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WOLFGANG MARIA WEBER MARIA WOLFGANG „Dieses Sprühen und Funkeln“ Senta Berger und über Leidenschaft, gemeinsame Werte, Ehekräche und die Reaktion der Familie auf Bergers große Popularität

LANGE EHE SPIEGEL: Frau Berger, Herr Verhoeven, Sie sind seit SPIEGEL: Sie, Herr Verhoeven, waren schließlich so Michael Verhoeven und 41 Jahren verheiratet. Wie erklären Sie sich, dass Sie aufgebracht, dass Sie wutentbrannt den Wagen Ih- Senta Berger haben 1966 geschafft haben, woran so viele andere scheitern? rer späteren Frau verlassen haben. geheiratet. Unter ihren Verhoeven: Wenn wir das wüssten. Ich bin immer er- Berger: Durchs Fenster, weil die Tür in meinem alten Freunden und Verwandten staunt, dass es schon 41 Jahre sind. Für mich hat die Auto klemmte. Wir haben uns so furchtbar gestrit- sind sie mit ihrer langen Ehe Ehe mit der Senta etwas Selbstverständliches – nicht ten, dass es förmlich gesprüht hat. Und dass dieses ebenso eine Rarität wie im in dem Sinne, dass sie zur Gewohnheit geworden ist, Sprühen und Funkeln auch noch einen anderen Rest der Gesellschaft. Eine sondern dass sie zu meinem Leben gehört. Ich hät- Grund hatte, das war mir klar. Erklärung Senta Bergers te gern, dass die Zeit, die uns noch bleibt, viel lang- Verhoeven: Dir war das klar? dafür lautet: „Man muss samer vergeht. Berger: Ja. Und dann haben wir uns, ich glaube zwei, auch verliebt bleiben SPIEGEL: Wie hat es angefangen, war es Liebe auf den drei Jahre gar nicht gesehen. Ich habe aber immer wollen.“ ersten Blick? bei unserer gemeinsamen Agentin nachgefragt: Berger: Ja. „Und was macht eigentlich der junge Verhoeven Verhoeven: Aber der erste Blick war der zweite, denn so?“ Ich war interessiert, obwohl ich mittlerweile wir kannten uns ja schon von früher, von diesen gebunden war an einen anderen jungen Mann, und Berlinale-Festen. Unsere Bekanntschaft begann mit der Michael war auch gebunden. Dann haben wir einem fulminanten Streit um Fellinis Film „Acht- uns wieder gesehen am Set, und ich war sehr ange- einhalb“. Es ging darum, wie gut oder nicht gut wir zogen von diesem Mann, der überhaupt nicht mein den Film fanden. Ich mochte ihn sehr, Senta konn- Typ war. „Es gelingt mir te nichts mit ihm anfangen. Verhoeven: Du warst schon mein Typ. nicht immer, Berger: Ich war sehr „gescheitig“ damals, würde ich Berger: Er hat mich sehr beschäftigt. sagen, ein Wort, das ich mir ausgedacht habe für die- SPIEGEL: Was hat Sie angezogen? Die Eigenständig- mich so zu se Phase, durch die ich damals gegangen bin. Ich keit? kam aus Österreich und hatte eigentlich recht wenig Berger: Das hat mich beeindruckt. Es hat mir impo- entwickeln, wie Ahnung, hatte sehr viel Theater gespielt bis dahin, niert, dass da ein junger Mann ist, der ganz genau aber kaum Filme gemacht. Aber ich hatte eine sehr weiß, was er will, in welche Richtung er geht, der al- die Senta das dezidierte Meinung zu allem. les dafür macht. Ich wusste bereits aus den Erzäh- gern hätte.“ lungen, dass er sich mit seiner Familie fast über- Das Gespräch führten die Redakteure Karen Andresen und Joachim worfen hatte wegen dieses Medizinstudiums, das Michael Verhoeven Kronsbein. er ganz allein finanzierte. Da war diese Ziel-

18 spiegel special 4 | 2007 I. FAMILIE – EINE BESTANDSAUFNAHME strebigkeit, gepaart mit so viel Spielerischem, was Berger: Er findet nichts. der Michael einfach immer hatte und auch heute Verhoeven: Um diese kleine Komödie fortzusetzen, noch hat. Da war diese Erwartung ans Leben und ich finde unter anderem deshalb nichts wieder, weil diese selbstverständliche Gewissheit, das Glück zu meine Frau manchmal aufräumt. Ich bin wirklich finden. Das alles habe ich ganz stark bei ihm gespürt. sehr chaotisch veranlagt, weil ich auch sehr vieles Und er war natürlich – das ist er heute immer noch immer gleichzeitig mache, und dann ist das, was vor – unglaublich charmant und witzig, im Sinne von mir liegt, nicht wichtig, und ich schiebe es weg. Die geistreich. Senta entsorgt alles sofort, was sie nicht mehr Verhoeven: Jetzt setzt du mich unter Druck. braucht: habe ich gelesen, zack, weg. Das bewun- Berger: Nein, das ist ja das Peinliche an so einem Ge- dere ich, und gleichzeitig finde ich das furchtbar. spräch, in dem man zu erklären versucht, woraus sich Berger: Diese Rolle habe ich mir natürlich erobert. diese große Wirkung zusammensetzt, die dieser Mann Solche Verhaltensweisen entstehen in ganz kurzer auf mich hat und hatte. Es ist halt nie langweilig mit Zeit. Schon in den ersten fünf Jahren unserer Ehe ihm, ganz im Gegenteil, es ist anstrengend mit ihm. wurde das angelegt. SPIEGEL: Gehört Streit dazu? SPIEGEL: Schon in fünf Jahren – da haben die meisten Berger: Ja, auch, natürlich. Was ist überhaupt ein ihre Ehe bereits beendet. Streit? Ist ein Streit, wenn man sagt: „Du Arsch- Verhoeven: Wir sind eben nicht miteinander fertig. loch!“? Das gibt es bei uns nicht. Da bin ich immer Berger: Das sind Kleinigkeiten. Ich glaube nicht, erstaunt, wenn bei lang verheirateten Paaren Kräche dass ein Zusammenleben an diesen Dingen hängt so ausarten. Das wäre bei uns vollkommen un- oder dass sie eine Liebe verhindern. denkbar. SPIEGEL: Aber es fängt wahrscheinlich schon damit Verhoeven: Ich muss mir solche Ausdrücke auch gar an, wie man lernt, einander zu akzeptieren. VERLIEBT IN PARIS nicht verbeißen, weil ich sie gar nicht sagen will. Berger: Ich glaube, wir sind beide sehr fair. Nicht nur Die Hochzeitsreise geht Aber selbstverständlich streiten wir uns. Es kann uns gegenüber, auch den Kindern oder unserer Fa- 1966 nach Paris. Senta doch auch gar nicht sein und wäre wahrscheinlich milie gegenüber. Ich fordere das auch ein. Und ich Berger ist damals 25 Jahre furchtbar, wenn wir immer das Gleiche dächten. erwarte Solidarität, manchmal auch dann, wenn ich alt, Michael Verhoeven drei Manches muss man ausstreiten, und das tun wir bis sie nicht erwarten kann. Denn eine Frau, die zwei Jahre älter. Zwei Jahre zuvor zu einem gewissen Grad erfolgreich. Einiges bleibt Söhne hat und einen Mann, ist in einer besonderen hatten sich die beiden in folgenlos, obgleich ich mir Mühe gebe, mich so zu Situation, was Solidarität innerhalb der Familie München verlobt. entwickeln, wie die Senta das gern hätte, aber es ge- lingt einfach nicht immer, weil ich zu sehr ich bin. Und umgekehrt ist das auch so. Berger: Ich glaube, das ganze Zusammenleben spielt sich zwischen diesen beiden Polen ab, dem Realis- mus und der ständigen Erwartung, es werde sich noch etwas so verändern, wie man es sich erhofft. SPIEGEL: Mit Realismus meinen Sie, dass man den an- deren so akzeptiert, wie er ist? Berger: Ja, in dem Moment fällt das Zusammenleben viel, viel leichter. Aber natürlich rede ich dann viel mit mir selbst und sage: „Na ja, aber jetzt sag mal nichts.“ Mein Mann ist nämlich Chaot, wissen Sie. Das macht natürlich ein Zusammensein – mir zu- mindest – sehr schwer, denn ich habe so eine gewisse Ästhetik im Kopf. Verhoeven: Die habe ich auch. Im Kopf habe ich sie auch. Berger: Das war schon immer so, aber früher habe ich darüber gelacht. Als wir zusammengezogen sind, hatte der Michael ein Arbeitszimmer, da konnte man regelmäßig alle Vierteljahr die Türe nicht mehr aufbekommen. Er ist nicht nur Chaot, er ist auch Sammler. Sammler und Chaot. Verhoeven: Ist das hier jetzt ein Beschimpfungster- min? (beide lachen) Berger: Nein, aber vielleicht macht das jetzt größe- re Wirkung, wenn du es später gedruckt siehst. Natürlich schwanke ich immer zwischen „lass es, sei still, sag nichts, er hat ja auch wirklich viel zu tun. Es interessiert ihn nicht, sein Zimmer aufzuräumen, lass ihn, lass ihn“ und: „Aber wieso eigentlich? Ich wohne ja auch hier.“ Verhoeven: In meinem Zimmer wohnst du nicht. Berger: Ich möchte es einfach auch gern mal so haben, wie ich es sehe.

SPIEGEL: Aber Ihr Mann findet sich zurecht? BILD ULLSTEIN spiegel special 4 | 2007 19 I. FAMILIE – EINE BESTANDSAUFNAHME angeht. Gewisse Dinge werden von diesen drei ser, nicht – wie die fest- Männern gar nicht gesehen. Erst wenn sie von mir lich erotische Formel lau- darauf aufmerksam gemacht werden: „Würdest du tet – eins zu werden, bitte, könntest du mir mal …“, reagieren sie alle sondern zwei zu blei- drei mit ganz großer Liebenswürdigkeit: „Warum ben.“ Das bedarf natür- hast du das nicht gleich gesagt?“ Deshalb wird mei- lich auch der Klugheit, ne große Liebe zu Michael nicht weniger, sondern und wenn schon nicht ich wundere mich nur, dass ein Mann, der so ge- Klugheit, dann Intuition. scheit ist und so witzig ist, ein so guter Beobachter Verhoeven: Du meinst ist, dass der nicht sieht, was der Alltag von seiner jetzt aber nicht mein Frau fordert. Habe ich das gut gesagt, Michael? Zimmer? Verhoeven: Ich finde das hervorragend. Berger: Natürlich nicht, SPIEGEL: Aber es fällt offenbar auch nach 41 Jahren aber das fällt auch da Ehe manchmal schwer, mit den Macken der anderen hinein, dass es zwar zu umzugehen? einem Zank kommen Berger: Ja, aber man muss realistisch denken und kann, dass es aber letzt- sich sagen, dein Mann kann nicht alles erfüllen. Ich endlich nichts wirklich glaube, man muss als erwachsener Mensch wissen, Trennendes ist. Es sieht dass man allein ist. Ich sage das ganz ohne ja in der Öffentlichkeit Schrecken. Es gehört auch zu einem Zusammenle- immer so aus: Das ist die ben, dass man das weiß und akzeptiert. Und es gibt starke Frau, und das ist auch Einsamkeit in einem Zusammenleben. Man VIRGINIA SCHMIDT der sensible Künstler. kann nicht erwarten, dass der andere dich immer ans GLÜCKLICHE FAMILIE Aber in unserem Verhältnis ist es ganz bestimmt Herz zieht und versteht und Verständnis hat für al- Nach der Geburt der Söhne umgekehrt. Da ist er der Lebenskünstler, der immer les. Schnitzler hat gesagt: In den größten Momenten Simon und Luca flog Senta nach vorn geht, und der auch die Kraft hat, mich, des Glücks muss jeder erwachsene Mensch auch an Berger oft gleich nach der wenn ich mal ganz klein bin – und ich bin oft ganz den Tod denken. Tust du das nicht? Vorstellung wieder zurück klein –, mitzunehmen. Das ist sicherlich auch eine Verhoeven: Ich tue es nicht. nach München. Oder die Erklärung, warum ich mich mit ihm von Anfang an Berger: Ich tue es auch nicht. Er hat es auch sehr li- Familie reiste dorthin, wo so aufgehoben gefühlt habe. Und es immer noch terarisch gemeint, im „Einsamen Weg“ war das, Berger auf der Bühne tue. Obwohl man natürlich, wenn man dann älter glaube ich. Aber dieses Alleinsein, das muss man stand, wie etwa 1982 nach wird, nicht mehr so beschützt ist. einfach mitdenken. Salzburg. SPIEGEL: Für Sie beide war offenbar von vornherein SPIEGEL: Glauben Sie an den Satz, von den Ge- klar, selbst während der Jugendrevolte der sechziger gensätzen, die sich anziehen? Jahre, dass Sie heiraten und eine Familie gründen Berger: Die Frage stellt sich doch gar nicht. Ich mei- wollen? ne, das, was da passiert, diese Leidenschaft, die lässt Berger: Ja, aber Sie dürfen nicht vergessen, wir muss- sich doch gar nicht steuern, die lässt sich auch gar ten uns nicht positionieren. Ich fand die 68er Zeit nicht erklären. Wenn ich mich in unserem Freun- aufregend, aber auch ein bisschen kindisch. deskreis umschaue, da gibt es kaum Paare aus un- SPIEGEL: Inwiefern? serer Jugend, die noch zusammen sind. Ich bin die Berger: Diese „Revolution“ hatte sicherlich ihre Be- einzige verheiratete Frau unter all meinen Cousinen. rechtigung. Aber ich war dann doch überrascht, als SPIEGEL: Sind Sie stolz darauf? uns Paare in den siebziger Jahren gesagt haben: Berger: Ich denke nicht darüber nach. Man denkt ja „Wir sind ja auch verheiratet, aber wir wollen das nicht in diesen Kategorien. nicht zugeben.“ Das fand ich merkwürdig. Wir ha- Verhoeven: Wenn man sieht, wie früh offenbar die ben sogar noch etwas anderes vor unserer Hochzeit Menschen ihre Attraktivität für das andere Ge- „Ich bin eigent- gemacht: Wir haben uns verlobt. schlecht verlieren durch den Prozess, den man Al- Verhoeven: Ich hatte in Amerika eine Austauschstel- terung nennt, dann liegt vielleicht schon da der lich schon le als Medizinstudent in Worcester bei Boston. Wir Schlüssel für das Scheitern vieler Beziehungen. Ich waren erst ein gutes halbes Jahr zusammen, und da sehe natürlich diese Alterung, auch bei Senta, und mehr auf das habe ich sie mir sichern wollen und auf einer Ver- sie sieht sie bei mir, aber ich finde, es ist nicht ein lobung bestanden. Senta fand das albern und so Gran weniger an Attraktivität da. Ich habe nicht das konservative bürgerlich. Meine Eltern fanden es ganz toll. Gefühl, dass die Senta sich verändert hat. Ich bin SPIEGEL: Wie wichtig sind gemeinsame Werte in halt mitgewachsen. Rollenfach einer Ehe? Haben Sie sich über Kindererziehung Berger: Was du da sagst, dieses Mitgewachsene hat gestritten? noch eine viel nachhaltigere und tiefere Bedeutung. festgelegt Verhoeven: Darüber haben wir uns sehr gestritten. Man kann schon sagen, dass ich mit 23 Jahren sehr worden. Also Wir beide würden wahrscheinlich heute zu dem, jung war, als ich mich verlobt habe, und ich war 25, was wir damals vehement verfochten haben, nicht als wir geheiratet haben. Michael ist drei Jahre älter auf alles, was mehr stehen, weil wir inzwischen auch andere Er- als ich. Eigentlich waren wir noch Kinder, das wür- fahrungen gemacht haben. Bestimmte Dinge haben de ich heute so sehen. Es war aber dieses unbeding- so mit Haushalt wir nicht geschafft, auch weil wir sie nicht richtig gut te Vertrauen von Anfang an da. Und das war natür- durchdacht oder vielleicht nicht den Konsens ge- lich ein wechselseitiges, ein gegenseitiges Vertrauen. oder Garten funden haben. Zum Beispiel hätten wir unsere bei- Dass wir sehr stark eigenständige Menschen gewor- den Söhne in eine Schule schicken müssen, in der sie den und geblieben sind, ist auch ein großes Glück. Al- zu tun hat.“ mit dem normalen Unterricht auch noch zusätzliche fred Polgar hat geschrieben: „In der Liebe ist es bes- Senta Berger Sprachen lernen, wie das heute möglich ist.

20 spiegel special 4 | 2007 SPIEGEL: Haben Sie eine Arbeitsteilung in Ihrer Ehe? Buhlschaft in Salzburg, len. Es ist zwar nicht schön, dass Michael in 41 Jah- Berger: Ja. Ich bin eigentlich schon mehr auf das schnelle Gerdi im TV ren nicht einmal mit mir Schuhe gekauft hat, aber konservative Rollenfach festgelegt worden. Also al- viel schöner ist es, dass er mir immer noch etwas les, was so mit Haushalt oder Garten zu tun hat. Senta Berger, geboren Liebes sagt. Das hält mich jung und ihn auch. SPIEGEL: Aber Sie haben doch weitergearbeitet, als 1941 in Wien, hat in über SPIEGEL: Und wie ist es mit der Eifersucht? die Kinder da waren. Wie haben Sie das geregelt? 100 Kinofilmen mit- Berger: Ich war furchtbar eifersüchtig und wäre es Berger: Da gab es zum Glück meine Mutter, die spä- gewirkt. Sie spielte an immer noch, würdest du mir Anlass geben. testens nach der Geburt meines zweiten Sohnes bei namhaften Theatern, so Verhoeven: Du warst doch eifersüchtig ohne jeden uns wohnte und die ganz selbstverständlich das wei- in Salzburg die Buhl- Anlass. termachte, was sie in ihrem ganzen Leben gemacht schaft in „Jedermann“. Berger: Das war ja das Schöne, sonst wäre es doch hat, nämlich sich um die Familie zu kümmern. Fernsehserien machten furchtbar. Nein, ich war schrecklich eifersüchtig, auf Außerdem kann man am Theater ab einer gewissen sie zum Publikumslieb- seine Vergangenheit. Ich habe dann gelernt, mich zu Position bitten, setzt mich nicht zu Weihnachten ein ling. Dabei arbeitete sie zügeln. Aber das ist keine schöne Eigenschaft. Und oder zu Ostern. – etwa als „schnelle dann ist es auch schwierig mit mir. Ich bin doch Verhoeven: Senta würde das selbst vielleicht nicht er- Gerdi“ – auch unter der ziemlich populär geworden. Wir haben uns ja ken- zählen, deshalb muss ich es sagen: Senta hat eine Regie ihres Mannes. nengelernt, da war ich noch nicht die Senta Berger. ganze Zeit in am Thalia-Theater gespielt, Michael Verhoeven, Aber die Bekanntheit ist eben mit der Zeit gewach- und das haben die Kinder zum Teil gar nicht mitge- 1938 in geboren, sen. Das ist manchmal eine Qual für ihn. kriegt. Sie ist nach der Probe gleich ins Flugzeug ge- studierte zunächst Me- Verhoeven: Ich fahre beispielsweise gern Bahn. Kaum stiegen … dizin, widmete sich aber sitze ich, habe ich schon mein Manuskript vor mir Berger: … oder nach der Vorstellung in den Schlaf- ab 1973 ganz dem Film. oder den Laptop. Niemand stört mich. Aber wenn wagen. Dann war ich morgens um sieben zu Hause, Zu seinen bekannten ich mit Senta reise, werden wir ständig beobachtet. habe ihnen Frühstück gemacht und sie in die Arbeiten gehören histo- Das kann ich nicht aushalten. Da denke ich, was Schule gebracht. Für die war ich die Mama, dass rische Filme wie „Die habe ich bloß? Flecken auf dem Hemd? Deshalb ich auch Schauspielerin bin, haben die lange gar Weiße Rose“ über die machen wir Zugreisen nicht mehr zusammen. nicht gewusst. Geschwister Scholl. SPIEGEL: Gibt es Rituale in Ihrer Ehe? Verhoeven: Jetzt musst du die Geschichte von Luca Berger: Ja, wenn das ein Ritual ist, dass wir unserer erzählen. Festtage gedenken. Dieses Ritual versuchen wir ein- Berger: Ach, die ist nicht so lustig. zuhalten, und das ist uns auch bis jetzt geglückt. Verhoeven: Doch, die ist typisch. Wir haben am Anfang unserer Ehe gesagt, wir Berger: Ich habe die Buhlschaft im „Jedermann“ in schenken uns nichts zum Hochzeitstag, aber wir Salzburg gespielt. Es war der letzte Tag, und ich ging versuchen ihn gemeinsam zu verbringen. Und mit mit der Familie noch vom Festpielhaus zum Dom- Ausnahme von einem einzigen Jahr, als ich Luca platz. Es waren viele Touristen da, die fotografiert noch stillte und Michael in Hamburg gedreht hat, haben. Dauernd hörte man meinen Namen. Mein waren wir jedes Jahr zusammen. Ich bin dann auch jüngerer Sohn Luca war damals noch ganz klein, angeflogen gekommen, für 16, 18, 20 Stunden und und dieses ständige Getuschel um uns herum irri- dann wieder zurück. Zu dem schönen Ritual gehört, tierte ihn. Plötzlich sagte er zu mir: „Mama, wer ist dass ich immer sage: „Erzähl mir bitte, wie das da- eigentlich diese blöde Senta Berger?“ mals war.“ Und dann erzählt mir der Michael: Es SPIEGEL: War Ihr Beruf, der doch angeblich so an- war ein mildes Herbstwetter als wir geheiratet ha- fällig für Anfechtungen ist, eine Bedrohung für Ihre ben, wir waren alle so gut aufgelegt, wir waren Ehe? glücklich … so in der Art. Man hat sich auch sonst Berger: Nein, er war eine große Klammer. Mein viel zu erzählen. Mann hat von Anfang an immer gewusst, was ich SPIEGEL: Für uns hört es sich so an, als hätten die vie- mache und mich immer sehr, sehr ermutigt. Er hat len räumlichen Trennungen Ihre Ehe eher beflügelt niemals versucht, mich zu unterdrücken. Ganz im als beeinträchtigt. Ist das so? Gegenteil, er hat mich von außen besser analysieren Berger: Manche Paare werden vom Alltag aufge- können, als ich das für mich selbst hätte tun können. fressen, das kann uns nicht passieren, weil wir kei- Verhoeven: Meinten Sie erotische Anfechtungen? nen Alltag haben. Wir werden von vielen anderen Das gibt es in jedem Beruf, ich bitte Sie. Ich war lan- Dingen aufgefressen, aber ganz bestimmt nicht vom ge Zeit in der Medizin, die Männer und Frauen da Alltag. Es geschieht so viel in unserem Leben. Eben haben auch eine Libido. Nee, da bin ich der Mei- Dinge, die man nur durch das Erzählen mitteilen nung, dass die Künstler falsch gesehen werden. Die und teilen kann. Das Verstummen von Paaren fällt sind überwiegend äußerst bürgerlich von ihrer Men- mir sehr oft auf, wenn die im Auto an der Kreuzung talität her. stehen, du schaust nach links, und du schaust nach Berger: Gut, wir waren natürlich oft getrennt, auch PRESS / STERN HINZ / PICTURE VOLKER rechts und denkst: „Leben die noch?“ Das ist bei uns über eine lange Zeit. Ich erinnere mich, wie du noch GENERATIONEN natürlich das genaue Gegenteil. Der eine fällt dem in München dein Staatsexamen gemacht hast, da wurde anderen ins Wort, weil er auch noch was berichten war ich zweieinhalb oder drei Monate in Israel. Wir 1972 geboren, Bruder Luca möchte. haben uns viel geschrieben. kam 1979 zur Welt. Beide Verhoeven: Dazu muss ich sagen, dass es manchmal Verhoeven: Ich bin auch nach Israel gekommen. sind im Filmgeschäft. Luca viel schöner ist, wenn ich bei irgendwelchen Ereig- Berger: Du hast mich mal vier Tage besucht. Aber spielte unter der Regie sei- nissen nicht dabei bin. Dann kann ich mich später wenn man sich dann nach so langer Zeit wiedersieht, nes Bruders in „Heut’ Nacht zurücklehnen, und die Senta erzählt mir. Das ist kann es schon sein, dass man sich entfremdet hat. geht was: 100 pro“. Simon toll. Das ist bei uns nicht geschehen. Wir haben uns eher war der Ottmar Walter in SPIEGEL: Frau Berger, Herr Verhoeven, wir danken neu entdeckt. Man muss auch verliebt bleiben wol- „Das Wunder von Bern“. Ihnen für dieses Gespräch. spiegel special 4 | 2007 21