogen, weil die kontinuierliche persönliche Beglei- diesem Jahr habe ich mehr für die den Jugendlichen zu machen. Kriti- gelingt es, die Interessen der Ein- tung an den Bedürfnissen einer/s jeden Jugendlichen ansetzt, beziehungs- Steigerung meines „Marktwertes“ ker des Pflichtjahrs halten dagegen, satzstellen und die Bedürfnisse der weise auf die jeweiligen Möglichkeiten der Freiwilligen abgestimmt ist. getan als in den vielen Jahren da- dass Menschen nur freiwillig bereit Jugendlichen effektiv zu verknüp- vor.“ sind, sich für die Belange der Gesell- fen. Die Fachkräfte in den Einrich- eigeninitiiert und partizipativ, da Lernziele und -wege weitestgehend selbst- So wie Katja erleben fast alle Ju- schaft zu interessieren. Man müsse tungen und Projekten sind aufgrund bestimmt ausgestaltet werden. gendlichen, die zwischen Schule sehr viel mehr attraktive Einsatz- ihrer künstlerisch-pädagogischen und Ausbildung ein Jahr lang „mal möglichkeiten schaffen, die es für Ausbildung in der Lage, Lernprozes- kreativ und gestaltend, weil künstlerisch-praktische Kontexte die eigene etwas anderes tun“ wollen, das FSJ den Einzelnen interessant machen, se von Suchenden am Schnittpunkt Ausdrucksfähigkeit entwickeln und Fantasie, Sinnlichkeit und Imagination Kultur als eine persönliche Berei- gegen ein Taschengeld Vollzeit zu ar- zwischen Schule und Ausbildung bedingen. cherung. Gegen ein monatliches Ta- beiten. Mit einem dreijährigen Bun- bzw. Berufsleben zu initiieren und schengeld von 280 Euro arbeiten sie desmodellprojekt unter dem Motto zu verantwortungsvoll zu begleiten. interkulturell und toleranzfördernd, weil Gemeinschaft zwischen unter- im Team eines Museums, eines Ju- „Rein ins Leben“ startete 2001 die schiedlichsten Akteuren in der Arbeit und in der Seminargruppe stetig aus- gendkulturzentrums, einer Biblio- Bundesvereinigung Kulturelle Ju- Kompetenzgewinn auf gehandelt wird. thek, einer Musik- oder Kunstschu- gendbildung (BKJ) gemeinsam mit le, einer Medienwerkstatt oder eines fünf Landesvereinigungen Kulturel- allen Ebenen sozial und sozialisierend, weil die Arbeit für und mit Menschen und insbe- Theaters. Mit einer kontinuierlichen le Jugendbildung e.V. (LKJ) den Ver- Mit dem FSJ Kultur Qualitätsmana- sondere für und mit Kindern und Jugendlichen in den Einsatzstellen, in der Begleitung durch die Träger des FSJ such, das traditionelle FSJ um neue gement-Konzept der BKJ wurde für eigenverantwortlichen Projektarbeit und in den Seminaren konstitutiv ist. Kultur und insgesamt 25 Bildungsta- Einsatzfelder in der Kultur zu erwei- die beteiligten Träger, Einrichtungen gen haben die Jugendlichen gute tern. In Berlin, Niedersachsen, Sach- und Jugendlichen ein gemeinsamer politisch und aktivierend, da Freiwillige Einblick in gesellschaftliche und so- Voraussetzungen, ihre Lernerfah- sen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Rahmen geschaffen, der konkrete ziale Zusammenhänge und Entscheidungsprozesse erhalten und die Mög- rungen zu reflektieren und im Sinne wurden 125 Einsatzstellen für frei- Qualitätskriterien für die praktische lichkeit zur konkreten Mitgestaltung besteht, indem sie angeregt werden, produktiver Lebensbewältigung und williges Engagement Jugendlicher in Umsetzung beinhaltet und an den sich für andere Menschen und bürgerschaftliche Belange zu engagieren. Lebenskunst in der eigenen Biogra- der Kultur geschaffen. Damit wurde Qualitätsdimensionen Struktur-, fie zu verankern. Die Freiwilligen er- erstmalig ein gesetzlicher Freiwilli- Prozess- und Ergebnisqualität ori- berufsorientierend und -qualifizierend, weil junge Menschen den kulturellen halten einen Einblick in gesell- gendienst im kulturellen Bereich entiert ist. In einem dialogischen Bereich kennen lernen, ihre Stärken erkennen, Schlüsselkompetenzen ent- schaftliche Zusammenhänge und möglich. Verfahren entstanden Standards für wickeln (Selbst-, Methoden-, Sozialkompetenz) und sich Fähigkeiten, Fertig- Entscheidungsprozesse und haben Auch das Bundesministerium für die Einsatzstellen, für die Träger keiten, Kenntnissen aneignen. die Möglichkeit zur konkreten Mit- Familie, Senioren, Frauen und Ju- (LKJs) und für die Seminararbeit, gestaltung, indem sie angeregt wer- gend (BMFSFJ) entschied sich für welche die Qualität im FSJ Kultur ge- nachhaltig und zukunftsorientiert, weil Erfahrenes und Erlerntes reflektiert den, sich für andere Menschen und das Experiment, das FSJ Kultur in ei- währleisten sollen. Die extern mo- und im Sinne produktiver Lebensbewältigung und Lebenskunst in der Biogra- bürgerschaftliche Belange zu enga- nem Bundesmodellvorhaben zu derierten Qualitätsdiskussionen fie der Jugendlichen verankert wird. gieren. Durch die Auflage, im Rah- prüfen. Es unterstützte die Initiative und die breite Diskussion um bür- PORTRÄT/WERT DER KREATIVITÄT politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 30

Der Dokumentarwütige Andres Veiel: Filmemacher • Von Andreas Kolb

„Ein Film macht die Welt nicht bes- nisation gibt. Nach dem 11. Septem- sucht neue Informationen über die ser, setzt aber in gewisser Hinsicht ber war „BLACK BOX BRD“ gerade in Täter und deren Motivation. Er stellt Sauerstoff im Hirn frei, eröffnet neue Amerika ein große Provokation. Bei das Klischee „gewalttätiger Skin- Aspekte, verändert die Welt“. Diese einer Vorführung in New York, so er- head - unschuldiges Opfer“ in Frage. Idee vom Filmemachen begleitet An- zählt Veiel, rief etwa ein Zuschauer Schließlich wurde der Junge nicht dres Veiel, seit er zum ersten Mal ei- „A killer is a killer, fullstop“. Der Vor- das Opfer anonymer Gewalttäter, ne Kamera in die Hand nahm. wurf lautete, der Film würde stark sondern das von Dorfkumpels: Jeder versuchen, Motive zu erklären, man kannte jeden. ie ersten Videoversuche waren müsste einfach einen Mörder als Veiels Weg zum Filmemachen D1982/83: Veiel machte zusam- Mörder stehen lassen. Doch auch die war kein direkter: Der Vater war An- men mit Klaus Gergs einen Film Seite von Wolfgang Grams stieß sich walt und Notar in Stuttgart und hat- über eine Blockade eines Atomwaf- an dem Film. Ihr war der Kapitalist te seinem Sohn schon den roten fenlagers im baden-württembergi- zu menschlich, zu positiv dargestellt. Teppich ausgerollt: Es sollte die vä- schen Großengstingen und ein Jahr So setzt sich Veiel mit seinen Pro- terliche Kanzlei übernehmen. Die später im nicht weit entfernten Mut- jekten gerne zwischen alle Stühle: In künstlerische Neugierde kam eher langen, wo die Teilnahme verschie- seinem ersten Spielfilm „Vesper, von der Mutter, die, bevor sie einen dener Prominenter der Blockade Ensslin, Baader“, der 2007 ins Kino bürgerlichen Beruf erlernte, Ambi- bundesweite Öffentlichkeit ver- kommen wird, verfolgt er die Ver- tionen zur Schauspielerei hatte. „Es schafft hatten. Mit dem fertigen bindungslinien zwischen RAF-Pro- gab kein Lernen am Modell, es gab Film zogen Gergs und er über die tagonisten und der nationalsozialis- kein künstlerisches Vorbild“, so Dörfer, bauten in schwäbischen tischen Vätergeneration. Er spürt spricht der diplomierte Psychologe Dorfgasthäusern einen Monitor auf, nicht nur Trennendes, sondern im Veiel über sich selbst. Denn zu- um am Abend ihren Dokumentar- Gegenteil Verwandtes auf: Etwa in nächst begann er ein Psychologie- film vorzuführen einer Kontinuität des Soldatischen studium in Berlin. Parallel zum Stu- Regisseur Andres Veiel: „Ich möchte Menschgen in eine Situation bringen, in der sie „Da sind großartige Debatten oder auch im Antisemitismus der dium trat der Film in Veiels Leben. sich zeigen können.“ Foto: Agentur Brandner entstanden zwischen Friedens- Linken. „Da sind die Biografien von 1984 bis 1987 besuchte er Regiese- kämpfern und der örtlichen Polizei, Bernhard Vesper , aber auch Gudrun minare bei dem polnischen Regis- werde ich nie einen Film machen“. in Berlin, dann zu Beginn ihrer Kar- die dort räumte.“ Heftige Debatten Ensslin sehr gut geeignet. Wir gehen seur Krzysztof Kieslowski: „Das war Diese Krise ist lange überwun- riere. Ein Dokumentarfilm, der den und Polarisierungen lösen seine Fil- in die Vorgeschichte rein, in die Ur- sehr prägend für mich - nicht immer den, fünf Dokumentarfilme hat Veiel Zuseher auf eine leise, aber be- me heute noch aus. Sein Film szenen des deutschen Terrorismus, einfach, weil er sehr fordernd war, er inzwischen gemacht, bis auf einen, stimmte Weise hineinzieht in das „BLACK BOX BRD“ (2001), in dem wie es Gerd Koenen genannt hat.“ wollte aus uns, wir waren eine kleine der nur nominiert wurde, erhielten Leben dieser jungen Künstler. Ein Veiel die Lebenslinien des Deutsche Ein geplantes Theaterprojekt Gruppe von fünf bis sieben Leuten, alle den Deutschen Filmpreis und Film, der nicht nur frischen Sauer- Bank Chefs Alfred Herrhausen und „Der Kick“ zusammen mit der Auto- kleine Kieslowskis machen.“ andere Auszeichnungen. Vor weni- stoff in das Denken des Zuschauers des gesuchten Terroristen Wolfgang rin Mascha Kurtz handelt vom Tod Dennoch sei Kieslowski mit Ab- gen Monaten lief Veiels neuester bringt, sondern der auch – das ist Grams parallel nachzeichnet, ist des Jungen Marinus in einem Dorf stand sein wichtigster und einzigster Film auf der Berlinale und dann in wieder typisch Veiel - das Leben sei- weltweit diskutiert worden: egal ob in der Uckermark, der von Skin- Mentor gewesen: „Er hat mich drei den Kinos: „Die Spielwütigen“. Sie- ner Protagonisten und ihrer Umwelt in Italien im Zusammenhang mit heads gequält und ermordet wurde. Jahre intensivst geprägt, das musste ben Jahre begleitete Veiel mit der Ka- nachhaltig beeinflusst hat. Am Ende den Brigate rosse, in Frankeich mit Typisch für Veiel: Seine Neugier gibt dann zum Bruch führen.“ Veiel durch- mera mehrere junge Schauspieler - des Films glaubt der Zuschauer, er der action directe, in Spanien mit der sich nicht mit den Stereotypen Ar- lebte „eine Art Filmpubertät“, er litt während ihrer Aufnahmeprüfungen, sei – gemeinsam mit den jungen Ak- ETA oder in Griechenland, wo es beitslosigkeit, Alkoholismus, rechte unter dem Eindruck „wenn ich weiter während des Studiums an der Hoch- teuren – erwachsener geworden. ■ noch immer eine aktive Terrororga- Szene und so weiter zufrieden. Veiel so in seinem Schatten stehe, dann schule für Schauspiel „Ernst Busch“

Schon im alten Rom war früher alles besser Die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Schriftstellern in der römischen Antike • Von Jens Leberl

Die Zugehörigkeit zum Maece- und langfristige Unterstützung des den konnten. Texte von Martial stammten, oder naskreis brachte Ruhm und Ver- Maecenas als der Idealzustand. Das brachte die Autoren in eine aber Martial dafür zu bezahlen, pflichtungen gleichermaßen mit Denn spätere Dichtergenerationen schwierige Lage. Zwar gab es auch wenn er sie als seine eigenen ausge- sich. Vergil war in Rom ein „Star“; haben in ihren Texten immer wieder private Förderung von Kunst und ben wolle. Das war seine hilflose Art wenn er das Theater besuchte, ap- ihrer Sehnsucht nach einem „neuen Kultur. Der Senator Plinius finan- der Reaktion, denn rechtlich war ge- plaudierte spontan das übrige Pub- Maecenas“ Ausdruck verliehen und zierte dem Epigrammatiker Martial gen den Klau von geistigem Eigen- likum. Dafür wurde – Fördern und damit die vermeintlich glorreichen einen Umzug nach Spanien, wofür tum kein Kraut gewachsen. Fordern – von Augustus und Maece- alten Zeiten verherrlicht. Ihre wirt- der ihn in seinen Gedichten rühmte. Trotzdem war die Publikation Aber die öffentliche Künstlerförde- von Büchern für die Autoren nicht rung war doch die wichtigere, schon unwichtig. Dadurch konnten sie ih- Künstlerförderung, öffentlich oder allein, weil sich Konkurrenz zum ren Bekanntheitsgrad steigern und privat, die eigene wirtschaftliche und Kaiser von selbst verbot. Kein Privat- wohlhabende Patrone oder den Kai- soziale Lage, Schutz der Kreativität mann durfte auch nur den Anschein ser auf sich aufmerksam machen. durch das Urheberrecht, öffentliche erwecken, den Kaiser in Sachen Li- Neben dem materiellen zählte Anerkennung des eigenen Werks – teraturpatronage zu übertreffen. auch der ideelle Aspekt. Protegé ei- sind das immer schon die Fragen ge- Eigene Einnahmequellen konn- nes prominenten Patrons oder gar wesen, die die Künstler umtrieben? ten sich die Autoren nicht leicht er- des Kaisers zu sein bedeutete für die Bislang hat politik und kultur in der schließen, denn mit Büchern ließ Autoren zusätzliches Renommee. In Reihe „Wert der Kreativität“ lebende sich offenbar nicht viel Geld verdie- dieser Hinsicht hatten es die Schrift- Künstler zu ihrem Schaffensprozess nen. Ende des 1. Jahrhunderts n.Chr. steller besser als zum Beispiel die und ihren Arbeitsbedingungen inter- begann eine Blüte des Buchhandels Bildhauer oder Architekten: Ihnen viewt. Wie erging es den Kreativen "Antike Silbermünze (/Denarius/) des Kaisers Domitian, 94-96 n.Chr. Sie zeigt in der damals bekannten Welt. Die war der Ruhm ihrer kreativen Leis- aber zu anderen Zeiten? Zum Bei- Domitian selbst auf der Vorderseite und auf der Rückseite einen Tempel mit acht Zahl lesender Menschen war so hoch tung gewiss, bestenfalls teilten sie spiel im alten Rom: Zwar können wir Säulen. Die Aussage war für jeden Römer klar: Es besteht eine enge Verbindung wie nie in der Antike, aber sie blieb ihn mit dem Kaiser, wenn dieser in einen Vergil oder Ovid nicht mehr per- zwischen dem Kaiser und der Religion, der Kaiser ist fromm und pflegt die Kulte. So dennoch eine Minderheit. Auch da- den Texten gepriesen wurde. Der Ar- sönlich befragen, doch die überliefer- wollte er gesehen werden. mals schon waren alte Bücher be- chitekt des Kaisers Domitian, Rabi- ten Werke der Schriftsteller offenba- Bildautor: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Seminar für Alte Geschichte. sonders wertvoll: Der Autor Dion rius, der dessen prunkvollen Palast ren erstaunlich viel. von Prusa geißelt die betrügerischen auf dem Palatin in Rom errichtete nas für die Unterstützung natürlich schaftliche und soziale Lage brachte Praktiken gewisser Buchhändler, die (dessen Grundmauern man noch äzenatentum ist heutzutage, in auch eine Gegenleistung verlangt. In viele Autoren dazu, die Nähe des neue Ausgaben von Papyri in Mehl heute sehen kann), blieb dagegen MZeiten klammer öffentlicher den Texten von Vergil, Horaz oder kaiserlichen Hofes zu suchen, in der legen würden, damit diese alt aussä- immer im Schatten des Kaisers, weil Haushalte, in aller Munde. Allgemein Properz findet sich eine Reihe von Hoffnung auf finanzielle und ideelle hen und dem Händler größeren Pro- der im Ansehen der Untertanen die bekannt ist, dass sich der Begriff von eindeutigen oder versteckten, alle- Förderung durch die Nachfolger des fit einbrächten. Außerdem gab es gewaltige Palastanlage als Bauherr Maecenas, der rechten Hand des Kai- gorischen oder indirekten Bekennt- Augustus. erstmals unterschiedlich ausgestat- erst möglich gemacht hatte. Noch sers Augustus (27 v. – 14 n.Chr.), her- nissen zu dem neuen Kaisertum des Jedoch weder Nero (54-68 tete und damit verschieden teuere ärger erging es den Bildhauern von leitet, der einen Dichter- und Intel- Augustus. Auch Auftragswerke sind n.Chr.) noch Domitian (81-96) oder Buchausgaben. Das Aufkommen des Kaiserstatuen. Den Ruhm einer lektuellenkreis um sich versammelte uns überliefert, zum Beispiel das Hadrian (117-138) gedachten den Pergamentkodex trug dazu bei, dass kunstvollen Statue erntete allein der und dessen Mitglieder so großzügig Gedicht des Horaz zur Jahrhundert- Schriftstellern eine wichtige Rolle in man ein Buch nicht mehr als Rolle Kaiser; wenn eine Statue „schön“ unterstützte, dass diese sich um ihr feier Roms, die Augustus mit allem ihrer Herrschaftsdarstellung – heute (papyrus) lesen musste. war, dann aufgrund der Schönheit Auskommen nicht zu sorgen brauch- Pomp inszenierte. Dazu kamen die würden wir von Propaganda spre- Trotz all dieser Fortschritte: Der des Kaisers. ten. Maecenas betrieb diese Förde- gesellschaftlichen Pflichten: Horaz chen, allerdings fehlte die Verfüg- Verkauf von Büchern war für die Au- rung von Kunst und Kultur als Privat- klagt mehrfach darüber, dass er im- barkeit der Massenmedien – zu. Sie toren nicht einträglich, auch weil es Der Verfasser ist wissenschaftlicher mann, de facto wurde sie durch seine merzu Gewehr bei Fuß zu stehen nutzten eher andere Propaganda- kein Urheberrecht gab. Wiederholt Mitarbeiter der Enquete-Kommission enge Nähe und Abstimmung mit Au- hatte, wenn sein Patron Maecenas Instrumente, zum Beispiel Pracht- wettert Martial gegen Plagiatoren. „Kultur in Deutschland“. Er hat eine gustus aber als kaiserliche Kulturför- ihn zu einer Abendeinladung in sei- bauten, „Brot und Spiele“ sowie So fordert er den notorischen Pla- Dissertation zum Thema „Domitian derung angesehen. Die Bedeutung nem Haus bestellte. Münzen, mit denen eindeutigere giator Fidentinus, der Martials Epi- und die Dichter. Poesie als Medium des Begriffs Mäzen hat sich also über Dennoch galt unter den römi- Aussagen gegenüber dem Heer und gramme in Rom rezitierte, auf, ent- der Herrschaftsdarstellung“ (Göttin- die Jahrhunderte verschoben. schen Schriftstellern die großzügige dem einfachen Volk getroffen wer- weder bekannt zu machen, dass die gen 2004) geschrieben ■ AUS DEM BUNDESTAG politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 31

Bundestagsdrucksachen

m Folgenden wird auf Bundes- Erste Beratung des von den Abge- Itagsdrucksachen mit kulturpoliti- ordneten der Fraktion der scher Relevanz hingewiesen. Be- CDU/CSU eingebrachten Entwurfs rücksichtigt werden Kleine und Gro- eines Gesetzes zur Modernisierung ße Anfragen, Anträge, Entschlie- der dualen Berufsausbildung in ßungsanträge, Beschlussvorlagen, Deutschland durch Novellierung Schriftliche Fragen, Mündliche Fra- des Berufsbildungsrechts gen sowie Bundestagsprotokolle. Al- (Drucksache 15/2821) le Drucksachen können unter fol- in Verbindung mit gender Adresse aus dem Internet Zusatztagesordnungspunkt 6: heruntergeladen werden: Erste Beratung des von den Abge- http://dip/bundestag.de/par- ordneten der Fraktion der FDP ein- fors/parfors.htm. gebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Reform des Berufsausbil- Berücksichtigt werden Drucksachen dungsrechts zu folgenden Themen: (Drucksache 15/3325) Redner: Dr. Maria Böhmer (CDU/ • Auswärtige Kulturpolitik, CSU), , Bundes- • Bildung, ministerin BMBF, Jörg Tauss (SPD), • Bürgerschaftliches Engagement, (CDU, CSU), Chris- • Daseinsvorsorge, toph Hartmann (Homburg) (FDP), • Erinnern und Gedenken, Grietje Bettin (BÜNDNIS 90/DIE • Europa, GRÜNEN), (CDU/ • Informationsgesellschaft, CSU), Hans-Werner Bertl (SPD), Ale- • Internationale Abkommen mit xander Dobrindt (CDU/CSU), Petra kultureller Relevanz, Deutscher Bundestag im Reichstagsgebäude Fotonachweis: Deutscher Bundestag Pau (fraktionslos), (SPD), • Kulturelle Bildung, Werner Lensing (CDU/CSU) • Kulturfinanzierung, Antrag der Abgeordneten der Frakti- Zielsetzungen im Bereich „Die Ju- des Ausschusses für Kultur und Me- • Kulturförderung nach § 96 Bun- on der CDU/CSU gend besser verstehen und mehr dien (21. Ausschuss) Tagesordnungspunkt 8: desvertriebenengesetz, Elternhaus, Bildung und Betreuung über sie erfahren“ gemäß der Ent- zu dem Antrag der Abgeordneten 10398 A – 10403 B • Kulturpolitik allgemein, verzahnen schließung des Rates vom 27. Juni der Fraktion der FDP Antrag der Fraktionen der SPD, der • Kulturwirtschaft, 2002 zu dem Rahmen für die ju- -Drucksache 15/1009- CDU, des BÜNDNISSES 90/DIE • Künstlersozialversicherungsge- Drucksache 15/3601 (14.07.2004) gendpolitische Zusammenarbeit in Schutz vor illegalen und jugendge- GRÜNEN und der FDP: Evaluierung setz, Kleine Anfrage der Abgeordneten Europa fährdeten Internetinhalten – Filtern des Deutsch- Französischen Ju- • Medien, der Fraktion der FDP KOM (2004)336 endg.; Ratsdok. statt Sperren gendwerkes • Soziale Sicherung Ganztagsschulprogramm der Bun- 9183/04 (Drucksache 15/3326) • Steuerrecht mit kultureller Relevanz, desregierung Soziale Sicherung Redner: Monika Griefahn (SPD), Dr. • Stiftungsrecht, 2.68 Grünbuch zu öffentlich-priva- (CDU/CSU), • Urheberrecht. Bürgerschaftliches ten Partnerschaften und den Ge- Drucksache 15/3241 (27.05.2004) Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE Engagement meinschaftlichen Rechtsvorschrif- Antwort der Bundesregierung auf GRÜNEN), (FDP), Auswärtige Kulturpolitik ten für öffentliche Aufträge und die kleine Anfrage der Abgeordneten (SPD), Thomas Drucksache 15/3439 (29.06.2004) Konzessionen der Fraktion der CDU/CSU Dörflinger (CDU/CSU) Drucksache 15/3244 (27.05.2004) Gesetzentwurf der Fraktionen SPD KOM (2004) 327 endg.; Ratsdok. - Drucksache 15/3121 - Beschlussempfehlung und Bericht und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9206/04 Reform der Pflegeversicherung Thema Kulturpolitik des Ausschusses für Kultur und Me- Entwurf eines Gesetzes zur Verbes- dien (21. Ausschuss) serung des unfallversicherungs- Internationale Abkommen Steuerrecht mit kultureller Plenarprotokoll 15/114 (17. Juni a) zu dem Antrag der Abgeordneten rechtlichen Schutzes bürgerschaft- mit kultureller Relevanz Relevanz 2004) der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE lich Engagierter und weiterer Per- Tagesordnungspunkt 15: GRÜNEN sonen Drucksache 15/3222 (26.05.2004) Drucksache 15/3243 (26.05.2004) 10443 B - Drucksache 15/2659- Beschlussempfehlung und Bericht Kleine Anfrage der Abgeordneten Unterrichtung durch die Bundesre- Auswärtige Kulturpolitik stärken Europa des Ausschusses für Wirtschaft und der Fraktion der FDP gierung: b) zu dem Antrag der Abgeordneten Arbeit (9. Ausschuss) Ermäßigter Umsatzsteuersatz Zweiter Bericht der Bundesrepublik der Fraktion der CDU/CSU Drucksache 15/3208 (26.05.2004) a) zu dem Antrag der Abgeordneten Deutschland gemäß Art. 15 Abs. 1 - Drucksache 15/2647- Antrag der Fraktionen SPD und der Fraktion der CDU/CSU Drucksache 15/3339 (16.06.2004) der Europäischen Charta der Regio- Auswärtige Kultur- und Bildungs- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 15/1567 – Beschlussempfehlung und Bericht nal- oder Minderheitensprachen politik stärken Die Europäische Verfassung be- Doha-Verhandlungen nach dem des Finanzausschusses (7. Aus- (Drucksache 15/3200) schließen – der erweiterten Union Scheitern von Cancun konstruktiv schuss) in Verbindung mit Drucksache 15/3278 (10.06.2004) ein solides Fundament für die Zu- und zügig voranbringen zu dem Gesetzentwurf des Bundes- Zusatztagesordnungspunkt 11 Gesetzentwurf der Bundesregierung kunft geben b) zu dem Antrag der Abgeordneten rates 10443 C – 10453 C Entwurf eines Gesetzes zur Ände- der Fraktion der FDP - Drucksache 15/904 – Antrag der Fraktionen der SPD und rung des Deutsche-Welle-Gesetzes Drucksache 15/3291 (09.06.2004) -Drucksache 5/1931- Entwurf eines Gesetzes zur Ände- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Unterrichtung durch die Bundesre- Doha-Runde bis 2005 zum Erfolg rung der Abgabenordnung Förderung von Regional- und Min- Bildung gierung führen – mehr Entwicklung, Ar- derheitensprachen in Deutschland Bericht der Bundesregierung über mutsbekämpfung und Wohlstand Drucksache 15/3380 (17.06.2004) (Drucksache 15/3328) - Drucksache 15/2820 - die Tätigkeit des Europarates für durch Freihandel Antwort der Bundesregierung auf Redner: Jochen Welt, Beauftragter Entwurf eines Gesetzes zur Siche- die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni die Kleine Anfrage der Fraktion der der Bundesregierung für Aussiedler- rung und Förderung des Fachkräf- 2003 Kulturpolitik allgemein FDP fragen und nationale Minderheiten, tenachwuchses und der Berufsaus- - Drucksache 15/3243 - Wolfgang Börnsen (Bönstrup) bildungschancen der jungen Gene- Drucksache 15/3292 (09.06.2004) Drucksache 15/3315 (15.06.2004) Ermäßigter Umsatzsteuersatz (CDU/CSU), Rainder Steenblock ration (Berufsausbildungssiche- Unterrichtung durch die Bundesre- Antrag der Abgeordneten der Frakti- (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Jür- rungsgesetz –BerASichG) gierung on der CDU/CSU Bundestagsdebatten gen Koppelin (FDP), Dr. Gesine 2. zu dem Antrag der Abgeordneten Bericht der Bundesregierung über Abriss des „Palastes der Republik“ Lötzsch (fraktionslos), Karin Evers- der Fraktion der FDP die Tätigkeit des Europarates für nicht verzögern Meyer (SPD), - Drucksache 15/2833 - die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember Thema (CDU/CSU), Henry Nitzsche Ausbildungsplatzabgabe verhin- 2003 Drucksache 15/3328 (16.06.2004) Auswärtige Kulturpolitik (CDU/CSU) dern - Wirtschaft nicht weiter belas- Antrag der Fraktionen SPD und ten - Berufsausbildung stärken Drucksache 15/3403 (18.06.2004) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Plenarprotokoll 15/114 (17. Juni Tagesordnungspunkt 17: Drucksache 15/3325 (16.06.2004) Unterrichtung über die gemäß §93 Förderung von Regional- und Min- 2004) 10455 C – 10463 D Gesetzentwurf der Geschäftsordnung an dies Aus- derheitensprachen in Deutschland 10418 A – 10423 A Antrag der Abgeordneten der Frakti- der Abgeordneten der Fraktion der schüsse überwiesenen Vorlagen Tagesordnungspunkt 11: on der CDU/CSU: Förderung von FDP (Eingangszeitraum 26. Mai bis 15. Drucksache 15/3363 (15.06.2004) Erste Beratung des von der Bundes- Gedenkstätten zur Diktaturge- Entwurf eines Gesetzes zur Reform Juni 2004) Kleine Anfrage der Abgeordneten regierung eingebrachten Entwurfs schichte in Deutschland – Gesamt- des Berufsausbildungsrechts 2. Überweisung von EU-Vorlagen der CDU/CSU eines Gesetzes zur Änderung des konzept für ein würdiges Gedenken gemäß §93 Abs. 1 GO Projektförderung im Rahmen der Deutsche-Welle-Gesetzes aller Opfer der beiden deutschen Drucksache 15/3326 (16.06.2004) 2.1. Mitteilung der Kommission an Gedenkstättenförderung des Bundes (Drucksache 15/3278) Diktaturen Antrag der Fraktionen SPD, den Rat, das Europäische Parla- Redner: Dr. Christina Weiss, Staats- (Drucksache 15/3048) CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ment und den Europäischen Wirt- Drucksache 15/3562 (05.07.2004) ministerin BK, Bernd Neumann Redner: Günter Nooke (CDU/CSU), NEN und FDP schafts- und Sozialausschuss Antwort der Bundesregierung auf (Bremen) (CDU/CSU), Monika Grie- Dr. Christina Weiss, Staatsministerin Evaluierung des Deutsch-Französi- Die Wahrnehmung von Urheber- die Kleine Anfrage der Abgeordne- fahn (SPD), Hans-Joachim Otto BK, Hans-Joachim Otto (Frankfurt) schen Jugendwerkes rechten und verwandten Schutz- ten der Fraktion der CDU/CSU (Frankfurt) (FDP), Dr. (FDP), (Augsburg) rechten im Binnenmarkt - Drucksache 15/3365- (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Wolf- Drucksache 15/3356 (16.06.2004) KOM (2004) 261 endg.; Ratsdok. Liegenschaften in der Bundesstadt gang Bosbach (CDU/CSU), Dr. Gesi- Antrag der Abgeordneten der Frakti- 8628/04 Bonn Thema Bildung ne Lötzsch (fraktionslos), Angelika on der FDP 2.64 Mitteilung der Kommission an Krüger-Leißner (SPD) ■ Bildungsarmut in Deutschland den Rat Medien Plenarprotokoll 15/114 (17. Juni feststellen und bekämpfen Folgemaßnahmen zum Weißbuch 2004) „Neuer Schwung für die Jugend Eu- Drucksache 15/3409 (18.06.2004) 10344 D – 10360 C Drucksache 15/3488 (29.06.2004) ropas“ – Vorschlag für gemeinsame Beschlussempfehlung und Bericht Tagesordnungspunkt 4: DAS LETZTE politik und kultur • Sept. - Okt. 2004 • Seite 32

Zeichnung: Dieko Müller Kurz-Schluss Recht-Schreib-Krampf Impressum Seien Sie bloß vorsichtig: Sprache digten das Ende der „behördlich ver- kann verdammt gefährlich sein. Ge- ordneten Legasthenie“ und die hen Sie mal Montag nachmittags in Rückkehr ihrer Meinungsmacher- Halle oder Magdeburg auf die Straße. Flaggschiffe zur alten Rechtschrei- Mengen Sie sich unters reichlich vor- bung (nur Frankfurts Allgemeine Zeitung des Deutschen Kulturrats handene Volk. Greifen Sie sich eine Zeitung war davon nicht abgerückt). Flüstertüte und rezitieren Sie laut Das Chaos brach aus. Kreuz und das relativ unbekannte, im Grunde quer durch Parteien, besonders Deutscher Kulturrat völlig harmlose Hölderlin-Gedicht sprachbeflissene Berufsgruppen, Bundesgeschäftsstelle „Stark harzt der Baum, ruft nach Re- verantwortliche Ministerien, fla- Chausseestraße 103 form, ein göttlich Traum...“ – und wei- ckerten Strohfeuer auf, mit denen all 10115 Berlin ter werden Sie schon gar nicht kom- die alten sattsam bekannten Pro- Theo Geißler, Herausgeber der „neuen Tel: 030/24 72 80 14, Fax: 030/24 72 12 45 men. Wenn Sie Glück haben, wachen und Kontra-Argumente noch mal musikzeitung“ und „Jazzzeitung“ sowie Internet: www.kulturrat.de E-Mail:[email protected] Sie in der Intensivstation einer nahe- aufgewärmt wurden. Mitherausgeber der puk, Moderator gelegenen Chirurgie noch mal auf. Besonders hektisch agierten die der Radiomagazine „taktlos“ (BR/nmz) Statt in positivem Kontext heutzuta- ansonsten im Popularitäts-Wind- und „contrapunkt“ (BR) Herausgeber ge den Begriff „Reform“ zu benutzen, schatten ihrer Finanz- und Wirt- Foto: Barbara Haack Olaf Zimmermann und Theo Geißler hätten Sie auch gleich Ihren Cocktail- schaftskollegen dahindarbenden Shaker mit einem Literchen Nitrogly- Kulturmenschen in den Landespar- hoch: Er will den unerwarteten Rü- zerin füllen können. Ja, Worte können lamenten: Baden-Württembergs ckenwind nutzen, um dieses födera- Redaktion töten. Sie bergen jede Menge Kultusministerin Annette Schavan le Organ komplett zu versenken – Olaf Zimmermann (verantwortlich), Gabriele Schulz, Andreas Kolb Sprengstoff. Insofern ist pfleglichster (CDU) glaubt weiter an die Durch- wegen mentaler Lähmung. Solcher Umgang mit unserer Muttersprache setzung der Rechtschreibreform politischer Piratengeste stimmt – ge- sozusagen erste Bürgerpflicht. und attackiert in diesem Zusam- wissermaßen aus der Tiefe des Kom- Anzeigenredaktion menhang den nordrhein-westfäli- petenz-Leer-Raumes CDU-Vize Martina Wagner Tel: 0941/945 93 35, Fax 0941/945 93 50 or Fehlern schützen bekanntlich schen CDU-Landeschef Jürgen Christoph Böhr zu, während Bay- E-Mail: [email protected] Vam besten Fleiss, Genauigkeit – Rüttgers. Dieser hatte angekündigt, erns Stoiber händeringend nach ei- und strenge Regeln. Insofern han- die Reform im Falle eines Sieges der nem Kompromiss sucht und folglich delten unsere föderalen Kulturkom- CDU bei der NRW-Landtagswahl (wer zahlt, schafft an) die KMK für Verlag petenzträger in Ministerien und Bü- 2005 zurückzunehmen. Mitte Oktober zur Beschlussfassung ConBrio Verlagsgesellschaft mbH rokratien außerordentlich verant- Die Präsidentin der Kultusminis- einberief. Brunnstraße 23, 93053 Regensburg wortungsbewusst, als sie vor acht terkonferenz, Doris Ahnen (SPD), Eine Stimme darf in diesem ba- E-Mail: [email protected] Jahren in einem ziemlich wirren, kritisierte die geplante Rückkehr des bylonischen Chor nicht fehlen: aber demokratisch fundierten Spiegel-Verlags und der Axel Sprin- Deutschlands oberster Sprachwart Buchstaben- und Satzzeichen-Ge- ger AG zur alten Rechtschreibung. Günter Grass verlegte sich auf eine Layout fecht versuchten, unserem zwischen Die Entscheidung der Verlage führe defensive Variante des Krebsganges, Suppmann & Richter, Regensburg Modernismen, Traditionalismen «in hohem Maße zu Verunsicherung eine Art Echternacher Springprozes- und Anglizismen verschlampten gerade bei Kindern und Jugendli- sion, und fordert die Rückkehr zu Deutsch ein bisschen mehr Logik chen». Sie wies darauf hin, dass seit seiner eigenen, reinen Orthogra- Druck beizubiegen. 1998 rund 12,5 Millionen Schüler phie, vermutlich Copyright Masuren Der Neue Tag Druck- und Verlagshaus GmbH, Weiden Seither greifen die Regeln der weitgehend problemlos nach der 1929. Rechtschreibreform, lernen Kinder neuen Rechtschreibung lernten. Was Wunder, dass so langsam solches (und anderes) Neuschreib in Während der saarländische Bil- auch die Hobby-Germanisten unter Erscheinungsweise der Schule, haben Verlage eine Men- dungsminister Jürgen Schreier den Bundesbürgern rechtschreibe- 6 Ausgaben im Jahr ge Geld investiert, teils aber auch (CDU) die verbindliche Einführung risch aufwachen. In Niedersachsen kassiert, um dieses Regelwerk unters der neuen Rechtschreibung erst mal will eine Bürgerinitiative zur Volks- Volk zu bringen. Schwierig genug, aussetzen möchte, fordert seine hes- abstimmung gegen die Reform auf- Preis/Abonnement weil der Bildungseifer hierzulande sische Amtskollegin Karin Wolff rufen. Zum geistigen Fähnleinführer 3,00 Euro, im Abonnement 18,00 Euro im Jahr sich eher einer makro-optimierten (CDU) ihre bedingungslose Umset- schwingt sich gerade der bayerische Bedienung von Excel, Mediaplayer zung. Niedersachsens Bernd Buse- Studiendirektor Friedrich Denk auf. puk ist in Bahnhofsbuchhandlungen sowie an Flughäfen erhältlich. oder Powerpoint zuwendet denn mann (CDU) hält das Reformwerk Er gründete die Bewegung «Wir ge- dem korrekten Umgang mit der ei- für gescheitert - Ute Erdsiek-Rave, gen die Rechtschreibreform» und Diese und die vorherigen Ausgaben von politik und kultur kön- genen Sprache. Sätze wie: „Der Host Schleswig-Holstein (SPD) und Karin ließ sich dafür spontan in den Ruhe- nen als pdf-Datei aus dem Internet geladen werden unter: des Events, ein CEO aus dem Upper von Welck, Hamburg (parteilos), hal- stand versetzen. Solche Männer http://www.puk-online.net Management des Competitors, ten es für gelungen. In einer bunt be- braucht das Land. Fehlt noch die schlurfte in Sneakers und Ghandi- stückten Koalition der Befürworter Sprachschutzgruppe Hoffmann. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos überneh- Look herum“ – werden sich noch so- einer vorsichtigen Reform der Re- Denn aktuelle lyrisch-demokrati- men wir keine Haftung. Alle veröffentlichten Beiträge sind urheber- me time nicht dudenfest handeln form finden sich Monika Hohlmeier sche Blüten wie „Schröder, Fischer, rechtlich geschützt. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben lassen. (CSU), Brandenburgs Steffen Reiche Merkel – asoziale Ferkel“ wirken op- nicht unbedingt die Meinung des Deutschen Kulturrates e.V. wie- Kaum jedenfalls öffnete sich das (SPD) und Berlins Thomas Flierl tisch natürlich in der guten alten der. diesjährige nachrichtliche Sommer- (PDS) überraschend zusammen. Frakturschrift am überzeugendsten. loch mit den Parlamentsferien, stie- Zu einem Frontalangriff auf die Dank für diesen Lernprozess, Frank- ßen zwei – nur auf den ersten Blick ungeliebte Kultusministerkonferenz furter Allgemeine Zeitung. Beilagenhinweis: art cologne 2004, Carl Heymanns Verlag KG, unterschiedliche Medienkonzerne, (KMK) plantscht der besonders freie Lettre International Verlags-GmbH Spiegel und Springer – in den ver- Demokrat das Theo Geißler ■ meintlich freien Raum. Sie verkün- aufgewühlte Stimmungs-Meer