Deutscher Drucksache 10/6584 10. Wahlperiode 27.11.86

Sachgebiet 1

Beschlußempfehlung und Bericht des 2. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes

zu dem Antrag der Fraktion der SPD — Drucksache 10/3906 (neu) —

Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und dem Ergänzungsantrag der Fraktion der SPD — Drucksache 10/4661 —

Beschlußempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen: Der Bericht des 2. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgeset- zes wird zur Kenntnis genommen.

Bonn, den 27. November 1986

Der 2. Untersuchungsausschuß

Jahn () Fellner Neuhausen Schäfer (Offenburg) Ströbele Vorsitzender Berichterstatter Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

Gliederung Seite

1. Abschnitt: Einsetzung und Gang des Verfahrens 12

A. Auftrag und Besetzung des 2. Untersuchungsausschusses 12

I. Einsetzungsbeschluß und Ergänzungsbeschluß 12

II. Mitglieder des 2. Untersuchungsausschusses 13

B. Vorgeschichte und Parallelverfahren 13

I. Vorgeschichte 13

II. Parallelverfahren 14

C. Ablauf des Untersuchungsverfahrens 14

I. Konstituierung 14

II. Beweisaufnahme 14

III. Berichtsfeststellung 14

2. Abschnitt: Gegenstand der Untersuchung und festgestellter Sachver halt 15

A. Das Bundesamt für Verfassungsschutz als Bundesoberbehörde im Bereich der Inneren Sicherheit - 15

I. Dienst- und Fachaufsicht des Bundesministeriums des Innern über das Bundesamt für Verfassungsschutz 15

1. Begriff und Inhalt der Dienst- und Fachaufsicht 15 a) Fachaufsicht 15 b) Dienstaufsicht 15 c) Instrumente der Dienst- und Fachaufsicht 15

2. Verständnis der Dienst- und Fachaufsicht vor dem Hintergrund der Aufgabenstruktur des Bundesamtes für Verfassungsschutz 15 a) Allgemeines 15 b) Vollzug des Gesetzes zu Artikel 10 GG 16 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

Seite

II. Organisation und Praxis der Zusammenarbeit zwischen Bundesmini- sterium des Innern und Bundesamt für Verfassungsschutz 16

1. Berichtswesen 16

2. Praxis der Zusammenarbeit 17 a) Sicherheitslagen im Bundesministerium des Innern, Nachrich tendienstliche Lagen im Kanzleramt 17 b) Jours-fixes 17 c) Das jederzeitige Vortragsrecht des Präsidenten des Bundesam- tes für Verfassungsschutz beim Bundesminister des Innern 18 d) Fachgespräche der Geheimschutzbeauftragten 18 e) Sonstige Kontakte 18 f) Zusätzliche Begegnungen 18 aa) Amtseinführung von Präsident Hellenbroich und Vizeprä- sident Dr. Pelny 18 bb) Besuch von Parlamentarischem Staatssekretär Spranger beim Bundesamt für Verfassungsschutz am 22. Oktober 1984 18 cc) Grundsteinlegung 19 dd) Unterredungen zwischen Bundesminister Dr. Zimmer- mann und Präsident Hellenbroich 19

B. Die dem Untersuchungsauftrag zugrundeliegenden Ereignisse im Be reich der Spionageabwehr 20

I. Personelle Entwicklungen und Zusammenhänge 20

1. Die Ernennung von Dr. Engelbert Rombach zum Leiter der Abtei- lung Spionageabwehr des Bundesamtes für Verfassungsschutz 21

2. Das Verhältnis von Präsident Hellenbroich zu Direktor Dr. Rom- bach 21

3. Die Ernennung von Dr. Holger Pfahls zum Präsidenten des Bun- desamtes für Verfassungsschutz 23

II. Der Fall Tiedge - 23

1. Der berufliche Werdegang 23

2. Persönliche Umstände 24

3. Die Entwicklung der Situation Tiedges 24 a) Die Einleitung der Wiederholungsüberprüfung 24 b) Die Bedenken des neuen Abteilungsleiters gegen Tiedge 25 c) Sicherheitsrelevante Ereignisse 26 aa) Der Entzug der Fahrerlaubnis 26 bb) Der Bericht des Leiters der Abteilung Geheimschutz über das Verhalten Tiedges bei einem Grillfest 27 cc) Die Hinweise des Nachbarn Oberst a. D. Trömner 27 Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

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dd) Das Sicherheitsgespräch am 19. Oktober 1984 27 ee) Die Ermahnung Tiedges im Februar 1985 27 ff) Das Gespräch zwischen Präsident Hellenbroich und Dr. Rombach am 15. März 1985 27

4. Die Ereignisse in den letzten Monaten bis zu Tiedges Übertritt in die DDR 28 a) Maßnahmen des neuen Leiters des Sicherheitsreferats 28 b) Der Wechsel im Amt des Präsidenten 28 c) Personalwirtschaftliche Überlegungen in bezug auf Tiedge 28 d) Weitere Pfändungsmaßnahmen gegen Tiedge 29 e) Die Entscheidung zur Observation Tiedges 29 f) Der Übertritt Tiedges in die DDR 29

5. Kenntnisse von der Situation Tiedges 30

6. Die Versetzung von Präsident Heribert Hellenbroich in den einst- weiligen Ruhestand 30

III. Die Spionagefälle Lüneburg, Höke, Willner 30

1. Der Fall Lüneburg 30

2. Der Fall Höke 31 a) Die Entwicklung des Verdachtsfalles Höke 31 b) Der G 10-Antrag vom 4. März 1985 31 c) Gespräch zwischen Bundesminister Dr. Zimmermann und Prä- sident Hellenbroich am 28. Juni 1985 32 d) Der G 10-Antrag vom 4. Juli 1985 32

3. Der Fall Willner 33 a) Die Entwicklung des Verdachtsfalles Willner 33 b) Der G 10-Antrag gegen Herbert Willner vom 17. Mai 1985 34

IV. Beeinträchtigung der Sicherheitsinteressen, Schadensbegrenzung und -verminderung 35

1. Mögliche Weitergabe sicherheitsrelevanter Kenntnisse 35

2. Maßnahmen zur Schadensfeststellung und -begrenzung 36

3. Folgen aus den Spionagefällen und dem Übertritt Tiedges 36

C. Die der Ergänzung des Untersuchungsauftrags zugrundeliegenden Berichte des Bundesamtes für Verfassungsschutz 37

I. Die Stellung. der Parlamentarischen Staatssekretäre im Bundesmini- sterium des Innern 37 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

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1. Die Aufgaben der Parlamentarischen Staatssekretäre 37 a) Abgrenzung zu den Aufgaben der beamteten Staatssekretäre 37 b) Informationsrechte der Parlamentarischen Staatssekretäre 37

2. Zuständigkeiten von Parlamentarischem Staatssekretär Spranger 38 a) Allgemeine Unterstützung des Ministers bei Regierungsaufga- ben 38 b) Verfassungsschutzbericht 38 c) Sonstige Berichte aus dem Bereich der inneren Sicherheit 38

II. Einzelne Berichte 39

1. Bericht über „Kommunistische Friedensarbeit" 39

2. Bericht über linksextremistische Einflüsse innerhalb der Partei DIE GRÜNEN; Aufstellung von Funktionsträgern der Partei DIE GRÜNEN, die in linksextremistischen Zusammenschlüssen tätig waren 39 a) Auftragserteilung 39 b) Bearbeitung des Auftrages im Bundesamt für Verfassungs- schutz 39 c) Behandlung des Berichts im Bundesministerium des Innern 40 d) Die Veröffentlichungen aus dem Berichtsentwurf 40 e) Die Aufhebung der VS-Einstufung 41

3. Bericht über eine mögliche Identifizierung des Abgeordneten Schily mit dem Terrorismus 41 a) Der Auftrag von Anfang Dezember 1984 41 b) Das Schreiben von Präsident Hellenbroich vom 10. Mai 1985 42

4. Berichtsauftrag zu Erkenntnissen im Zusammenhang mit der „Flick-Affäre" 42

5. Bericht über Erkenntnisse über mögliche Nachrücker der GRÜ- NEN in den 10. Deutschen Bundestag 43 a) Die Auftragserteilung 43 b) Die Behandlung des Berichts im Bundesministerium des In- nern 44 c) Die Ermittlungen wegen der Veröffentlichung aus dem Be- richt 44

6. Vortrag von Direktor Dr. Rombach bei Parlamentarischem Staats- sekretär Spranger über die Behandlung der legalen Residenturen durch die Verfassungsschutzbehörden 44

7. Bericht über Bündnispolitische Erfolge der „Deutschen Kommuni- stischen Partei" (DKP) 45 Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

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8. Vortrag von Direktor Dr. Rombach bei Parlamentarischem Staats- sekretär Spranger über die Frage einer längerfristigen Agententä- tigkeit von Hansjoachim Tiedge 45

III. Berichtspraxis des Bundesamtes für Verfassungsschutz vor 1982 45

3. Abschnitt: Bewertung des Untersuchungsergebnisses 46

A. Kritik am Einsetzungsauftrag 46

I. Voreiligkeit der SPD-Fraktion 46

II. Gefährdung von Sicherheitsinteressen 46

III. Abwertung besonderer parlamentarischer Gremien 46

B. Die Unhaltbarkeit der dem Untersuchungsauftrag zugrundeliegenden Mutmaßungen der Opposition 46

I. Die unterlassene Unterrichtung des Bundesministeriums des Innern über den Problemfall Tiedge 47

II. Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz 47

1. Regelungen der ständigen Zusammenarbeit 47

2. Praxis und Effizienz der Zusammenarbeit 47

III. Personalentscheidungen im Bereich des Bundesamtes für Verfas- sungsschutz 48

IV. Die Verantwortung von Präsident Hellenbroich und Vizepräsident Dr. Pelny 48

V. Beurteilung der Behandlung der Spionagefälle Lüneburg, Höke und Willner im Bundesministerium des Innern 50

VI. Der Zerfall der Vorwürfe, Mutmaßungen und Verdächtigungen von SPD und GRÜNEN 50

C. Geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Extremismus als po- sitiver Verfassungsschutz 51

I. Die Arbeit von Parlamentarischem Staatssekretär Spranger im Be- reich der inneren Sicherheit 51 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

Seite II. Einzelberichte des Bundesamtes für Verfassungsschutz im laufenden Jahr 52

1. Anfragen von seiten der SPD 52

2. Einzelberichte und Fachaufsicht 52

3. Kommunistische und linksextremistische Vergangenheit bei den GRÜNEN 53 a) Das unbeschränkte Fragerecht des Abgeordneten gegenüber der Bundesregierung 53 b) Extremistische Hintergründe und Einflüsse bei den GRÜNEN 53 c) Befugnis zur Offenlegung extremistischer Einflüsse bei den GRÜNEN 54 d) Politische Manöver während des Untersuchungsverfahrens 54 e) Erkenntnisse über mögliche „Nachrücker" der GRÜNEN in den 10. Deutschen Bundestag 55 f) Mögliche Identifizierung des ehemaligen Abgeordneten mit dem Terrorismus 55

4. Bündnispolitische Erfolge der DKP gegenüber der SPD 56

5. „Kommunistische Friedensarbeit" 56

6. Möglichkeiten von Desinformationskampagnen östlicher Nach- richtendienste im Zusammenhang mit der „Flick-Spenden-Affäre" 57

III. Frühere Berichtspraxis des Bundesamtes für Verfassungsschutz 57

D. Kein Anlaß zu Empfehlungen des Untersuchungsausschusses 58

I. Ergebnisse aus den Spionagefällen und dem Fall Tiedge 58

II. Ergebnisse zur Berichtspraxis des Bundesamtes für Verfassungs- schutz 59

III. Personelle Konsequenzen 59

Eigenes Votum der Abgeordneten der SPD im 2. Untersuchungsausschuß 60

I. Grundsätzliche Feststellungen 60

II. Bewertung im einzelnen 60

1. Das allgemeine Verhalten von Bundesminister Dr. Friedrich Zim- mermann 60 Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

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2. Allgemeine Folgen dieser Unterlassung 60

3. Die Berichtsanforderungen von Parlamentarischem Staatssekre- tär Spranger 61

4. Schlußfolgerung 62

III. Konsequenzen 62

Abweichender Bericht des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele 63

I. Der Untersuchungsauftrag Eingrenzung auf Tiedge oder Untersuchung der Tätigkeit des Ge- heimdienstes 64

1. Bundesamt für Verfassungsschutz als „Wetterecke" des BMI 64

2. Tiedge — Wer Geheimdienste will, muß mit dem Verrat leben 64

3. Der Antrag der GRÜNEN: Tätigkeit des Verfassungsschutz insge- samt untersuchen 65

4. Untersuchungsziel der SPD: Nur der Minister nicht der Geheim- dienst 65

5. Keine Chance für Aufklärung: Die Inhaber der Macht von heute wissen von den Machenschaften der Regierenden von gestern 65

6. Zufallsfunde: Aufklärung abgeblockt 66

7. Motto des Untersuchungsausschusses: Haust Du mich, hau ich Dich! 66

II. Die „geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Extremismus" durch den administrativen Verfassungsschutz 67

1. Im Grundgesetz steht nichts von der Notwendigkeit von Geheim- diensten 67

2. Geschichte des Verfassungsschutzes: Übergriffe und Repres- sionen 67

3. Verfassungsschutz in den 50er Jahren: Hauptaufgabe Kommuni- sten-Hatz 68

4. Verfassungsschutz danach gegen APO 68

5. Darüber, wer alles ein Verfassungsfeind ist 69

6. Wenn der Verfassungsschutz es meint, ist man ein Verfassungs- feind 69

6a. Verfassungsschutzarbeit ist: Überwachung im Vorfeld des bereits polizeilich überwachten Vorfeldes/Vor-Vorfeldüberwachung? 70

7. Kriterien des Verfassungsschutzes für den Verdacht der Verfas- sungsfeindlichkeit 70

8. Links oder nicht links — egal. Hauptsache: Beobachten 71 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

Seite 9. Verfassungsschutz im Dienste der jeweils Regierenden 72

10. Verfassungsfeindlichkeit: Kampfbegriff der Regierung 73

11. Verfassungsschutz: Wahlkampfhelfer gegen Oppositionsparteien 74

12. Verfassungsschutz: Auch gegen Parteifreunde 74

13. Verfassungsschutz: Kostenlose Selbstbedienung für CDU/CSU Bundestagsabgeordnete 75

14. Camarilla-Politik Zimmermanns: Günstlinge in die leitenden Stel- len des Amtes 76

15. Verfassungsschutz — streitbarer Staat oder streitbare Demokra- ten ?6

16. Verfassungsschutz — Gefahr für die Demokratie 77

17. Verfassungsschutz: Überflüssig wie ein Kropf 78

III. Die Grenzen der Beweiserhebung im 2. Untersuchungsausschuß 78

1. Schadensfeststellung unter andauerndem Geheimnisvorbehalt 79

2. Quick weiß mehr als der Untersuchungsausschuß 79

3. Abgeordnete 1. und 2. Klasse 80

4. Der Versuch, die Amtsführung Zimmermanns weitgehend rauszu- halten 80

5. Behinderung des Untersuchungsausschusses durch verzögerte und selektive Herausgabe der Akten 81

6. Von Spranger zu Jahn — der Versuch, das eigentliche Problem nicht zum Thema zu machen 81

7. Vorzeitiger Abbruch der Beweisaufnahme 82

IV. Berichtsaufträge des PStS Sprangers 83

1. Nicht der Minister, sonder PStS Spranger bestimmt 83 - 2. Bericht über angeblich verfassungsfeindliche Vergangenheit und Aktivitäten GRÜNER Nachrücker 83

2.1 Die Auftraggeber 83

2.2 Verwertung 84

3. Der Bericht „zu linksextremistischen Einflüssen innerhalb der Partei DIE GRÜNEN" und die Aufstellung über „Funktionsträger der Partei DIE GRÜNEN, die in linksextremistischen Zusammen- schlüssen tätig waren" 84

3.1 Die Auftraggeber 84

3.2 Die Ausführung 85 3.3 Die Verwertung 86 Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

Seite 4. Die Anfragen über den Abgeordneten Schily 86

4.1 Die Aufträge 86

4.2 Strauß & Spranger kontra Schily 86

4.3 Die Ausführung des Auftrages durch das BW — die Akte Schily 87

5. Die nützlichen Idioten und die Förderer kommunistischer Bünd- nispolitik: Berichte über kommunistische „Friedensarbeit" und bündnispolitische Erfolge der Deutschen Kommunistischen Par- tei 88

5.1 Der Bericht über kommunistische „Friedensarbeit" im Zusam- menhang mit den Kirchen 89

6. Bericht über bündnispolitische Erfolge der Deutschen Kommuni- stischen Partei (DKP) 89

7. Flick-Manager von Brauchitsch: Einflußagent gegnerischer Ge- heimdienste? 90

V. Der Fall Spranger: Folgerungen 91

1. Die Anfragen Sprangers: Mißbrauch des Verfassungsschutzes oder Ausdruck dessen alltäglicher Arbeitsweise? 91

2. Die Aufträge Sprangers — eine Aufforderung, die rechtlichen Schranken des Verfassungsschutzes zu mißachten 92

3. Verfassungsschutz als Instrument des Rufmords 92

4. GRÜNE Geschichte und Verfassungsschutz 93

5. Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts verbietet Ver- fassungsschutzpraxis 93

6. Januar 1986 — weitere Berichte ans ZDF 93

7. Die Aufträge Sprangers: Integraler Bestandteil der Arbeit des BfV 93

8. Spranger und Bloch — ein gleich denkendes Paar 94

9. Rechtliche Grenzen des Verfassungsschutzes 94

VI. Die Vorgänge im Bereich Spionageabwehr: Tiedge, ein Problem des Amtes oder ein Problem Zimmermanns? 95

1. Der Problemfall Tiedge offenbart die Unfähigkeit des Geheimdien- stes, mit einem alltäglichen Drogenfall umzugehen 95

2. Hellenbroich: Tiedge ein angesehener Fachmann — Rombach: Tiedge eine Abwehrnull 96

3. Entlassung Hellenbroichs: Opfer für Zimmermann 97

4. Zimmermanns Cammarilla-Politik schafft Sicherheitsprobleme im BfV 97 5. Zimmermanns Verantwortung 97 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

Seite 6. Beeinträchtigung der Sicherheitsinteressen der BRD 98 7. Spionage ist menschenverachtend 98

VII. Schlußfolgerungen 99

1. Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln ist überflüssig und gefährlich 99

2. Bundesinnenminister Zimmermann trägt die direkte politische Verantwortung für die Affäre Tiedge und ihre Folgen 99

3. Bundesinnenminister Zimmermann und PStS Spranger tragen die direkte Verantwortung für den permanenten Rechtsbruch durch das Bundesamt für Verfassungsschutz 100

4. Die Parlamentarischen Kontrollorgane haben versagt 100

4. Abschnitt Anlagen 103

1. Beschlüsse zur Beweisaufnahme 104

2. Liste der Zeugen 109

3. Verzeichnis der zur Beweiserhebung beigezogenen Akten und Unterla gen 111

4. Verzeichnis der Ausschußdrucksachen 118

5. Berichte des Bundesamtes für Verfassungsschutz

a) „Zu linksextremistischen Einflüssen der Partei die GRÜNEN"; Auf- stellung „Funktionsträger der Partei DIE GRÜNEN, die in linksex- tremistischen Zusammenschlüssen tätig waren" 124 b) „Linksextremistische Einflußnahme auf die Partei der ,GRÜNEN`; hier: Erkenntnisse über mögliche Nachrücker der ,GRÜNEN` in den 10. Deutschen Bundestag" 128 c) „Bündnispolitische Erfolge der ,Deutschen Kommunistischen Partei' (DKP); hier: Politik der Aktionseinheit gegenüber der SPD" 130 - 6. Erklärung des Vorsitzenden vom 15. Mai 1986 133

7. „Im 2. Untersuchungsausschuß" 134 Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

1. Abschnitt: Einsetzung und Gang des Verfahrens

A. Auftrag und Besetzung des 4. der früheren Sekretärin im Bundeskanzleramt 2. Untersuchungsausschusses Herta-Astrid Willner und ihres Ehemannes Herbert-Adolf Willner.

I. Einsetzungsbeschluß und Ergänzungsbeschluß In diesen Fällen ist insbesondere auch zu prü- fen, Der Arbeit des 2. Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages der 10. Wahlperiode hat fol- a) welchen Kenntnisstand Bundesminister Dr. gender Auftrag zugrunde gelegen: Zimmermann und das Bundesministerium des Innern jeweils zu welchem Zeitpunkt gehabt Es wird ein Untersuchungsausschuß gemäß Arti- haben oder bei pflichtgemäßer Wahrnehmung kel 44 des Grundgesetzes eingesetzt. Ihm sollen ihres Amtes hätten haben müssen, elf Mitglieder angehören. Der Ausschuß soll klären: b) welche Entscheidungen Bundesminister Dr. Zimmermann getroffen oder unterlassen hat, I. In welchem Ausmaß sind die Sicherheitsinteres- c) in welcher Weise die jeweils betroffenen Ver- sen der Bundesrepublik Deutschland während fassungsorgane, insbesondere das Bundesprä- der Amtszeit des Bundesministers des Innern, sidialamt und der Bundeskanzler über vorlie- Dr. , durch Vorgänge im gende Erkenntnisse unterrichtet worden sind Bereich der Spionageabwehr beeinträchtigt wor- und welche Entscheidungen von den Betroffe- den? nen veranlaßt werden konnten und wurden. Wie insbesondere hat der Bundesminister des In- nern, Dr. Friedrich Zimmermann, die ihm nach IV. § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Zusam- Dem Verfahren des Untersuchungsausschusses menarbeit des Bundes und der Länder in Angele- werden die Regeln zugrunde gelegt, die von den genheiten des Verfassungsschutzes obliegende Mitgliedern der Interparlamentarischen Arbeits- Aufsicht über und Verantwortung für das Bun- gemeinschaft im Entwurf eines Gesetzes über desamt für Verfassungsschutz wahrgenommen? Einsetzung und Verfahren von Untersuchungs- II. ausschüssen formuliert wurden, soweit sie gelten- dem Recht nicht widersprechen und wenn nach Es sollen insbesondere folgende Fragen unter- übereinstimmender Auffassung der Mitglieder sucht werden: des Untersuchungsausschusses keine sonstigen Bedenken dagegen bestehen. 1. In welcher Form hat Bundesminister Dr. Zim- mermann die regelmäßige Zusammenarbeit Dieser Auftrag ist im Laufe der Untersuchungen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz si- wie folgt ergänzt worden: chergestellt? 2. In welcher Weise hat er — neben der allgemei- Der durch Beschluß des Deutschen Bundestages nen Fachaufsicht — dem Präsidenten des Am- vom 3. Oktober 1985 eingesetzte Untersuchungs- tes die Unterstützung gewährt, die dieser zur ausschuß hat u. a. den Auftrag zu klären, wie der Erfüllung seiner Aufgaben benötigte und ver- Bundesminister des Innern, Dr. Friedrich Zim- langte? mermann, die ihm nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des Ge- setzes über die Zusammenarbeit des Bundes und III. der Länder in Angelegenheiten des Verfassungs- Die Fragen zu II. sollen untersucht werden insbe- schutzes obliegende Verantwortung für das Bun- desamt für Verfassungsschutz wahrgenommen sondere im Hinblick auf die Behandlung der hat. Im Rahmen dieses Auftrags ist auch zu klä- Fälle ren, wie insbesondere Bundesminister Dr. Fried- 1. der früheren Sekretärin des Bundesministers rich Zimmermann seine Dienst- und Fachauf- für Wirtschaft, Dr. , Sonja sicht über das Bundesamt für Verfassungsschutz Lüneburg, wahrgenommen hat, vor allem auch, ob er gebil- ligt oder geduldet hat, daß der Parlamentarische 2. des früheren Gruppenleiters im Bundesamt für Staatssekretär Carl-Dieter Spranger beim Bun- Verfassungsschutz Hansjoachim Tiedge, desamt für Verfassungsschutz Berichte insbeson- dere über Politiker und Parlamentarier anfor- 3. der früheren Sekretärin im Bundespräsidi- derte und anderen Mitgliedern seiner Fraktion alamt Margarete Höke, oder Dritten zugänglich machte. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

II. Mitglieder des 2. Untersuchungsausschusses Am 7. August 1985 unterrichtete das 14. Kommissa- riat der Kriminalpolizei in die Bundesanwalt- Die Fraktionen haben folgende Ausschußmitglieder schaft in Karlsruhe darüber, daß Sonja Lüneburg, benannt: eine Mitarbeiterin des Bundesministeriums für Wirtschaft, als vermißt gelte. Frau Lüneburg war CDU/CSU seit langen Jahren Sekretärin von Dr. Martin Ban- gemann als Abgeordneter im Deutschen Bundestag Ordentliche Mitglieder und im Europäischen Parlament gewesen; nach sei- Abg. ner Berufung zum Bundesminister für Wirtschaft Abg. Hermann Fellner war sie zunächst erste Vorzimmersekretärin und Abg. Dr. Reinhard Göhner anschließend Sachbearbeiterin im Ministerbüro. Abg. Dr. Rolf Olderog Bei der Durchsuchung ihrer Wohnung war eine Fo- Abg. toausrüstung gefunden worden, wie sie häufig von Agenten verwendet wird. Stellvertretende Mitglieder Am 16. August 1985 verschwand Ursula Richter, Abg. Dr. eine dem Generalsekretär des Bundes der Vertrie- Abg. benen — Vereinigte Landsmannschaften und Lan- Abg. Wolfgang Götzer desverbände — e.V. unmittelbar unterstellte Sach- Abg. Dr. Paul Laufs bearbeiterin. Bei der Durchsuchung ihrer Wohnung Abg. Dieter Weirich war die örtliche Polizei auf einen Taschenfaltkalen- der gestoßen, in dem eine Ostberliner Telefonnum- mer verzeichnet war. SPD Am 19. August 1985 kehrte Lorenz Betzing, ein Be- Ordentliche Mitglieder diensteter des Bundeswehrverwaltungsamtes, nicht mehr an seinen Arbeitsplatz zurück. Auch in seiner Abg. (Marburg) Wohnung wurden eine besondere Fotoausrüstung Abg. Harald B. Schäfer (Offenburg) und eine Ostberliner Telefonnummer entdeckt. Abg. Abg. Günther Tietjen Am 22. August 1985 wurde festgestellt, daß Hans- joachim Tiedge, der Leiter der Referatsgruppe Stellvertretende Mitglieder „Nachrichtendienste DDR" in der Abteilung „Spio- Abg. Hermann Bachmaier nageabwehr" des Bundesamtes für Verfassungs- Abg. Hans-Gottfried Bernrath schutz unauffindbar war. Dazu meldete die Abg. Uwe Lambinus DDR-Nachrichtenagentur ADN am 23. August 1985, Abg. Thomas Schröer (Mülheim) daß Tiedge in die DDR übergetreten sei und um „politisches Asyl" nachgesucht habe. In einer eige- nen schriftlichen Erklärung von Tiedge vom 24. Au- FDP gust 1985 hieß es, daß er dies in einer für ihn aus- weglosen persönlichen Situation, aber aus freien Ordentliches Mitglied Stücken und aufgrund seiner eigenen Entscheidung getan habe. Abg. Friedrich Neuhausen Am selben Tage wurde Margarethe Höke, Verwal- Stellvertretendes Mitglied tungsangestellte im Bundespräsidialamt, verhaftet, Abg. Klaus Beckmann nachdem sie bei einem nachrichtendienstlichen Treff beobachtet worden war. Schon am 23. August 1985 kündigte der stellvertre- DIE GRÜNEN tende Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestags- Ordentliches Mitglied fraktion, Dr. Alfred Emmerlich, an, daß sich die SPD die Einsetzung eines parlamentarischen Un- Abg. Hans-Christian Ströbele tersuchungsausschusses vorbehalte, „wenn die Re- gierung nicht alle Fakten auf den Tisch der zustän- Stellvertretendes Mitglied digen parlamentarischen Gremien lege" (Neue Abg. Osnabrücker Zeitung). Am 27. August 1985 wurde der Fall Tiedge in der Parlamentarischen Kontrollkommission behandelt. B. Vorgeschichte und Parallelverfahren Wegen seiner Verantwortung für diesen Fall wurde der Präsident des Bundesnachrichtendienstes und vormalige Präsident des Bundesamtes für Verfas- I. Vorgeschichte sungsschutz, Heribert Hellenbroich, am 29. August 1985 in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Am Im Sommer 1985 verschwanden mehrere Personen selben Tag beantragte die Fraktion der SPD die aus dem Bonner Raum, bei denen sich der Verdacht Entlassung des Bundesministers des Innern ergab, daß sie in Verbindung zu östlichen Nachrich- (Drucksache 10/3762), weil dieser als zuständiger tendiensten gestanden hatten: Ressortminister „für die bisher schwerste Gefähr- Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag - 10. Wahlperiode dung der Bundesrepublik Deutschland auf dem Ge- tersuchungsausschuß wurden vom Generalbundes- biet der Spionageabwehr politisch verantwortlich" anwalt beim Bundesgerichtshof strafrechtliche Er- sei. mittlungsverfahren eingeleitet, und zwar am 8. Au- gust 1985 gegen Sonja Lüneburg, am 22. August Dieser Antrag wurde in der 151. Sitzung des Deut 1985 gegen Margarethe Höke, am 23. August 1985 schen Bundestages am 3. September 1985 abgelehnt gegen Hansjoachim Tiedge und am 17. September (Plenarprotokoll S. 11286 - 11314), nachdem am 1985 gegen das Ehepaar Willner. Der Untersu- 2. September 1985 Bundesminister Dr. Zimmer- chungsausschuß hat davon abgesehen, Feststellun- mann dem Innenausschuß des Deutschen Bundes- gen zu Stand und Ergebnissen dieser Ermittlungs- tages über die aktuellen Spionagefälle und den verfahren zu treffen. Übertritt von Tiedge berichtet hatte. Am 4. September 1985 unterrichtete der Chef des Bundespräsidialamtes, Staatssekretär Dr. Klaus C. Ablauf des Untersuchungsverfahrens Blech, den Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages über die bis dahin bekannten Einzel- Der 2. Untersuchungsausschuß hat insgesamt 32 heiten zum Fall Höke. Am selben Tag fand eine wei- Sitzungen mit einer Gesamtdauer von etwa 132 tere Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkom- Stunden durchgeführt, was zu 4.450 Seiten Proto- mission zur Behandlung dieser Vorgänge statt. kollniederschriften geführt hat. Mit Datum vom 16. September 1985 teilten die Ehe- leute Herbert und Herta-Astrid Willner ihren jewei- ligen Arbeitgebern, der Friedrich-Naumann-Stif- tung und dem Bundeskanzleramt, von (Ost) I. Konstituierung aus mit, daß sie ihre Arbeitsverhältnisse kündigten und nicht an ihre Arbeitsplätze zurückkehren wür- Der 2. Untersuchungsausschuß wurde am 4. Okto- den. ber 1985 durch den Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, Richard Stücklen, konstituiert. Zum Über diesen Fall unterrichtete die Bundesregierung Vorsitzenden wurde der Abgeordnete Gerhard Jahn am 20. September 1985 die Parlamentarische Kon- (Marburg), SPD, zum stellvertretenden Vorsitzen- trollkommission, am 23. September 1985 den Innen- den wurde der Abgeordnete Dr. Rolf Olderog, CDU/ ausschuß des Deutschen Bundestages und am CSU, bestimmt. Als Berichterstatter wurden von ih- 25. September 1985 erneut die Parlamentarische ren Fraktionen die Abgeordneten Hermann Fellner, Kontrollkommission. Harald B. Schäfer (Offenburg), Friedrich Neuhau- sen und Hans-Christian Ströbele benannt. Am 26. September 1985 beantragte die Fraktion der SPD die Einsetzung eines Untersuchungsausschus ses (Drucksache 10/3906 bzw. 10/3906 (neu) vom 3. Oktober 1985); am 2. Oktober 1985 reichte die Il. Beweisaufnahme Fraktion DIE GRÜNEN einen entsprechenden eige- nen Antrag (Drucksache 10/3931) ein. Der Antrag Der 2. Untersuchungsausschuß hat in 22 Sitzungen der Fraktion der SPD wurde in der 162. Sitzung des in der Zeit vom 28. November 1985 bis zum 26. Juni Deutschen Bundestages am 3. Oktober 1985 (Ple- 1986 33 Zeugen - davon mehrere wiederholt - ver- narprotokoll S. 12121- 12132) beschlossen; der wei- nommen (vgl. Anlage 2). Vier Zeugen sind zeitweise tergehende Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN in nichtöffentlicher Sitzung gehört worden. In ei- wurde abgelehnt (Plenarprotokoll S. 12133 bis nem Falle ist eine Gegenüberstellung zweier Zeu- 12136). gen erfolgt. Die Vernehmungen - insgesamt 112 Stunden - sind auf 3921 Seiten Protokollnieder- Nachdem bei der ersten Vernehmung von Vizeprä- schriften festgehalten. Die beigezogenen Akten ha- sident des Bundesamtes für Verfassungsschutz ben einen Gesamtumfang von 3102 Blatt. Dr. Stefan Pelny am 13. Dezember 1985 bestimmte Anfragen des Parlamentarischen Staatssekretärs- beim Bundesminister des Innern, Carl-Dieter Spranger, an das Bundesamt für Verfassungsschutz Ill. Berichtsfeststellung bekannt geworden waren, erfolgte auf Antrag der Fraktion der SPD vom 15. Januar 1986 (Drucksache Der 2. Untersuchungsausschuß hat in seiner 32. Sit- 10/4661) in der 192. Sitzung des Deutschen Bundes- zung am 27. November 1986 beschlossen, diesen Be- tages am 24. Januar 1986 eine entsprechende Er- richt dem Plenum des Deutschen Bundestages vor- gänzung des Untersuchungsauftrages; ein ähnli- zulegen. cher Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN vom 14. Ja- nuar 1986 (Drucksache 10/4637) wurde auch dies- Das als Anlage 7 abgedruckte Gedicht des Abgeord- mal abgelehnt (Plenarprotokoll S. 14468-14476). neten Neuhausen (FDP) ist aus der Arbeit des 2. Untersuchungsausschusses heraus entstanden II. Parallelverfahren und wird hier als Beispiel für die gute menschliche Zusammenarbeit, die über alle politischen Interes- Unmittelbar nach Bekanntwerden der vier dem Un sengegensätze hinweg die Verhandlungen be- tersuchungsauftrag zugrundeliegenden Fälle und stimmt hat, nicht als Relativierung der Ergebnisse noch vor Aufnahme der Arbeiten durch den 2. Un wiedergegeben.

Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

2. Abschnitt: Gegenstand der Untersuchung und festgestellter Sachverhalt

A. Das Bundesamt für Verfassungsschutz als Von den Parlamentarischen Staatssekretären war Bundesoberbehörde im Bereich der inneren im Bereich der Inneren Sicherheit Parlamentari- Sicherheit scher Staatssekretär Spranger zur Unterstützung des Ministers bei der Erfüllung seiner Regierungs- aufgaben nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staats- I. Dienst- und Fachaufsicht des sekretäre in Verbindung mit § 14 a der Geschäfts- Bundesministeriums des Innern über das ordnung der Bundesregierung bestellt worden, wie Bundesamt für Verfassungsschutz durch Hausmitteilung vom 17. Mai 1983 bekanntge- macht wurde. 1. Begriff und Inhalt der Dienst- und Fachaufsicht b) Dienstaufsicht Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist aufgrund Die Dienstaufsicht erstreckt sich auf den Aufbau, von Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG durch § 2 Abs. 1 Satz 1 den Geschäftsablauf, die innere Ordnung und die des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes Personalangelegenheiten der nachgeordneten und der Länder in Angelegenheiten des Verfas- Dienststelle sowie auf die Aufsicht über die Pflicht- sungsschutzes vom 27. September 1950 (BGBl. erfüllung in dieser nachgeordneten Dienststelle. S. 682), geändert durch Gesetz vom 7. August 1972 (BGBl. I S. 1382), als Bundesoberbehörde errichtet Im Bundesministerium des Innern wird die Dienst- worden. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 dieses Gesetzes un- aufsicht durch die Zentralabteilung (Z) wahrgenom- tersteht das Bundesamt dem Bundesminister des men. Innern, dem damit die Aufsicht obliegt. Diese Auf- sicht besteht seit Errichtung des Amtes aus einer Nach der bereits erwähnten Hausanordnung war Dienst- und einer Fachaufsicht, die von zwei ver- für den Geschäftsbereich der Abteilung Z im Unter- schiedenen Abteilungen des Ministeriums wahrge- suchungszeitraum seit dem 17. Mai 1983 Staatsse- nommen werden. kretär Franz Kroppenstedt zuständig. c) Instrumente der Dienst- und Fachaufsicht a) Fachaufsicht Nach Darstellung des Bundesministeriums des In- Die Fachaufsicht betrifft die Erfüllung der dem nern werden beide Aufsichtsfunktionen durch die Bundesamt für Verfassungsschutz übertragenen Mittel der Information, Beratung, Anleitung durch Aufgaben. Empfehlung, ggf. durch Weisung oder eigene Ent- scheidung ausgeübt. Im Rahmen des ihnen übertra- Nach der Darstellung des Bundesministeriums des genen Zuständigkeitsbereichs können die Abteilun- Innern ist sie darauf gerichtet, die Leistungsfähig- gen und die entsprechenden Referate auch Weisun- keit und Wirkungskraft des unterstellten Amtes zu gen erteilen. erhalten und zu verstärken und hat diesem Ziele zu dienen, indem sie das Amt bei der Erfüllung seiner 2. Verständnis der Dienst- und Fachaufsicht vor dem Aufgaben in der jeweils erforderlichen Weise unter- Hintergrund der Aufgabenstruktur des stützt, die Arbeitsweise und die Ergebnisse der Ar- Bundesamtes für Verfassungsschutz beit in bezug auf die Rechtmäßigkeit und die Zweckmäßigkeit beobachtet, Beratung und gegebe- a) Allgemeines nenfalls Anleitung zur Verbesserung der Aufgaben- erfüllung darbietet und Mißerfolge vorbeugend ab- Aus der in § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die zuwenden sucht oder bei der Beseitigung oder Ver- Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in An- ringerung ihrer Folgen Unterstützung leistet. gelegenheiten des Verfassungsschutzes zum Aus- druck gekommenen Entscheidung des Gesetzge- Die Fachaufsicht über das Bundesamt für Verfas- bers, das Bundesamt als Bundesoberbehörde zu er- sungsschutz wird im Bundesministerium des In- richten, ergeben sich nach der Darstellung von nern von der Abteilung „Innere Sicherheit" (IS) aus- Staatssekretär a. D. Dr. Fröhlich vor dem 2. Unter- geübt. suchungsausschuß Folgerungen für das Verhältnis zwischen Ministerium und Amt. Eine von einem Nach einer Hausanordnung des Bundesministeri- Präsidenten geleitete Bundesoberbehörde habe ei- ums des Innern, die die Zuständigkeiten der beiden nen „eigenen Wirkungskreis". Der Präsident habe beamteten Staatssekretäre abgrenzt, war für den Anspruch darauf, daß er die ihm übertragenen Auf- Geschäftsbereich dieser Abteilung im Untersu- gaben in eigener Zuständigkeit wahrnimmt. Der chungszeitraum zunächst Staatssekretär Dr. Sieg- Durchgriff des Ministers auf eine Oberbehörde sei fried Fröhlich und seit dem 1. August 1985 Staatsse- anders als die Kontrollmöglichkeit, die er gegen- kretär Hans Neusel zuständig. über einer Organisationseinheit des Ministeriums Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode selbst habe. Die Aufsicht über das Amt beschränke Der Bundesminister des Innern hat durch Hausan- sich im wesentlichen auf die Beaufsichtigung des ordnung vom 23. Mai 1984 dazu folgendes geregelt: Präsidenten. Denn der Präsident sei derjenige, der dem Minister gegenüber dafür verantwortlich sei, „Das Referat IS 1 nimmt die dem BMI nach dem daß er sein Amt nach den Erforderlichkeiten recht- G 10 übertragenen Aufgaben wahr und übt in allen licher und tatsächlicher Art führe. die Durchführung des G 10 betreffenden Angele- genheiten die Fachaufsicht über das Bundesamt für Beim Bundesamt für Verfassungsschutz komme Verfassungsschutz aus. hinzu, daß es sich mindestens bei den operativen Tätigkeiten herkömmlicherweise um Dinge hande- Anordnungen nach Art. 1 § 1 in Verbindung mit le, die das Amt in eigener Verantwortung erledigen Art. 1 § 5 Abs. 1 G 10 (G 10-Anordnungen) sind mir müsse. Das bedeute, daß einerseits zwar der eigene zur Schlußzeichnung vorzulegen. Im Falle meiner Wirkungskreis sowie der Anspruch auf selbstän- Verhinderung zeichnet der zuständige Staatssekre- dige Wahrnehmung der Aufgaben durch den Präsi- tär, ggf. sein Vertreter. Bei Verhinderung beider denten und durch sein Amt respektiert werden Staatssekretäre zeichnet der Abteilungsleiter IS." müßten, sich andererseits der Präsident aber dar- über im klaren sein müsse, daß er den verantwortli- chen Minister stets über die Dinge informiert hal- ten müsse, die dieser aus rechtlichen, politischen II. Organisation und Praxis der Zusammenarbeit oder sonstigen Gründen im Rahmen seiner politi- zwischen Bundesministerium des Innern und schen Verantwortung unbedingt wissen müsse. Bundesamt für Verfassungsschutz Staatssekretär Professor Dr. Waldemar Schrecken berger hat vor dem 2. Untersuchungsausschuß dar- 1. Berichtswesen gelegt, daß die Aufsicht der eigenständigen Tätig- keit der Nachrichtendienste in besonderem Maße Grundlage sind die „Richtlinien über Aufgabenerle- Rechnung tragen müsse. Diesen eigne darüber hin- digung, Organisation, Zusammenarbeit und Perso- aus ein „horizontales Abschottungsprinzip", das den naleinsatz in den dem Bundesminister des Innern Arbeitsstil der Nachrichtendienste entscheidend nachgeordneten Dienststellen" (sogenannte „Grüne präge. Es äußere sich in der Neigung, auch vorge- Richtlinien"). Nach Ziff. 1.2 dieser Richtlinien sind setzten Dienststellen gegenüber eine gewisse Zu- die nachgeordneten Behörden dem Bundesminister rückhaltung, insbesondere bei Informationen über des Innern berichtspflichtig. Sie haben ihn unaufge- operative Maßnahmen und damit verbundene Ent- fordert über Angelegenheiten von grundsätzlicher scheidungen, zu üben. Diese „tendenzielle Abschot- oder politischer Bedeutung zu unterrichten. Nach tung nach oben" solle jedenfalls in Betracht gezo- Ziff. 2.3 besteht im Zweifel eine Berichtspflicht. gen werden, wenn das Informationsverhalten der Nachrichtendienste angemessen beurteilt werden Diese Berichtspflicht ist durch die Dienstanweisung solle. für das Bundesamt für Verfassungsschutz vom Bundesminister Dr. Friedrich Zimmermann hat 1. Januar 1966 und den Erlaß des Bundesministeri- dazu vor dem 2. Untersuchungsausschuß erklärt, ums des Innern an das Bundesamt für Verfassungs- daß ihm diese Einschätzung zu undifferenziert sei. schutz vom 11. Juni 1976, betreffend das Berichts- Nach seiner Darstellung ist zu trennen zwischen wesen des Bundesamtes für Verfassungsschutz, dem Wunsch von großen Behörden, alleine und (Unterrichtungserlaß) weiter konkretisiert worden. ohne Einmischung so selbständig wie möglich zu So hat das Bundesamt für Verfassungsschutz nach arbeiten, und dem Zwang auch großer Behörden, § 12 Abs. 2 der Dienstanweisung dem Bundeskanz- durch die Fach- und Sachaufsicht angebunden zu ler und dem Bundesminister des Innern laufend sein. Durch die vielfältigen Verbindungen der über seine Tätigkeit zu berichten. Es muß ferner Dienst- und Fachaufsicht im Bundesministerium über alle wichtigen Feststellungen im Sinne des § 3 des Innern mit dem Bundesamt für Verfassungs- Abs. 1 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des schutz sei schon rein technisch eine „Abschottung"- Bundes und der Länder in Angelegenheiten des faktisch unmöglich. Verfassungsschutzes unmittelbar an den Bundes- kanzler, den Bundesminister des Innern und die Bundesminister berichten, für deren Zuständig- b) Vollzug des Gesetzes zu Artikel 10 GG keitsbereich die Feststellungen von Bedeutung Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmelde- sind. Nach § 13 Abs. 1 der Dienstanweisung hat es geheimnisses können unter anderem vom Bundes- dem Bundesministerium des Innern darüber hin- amt für Verfassungsschutz durch seinen Präsiden- aus über alle Erkenntnisse von besonderer politi- ten oder dessen Stellvertreter beantragt werden (§ 4 scher Bedeutung sowie über Angelegenheiten des Abs. 2 Buchstabe a des Gesetzes zu Artikel 10 Verfassungsschutzes von besonderer politischer Be- Grundgesetz vom 13. August 1968 (BGBl. I S. 949), deutung, die durch Pressemeldungen oder in ande- geändert durch Gesetz vom 13. September 1978 rer Weise in der Öffentlichkeit aufgeworfen werden, (BGBl. I S. 1546)). unverzüglich zu berichten. Nach Ziff. 3 des Unter- richtungserlasses ist über Erkenntnisse von erheb- Zuständig für die Anordnung derartiger Beschrän- licher politischer Bedeutung oder bei Gefahr in Ver- kungen ist nach § 5 Abs. 1 dieses Gesetzes ein vom zug unverzüglich dem Bundesminister des Innern Bundeskanzler beauftragter Bundesminister; das oder im Falle seiner Verhinderung dem zuständi- ist der Bundesminister des Innern. gen Staatssekretär mündlich vorzutragen.

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Nach Auskunft des Bundesministeriums des Innern Im Jahre 1982 haben nach dem 4. Oktober noch 4, bestehen neben den vom Bundesamt für Verfas- im Jahre 1983 21, im Jahre 1984 9 und im Jahre 1985 sungsschutz zu erstattenden Wochenberichten, bis zum 30. Oktober 11 Sicherheitslagen stattgefun- Quartalsberichten und den jährlichen Verfassungs- den. Da über diese Sitzungen aus Vertraulichkeits- schutzberichten vor allem auch folgende Berichts- gründen keine Niederschriften gefertigt werden, pflichten: sind Tagesordnung, Teilnehmer und Dauer der Teil- nahme im einzelnen nicht mehr feststellbar. Nach im Bereich der Spionageabwehr VS-Vertraulich den Aussagen Beteiligter waren Themen die Be- eingestufte Jahresberichte und einzelfallbezogene richte der Präsidenten des Bundeskriminalamtes Berichte über Exekutivfälle; und des Bundesamtes für Verfassungsschutz oder im G 10-Bereich monatliche Berichte über die lau- ihrer Vertreter zur aktuellen Lage der inneren Si- fende Durchführung von G 10-Maßnahmen sowie — cherheit und zu Schwerpunkten auf diesem Gebiet. ohne besondere Aufforderung — Berichte bei jeder Teilnehmer waren in der Regel der Bundesminister vorzeitigen Beendigung und nach einer Einstellung des Innern, der für den Sicherheitsbereich zustän- einer G 10-Maßnahme, dige Staatssekretär, der Leiter der Abteilung In- nere Sicherheit des Bundesministeriums des In- im Bereich Terrorismus umfassende Berichte für nern und sein ständiger Vertreter, der Leiter der einen mehrmonatigen Berichtszeitraum, die als Ge- Abteilung Polizeiangelegenheiten des Bundesmini- heim eingestuft sind, steriums des Innern und sein Vertreter, der Präsi- dent des Bundeskriminalamtes oder sein Vertreter, im Bereich Geheimschutz einen jährlichen Bericht der Präsident des Bundesamtes für Verfassungs- über den Stand und die Durchführung von Sicher- schutz oder sein Vertreter sowie der Leiter des Mi- heitsüberprüfungen, nisterbüros. Nicht regelmäßig nahmen die Parla- mentarischen Staatssekretäre oder sonstige Mitar- einen jährlichen Bericht über Gefährdungen bei beiter aus dem Leitungsbereich des Bundesministe- Reisen in den kommunistischen Machtbereich riums des Innern teil. und alle zwei Jahre einen Bericht über Spionage- auswertung und Erfahrungen mit den VS-Vorschrif- Neben diesen Sicherheitslagen im Bundesministe- ten. rium des Innern gibt es seit März 1975 die „Nach- richtendienstliche Lage" im Bundeskanzleramt; sie Ferner berichtet das Bundesamt für Verfassungs- ist im Zusammenhang mit der Einrichtung des Ko- schutz den Fachaufsichtsreferaten aufgrund von ordinators für die Nachrichtendienste eingeführt Einzelerlassen oder Anfragen schriftlich oder worden. Dort werden aktuelle Fragen der inneren mündlich zu aktuellen Fällen, Erkenntnissen und und äußeren Sicherheit behandelt. Regelmäßige Maßnahmen. Teilnehmer an dieser Besprechungsrunde sind die Staatssekretäre des Auswärtigen Amtes, des Bun- 2. Praxis der Zusammenarbeit desministeriums des Innern und des Bundesmini- steriums der Verteidigung, die Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamtes a) Sicherheitslagen im Bundesministerium des für Verfassungsschutz, der Leiter des Amtes für Si- Innern, nachrichtendienstliche Lagen im cherheit der Bundeswehr, der Chef des Presse- und Kanzleramt Informationsamtes der Bundesregierung, der Eine institutionalisierte Form der Zusammenarbeit Stabsabteilungsleiter FüS II des Bundesministeri- zwischen Bundesministerium des Innern und Bun- ums der Verteidigung und die Abteilungsleiter 1, 2 desamt für Verfassungsschutz sind die sogenann- und 6 des Bundeskanzleramtes. Die „Nachrichten- ten „Sicherheitslagen" im Bundesministerium des dienstlichen Lagen" finden regelmäßig wöchentlich Innern, die es seit der Mitte des Jahres 1978 gibt. statt; die Leitung obliegt in der Regel dem Beauf- Zweck dieser Einrichtung ist die ständige gegensei- tragten für die Nachrichtendienste. tige Information der Präsidenten des Bundeskrimi- nalamtes und des Bundesamtes für Verfassungs-- Im Jahre 1982 haben nach dem 5. Oktober noch 12, schutz sowie des Bundesministeriums des Innern. im Jahre 1983 34, im Jahre 1984 48 und im Jahre In diesen Sicherheitslagen werden sicherheitsrele- 1985 bis zum 5. November 43 „Nachrichtendienstli- vante Vorgänge vorgetragen und beraten. Bei ihrer che Lagen" stattgefunden. Da auch in diesen Sit- Einführung 1978 und auch noch 1979 als wöchentli- zungen aus Geheimhaltungsgründungen kein Pro- che Veranstaltung angelegt, hat die Regelmäßigkeit tokoll geführt wird und die Themen im Bundes- jedoch in den Folgejahren abgenommen. Der als kanzleramt auch nicht in anderer Weise schriftlich Zeuge dazu gehörte langjährige Staatssekretär im festgehalten werden, haben die dazu gehörten Zeu- Bundesministerium des Innern, Dr. Siegfried Fröh- gen über die behandelten Themen, die jeweiligen lich, hat das damit erklärt, daß es nicht mehr genug Teilnehmer und die Dauer ihrer Teilnahme keine Stoff dafür gegeben habe, weil sich das Berichtswe- Einzelheiten angeben können. sen in der Zwischenzeit verstärkt hätte; das Bun- desamt für Verfassungsschutz habe nämlich wö- chentlich am Freitag einen Wochenbericht abgelie- b) Jours-fixes fert, „der der Leitung zur Kenntnis gebracht wor- den" sei, „mit allen aktuellen Informationen über Zu den Fachkontakten zwischen Bundesministe den Wochenablauf". rium des Innern und Bundesamt für Verfassungs-

Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode schutz auf dem Gebiet der inneren Sicherheit gehö- e) Sonstige Kontakte ren die sogenannten „jours-fixes". Bei diesen Termi- nen handelt es sich nach der Darstellung von Darüber hinaus gibt es selbstverständlich tägliche, Staatssekretär Neusel um Besprechungen auf her- wöchentliche und monatliche Kontakte zwischen ausgehobener Ebene, die der Behandlung aufgelau- dem Bundesministerium des Innern und dem Bun- fener Probleme grundsätzlicher Art dienen sollen. desamt für Verfassungsschutz auf der Ebene der Teilnehmer der „jours-fixes" sind seitens des Bun- Fachreferate und Abteilungen, bei denen jeweils desamtes für Verfassungsschutz der Präsident und/ einzelne anstehende Sachfragen erörtert werden. oder der Vizepräsident, der Leiter der Abteilung I, gelegentlich auch andere Abteilungsleiter, und sei- tens des Bundesministeriums des Innern der Leiter f) Zusätzliche Begegnungen und/oder stellvertretende Leiter der Abteilung IS sowie der Leiter des Referats IS 2. Zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und der Leitung des Bundesministeriums des In- Entgegen ihrer Bezeichnung finden die „jours-fi- nern gab es im Untersuchungszeitraum weitere Be- xes" nicht regelmäßig wiederkehrend, sondern — gegnungen aus besonderen Anlässen: wie Ministerialdirektor Dr. Gerhard Heuer vor dem 2. Untersuchungsausschuß dargelegt hat — „je nach Bedarf zu aktuellen Vorgängen statt; da über sie aa) Amtseinführung von Präsident Hellenbroich keine Protokollvermerke gefertigt werden, die Er- und Vizepräsident Dr. Pelny gebnisse vielmehr in die laufende Sachbearbeitung übernommen und in die jeweiligen Fachakten auf- Am 22. September 1983 führte Bundesminister Dr. genommen wurden, ist die exakte Angabe der Zahl Friedrich Zimmermann im Bundesamt für Verfas- der jours-fixes-Termine nicht mehr möglich. An- sungsschutz Heribert Hellenbroich als neuen Präsi- hand zufällig noch vorhandener Terminkalender denten und Dr. Stefan Pelny als Vizepräsidenten und der greifbaren jeweiligen Fachakten konnten ein. Er betonte in seiner Ansprache, daß der Präsi- in der Zeit vom 29. November 1982 bis zum 8. No- dent und das gesamte Bundesamt für Verfassungs- vember 1985 vier jour-fixe-Termine rekonstruiert schutz bei ihrer schwierigen Arbeit auf seine volle werden". Unterstützung rechnen könnten. Dabei hob er her- vor, daß er dem Präsidenten auch außerhalb der regelmäßigen Begegnungen jederzeit zu einem per- sönlichen Gespräch zur Verfügung stehe. c) Das jederzeitige Vortragsrecht des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz beim bb) Besuch von Parlamentarischem Staatssekretär Bundesminister des Innern Carl-Dieter Spranger beim Bundesamt für Verfassungsschutz am 22. Oktober 1984 Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 der Dienstanweisung des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 1. Januar Am 22. Oktober 1984 besuchte Parlamentarischer 1966 ist der Präsident des Bundesamtes berechtigt, Staatssekretär Carl-Dieter Spranger, der Bundes- dem Bundesminister des Innern persönlich oder minister Dr. Zimmermann bei der Erfüllung seiner dem Staatssekretär vorzutragen. Nach Angaben Regierungsaufgaben in bezug auf den Geschäftsbe- von Staatssekretär Neusel vor dem Untersuchungs- reich Innere Sicherheit zu unterstützen hatte, das ausschuß hat der Präsident damit das Recht, mit Bundesamt für Verfassungsschutz. Er wollte sich dem Bundesminister auch außerhalb der routine- unmittelbar vor Ort von der fachlichen Arbeit des mäßigen Begegnungen ein persönliches Gespräch Verfassungsschutzes durch Gespräche mit den Ab- zu führen. Wie Präsident Heribert Hellenbroich teilungsleitern und dem Personalrat unterrichten ausgesagt hat, war ihm diese Bestimmung be- lassen, wie er am 29. August 1984 Präsident Hellen- kannt. broich mitgeteilt hatte. Der Besuch begann mit einem Gespräch von Parla- mentarischem Staatssekretär Spranger mit Präsi- d) Fachgespräche der Geheimschutzbeauftragten dent Hellenbroich und Vizepräsident Dr. Pelny. An- schließend fand eine Besprechung mit den Abtei- lungsleitern des Bundesamtes für Verfassungs- Im Rahmen der Fachaufsicht führt der Geheim- schutz statt. Dabei stellte jeder Abteilungsleiter schutzbeauftragte des Bundesministeriums des In- seine Abteilung in personeller und fachlicher Hin- nern (Referatsleiter IS 4) in unregelmäßigen Zeit- sicht vor und sprach insbesondere Probleme an, bei abständen auch Sicherheitsgespräche mit dem Ge- deren Lösung das Bundesministerium des Innern heimschutzbeauftragten des Bundesamtes für Ver- evtl. behilflich sein könnte. Daran schloß sich ein fassungsschutz (Leiter des dortigen Referates S). Gespräch mit dem Personalrat des Bundesamtes Hierbei werden Sicherheitsfragen allgemeiner und an, an dem Präsident und Vizepräsident nicht teil- grundsätzlicher Art besprochen, z. B. Aufbau und nahmen. Dabei spielte auch die Frage finanzieller Struktur des Referates S, und Durchführung von Schwierigkeiten von Bediensteten des Bundesam- Sicherheitsüberprüfungen; bei Bedarf werden Ein- tes für Verfassungsschutz des unteren Einkom- zelfragen erörtert. mensbereichs als Folge von z. B. Hausbau oder Ehe-

Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584 scheidung, die aus nachrichtendienstlicher Sicht geistig-politische Auseinandersetzung im Bereich Bedenken und Gefährdungen auslösen würden, der inneren Sicherheit — eine Bemerkung ge- eine Rolle. Dieses Thema wurde in allgemeiner, ab- macht, wonach er den Bericht in seinen Weih- strakter Weise ohne Namensnennung erörtert. Dar- nachtsferien habe überarbeiten müssen. Der Be- aufhin wurde im Bundesministerium des Innern ge- richtsentwurf habe zu wenige Aussagen über prüft, ob die Einrichtung eines Sonderfonds zur Re- Linksextremismus enthalten, während die Abtei- gelung von Härtefällen ein gangbarer Weg zur Hilfe lung Rechtsextremismus zu breit dargestellt sei; es wäre. Dies erwies sich aus haushaltsrechtlichen habe sehr viel Mühe gemacht, dies in eine lesbare Gründen als nicht möglich; wie Parlamentarischer Form zu bringen. Parlamentarischer Staatssekretär Staatssekretär Spranger bekundet hat, sei festge- Spranger hat dagegen ausgesagt, daß es nur in we- stellt worden, daß gewährleistet sei, daß bei finan- nigen Punkten Diskussionen über die Art und ziellen Schwierigkeiten rasch geholfen werde. Weise der Darstellung, aber nicht in der Sache ge- geben habe. Darüber hinaus habe die Abstimmung Zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz des Berichts zwischen den Fachbeamten des Bun- und seinem Personalrat wurde daraufhin abgespro- desministeriums des Innern und den Fachbeamten chen, daß das Bundesamt dem Bundesministerium des Bundesamtes für Verfassungsschutz und nicht des Innern im Einzelfall berichten und um Zustim- in unmittelbaren Gesprächen zwischen ihm und mung zu Vorschüssen bzw. Darlehen bitten solle. Hellenbroich stattgefunden. Zudem habe Hellen- Der Personalrat unterrichtete die Bediensteten des broich am 24. April .1985 in einer Presseerklärung Bundesamtes für Verfassungsschutz über das Er- selbst mitgeteilt, daß es Meinungsverschiedenhei- gebnis der Gespräche mit dem Hinweis auf eine ten zu diesem Bericht nicht gegeben habe. Zusage, daß „Anträge des BfV vom BMI in konkre- ten Einzelfällen schnell und unbürokratisch geprüft Präsident a. D. Hellenbroich hat bei seiner Verneh- und entschieden werden sollen". mung betont, er habe in dem Gespräch mit Bundes- minister Dr. Zimmermann an die Auseinanderset- zung im Zusammenhang mit der Erstellung des cc) Grundsteinlegung Jahresberichtes mit dem früheren Parlamentari- schen Staatssekretär Andreas von Schoeler erin- Bundesminister Dr. Friedrich Zimmermann be- nert; das Bundesamt für Verfassungsschutz hätte suchte das Bundesamt für Verfassungsschutz ein damals „um seinen Standpunkt und seine Auffas- zweites Mal anläßlich der Grundsteinlegung für ein sungen sehr kämpfen müssen". Darüber hinaus neues Gebäude am 22. März 1985. habe er dem Bundesminister dargelegt, daß er es als seine Aufgabe ansehe, zunächst die vom Bun- dd) Unterredungen zwischen Bundesminister desamt für Verfassungsschutz im Laufe des Jahres Dr. Zimmermann und Präsident Hellenbroich ermittelten „Fakten" mitzuteilen. Dann sei es Sache der Fachaufsichtsbehörde, der „politischen Behör- Am 13. Mai 1985 fand auf Initiative von Bundesmi- de", diese zu werten. „Auf keinen Fall" könne er sich nister Dr. Friedrich Zimmermann ein Gespräch mit „zu Beginn des Jahres vorschreiben lassen, was" er dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfas- „am Ende des Jahres zu schreiben" habe. sungsschutz ohne Beisein weiterer Teilnehmer statt. Die nach dem Verständnis des Ministers nicht Bundesminister Dr. Zimmermann hat bestätigt, daß als „Grundsatzgespräch" geführte Unterredung be- Präsident Hellenbroich bei diesem Gespräch wohl faßte sich mit drei Themen, die er zunächst im darüber geklagt habe, Parlamentarischer Staatsse- Zusammenhang vortrug und zu denen Präsident kretär Spranger mische sich in den Verfassungs- Hellenbroich anschließend Stellung nahm. schutzbericht ein. Er habe Präsident Hellenbroich mitgeteilt, daß er es als wenig hilfreich empfinde, Erster Gesprächsgegenstand waren Meinungsver- wenn er, Hellenbroich, sich öffentlich dazu äußere. schiedenheiten zwischen dem Parlamentarischen Diese „Reibungen" zwischen Präsident Hellen- Staatssekretär Carl-Dieter Spranger und Präsident broich und Parlamentarischem Staatssekretär Hellenbroich wegen des Verfassungsschutzberich-- Spranger habe er jedoch nicht als so gravierend tes 1984. Nach Darstellung von Präsident a. D. Hel- angesehen, daß Anlaß bestanden hätte, die beiden lenbroich hielt der Minister ihm vor, er, Hellen- Herren zu „zitieren". Jedenfalls hat nur Präsident broich, habe diese Angelegenheit in die Öffentlich- a. D. Hellenbroich vor dem Untersuchungsausschuß keit getragen. sein Verhältnis zu Parlamentarischem Staatssekre- tär Spranger, insbesondere im Zusammenhang mit Dem war nach den Bekundungen von Präsident der Darstellung des Verfassungsschutzberichtes a. D. Hellenbroich vor dem Untersuchungsausschuß 1984, als gespannt bezeichnet, wovon auch Staatsse- vorausgegangen, es habe ihn „sehr geärgert" und er kretär a. D. Dr. Siegfried Fröhlich gewußt haben habe sich „nicht gefallen lassen" wollen, daß Parla- will, während Parlamentarischer Staatssekretär mentarischer Staatssekretär Spranger sich in der Spranger selbst seine Zusammenarbeit mit Präsi- Öffentlichkeit, d.h. gegenüber Journalisten, über dent Hellenbroich als konstruktiv und frei von per- ihn wegen der Arbeit am Jahresbericht 1984 „be- sönlichen oder sachlichen Spannungen geschildert schwert" habe. So habe Parlamentarischer Staats- hat; das gelte auch für die Erstellung der jeweiligen sekretär Spranger anläßlich eines Empfangs am Verfassungsschutzberichte. 17. April 1985 zur Verabschiedung von Dr. Mensing, dem damaligen Leiter des Referats IS 7 des Bun- Der zweite Gesprächsgegenstand betraf Pressemel desministeriums des Innern — Analysen und dungen, denen zufolge Präsident Hellenbroich ge-

Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

äußert haben solle, Bundesminister Dr. Zimmer- anzusprechen. Einzelheiten dazu werden bei der mann kümmere sich nicht genug um das Bundes- Darstellung des Falles Höke (S. 31 ff.) geschildert. amt für Verfassungsschutz. Dazu will Präsident Hellenbroich Bundesminister Dr. Zimmermann ge- sagt haben, daß er „da gründlich mißverstanden worden" sei; wohl habe er gesagt, daß Bundesmini- ster Dr. Zimmermann ihn „am langen Zügel" führe; B. Die dem Untersuchungsauftrag dies komme ihm aber „sehr zupaß". Darauf habe zugrundeliegenden Ereignisse im Bereich Bundesminister Dr. Zimmermann ihm nahegelegt, der Spionageabwehr künftig derartige Äußerungen zu unterlassen; dies habe er auch zugesagt. Den 2. Untersuchungsausschuß haben die Dienst- und Fachaufsicht des Bundesministeriums des In Als dritten Gesprächsgegenstand sprach Bundesmi- nern über das Bundesamt für Verfassungsschutz nister Dr. Zimmermann mangelnde Erfolge in der und ihre praktische Handhabung bei der täglichen Spionageabwehr an. Präsident Hellenbroich und Zusammenarbeit beider Behörden im Hinblick auf Bundesminister Dr. Zimmermann stimmten darin die Entwicklung des Falles Tiedge und der Spiona- überein, daß deshalb die organisatorische Struktur gefälle Lüneburg, Höke und Willner beschäftigt. der Abteilung IV des Bundesamtes für Verfassungs- Dazu gehören auch der Werdegang von Heribert schutz geändert werden müsse. Präsident Hellen- Hellenbroich, Dr. Engelbert Rombach und Hans- broich berichtete, diese Aufgabe sei schon lange in joachim Tiedge und ihre Zusammenarbeit auf dem Angriff genommen; die Pläne dazu seien bereits fer- Gebiet der Spionageabwehr im Bundesamt für Ver- tiggestellt. Einige ihm wichtig erscheinende Punkte fassungsschutz. dieser Organisationsvorschläge will er dem Bundes- minister erläutert und ihre schriftliche Übersen- dung zugesagt haben.

Zum Abschluß des Gesprächs wurde Präsident Hel- I. Personelle Entwicklungen und Zusammenhänge lenbroich - wie er selbst gegenüber dem Untersu- chungsausschuß herausgestellt hat — erneut mitge- Heribert Hellenbroich und Hansjoachim Tiedge teilt, daß er jederzeit die Gelegenheit habe, den Mi- traten 1966 und Dr. Engelbert Rombach 1968 in die nister „bei gewichtigen Problemen des Hauses un- Dienste des Bundesamtes für Verfassungsschutz. ter vier Augen zu sprechen". Alle drei begannen ihren Werdegang in der Abtei- lung IV. Dr. Stefan Pelny wurde am 16. Mai 1983 Bundesminister Dr. Zimmermann übermittelte den zum Vizepräsidenten des Bundesamts für Verfas- Gesprächsinhalt und das Ergebnis an die dafür zu- sungsschutz ernannt; vorher war er seit 1970 im ständigen Stellen des Bundesministeriums des In- Bundeskanzleramt tätig. nern. So wurde der Leiter der Grundsatzabteilung im Bundesministerium des Innern, Ministerialdi- rektor Härdtl, ebenso wie Staatssekretär Dr. Fröh- Heribert Hellenbroich war von 1966 bis 1975 in den lich über die beabsichtigten Änderungen in der Ab- Abteilungen IV — Spionageabwehr —, II — Rechts- teilung IV des Bundesamtes für Verfassungsschutz extremismus —, I — Zentrale Fachfragen — und V unterrichtet. Die Organisationsvorschläge, die Prä- — Geheimschutz — des Bundesamtes für Verfas- sident Hellenbroich in dem Gespräch zugesagt hat- sungsschutz tätig. Im November 1975 wurde er zum te, gingen am 22. Mai 1985 im Bundesministerium Leiter der Abteilung W bestellt, anschließend war des Innern ein, wurden von Bundesminister Dr. er Leiter der Zentralabteilung; im Juni 1981 wurde Zimmermann gebilligt und traten am 1. August 1985 er zum Vizepräsidenten und im Mai 1983 zum Präsi- in Kraft. denten des Bundesamtes für Verfassungsschutz er- nannt. Er und Vizepräsident Dr. Pelny haben — Ein weiteres Gespräch mit Bundesminister Dr. Zim- nach übereinstimmender Darstellung beider — die mermann fand auf Bitte von Präsident Hellen- - Leitung des Bundesamtes für Verfassungsschutz broich vom 28. Juni 1985 noch am selben Tage statt. „kollegial betrieben". Dabei unterrichtete Präsident Hellenbroich den Mi- nister zunächst über je einen Verdachtsfall im Bun- Dr. Engelbert Rombach war von Januar 1968 bis despräsidialamt und im Bundeskanzleramt. Es han- April 1974 in der Abteilung IV des Bundesamtes für delte sich dabei um die an anderer Stelle dieses Verfassungsschutz tätig, zuletzt als Referatsleiter. Berichts behandelten Fälle Höke (S. 31 ff.) und Will- In dieser Zeit war er zweimal zum Bundesministe- ner (S. 33 ff.). Aus der Sicht von Bundesminister Dr. rium des Innern abgeordnet und dort in einem Ver- Zimmermann diente damals die Darstellung dieser fassungsschutzreferat eingesetzt. Von Mai 1974 bis Fälle lediglich seiner Unterrichtung, ohne daß An- Ende 1981 war er unter Fortfall der Dienstbezüge laß bestanden hätte, selbst Maßnahmen zu ergrei- für eine Verwendung bei der CDU/CSU-Bundes- fen. Er bat Präsident Hellenbroich, ihn insoweit auf tagsfraktion beurlaubt. Anschließend war er bei der dem laufenden zu halten. Verwaltung des Deutschen Bundestages, zunächst persönlicher Referent des Präsidenten des Deut- Präsident Hellenbroich nutzte die Gelegenheit, die schen Bundestages und sodann als Ministerialrat in Praxis der Fachabteilung des Bundesministeriums der Besoldungsgruppe B 3 Leiter des Referats PB 3 des Innern bei der Behandlung von G 10-Anträgen — Internationale Beziehungen, Reisestelle —.

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1. Die Ernennung von Dr. Engelbert Rombach zum Gegen die Entscheidung des Ministers wurden im Leiter der Abteilung Spionageabwehr des Bundesministerium des Innern von keiner Seite Bundesamtes für Verfassungsschutz Bedenken erhoben, da Dr. Rombach nach den über- einstimmenden Aussagen von Staatssekretär Dr. Wegen der Versetzung von Direktor Dr. Rudolf von Fröhlich, Staatssekretär Kroppenstedt, des Leiters Hoegen zum Bundeskriminalamt im Jahre 1983 war der Abteilung Innere Sicherheit im Bundesministe- die Stelle des Leiters der Abteilung IV im Bundes- rium des Innern, Ministerialdirektor Dr. Heuer, und amt für Verfassungsschutz neu zu besetzen. In der des Leiters des Personalreferats des Bundesmini- Abteilung Z des Bundesministeriums des Innern steriums des Innern, Ministerialrat Starke, als ge- wurden dazu bereits frühzeitig eigene Vorstellun- eigneter Bewerber betrachtet wurde. Letzterer hat gen entwickelt. Präsident Hellenbroich, der diese dazu bekundet, es sei zwar nicht die Regel, daß Per- Stelle als eine „Schlüsselposition" ansah und ihr sonalmaßnahmen im höheren Dienst abweichend selbst durch seine frühere Tätigkeit dort noch sehr von den Vorstellungen des Behördenleiters getrof- verbunden war, schlug seinerseits gegenüber dem fen würden; es sei aber auch kein Einzelfall, daß Bundesministerium des Innern als Nachfolger ei- eine Stelle anders, als von der nachgeordneten Be- nen Beamten des Bundesamtes für Verfassungs- hörde vorgeschlagen, vom Bundesministerium des schutz vor. Nach Aussage aller Beteiligter vor dem Innern besetzt werde. Der damalige Personalabtei- Untersuchungsausschuß wurde im Bundesministe- lungsleiter, Ministerialdirektor a. D. Kirchner, hat rium des Innern eine Liste der in Betracht kom- dazu ausgesagt, daß ihm aus seiner Amtszeit (April menden Personen erstellt. Dr. Rombach war in die- 1984 bis Dezember 1985) nur ein Fall bekannt sei, in ser Liste nicht enthalten. Ihn und einen anderen dem der Minister zwar ohne Beteiligung der Perso- Beamten hatte jedoch der Ausschuß für den Be- nalabteilung, in diesem Falle aber nach Rückspra- reich des Verfassungsschutzes beim Hauptperso- che mit dem Fachabteilungsleiter, eine Personal- nalrat des Bundesministeriums des Innern gegen- entscheidung getroffen habe. über dem Leiter der dortigen Abteilung Z genannt. Auch Präsident Hellenbroich erhob gegen die Ent- Unabhängig von diesen Vorgängen vermerkte Bun- scheidung des Ministers weder bei Staatssekretär desminister Dr. Zimmermann von sich aus auf der Kroppenstedt noch bei Staatssekretär Dr. Fröhlich Vorlage mit der Versetzungsverfügung für Direktor Einwendungen. Wie er vor dem Untersuchungsaus- Dr. von Hoegen, in der ein Vorschlag der Personal- schuß ausgesagt hat, habe es jedoch wegen dieses abteilung für einen Nachfolger noch nicht enthal- Verfahrens in seiner Beziehung zum Minister „ei- ten, sondern als gesonderte Vorlage angekündigt nen Knacks" gegeben. Vizepräsident Dr. Pelny hat war, daß Dr. Rombach als Leiter der Abteilung dazu bekundet, er könne „nicht beurteilen, ob die Spionageabwehr beim Bundesamt für Verfassungs- Personalentscheidung des Ministers, die sich mit schutz vorzusehen sei. Vorher hatte der Leiter der dem Personalvorschlag von Herrn Hellenbroich Grundsatzabteilung im Bundesministerium des In- und mit dem entsprechenden Personalvorschlag nern, Ministerialdirektor Wighard Härdtl, der Dr. der Abteilung Z im Bundesministerium des Innern Rombach aus der gemeinsamen Arbeit bei der CSU nicht deckte, in der Abteilung IV oder sonst im Landesgruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Hause zu Irritationen geführt habe". Was er nur kannte, telefonisch dessen Bereitschaft zur Über- wisse, sei, „daß diese Personalentscheidung bei nahme dieser Aufgabe erfragt. Herrn Hellenbroich zu Irritationen geführt hat,

... daß er (Hellenbroich) aus seiner Sicht sein Ver- Bundesminister Dr. Zimmermann hat seine Ent- hältnis zum Minister deswegen als belastet betrach- scheidung vor dem Untersuchungsausschuß damit tete". Präsident a. D. Hellenbroich hat dies von sich begründet, daß er Dr. Rombach aus seiner Zeit als aus nicht berichtet; der 2. Untersuchungsausschuß Vorsitzender der CSU-Landesgruppe sehr gut ge- hat ihn als Zeugen dazu auch nicht befragt. Alle zu kannt habe. Er habe gewußt, daß Dr. Rombach frü- der Ernennung von Dr. Rombach vernommenen her Beamter des Bundesamtes für Verfassungs- Zeugen — auch Präsident Hellenbroich — haben schutz gewesen sei, und sei auch mit seinem Le- die Entscheidung des Ministers gleichwohl überein- benslauf vertraut gewesen. Dr. Rombach habe ihn- stimmend als zulässig erachtet. in Fragen der inneren Sicherheit unterstützt und für ihn eine ganze Reihe von Ausarbeitungen, Ana- lysen und Redemanuskripten angefertigt. Er halte 2. Das Verhältnis von Präsident Hellenbroich ihn für einen hervorragenden Juristen und Analyti- zu Direktor Dr. Rombach ker und besitze eine große Anzahl ausgezeichne- ter Arbeiten von ihm. Wegen seiner beruflichen Seine Vorbehalte gegenüber Direktor Dr. Rombach Herkunft aus dem Bundesamt für Verfassungs- hat Präsident a. D. Hellenbroich vor dem Unter- schutz habe es für ihn als Bundesminister des In- suchungsausschuß dahin gehend erläutert, daß er nern nahegelegen, bei der Gelegenheit des Freiwer- zwar in persönlicher Hinsicht keine Einwendungen dens einer wichtigeren Position bei seiner damals gehabt habe; er habe ihn aber als „sehr überzeugten erreichten Beförderungsgruppe an ihn zu denken. parteipolitisch denkenden Beamten" eingeschätzt Er habe nicht den geringsten Zweifel daran gehabt, und deshalb „Sorgen und Bedenken" gehabt. Später daß Dr. Rombach dieser Aufgabe gewachsen sei, habe er allerdings „in keinem einzigen Fall feststel- und deshalb verfügt, daß diese Stelle mit ihm zu len können", daß Direktor Dr. Rombach „etwa aus besetzen sei. Daß Präsident Hellenbroich jemand einer parteipolitischen Vorbedingung heraus ir- anderen im Auge gehabt habe, habe er „in dieser gendetwas in seinen Dienst hätte einfließen las- Schärfe nicht gewußt". sen".

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Präsident a. D. Hellenbroich hat allerdings mit sei- schlag unterbreitet. Daraufhin habe er ihm zuge- ner Aussage den Eindruck zu erwecken versucht, sagt, die Sache zu überprüfen. Staatssekretär Krop- daß die Arbeit des neuen Abteilungsleiters nicht in penstedt hat nicht ausschließen können, daß im jeder Hinsicht zufriedenstellend gewesen sei; bei- Zuge dieses Gesprächs Präsident Hellenbroich spielsweise habe er sich veranlaßt gesehen, „in ab- auch gesagt habe, daß er vor anderthalb Jahren teilungsinternen" Dingen „manches Mal hinterher- schon einmal jemanden habe „nehmen" müssen, zurennen". Direktor Dr. Rombach hat als Zeuge sei- der nicht aus dem Bundesamt für Verfassungs- nerseits die Lage so dargestellt, daß der Präsident schutz gekommen sei. Ein vertieftes Gespräch über in unangemessener Weise und zum Teil unter Um- Direktor Dr. Rombach im Januar 1985 sei ihm aber gehung des Dienstweges unmittelbar in die Abtei- nicht erinnerlich. lung „hineinregiert" habe, was zu einer Erschwe- rung der Arbeit geführt habe. So habe es Aufträge Von diesen Gesprächen erfuhr auch Direktor Dr. von Präsident Hellenbroich unmittelbar an den Re- Rombach. Wie er vor dem Untersuchungsausschuß feratsgruppenleiter Tiedge gegeben, und dieser ausgesagt hat, wurde ihm „im Hause hintertragen", habe die Chance genutzt, sich beim Präsidenten zu daß Präsident Hellenbroich „draußen kritisch über „profilieren". die Arbeit meiner Abteilung gesprochen" habe. Der Untersuchungsausschuß hat nicht klären können, Diese Unzuträglichkeiten zwischen Präsident Hel- von wem diese Information stammte und auf wel- lenbroich und Direktor Dr. Rombach verstärkten chem Wege sie den Abteilungsleiter erreichte. Di- sich in der Folgezeit: rektor Dr. Rombach hat dazu ausgesagt, er habe nicht gewußt, mit wem Präsident Hellenbroich ge- Im Januar 1985 sprach Präsident Hellenbroich mit sprochen habe; das sei ihm nicht gesagt worden. dem damaligen Leiter der Zentralabteilung des Für Direktor Dr. Rombach war der Vorgang jeden- Bundesministeriums des Innern, Ministerialdirek- falls Anlaß, am 15. März 1985 bei Präsident Hellen- tor Kirchner, bei einer gemeinsamen Autofahrt broich eine Unterredung ohne Anwesenheit Dritter über die mögliche Besetzung der Stelle des Abtei- zu erbitten, die noch am selben Tag stattfand. Nach lungsleiters VII des Bundesamtes für Verfassungs- Darstellung von Präsident a. D. Hellenbroich gegen- schutz — Terrorismus —. Bei dieser Gelegenheit über dem Untersuchungsausschuß führte Direktor wurde von Ministerialdirektor Kirchner auch ein Dr. Rombach bei ihm Klage darüber, daß Präsident Beamter genannt, der nach den Vorstellungen des Hellenbroich an vorgesetzter Stelle im Bundesmini- Bundesministeriums des Innern für diese Position sterium des Innern über ihn Kritik geübt habe, in Frage kommen könnte. Darauf „reagierte" Präsi- ohne vorher mit ihm darüber gesprochen zu haben. dent Hellenbroich — nach Darstellung von Ministe- In dem Gespräch sei es dann allein um den Gegen- rialdirektor Kirchner — „heftig" und erklärte, daß stand seiner Kritik, nämlich Direktor Dr. Rombachs schon einmal ein „Wunschkandidat" von ihm bei „Führungsschwierigkeiten" in der eigenen Abtei- der Besetzung einer Abteilungsleiterstelle hätte zu- lung gegangen. Direktor Dr. Rombach habe ihm vor rücktreten müssen. Wie Ministerialdirektor a. D. allem vorgeworfen, daß ihm durch die Form und Kirchner weiter ausgesagt hat, machte Präsident den Adressaten der Kritik der Zugang zu einer an- Hellenbroich in diesem Zusammenhang auch ei- deren, höher dotierten Verwendung außerhalb des nige Bemerkungen über Direktor Dr. Rombach, mit Bundesamtes für Verfassungsschutz verschlossen dem er „nicht übermäßig glücklich" sei; er entspre- geblieben sei. Direktor Dr. Rombach hat dagegen che in operativer Hinsicht nicht seinen Vorstellun- ausgesagt, sich um eine anderweitige Verwendung gen, und er, Hellenbroich, müsse sich selbst „in die weder beworben noch davon etwas gewußt und des- Arbeit einmischen". halb auch nicht darüber gesprochen zu haben. Da Probleme in der „Menschenführung" allenfalls im Verhältnis zu seinem Referatsgruppenleiter Tiedge Staatssekretär Kroppenstedt wurde nach seiner bestanden hätten, habe er in dem Gespräch erneut Aussage von Ministerialdirektor Kirchner über den auf diesen Problemfall hingewiesen, zumal sich Inhalt dieses Gespräches unterrichtet. „Gerüchte im Haus" über dessen finanzielle Pro- bleme zugespitzt hätten. Auf diesen Dissens wird Ein ähnliches Gespräch fand zwischen Staatssekre- - bei der Darstellung des Falles Tiedge (S. 25) einge- tär Kroppenstedt und Präsident Hellenbroich am gangen. 25. Januar 1985 statt. Während nach Aussage von Präsident a. D. Hellenbroich einziger Gesprächsge- In bezug auf ein weiteres Gespräch zwischen Präsi- genstand war, „doch einmal zu prüfen und zu über- dent Hellenbroich und Staatssekretär Kroppen- legen, ob vielleicht eine Beschäftigung" Direktor Dr. stedt am 18. oder 19. März 1985 hat ersterer bei sei- Rombachs „innerhalb des Innenministeriums an ner Aussage vor dem Untersuchungsausschuß aus- mehr politischen Stellen möglich wäre", also die geschlossen, daß dieser Termin als Folge der Vor- „Möglichkeit einer Versetzung" zu erwägen, hat sprache von Direktor Dr. Rombach bei ihm zu- Staatssekretär Kroppenstedt erklärt, daß sich Prä- stande gekommen sei. Beide Gesprächsteilnehmer sident Hellenbroich „hier offenbar geirrt haben" haben vielmehr übereinstimmend bekundet, daß müsse. In diesem Gespräch im Januar 1985 sei es Ausgangspunkt dieses Gesprächs erneut die bereits allein um die Nachfolge des Abteilungsleiters Ter- erwähnte Besetzung der Stelle des Abteilungslei- rorismus im Bundesamt für Verfassungsschutz ge- ters VII im Bundesamt für Verfassungsschutz ge- gangen, dessen Ausscheiden kurz bevorgestanden wesen sei. Dann sei Präsident Hellenbroich, wie habe. In diesem Zusammenhang habe Präsident Staatssekretär Kroppenstedt ausgesagt hat, „aller- Hellenbroich sich an ihn gewandt und einen Vor dings auf Rombach eingegangen" und habe „eben

Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584 auch gesagt, er sei mit Herrn Rombach nicht so dieser Angelegenheit telefonisch in Verbindung. Dr. zufrieden, er habe die Abteilung nicht so im Griff". Pfahls sprach seinerseits mit dem damaligen Perso- Auch Präsident a. D. Hellenbroich hat gemeint, aus nalabteilungsleiter im Bundesministerium des In- dem Gesamtzusammenhang herleiten zu können, nern, Ministerialdirektor Kirchner. Nachdem am daß er gesagt habe, er wäre „nach wie vor interes- 12. Juli 1985, als nach seiner Aussage vor dem Un- siert, das Problem Rombach vielleicht einmal so tersuchungsausschußa seine „Versetzung nach irgendwie zu lösen". Jedenfalls war es nach der Köln schon einigermaßen sicher war", Bundesmini- Aussage von Staatssekretär Kroppenstedt „ein Ge- ster Dr. Zimmermann ihn in einem Gespräch in sei- spräch nicht im Sinne, daß nun unmittelbar etwas ner früheren Münchner Anwaltskanzlei über die geschehen solle", sondern er habe es als eine Anre- künftige Aufgabe unterrichtet und dabei nicht nur gung aufgefaßt, „bei späteren Personalmaßnahmen die geplanten organisatorischen Veränderungen in zu überlegen", ob „eine andere Verwendung für der Abteilung IV, sondern auch die aktuellen Ver- Herrn Rombach gefunden werden könnte". Deshalb dachtsfälle Höke und Willner angesprochen hatte, habe er auch zugesagt, diese Anregung zu prüfen, übernahm Präsident Dr. Pfahls am 1. August 1985 und mit dem zuständigen Abteilungsleiter im Bun- die Leitung des Bundesamtes für Verfassungs- desministerium des Innern darüber gesprochen, der schutz. nach seiner Erinnerung gesagt habe, Präsident Hel- lenbroich habe ihm gegenüber schon Ähnliches ge- äußert. Er habe auch erwogen, mit Direktor Dr. II. Der Fall Tiedge Rombach selbst einmal darüber zu sprechen, habe davon aber abgesehen. Da sich dann sehr bald der Wechsel von Präsident Hellenbroich zum Bundes- 1. Der berufliche Werdegang nachrichtendienst abgezeichnet habe, habe er die Sache zunächst nicht weiterverfolgt. Der derzeitige Der 1937 geborene Hansjoachim Tiedge nahm nach Präsident, Dr. Pfahls, sei mit Direktor Dr. Rombach kurzer Tätigkeit als Rechtsanwalt nach der zweiten zufrieden; dies habe „der Beurteilung recht gege- juristischen Staatsprüfung am 15. September 1966 ben, daß die Bemerkung von Herrn Hellenbroich eine Beschäftigung beim Bundesamt für Verfas- damals keinen konkreten Anlaß zum Handeln, kei- sungsschutz auf. nen Handlungsbedarf aktueller Art ausgelöst hat". Tiedge berechtigte wegen seines Persönlichkeitsbil- Bei dem bereits erwähnten Gespräch mit Bundes- des und seines beruflichen Engagements zu positi- minister Dr. Zimmermann am 13. Mai 1985 (vgl. ven Erwartungen. Übereinstimmend ist er von den oben S. 19) — und nicht erst bei einem weiteren dazu gehörten Zeugen als ein Mitarbeiter geschil- am 28. Juni 1985, wie in seiner Dienstlichen Erklä- dert worden, der sich insbesondere bei der prakti- rung vom 9. September 1985 dargestellt — kriti- schen Spionageabwehr sehr engagierte und dort sierte Präsident Hellenbroich auch diesem gegen- sein eigentliches Arbeitsfeld sah. So soll er selbst über die fachliche Arbeit von Direktor Dr. Rom- von seiner Beschäftigung in der Abteilung „Ge- bach. Bundesminister Dr. Zimmermann hat ausge- heimschutz" in der Zeit vom 1. Juli 1976 bis 17. Mai sagt, er könne sich daran erinnern, daß er mit Präsi- 1979 nach Aussagen von Präsident a. D. Hellen- dent Hellenbroich möglicherweise kurz über Direk- broich als „Tontaubenschießen, während andere tor Dr. Rombach gesprochen habe. Er erinnere sich das Wild erlegen", gesprochen haben. Im Bereich aber keineswegs an Bedenken. Präsident Hellen- der Spionageabwehr ist er als angesehener Fach- broich habe sinngemäß gesagt, daß Direktor Dr. mann mit vielen Ideen in der operativen Arbeit dar- Rombach ein intelligenter und tüchtiger Beamter gestellt worden. Dagegen habe er Schwächen in der sei, der in seiner Abteilung aber mehr durchgreifen „Schreibtischarbeit" gezeigt. Sein früherer Abtei- müsse. Den Schwierigkeiten im Verhältnis zwi- lungsleiter, der heutige Direktor beim Amt für Si- schen Präsident Hellenbroich und Direktor Dr. cherheit der Bundeswehr, Dr. Rudolf von Hoegen, Rombach habe er aber „keine weitere Bedeutung formulierte dazu in einer Dienstlichen Erklärung beigemessen". vom 24. August 1985, die dem 2. Untersuchungsaus- schuß vorgelegen hat: „Er war zu sehr Beschaffer und hatte zu wenig Sitzfleisch". Präsident a. D. Hel- 3. Die Ernennung von Dr. Holger Pfahls zum lenbroich allerdings hat vor dem 2. Untersuchungs- Präsidenten des Bundesamtes für ausschuß ausgesagt, er habe Tiedge gegenüber Kol- Verfassungsschutz legen mit dem Argument verteidigt, daß „auch Juri- sten mit praktischen Fähigkeiten benötigt" würden. Im Hinblick auf die Ernennung von Heribert Hel- Nach der Darstellung mehrerer Zeugen war Tiedge lenbroich zum Präsidenten des Bundesnachrichten- ein besonders plastischer Erzähler, der Sachver- dienstes mit Wirkung vom 1. August 1985 wurde am halte rasch erfaßte und anschaulich vortragen 8. oder 9. Juli 1985 der damalige Leiter der Abtei- konnte. Er ist als „der absolute Fachmann auf dem lung „Grundsatzfragen" der Bayerischen Staats- Gebiet der Spionageabwehr mit enormen Detail- kanzlei, Ministerialdirigent Dr. Holger Pfahls, von kenntnissen und gutem Gedächtnis" geschildert Ministerpräsident Franz Josef Strauß nach seiner worden. Bereitschaft zur Übernahme des Amtes des Präsi- denten des Bundesamtes für Verfassungsschutz ge- Seit dem 28. Januar 1982 leitete er als Regierungsdi- fragt. Etwa zeitgleich setzte sich der Leiter der rektor in der Abteilung „Spionageabwehr und Sabo- Grundsatzabteilung des Bundesministeriums des tageabwehr" die Referatsgruppe „Nachrichtendien- Innern, Ministerialdirektor Härdtl, mit Dr. Pfahls in ste der DDR".

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2. Persönliche Umstände Pfändungsmaßnahmen mußten jedoch nicht vollzo- gen werden, da Tiedge nach Aufforderung durch die Kurze Zeit nach seinem Eintritt in den Bundes- Zahlstelle des Bundesamtes für Verfassungsschutz dienst heiratete Tiedge. Seine Frau war Grund- die Zahlungsverpflichtungen selbst regelte. schullehrerin. Aus der Ehe gingen drei Töchter her- vor. 3. Die Entwicklung der Situation Tiedges Am 4. September 1971 kaufte Tiedge ein Eigenheim für 130 330,— DM in einer Kölner Neubausiedlung, in der auch andere Bedienstete des Bundesamtes a) Die Einleitung der Wiederholungsüberprüfung für Verfassungsschutz wohnten. Obwohl die Fami- lie Tiedge nach den Feststellungen des Bundesam- tes für Verfassungsschutz bis 1983 ingesamt ca. Am 18. Oktober 1982 wurde durch das Sicherheits- 150 000,— DM von einer Tante erhalten hatte, war referat des Bundesamtes für Verfassungsschutz die das Hausgrundstück jedoch zuletzt mit Grundschul- in regelmäßigen Zeitabständen vorzunehmende den in Höhe von 220 000,— DM belastet. Die Gründe Wiederholung der Sicherheitsüberprüfung für für die Entstehung dieser Verbindlichkeiten sowie Hansjoachim Tiedge eingeleitet. der Verbleib des Geldes sind auch vom 2. Untersu- chungsausschuß nicht geklärt worden. Das Sicherheitsreferat ist für die internen Sicher- heitsbelange des Amtes zuständig. Es war ur- Eine weitere Rolle bei der Beurteilung der Person sprünglich der Abteilung V — Personeller und ma- Tiedges spielten seine Trinkgewohnheiten. In dem terieller Geheimschutz — eingegliedert; seit 1980 ist Vermerk eines ehemaligen Mitarbeiters vom es verselbständigt und unmittelbar der Amtsleitung 26. August 1985, der sich in der Sicherheitsakte be- zugeordnet. Insoweit untersteht es, vergleichbar ei- findet, heißt es, Tiedge sei „bereits seit Ende der ner Abteilung, dem Vizepräsidenten, der seinerseits 60er Jahre als Vorgesetzter bekannt" gewesen, „der dem Präsidenten nachgeordnet ist. dem Alkohol während und außerhalb der Dienstzeit im Übermaß zusprach". „Etwa 1971" habe es „im In einem für die Wiederholungsüberprüfung durch- damaligen ,Referat Tiedge' eine Vertrauenskrise" geführten Sicherheitsgespräch am 12. Januar 1983 gegeben. Aus den Zeugenaussagen vor dem Unter- erwähnte Tiedge selbst Belastungen seines Haus- suchungsausschuß zu den Trinkgewohnheiten Tied- grundstückes in Höhe von 200 000,— DM. Von ihm ges allgemein hat sich allerdings kein Hinweis auf benannte Referenzpersonen sprachen zwar seinen Alkoholkonsum Tiedges im Dienst, von gelegentli- überdurchschnittlichen Alkoholkonsum an, zeich- chen Feiern abgesehen, ergeben. Ob sich Tiedge neten aber ein ansonsten positives Bild von ihm. Da wegen seines Alkoholkonsums in ärztlicher Be- die hohen Belastungen angesichts eines Kaufprei- handlung befand, ist nicht geklärt, da die dazu ge- ses für das Eigenheim von nur 130 330,— DM im hörten Zeugen unterschiedliche Meinungen geäu- Jahre 1971 auch in einem weiteren Gespräch mit ßert haben. Aus den Personalakten ergeben sich Tiedge nicht geklärt werden konnten, verfügte der krankheitsbedingte Abwesenheiten für die Zeit stellvertretende Leiter des Sicherheitsreferats ent- vom 2. Februar bis 6. März 1972 und vom 26. Fe- gegen einem Votum des Sachbarbeiters vom bruar bis 5. Mai 1974. Der Leiter der Personalabtei- 14. April 1983, die von Tiedge für seinen „erhöhten lung des Bundesamtes für Verfassungsschutz hat Lebensaufwand" genannten Gründe abzuklären. — danach befragt — bekundet, daß nach seiner Die dazu vorgenommenen Befragungen in Tiedges Erfahrung „beispielsweise eine Entziehungskur ei- privatem Umfeld, insbesondere bei Nachbarn, erga- nen Zeitraum in der Regel von sechs Monaten um- ben ein Persönlichkeitsbild, in dem seine Trinkge- faßt". In der Siedlung kursierten zu späterer Zeit wohnheiten sowie seine gesundheitlichen Proble- Gerüchte über einen erhöhten Alkoholkonsum bei- me, seine finanzielle Lage und seine Schwierigkei- der Eheleute Tiedge. ten mit Haushaltsführung und Kindererziehung er- heblichen Raum einnahmen. Am 16. Juli 1982 verstarb Tiedges Ehefrau nach ei- nem häuslichen Unfall. Danach verwahrloste der Diese Erkenntnisse waren Anlaß für den Leiter des Haushalt zunehmend. Mit den drei Töchtern gab es Sicherheitsreferats, am 1. Juli 1983 mündlich gegen- Erziehungsprobleme. Über finanzielle Schwierig- über dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfas- keiten kamen Gerüchte auf. sungsschutz Sicherheitsbedenken gegen Tiedge gel- tend zu machen. Präsident Hellenbroich und Vize- Am 6. Mai 1983 ergingen eine Pfändungsverfügung präsident Dr. Pelny entschieden sich in dieser Be- des Finanzamtes Köln-Ost wegen Einkommensteu- sprechung jedoch gegen einen Entzug der Sicher- ernachforderungen über 1293,25 DM und am heitsermächtigung für Tiedge. Sie haben diese Ent- 13. August 1984 auf Antrag der Krankenanstalten scheidung vor dem Untersuchungsausschuß vor al- der Stadt Köln ein Pfändungs- und Überweisungs- lem damit begründet, daß Tiedge bzw. die von ihm beschluß über 119,87 DM wegen Zinsen und Kosten, geleitete Referatsgruppe mit einer „besonderen während die Hauptforderung in Höhe von 1 366,80 Operation" betraut gewesen sei, die zwei in der DM bereits beglichen war. Dieser Beschluß ging am DDR lebende Personen betroffen habe. Für diese 22. August 1984 beim Bundesministerium des In- Personen, die wegen ihrer Zusammenarbeit mit nern ein und wurde vom dortigen Besoldungsrefe- dem Bundesamt für Verfassungsschutz aufgrund rat am 27. August 1984 als „Irrläufer" an das Bun- ihrer Stellung sich in besonderem Maße in Gefahr desamt für Verfassungsschutz weitergeleitet. Beide für Leib und Leben befunden hätten, habe Präsi-

Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584 dent Hellenbroich zudem „persönliche Sicherheits- nanziellen Probleme und deren Lösung dienen soll- garantien" übernommen. Eine sofortige Versetzung te, ohne daß dabei neue Erkenntnisse gewonnen Tiedges hätte nach Auffassung der Leitung des wurden. Es ist nicht geklärt, in welcher Weise eine Bundesamtes für Verfassungsschutz für diese Ope- weitere Betreuung Tiedges stattfand; das ist auch ration unmittelbare Folgen gehabt. darauf zurückzuführen, daß Regierungsdirektor Kaspereit selbst keine Aufzeichnungen darüber in Präsident a. D. Hellenbroich wie Direktor Dr. Rom- den Akten hinterlassen hatte. Auch Präsident a. D. bach haben vor dem Untersuchungsausschuß dar- Hellenbroich und Vizepräsident Dr. Pelny haben gestellt, daß Tiedge bereits die zeitweilige Tätigkeit vor dem Untersuchungsausschuß keine Angaben in der Abteilung „Geheimschutz" gegenüber der Ar- darüber machen können. beit in der Spionageabwehr als „Degradierung" empfunden habe. Da in seiner persönlichen Situa- Weil das gemeinsame Vorhaben von Vizepräsident tion die Arbeit „einen wesentlichen, wenn nicht den Dr. Pelny und Präsident Hellenbroich, Oberregie- letzten Halt" dargestellt habe, seien bei einer Ver- rungsrat Warbende als Nachfolger von Regierungs- setzung Tiedges größere Sicherheitsrisiken zu ge- direktor Kaspereit zum Leiter des Sicherheitsrefe- wärtigen gewesen als aufgrund der damaligen Si- rats zu bestellen, am Einspruch des Hauptpersonal- tuation. Vizepräsident Dr. Pelny hat vor dem Unter- rats gescheitert war, kam es erst zum 1. Juni 1985 suchungsausschuß die Ansicht geäußert, daß die zu einer förmlichen Neubesetzung der Referatslei- „Kontrolle über Tiedge nicht mehr auszuüben" ge- terstelle. Für Oberregierungsrat Warbende zeich- wesen wäre. nete sich bereits Anfang 1985 ab, daß er in die von Tiedge geleitete Referatsgruppe umgesetzt werden Präsident a. D. Hellenbroich hat ausgesagt, er habe würde. sich deshalb in einer „Zwangslage" befunden: Ei- Nach seinen Angaben vor dem Untersuchungsaus- nerseits habe er keinerlei Zweifel gehabt, daß schuß hatte er den Auftrag zur Betreuung Tiedges Tiedge ein Sicherheitsrisiko gewesen sei; anderer- von Anfang an als an die Person des bisherigen seits habe er sich wegen der Persönlichkeit Tiedges, Amtsinhabers, Regierungsdirektor Kaspereit, ge- wegen seines umfangreichen Wissens und wegen bunden angesehen. In dieser Auffassung fühlte er der ihm anvertrauten Operation gehindert gesehen, sich, wie er ausgesagt hat, dadurch bestätigt, daß die „üblichen Konsequenzen" zu ziehen. Er habe ein Beschwerdebrief eines Nachbarn über Tiedge daher eine sofortige einschneidende Änderung ver- vom Februar 1985, den er selbst in Empfang genom- mieden und eher ein allmähliches Herauslösen men hatte, von der Amtsleitung nicht wieder ihm Tiedges aus dieser „besonderen Operation" und de- zugeleitet wurde. Präsident a. D. Hellenbroich hat ren schrittweise Beendigung anstreben wollen. demgegenüber betont, daß die Betreuungsaufgabe eindeutig dem jeweiligen Leiter des Sicherheitsre- Das war nach den Angaben von Präsident a. D. Hel- ferates erteilt gewesen sei. Bei ihm habe er sich lenbroich vor dem Untersuchungsausschuß der auch in den regelmäßigen Sicherheitsgesprächen Grund dafür, daß er zunächst eine Betreuung Tied- immer wieder nach Tiedge erkundigt. ges durch den Leiter des Sicherheitsreferates, Re- gierungsdirektor Kaspereit, anordnete, die zur Be- Jedenfalls glaubten Präsident Hellenbroich und Vi- hebung von Tiedges persönlichen Problemen bei- zepräsident Dr. Pelny — wie dieser vor dem Unter- tragen sollte. Regierungsdirektor Kaspereit war ein suchungsausschuß formuliert hat — „Anlaß zu ha- besonders angesehener Beamter, dem eine allge- ben zu meinen", sie „hätten das Problem Tiedge im meine fachliche Wertschätzung entgegengebracht Griff". Es habe zwar keine durchgreifende Entspan- wurde, die ihn für diese Betreuungsaufgabe beson- nung der Lage gegeben; aber es seien auch keine ders qualifizierte. Vizepräsident Dr. Pelny, dem sich Momente aufgetreten, die zusätzliche Risiken ange- diese Entscheidung in dem Sicherheitsgespräch zeigt hätten. Insbesondere die finanzielle Situation vom 1. Juli 1983 nach seiner Aussage vor dem Un- Tiedges sei nach Regierungsdirektor Kaspereits Fi- tersuchungsausschuß „nicht so ohne weiteres er- nanzierungsplan nicht mehr so bedrückend erschie- nen. schlossen" hatte, trug sie, nachdem sie ihm vom - Präsidenten erläutert worden war, voll mit. b) Die Bedenken des neuen Abteilungsleiters Direktor Dr. Rombach hat bei seiner Vernehmung gegen Tiedge die Tatsache einer solchen Abwägung durch Präsi- Die Frage, ob Direktor Dr. Rombach bereits anläß- dent und Vizepräsident in Zweifel gezogen. Seiner lich seiner Bestellung zum neuen Leiter der Abtei- Auffassung nach hätte diese Abwägung auch an- lung IV des Bundesamtes für Verfassungsschutz ders ausfallen müssen, da die Risiken in der Person am 1. Dezember 1983 mit Präsident Hellenbroich Tiedges zu groß gewesen seien und es statt dessen möglich gewesen sei, die betreffenden Personen aus über den Problemfall Tiedge sprach, ist in der Be- der DDR in den Westen zu holen. weisaufnahme des Untersuchungsausschusses aus- führlich behandelt worden. Ausweislich eines erst am 11. Dezember 1984 gefer- Direktor Dr. Rombach hat den Sachverhalt so dar- tigten Vermerks des kommissarischen Leiters des gestellt, daß in der Zeit, als er bei der CDU/CSU Sicherheitsreferats, Oberregierungsrat Warbende, Fraktion des Deutschen Bundestages tätig gewesen führte der im Juli 1984 verstorbene Regierungsdi- sei, ihn durch Besuche bisheriger Kollegen aus dem rektor Kaspereit im August 1983 ein Gespräch mit Bundesamt für Verfassungsschutz Gerüchte über Tiedge, das in erster Linie einer Klärung der fi- finanzielle, häusliche und Alkoholprobleme Tiedges

Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode erreicht hätten, den er aus der früheren gemeinsa- Die damalige Darstellung berichtigte Direktor Dr. men Arbeit gekannt habe. Er habe deshalb schon Rombach in einem Gespräch mit Regierungsdirek- anläßlich seines Amtsantritts ein Gespräch mit Prä- tor Dörrenberg noch vor dessen Vernehmung im sident Hellenbroich über Tiedge geführt. Darin März 1986. Regierungsdirektor Dörrenberg hat habe Präsident Hellenbroich die Probleme bestä- dazu ausgesagt, Direktor Dr. Rombach habe ihn tigt, aber auf eine Abmahnung Tiedges hingewiesen aufgesucht und darauf hingewiesen, daß es sich da- und zu konstruktiver Zusammenarbeit mit ihm auf- mals nicht um eine „Observation", sondern tatsäch- gefordert. lich um „Sicherheitsermittlungen" gehandelt habe. Präsident a. D. Hellenbroich hat dagegen vor dem Untersuchungsausschuß ausgesagt, Direktor Dr. c) Sicherheitsrelevante Ereignisse Rombach habe ihm weder bei diesem Gespräch noch bei einem weiteren oder bei anderen Gelegen- aa) Der Entzug der Fahrerlaubnis heiten auf den Problemfall Tiedge angesprochen. Vielmehr sei es bei dem schon am 29. November Im Juli 1984 wurde Tiedge wegen Trunkenheit im 1983 geführten Gespräch allein darum gegangen, Verkehr die Fahrerlaubnis entzogen. Obwohl die Direktor Dr. Rombach — nachdem dessen Ernen- vorgeschriebene Unterrichtung der Beschäftigungs- nung zum Abteilungsleiter IV nun einmal gegen sei- behörde durch die Staatsanwaltschaft unterblieb, nen Willen erfolgt sei — an seinem Posten „festzu- erfuhr davon der kommissarische Leiter des Sicher- ziehen" und für eine gute, loyale und konstruktive heitsreferates im Bundesamt für Verfassungs- Zusammenarbeit zu sorgen. schutz, Oberregierungsrat Warbende, bereits ein Den genauen Gesprächsverlauf hat der Untersu- oder zwei Tage später, da Tiedge offen darüber im chungsausschuß nicht feststellen können. Ein Kollegenkreis sprach und dabei über die „Höhe des hierzu von Direktor Dr. Rombach benannter Zeuge, Promillegehaltes witzelte". Einige Zeugen haben der Leiter der Abteilung „Geheimschutz" des Bun- dazu bekundet, die Angelegenheit sei „im ganzen desamtes für Verfassungsschutz, Direktor Dr. Kar- Hause bekannt" gewesen. Oberregierungsrat War- kowsky, der Direktor Dr. Rombach kurze Zeit nach bende sprach auch den Justitiar des Bundesamtes dessen Dienstantritt wegen gemeinsamer dienstli- für Verfassungsschutz darauf an, dem der Vorgang cher Fragen aufgesucht und bei dieser Gelegenheit inoffiziell zur Kenntnis gekommen war; dieser soll auf Tiedge und dessen Probleme angesprochen hat- jedoch die Ansicht geäußert haben, daß er ohne „of- te, kannte Tiedge aus der Zeit seines Eintritts in fizielle Mitteilung" nichts unternehmen könne. Di- das Bundesamt für Verfassungsschutz und hatte rektor Dr. Rombach ist sich bei seiner Vernehmung ihn selbst zeitweilig ausgebildet; außerdem wohnte nicht sicher gewesen, hat es aber für möglich gehal- er im selben Stadtteil Kölns, wo seine Frau als Leh- ten, als der unmittelbare Vorgesetzte die notwendi- rerin die Kinder der Eheleute Tiedge unterrichtet gen Formblätter für die Zentralabteilung abge- hatte. Über eigene Beobachtungen in bezug auf zeichnet zu haben, als Tiedge wegen der Entzie- Tiedge sowie über nach dem Tod von dessen Ehe- hung der Fahrerlaubnis den Dienstwagen zurück- frau in der Siedlung kursierende Gerüchte hatte er geben mußte. früher bereits den Sicherheitsreferenten unterrich- Präsident a. D. Hellenbroich hat ausgesagt, er habe tet. Wie Direktor Dr. Karkowsky ausgesagt hat, vom Entzug der Fahrerlaubnis erst bei seiner Zeu- ging Direktor Dr. Rombach auf seinen „Gesprächs- genbefragung im Untersuchungsausschuß erfahren. anstoß" sofort ein; er, Direktor Dr. Rombach, „hätte Vizepräsident Dr. Pelny hat vor dem Untersu- handfeste Informationen, daß das doch schon sehr chungsausschuß bekundet, auch ihm sei der Entzug ausgeufert sei. Er habe auch schon in diesem Zu- sammenhang mit dem Präsidenten gesprochen und der Fahrerlaubnis nicht bekannt gewesen; die Si- cherheitsakte, in der dieser Entzug vermerkt war, dabei noch erfahren, daß es eigentlich noch viel habe er allerdings bis zum Übertritt Tiedges zwei schlimmer sei, wie er das zunächst vermutet habe. Jahre lang nicht angesehen. Beide, Präsident und Herr Tiedge habe auch erhebliche Schulden". Di- Vizepräsident, haben zum Ausdruck gebracht, sie rektor Dr. Karkowsky hat außerdem von sich aus eine Situation geschildert, bei der er selbst im Som- hätten den Vorfall, wenn sie davon gewußt hätten, mer 1984 Tiedge bei einer Veranstaltung einer an- als ein gravierendes Element für die weitere Beur- teilung des Falles betrachtet; sie haben daher be- deren Behörde in einem — wie er es ausgedrückt dauert, daß dieser Sachverhalt ihnen nicht zur hat — „desolaten Zustand" erlebte; Näheres dazu wird bei der Darstellung des Falles Tiedge (S. 27) Kenntnis gebracht worden sei. wiedergegeben. Demgegenüber soll Tiedge nach der Aussage eines Einem weiteren Zeugen, dem Referatsgruppenleiter Zeugen geäußert haben, daß er den Entzug der Regierungsdirektor Dirk Dörrenberg, den Direktor Fahrerlaubnis dem Präsidenten „beichten" müsse. Dr. Rombach ebenfalls zu seinen Gesprächen mit Auch habe es Verärgerung unter Amtsangehörigen Präsident Hellenbroich benannt hat, hatte Direktor gegeben, die der Ansicht gewesen seien, bei ihnen Dr. Rombach auf einer gemeinsamen Dienstreise hätte ein derartiges Vorkommnis zu erheblichen etwa im Mai 1984 gegenüber geäußert, daß Tiedge Konsequenzen geführt, während Tiedge wohl „Nar- observiert werde oder worden sei. Daraus zog Re- renfreiheit" gehabt habe. Daß Tiedge den Entzug gierungsdirektor Dörrenberg damals den Schluß, der Fahrerlaubnis tatsächlich der Amtsleitung mit- daß Präsident Hellenbroich Direktor Dr. Rombach geteilt hat, ist jedoch nicht festgestellt worden. Al- Entsprechendes erklärt haben könne, da für derar- lerdings soll Tiedge geäußert haben, er „habe ge- tige Observationen die Amtsleitung zuständig sei. beichtet".

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bb) Der Bericht des Leiters der Abteilung der Familie Tiedge aufmerksam gemacht. Dies Geheimschutz über das Verhalten Tiedges hatte auch zu einem Hinweis des Polizeipräsiden- bei einem Grillfest ten in Köln an die Verfassungsschutzabteilung des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfa- Zu einem im Sommer 1984 von Angehörigen des len geführt. Der Hinweis war an das Bundesamt für Bundeskriminalamtes veranstalteten Grillfest, zu Verfassungsschutz weitergegeben worden; zu einer dem auch „befreundete Dienste" eingeladen waren, Mitteilung an das Bundesministerium des Innern waren vom Bundesamt für Verfassungsschutz Di- war im Innenministerium des Landes Nordrhein rektor Dr. Rombach in Begleitung von Tiedge und Westfalen keine Veranlassung gesehen worden. der Abteilungsleiter V, Direktor Dr. Karkowsky, ge- kommen. Ihn hatte Direktor Dr. Rombach gebeten, Tiedge, der „ohne Wagen und ohne Fahrer" war, mit dd) Das Sicherheitsgespräch am 19. Oktober 1984 zurückzunehmen, weil er das Fest früher verließ. Nach den Bekundungen von Direktor Dr. Kar- Vom 19. Oktober bis 23. November 1984 unterzog kowsky vor dem Untersuchungsausschuß bot sich Tiedge, der an Diabetes, Bluthochdruck und Tiedge gegen 22.00 Uhr ein „jämmerliches Bild,,: Er Übergewicht litt, einem stationären Krankenhaus- habe sich in einem „von der Kleidung her ziemlich aufenthalt zur Stabilisierung seines Gesundheitszu- desolaten Zustand" befunden, „die Hose offen" ge- standes. Im Zusammenhang damit sprach Präsi- habt und sei „von oben bis unten mit Soße beklek- dent Hellenbroich am 19. Oktober 1984 den kommis- kert" gewesen. Wie Direktor Dr. Karkowsky selbst sarischen Leiter des Sicherheitsreferates im Rah- klargestellt hat, sei Tiedge jedoch nicht betrunken men eines routinemäßigen Sicherheitsgesprächs gewesen, „sondern sein Habitus war einfach sehr auf das Verhalten Tiedges an. Es solle festgestellt ungepflegt und desolat". werden, wie Tiedge sich nach dem Krankenhaus- aufenthalt führe. Oberregierungsrat Warbende Direktor Dr. Karkowsky hat ausgesagt, er habe an schlug daraufhin eine Observation Tiedges vor; an- einem der nächsten Tage Präsident Hellenbroich ders sei es nicht möglich, Tiedges außerdienstliches aufgesucht und „unter vier Augen" von dem Vorfall Verhalten, insbesondere seinen Alkoholkonsum, unterrichtet mit dem Hinweis, er halte es für „un- exakt festzustellen. Dieser Vorschlag wurde jedoch tragbar, daß ein Mann, der so heruntergekommen von Präsident Hellenbroich und Vizepräsident Dr. sei, in einer solchen Funktion tätig wäre, auch im Pelny als zu weitgehend abgelehnt; beide sahen zu Hinblick auf die Kontakte, die wir nach draußen einer so gravierenden Maßnahme, wie der Observa- haben". Präsident Hellenbroich habe daraufhin tion eines Amtsangehörigen, keinen ausreichenden „spontan gesagt, er mache sich große Sorgen um Anlaß; außerdem wäre eine Observation bei einem Herrn Tiedge; er (Tiedge) habe Alkoholprobleme, Fachmann wie Tiedge nach den Angaben aller Be- und er (Hellenbroich) würde ihn betreuen. Aber teiligten auf praktische Schwierigkeiten gestoßen. wenn das Geringste noch einmal vorkommen wür- de, müsse er und werde er ihn auch wegnehmen". ee) Die Ermahnung Tiedges im Februar 1985 An dieses Gespräch hat sich Präsident a. D. Hellen- broich vor dem Untersuchungsausschuß nicht mehr Im Febuar 1985 richtete der bereits erwähnte Nach- zu erinnern vermocht. bar Oberst a. D. Trömner ein Schreiben an den Prä- sidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, das Oberregierungsrat Warbende entgegennahm cc) Die Hinweise des Nachbarn Oberst a. D. und an Präsident Hellenbroich weiterleitete, ohne Trömner daß es zu seinen Akten zurückgelangte. Darin wurde erneut Beschwerde über Tiedge geführt. Die- Am 6. August 1984 rief ein Nachbar Tiedges, Oberst ser Brief war sodann Anlaß zu einem Gespräch des a. D. Trömner, bei dem Vizepräsidenten des Bun- Präsidenten und des Vizepräsidenten mit Tiedge desamtes für Verfassungsschutz an, um ihm „über am 20. Februar 1985, in dem ihm deutlich gemacht Tiedge etwas mitzuteilen". Das Gespräch wurde - wurde, daß sein „Schicksal am seidenen Faden hän- vom Vorzimmer an den kommissarischen Leiter ge", und er mit seiner Ablösung rechnen müsse, des Sicherheitsreferates, Oberregierungsrat War- falls er sich noch irgend etwas zuschulden kommen bende, weiterverbunden. In der Folge dieses Anrufs lasse. Nach dem Eindruck von Präsident Hellen- führte Vizepräsident Dr. Pelny am 10. August 1984 broich erkannte Tiedge bei dieser Gelegenheit den ein Gespräch mit Tiedge, in dem er ihn ermahnte, Ernst der Lage; er „wußte genau, wo es lang ging". dafür zu sorgen, daß keine weiteren Beschwerden aus der Nachbarschaft mehr kämen. Am 13. August 1984 suchte Oberregierungsrat Warbende Herrn ff) Das Gespräch zwischen Präsident Hellenbroich Trömner auf. Dabei sprach dieser auch den Ver- und Direktor Dr. Rombach am 15. März 1985 dacht aus, Tiedge sei für den Tod seiner Ehefrau verantwortlich; außerdem kam der Entzug der Bei dem bereits im Zusammenhang mit der gegen- Fahrerlaubnis zur Sprache. über Staatssekretär Kroppenstedt geäußerten Kri- tik von Präsident Hellenbroich an Direktor Dr. Oberst a. D. Trömner hatte, bevor er sich an das Rombach geschilderten Gespräch am 15. März 1985 Bundesamt für Verfassungsschutz wandte, bereits (S. 22) will Direktor Dr. Rombach ausdrücklich Si- das Vormundschaftsgericht und wiederholte Male cherheitsbedenken in bezug auf Tiedge geltend ge- Polizeidienststellen in Köln auf Auffälligkeiten in macht haben. Ob das tatsächlich der Fall war, ist im

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Untersuchungsausschuß nicht geklärt worden. Prä- Übergabegespräch zwischen beiden nicht statt; es sident Hellenbroich hat in seiner Aussage betont, war nach Aussage von Präsident a. D. Hellenbroich daß, wie die Unterredung am 29. November 1983, vor dem Untersuchungsausschuß für einen Zeit- auch dieses Gespräch am 15. März 1985 einen so punkt vorgesehen, an dem die beiderseitige Arbeits- persönlichen Charakter gehabt habe, daß die Be- belastung dies zuließ. Eine Unterrichtung von Dr. sprechung dienstlicher Dinge, wie das Verhältnis zu Pfahls über den Problemfall Tiedge unmittelbar weiteren Mitarbeitern, „absolut fehl am Platze" ge- durch Hellenbroich erfolgte daher nicht. wesen sei. Bei dem Gespräch am 15. März 1985 war Vizepräsident Dr. Pelny wegen des ausdrücklichen Präsident a. D. Hellenbroich hat vor dem Untersu- Wunsches von Direktor Dr. Rombach nach einer chungsausschuß bekundet, daß es „in dieser Zeit persönlichen Unterredung entgegen der sonstigen keinerlei Dinge im Hinblick auf Tiedge" gegeben Übung nicht anwesend. Nach der üblichen Unter- habe, „die die Alarmglocken hätten bewegen müs- richtung durch den Präsidenten gab es in diesem sen"; außerdem habe es „eine Kontinuität in der Gespräch „Herrn Hellenbroich zufolge einen einzi- Figur des Vizepräsidenten" gegeben. Er, Hellen- gen Gegenstand, nämlich eine Aussprache über die broich, sei „überzeugt, wenn da irgendetwas viru- Kritik Hellenbroichs an der Amtsführung Rom- lent geworden wäre, hätte er schon die nötigen bachs". Vizepräsident Dr. Pelny hat als Zeuge daher Maßnahmen ergriffen". Auch Vizepräsident Dr. nicht bestätigen können, daß der Problemfall Pelny sah in diesem Zeitpunkt keinen Anlaß, Präsi- Tiedge Gegenstand der Gespräche zwischen Direk- dent Dr. Pfahls über Tiedge zu unterrichten. tor Dr. Rombach und Präsident Hellenbroich war. Der bereits erwähnte Zeuge, Regierungsdirektor Dörrenberg, hat dazu vor dem Untersuchungsaus- c) Personalwirtschaftliche Überlegungen in bezug schuß ausgesagt, daß Direktor Dr. Rombach im Mai auf Tiedge 1985 ihm gegenüber angedeutet habe, er habe beim Präsidenten vergeblich versucht, Tiedge loszuwer- Bereits in den ersten Tagen des August 1985 sprach den. jedoch Direktor Dr. Rombach Präsident Dr. Pfahls auf Tiedge an. Nach den Bekundungen von Direktor Dr. Rombach vor dem Untersuchungsausschuß be- 4. Die Ereignisse in den letzten Monaten bis zu tonte er dabei die Dringlichkeit einer Lösung; Dr. Tiedges Übertritt in die DDR Pfahls habe auch sofortige Abhilfe versprochen. Nach Aussage von Präsident Dr. Pfahls war die Darstellung Direktor Dr. Rombachs allerdings eher a) Maßnahmen des neuen Leiters des als ein allgemeiner Hinweis auf einen Problemfall Sicherheitsreferats zu verstehen, dessen Lösung er im Auge behalten solle; zudem sei der Hinweis im Rahmen der allge- Zum 1. Juni 1985 erfolgte die bereits seit längerem meinen Gespräche erfolgt, die er zu Beginn seiner anstehende Neubesetzung des Sicherheitsreferates Tätigkeit der Reihe nach mit allen Abteilungslei- im Bundesamt für Verfassungsschutz. Oberregie- tern geführt habe. Ein akuter Handlungsbedarf rungsrat Warbende, der kommissarische Leiter und habe für ihn aber nicht bestanden. langjährige Stellvertreter, wies bei der Übergabe der Amtsgeschäfte seinen Nachfolger, Oberregie- Am 8. August 1985 erörterte Präsident Dr. Pfahls rungsrat Deckenbrock, auch auf den noch nicht ab- mit dem Abteilungsleiter Z des Bundesamtes für geschlossenen Fall Tiedge hin. Der neue Referats- Verfassungsschutz, Direktor Grünig, Personalfra- leiter fertigte nach Durchsicht der Sicherheitsakte gen. Nach Aussage von Präsident Dr. Pfahls schlug am 2. Juli 1985 einen handschriftlichen Vermerk, in dabei Direktor Grünig aus personalwirtschaftlichen dem es heißt: „M. E. stellt Tiedge ein Sicherheitsri- Gründen auch die Umsetzung Tiedges vor. Präsi- siko dar"; in demselben Vermerk wurden Maßnah- dent Dr. Pfahls folgte dem Vorschlag zu diesem men zur Überprüfung des Risikoumfangs verfügt. Zeitpunkt aber nicht, da er sich zunächst genaue Kenntnisse über den zugrundeliegenden Sachver- Der nun in der von Tiedge geleiteten Referats- halt verschaffen wollte. Gleichwohl soll nach Anga gruppe tätige Oberregierungsrat Warbende hat vor ben von Direktor Dr. Rombach der Abteilungslei- dem Untersuchungsausschuß ausgesagt, er habe ter Z, Direktor Grünig, ihm gegenüber etwa drei den Eindruck gewonnen, daß Tiedge gegenüber frü- Tage nach dem Gespräch mit dem neuen Präsiden- her unzufriedener und verunsicherter erschienen ten erklärt haben, daß „das Problem Tiedge bald in sei. Um diese Zeit gab es nach Angaben eines ande- meinem (Dr. Rombachs) Sinne gelöst werde". ren Zeugen auch „Flurgerüchte", daß Tiedge abge- löst werden solle; Tiedge selbst habe geäußert, daß Am 16. August 1985 fand ein Gespräch von Vizeprä- er mit einer solchen Maßnahme rechne. sident Dr. Pelny und Abteilungsleiter Z, Direktor Grünig, mit dem Personalrat über eine Beförde- rungsstelle statt, für die auch Tiedge in Betracht b) Der Wechsel im Amt des Präsidenten gezogen war. Vizepräsident Dr. Pelny hat vor dem Untersuchungsausschuß bekundet, daß er auch bei Als am 1. August 1985 Heribert Hellenbroich zum Gelegenheit dieses Gesprächs „nicht auf einen ent- Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes und sprechenden Gedanken gekommen" sei, Präsident Dr. Holger Pfahls zum Präsidenten des Bundesam- Dr. Pfahls über die vom Abteilungsleiter Z am 8. tes für Verfassungsschutz ernannt wurden, fand ein und 16. August angesprochene Verwendbarkeit

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Tiedges hinaus in irgendeiner Weise über Tiedge tion, die nach Beendigung eines noch nicht abge- und von dem mit diesem im Zusammenhang ste- schlossenen Einsatzes des dafür vorgesehenen Per- henden „Hintergrund" zu unterrichten. sonals begonnen werden sollte.

Nach Aussage der dazu gehörten Zeugen erfuhr von d) Weitere Pfändungsmaßnahmen gegen Tiedge der angeordneten Observation außer der Amtslei- tung, dem Leiter des Sicherheitsreferates und dem Inzwischen waren beim Bundesamt für Verfas- von diesem noch am 16. August 1985 verständigten sungsschutz weitere Gehaltspfändungen gegen zuständigen Beamten niemand, insbesondere nicht Tiedge eingegangen. Tiedge selbst.

Ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Köln vom 23. Juli 1985 über 442,90 DM einschließlich Zinsen und Kosten wegen der Forde- f) Der Übertritt Tiedges in die DDR rung eines Bekleidungsgeschäfts sowie eine Pfän- dungsverfügung der Stadt Köln vom 30. Juli 1985 Am Samstag, dem 17. August 1985, versuchte ein über 82,80 DM einschließlich Säumniszuschlag und Mitarbeiter von Tiedge, diesen aus dienstlichem Kosten wegen einer Hundesteuerforderung wurden Anlaß in seinem Hause zu ereichen, was zunächst am 1. August 1985 zugestellt; eine weitere Pfän- nicht gelang; Tiedge rief dann aber selbst aus sei- dungsverfügung der Stadt Köln vom 12. August ner Stammgastwirtschaft zurück und erklärte, er 1985 über 199,58 DM einschließlich Säumniszu- stehe auch hier für Rücksprachen zur Verfügung. schlägen und Kosten wegen Krankentransportge- Nach Aussagen von Zeugen ging Tiedge am Sonn- bühren für eine Tochter Tiedges ging am 14. August tag, dem 18. August 1985, gegen 10.00 Uhr von sei- 1985 ein. Die beiden ersten übersandte die Zahl- nem Haus erneut zu der üblichen Skatrunde in stelle mit Anschreiben vom 12. August 1985 an das diese Gastwirtschaft. Bei dieser Gelegenheit sahen Sicherheitsreferat, wo sie am 14. August 1985 ein- ihn auch seine Kinder zum letzten Mal vor seinem gingen. Der dortige Leiter telefonierte unverzüglich Übertritt. In der Gaststätte blieb er bis zum Nach- mit Tiedge, der „sofort wußte, warum er angerufen mittag. Um 16.41 Uhr ließ er sich von einem Taxi zu wurde". Da Tiedge gerade Besuch hatte, wurde ein einer Straßenbahnhaltestelle in Köln-Merheim fah- Gespräch für den nächsten Tag, Donnerstag, den ren. 15. August 1985, verabredet. Als der Leiter des Si- cherheitsreferates an diesem Tage erneut bei Über seinen weiteren Verbleib liegen keine ge- Tiedge anrief, erfuhr er, daß dieser am 14. August nauen Anhaltspunkte vor. Am Montag, dem 19. Au- 1985 bei seinem Abteilungsleiter für den nächsten gust 1985, meldete sich Tiedge bei einer Sekretärin Tag Urlaub genommen hatte. telefonisch krank. Woher dieser Anruf kam, ließ sich jedoch nicht feststellen. Die Krankmeldung Am folgenden Tage, dem 16. August 1985, rief verwunderte insbesondere seinen neuen Mitarbei- Tiedge eine Sekretärin seiner Abteilung an, um mit- ter, Oberregierungsrat Warbende, da an diesem Wo- zuteilen, daß er auch für diesen Tag Urlaub nehme; chenende der Spionagefall Ursula Richter bekannt- es war dies das Datum, zu dem die Rückzahlung geworden war. Eine Krankmeldung in einer derarti- eines operativen Vorschusses von 1 500,— DM fällig gen Situation sei bei Tiedge erstaunlich gewesen, war. da dieser in vergleichbaren Lagen sonst immer ohne Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand zum Dienst gekommen sei. e) Die Entscheidung zur Observation Tiedges Da Tiedge nach dem Eindruck dieses Mitarbeiters Am selben Tage stellte sich der Leiter des Sicher- bereits an seinem letzten Anwesenheitstag, dem heitsreferates, Oberregierungsrat Deckenbrock, bei 14. August 1985, in einer „ausgesprochen schlechten dem neuen Präsidenten vor. Bei dieser Gelegenheit Verfassung" gewesen war, weil eine seiner Töchter brachte er auch den Problemfall Tiedge zur Spra- in diesen Tagen von der Real- auf die Hauptschule che. Präsident Dr. Pfahls erteilte dazu die Weisung, umgemeldet werden mußte, was ihn sehr betroffen die persönliche Lage und das Verhalten von Tiedge gemacht habe, wandte sich Warbende am 19. Au- umfassend abzuklären und die seit 1982 schwe- gust 1985 besorgt an die Leitung des Bundesamtes bende Wiederholungsüberprüfung zum Abschluß zu für Verfassungsschutz. Nach seinen Angaben ver- bringen, weil sich die bis dahin in der Sicherheits- anlaßte daraufhin Vizepräsident Dr. Pelny, erste Er- akte enthaltenen Angaben für Präsident Dr. Pfahls mittlungen aufzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt nach dessen eigener Bekundung nicht auf aktuel- wurde ein Übertritt Tiedges in die DDR allerdings lem Stand befanden und die genauen Verhältnisse noch als die unwahrscheinlichste Möglichkeit ange- Tiedges in diesem Zeitpunkt nicht geklärt waren. sehen. An diesem Tage oder am Morgen des 20. Au- Dazu sollten seine Trinkgewohnheiten durch eine gust 1985 erfuhr Präsident Dr. Pfahls durch Vize- unverzügliche Observation, der Schuldenstand präsident Dr. Pelny erstmals von der besonderen durch Einholung von Bankauskünften sowie der Operation, an der Tiedge beteiligt war und die aus- übrige Sachstand durch ein Sicherheitsgespräch schlaggebend für die Entscheidung der Amtsleitung festgestellt werden. Oberregierungsrat Decken- vom 1. Juli 1983 gewesen sei, ihn im Amt zu belas- brock unterrichtete noch am selben Abend den zu- sen. Am 21. August 1985 schließlich gingen die ständigen Beamten von der angeordneten Observa- Suchmaßnahmen in Schadensbegrenzungsmaßnah-

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men über. Am Freitag, dem 23. August 1985, 10.25 schutzes erworben hat. Dieser Spionageverdachts Uhr, meldete ADN sodann den Übertritt Tiedges in fall im Bundesamt für Verfassungsschutz könnte die DDR. sich jedoch auf die Arbeit des Präsidenten des Bun- desnachrichtendienstes nachteilig auswirken und 5. Kenntnisse von der Situation Tiedges die wirksame Aufgabenerfüllung des Bundesnach- richtendienstes beeinträchtigen. Während die persönlichen Probleme Tiedges mit Haushalt und Kindern aufgrund des Todes seiner Staatssekretär Professor Dr. Schreckenberger hat Ehefrau wohl allgemein im Bundesamt für Verfas- vor dem Untersuchungsausschuß ergänzend erläu- sungsschutz bekannt waren, wurden Kenntnisse tert, die Zusammenarbeit mit anderen Diensten sei von Alkoholproblemen unterschiedlich dargestellt: „mit einer solchen Hypothek" zu sehr erschwert ge- wesen. Heribert Hellenbroich selbst hat vor dem Der ehemalige Vorgesetzte Tiedges, Dr. von Hoe- Untersuchungsausschuß seine Versetzung in den gen, und der Leiter der Abteilung Z im Bundesamt einstweiligen Ruhestand als nicht gerechtfertigt be- für Verfassungsschutz, Direktor Grünig, haben be- zeichnet. kundet, daß ihnen von Tiedges Alkoholproblemen nichts bekannt gewesen sei. III. Die Spionagefälle Lüneburg, Höke, Willner Andere Zeugen haben ausgesagt, Tiedges hoher Al- koholkonsum sei im Amt bei verschiedenen Beam- ten des höheren Dienstes weithin bekannt gewe- 1. Der Fall Lüneburg sen. Nach den bisherigen Feststellungen im Zuge der Der damalige Präsident des Bundesamtes, Dr. Ri- strafrechtlichen Ermittlungen handelt es sich bei chard Meier, soll gegenüber einem Abteilungsleiter, Sonja Lüneburg um eine sogenannte Alias-Exi- der auf eine Umsetzung Tiedges in seine Abteilung stenz; ihre wahre Identität konnte nicht ermittelt habe hinwirken wollen, geäußert haben: „Der werden. Die ursprüngliche Namensträgerin wurde säuft!". im September 1966 von Berlin nach Colmar in Frankreich abgemeldet; ihr tatsächlicher Verbleib Übereinstimmend ist berichtet worden, daß Tiedge ist unbekannt. grundsätzlich aus seinen persönlichen Verhältnis- sen keinen Hehl gemacht habe. Die später als Sonja Lüneburg aufgetretene Person meldete sich am 25. Januar 1967 von Colmar kom- Kenntnisse von Tiedges Alkoholkonsum gab es im mend in Offenbach an. Von 1967 bis 1969 arbeitete Bundesministerium des Innern jedoch nicht. Weder sie als Versicherungsangestellte in und haben Zeugen aus dem Bundesamt für Verfas- . Von 1969 bis Februar 1973 war sie Sekre- sungsschutz behauptet, dem Bundesministerium tärin des FDP-Bundestagsabgeordneten William des Innern über dieses Problem berichtet zu haben, Borm. Von März 1973 bis Oktober 1975 war sie in noch haben sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß der Bundesgeschäftsstelle der FDP tätig, von März die Alkoholprobleme Tiedges dort auf andere Weise bis August 1973 als Sekretärin von Generalsekretär bekannt geworden wären. Karl Hermann Flach, anschließend bis September Auf die finanziellen Probleme hätte das Bundesmi- 1974 bei dem damaligen Bundesgeschäftsführer Ha- nisterium des Innern einen Hinweis lediglich durch rald Hofmann und von Oktober 1974 bis Oktober die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungs- 1975 bei dem damaligen Generalsekretär Dr. Mar- beschlusses vom 22. August 1984 erhalten können. tin Bangemann, für den sie auch in der Folge arbei- Eine inhaltliche Prüfung derartiger Irrläufer, die tete, nämlich von Januar 1976 bis 1980 in seiner wegen der von den Mitarbeitern des Bundesamtes Eigenschaft als Mitglied des Deutschen Bundesta- für Verfassungsschutz anzugebenden Adresse des ges, von 1980 bis 1984 in seiner Eigenschaft als Mit- Arbeitsgebers („Bundesministerium des Innern — glied des Europäischen Parlaments und zugleich als Dienststelle Köln") häufiger seien, findet jedoch ge- Präsident der Fraktion der liberalen und demokra- nerell nicht statt. - tischen Parteien, ELD, im Europäischen Parlament und seit Juli 1984 in seiner Eigenschaft als Bundes- minister für Wirtschaft. Bis April 1985 war sie erste 6. Die Versetzung von Präsident Heribert Vorzimmersekretärin und ab Mai 1985 Sachbear- Hellenbroich in den einstweiligen Ruhestand beiterin im Ministerbüro des Bundesministers für Am 29. August 1985 wurde Heribert Hellenbroich Wirtschaft. Sie wurde im April 1976 und im Juni als Präsident des Bundesnachrichtendienstes ge- 1985 zum Umgang mit Verschlußsachen der Ge- mäß § 36 des Bundesbeamtengesetzes in den einst- heimhaltungsgrade „VS-Vertraulich” bzw. „Geheim" weiligen Ruhestand versetzt. ermächtigt. Im Bereich des Bundesministeriums für Wirtschaft hatte sie jedoch nach den Ermittlun- Im Bulletin Nr. 91 vom 30. August 1985 erklärte die gen des Generalbundesanwaltes keinen Umgang Bundesregierung folgendes: mit Verschlußsachen. Hellenbroich trug als ehemaliger Präsident des Seit dem 3. August 1985 ist der Aufenthalt von Bundesamtes für Verfassungsschutz im Falle Sonja Lüneburg unbekannt. Tiedge die Verantwortung. Dieser Fall schmälert nicht die Verdienste, die sich Hellenbroich in seiner Am 6. August 1985 wurde sie in Bonn als vermißt langjährigen Tätigkeit im Dienste des Verfassungs gemeldet. Am 7. August 1985 erhielt die Bundesan-

Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584 waltschaft beim Bundesgerichtshof vom 14. Kom- mit dem Verdachtsfall Höke hat Bundesminister missariat der Kriminalpolizei in Bonn die Vermiß- Dr. Friedrich Zimmermann nach seiner Bekundung tenmeldung. Am 8. August 1985 leitete der General vor dem Innenausschuß des Deutschen Bundesta- bundesanwalt ein Ermittlungsverfahren ein, weil ges als noch von den bestehenden Regeln gedeckt bei einer Durchsuchung der Wohnung von Sonja angesehen. Vor dem 2. Untersuchungsausschuß hat Lüneburg eine Fotoausrüstung festgestellt worden er ausgesagt, er hätte es jedoch begrüßt, wenn das war, wie sie auch von Agenten zum Zwecke der Bundesministerium des Innern zeitgleich mit dem Dokumentenfotografie verwendet wird. Bundespräsidialamt unterrichtet worden wäre. Dem neuen Präsidenten des Bundesamtes für Ver- fassungsschutz habe er mitgeteilt, daß er es als un- 2. Der Fall Höke passend empfinden würde, wenn dieser zwar seiner Berichtspflicht gegenüber anderen obersten Bun- desbehörden nachkäme, ohne gleichzeitig das Bun- a) Die Entwicklung des Verdachtsfalles Höke desministerium des Innern als seine unmittelbare oberste Bundesbehörde zu verständigen. Margarethe Höke war vom 1. April 1958 bis 31. Mai 1959 als Verwaltungsangestellte im Auswärtigen Amt beschäftigt. Seit dem 1. Juni 1959 war sie im b) Der G 10-Antrag vom 4. März 1985 Bundespräsidialamt tätig, zuletzt als Vorzimmer kraft des Leiters der Abteilung II, in dessen Zustän- digkeitsbereich militärische Angelegenheiten und Mit Schreiben vom 4. März 1985, eingegangen im Belange des Auswärtigen fallen. Bundesministerium des Innern am 5. März 1985, be- antragte das Bundesamt für Verfassungsschutz die Im Jahre 1968 lernte Margarethe Höke einen Mann unbeschränkte Überwachung aller Postsendungen kennen, der sich Franz Becker nannte und seiner- und des Telefons, weil es glaubte, die „Verdachts- zeit in Bonn studierte. Nach Erkenntnis des Bun- lage gegen Frau Höke als so dicht annehmen zu desamtes für Verfassungsschutz wurde Becker aus können"; nach Darstellung von Präsident a. D. Hel- der DDR im März 1966 unter Benutzung falscher lenbroich fiel Margarethe Höke eindeutig „in das biografischer Daten in die Bundesrepublik Raster der sogenannten Sekretärinnen-Fälle". Deutschland eingeschleust. Alle im Bundesministerium des Innern mit dem An- Auf ihn und damit auf die zwischen Margarethe trag befaßten Stellen gelangten zu dem Ergebnis, Höke und ihm in der Zeit von Oktober 1969 bis Mai daß die dargelegten Umstände für eine Anordnung 1971 bestehende Verbindung stieß das Bundesamt nach dem G 10-Gesetz unzureichend seien und nach für Verfassungsschutz durch methodische Ermitt- Ansicht des Fachreferates nicht den strengen Maß- lungsarbeit. Becker hatte Margarethe Höke in ei- stäben dieses Gesetzes für einen Grundrechtsein- nem Studienförderungsantrag nach dem Honnefer griff genügten. Insbesondere wurde ein hinreichen- Modell als „Adreßbürgin" angegeben. Aufgrund der Vortrag tatsächlicher Anhaltspunkte für den weiterer Erkenntnisse wurde festgestellt, daß er in Verdacht einer Spionagetätigkeit vermißt. Das, was anderen Fällen als möglicher „Tipper" oder „Anbah- das Bundesamt für Verfassungsschutz vorgetragen ner" genannt worden war. Über diese Umstände un- hatte, wurde als „recht alte" und „verhältnismäßig terrichtete Präsident Hellenbroich am 26. Februar wenig spezifische" Information betrachtet. Im Bun- 1985 den Chef des Bundespräsidialamtes, Staatsse- desministerium des Innern bestand die Ansicht, kretär Dr. Klaus Blech, und den Bundespräsidenten daß sich aus jener früheren Bekanntschaft von persönlich. Margarethe Höke allein kaum „ausreichende An- haltspunkte für den Verdacht" nach § 99 StGB im Die Besonderheit, daß von dem Verdacht gegen Sinne des G 10-Gesetzes herleiten ließen. Margarethe Höke zunächst das Bundespräsidi- alamt unterrichtet und erst durch die Stellung des Deshalb fand am 11. März 1985 eine ausführliche G 10-Antrages vom 4. März 1985 das Bundesmini-- Besprechung zwischen Mitarbeitern des Bundes- sterium des Innern mit der Angelegenheit befaßt amtes für Verfassungsschutz und des Bundesmini- wurde, ist von Vizepräsident Dr. Pelny vor dem Un- steriums des Innern über den Antrag statt. Bei die- tersuchungsausschuß damit erklärt worden, daß in ser Gelegenheit wurde das Bundesamt auf die der Erwartung, einem Antrag auf Überwachung des Zweifel des Bundesministeriums des Innern hinge- Post- und Fernmeldeverkehrs werde entsprochen, wiesen und gebeten, nochmals die Möglichkeiten auch das Bundespräsidialamt über den Fall hätte des Einsatzes milderer Mittel, etwa einer Observa- unterrichtet sein müssen. Präsident Hellenbroich tion, zu prüfen und gegebenenfalls etwaige Um- wollte nach seiner Aussage mit diesem Schritt stände aus jüngerer Zeit zu ermitteln, die geeignet gleichzeitig dem G 10-Antrag „Druck geben" und wären, einen nachrichtendienstlichen Verdacht zu „dokumentieren", daß er „diesen Fall als derart begründen. Der Aufforderung, verschiedene Einzel- schwerwiegend betrachte", daß er „schon den Präsi- heiten der Antragsbegründung zu belegen, kam das denten informiert" habe und „nicht diesen Fall Bundesamt mit Schreiben vom 13. März 1985 nach. Höke als irgendeinen 08/15-Agentenfall behandelt Die Haltung des Bundesministeriums des Innern wissen" wolle. wurde dadurch jedoch nicht geändert. Der Leiter der Abteilung IS, Ministerialdirektor Dr. Heuer, mit Die Unterrichtung des Bundespräsidialamtes vor dem der Vorgang am 22. März 1985 erörtert wurde, der Befassung des Bundesministeriums des Innern hielt an seiner Auffassung fest, daß die nach § 2

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Abs. 1 des Gesetzes erforderlichen „tatsächlichen ihn, das Gespräch mit dem Bundesminister des In- Anhaltspunkte" für eine nachrichtendienstliche nern zu suchen und einen erneuten Vorstoß in Verbindung in diesem Falle nicht belegt seien. Am Sachen G 10-Antrag gegen Margarethe Höke zu un- 26. März 1985 wurde der Vorgang Staatssekretär Dr. ternehmen. Fröhlich vorgetragen. Alle Beteiligten im Bundes- ministerium des Innern kamen erneut zu dem Er- gebnis, daß der vom Bundesamt für Verfassungs- c) Gespräch zwischen Bundesminister schutz dargelegte Sachverhalt für eine Anordnung Dr. Zimmermann und Präsident Hellenbroich nach dem Gesetz zu Art. 10 GG nicht ausreichend am 28. Juni 1985 sei. Bei der bereits erwähnten Vorsprache bei Bundes- Am 27. März 1985 wurde dem Bundesamt für Ver- minister Dr. Zimmermann am 28. Juni 1985 schil- fassungsschutz die Ablehnung seines Antrages auf derte Präsident Hellenbroich nach seinen Angaben Referatsebene vorab telefonisch mitgeteilt. Diese vor dem Untersuchungsausschuß den Fall Höke in Mitteilung erreichte auch Präsident Hellenbroich. allen Einzelheiten, einschließlich der Tatsache, daß Dieser bat daraufhin in einem an den Leiter der er den Bundespräsidenten bereits unterrichtet Abteilung IS des Bundesministeriums des Innern habe. Er berichtete dem Minister dabei auch die gerichteten Schreiben vom 29. März 1985 darum, neuen Erkenntnisse, die durch die Observation von den G 10-Antrag in Sachen Höke noch einmal zu Margarethe Höke zwischenzeitlich gewonnen wor- überprüfen, weil nach Auffassung des Bundesamtes den waren. für Verfassungsschutz feststehe, daß mindestens in den Jahren 1969 bis 1971 Margarethe Höke in einer Er nahm den Fall darüber hinaus zum Anlaß, gene- Beziehung zu einem Agenten des Ministeriums für rell die Praxis der Fachabteilung des Bundesmini- Staatssicherheit der DDR gestanden habe und mit steriums des Innern bei der Behandlung von G 10 Sicherheit davon auszugehen sei, daß dieser Mann Anträgen anzusprechen, die von ihm und dem Vize- sie auch nachrichtendienstlich angesprochen habe. präsidenten des Bundesamtes gleichermaßen als Problem empfunden wurde, weil — ihrer Auffas- Dieses Schreiben, das mit der für Spionageabwehr sung nach — an diese Anträge zu hohe Anforderun- zuständigen Abteilung IV des Bundesamtes für Ver- gen gestellt würden. Vizepräsident Dr. Pelny hat fassungsschutz nicht abgesprochen war, hat Präsi- dies vor dem Untersuchungsausschuß dahin erläu- dent a. D. Hellenbroich vor dem Untersuchungsaus- tert, daß seiner Ansicht nach „die Schwelle für die schuß als „außerordentlichen Schritt" bezeichnet, Möglichkeit einer G 10-Maßnahme niederer als in mit dessen Hilfe dem Bundesministerium des In- vergleichbaren Vorschriften der StPO" liege. Präsi- nern die Auffassung des Bundesamtes für Verfas- dent Hellenbroich war mit der Erwartung in dieses sungsschutz „noch einmal nachdrücklich vor Augen Gespräch gegangen, der Minister werde „in Sachen geführt" werden sollte. G 10 etwas unternehmen". Bundesminister Dr. Zim- mermann sah hierzu jedoch keine Veranlassung, da Auch dieser Brief änderte jedoch nichts an der Hal- Präsident Hellenbroich nach seiner Auffassung tung des Bundesministeriums des Innern. Am keine neuen juristischen Argumente vorgetragen 4. April 1985 teilte Ministerialdirektor Dr. Heuer hatte. Er antwortete ihm, daß man mit Grund- dem Präsidenten des Bundesamtes mit, daß dem rechtseingriffen nach dem G 10-Gesetz nicht groß- G 10-Antrag in Sachen Höke nicht stattgegeben zügig verfahren könne, sondern „sehr penibel" sein werden könne, weil die Tatsache, daß Franz Becker müsse. Margarethe Höke vor 16 bzw. 14 Jahren in einem Studienförderungsantrag als Adreßbürgin angege- Später hat Bundesminister Dr. Zimmermann dann ben habe, nicht als hinreichender tatsächlicher An- in dieser Angelegenheit mit dem neu ernannten haltspunkt für eine nachrichtendienstliche Ver- Staatssekretär Neusel ein Grundsatzgespräch ge- strickung von Margarethe Höke selbst ausreiche. führt und ihn gebeten, sich dieser Problematik zu- Von dieser Entscheidung unterrichtete der Präsi- sammen mit der zuständigen Abteilung im Bundes- dent des Bundesamtes für Verfassungsschutz den- ministerium des Innern besonders anzunehmen. Chef des Bundespräsidialamtes. Was die Unterrichtung über den Fall Höke anbe- Zugleich wies er die zuständige Fachabteilung an, langt, so hat der Minister vor dem Untersuchungs- weitere Ermittlungen anzustellen. Davon versprach ausschuß seinen Eindruck wiedergegeben, er habe er sich Anhaltspunkte für einen neuerlichen An- nichts von einer „Alarmierung" bemerkt; Präsident trag. Hellenbroich habe wohl seine Berichtspflicht ihm gegenüber erfüllt. Am Ende des Gespräches bat er Durch eine Observation konnte am 26. Juni 1985 ein Präsident Hellenbroich, ihn auf dem laufenden zu nachrichtendienstlicher Treff von Margarethe halten. Höke mit einem Ehepaar festgestellt werden, das später in der Schweiz verhaftet wurde und zugab, Kurierdienste im Auftrag eines östlichen Nachrich- d) Der G 10-Antrag vom 4. Juli 1985 tendienstes erledigt zu haben. Diese neuen Er- kenntnisse, über die Präsident Hellenbroich noch Aufgrund der durch die Observation von Margare- am Abend des 26. Juni 1985 unmittelbar vom zu- the Höke gewonnenen neuen Erkenntnisse stellte ständigen Referat des Bundesamtes für Verfas- Präsident Hellenbroich am 4. Juli 1985 erneut einen sungsschutz unterrichtet wurde, waren Anlaß für G 10-Antrag. Der Antrag enthielt auch den Hinweis

Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584 darauf, daß der Minister am 28. Juni 1985 über den tet. Am 23. August 1985, dem Tag der ADN-Meldung aktuellen Sachstand unterrichtet worden war. über den Übertritt Tiedges in die DDR, leitete der Generalbundesanwalt nach Unterrichtung durch Daraufhin fand am 5. Juli 1985 eine Besprechung das Bundesamt für Verfassungsschutz ein Ermitt- zwischen Beamten des Bundesamtes für Verfas- lungsverfahren gegen Margarethe Höke ein. Am sungsschutz und des Bundesministeriums des In- 24. August 1985 wurde sie festgenommen. nern statt. Dabei wurde das Bundesamt für Verfas- sungsschutz angewiesen, „die vorgetragenen Mo- 1 mente (Verdachtslage und Erkenntnisse gegen die 3. Der Fall Willner Treffpartnerin von Frau Höke und den Begleiter)" aktenkundig zu machen. Dies erfolgte mit Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 8. Juli a) Die Entwicklung des Verdachtsfalles Willner 1985. Die Mitteilung über den nachrichtendienstli- chen Treff war für das Bundesministerium des In- Hertha-Astrid Willner, geb. Brügmann, war von nern Anlaß, nunmehr hinreichende tatsächliche An- 1965 bis 1973 Verwaltungsangestellte im Bereich haltspunkte anzunehmen. des Bundesministeriums der Verteidigung, und zwar zunächst bei der Marineversorgungsschule Deshalb wurde am 10. Juli 1985 die G 10-Maßnahme List auf Sylt, ab Oktober 1966 im Bundesministe- durch Staatssekretär Kroppenstedt in Vertretung rium der Verteidigung in Bonn. Mit Wirkung vom des Ministers angeordnet. 1. Juli 1973 wurde sie in das Bundeskanzleramt übernommen. Sie war dort zunächst im Vorzimmer Am selben Tage wurde die G 10-Kommission mit des damaligen Leiters der Gruppe 41 — Europäi- dem Vorgang befaßt, die die Maßnahme unter der sche Wirtschaftsintegration — eingesetzt und von Bedingung der Begrenzung auf einen Monat für zu- Anfang November 1973 bis zu ihrer Flucht als Vor- lässig und notwendig erklärte. Am 11. Juli 1985 zimmerkraft des Leiters der Abteilung 3 — Innere wurde das Bundesamt für Verfassungsschutz davon Angelegenheiten, Sozialpolitik und Planung — tä- in Kenntnis gesetzt, daß Staatssekretär Kroppen- tig. stedt darum gebeten habe, Staatssekretär Dr. Blech im Bundespräsidialamt vor Vollzug der Maßnahme Am 1. Juli 1974 heiratete sie Herbert Willner, der durch den Präsidenten des Bundesamtes für Ver- nach einem Journalistik-Studium an der Karl- fassungsschutz zu unterrichten. Mit Vermerk vom Marx-Universität in im Januar 1961 in die 12. Juli 1985 wurde Bundesminister Dr. Zimmer- Bundesrepublik Deutschland übergewechselt war mann von der Abteilung IS über die Anordnung der und seit 1965 bei der Bundesgeschäftsstelle der G 10-Maßnahme und die Zustimmung der G 10- FDP zunächst als Redakteur in der Pressestelle, Kommission informiert. später als Referent und verantwortlicher Redak- teur in der Abteilung für Außen-, Deutschland-, Si- Bei einem Gespräch am selben Tage mit dem als cherheits- und Entwicklungspolitik tätig gewesen Amtsnachfolger von Präsident Hellenbroich vorge- war. 1979 war er mit demselben Aufgabenbereich in sehenen Ministerialdirigenten in der Bayerischen die Abteilung Planung und Grundsatz der Fried- Staatskanzlei, Dr. Holger Pfahls, über Aufbau des rich-Naumann-Stiftung übergewechselt; ein Arbeit- Amtes und Aufgaben der einzelnen Abteilungen schwerpunkt war Deutschland, Europa und Atlanti- machte Bundesminister Dr. Zimmermann auch — sches Bündnis. ohne Namen zu nennen und ohne den Fall in seinen Einzelheiten zu schildern — auf die Angelegenheit Anders als bei seiner Ehefrau, gegen die zu keiner Höke aufmerksam und empfahl ihn besonderer Zeit der Verdacht einer nachrichtendienstlichen Tä- Aufmerksamkeit. Am 1. August 1985, dem Tage sei- tigkeit bestand, waren gegen Herbert Willner An- nes Dienstantrittes, erkundigte sich Präsident Dr. haltspunkte für einen Verdacht vorhanden, die sich Pfahls bei Vizepräsident Dr. Pelny sofort nach die- in erster Linie aus einer Bewertung seines Lebens- sem Fall und erfuhr dabei, daß dem G 10-Antrag in laufs ergaben, wie er ihn selbst im Bundesnotauf- der Zwischenzeit entsprochen worden war. - nahmeverfahren im Jahre 1961 und bei einer Befra- gung durch den MAD anläßlich einer Wehrübung Am 31. Juli 1985 stellte das Bundesamt für Verfas- im Jahre 1975 geschildert hatte. So hatte er behaup- sungsschutz einen Antrag auf Verlängerung der tet, während seiner 4 1/2-jährigen sowjetischen G 10-Anordnung, der im wesentlichen damit be- Kriegsgefangenschaft sei seine frühere Zugehörig- gründet war, daß die bisherige Überwachung weder keit zur Waffen-SS nicht entdeckt worden. Dies, wie ent- noch belastende Erkenntnisse erbracht habe, auch seine Behauptung, er sei in der DDR niemals weil Margarethe Höke sich bis zum 29. Juli 1985 im mit dem Ministerium für Staatssicherheit in Berüh- Urlaub befunden habe. Am 6. August 1985 ordnete rung gekommen, insbesondere auch nicht während Staatssekretär Neusel daraufhin in Vertretung von seines Journalistik-Studiums an der Karl-Marx- Bundesminister Dr. Zimmermann die Verlängerung Universität in Leipzig, wurde vom Bundesamt für der G 10-Maßnahme vom 12. August bis 12. Novem- Verfassungsschutz nicht für glaubhaft gehalten. Als ber 1985 an. Am selben Tage erklärte die G 10-Kom- verdächtig erschienen auch die Umstände seines mission diese Anordnung für zulässig und notwen- Überwechselns in die Bundesrepublik Deutschland dig. im Januar 1961.

Bundesminister Dr. Friedrich Zimmermann wurde Im Zuge der deshalb seit 1973 angestellten Ermitt davon durch Vermerk vom 7. August 1985 unterrich- lungen ergaben sich Hinweise, aber keine konkre-

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ten Verdachtsmomente für eine nachrichtendienst- in einen Vermerk des Bundesamtes für Verfas- liche Tätigkeit. So hatte sich im Sommer 1961 eine sungsschutz vom 4. Februar 1985. Darin hieß es, daß Hamburger Vermieterin über ihren Untermieter es sich im Falle des Ehemannes um eine „klassi- Willner beschwert, weil er in seinem Zimmer oft sche Vor-Mauerbau-Einschleusung" eines mögli- über Nacht Schreibarbeiten verrichte, obwohl er chen Agenten handeln könne. Die angeführten Ver- ohne Arbeit sei. Im Sommer 1973 wurde in einem dachtsmomente gegen ihn erhärteten die Vermu- undatierten Schreiben des britischen Verbindungs- tung, er könne in nachrichtendienstliche Verstrik- offiziers an das Bundesamt für Verfassungsschutz kung geraten sein; dieser Verdacht könne bis jetzt darauf hingewiesen, daß Willner ein auffälliges In- jedoch nicht konkretisiert werden. Für Maßnahmen teresse an Angehörigen und Aufgabengebieten der der Post- und Telefonkontrolle reiche der beste- Britischen Botschaft und der Botschaften der Com- hende Verdacht erfahrungsgemäß nicht aus. monwealth-Staaten in der Bundesrepublik Deutsch- land sowie an der Europäischen Verteidigung zeige. Im Februar 1978 erhielt das Bundesamt für Verfas- Der zuständige Sachbearbeiter, der zuständige Re- sungsschutz einen Hinweis eines ehemaligen Mit- feratsleiter und Tiedge als der zuständige Gruppen- arbeiters des Bundeskriminalamtes, der Willner leiter empfahlen daher, mit einer Befragung des verdächtigte, einem gegnerischen Nachrichten- Betroffenen „die Angelegenheit abzuschließen". dienst Material zu liefern; denn Willner kümmere Diesen Vorschlag lehnte Direktor Dr. Rombach als sich um Angelegenheiten, die ihn nichts angingen Abteilungsleiter als nicht erfolgversprechend ab; und die zum Teil der Geheimhaltung unterlägen. So denn es sei eine „nachrichtendienstliche Erkennt- habe er anläßlich einer Beratung der FDP-Bundes- nis", daß ein Agent, der befragt worden sei und der tagsfraktion über die Neutronenwaffe als Protokoll- demnach wisse, daß er „im Visier der gegnerischen führer fungiert, obwohl er als Bediensteter der Abwehr" stehe, entweder „abgeschaltet" oder für FDP-Bundesgeschäftsstelle mit der Fraktion nichts eine geraume Zeit nicht mehr tätig werde. Dadurch zu tun habe. wäre die Beweislage für das Bundesamt für Verfas- sungsschutz erschwert. Direktor Dr. Rombach lei- Im Bundesamt für Verfassungsschutz wurde der tete deshalb den Vorgang der Amtsleitung zu, weil Fall Willner im Februar 1978 auf Anordnung des er eine Besprechung des für ihn gewichtigen Falles damaligen Leiters der Abteilung Spionageabwehr, für erforderlich hielt. Präsident Hellenbroich und des späteren Präsidenten Hellenbroich, zu den Ak- Vizepräsident Dr. Pelny stimmten seiner Einschät- ten genommen, weil die aufgrund der angefallenen zung zu. Am 17. Mai 1985 stellte Präsident Hellen- Hinweise aufgenommenen Ermittlungen keine An- broich deshalb den Antrag, alle Postsendungen und haltspunkte erbracht hatten, die einen Verdacht ge- das Telefon von Herbert Willner unbeschränkt zu gen Herbert Willner hätten erhärten können. Der überwachen. Begründet war dieser im wesentlichen Vorgang wurde im Juli 1983 wieder aufgegriffen, als mit dem bereits geschilderten Verdachtsmoment. eine Wiederholungsüberprüfung von Hertha-Astrid Er enthielt auch den Hinweis, daß die Ehefrau im Willner anstand. Bei der Analyse des Vorgangs kam Vorzimmer des Leiters der Abteilung 3 des Bundes- der zuständige Sachbearbeiter zu dem Ergebnis, kanzleramts tätig sei. daß es sich bei Herbert Willner um einen „klassi- schen Fall der Vor-Mauerbau-Einschleusung" von Dem Bundesamt für Verfassungsschutz wurde vom Agenten des Ministeriums für Staatssicherheit der Bundesministerium des Innern am 20. Mai 1985 DDR handeln könnte. Es wurden verschiedene Er mitgeteilt, daß eine Befassung der G 10-Kommis- mittlungswege beschritten, die zu dem vorläufigen sion erst im Juni möglich sein werde und zwischen- Ergebnis führten, daß der Vorgang zunächst weiter zeitlich die unzureichende Verdachtslage unter- bearbeitet werden sollte. mauert werden solle. Am 3. Juni 1985 fand eine Be- sprechung zwischen Mitarbeitern des Ministeriums Ober die gewonnenen Erkenntnisse unterrichtete und des Bundesamtes statt, bei der deutlich wurde, Präsident Hellenbroich im Jahre 1984 die Friedrich- daß das Ministerium den Antrag nicht für ausrei- Naumann-Stiftung. Darüber hinaus wies er am chend begründet ansah. Deshalb wurde das Bun- 20. März 1984 am Rande einer „Nachrichtendienstli-- desamt für Verfassungsschutz gebeten, auch in die- chen Lage" in einem Gespräch mit dem Leiter der sem Fall weitere vorhandene Materialien nachzu- Abteilung 1 im Bundeskanzleramt auf die nach wie reichen; danach werde geprüft, ob die erforderli- vor bestehende Verdachtslage gegen Herbert Will- chen Anhaltspunkte für den Verdacht einer Spiona- ner hin. Davon wurde der damalige Chef des Bun- getätigkeit verstärkt werden könnten. Insbesondere deskanzleramtes, Staatssekretär Professor Dr. Wal- wurde vom Bundesministerium des Innern bemän- demar Schreckenberger, nach seinen eigenen An- gelt, daß die gegen Herbert Willner vorliegenden gaben vor dem Untersuchungsausschuß jedoch Erkenntnisse durchgehend älteren Datums seien. nicht unterrichtet. Darüber hinaus sei unklar, welche Zugangsmöglich- keiten zu Verschlußsachen er bei der Friedrich- Naumann-Stiftung konkret habe. Mit Schreiben b) Der G 10-Antrag gegen Herbert Willner vom 12. Juli 1985, eingegangen im Bundesministe- vom 17. Mai 1985 rium des Innern am 15. Juli 1985, legte das Bundes- amt für Verfassungsschutz die erbetenen Materia- Die im Rahmen der Wiederholungsüberprüfung von lien vor. Auch sie reichten nicht aus, die bisherige Hertha-Astrid Willner wieder aufgenommenen Er Haltung des Bundesministeriums des Innern zu än- mittlungen gegen Herbert Willner fanden Eingang dern.

Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

Bei dem bereits erwähnten Gespräch am 12. Juli nister Dr. Schäuble über die Verdachtslage gegen 1985 hatte Bundesminister Dr. Zimmermann Dr. den Ehemann einer im Bundeskanzleramt beschäf- Pfahls auf diesen Antrag ebenfalls hingewiesen. tigten Sekretärin. Zwei Tage später sprach bei Ge- Deshalb ließ sich Dr. Pfahls bei seinem Dienstan- legenheit der Unterrichtung des Bundeskanzlers tritt als Präsident des Bundesamtes für Verfas- über den Sachstand im Falle Tiedge durch Bundes- sungsschutz am 1. August 1985 von Vizepräsident minister Dr. Zimmermann Staatssekretär Neusel Dr. Pelny über den Sachstand unterrichten und er- auch die Verdachtslage gegen Herbert Willner an fuhr, daß dem Antrag noch nicht entsprochen wor- und berichtete, daß nach Auffassung des Bundesmi- den sei. Auch der Leiter der Abteilung Spionageab- nisteriums des Innern eine G 10-Maßnahme gegen wehr, Dr. Rombach, berichtete dem neuen Präsi- Herbert Willner weder ausreichend begründet sei denten in seinem ersten Gespräch von dem Fall noch als zweckmäßig angesehen werde. Dabei legte Willner. er eine Synopse zugrunde, die Verdachtsmomente und entlastende Momente gegeneinander abwog. Inzwischen hatte am 2. August 1985 der Leiter der Er betonte, daß sich die Verdachtslage nur gegen Abteilung IS im Bundesministerium des Innern, den Ehemann und nicht gegen die Ehefrau richte, Ministerialdirektor Dr. Heuer, entschieden, daß die die im Kanzleramt tätig sei. Nach Darstellung von vom Bundesamt für Verfassungsschutz vorgetrage- Staatssekretär Neusel vor dem 2. Untersuchungs- nen Anhaltspunkte für eine Anordnung nach G 10 ausschuß nahm der Bundeskanzler dies zur Kennt- nicht ausreichten. Am 3. und 5. August 1985 fanden nis und forderte eine genaue Abklärung der Ver- weitere Besprechungen des Vorganges zwischen dachtslage, über die er in drei bis vier Wochen Mitarbeitern des Bundesamtes und des Bundesmi- einen weiteren Bericht erwarte. Staatssekretär nisteriums des Innern statt. Neusel teilte dies dem Präsidenten des Bundesam- tes für Verfassungsschutz noch am selben Tage Seitens des Bundesministeriums des Innern wurde mündlich und am folgenden Tage, dem 29. August auf rechtliche und tatsächliche Bedenken gegen 1985, schriftlich mit. Von der beantragten G 10-Maß- den Erlaß einer G 10-Anordnung hingewiesen. We- nahme gegen Herbert Willner sollte nach seiner gen des zwischenzeitlich eingetretenen Wechsels in Anweisung vorläufig abgesehen, aber eine weitere der Person des Präsidenten wurde die Sache jedoch Abklärung auf anderem Wege betrieben werden. zurückgestellt. Ein am 9. August 1985 im Bundesmi- nisterium des Innern entworfenes ablehnendes Schreiben wurde nicht abgesandt, da bekannt wur- Dazu kam es jedoch nicht mehr, da das Ehepaar de, daß Präsident Dr. Pfahls, der inzwischen erfah- Willner bereits gemeinsam einen Spanien-Urlaub ren hatte, daß das Bundesministerium des Innern für die Zeit vom 16. August bis 3. September 1985 beabsichtige, den Antrag förmlich abzulehnen, den angetreten hatte. Mit Schreiben vom 16. September Fall dem Minister persönlich vortragen wollte. 1985, eingegangen in Bonn am 17. September 1985, teilten die Eheleute Herbert und Hertha-Astrid Am 15. August 1985 fand deswegen eine erneute Er- Willner ihren jeweiligen Arbeitgebern, der Fried- örterung zwischen dem Leiter der Abteilung Spio- rich-Naumann-Stiftung und dem Bundeskanzler- nageabwehr des Bundesamtes für Verfassungs- amt, von Berlin (Ost) aus mit, daß sie ihre Arbeits- schutz, Direktor Dr. Rombach, und dem Leiter der verhältnisse kündigten und nicht zurückkehren Abteilung IS des Bundesministeriums des Innern, würden. Dr. Heuer, statt. Am 16. August 1985 schließlich sprach Präsident Dr. Pfahls den Fall Willner Staats- sekretär Neusel gegenüber an und unterstrich noch einmal die Bedeutung, die das Bundesamt der IV. Beeinträchtigung der Sicherheitsinteressen, Sache beimesse. Staatssekretär Neusel sah sich Schadensbegrenzung und -verminderung ohne eingehendes Aktenstudium und ohne Rück- sprache mit dem Minister weder in der Lage, den Nach den Bekundungen von Staatssekretär Neusel Antrag abzulehnen noch ihm zuzustimmen; er vor dem Untersuchungsausschuß ist die Bundesre- stellte seine Entscheidung zurück. publik Deutschland vor allem aufgrund ihrer expo- - nierten geopolitischen Lage ein Hauptangriffsziel Am 23. August 1985 fragte das Bundesministerium der Nachrichtendienste der Warschauer-Pakt-Staa- des Innern beim Bundesamt für Verfassungsschutz ten. Die dem Untersuchungsauftrag zugrundelie- nach Anhaltspunkten für eine nachrichtendienstli- genden Spionagefälle hat Staatssekretär Neusel als che Tätigkeit von Hertha-Astrid Willner an. Ihm deutliches Beispiel für die Intensität bezeichnet, wurde darauf geantwortet, daß zur Zeit keine derar- mit der versucht wird, „politische Erkenntnisse ... tigen Anhaltspunkte vorlägen. zu gewinnen, die für die Entscheidungsfindung auf der Seite der DDR von großer Bedeutung sind". Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, bei dem das Bundesamt für Verfassungsschutz am selben Tag die Einleitung eines strafrechtlichen Er- mittlungsverfahrens gegen Herbert Willner anreg- 1. Mögliche Weitergabe sicherheitsrelevanter te, weil der Fall Willner von Tiedge bearbeitet wor- Kenntnisse den war, sah sich dazu auf der Grundlage des vorge- legten Materials nicht in der Lage. Die drei bei obersten Bundesbehörden tätigen Se- kretärinnen Sonja Lüneburg, Margarethe Höke und Am 26. August 1985 unterrichtete Präsident Dr. Herta-Astrid Willner waren zum Zugang zu Ver- Pfahls anläßlich seines Antrittsbesuchs Bundesmi schlußsachen bis zum Geheimhaltungsgrad „VS-Ge-

Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode heim" ermächtigt; ihr tatsächlicher Umgang mit sol- nisterium für Staatssicherheit der DDR allerdings chen Verschlußsachen, deren Inhalt an Geheim- nahe. Im Hinblick auf den Fall Höke hat der Leiter dienste des Ostblocks hätten verraten werden kön- des Fachaufsichtsreferates des Bundesministeri- nen, war nach den für die letzten Jahre getroffenen ums des Innern, Ministerialrat Dr. Werthebach, dar- Feststellungen jedoch begrenzt: auf hingewiesen, daß Tiedge die Festnahme von Margarethe Höke jedenfalls nicht verhindert hat. Sonja Lüneburg hatte während ihrer Beschäftigung im Bereich des Bundesministeriums für Wirtschaft keinen Umgang mit Verschlußsachen. Margarethe 2. Maßnahmen zur Schadensfeststellung und Höke war im Bundespräsidialamt zur Entgegen- -begrenzung nahme und Weiterleitung geheimer Verschlußsa- chen bei Anwesenheit oder nur kurzfristiger Abwe- Staatssekretär Neusel hat vor dem Untersuchungs- senheit des Abteilungsleiters berechtigt; sämtliche ausschuß dargestellt, daß das „Krisenmanagement" Verschlußsachen, mit denen sie seit 1976 in Berüh- in der Zusammenarbeit zwischen Bundesministe- rung kam, sind nachgewiesen, darunter in den letz- rium des Innern und Bundesamt für Verfassungs- ten fünf Jahren lediglich zwei Sitzungsprotokolle schutz zur Feststellung und Begrenzung des Scha- des Bundessicherheitsrates. Denn Vorgänge aus dens aus den Spionagefällen und dem Fall Tiedge dem Bereich der Verteidigungspolitik werden nur „hervorragend gelungen" sei. Es sei „alles gesche- in dem für den Informationsbedarf des Bundesprä- hen, um den aus diesen Fällen entstandenen Scha- sidenten erforderlichen Umfang an das Bundesprä- den sehr früh zu erkennen, abzugrenzen und — sidialamt geleitet; dabei handelt es sich nicht um wenn möglich — wieder auszugleichen". operative Einzelheiten. Feststellungen zu den Kenntnissen von Hertha-Astrid Willner, gegen die Schon bevor der Übertritt Tiedges in die DDR zu keiner Zeit ein konkreter nachrichtendienstli- durch die Ostberliner Nachrichtenagentur ADN am cher Verdacht bestand, hat der Untersuchungsaus- 23. August 1985 bekanntgegeben wurde, wurden schuß nur dahin getroffen, daß sie mit dem soge- zwischen den Sicherheitsbehörden des Bundes und nannten SDI-Projekt nicht befaßt war. der Länder Absprachen über eine Schadensbegren- zung und -verminderung getroffen. Eine Stunde Ob und gegebenenfalls mit welchen geheimhal- nach der ADN-Meldung trat ein vom Bundesmini- tungsbedürftigen Vorgängen Herbert Willner bei ster des Innern eingesetzter Sonderarbeitsstab aus seiner Tätigkeit auf den Gebieten der Außen-, Si- den beteiligten Bundesressorts, den Nachrichten- cherheits- und Entwicklungspolitik bei der Bundes- diensten und dem Bundeskriminalamt zusammen, geschäftsstelle der FDP und bei der Friedrich-Nau- um die notwendigen Maßnahmen einzuleiten, dar- mann-Stiftung in Berührung kam, hat der Aus- über zu beraten und zu berichten. Sofort nach Be- schuß ebenfalls nicht festgestellt. kanntgabe des Übertritts Tiedges unterbrach Bun- Demgegenüber war Hansjoachim Tiedge als der für desminister Dr. Zimmermann seinen Urlaub, um die Nachrichtendienste der DDR in der Abteilung sich — so Staatssekretär Neusel — „über den Ge- Spionageabwehr und Sabotageabwehr des Bundes- samtkomplex des möglichen Schadens zu unter- amtes für Verfassungsschutz zuständige Referats- richten ... und Anregungen zu geben". gruppenleiter genau unterrichtet über Erkennt- nisse und Operationen in diesem Bereich, insbeson- dere über die Methodik der Spionageabwehr, die 3. Folgen aus den Spionagefällen und dem Übertritt Stärken und Schwächen der eigenen und der geg- Tiedges nerischen Dienste, Organisation, personelle Lage Der Bericht über den Fall Tiedge, der von dem und technische Ausrüstung der Verfassungsschutz- genannten Sonderarbeitsstab aus Angehörigen des behörden des Bundes und der Länder sowie über Bundeskanzleramtes, der Bundesministerien des Art und Umfang der Zusammenarbeit der Sicher- Innern, der Justiz und der Verteidigung sowie des heitsbehörden. Bundesnachrichtendienstes, des Amtes für Sicher- Die zur Bewertung des entstandenen Schadens vom- heit der Bundeswehr, des Bundesamtes für Verfas- Untersuchungsausschuß befragten Zeugen sind sungsschutz und des Bundeskriminalamtes erstat- übereinstimmend davon ausgegangen, daß Tiedge tet wurde, liegt dem Untersuchungsausschuß vor. sein gesamtes Wissen den DDR-Behörden offen- Ein Schwerpunkt dieses Berichts sind Vorschläge barte. zur organisatorischen und personellen Neugestal- tung, vor allem für Maßnahmen mit dem Ziel einer Tiedge war auch mit den Spionagefällen Höke und Verstärkung der Abteilung Spionageabwehr des Willner als zuständiger Gruppenleiter des Bundes- Bundesamtes für Verfassungsschutz. So wurden be- amtes für Verfassungsschutz befaßt; er hatte zum reits im Haushaltsjahr 1986 im Bundesamt für Ver- Beispiel die Begründungen zu den G 10-Anträgen fassungsschutz 68 neue Planstellen zur Verfügung gegen Margarethe Höke und Herbert Willner ent- gestellt; eine weitere Stellenvermehrung ist beab- worfen. Die Frage, ob die Flucht der Eheleute Will- sichtigt. ner durch einen Hinweis Tiedges veranlaßt wurde, hat nicht geklärt werden können. Der zeitliche Zu- Die Untersuchung der Frage, ob Hansjoachim sammenhang zwischen dem Übertritt Tiedges in Tiedge bereits seit längerer Zeit für einen anderen die DDR und dem Verlassen des Urlaubsortes Nachrichtendienst gearbeitet hatte oder sich kurz- durch die Eheleute Willner legt die Möglichkeit ei- fristig entschloß, in die DDR überzuwechseln, war ner von Tiedge veranlaßten Warnung durch das Mi bei Beendigung der Beweisaufnahme durch den

Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

Untersuchungsausschuß wegen des Umfangs der zu Bundesregierung bestimmt der Bundesminister im überprüfenden Vorgänge noch nicht abgeschlossen. einzelnen, welche Aufgaben der Parlamentarische Alle dazu gehörten Zeugen sind von einer zwar un- Staatssekretär wahrnehmen soll. terschiedlich sicheren, doch im wesentlichen ein- heitlichen Überzeugung ausgegangen, daß Tiedge kein „Langzeitagent" war. So hat Präsident a. D. a) Abgrenzung zu den Aufgaben der beamteten Hellenbroich ausgesagt, er könne eine Agententä- Staatssekretäre tigkeit Tiedges für einen gegnerischen Nachrich- tendienst mit Sicherheit ausschließen. Direktor Dr. Der Parlamentarische Staatssekretär vertritt den Rombach hat zwar die Möglichkeit, daß Präsident Bundesminister bei Erklärungen vor dem Bundes- a. D. Hellenbroich dies beurteilen könne, nach- tag, vor dem Bundesrat und in den Sitzungen der drücklich bezweifelt, weil er, Hellenbroich, seit Mo- Regierung (§ 14 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung naten keinen Zugang mehr zu den einschlägigen der Bundesregierung); nach § 14 Absatz 3 der Ge- Vorgängen habe; im Ergebnis hat aber auch Direk- schäftsordnung der Bundesregierung vertritt der tor Dr. Rombach gemeint, daß Tiedge kein „Lang- Parlamentarische Staatssekretär den Bundesmini- zeitagent" gewesen sei. ster außerdem in dem ihm übertragenen Aufgabe n- bereich sowie in sonstigen vom Bundesminister be- Durch die Spionagefälle, vor allem aber durch den stimmten Einzelfällen. Übertritt Tiedges in die DDR, sind die Sicherheits- interessen der Bundesrepublik Deutschland erheb- Der beamtete Staatssekretär leitet den Geschäfts- lich beeinträchtigt worden. Durch organisatorische, betrieb des Ministeriums in dem ihm zugewiesenen methodische und personelle Maßnahmen ist es Geschäftsbereich (§ 6 Abs. 1 der Gemeinsamen Ge- nach den Bekundungen der hierzu befragten Zeu- schäftsordnung der Bundesministerien, Allgemei- gen allerdings in kurzer Zeit gelungen, die Arbeits- ner Teil (GGO I)); gemäß § 14 Abs. 3 der Geschäfts- fähigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz ordnung der Bundesregierung vertritt der beamtete auf dem Gebiet der Spionageabwehr wieder voll Staatssekretär den Bundesminister im Falle von herzustellen. Die Spionageabwehr hat, wie Bundes- dessen Verhinderung in der Funktion des Behör- minister Dr. Zimmermann und Präsident Dr. Pfahls denleiters. dies ausgedrückt haben, „wieder Tritt gefaßt". Die Aufgaben zwischen beamteten und Parlamen- tarischen Staatssekretären werden von jeher inner- halb der Bundesressorts nicht einheitlich abge- C. Die der Ergänzung des grenzt; jeder Bundesminister ist im Rahmen der Untersuchungsauftrags zugrundeliegenden dargestellten Regelungen frei in der Entscheidung, Berichte des Bundesamtes für welche Aufgaben er einem Parlamentarischen Verfassungsschutz Staatssekretär zuweist.

Vor dem Hintergrund der Einordnung der Parla- mentarischen Staatssekretäre in die Organisation b) Informationsrechte der Parlamentarischen der Leitung des Bundesministeriums des Innern Staatssekretäre und der dabei Parlamentarischem Staatssekretär Carl-Dieter Spranger übertragenen Aufgaben hat Nach der von Bundesminister Dr. Zimmermann sich der 2. Untersuchungsausschuß auch mit Be- und von Parlamentarischem Staatssekretär Spran- richten befaßt, die im Bundesamt für Verfassungs- ger vor dem Untersuchungsausschuß dargestellten schutz erstellt oder von Angehörigen des Bundes- Praxis im Bundesministerium des Innern sind mit amtes für Verfassungsschutz erstattet worden der Übertragung von Aufgaben an einen Parlamen- sind. tarischen Staatssekretär die zur Aufgabenerfüllung notwendigen Befugnisse verbunden; dazu gehört auch das erforderliche Informationsrecht. Ein Par- lamentarischer Staatssekretär ist danach befugt, I. Die Stellung der Parlamentarischen Informationen aus dem Ministerium und gegebe- Staatssekretäre im Bundesministerium des nenfalls aus nachgeordneten Behörden zu erbitten; Innern wie Bundesminister Dr. Zimmermann vor dem Un- tersuchungsausschuß dargestellt hat, hat ein Parla- mentarischer Staatssekretär insofern dieselben 1. Die Aufgaben der Parlamentarischen Rechte wie der Minister selbst . Staatssekretäre Deswegen kann ein Parlamentarischer Staatsse- Die Parlamentarischen Staatssekretäre unterstüt- kretär auch Auskünfte aus dem nachgeordneten zen die Mitglieder der Bundesregierung, denen sie Bereich einholen und Berichte anfordern. Nach der beigegeben sind, bei der Erfüllung ihrer Regie- Praxis im Bundesministerium des Innern kann ein rungsaufgaben (§ 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Parlamentarischer Staatssekretär die in eigener Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staats- Zuständigkeit angeforderten Informationen und sekretäre vom 24. Juli 1974 (BGBl. I S. 1538), geän- Berichte auch unmittelbar entgegennehmen und dert durch Gesetz vom 22. Dezember 1982 (BGBl. I verwenden; das gilt sowohl für die parlamentari- S. 2007)). Gemäß § 14a der Geschäftsordnung der sche als auch für die Öffentlichkeitsarbeit.

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2. Zuständigkeiten von Parlamentarischem fassungsschutz und dem Bundesministerium des Staatssekretär Spranger Innern im Zusammenhang mit der Frage, ob die Zuständigkeit von Parlamentarischem Staatssekre- tär Spranger dem Bundesamt förmlich bekanntge- a) Allgemeine Unterstützung des Ministers bei der geben wurde; auch dem Untersuchungsausschuß Erfüllung von Regierungsaufgaben sind solche nicht bekannt geworden. Insbesondere kam es insofern nie zu irgendwelchen Anfragen des Im Bundesministerium des Innern wird der Mini- Bundesamtes für Verfassungsschutz an das Bun- ster von zwei Parlamentarischen Staatssekretären desministerium des Innern. bei der Erfüllung seiner Regierungsaufgaben unter- stützt. Bundesminister Dr. Zimmermann hatte nach seinem Amtsantritt entschieden, für welche Ge- b) Verfassungsschutzbericht schäftsbereiche die beiden Parlamentarischen Staatssekretäre gemäß § 1 Abs. 2 des Gesetzes über Neben seiner allgemeinen Zuständigkeit für den die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Bereich der inneren Sicherheit war und ist Parla- Staatssekretäre zuständig sein sollten. Parlamenta- mentarischem Staatssekretär Spranger durch Bun- rischem Staatssekretär Spranger wurde unter an- desminister Dr. Zimmermann besonders die Auf- derem der Bereich der Inneren Sicherheit übertra- gabe zugewiesen worden, bei der Erstellung des gen. In der Hausmitteilung des Bundesministeri- Entwurfs für den jährlichen Verfassungsschutzbe- ums des Innern Nr. 5 vom 17. Mai 1983, betreffend richt mitzuwirken. Damit wurde eine Übung fortge- Geschäftsbereiche der Parlamentarischen Staatsse- setzt; dieselbe Aufgabe hatte bereits sein Amtsvor- kretäre beim Bundesminister des Innern für die gänger, Andreas von Schoeler, wahrgenommen. 10. Legislaturperiode, wurde diese Entscheidung be- kanntgemacht.

Ob diese Entscheidung des Ministers dem Bundes- c) Sonstige Berichte aus dem Bereich der inneren amt für Verfassungsschutz förmlich zur Kenntnis Sicherheit gegeben wurde, hat der Ausschuß nicht klären kön- nen. Während der Leiter der Abteilung IV des Bun- Im Rahmen seiner Zuständigkeiten auf dem Gebiet desamtes für Verfassungsschutz, Direktor Dr. Rom der inneren Sicherheit forderte Parlamentarischer bach, bekundet hat, dem Bundesamt für Verfas- Staatssekretär Spranger Berichte zu Einzelfragen sungsschutz sei „vermittelt" worden, daß Parlamen- beim Bundesamt für Verfassungsschutz an. Verein- tarischer Staatssekretär Spranger eine Zuständig- zelt wurden Berichtsaufträge ohne Befassung der keit in diesem Bereich habe, haben insbesondere Abteilung IS des Bundesministeriums des Innern Vizepräsident Dr. Pelny und Präsident Hellen- erteilt; umgekehrt wurden Berichte des Bundesam- broich angegeben, daß ihnen diese Hausanordnung tes für Verfassungsschutz unmittelbar Parlamenta- nicht zugegangen sei. Daß Parlamentarischer rischem Staatssekretär Spranger zugeleitet. Staatssekretär Spranger für das Bundesamt für Verfassungsschutz eine besondere Verantwortung Dieses Verfahren ging zurück auf die Abspra- trage, erschloß sich jedoch beiden nach ihren Erklä- che zwischen Parlamentarischem Staatssekretär rungen vor dem Untersuchungsausschuß aus dem Spranger und Präsident Hellenbroich, unmittelbare Umstand, daß sich Parlamentarischer Staatssekre- Kontakte zu halten. Präsident Hellenbroich wider- tär Spranger zunehmend an das Bundesamt für sprach erteilten Berichtsaufträgen auch in keinem Verfassungsschutz wandte und diesem am 22. Okto- Fall. Vizepräsident Dr. Pelny hat hierzu vor dem ber 1984 auch einen Besuch abstattete. Staatssekre- Untersuchungsausschuß ausgesagt, er habe Präsi- tär Dr. Fröhlich hat bekundet, daß er mit Präsident dent Hellenbroich „geraten, die beiden Aufträge be- Hellenbroich wiederholt über die Zuständigkeit des treffend GRÜNEN-Bericht und Schily abzulehnen"; Parlamentarischen Staatssekretärs Spranger ge- dieser Rat sei aus von ihm, Dr. Pelny, „nachvollzieh- sprochen habe; Präsident a. D. Hellenbroich hat baren Gründen von Herrn Hellenbroich nicht ak- dazu ausgesagt, daß er sich an kein diesbezügliches zeptiert worden". Dies hat Präsident a. D. Hellen- Gespräch mit dem Minister oder mit Staatssekretär- broich in seiner Aussage bestätigt. Dr. Fröhlich erinnern könne. Im Bundesministe- rium des Innern bestanden keine Zweifel, daß die Präsident a. D. Hellenbroich hat vor dem Untersu- Zuständigkeit von Parlamentarischem Staatssekre- chungsausschuß die Auffassung vertreten, daß „Be- tär Spranger für den Bereich der inneren Sicher- richtswünsche ... normalerweise ... durch den Ap- heit im Bundesamt für Verfassungsschutz bekannt parat laufen"; es habe jedoch Einzelfälle gegeben, in war. Parlamentarischer Staatssekretär Spranger denen es „anders gelaufen" sei. selbst hat vor dem Untersuchungsausschuß bekun- det, daß er Präsident Hellenbroich bereits anläßlich Präsident Hellenbroich fertigte sich jeweils Akten- dessen Amtsantritts auf seine Zuständigkeit im Be- notizen über die ihm erteilten Berichtsaufträge. reich der Inneren Sicherheit hingewiesen, mit ihm Parlamentarischer Staatssekretär Spranger hat zu eine vertrauensvolle Zusammenarbeit und — bei diesen später bekanntgewordenen Aufzeichnungen Bedarf — unmittelbare Kontakte vereinbart habe. vor dem Untersuchungsausschuß betont, die Ver- So sei in der Folgezeit auch verfahren worden. merke seien „ausschließlich seine (Präsident Hel- lenbroichs) Version und Interpretation von Form Jedenfalls gab es keine Schwierigkeiten im Ge und Inhalt der Begegnungen, Gespräche oder Dis- schäftsverkehr zwischen dem Bundesamt für Ver kussionen". Er könne nur zum Teil den Inhalt die-

Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584 ser Vermerke bestätigen und identifiziere sich auch kampf" sind darin Bemühungen von Ostblockorga- nicht mit den dort gebrauchten Formulierungen; nisationen um eine Einflußnahme auf dem kirchli- insbesondere seien — seiner Erinnerung an die Ge- chen Sektor dargestellt, darunter die Aktivitäten sprächsabläufe nach — „offenbar auch eigene Mei- der „Christlichen Friedenskonferenz". nungen und Vorschläge von Herrn Hellenbroich in die Gesprächsvermerke aufgenommen worden. Sie sind keine legitimierte Wiedergabe dessen, was ich 2. Bericht über linksextremistische Einflüsse gesagt habe". innerhalb der Partei DIE GRÜNEN; Aufstellung von Funktionsträgern der Partei DIE GRÜNEN, die in linksextremistischen Zusammenschlüssen tätig II. Einzelne Berichte waren

Der Untersuchungsausschuß hat sich unter diesen Gesichtspunkten mit folgenden Berichten befaßt: a) Auftragserteilung In einem Gespräch zwischen Parlamentarischem 1. Bericht über „Kommunistische Friedensarbeit" Staatssekretär Spranger und Präsident Hellen- broich am 5. Dezember 1984 wurden weitere Be- Am 29. August 1984 erörterten Parlamentarischer richtsaufträge erteilt. Einer hatte, wie Präsident Staatssekretär Spranger und Präsident Hellen- Hellenbroich in einem Vermerk festhielt, zum In- broich Fragen der Inneren Sicherheit, darunter halt, „einen offenen Bericht über den linksextremi- auch „des positiven Verfassungsschutzes" durch stischen Einfluß in Vergangenheit und gegebenen- Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit sowie der falls Gegenwart auf die ,Grünen` unter Einschluß öffentlichen Aufklärungsarbeit. ihrer Fraktionen in Bund und Ländern zu liefern". Der Bericht sollte „vor allem Zitate heute maßgebli- Dazu legte Präsident Hellenbroich in einer seiner cher ,Grüner` aus früheren Publikationen und Flug- Aktennotizen folgendes nieder: blättern bringen. Besonders wichtig seien die Er- kenntnisse über Ermittlungs- oder Strafverfahren „Das Bundesamt für Verfassungsschutz möge einen sowie Hinweise auf den jeweiligen Urteilstenor". ... Bericht über die kommunistische ,Friedensar- beit' erarbeiten (Weltfriedensrat, Front- bzw. Bünd- Parlamentarischer Staatssekretär Spranger wies nisorganisationen in der Bundesrepublik Deutsch- bereits bei Erteilung des Auftrages darauf hin, daß land). Dabei soll besonders hervorgehoben werden dieser Bericht für den Bundestagsabgeordneten Dr. der Versuch, die Kirchen in diese Arbeit einzubin- Todenhöfer bestimmt sei, der ihn hierum gebeten den." habe.

Präsident Hellenbroich hat bei seiner Vernehmung Vizepräsident Dr. Pelny hat dazu bei seiner Verneh- vor dem Untersuchungsausschuß ergänzend darge- mung vor dem Untersuchungsausschuß darauf auf- legt, Parlamentarischer Staatssekretär Spranger merksam gemacht, in der „Süddeutschen Zeitung" habe bei Auftragserteilung auf die Notwendigkeit vom 10. Dezember 1984 sei eine Meldung mit dem hingewiesen, die Öffentlichkeit darüber aufzuklä- Inhalt erschienen, daß Abgeordneter Dr. Todenhö- ren, ob und gegebenenfalls inwieweit Funktionsträ- fer anläßlich des Beschlusses der GRÜNEN zu et- ger der Evangelischen Kirche betroffen seien; er waigen Bündnissen mit der SPD geäußert habe, habe dazu auch Namen genannt. „leider sei über 90 Prozent der deutschen Wähler völlig unbekannt, daß zahlreiche Führungspositio- Auf diesen Auftrag hin wurde ein besonderer Be- nen der GRÜNEN von Anarchisten, Kommunisten richt jedoch nicht erstellt. Vielmehr unterrichtete und Terroristen besetzt seien. Solange sich die Präsident Hellenbroich nach einem entsprechen- GRÜNEN davon nicht trennten, stellten sie eine den Hinweis der Fachabteilung des Bundesamtes lebensbedrohende Gefahr für den Fortbestand der für Verfassungsschutz am 12. September 1984 den Bundesrepublik dar". persönlichen Referenten von Parlamentarischem- Staatssekretär Spranger, daß ähnliches Material aufgrund einer Anforderung des Bundesministeri- b) Bearbeitung des Auftrages im Bundesamt für ums des Innern bereits früher übersandt worden Verfassungsschutz sei. Es handelte sich dabei um einen Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 14. Juni Mit der Erstellung des Berichts wurde der Leiter 1984, erstellt auf Anforderung des Referates IS 7 — der Abteilung III — Linksextremismus — beauf- Analysen und geistig-politische Auseinanderset- tragt. Dieser, Direktor des Bundesamtes für Verfas- zung im Bereich der inneren Sicherheit — mit acht sungsschutz Hans Joachim Bloch, empfand den ihm Beiträgen zu „Internationalen Frontorganisatio- erteilten Auftrag als die „Quadratur des Zirkels": nen". Einer dieser Beiträge befaßt sich auch mit der Der Bericht sollte offen, farbig und lesbar sein; zu- „Christlichen Friedenskonferenz". Diese Ausarbei- gleich aber sollte er nach Anweisung von Präsident tung wurde nach Überarbeitung im Bundesministe- Hellenbroich „in besonderem Maße unterkühlt" rium des Innern in der Reihe „Texte zur Inneren sein. Sicherheit" veröffentlicht; sie lag 1985 bereits in 3. Auflage vor. Unter dem Titel „Kommunistische Der von Direktor Bloch selbst verfaßte Berichtsent Frontorganisationen im ideologischen Klassen wurf wurde an zahlreichen Stellen von Vizepräsi-

Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode dent Dr. Pelny geändert; er strich insbesondere den digen. Mit Schreiben vom 16. Januar 1985 über- gesamten Teil, der sich mit dem Streit zwischen sandte er den Bericht „Zu linksextremistischen Ein- dem sogenannten fundamentalistischen Flügel und flüssen innerhalb der Partei DIE GRÜNEN" als dem realpolitischen Flügel innerhalb der Partei „VS-NfD" und die Aufstellung über die Funktions- DIE GRÜNEN sowie deren Bündnisbemühungen träger als „VS-Vertraulich" an Parlamentarischen gegenüber der SPD befaßte. Außerdem verfügte er Staatssekretär Spranger. die Einstufung des bis dahin nicht als Verschlußsa- che behandelten Berichts als „VS-Vertraulich". Ein- Der Bericht und die Aufstellung sind als Anlage 5 a zelne dieser Punkte wurden anschließend von Prä- diesem Untersuchungsbericht beigefügt. sident Hellenbroich erneut abgeändert und der VS Schutz auf „VS-NfD" gesenkt. c) Behandlung des Berichts im Direktor Bloch sah in der durch die Änderungen Bundesministerium des Innern entstandenen Berichtsfassung keine zutreffende Erledigung des ihm erteilten Auftrags. Er hielt Nach Erhalt des Berichts beauftragte Parlamentari- seine von der Amtsleitung abweichende Auffassung scher Staatssekretär Spranger sein Büro, den Be- in einem Vermerk vom 14. Januar 1985 fest; nach richt über linksextremistische Einflüsse unter Weg- seiner Ansicht war es erforderlich festzustellen, lassung von Aktenzeichen, Ort, Datum und Einstu- welchen Erfolg Extremisten bei ihren Einflußnah- fung abzulichten und die Zusammenstellung der men auf nicht-extremistische Organisationen hät- Funktionsträger unter Weglassung von Aktenzei- ten. Dieser Erfolg bestehe nicht nur in der Über- chen; Ort, Datum und Einstufung abzuschreiben. nahme von Leitungsfunktionen, sondern auch in ei- Nach seiner schriftlichen Stellungnahme am 15. Ja- ner „Verschiebung nach links". nuar 1986 hatte er diese Abschrift veranlaßt, um die Autorenschaft des Bundesamtes für Verfassungs- Nach Darstellung von Direktor Bloch vor dem Un- schutz nicht erkennen zu lassen. tersuchungsausschuß entspricht eine solche Fest- stellung auch der Aufgabe des Bundesamtes für Mit der Übersendung dieser Unterlagen an den Ab- Verfassungsschutz nach § 3 des Verfassungsschutz- geordneten Dr. Todenhöfer beauftragte Parlamen- gesetzes; denn hier handele es sich nicht um die tarischer Staatssekretär Spranger den Presserefe- Beobachtung nicht-extremistischer Organisationen, renten des Bundesministeriums des Innern, Regie- sondern um die Beobachtung und die Feststellung rungsdirektor Kowalski, „mit der Maßgabe, dem des Wirkens von Extremisten. Abgeordneten Dr. Todenhöfer die Unterlagen zur persönlichen und vertraulichen Unterrichtung zu- Der Berichtsentwurf, die Änderungen von Vizeprä- gänglich zu machen mit Ausnahme der Daten, die sident Dr. Pelny sowie die Haltung von Direktor in dem Bericht über die Funktionsträger als ,offen` Bloch waren am 10. Januar 1985 zwischen Präsident bezeichnet worden waren". Hellenbroich und Direktor Bloch erörtert worden; dabei wurde auch die Frage angesprochen, ob die Regierungsdirektor Kowalski, der davon ausging, Partei DIE GRÜNEN Beobachtungsobjekt des Bun- daß die Berichte ursprünglich aus dem Bundesamt desamtes sein sollte. Direktor Bloch vertrat dabei für Verfassungsschutz stammten, sandte beide Un- die Ansicht, daß zwar einiges dafür spräche ange- terlagen in der Form, wie er sie von Parlamentari- sichts der Äußerungen führender Funktionäre, ins- schem Staatssekretär Spranger erhalten hatte, mit besondere von zweien der drei „Bundessprecher" Schreiben vom 14. Februar 1985 an den Abgeordne- der Partei DIE GRÜNEN, die GRÜNEN als Beob- ten Dr. Todenhöfer. Im zweiten Absatz des Begleit- achtungsobjekt des Verfassungsschutzes anzuse- schreibens heißt es: „Die Partei der Grünen ist kein hen, daß es sich aber angesichts des derzeitigen Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes. Ich politischen Bedingungsrahmens und der deshalb zu bitte deshalb die Aufzeichnung als ,Non -Paper` erwartenden Diskussion „nicht lohne", dieses ohne Quellenangabe zu verwenden." Thema jetzt aufzugreifen und zu vertiefen. Nach übereinstimmender Darstellung von Parla- Zusätzlich wurde nach Aussage von Direktor Bloch- mentarischem Staatssekretär Spranger und Regie- auf Veranlassung von Vizepräsident Dr. Pelny eine rungsdirektor Kowalski entsprach diese Wendung Zusammenstellung von Funktionsträgern der Par- in dem Übersendungsschreiben insoweit nicht dem tei DIE GRÜNEN erarbeitet, die in linksextremisti- von Parlamentarischem Staatssekretär Spranger schen Zusammenschlüssen tätig waren. Da wegen erteilten Auftrag, als nun doch auf den Verfas- der Kürze der Zeit nur auf unmittelbar im Bundes- sungsschutz Bezug genommen worden war. amt für Verfassungsschutz verfügbare Unterlagen zurückgegriffen werden konnte, wurde diese Zu- sammenstellung als „VS-Vertraulich" eingestuft. d) Die Veröffentlichungen aus dem Materiell waren die darin enthaltenen Erkennt- Berichtsentwurf nisse nach Darstellung von Direktor Bloch vor dem Untersuchungsausschuß aber „offen" und somit kei- Im zeitlichen Umfeld der Übersendung an den Bun- nesfalls geheimhaltungsbedürftig. destagsabgeordneten Dr. Todenhöfer gab es keine Veröffentlichungen aus diesem Bericht über links- Noch während der Arbeit an diesem Bericht riefen extremistische Einflüsse innerhalb der Partei DIE nach Aussage von Präsident a. D. Hellenbroich GRÜNEN und der beigefügten Aufstellung. Erst Journalisten an, um sich bei ihm danach zu erkun etwa eine Woche nach der Erwähnung durch Vize-

Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584 präsident Dr. Pelny in öffentlicher Sitzung des Dieser antwortete noch am selben Tage: 2. Untersuchungsausschusses erschien in der Aus- gabe der Zeitschrift „Die Zeit" vom 20. Dezember „Nachdem der Inhalt der im Betreff genannten Be- 1985 ein Artikel zu Entstehung und Inhalt dieses richte bereits in der Presse veröffentlicht worden Berichts; einen nahezu wortgleichen Beitrag dessel- und damit den Betroffenen und der Öffentlichkeit ben Autors sendete der Norddeutsche Rundfunk in bekannt ist, bestehen keine Bedenken, den Innen- seiner Reihe „Politisches Forum". Beide Veröffentli- ausschuß des Deutschen Bundestages darüber in chungen enthielten zahlreiche Zitate aus dem ur- öffentlicher Sitzung zu unterrichten. sprünglichen Berichtsentwurf und Hinweise auf die Änderungen durch Vizepräsident Dr. Pelny und Die Berichte sind — bis auf drei Einzelinformatio- Präsident Hellenbroich. Vizepräsident Dr. Pelny hat nen — offen belegbar, wenn auch für einige Aussa- auf Befragen im Untersuchungsausschuß bestätigt, gen kein gerichtsverwertbarer Beweis angetreten daß er mit dem Autor vor den Veröffentlichungen werden kann. Die drei Einzelinformationen sind in- telefonischen Kontakt gehabt habe. Er hat bekun- zwischen allgemein bekannt. Sie sind aber so ab- det, er habe sich „ausmalen" können, daß zu diesem strakt formuliert, daß sie keinen Hinweis auf die Thema ein Artikel veröffentlicht werde. Dessen un- Herkunft und die Umstände ihrer Gewinnung zu- geachtet habe er auf die Fragen des Journalisten lassen. Eine Offenlegung der Berichte kann daher „jedenfalls was die hier inkriminierten Indiskretio- weder Schaden noch Nachteile für die Interessen nen anbetrifft — keine Antworten gegeben". oder das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder zur Folge haben. e) Die Aufhebung der VS-Einstufung Nachdem der Zweck der VS-Einstufung somit ent- fallen ist, gibt es keinen sachlichen Grund für ihre Nach der ersten Aussage von Vizepräsident Dr. Pel- weitere Aufrechterhaltung. Der VS-Grad dieser Be- ny, aber noch vor Ergänzung des Untersuchungs- richte wird hiermit aufgehoben." auftrages ließ Parlamentarischer Staatssekretär Drei Tage später vermerkte Parlamentarischer Spranger Regierungsdirektor Kowalski zu sich Staatssekretär Spranger handschriftlich auf dem kommen und bat ihn unter Vorlage des Original- ursprünglichen Übersendungsschreiben vom 16. Ja- schreibens an den Abgeordneten Dr. Todenhöfer nuar 1985: nebst Anlagen um eine Erklärung. Einen Tag spä- ter, etwa am 18. Dezember 1985, befragte Staatsse- „Vfg. kretär Neusel Regierungsdirektor Kowalski nach VS-Schutz der Anlagen 2 und 3 den Umständen der Übersendung der Berichte; die Anfang Februar 1985 aufgehoben Originale trugen noch den Aufdruck „VS-NfD" be- 20. 1. 1986 ziehungsweise „VS-Vertraulich". Am 17. Januar Spranger." 1986 — eine Woche vor Ergänzung des Untersu- chungsauftrags — richtete Staatssekretär Neusel Vor dem Untersuchungsausschuß haben Parlamen- folgendes Schreiben an den Präsidenten des Bun- tarischer Staatssekretär Spranger, ebenso Ministe- desamtes für Verfassungsschutz: rialdirektor Dr. Heuer und Präsident Dr. Pfahls, darauf aufmerksam gemacht, daß es sich bei dieser „Im Hinblick auf die beabsichtigte Vorlage der o. g. Aufhebung vom Februar 1985 um eine formlose Berichte in der Sitzung des Innenausschusses des Aufhebung gehandelt habe, zu der die Aufsichtsbe- Deutschen Bundestages am 22. Januar 1986 bitte hörde im Verhältnis zur nachgeordneten Behörde ich Sie um Prüfung der Frage, ob Sie einer Offenle- (BfV) kraft eines „Selbsteintrittsrechts" befugt sei. gung dieser mit Schreiben an Herrn Parlamentari- schen Staatssekretär Spranger vom 16. Januar 1985 übersandten Unterlagen zustimmen können. 3. Bericht über eine mögliche Identifizierung des Abgeordneten Schily mit dem Terrorismus Nach mir vorliegenden allgemein zugänglichen Ver- öffentlichungen (Bundestagshandbuch, Presse und a) Der Auftrag von Anfang Dezember 1984 sonstige Druckschriften) habe ich den Eindruck, daß die in Ihrem Bericht vom 15. Januar 1985 ent- In dem bereits erwähnten Gespräch Anfang De- haltenen Erkenntnisse über Funktionsträger der zember 1984 bat Parlamentarischer Staatssekretär GRÜNEN, auch soweit diese nicht schon in dem Spranger Präsident Hellenbroich ferner — dem Bericht selbst als offen bezeichnet waren, bereits vorgenannten Vermerk zufolge — um „einen Be- aus offen verfügbarem Material zu gewinnen waren richt über MdB Schily. Inwiefern lasse sich eine und deshalb einer Geheimhaltungsbedürftigkeit Identifikation mit Terrorismus belegen". Parlamen- entbehrten. Im übrigen ist der Inhalt der mitgeteil- tarischer Staatssekretär Spranger hat dazu in sei- ten Erkenntnisse so allgemein gehalten und ohne ner Dienstlichen Erklärung vom 28. Januar 1986 er- Detailgehalt, daß die Herkunfts- und Beschaffungs- läutert, er habe „ausdrücklich nach offenen, beim modalitäten der Informationen daraus nicht zu er- BfV vorhandenen Informationen, insbesondere sehen waren. über Reden, die Rechtsanwalt Schily während sei- ner APO-Zeit gehalten hat", gefragt. Es würde die Vorbereitung der Sitzung des Innen- ausschusses wesentlich erleichtern, wenn Sie mög- Die Erledigung dieses Berichtsauftrags hat der Un- lichst umgehend das Ergebnis Ihrer Prüfung mittei- tersuchungsausschuß nicht abschließend klären len würden." können.

Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

Präsident Hellenbroich hat angegeben, daß er in Ob diesem Schreiben tatsächlich eine Anfrage des einer Besprechung am 19. Dezember 1984 Parla- damaligen Vorsitzenden der Parlamentarischen mentarischem Staatssekretär Spranger einen Aus- Kontrollkommission vorausgegangen war, hat nicht zug von höchstens zwei Blatt aus einem Vermerk festgestellt werden können. des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 7. Fe- bruar 1983 übergeben habe; dem Untersuchungs- Präsident Hellenbroich hat bekundet, daß ihn Par- ausschuß liegt eine entsprechende Aktennotiz von lamentarischer Staatssekretär Spranger am Rande Präsident Hellenbroich vom 19. Dezember 1984 vor. der Sicherheitslage im Bundesministerium des In- nern vom 18. April 1985 angesprochen und einen Parlamentarischer Staatssekretär Spranger hat „persönlichen Auftrag des Herrn Dregger, Schily demgegenüber bekundet, daß sein Berichtsauftrag betreffend" übermittelt habe. Dabei sei die Funk- keine konkrete Erledigung gefunden habe und die tion von Dr. Dregger als Vorsitzender der Parla- von Präsident Hellenbroich angeblich überreichte mentarischen Kontrollkommission und die sich Unterlage weder ihm noch in seinem Büro bekannt daraus ergebende Bedeutung des Auftrags ange- sei. sprochen worden. Präsident Hellenbroich hat sich bei seiner Verneh- Parlamentarischer Staatssekretär Spranger hat be- mung vor dem Untersuchungsausschuß überrascht kundet, daß er Ende April 1985 über seinen Persön- gezeigt zu erfahren, daß Parlamentarischer Staats- lichen Referenten bei Präsident Hellenbroich nach sekretär Spranger diese Unterlage nicht erhalten einer bereits im Dezember 1984 erbetenen Unter- habe. lage über den Abgeordneten Schily gefragt habe. Diese Nachfrage habe im Zusammenhang gestan- Dem Ausschuß liegt der achtseitige Originalver- den mit einer mündlichen Anfrage des Büroleiters merk vom 7. Februar 1983 vor. Darin sind Textstel- von Dr. Dregger nach dem Abgeordneten Schily. len mit grünen Klammern gekennzeichnet; sie erge- Dabei habe der Büroleiter — nach seiner, Spran- ben zusammen etwa drei Seiten. Präsident a. D. gers, Erinnerung — zum Ausdruck gebracht, daß Hellenbroich hat vor dem Untersuchungsausschuß Dr. Dregger ihn beauftragt habe. Er, Spranger, erklärt, daß es sich bei diesen Textstellen um den könne nicht ausschließen, daß er „am Rande oder Auszug handele, den er Parlamentarischem Staats- am Ende der Sicherheitslage vom 18. April 1985 die- sekretär Spranger übergeben habe. ses Thema" mit Präsident Hellenbroich „nochmals kurz erörterte oder ein ergänzendes Gespräch" ge Die Existenz des Originalvermerks vom 7. Februar führt habe. Daraufhin jedenfalls habe er das Schrei- 1983 ist von Direktor Bloch vor dem Untersu- ben des Präsidenten vom 10. Mai 1985 erhalten, des- chungsausschuß damit erklärt worden, daß der Ver- sen Inhalt durch seinen Persönlichen Referenten merk nur noch als „Hintergrundmaterial" wie eine dem Büroleiter von Dr. Dregger fernmündlich mit- Art „detailliertes Bundestagshandbuch", „qualifi- geteilt worden sei. ziertes Telefonbuch" aufbewahrt worden sei. Eine Personenakte über den Abgeordneten Schily gebe Der Büroleiter von Dr. Dregger hat dazu eine es nicht mehr; auch eine Eintragung in der elektro- schriftliche Erklärung abgegeben, in der es heißt: nischen Datei NADIS sei gelöscht. Es gebe keine „Hinterzimmerchen" mit aufgehobenen Akten. Die „Zu einem mir nicht mehr genau erinnerlichen Zeit- zuständige Sachbearbeiterin habe diesen zusam- punkt gab es in der Presse Vermutungen, daß es in menfassenden Vermerk der Ordnung halber zum Hessen eine rot-grüne Koalition mit einem Justiz- Nachweis aufbewahrt, daß sie die Akte der Abtei- minister Schily geben könnte. Im Rahmen meiner lung VII — Terrorismus — zurückgeleitet habe, da Aufgabe, alle politischen Ereignisse zu beobachten und Reaktionen auf solche Ereignisse vorzuberei- Abgeordneter Schily nicht von der Abteilung III — ten, habe ich Herrn Spranger am Rande einer Frak- Linksextremismus — zu beobachten sei. Nur dem Gedächtnis der Sachbearbeiterin sei es zu verdan- tionsvorstandssitzung angesprochen, ob ich über ken gewesen, daß auf die entsprechende Anfrage ihn Informationen über die Verbindungen von von Präsident Hellenbroich auf dieses „Hinter- Herrn Schily zur Terrorismusszene vor seiner MdB-Zeit erhalten könnte". grundmaterial" habe zurückgegriffen werden kön-- nen. Dr. Dregger hat seinerseits schriftlich erklärt: „Ich stelle fest, daß ich weder als damaliger Vorsit- b) Das Schreiben von Präsident Hellenbroich vom zender der PKK noch als Fraktionsvorsitzender 10. Mai 1985 noch in irgendeiner anderen Eigenschaft eine dies- Unter dem 10. Mai 1985 schrieb Präsident Hellen- bezügliche Anfrage an das BW oder das BMI ge- broich an Parlamentarischen Staatssekretär Spran- stellt habe". ger unter anderem: 4. Berichtsauftrag zu Erkenntnissen im „Auf die von Ihnen übermittelte Anfrage des derzei- Zusammenhang mit der „Flick-Affäre" tigen Vorsitzenden der Parlamentarischen Kon- trollkommission, Herrn Dr. DREGGER, teile ich Ih- Ebenfalls in dem Gespräch Anfang Dezember 1984 nen mit, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz zwischen Parlamentarischem Staatssekretär zu Herrn SCHILY keine Erkenntnisse über Bestre- Spranger und Präsident Hellenbroich wurden auch bungen gegen die freiheitliche demokratische Desinformationskampagnen östlicher Nachrichten- Grundordnung hat". dienste erörtert. Dabei wurde die Überlegung ange-

Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584 stellt, ob die „Flick-Affäre" und deren öffentliche chen Nachrichtendienstes über zehn Jahre lang un- Darstellung durch eine derartige Desinformations- ter anderem den Flick-Konzern ausgeforscht haben kampagne mitbeeinflußt sein könne. Auch in die- solle". Vor dem Untersuchungsausschuß hat er klar- sem Zusammenhang erhielt das Bundesamt für gestellt, daß dies auf einer ungenauen Unterrich- Verfassungsschutz einen Berichtsauftrag, dessen tung durch die Fachabteilung im Bundesministe- Inhalt und Zielrichtung nicht abschließend haben rium des Innern beruht habe. geklärt werden können.

Präsident Hellenbroich faßte sein Verständnis des 5. Bericht über Erkenntnisse über mögliche Auftrages in einem Vermerk vom 5. Dezember 1984 Nachrücker der GRÜNEN in den 10. Deutschen wie folgt zusammen: Bundestag „Am 5. Dezember beauftragte mich der PStS Spran- Einen Bericht über Erkenntnisse über mögliche ger, Erkenntnisse über von Brauchitsch (Flick) zu- Nachrücker der Partei DIE GRÜNEN übersandte sammenzustellen. Wenn das BfV keine nachrich- der Präsident des Bundesamtes für Verfassungs- tendienstlichen Erkenntnisse habe, solle auch der schutz mit Schreiben vom 22. März 1985 an Parla- BND angefragt werden. Gibt es in diesem Zusam- mentarischen Staatssekretär Spranger. Der Text menhang irgendwelche Hinweise auf ,active measu- dieses Schreibens lautet: „Wie erbeten übersende res' in Zusammenhang mit der Spendenaffäre?". ich als Anlage eine Aufstellung über Erkenntnisse Vor dem Ausschuß hat er erläutert, er habe dies so des BW über mögliche Nachrücker der ,GRÜNEN` verstanden, daß geprüft werden solle, ob Herr von in den 10. Deutschen Bundestag". Brauchitsch ein KGB-Agent sein könne. Dieses Ver- ständnis sei für ihn „ganz klar" gewesen, auch wenn Hierbei handelte es sich um eine Aufstellung der er Parlamentarischem Staatssekretär Spranger in Erkenntnisse des Bundesamtes für Verfassungs- dieser Fragestellung nicht habe folgen können. Prä- schutz über zehn Personen, seinerzeit mögliche sident a. D. Hellenbroich hat gemeint, der Auftrag „Nachrücker" der Partei DIE GRÜNEN. von Parlamentarischem Staatssekretär Spranger habe aus seiner Sicht nur dann einen Sinn ergeben Der Text des Berichts ist als Anlage 5 b diesem können, wenn Eberhard von Brauchitsch in Ver- Untersuchungsbericht beigefügt. dacht gestanden hätte, als Vertrauensperson eines östlichen Dienstes zu handeln. Dies aber sei für ihn a) Die Auftragserteilung nicht nachvollziehbar gewesen. Gegen den Auftrag habe er nicht remonstriert, da er nicht als „sperri- Ob ein Auftrag zur Erstellung dieses Berichts er- ger Beamter" habe erscheinen wollen. teilt worden war und gegebenenfalls von wem, hat Demgegenüber hat Parlamentarischer Staatssekre- nicht aufgeklärt werden können. tär Spranger vor dem Untersuchungsausschuß be- tont, sein Anliegen sei es gewesen zu klären, inwie- Unter dem 29. April 1985 fertigte Vizepräsident Dr. fern die Parteispendenaffäre und/oder deren öf- Pelny einen Vermerk, in dem es unter anderem fentliche Darstellung durch eine Desinformations- heißt: kampagne mitbeeinflußt worden sein könnte. Vor diesem Hintergrund habe er Eberhard von Brau- „Am 15. März 1985 rief der damalige Referent im chitsch als mögliche Zielperson aktiver Maßnah- Referat IS 7 ..., MinRat Dr. Mensing, bei Präsident men genannt. Es sei absurd, wenn behauptet werde, Hellenbroich an. Er bat ihn im Auftrag von PStS er habe Eberhard von Brauchitsch als Agenten ver- Spranger, dem BMI etwaige Erkenntnisse des BfV dächtigt. Die im Bundesministerium des Innern be- über mögliche Nachrücker der GRÜNEN in den kannten Erkenntnisse über früher festgestellte 10. Deutschen Bundestag zu übermitteln." Desinformationskampagnen östlicher Nachrichten- dienste hätten ihn zu seiner Überlegung veranlaßt. Diese nachträgliche Darstellung leitete Vizepräsi- dent Dr. Pelny mit der Frage: „Einverstanden?" an Präsident Hellenbroich nahm den Auftrag, so wie er Präsident Hellenbroich, der am selben Tage ver- seiner Meinung nach zu verstehen war, nach seinen merkte: „Ja". Bekundungen nicht ganz ernst. Er erledigte ihn in der Weise, daß er in der bereits erwähnten Bespre- Dr. Mensing war als Referatsleiter im Bundesmini- chung bei Parlamentarischem Staatssekretär sterium des Innern zuständig für „Analysen und Spranger am 19. Dezember 1984 mitteilte, Erkennt- geistig-politische Auseinandersetzung im Bereich nisse über Eberhard von Brauchitsch seien nicht der inneren Sicherheit". Er hat vor dem Untersu- vorhanden. Er wies allerdings auf einen Namen hin, chungsausschuß bekundet, daß er auf dem Gebiet der im Zusammenhang mit einem möglichen Spio- des „positiven Verfassungsschutzes" auch mit Par- nagefall im Hause Flick genannt worden war. lamentarischem Staatssekretär Spranger zusam- mengearbeitet habe. Als Referatsleiter sei er auch Auf diesen Fall hatte auch Bundesminister Dr. Zim- berechtigt gewesen, dem Bundesamt selbst Auf- mermann in der 90. Sitzung des Innenausschusses träge zu erteilen; das sei bereits zu Beginn seiner vom 18. Dezember 1985 Bezug genommen, als er Tätigkeit klargestellt worden. Bei Aufträgen, die die ausführte, „konkreter Hintergrund dieses Auftrages Zuständigkeit mehrerer Abteilungen des Bundes- sei das Bekanntwerden eines Spionagefalles, wo- amtes für Verfassungsschutz betrafen, habe er sich nach ein illegaler, eingeschleuster Agent eines östli- an den Präsidenten gewandt.

Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

In der 90. Sitzung des Innenausschusses vom verfügte Parlamentarischer Staatssekretär Spran- 18. Dezember 1985 hatte Bundesminister Dr. Zim- ger handschriftlich: „Herrn Minister mit der Bitte mermann auf der Grundlage des Vermerks von Vi- um Kenntnis"; Bundesminister Dr. Zimmermann, in zepräsident Dr. Pelny noch vorgetragen, daß das dessen Büro der Bericht am 18. April 1985 eingegan- Bundesamt für Verfassungsschutz „am 15. März gen war, zeichnete ohne Datumsangabe ab. Auf 1985... auf Veranlassung von Parlamentarischem dem Übersendungsschreiben findet sich außerdem Staatssekretär Spranger" diesen Auftrag erhalten die handschriftliche Verfügung von Parlamentari- habe. Diese Darstellung berichtigte Bundesminister schem Staatssekretär Spranger „Weglegen". Als Da- Dr. Zimmermann in der 92. Sitzung des Innenaus- tum ist der „25. 4.” angegeben. Dieses Datum ist schusses am 22. Januar 1986. Denn aufgrund der über ein anderes geschrieben, das nach den Ermitt- öffentlichen Berichterstattung über den Untersu- lungen des Geheimschutzbeauftragten im Bundes- chungsausschuß hatte sich Dr. Mensing, der seit ministerium des Innern ursprünglich wohl „19. 4.” dem 26. April 1985 dem Bundesministerium des In- lautete. nern nicht mehr angehört, in den letzten Dezember- tagen 1985 bei seinem ehemaligen Abteilungsleiter gemeldet, um den Ablauf der Auftragserteilung c) Die Ermittlungen wegen der Veröffentlichung klarzustellen. Danach und nach seiner zeugen- aus dem Bericht schaftlichen Aussage vor dem Untersuchungsaus- schuß war der Ablauf folgender: Am 20. April 1985 erschienen in der „Bild-Zeitung" Auszüge aus diesem Bericht. Dies teilte das Bun- Er habe sich anläßlich der bevorstehenden „Rota- desamt für Verfassungsschutz dem Referat IS 2 im tion" in der Bundestagsfraktion DIE GRÜNEN im Bundesministerium des Innern mit Fernschreiben Dezember 1984 an Präsident Hellenbroich mit der vom 23. April mit. Frage gewandt, ob es im Bundesamt für Verfas- sungsschutz Erkenntnisse über eine extremistische Sowohl im Bundesamt für Verfassungsschutz als Betätigung möglicher „Nachrücker" gebe. Der Prä- auch im Bundesministerium des Innern wurden sident habe zugesagt, das zu prüfen; es habe aber daraufhin Ermittlungen nach der Verschlußsachen- Einigkeit bestanden, daß die Erstellung eines ent- anweisung für die Bundesbehörden angestellt, um sprechenden Berichts von Parlamentarischem festzustellen, ob Geheimschutzvorschriften verletzt Staatssekretär Spranger angeordnet werden solle. wurden. Dabei ging man noch davon aus, daß Auf- Es habe sich folglich noch nicht um einen Auftrag traggeber des Berichts Parlamentarischer Staatsse- gehandelt, sondern nur um eine bloße Anfrage. We- kretär Spranger gewesen sei. Dieser beantwortete der habe er im Auftrag von Parlamentarischem auch die Frage des Geheimschutzbeauftragten: Staatssekretär Spranger gehandelt, noch habe er „Wie haben Sie die Aufstellung ,Erkenntnisse über dieses Thema mit Parlamentarischem Staatssekre- mögliche Nachrücker der GRÜNEN in den 10. Deut- tär Spranger oder sonst jemandem im Bundesmini- schen Bundestag' beim BW angefordert?" mit „Mög- sterium des Innern erörtert. licherweise mündlich".

Im Januar oder Februar 1985 habe er, Dr. Mensing, Die Nachforschungen des Geheimschutzbeauftrag- erneut mit Präsident Hellenbroich über dieses ten im Bundesministerium des Innern führten zu Thema gesprochen. Dabei habe dieser darauf hinge- keinen konkreten Ergebnissen. Wer für das Be- wiesen, daß er keine Liste der „Nachrücker" besitze. kanntwerden dieses Berichts in der Öffentlichkeit Er, Dr. Mensing, habe sich dann eine Liste mögli- verantwortlich war, hat auch der Untersuchungs- cher „Nachrücker" über die CDU/CSU-Bundestags- ausschuß nicht festgestellt. fraktion beschafft und sie dem Präsidenten über- sandt. Weiteres habe er in dieser Angelegenheit nicht veranlaßt; einen Bericht habe er nicht erhal- 6. Vortrag von Direktor des BfV Dr. Rombach bei ten. Parlamentarischem Staatssekretär Spranger über die Behandlung der legalen Residenturen durch die Verfassungsschutzbehörden b) Die Behandlung des Berichts im Bundesministerium des Innern Im April oder Mai 1985 bat Parlamentarischer Staatssekretär Spranger Direktor Dr. Rombach um Am 22. März 1985 ging gleichwohl ein Bericht zu einen Sachvortrag über die Behandlung der legalen diesem Thema im Bundesministerium des Innern Residenturen durch das Bundesamt für Verfas- bei Parlamentarischem Staatssekretär Spranger sungsschutz. Bei diesem Gespräch machte Direktor ein. Der Bericht wurde weder der Registratur zuge- Dr. Rombach auch auf nach seiner Auffassung feh- leitet, noch der Fachabteilung zur Kenntnis ge- lerhafte nachrichtendienstliche beziehungsweise bracht. operative Vorgehensweisen des Bundesamtes für Verfassungsschutz aus früherer Zeit aufmerksam. Unter dem 10. April verfügte Parlamentarischer Staatssekretär Spranger: „Herrn Dr. Butz Ob Direktor Dr. Rombach die Amtsleitung des Bun- m.d.B.u.K.u.R. sofort"; am selben Tage zeichnete der desamtes für Verfassungsschutz von dem Gespräch Referent im Referat G 3 (Pressereferat), Oberregie- mit Parlamentarischem Staatssekretär Spranger rungsrat Dr. Butz, ab. Wann und mit welchem In- vorab unterrichtete, hat sich nicht feststellen las- halt die erbetene Rücksprache stattfand, hat nicht sen. Vizepräsident Dr. Pelny hat ausgesagt, daß er mehr festgestellt werden können. Am 17. April 1985 einmal vergeblich versucht habe, Direktor Dr. Rom-

Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584 bach telefonisch zu erreichen; von dessen Vorzim- Kowalski m.d.B.u.R. 11.9. Sp" und vom Presserefe- mer sei damals mitgeteilt worden, daß sich Direktor rat wurde darauf handschriftlich vermerkt: „Herrn Dr. Rombach bei Parlamentarischem Staatssekre- PStS Beide Unterlagen sind von mir mit üblichem tär Spranger aufhalte. Präsident Hellenbroich hatte Verteiler an Journalisten übermittelt worden. nach seinen Angaben Anlaß, Direktor Dr. Rombach Ko 27/9". darauf hinzuweisen, es entspreche der guten Ord- nung, daß der unmittelbare Vorgesetzte davon Kenntnis erhalte, wenn ein Mitarbeiter zum „Ober- 8. Vortrag von Direktor des BM Dr. Rombach bei vorgesetzten" gerufen werde. Fest steht, daß Direk- Parlamentarischem Staatssekretär Spranger über tor Dr. Rombach nachträglich den Vizepräsidenten die Frage einer längerfristigen Agententätigkeit oder den Präsidenten über seine Gespräche mit von Hansjoachim Tiedge Parlamentarischem Staatssekretär Spranger in Am 29. August 1985 bat Parlamentarischer Staats- Kenntnis setzte. sekretär Spranger Direktor Dr. Rombach zum Vor- trag über die aktuellen Spionagefälle. Im Mittel- 7. Bericht über Bündnispolitische Erfolge der punkt standen die Fälle Tiedge und Höke, die sich „Deutschen Kommunistischen Partei" (DKP) in der Zeit seines Urlaubs ereignet hatten. Parla- mentarischer Staatssekretär Spranger hat vor dem Am 14. August 1985 erteilte Ministerialrat Bracht, Untersuchungsausschuß bekundet, er sei vor allem Leiter des Referates IS 2 im Bundesministerium daran interessiert gewesen zu erfahren, ob Anhalts- des Innern, dem Bundesamt für Verfassungsschutz punkte bestünden, daß Tiedge schon seit längerer fernschriftlich die Weisung, einen etwa sechsseiti- Zeit für östliche Nachrichtendienste tätig gewesen gen veröffentlichungsfähigen Bericht mit Beispie- sei oder ob es sich bei dessen Übertritt in die DDR len über „Erfolge kommunistischer Aktionsein- um eine „Kurzschlußreaktion" gehandelt habe. Die- heitspolitik" zu erstellen. Der Auftrag ging zurück sen Vortrag habe er von Direktor Dr. Rombach als auf eine Weisung von Parlamentarischem Staatsse- dem zuständigen Abteilungsleiter erbeten, weil der kretär Spranger an die Leitung der Abteilung IS. neue Präsident des Bundesamtes für Verfassungs- schutz, Dr. Pfahls, sein Amt erst vier Wochen zuvor Der Bericht wurde in der Abt. III des Bundesamtes übernommen gehabt habe. für Verfassungsschutz mit dem vom Abteilungslei- ter formulierten Thema „Bündnispolitische Erfolge der ,Deutschen Kommu- Ill. Berichtspraxis des Bundesamtes für nistischen Partei' (DKP) Verfassungsschutz vor 1982 hier: Politik der Aktionseinheit gegenüber der SPD" Der Untersuchungsausschuß ist, auch aufgrund ent- sprechender Hinweise von Bundesminister Dr. Zim- im wesentlichen unter Auswertung von DKP-Publi- mermann und Parlamentarischem Staatssekreträr kationen erstellt. Die von Präsident Hellenbroich Spranger im Innenausschuß des Deutschen Bun- und Vizepräsident Dr. Pelny gebilligte Fassung ging destages, schließlich der Frage nachgegangen, ob es mit Schreiben des Leiters der Abteilung III des schon vor Herbst 1982, dem Amtsantritt von Bun- Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 28. Au- desminister Dr. Zimmermann und Parlamentari- gust 1985 beim Leiter des Referates IS 2 des Bun- schem Staatssekretär Spranger, Anforderungen desministeriums des Innern am 30. August 1985 von Berichten des Bundesamtes für Verfassungs- ein. schutz zu extremistischen Einflußversuchen auf de- mokratische Organisationen gegeben hat und wie Der Text des Berichts ist als Anlage 5 c diesem die Praxis der Berichterstattung und -verwendung Untersuchungsbericht beigefügt. war, ohne jedoch Einzelfälle zu ermitteln oder Ein- zelheiten genau auszuleuchten. Nach dem Ergebnis Das Referat IS 2 sandte den Bericht unter dem der Beweisaufnahme ist festzuhalten, daß das Bun- 5. September 1985 auf dem Dienstweg an Parlamen-- desamt für Verfassungsschutz auch früher extremi- tarischen Staatssekretär Spranger mit einem Be- stische und „bündnispolitische" Bestrebungen zur gleitvermerk, in dem es unter anderem heißt: Einflußnahme auf demokratische Vereinigungen „Da der Bericht — wenngleich aus der Sicht der beobachtet und untersucht hat. In diesem Bereich DKP — deutlich abnehmende ,Berührungsängste` gab es in der Vergangenheit Anfragen nach Er- innerhalb der SPD gegenüber Kommunisten fest- kenntnissen des Bundesamtes, innerhalb deren Be- stellt, dürfte bei einer Veröffentlichung von Seiten antwortung auch personenbezogene Daten übermit- der SPD mit heftigen Reaktionen und Angriffen ge- telt wurden. Seit 1966 ist das Berichtswesen des gen den Bundesminister des Innern als Urheber Bundesamtes für Verfassungsschutz bei der Unter- oder Auftraggeber der Ausarbeitung zu rechnen richtung von Parteien und Organisationen durch sein. den sogenannten Unterrichtungserlaß des Bundes- ministers des Innern förmlich geregelt. Wenn der Bericht gleichwohl dem Pressereferat für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit zugeleitet werden Im Zusammenhang mit der Erörterung dieser Fra- soll, wird um entsprechenden Hinweis gebeten". gen ist öffentlich auch der Name des Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschusses genannt worden; Parlamentarischer Staatssekretär Spranger ver dieser hat dazu eine Erklärung abgegeben, die die- fügte auf diesem Schreiben handschriftlich: „Herrn sem Bericht als Anlage 6 beigefügt ist.

Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

3. Abschnitt: Bewertung des Untersuchungsergebnisses

A. Kritik am Einsetzungsauftrag für die Nachrichtendienste zuständigen Vertrauens- gremiums des Haushaltsausschusses, vor einer Ein- Die Koalitionsfraktionen haben von Anfang an den setzung des Untersuchungsausschusses zu beherzi- auf Antrag der SPD mit Zustimmung der GRÜNEN gen, anstatt deren Rat in den Wind zu schlagen und beschlossenen Auftrag zur Untersuchung von Vor- den Untersuchungsausschuß durchzusetzen. gängen im Bereich der Spionageabwehr als für die Sachaufklärung überflüssig und für die Sicherheits- Die CDU/CSU-Fraktion hatte aus diesen Gründen interessen unseres Landes abträglich erachtet. auch Bedenken gegen den Vorschlag der SPD-Frak- Diese Einschätzung hat sich bestätigt. tion für den Vorsitzenden, da gegen den Vorgeschla- genen in den Jahren von 1963 bis 1965 ein staatsan- waltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Weitergabe geheimer Protokolle des I. Voreiligkeit der SPD - Fraktion Verteidigungsausschusses an den „SPIEGEL" an- Die parlamentarische Institution der Untersu- hängig war; dieses Verfahren war lediglich aus chungsausschüsse verliert an Glaubwürdigkeit und „subjektiven" Gründen eingestellt worden. Wirksamkeit, wenn bloße Mutmaßungen und unre- flektierte Voreiligkeit Triebfeder für die Einsetzung Auch wenn es tatsächlich während dieses Untersu- eines Untersuchungsausschusses sind. Ein solcher chungsverfahrens zu Veröffentlichungen aus gehei- Fall liegt hier vor: men Unterlagen gekommen ist, so hat nicht festge- stellt werden können, daß diese „Indiskretionie- — Schon am Tag der ADN-Meldung vom Übertritt rung" aus dem Ausschuß erfolgte. Tiedges in die DDR kündigte der Stellvertre- tende Fraktionsvorsitzende der SPD Dr. Emmer- lich öffentlich die Einsetzung eines Untersu- III. Gefahr der Abwertung besonderer chungsausschusses an. parlamentarischer Gremien — Schon sechs Tage nach dieser Meldung forderte Parlamentarische Untersuchungsausschüsse kön- die SPD, dem Bundeskanzler die Entlassung des nen sich insbesondere dann als überflüssig erwei- Bundesministers des Innern vorzuschlagen. sen, wenn Aufklärungsgegenstand nichts anderes Diese Mutmaßungen und Festlegungen erfolgten zu ist als das, was die verantwortliche Regierung be- einer Zeit, als die Unterrichtung der zuständigen sonderen parlamentarischen Gremien aufgrund parlamentarischen Gremien wie des Innenaus- spezieller Regelung — sei es gesetzlich, sei es auch schusses und der Parlamentarischen Kontrollkom- nur geschäftsordnungsmäßig — in Wahrnehmung mission über die aktuellen Fälle durch die Bundes- der Regierungsverantwortung und zugleich zur regierung noch längst nicht abgeschlossen und wei- Ausübung von Kontrollbefugnissen durch das Par- tere Information in Aussicht gestellt worden war. lament zu berichten verpflichtet ist, jedoch unter Wahrung einer im Interesse des Staates liegenden Vertraulichkeit. Die Einrichtung solcher besonderer parlamentarischer Gremien und die durch sie si- II. Gefährdung von Sicherheitsinteressen chergestellte Vertraulichkeit sowohl der Informa- tion der Regierung als auch der Reaktion des Parla- Von vornherein war abzusehen, daß das Untersu- ments in Ausübung seiner Kontrollbefugnisse wer- chungsverfahren die Arbeit der Verfassungsschutz- den in Frage gestellt, wenn nicht gar entwertet, behörden von Bund und Ländern zusätzlich er- wenn die Opposition durch Einsetzung von Unter- schwerte und geeignet war, die Verfassungsschutz- suchungsausschüssen die bereits in den zuständi- behörden in ihrem Ansehen im In- und Ausland gen parlamentarischen Gremien behandelten Sach- herabzusetzen. Auch von sachverständigen Zeugen verhalte an die Öffentlichkeit zerrt. ist im Verlauf des Untersuchungsverfahrens mehr- fach darauf hingewiesen worden, daß „Veröffentli- chungen", die „in Details der geheimdienstlichen Tätigkeit eingehen, das operative Tätigwerden sol- B. Die Unhaltbarkeit der dem cher Organisationen erschweren oder unmöglich Untersuchungsauftrag zugrundeliegenden machen". Mutmaßungen der Opposition

Die SPD-Fraktion hätte besser daran getan, die Durch die Amtsführung von Bundesminister Dr. Warnungen maßgeblicher und sachkundiger Politi- Zimmermann sind keinerlei Sicherheitsinteressen ker aus den eigenen Reihen, nämlich des Vorsitzen- der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der den des Innenausschusses Dr. Wernitz (SPD) und Spionageabwehr in irgendeiner Weise beeinträch- von Klaus-Dieter Kühbacher (SPD), Mitglied des tigt worden. Bundesminister Dr. Zimmermann und Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584 das Bundesministerium des Innern haben eng und II. Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für vertrauensvoll mit dem jeweiligen Präsidenten des Verfassungsschutz Bundesamtes für Verfassungsschutz zusammenge- arbeitet und ständige Kontakte auf allen Ebenen Der Ausschuß hat keinerlei organisatorische Män- gepflogen. Irgendwelche Kenntnisse von den Pro- gel in der Dienst- und Fachaufsicht des Bundesmi- blemen des Referatsgruppenleiters Hansjoachim nisteriums des Innern über das Bundesamt für Ver- Tiedge waren weder Bundesminister Dr. Zimmer- fassungsschutz feststellen können. Aufsicht und Zu- mann noch überhaupt im Bundesministerium des sammenarbeit zwischen dem Bundesministerium Innern bekannt; sie hätten nur bekannt sein kön- des Innern und dem Bundesamt für Verfassungs- nen, wenn der frühere Präsident des Bundesamtes schutz sind organisatorisch umfassend geregelt und für Verfassungsschutz Hellenbroich und der Vize- werden in der Praxis sachgerecht durchgeführt. präsident Dr. Pelny ihre Amtspflichten gewahrt und für eine gehörige Unterrichtung des Bundesmi- nisters des Innern gesorgt hätten. 1. Regelungen der ständigen Zusammenarbeit Außerdem ergeben sich keine Beanstandungen an der Behandlung der Spionagefälle Lüneburg, Höke Die Dienst- und Fachaufsicht zwischen dem Bun- und Willner durch das Bundesministerium des In- desministerium des Innern und dem Bundesamt für nern, erst recht nicht für Entscheidungen des Bun- Verfassungsschutz und die daraus fließende Zu- desministers in diesen Fällen. sammenarbeit beider Behörden sind organisato- risch durch eine Vielzahl von Dienstanweisungen und Einzelerlassen sichergestellt. Die Grundstruk- I. Die unterlassene Unterrichtung des turen dieser Regelungen wurden seit dem Amtsan- Bundesministeriums des Innern über den tritt von Bundesminister Dr. Zimmermann nicht Problemfall Tiedge verändert; jedoch ist eine Reihe von Änderungen und Fortschreibungen in verschiedenen Richtlinien Nach der Beweisaufnahme steht fest, daß weder für eine weitere Verbesserung der Zusammenarbeit Bundesminister Dr. Zimmermann noch irgendje- in Teilbereichen ergangen: So wurde das Berichts- mand sonst im Bundesministerium des Inneren von verfahren in G 10-Angelegenheiten genauer gere- den Sicherheitsrisiken in der Person des Referats- gelt. Es wurden Bestimmungen für eine engere Zu- gruppenleiters Hansjoachim Tiedge Kenntnis hatte. sammenarbeit zwischen dem Bundesamt für Ver- Dies gilt auch für die Weiterleitung eines Pfän- fassungsschutz und dem Bundeskriminalamt erlas- dungs- und Überweisungsbeschlusses in Höhe von sen. Grafische und bildliche Darstellungen im Ver- 119,87 DM zu Lasten von Tiedge, da sich aus einem fassungsschutzbericht wurden verbessert, um un- solchen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß richtige Schlußfolgerungen zu vermeiden. Der Um- selbst keine Anhaltspunkte für eine Sicherheitsge- gang des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit fährdung ergeben und die Weiterleitung solcher nachrichtendienstlichen Erkenntnissen über Aus- Vorgänge an das zuständige Bundesamt für Verfas- länder wurde neu geregelt, um sicherzustellen, daß sungsschutz eine Routineangelegenheit ist. derartige Erkenntnisse nicht an die Heimatländer von Asylbewerbern gelangen. Schließlich wurde Die Beweiserhebungen des Untersuchungsaus- eine weitere Vertretungsregelung für die Anord- schusses haben auch die Spekulation als falsch er- nung von G 10-Maßnahmen getroffen, damit solche wiesen, Bundesminister Dr. Zimmermann oder die Maßnahmen in dringenden Fällen auch, bei gleich- Leitung des Bundesministeriums des Innern sei zeitiger Verhinderung des Ministers und beider „am Präsidenten vorbei" über den „Problemfall Staatssekretäre angeordnet werden können. Tiedge" unterrichtet worden. Vorhaltungen gegen- über Direktor Dr. Rombach, weil er eine solche In- formation nicht gegeben hat, sind ungerechtfertigt. Dr. Rombach hat sich zu Recht darauf verlassen, 2. Praxis und Effizienz der Zusammenarbeit daß, da ihm selbst nur einige Aspekte des Gesamt- vorganges bekannt waren, er auf eine zutreffende Im 2. Abschnitt dieses Berichts ist dargestellt, daß Einschätzung der Lage durch Präsident Hellen- zwischen dem Bundesministerium des Innern und broich und Vizepräsident Dr. Pelny habe vertrauen dem Bundesamt für Verfassungsschutz ständige können, denen der Sachverhalt in seinen Einzelhei- unmittelbare Kontakte auf allen Ebenen, schriftlich ten durch das Sicherheitsreferat umfassend hätte und mündlich, täglich, wöchentlich oder monatlich vorgetragen sein müssen. stattfinden, um anstehende Sachfragen zu erörtern. In diese Kontakte ist auch die Leitung des Bundes- Schließlich ist das Bundesministerium des Innern ministeriums des Innern eingeschlossen; dies gilt von Auffälligkeiten bei Tiedge auch nicht durch den für Bundesminister Dr. Zimmermann und Parla- Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen Dr. mentarischen Staatssekretär Spranger insbeson- Herbert Schnoor unterrichtet worden. Zwar sind dere für die Sicherheitslagen, an denen sie grund- aufgrund der Hinweise des Nachbarn von Tiedge, sätzlich teilnehmen. Hinzu kommt, daß Bundesmi- Oberst a. D. Trömner, Polizeidienststellen in Köln nister Dr. Zimmermann sich selbst um das Bundes- informiert worden; im Innenministerium des Lan- amt intensiv gekümmert hat. Dies kommt auch des Nordrhein-Westfalen hat man jedoch keinen nach außen für die Bediensteten des Bundesamtes Anlaß gesehen, daß Landesbehörden das Bundes- zum Ausdruck in den Besuchen des Ministers an- ministerium des Innern unterrichten. läßlich der Amtseinführung von Präsident Hellen-

Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode broich und Vizepräsident Dr. Pelny sowie bei der Jedenfalls ist Dr. Rombach auch vom jetzigen Prä- Grundsteinlegung des Bundesamtes. Ergänzend sei sidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, auf den Besuch von Parlamentarischem Staatsse- Dr. Pfahls, als loyaler, fähiger, tüchtiger und ein- kretär Spranger beim Bundesamt hingewiesen. fallsreicher Beamter qualifiziert worden.

Hervorhebung verdient vor allem das jederzeitige Es mag sein, daß im Ergebnis sowohl durch die Vortragsrecht des Präsidenten des Bundesamtes Bestellung von Direktor Dr. Rombach als Abtei- für Verfassungsschutz beim Bundesminister des In- lungsleiter IV als auch schließlich im Sommer 1985 nern. Bundesminister Dr. Zimmermann hatte Präsi- durch den Wechsel im Amt des Präsidenten von dent Hellenbroich ausdrücklich gebeten, davon Ge- Heribert Hellenbroich zu Dr. Holger Pfahls die Si- brauch zu machen. Dieser Aufforderung kam Präsi- tuation für Tiedge aus seiner Sicht erschwert war. dent Hellenbroich auch nach; das von ihm am Irgendwelche Verantwortung kann aufgrund dieser 28. Juni 1985 erbetene Gespräch fand noch am sel- Umstände jedoch Bundesminister Dr. Zimmermann ben Tag statt. Angesichts dessen verdient die Be- nicht zugemessen werden, weil bei pflichtgemäßem hauptung der Opposition, Bundesminister Dr. Zim- Verhalten sowohl von Präsident Hellenbroich als mermann habe sich um das Bundesamt für Verfas- auch von Vizepräsident Dr. Pelny noch im August sungsschutz „nicht" oder „zu wenig gekümmert" die 1985 hätten Maßnahmen ergriffen werden können, Beurteilung absurd. um die letztlich durch den Übertritt Tiedges in die DDR eingetretene Beeinträchtigung von Sicher- heitsinteressen zu vermeiden. III. Personalentscheidungen im Bereich des Näheres dazu wird im folgenden ausgeführt. Bundesamtes für Verfassungsschutz

Es kann auch keine Rede davon sein, daß Sicher- heitsinteressen im Bereich der Spionageabwehr IV. Die Verantwortung von Präsident a. D. etwa durch Personalentscheidungen von Bundesmi- Hellenbroich und Vizepräsident Dr. Pelny nister Dr. Zimmermann beeinträchtigt worden wä- ren. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme des Un- tersuchungsausschusses steht — wie bereits nach Was die Ernennung von Dr. Engelbert Rombach dem Ergebnis der Darstellungen im Innenausschuß zum Direktor beim Bundesamt für Verfassungs- des Deutschen Bundestages — fest, daß die Ent- schutz und seine Bestellung zum Abteilungslei- scheidung, Hansjoachim Tiedge als Gruppenleiter ter IV — Spionageabwehr — anbelangt, sind die da- in seiner Funktion trotz der bestehenden Sicher- für maßgeblichen Gründe im zweiten Abschnitt die- heitsgefährdung zu belassen und das Bundesmini- ses Berichts dargestellt. Diese Entscheidung kann sterium des Innern nicht zu unterrichten, von Präsi- weder hinsichtlich ihres Zustandekommens noch in dent a. D. Hellenbroich und Vizepräsident Dr. Pelny der Sache irgendeiner Kritik unterzogen werden. getroffen worden war; Präsident a. D. Hellenbroich hat dafür die Verantwortung übernommen. Daraus Soweit es zwischen Direktor Dr. Rombach und Prä- sind die Konsequenzen gezogen und Präsident Hel- sident Hellenbroich während ihrer Zusammenar- lenbroich in den einstweiligen Ruhestand versetzt beit im Bundesamt für Verfassungsschutz zu Span- worden. nungen gekommen sein mag, war dies für das Bun- desministerium des Innern und Bundesminister Dr. Die Entscheidung von Präsident a. D. Hellenbroich Zimmermann im voraus nicht absehbar; ein beson- und Vizepräsident Dr. Pelny, den Problemfall selbst derer Handlungsbedarf hat sich für das Bundesmi- lösen zu wollen und von einer Unterrichtung der nisterium des Innern als vorgesetzte Dienstbehörde vorgesetzten Dienstbehörde abzusehen, war — wie auch nicht ergeben. Es ist ein Vorgang des tägli- schon das Ergebnis zeigt — falsch. Auch die von chen Lebens nicht nur im öffentlichen Dienst, son- Präsident a. D. Hellenbroich und Vizepräsident Dr. dern in allen anderen Verwaltungsbereichen, wenn Pelny gegebene Begründung, Tiedge sei mit einer bei Personalentscheidungen in höheren Entschei- „besonderen Operation" befaßt gewesen, bei der dungsebenen die Wahl nicht immer auf Angehörige zwei in der DDR lebende Personen in Gefahr für der jeweiligen Organisation, sondern auch auf Leib und Leben hätten geraten können, mag eine Dritte fällt. Probleme beim gegenseitigen Kennen- Rolle gespielt haben; jedenfalls ist die weitere Be- lernen, Einarbeiten und bei der Anpassung an ver- handlung des Falles durch die damalige Amtslei- schiedene Arbeitsweisen sind Selbstverständlich- tung (Präsident Hellenbroich und Vizepräsident Dr. keiten; ihre Bewältigung gehört zu den von allen Pelny) nicht zu vertreten. Bei der gegebenen Situa- Seiten zu leistenden Pflichten. Irgendwelche Vorbe- tion hätte es nahegelegen, entweder „die besondere halte von Präsident Hellenbroich, daß Dr. Rombach Operation" einer irgendwie gearteten Beendigung nicht sein „Wunschkandidat" gewesen sei, wären näher zu bringen („abzuschalten") oder aber die Ab- deshalb unangebracht gewesen. Wenn Präsident lösung Tiedges von dieser Operation zumindest Hellenbroich mit der sachlichen Arbeit von Dr. schrittweise zu betreiben. Beides ist unterblieben. Rombach tatsächlich unzufrieden gewesen wäre, so Dies spricht dafür, daß eine dauernde Eigenkon- hätte es an Präsident Hellenbroich gelegen, inso- trolle der einmal getroffenen und wegen des er- fern seiner Amtspflicht als Präsident zu genügen kannten Sicherheitsrisikos gefährlichen Entschei- und für einen ordnungsgemäßen Arbeitsablauf im dung unterblieben ist. In diesem Zusammenhang Amt und auch in der Abteilung IV zu sorgen. ist bezeichnend, daß Vizepräsident Dr. Pelny einge-

Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

räumt hat, daß er zwei Jahre lang die über Tiedge Dr. Pelny das Sicherheitsrisiko in der Person von geführte Akte des Sicherheitsreferats „nicht ange- Hansjoachim Tiedge tatsächlich zutreffend erkannt sehen" hatte, obwohl das Sicherheitsreferat der haben. Die vielen Anzeichen, insbesondere in letz- Amtsleitung allein und unmittelbar untersteht. Im ter Zeit vor Tiedges Übertritt in die DDR im Jahre übrigen lassen die Akten des Sicherheitsreferates 1985 hätten sie zum Anlaß nehmen müssen, nicht selbst nichts dafür erkennen, daß sich die Amtslei- nur Tiedge weiterhin abzumahnen, sondern viel- tung, wie es angezeigt gewesen wäre, laufend über mehr ihre eigene Entscheidung zu überdenken und die Entwicklung der persönlichen Verhältnisse gegebenenfalls zu revidieren, und zwar sowohl in Tiedges unterrichten ließ. Richtung auf die Belassung von Tiedge auf seinem Dienstposten als auch im Hinblick auf die unterlas- Selbst wenn Präsident Hellenbroich und Vizepräsi- sene Unterrichtung des Bundesministeriums des dent Dr. Pelny seinerzeit davon überzeugt gewesen Innern. Sowohl die Vorhaltungen von Direktor Kar- waren, die von ihnen getroffene Entscheidung sei kowsky, dem Leiter der Geheimschutzabteilung, richtig und vertretbar, so hätten sie dennoch nicht wegen des Verhaltens von Tiedge als „untragbar" davon absehen dürfen, dem Bundesministerium des als auch die Hinweise des Nachbarn Tiedges, Innern — gleich auf welcher Ebene und auf welche Oberst a. D. Trömner, hätten Anlaß sein müssen, Weise — von dem Sicherheitsrisiko in der Person weitere Maßnahmen zu ergreifen anstatt alles beim des Gruppenleiters Tiedge einschließlich der etwai- alten zu belassen. gen Abhängigkeiten und Auswirkungen auf die „be- sondere Operation" zu berichten. Die Amtsleitung Es mag für Präsident Hellenbroich ehrenwert er- des Bundesamtes für Verfassungsschutz hat inso- scheinen, daß er die schwerwiegenden Probleme ei- fern eindeutig gegen die seit 1966 bis heute geltende nes Mitarbeiters, mit dem ihn ein fast 20jähriger Dienstanweisung für das Bundesamt für Verfas- gemeinsamer beruflicher Werdegang verband, nicht sungsschutz verstoßen. Nach dieser Regelung hat der vorgesetzten Dienstbehörde offenbart und ver- das Bundesamt dem Bundesminister des Innern sucht, die Probleme in eigener Verantwortung zu über alle Erkenntnisse von besonderer politischer lösen. Ein solcher Entschluß darf jedoch nicht dazu Bedeutung, vor allem auch über Angelegenheiten führen, die bestehenden und als gut zu bezeichnen- des Verfassungsschutzes von besonderer politi- den Regelungen für eine Zusammenarbeit in der scher Bedeutung, die durch Pressemeldungen oder Ausübung der Dienst- und der Fachaufsicht des in anderer Weise in der Öffentlichkeit aufgeworfen Bundesministers des Innern zu umgehen, zu unter- werden, unverzüglich zu berichten. Darüber hinaus laufen und sogar — wenn auch nur theoretisch — gibt es Berichtspflichten bei Einleitung oder Fort- zu erwägen, ausdrückliche Fragen nach etwaigen führung besonderer operativer Maßnahmen; außer- Problemfällen ausweichend oder unzutreffend zu dem besteht natürlich eine laufende Berichtspflicht beantworten. Der Untersuchungsausschuß schließt des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungs- eine solche Möglichkeit daraus, daß Präsident a. D. schutz gegenüber dem Bundesministerium des In- Hellenbroich auf die Frage, ob er, wäre er vom Mi- nern über die Tätigkeit des Bundesamtes. Nach nister ausdrücklich nach einer Problemlage gefragt dem Kontext all dieser Vorschriften kann es kei- worden, kein uneingeschränktes „ja" als Antwort nem Zweifel unterliegen, daß — insbesondere im gegeben hat, sondern erklärt hat, daß er dies „wohl" Hinblick auf die politischen Implikationen eines gesagt hätte. Bekanntwerdens des Sicherheitsrisikos auf der Bei dem für den Untersuchungsausschuß zutage ge- Ebene eines Gruppenleiters im Bundesamt — die- tretenen Verständnis von Präsident Hellenbroich ser Vorgang berichtspflichtig war. für seinen früheren Weggefährten und späteren Mitarbeiter Tiedge ist es um so unverständlicher, Es ist bereits dargestellt, daß Präsident Hellen- daß Präsident Hellenbroich vom Bundesamt für broich auch bekannt war, daß er ein jederzeitiges Verfassungsschutz zum Bundesnachrichtendienst Vortragsrecht beim Bundesminister des Innern per- wechselte, ohne für eine ausreichende Betreuung sönlich hatte. Er benutzte diese Gelegenheit auch, von Hansjoachim Tiedge in der Folgezeit und zu- da er Bundesminister Dr. Zimmermann — ebenso gleich für eine Unterrichtung des kommenden Prä- wie gegenüber Staatssekretär Kroppenstedt und- sidenten Dr. Holger Pfahls zu sorgen. Bei der gege- dem Leiter der Zentralabteilung des Bundesmini- benen Sachlage hätte er alles unternehmen müs- steriums des Innern — über angebliche Schwierig- sen, damit bei Tiedge nicht der Eindruck entstand, keiten von Dr. Rombach mit der „Menschenfüh- ihm werde nunmehr die schützende und fürsor- rung" in Kenntnis setzte; nichts hätte näher gele- gende Hand des Präsidenten entzogen und er, Tied- gen, als gerade in diesem Zusammenhang darauf ge, müsse den neuen Präsidenten fürchten. Dies hinzuweisen, daß mit dem Gruppenleiter Tiedge in hätte um so näher gelegen, als wegen der noch der Abteilung von Direktor Dr. Rombach ein mit nicht beendeten „besonderen nachrichtendienstli- Sicherheitsrisiken behafteter Fall eines Mitarbei- chen Operation" Präsident Hellenbroich in einer be- ters zu bewältigen war. Stattdessen ließen Präsi- sonderen Verantwortung gestanden haben will, da dent Hellenbroich und Vizepräsident Dr. Pelny er nach seiner Erklärung für die Betroffenen in der sämtliche Gelegenheiten zur vertraulichen Unter- DDR persönliche Garantien übernommen hatte. richtung des Bundesministers, seiner engeren Mit- Statt dessen hat er lediglich gehofft, daß Vizepräsi- arbeiter sowie der zuständigen Beamten des Bun- dent Dr. Pelny schon die entsprechenden Maßnah- desministeriums des Innern ungenutzt. men ergreifen werde. Es bestehen im übrigen nachhaltige Zweifel dar Doch diese Hoffnung trog, denn nach den Feststel an, ob Präsident Hellenbroich und Vizepräsident lungen des Untersuchungsausschusses hat auch Vi-

Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode zepräsident Dr. Pelny nichts Ausreichendes unter- Höke zeigte sich „eine Erforschung des Sachver- nommen, um zu verhindern, daß sich das Sicher- halts auf andere Weise" so der Wortlaut des Geset- heitsrisiko in der Person von Tiedge wie später ge- zes --, nämlich durch eine Observation als möglich schehen verwirklicht. Er hat von sich aus weder und erfolgreich. Im Fall Willner sah der General- den neuen Präsidenten Dr. Pfahls auf die besondere bundesanwalt trotz der zusätzlichen Tatsache, daß Problematik im Fall Tiedge hingewiesen noch hat Tiedge den G 10-Antrag gegen Herbert Willner be- er sich um Tiedge gekümmert, um diesen vor etwai- arbeitet hatte, tatsächliche Anhaltspunkte für die gen Kurzschlußhandlungen zu bewahren. Insofern Einleitung eines Ermittlungsverfahrens als nicht ist es nicht nachvollziehbar, daß Vizepräsident Dr. gegeben an und lehnte die Einleitung eines Ermitt Pelny bei keiner Gelegenheit „auf einen entspre- lungsverfahrens ab. Zu Recht hat sich Bundesmini- chenden Gedanken gekommen" sei, Präsident Dr. ster Dr. Zimmermann durch diese Entscheidung ei- Pfahls auf die Problemlage und das Sicherheitsri- nes Organs der Rechtspflege bei einem obersten siko aufmerksam zu machen. Bundesgericht in seiner eigenen Auffassung bestä- tigt gesehen.

Wenn Bundesminister Dr. Zimmermann den Vor- V. Beurteilung der Behandlung der Spionagefälle trag von Präsident Hellenbroich in dem Gespräch Lüneburg, Höke und Willner im vom 28. Juli 1986 zum Anlaß genommen hat, Staats- Bundesministerium des Innern sekretär Neusel zu bitten, sich der G 10-Problema- tik in besonderem Maße anzunehmen, hat er auch Eine Beeinträchtigung oder Vernachlässigung von in diesem Bereich die ihm obliegenden Amtspflich- Sicherheitsinteressen bei der Behandlung der Spio- ten erfüllt. nagefälle Lüneburg, Höke und Willner hat sich nicht ergeben. Während im Verdachtsfall Lüneburg weder das Bundesministerium des Innern noch das Bundesamt für Verfassungsschutz mit der Verdäch- VI. Der Zerfall der Vorwürfe, Mutmaßungen und tigen vor deren Verschwinden befaßt waren, war in Verdächtigungen von SPD und GRÜNEN den Fällen Höke und Willner die G 10-Praxis im Bundesministerium des Innern zu überprüfen. An- SPD und GRÜNE haben im Verlauf des Untersu- lässe zu Beanstandungen haben sich nicht ergeben; chungsverfahrens von Anfang an ihr Vorgehen mit die vom Bundesministerium des Innern vertretenen den verschiedensten Mutmaßungen und Verdächti- Auffassungen und Maßnahmen entsprechen der gungen begründet, die mit dem Fortgang der Be- Rechtslage. weisaufnahme nach und nach entkräftet und wider- legt worden sind. Die Opposition hat in chamäle- Es mag sein, daß bei der Beurteilung der Frage, onartiger Weise jeweils ihre Taktik geändert. welche Umstände für den gesetzlichen Begriff „tat- sächliche Anhaltspunkte für einen (nachrichten- Wenn die Minderheit zunächst behauptet hatte, dienstlichen) Verdacht" erforderlich sein müssen, Bundesminister Dr. Zimmermann habe persönlich interessegemäß unterschiedliche Auffassungen Kenntnis von den häuslichen, gesundheitlichen, fi- zwischen dem Bundesministerium des Innern und nanziellen und den Alkoholproblemen des ehemali- dem Bundesamt für Verfassungsschutz entstehen; gen Verfassungsschutzbeamten Tiedge gehabt, so es mag deshalb auch sein, daß das Interesse des war sehr bald das Gegenteil erwiesen. Daraufhin Bundesamtes als „Ermittlungs"-Behörde dahin wurde unterstellt, zumindest im Bundesministe- geht, möglichst frühzeitig Überwachungsanordnun- rium des Innern hätten entsprechende Kenntnisse gen zu erreichen. Für den Untersuchungsausschuß bestanden und die gegenteilige Erklärung von Bun- handelte dagegen das Bundesministerium des In- desminister Dr. Zimmermann im Innenausschuß nern richtig, als es bei seiner G 10-Praxis eine eher des Deutschen Bundestages sei unzutreffend; auch restriktive und sehr enge Auslegung des Gesetzes dies ist durch die Beweisaufnahme widerlegt. Des- zugrundelegte. Das Bundesamt für Verfassungs- halb wurde dann spekuliert, jedenfalls hätten Bun- schutz ist in diesen Verfahren nur Antragsteller, desminister Dr. Zimmermann oder das Bundesmi- während der Bundesminister des Innern die Anord-- nisterium des Innern Kenntnisse haben müssen; es nung zu treffen hat. Er hat die Rechtmäßigkeit der steht aber fest, daß Präsident Hellenbroich und Vi- Entscheidung zu vertreten, er hat zugleich auch die zepräsident Dr. Pelny die allein von ihnen getrof- politische Verantwortung für getroffene Anordnun- fene und zu verantwortende Entscheidung, Tiedge gen zu tragen. Hinzu kommt, daß sich der Bundes- in seiner Position für die Spionagebwehr der Nach- minister des Innern wegen seiner Zuständigkeit in richtendienste der DDR zu belassen, dem Bundes- besonderem Maße der Wahrung der Verfassung minister des Innern verschwiegen haben. verpflichtet sieht. Mit Recht hat deshalb Bundesmi- nister Dr. Zimmermann nachdrücklich vor dem Un- Schließlich hat sich die Opposition darauf verlegt, tersuchungsausschuß erklärt, daß man mit derarti- einen Zusammenhang zwischen Personalentschei- gen Grundrechtseingriffen nicht großzügig verfah- dungen und dem Übertritt Tiedges in die DDR zu ren könne, sondern „sehr penibel" sein müsse. konstruieren; sie übersieht dabei, daß die Ursachen für die Verwirklichung des in der Person Tiedges Anhaltspunkte für eine künftige gesetzliche Ände- liegenden Sicherheitsrisikos allein in den vorher rung der G 10-Praxis im Sinne einer Erleichterung getroffenen Entscheidungen von Präsident Hellen- der Anordnung haben die vom Untersuchungsaus- broich und Vizepräsident Dr. Pelny zu suchen und schuß untersuchten Fälle nicht ergeben. Im Fall zu finden sind.

Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

Statt der Bestätigung der Vorwürfe gegen Bundes- Auseinandersetzung mit verfassungsfeindlichen minister Dr. Zimmermann hat sich herausgestellt, Bestrebungen. Das ist positiver Verfassungsschutz. daß Vorhaltungen wegen des Übertritts Tiedges in Ein wesentlicher Teil dieses positiven Verfassungs- die DDR nicht nur gegenüber Präsident Hellen- schutzes sind die jährlichen Verfassungsschutzbe- broich gerechtfertigt sind, sondern auch gegenüber richte, mit denen die Öffentlichkeit im Rahmen der Vizepräsident Dr. Pelny, der erklärt haben soll, er geistig-politischen Auseinandersetzung über den sei „der Vertreter der SPD im Bundesamte". Extremismus aufgeklärt wird.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist in die- C. Geistig-politische Auseinandersetzung mit sem Bereich eine Behörde, die die Aufklärung und dem Extremismus als positiver Öffentlichkeitsarbeit unterstützt, und nicht „Ge- heim"-Dienst. Seine Aufgabe ist es, dem Bundesmi- Verfassungsschutz nisterium des Innern das für die geistige Auseinan- Der Verfassungsschutz wurde im Untersuchungs- dersetzung mit dem Extremismus erforderliche ob- zeitraum seit Herbst 1982 durch die Bundesregie- jektive Tatsachenmaterial zu beschaffen. rujng, deren Angehörige oder die Koalitionsfraktio- nen in keinerlei parteipolitische Auseinanderset- zungen hineingezogen. Erst durch das Betreiben dieses Untersuchungsausschusses seitens der Op- I. Die Arbeit von Parlamentarischem positionsfraktionen wurden der Verfassungsschutz Staatssekretär Spranger im Bereich der inneren und die ihm durch Verfassung und Gesetz übertra- Sicherheit genen Aufgaben zu Objekten parteipolitischer Agi- tation. Der Aufgabe, die Öffentichkeit über Bestrebungen aufzuklären, die gegen die vom Grundgesetz garan- Es ist eine gesetzliche Aufgabe des Verfassungs- tierte freiheitliche demokratische Grundordnung schutzes, politisch-extremistische, gegen die Verfas- gerichtet sind, hat sich Parlamentarischer Staatsse- sungsordnung gerichtete Bestrebungen zu beobach- kretär Carl-Dieter Spranger — wie aus seinen eige- ten, Erkenntnisse hierüber zu sammeln und auszu- nen Bekundungen vor dem Untersuchungsaus- werten. Zu dieser Aufgabe gehört es, daß der Ver- schuß deutlich geworden ist — besonders gewidmet. fassungsschutz die Ergebnisse seiner Auswertung Dafür und auch für die Erstellung der jährlichen zur Verfügung stellt, damit die Öffentlichkeit über Verfassungsschutzberichte war Parlamentarischer das Ausmaß, die Zielrichtung und das Gefährdungs- Staatssekretär Spranger zuständig und berufen. potential politisch-extremistischer Bestrebungen unterrichtet werden kann. Diese Unterrichtung ist Grundlage für eine geistig-politische Auseinander- Es mutet befremdlich an, daß Vizepräsident Dr. setzung mit den verschiedenen Strömungen des Ex- Pelny bekundet hat, über diese Aufgabenübertra- tremismus; denn es muß verhindert werden, daß gung seien „Irritationen" bei Präsident Hellen- extremistische Bestrebungen für ihre Ziele Unter- broich entstanden. Hätte Ungewißheit über die Zu- stützung in der Bevölkerung finden. ständigkeiten der Parlamentarischen Staatsskre- täre im Bundesministerium des Innern bei der Da die auf Abschaffung der freiheitlichen Demo- Amtsleitung des Bundesamtes für Verfassungs- kratie gerichteten extremistischen Bestrebungen schutz bestanden, so hätte nichts näher gelegen, als von ihren Trägern nicht nur unter ihrer eigenen diese zu klären, gegebenenfalls auch förmlich. Dies Flagge, sondern auch unter Tarnung betrieben wer- ist unterblieben. Präsident Hellenbroich selbst hat den, gehört es zum Auftrag der Verfassungsschutz- von „Irritationen" nichts berichtet. behörden, auch den Beeinflussungsaktivitäten nachzugehen, die von extremistischen Kräften in Angebliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Richtung auf andere Organisationen und innerhalb Parlamentarischem Staatssekretär Spranger und dieser entfaltet werden. Die Taktik der Einflußge- Präsident Hellenbroich im Zusammenhang mit der winnung auf nichtextremistische Organisationen Erstellung des Verfassungsschutzberichts 1984 sind gehört seit jeher zum Repertoire der kommunisti- entgegen der Darstellung der Oppositionsfraktio- schen Parteien, aber auch von anderen extremisti- nen bedeutungslos. Lediglich die Darstellungsweise schen Organisationen, insbesondere des „linken war es — wie Parlamentarischer Staatssekretär Spektrums". Spranger bekundet und Präsident a. D. Hellen- broich unumwunden eingeräumt hat —, die zu Erör- Die Information von Parlament und Öffentlichkeit terungen zwischen der Fachabteilung des Bundes- über solche Einflußtaktiken gehört zur geistig-poli- ministeriums des Innern und der Amtsleitung des tischen Auseinandersetzung mit dem Extremismus; Bundesamtes für Verfassungsschutz sowie zu dem denn die Kenntnis solcher Hintergründe kann ver- Hinweis von Parlamentarischem Staatssekretär hindern, das Vertrauenspotential demokratischer Spranger an Präsident Hellenbroich geführt hat, Organisationen den Zielsetzungen extremistischer dieser hätte sich an Aufbau und Darstellung des Bestrebungen dienstbar zu machen. Mit Recht wid- Verfassungsschutzberichtes 1983 orientieren sollen. met sich daher das Bundesministerium des Innern Einfluß auf das vom Bundesamt für Verfassungs- in besonderem Maße der Aufklärung der Bevölke- schutz gelieferte Tatsachenmaterial hat Parlamen- rung über solche Zusammenhänge und ermöglicht tarischer Staatssekretär Spranger — wie im Aus- so eine öffentliche und von Sachkenntnis getragene schuß übereinstimmend bekundet wurde — in kei- Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode ner Weise genommen. Die darauf abzielenden Mut- — Anfrage des Abgeordneten Dr. Pauli (SPD) vom maßungen der Oppositionsfraktionen, insbesondere 14. April und 19. November 1983 zur Möglichkeit die gegen sie gerichteten linksextremistischen Be- eines Vereinsverbots des Schutzbundes für das einflussungsversuche seien zu deutlich dargestellt, Deutsche Volk, sind falsch. Die Beweisaufnahme, insbesondere auch die Zeugenaussagen, haben für diese Behaup- — Anfrage des Abgeordneten Dr. Pauli vom 19. Mai tung der Oppositionsfraktionen während des Aus- 1983 zu einem Verbot der Deutschen National- schußverfahrens keinerlei Bestätigung erbracht; zeitung und zur Indizierung von Schriften Ru- deren Unsachlichkeit ergibt sich auch daraus, daß dels und Röders, es nicht Aufgabe des Untersuchungsausschusses — Anfrage des Abgeordneten Sielaff (SPD) betref- war, eine Überprüfung der Richtigkeit und Beleg- fend Kontakte Schweizerischer rechtsradikaler barkeit von Feststellungen und Würdigungen der Gruppen zu neonazistischen Organisationen in Verfassungsschutzberichte vorzunehmen. Europa, Im übrigen ist festzuhalten, daß Bundesminister Dr. — Anfrage des Abgeordneten Egert (SPD) vom Zimmermann seiner politischen Leitungs- und Re- 10. Oktober 1984 über den extremistischen In- gierungsverantwortung unverzüglich nachgekom- halt der Publikationen „Deutsche Wochenzei- men ist, als er durch das Gespräch mit Präsident tung", „Nation Europa", „Völkerrecht in Ost- Hellenbroich am 13. Mai 1985 dafür sorgte, daß öf- deutschland" und „Deutschland ohne Deut- fentlichen Äußerungen von Präsident Hellenbroich sche". darüber ein schnelles Ende gesetzt wurde. Schließlich gibt es eine schriftliche Frage des Be- richterstatters der SPD in diesem Untersuchungs- ausschuß: Il. Einzelne Berichte des Bundesamtes für Verfassungsschutz im laufenden Jahr — Anfrage des Abgeordneten Schäfer (Offenburg, SPD), betreffend Erkenntnisse des Bundesam- Ebenso wie die Verfassungsschutzberichte des Bun- tes für Verfassungsschutz und der Landesämter desministers des Innern können auch die auf parla- für Verfassungsschutz über Vorgänge beim Tref- mentarische oder sonstige Anfragen aus dem politi- fen der Waffen-SS in Nesselwang am 23. Mai schen Raum erstatteten einzelnen Berichte des 1985. Bundesamtes für Verfassungsschutz im laufenden Alle diese Anfragen wurden von der Bundesregie- Jahr einer umfassenden Information der Öffent- rung beantwortet, die Frage des Abgeordneten lichkeit dienen. Schäfer (SPD) am 11. Juni 1985 durch Parlamentari- schen Staatssekretär Spranger. Es gehört zu den Pflichten der Bundesregierung, Auskunft zu erteilen, wenn Abgeordnete in Wahr- nehmung ihrer Aufgaben parlamentarische und 2. Einzelberichte und Fachaufsicht sonstige Anfragen an die Bundesregierung richten. Behauptungen der Oppositionsfraktionen, durch Dies gilt auch dann, wenn zur Beantwortung von einzelne Berichtsanforderungen von Parlamentari- Anfragen Erkenntnisse des Bundesamtes für Ver- schem Staatssekretär Spranger und die unmittel- fassungsschutz beigezogen und verwertet werden bare Berichterstattung des Bundesamtes für Ver- müssen. Mit Recht zieht die Bundesregierung eine fassungsschutz an ihn würde die Fachaufsicht des Grenze dort, wo Geheimhaltungsgründe oder son- stige Sicherheits- oder Individualinteressen einer Bundesministeriums des Innern über das Bundes- amt für Verfassungsschutz beeinträchtigt, gehen Auskunftserteilung entgegenstehen und/oder die fehl; sie zeugen von Unkenntnis der tatsächlichen Unterrichtungspflicht sich aus diesen Gründen auf Verwaltungsabläufe. bestimmte parlamentarische Gremien, etwa die Parlamentarische Kontrollkommission, das Ver Die Stellung von Parlamentarischen Staatssekretä- trauensgremium oder den Innenausschuß des Deut-- ren wurde durch das Gesetz über die Rechtsverhält- schen Bundestages beschränkt. nisse der Parlamentarischen Staatssekretäre vom 24. Juli 1974 neu geregelt. In der Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf ist festge- 1. Anfragen von seiten der SPD stellt, daß die Parlamentarischen Staatssekretäre „immer mehr in die Nähe der Stellung der Minister Die Angriffe der Opposition sind angesichts ihrer gerückt" seien; das Gesetz sehe „daher eine mög- eigenen Anfragen an die Bundesregierung unglaub- lichst weitgehend Angleichung der persönlichen würdig. Aufgrund der Hinweise von Bundesmini- Rechtsstellung der Parlamentarischen Staatssekre- ster Dr. Zimmermann in der Innenausschußsitzung täre an die der Bundesminister vor". Ebenso wie vom 18. Dezember 1985 sowie anhand der Stenogra- das frühere Gesetz enthalte es „keine Einzelrege- fischen Protokolle des Deutschen Bundestages läßt lungen über die Stellung des Parlamentarischen sich eine Reihe von Anfragen von Mitgliedern der Staatssekretärs im Verhältnis zur Verwaltung, zum SPD-Fraktion ermitteln, zu deren Beantwortung Bundesminister, zur Bundesregierung und zum Erkenntnisse des Verfassungsschutzes erforderlich Parlament; diese Fragen werden durch die Ge- und zum Teil ausdrücklich erfragt waren, unter an- schäftsordnung der Bundesregierung und interne derem: Anordnungen der Ressortleiter geregelt". Aus die- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584 ser Organisationskompetenz des Ressortministers b) Extremistische Hintergründe und Einflüsse bei lassen sich mit Recht die Befugnisse der Parlamen- den GRÜNEN tarischen Staatssekretäre im Bundesministerium des Innern herleiten, wie sie im zweiten Abschnitt Wie berechtigt die Sorge um extremistische Hinter- dieses Berichts dargestellt sind, insbesondere die gründe und Einflüsse bei den GRÜNEN ist, zeigt Informationsrechte. sich an den diesem Untersuchungsbericht im Wort- laut beigefügten Berichten des Bundesamtes für Verfassungsschutz über Einflüsse innerhalb der In welcher Weise die der Fachaufsicht obliegende Partei DIE GRÜNEN, über Funktionsträger der Kontrolle von Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit GRÜNEN und über die Erkenntnisse zu sogenann- der Aufgabenerfüllung durch das Bundesamt für ten Nachrückern der GRÜNEN in den Deutschen Verfassungsschutz beeinträchtigt werden soll, Bundestag sowie an den veröffentlichten Äußerun- wenn einzelne Berichte des Amtes unmittelbar dem gen einzelner Mitglieder der GRÜNEN, ihren Be- zuständigen Parlamentarischen Staatssekretär schlüssen, j a auch an der Äußerung des Berichter- übermittelt werden — wie dies von der Opposition statters der GRÜNEN in diesem Untersuchungs- geargwöhnt wurde — bleibt im übrigen unerfind- ausschuß, des Abgeordneten Hans-Christian Strö- lich. Staatssekretär a. D. Dr. Fröhlich hat zutreffend bele: „Ich habe nichts gegen Extremismus" (so im darauf hingewiesen, daß die Anforderung von Be- 22. Stenografischen Protokoll, S. 423). richten beim Bundesamt für Verfassungsschutz in den hier interessierenden Fällen keine Ausübung Diese Äußerung, aber auch die Forderung der GRÜ- von Dienst- und Fachaufsicht sind. NEN selbst nach dem sogenannten „gläsernen Ab- geordneten", widerlegt die Behauptung der Opposi- tion, die öffentliche Darstellung von — auch längst veröffentlichten — Verhaltensweisen und Vorgän- 3. Kommunistische und linkextremistische gen in der Vergangenheit habe „aus Gründen des Vergangenheiten bei den GRÜNEN Persönlichkeitsrechtsschutzes" zu unterbleiben. Dieser Persönlichkeitsschutz wird von der Bundes- Die im Untersuchungsausschuß behandelten Ein- regierung sehr wohl beachtet; er findet aber eine zelberichte betreffen vorwiegend kommunistische Grenze jedoch dort, wo sich Persönlichkeiten selbst und linksextremistische Einflußversuche, bündnis- in die Öffentlichkeit begeben, öffentlich politisch politische Bestrebungen und Infiltrationen bei darstellen und wo eine Gefährdung der freiheitli- nichtextremistischen Organisationen. Das Bundes- chen Demokratie zu besorgen ist. amt für Verfassungsschutz beobachtete und unter- suchte solche Aktivitäten bereits vor dem Amtsan- Die Bundesregierung beachtet allgemein — auch tritt von Bundesminister Dr. Zimmermann und Par- bei der Erstellung der Verfassungsschutzberichte lamentarischem Staatssekretär Spranger, und zwar und bei Veröffentlichungen von Einzeldarstellun- aufgrund einer Prüfung, die schon vor Jahren im gen auf dem Gebiet der inneren Sicherheit — den Bundesamt angestellt wurde. Dies hat der Leiter Persönlichkeitsschutz von Betroffenen. Hierfür gibt der Abteilung Linksextremismus des Bundesamtes es jedoch keine starren Maßstäbe. Der Persönlich- für Verfassungsschutz, der seit 30 Jahren im Bun- keitsschutz steht im Spannungsverhältnis mit an- desamt tätig ist, vor dem Untersuchungsausschuß deren wichtigen Rechtsgütern der Allgemeinheit, so anschaulich dargestellt. daß Abwägungen vorzunehmen sind. Hier ist von Bedeutung, daß sich die betroffenen Persönlichkei- ten selbst in die Öffentlichkeit begeben haben, sich öffentlich politisch darstellen und daß ein erhebli- a) Das unbeschränkte Fragerecht des ches Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit zur Abgeordneten gegenüber der Bundesregierung Wahrung der freiheitlichen Demokratie besteht. Im Fall des auf Veranlassung des Abgeordneten Dr. Angesichts dieser jahrelangen Berichtspraxis des Todenhöfer erstatteten Berichts überwogen die Bundesamtes für Verfassungsschutz und der ange- Gründe für eine Weiterleitung der beim Bundesamt führten Beispiele von Anfragen seitens der SPD ist für Verfassungsschutz vorhandenen Erkenntnisse; es unseriös, wenn die Opposition Angriffe gegen diese waren offen und nicht geheimhaltungsbedürf- den Bundestagsabgeordneten Dr. Todenhöfer un- tig. Sie werfen im übrigen ein besorgniserregendes ternimmt, der bei der Bundesregierung, bei dem Bild auf die GRÜNEN: dafür zuständigen Parlamentarischem Staatssekre- tär, nach vorhandenen offenen Erkenntnissen über Danach war jedes zehnte der GRÜNEN-Landesvor- extremistische Hintergründe, Einflüsse und Bestre- standsmitglieder in linksextremistischen Organisa- bungen in Vergangenheit und Gegenwart bei den tionen tätig. Fast die Hälfte der Mitglieder des Bun- GRÜNEN gefragt hatte. An der Zulässigkeit dieser desvorstands der GRÜNEN war in linksextremisti- Fragestellung können keinerlei Zweifel bestehen. schen Zusammenschlüssen aktiv gewesen. Einen Es gibt keinen ersichtlichen Grund, das Frage- und ähnlichen politischen Hintergrund hatten etwa ein Interpellationsrecht eines Mitglieds des Deutschen Achtel der Landtagsabgeordneten der GRÜNEN, Bundestages zu beschränken; es gibt nur Gründe, ein Drittel der Bundestagsabgeordneten der GRÜ- die Beantwortung durch die Bundesregierung ein- NEN und mehr als die Hälfte der Mitglieder der zuschränken, sei es in förmlicher Hinsicht, sei es GRÜNEN im Europäischen Parlament. Der Bericht inhaltlich. über mögliche „Nachrücker" der GRÜNEN in den Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode

10. Deutschen Bundestag nennt zehn Kandidaten aufgehoben. Zur Berechtigung dieser Aufhebung und ihre extremistischen und kommunistischen haben Parlamentarischer Staatssekretär Spranger, Vergangenheiten. Der Berichterstatter der GRÜ- Ministerialdirektor Dr. Heuer und Präsident Dr. NEN in diesem Untersuchungsausschuß, Hans- Pfahls auf ein Selbsteintrittsrecht der Aufsichtsbe- Christian Ströbele, ist wegen Unterstützung einer hörde im Verhältnis zur nachgeordneten Behörde kriminellen (terroristischen) Vereinigung rechts- hingewiesen, wonach aus der Tatsache, daß das kräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden; Bundesministerium des Innern das Bundesamt für wie weit der häufig beschworene Wandel in seiner Verfassungsschutz auch hätte anweisen können, Einstellung zum Extremismus gediehen ist, macht den VS-Schutz aufzuheben, folgt, daß es diese Auf- seine oben zitierte Äußerung im Untersuchungsaus- gabe auch selbst wahrnehmen konnte. Zumindest schuß deutlich. konnte für Parlamentarischen Staatssekretär Spranger unter diesen Umständen kein Anlaß zu Versuche der GRÜNEN, Verfassungsorgane zu dis- Zweifeln bestehen, von sich aus die weisungswid- kreditieren, haben sich auch in diesem Untersu- rige und auch in der Sache nicht gerechtfertigte chungsausschuß in einer Äußerung des Berichter- Einstufung aufheben zu können. statters der GRÜNEN gezeigt, die dahin ging, daß die GRÜNEN vom Bundesverfassungsgericht keine Vergleichbare Fälle finden sich auch in der sonsti- objektiven, der Verfassung gemäßen Entscheidun- gen Staatspraxis. So werden etwa vor der Bundes- gen erwarten. „Die Richter sind doch von ihnen pressekonferenz nach dem jeweiligen Ermessen (den demokratischen Parteien) ernannt worden", so des Ministers, der Parlamentarischen oder der be- der Abgeordnete Ströbele wörtlich, der auf dieser amteten Staatssekretäre Tatsachen öffentlich mit- Äußerung beharrte: „Etwa nicht?!". geteilt, die in Verschlußsachen nachgeordneter Be- hörden niedergelegt sind, ohne daß dort vorher nachgefragt wird oder eine förmliche Aufhebung c) Befugnis zur Offenlegung extremistischer der VS-Einstufung erfolgt. Einflüsse bei den GRÜNEN Die insoweit erhobenen Vorwürfe der Opposition Die Aufklärung der Bürger über extremistische An- gehen auch deshalb fehl, weil Parlamentarischer griffe auf die Verfassungsordnung und die Verfas- Staatssekretär Spranger die Berichte nach Aufhe- sungsorgane als Voraussetzung für eine sachge- bung der VS-Einstufung dem Abgeordneten Dr. To- rechte und überzeugende geistig-politische Ausein- denhöfer zur Beantwortung von dessen Anfrage in andersetzung ist Aufgabe jedes der Verfassung ver- der Weise zugänglich gemacht hat, daß er sie ledig- pflichteten Politikers, insbesondere aber des Bun- lich zur persönlichen Unterrichtung übersenden desministers des Innern sowie des für Angelegen- ließ, wobei die Herkunft der Berichte aus dem Bun- heiten der inneren Sicherheit zuständigen Parla- desamt für Verfassungsschutz nicht einmal mehr mentarischen Staatssekretärs beim Bundesmini- erkennbar war. ster des Innern. Eine rückhaltlose Unterrichtung der Öffentlichkeit kann gerade dann erforderlich Auch tatsächlich ist es infolge der Beantwortung sein, wenn eine Organisation selbst keine Maßnah- der Anfrage des Abgeordneten Dr. Todenhöfer zu men in ihren Führungsgremien ergreift, um extre- keinerlei Veröffentlichungen gekommen, so daß mistischen Einflußnahmen und Tendenzen nach- trotz des mit der Weisung von Parlamentarischem haltig entgegenzuwirken, wie dies bei den GRÜ- Staatssekretär Spranger nicht voll übereinstim- NEN der Fall ist. menden Zuleitungsschreibens eines Pressereferen- ten keinerlei negative Folgen eingetreten sind. Die von Parlamentarischem Staatssekretär Spran- ger beim Bundesamt für Verfassungsschutz ange- forderten Berichte über extremistische Hinter- d) Politische Manöver während des gründe und Einflüsse bei den GRÜNEN waren aus- Untersuchungsverfahrens drücklich auf offene, d. h. allgemein zugängliche Er- kenntnisse gerichtet. Tatsächlich enthielten die Be- Öffentlich gemacht wurden die Berichte erst im richte des Bundesamtes für Verfassungsschutz- Zuge dieses Untersuchungsverfahrens. Bei diesen auch nur solche Tatsachen, wie ohne weiteres er- Veröffentlichungen wurde auch bekannt, daß der kennbar war. ursprüngliche Entwurf des Leiters der Abteilung Linksextremismus des Bundesamtes für Verfas- Wenn gleichwohl Vizepräsident Dr. Pelny veranlaß- sungsschutz vor Übersendung des Berichts an Par- te, daß die Berichte als Verschlußsachen „Nur für lamentarischen Staatssekretär Spranger in wesent- den Dienstgebrauch" bzw. „Vertraulich" eingestuft lichen Teilen geändert und gekürzt worden war. Da- wurden, so wurde nicht nur dem Auftrag von Parla- bei wurden insbesondere die unbequemen Feststel- mentarischem Staatssekretär Spranger zuwiderge- lungen gestrichen, die die Eingehung von Bündnis- handelt, sondern auch der Verschlußsachenanwei- sen zwischen der SPD und den GRÜNEN betrafen. sung für die Bundesbehörden, in der festgelegt ist: Teile aus diesem allein im Bundesamt für Verfas- „Von Einstufungen in einen Geheimhaltungsgrad sungsschutz vorliegenden Entwurf, der von Vize- ist nur der notwendige Gebrauch zu machen". präsident Dr. Pelny selbst als Verschlußsache ein- gestuft worden war, sind in der Ausgabe der Zeit- Deshalb wurde die VS-Einstufung von Parlamenta schrift Die Zeit vom 20. Dezember 1985 veröffent- rischem Staatssekretär Spranger nach Erhalt der licht worden. Vizepräsident Dr. Pelny hat im Unter- Berichte auch ohne förmliches Verfahren wieder suchungsausschuß zwar eingeräumt, daß er mit Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584 dem Verfasser dieses Artikels zwar vor dessen Ver- Angesichts dessen kommt besondere Bedeutung öffentlichung in telefonischem Kontakt gestanden dem Umstand zu, daß die Veröffentlichung in der habe; Mitteilungen über den Berichtsentwurf hat er BILD-Zeitung nicht das gesamte „Nachrücker-Pa- jedoch abgestritten. pier" zitiert, sondern drei Repräsentanten der GRÜ- NEN nicht nennt. Außerdem sind bei den übrigen sieben Personen einige Fakten nicht enthalten, die e) Erkenntnisse über mögliche „Nachrücker" der zwar das „Nachrücker-Papier" erwähnt, die aber GRÜNEN in den 10. Deutschen Bundestag nicht oder nur wenig beweiskräftig sind. In gleicher Weise hat der Geheimschutzbeauftragte festge- Entgegen der Behauptung von Vizepräsident Dr. stellt: Pelny vor dem Untersuchungsausschuß und entge- gen dem von ihm am 29. April 1985 verfaßten und „Bei den in dem Zeitungsartikel nicht erwähnten von Präsident Hellenbroich bestätigten Vermerk drei Personen handelt es sich um diejenigen, über wurde ein Bericht über mögliche „Nachrücker" der die der BfV-Vermerk die am wenigsten beweiskräf- GRÜNEN in den 10. Deutschen Bundestag nicht tigen Informationen im Sinne der Tendenz des Arti- von Parlamentarischem Staatssekretär Spranger kels enthält. Entsprechendes gilt für diejenigen angefordert. Auch der damalige Leiter des Referats Fakten bei den übrigen sieben Personen, die im IS 7 — Analysen und geistig-politische Auseinan- BfV-Vermerk, aber nicht im BILD-Artikel enthalten dersetzung im Bereich der Inneren Sicherheit — sind." hat dem Bundesamt für Verfassungsschutz einen Berichtsauftrag nicht erteilt, sondern im Rahmen Diese Überlegungen lassen darauf schließen, daß seines Zuständigkeitsbereichs lediglich Gespräche für die Auswahl der der BILD-Zeitung übermittel- darüber mit Präsident Hellenbroich geführt. ten und veröffentlichten Fakten nachrichtendienst- liche Fachkenntnisse erforderlich waren, so für die Der entsprechende Vermerk, der diesem Bericht als Beurteilung, zu welchen Personen welche Tatsa- Anlage beigefügt ist, enthält die Namen möglicher chen hinreichend beweisbar sind. Bei dem danach „Nachrücker" der GRÜNEN und Daten über deren für die Weitergabe an die BILD-Zeitung in Betracht Bezüge zu linksextremistischen Organisationen so- kommenden Personenkreis können Angehörige des wie über Ermittlungsverfahren im Zusammenhang Bundesamtes für Verfassungsschutz jedenfalls mit dem Terrorismus. nicht ausgeschlossen werden. Die im Bundesamt für Verfassungsschutz und im Bundesministerium des Innern angestellten Nach- f) Mögliche Identifizierung des ehemaligen forschungen, auf welche Weise Teile dieses Berichts Abgeordneten Otto Schily mit dem Terrorismus an die Tageszeitung BILD gelangt sind und dort in der Ausgabe vom 20. April 1985 veröffentlicht wur- Auch die Behauptungen der Opposition, über den den, haben zu keinen konkreten Ergebnissen ge- damaligen Bundestagsabgeordneten Otto Schily führt. Abgesehen davon, daß der — wie die Beweis- werde im Bundesamt für Verassungsschutz weiter- erhebung des Untersuchungsausschusses ergeben hin eine Personenakte geführt, haben sich bei der hat — objektiv falsche Vermerk von Vizepräsident Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses Dr. Pelny erst nach dieser Veröffentlichung gefer- als haltlos erwiesen. Tatsächlich ist Otto Schily in tigt und von Präsident Hellenbroich bestätigt wur- der Datei NADIS gelöscht; die über ihn geführte de, ergeben sich aus den Feststellungen des Ge- Akte ist vernichtet. heimschutzbeauftragten im Bundesministerium des Innern mehrere Anhaltspunkte dafür, daß eine Auch ein im Bundesamt für Verfassungsschutz Weitergabe an die BILD-Zeitung auch aus dem noch vorhandener Vermerk, betreffend Otto Schily, Bundesamt für Verfassungsschutz hätte erfolgen war von der zuständigen Sachbearbeiterin lediglich können. zum Nachweis der Zuleitung und Rücksendung ei- ner Akte im Jahre 1983 aufbewahrt worden. Einen Zwar läßt es der Handlungsablauf nicht als ausge- etwa ein- bis zweiseitigen Auszug aus diesem Ver- schlossen erscheinen, daß Inhalte des Berichts auch merk, den Präsident Hellenbroich — wie er in einer aus dem Bundesministerium des Innern an die Aktennotiz festgehalten hat — an Parlamentari- BILD-Zeitung hätten weitergegeben werden kön- schen Staatssekretär Spranger übergeben haben nen. Umgekehrt ist aber zu bedenken, daß die Er- will, hat dieser, seinen Bekundungen vor dem Un- mittlungen des Geheimschutzbeauftragten im Bun- tersuchungsausschuß zufolge, nicht erhalten. Tat- desministerium des Innern zu keinem konkreten sächlich müßte der betreffende Auszug, wie sich Ergebnis geführt haben. Insbesondere besteht anhand der dem Untersuchungsausschuß vorliegen- keine Veranlassung, am Inhalt der Dienstlichen Er- den Beweismittel ergibt, auch einen Umfang von klärung von Parlamentarischem Staatssekretär drei Seiten gehabt haben. Ein solcher Aktenauszug Spranger vom 18. Juli 1985 zu zweifeln, in der er ist weder Parlamentarischem Staatssekretär ausdrücklich verneint hat, Angaben darüber ma- Spranger erinnerlich noch hat — der Dienstlichen chen zu können, wie die Informationen an die Erklärung vom 28. Januar 1986 zufolge — sein Büro BILD-Zeitung gelangt sind. Im Rahmen der Ermitt- von einem solchen Aktenauszug Kenntnis. Letztlich lungen des Geheimschutzbeauftragten hat Oberre- ist die Frage, ob Parlamentarischer Staatssekretär gierungsrat Dr. Butz besonders darauf aufmerksam Spranger einen derartigen Aktenauszug erhalten gemacht, daß der Zeitungsausschnitt keinen Hin- hat oder nicht, für die Beurteilung im Rahmen die- weis auf Ort und Verfasser der Meldung enthalte. ses Untersuchungsverfahrens unerheblich. Die An- Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode forderung von Berichten beim Bundesamt für Ver- bericht des Bundesministers des Innern enthalten. fassungsschutz auch über Personen und deren Da- Sowohl die Berichtsanforderung als auch die Dar- ten gehört zu den legitimen Aufgaben des Bundes- stellung bündnispolitischer Unternehmungen der ministers des Innern als der vorgesetzten Dienstbe- DKP in Bezug auf die SPD liegen im Rahmen der hörde. Die Gründe für derartige Anforderungen Aufklärungsarbeit der Bundesregierung zur geistig- können vielfältig sein; sie können reichen von ei- politischen Auseinandersetzung mit dem Kommu- nem berechtigten Informationsinteresse über Per- nismus. sonen bis hin zu der Frage, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz in zutreffendem Umfang seiner Veröffentlichungen in Bezug auf die SPD im zeitli- gesetzlichen Aufgabe nachkommt. Irgendein — wie chen Zusammenhang mit der Erstattung des Be- immer gearteter — Vorwurf des Mißbrauchs mit richts hat der Untersuchungsausschuß nicht erken- dem Aktenauszug ist von niemandem erhoben wor- nen können. Erst als die Opposition die Vorlage die- den und kann auch nicht erhoben werden. ses Berichts an den Ausschuß verlangt hatte, sind Einzelheiten, insbesondere unter Nennung namhaf- ter SPD-Politiker und führender Gewerkschafter, 4. Bündnispolitische Erfolge der DKP gegenüber der an die Öffentlichkeit gelangt; dies hat sich die SPD SPD selbst zuzuschreiben. Der Bericht über bündnispolitische Erfolge der Gänzlich ad absurdum geführt wird die Kritik der DKP gegenüber der SPD liegt in der Folge Kleiner SPD an der Berichtsanforderung, -erstattung und Anfragen von Abgeordneten der CDU/CSU-Bundes- -veröffentlichung dadurch, daß der Bundesge- tagsfraktion an die damalige Bundesregierung über schäftsführer der SPD, , selbst Teile aus die DKP und die Unterwanderung politischer und diesem Bericht in einem Aufsatz öffentlich wieder- gesellschaftlicher Organisationen durch die Bünd- gegeben hat. So heißt es in DIE NEUE GESELL- nispolitik der orthodoxen Kommunisten in der Bun- SCHAFT — FRANKFURTER HEFTE (herausgege- desrepublik Deutschland aus den Jahren 1975 und ben für die Friedrich-Ebert-Stiftung von Walter 1978. Zur Beantwortung dieser Anfragen hat die da- Dirks, Eugen Kogon, Heinz Kühn, Johannes Rau, malige Bundesregierung unter anderem ausge- Heinz O. Vetter, Hans-Jochen Vogel, Herbert Weh- führt: ner; Redaktion: Peter Glotz — Chefredakteur — Heft Nr. 4 — April 1986) unter dem Titel „Margina- „Die DKP repräsentiert den orthodoxen Kommu- lien über Kommunismus, Marxismus und soziale nismus sowjetischer Prägung in der Bundesrepu- Demokratie" von Peter Glotz: blik Deutschland. Sie folgt in allen ideologischen und politischen Fragen vorbehaltlos der von der „... Wie alle orthodox-kommunistischen Parteien KPdSU und der SED vertretenen Linie ... Es ge- werten die DKP und auch die ,Sozialistische Ein- hört zum klassischen Instrumentarium der kommu- heitspartei West- (SEW)' die Bündnispolitik nistischen Strategie und Taktik, Bündnisse und Ak- als eine entscheidende Voraussetzung für einen er- tionsgemeinschaften mit nichtkommunistischen folgreichen revolutionären Kampf. Sie folgen dabei Parteien und Organisationen einzugehen . .. Der der alten Unterweisung Lenins, daß man einen strategische Zweck der Bündnispolitik ist die För- ,mächtigen Gegner' nur dann besiegen könne, derung der kommunistischen Zielvorstellungen, de- ,wenn man unbedingt aufs angelegentlichste, sorg- ren Verfassungsfeindlichkeit die Bundesregierung samste, vorsichtigste, geschickteste ... jeden, selbst wiederholt dargetan hat. Wie ... dargelegt wurde, den kleinsten Riß zwischen den Feinden, jeden In- betreiben die DKP und ihre Nebenorganisationen teressengegensatz ..., selbst die kleinste Möglich- die Bündnispolitik letztlich in der Absicht, der Ver- keit ausnutzt, um einen Verbündeten unter den wirklichung ihrer verfassungsfeindlichen Zielset- Massen zu gewinnen, mag das auch ein zeitweiliger, zungen näher zu kommen ... Die Bündnispolitik schwankender, unsicherer, unzuverlässiger, beding- der DKP und ihrer Nebenorganisationen ist schon ter Verbündeter sein' ... Wichtigste Bündnisform deshalb ein im Hinblick auf die innere Sicherheit ist aus kommunistischer Sicht die ,Aktionseinheit zu berücksichtigender Faktor, weil sie — ... — dazu der Arbeiterklasse', das heißt die Zusammenarbeit beitragen soll, der Verwirklichung der verfassungs-- mit Sozialdemokraten, mit Gewerkschaften und feindlichen kommunistischen Zielsetzung näher zu parteilosen Arbeitern." kommen. Gerade deshalb werden die bündnispoliti- schen Bemühungen der DKP und ihrer Nebenorga- Auf welche Weise der Bericht des Bundesamtes für nisationen als Teil linksextremistischer Bestrebun- Verfassungsschutz an Peter Glotz gelangte, der gen entsprechend dem gesetzlichen Auftrag von diese Zitate ohne Quellenangabe verwendete, hat den zuständigen Sicherheitsorganen sorgfältig be- der Ausschuß nicht festgestellt. Die Übermittlung obachtet." der Erkenntnisse über bündnispolitische Einflußbe- mühungen der DKP gegenüber der SPD entspräche Die Opposition setzt sich in Widerspruch zu ihrem jedoch der Aufgabe des Bundesamtes für Verfas- eigenen Verhalten in früheren Regierungszeiten, sungsschutz nach .dem bereits angeführten soge- wenn sie nunmehr den Bericht des Bundesamtes nannten Unterrichtungserlaß. für Verfassungsschutz beanstandet, der die Ein- schätzung der DKP hinsichtlich ihrer Erfolge bei 5. „Kommunistische Friedensarbeit" den Bemühungen um eine Einflußnahme und Infil- tration darstellt. Eine entsprechende Darstellung Einer Beurteilung des Berichtsauftrags über „Kom ist im übrigen auch im jüngsten Verfassungsschutz munistische Friedensarbeit" bedarf es zunächst Deutscher Bundestag 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584 nicht, da ein Bericht nach dem erteilten Auftrag gar mißverständlich ist. Für eine derartige Vermutung nicht erstellt wurde, sondern der Auftrag durch ei- gab und gibt es nicht die geringsten Anhaltspunkte; nen fernmündlichen Hinweis des Bundesamtes für diese Meinung von Präsident Hellenbroich ist völlig Verfassungsschutz auf dem Bundesministerium des wirklichkeitsfremd. Innern bereits frühere übersandtes Material seine Erledigung fand. Nach übereinstimmender Darstellung von Parla- mentarischem Staatssekretär Spranger und Präsi- Die Aufklärung der Öffentlichkeit über „Kommuni- dent Hellenbroich waren Gegenstand ihres seiner- stische Friedensarbeit" gehört ebenfalls zu den Auf- zeitigen Gesprächs allgemein die Aktivitäten östli- gaben der Bundesregierung bei der geistig-politi- cher Nachrichtendienste. Zu diesem Thema wurden schen Auseinandersetzung mit dem Extremismus. im Bundesministerium des Innern Materialien für So hat das früher übersandte Material Eingang ge- eine Darstellung in dem Informationsblatt „Innere funden in eine Broschüre des Bundesministers des Sicherheit" des Bundesministers des Innern gesam- Innern — Texte zur inneren Sicherheit: Kommuni- melt, die auch in Heft 1/85 vom 20. März 1985 er- stische Frontorganisationen im ideologischen Klas- schienen ist. Darin ist eine Vielzahl von Beispielen senkampf —, in der die massiven Einflußnahmever- sogenannter aktiver Maßnahmen östlicher Nach- suche kommunistischer, marxistisch-leninistischer richtendienste in der Vergangenheit dargestellt. Organisationen auf christliche Vereinigungen aus- Vor diesem Hintergrund war die Frage von Parla- führlich dargestellt sind. Entsprechende Darstellun- mentarischem Staatssekretär Spranger an Präsi- gen enthalten auch die Verfassungsschutzberichte dent Hellenbroich selbstverständlich berechtigt, ob des Bundesministers des Innern aus den Jahren es Anhaltspunkte dafür gebe, daß die „Flick-Spen- 1984 und 1985. den-Affäre" in der öffentlichen Darstellung durch Desinformationen östlicher Nachrichtendienste Aus dem Bericht des Bundesamtes für Verfassungs- mitbeeinflußt sein könne. schutz über die sogenannte „Kommunistische Frie- densarbeit" kann im übrigen nicht gefolgert wer- Zweifel an dieser Fragestellung ergeben sich weder den, daß Kirchen und kirchliche Organisationen zu aus dem von Präsident Hellenbroich im Anschluß Beobachtungsobjekten des Verfassungsschutzes an die Unterredung gefertigten Gesprächsvermerk würden. Der Verfassungsschutz befaßt sich ledig- noch aus seinem Verhalten gegenüber Parlamenta- lich — aber auch zu Recht — mit den Einflußnah- rischem Staatssekretär Spranger. Eine anderslau- meversuchen linker extremistischer Organisatio- tende Interpretation der Fragestellung von Parla- nen des Ostblocks auch auf kirchliche Vereinigun- mentarischem Staatssekretär Spranger wurde gen. erstmals im Untersuchungsausschuß durch die Der Ausschuß hat im übrigen nicht einmal klären Aussage von Vizepräsident Dr. Pelny eingeführt, können, ob Parlamentarischer Staatssekretär der behauptete, ihn und Präsident Hellenbroich Spranger bei seinem Auftrag, einen Bericht über habe die Frage von Parlamentarischem Staatsse- die „Kommunistische Friedensarbeit" (Weltfrie- kretär Spranger „amüsiert". Zu einem derartigen densrat, Front- bzw. Bündnisorganisationen in der Amüsement bestand für Präsident Hellenbroich Bundesrepublik Deutschland) und über Beeinflus- und Vizepräsident Dr. Pelny jedoch weder Anlaß sungsversuche der kommunistischen Frontorgani- noch Berechtigung. Selbst wenn Präsident Hellen- sationen auf christliche Organisationen zu erstat- broich die Anfrage in der von ihm dargestellten ten, überhaupt Personen namentlich nannte, insbe- Weise mißverstanden hätte, so hätte es nach seinen sondere solche aus dem Bereich kirchlicher Organi- Pflichten als Beamter an ihm gelegen, auf eine Klä- sationen. Präsident a. D. Hellenbroich hat im Aus- rung der Fragestellung hinzuwirken— oder seine schuß zwar bekundet, es seien „auch Namen ge- abweichende Auffassung kundzutun. Dies ist unter- nannt" worden; in seiner Aktennotiz über das Ge- blieben; damit ist das Verhalten von Präsident Hel- spräch mit Parlamentarischem Staatssekretär lenbroich und Vizepräsident Dr. Pelny als pflicht- Spranger ist davon jedoch nichts vermerkt. widrig zu qualifizieren.

6. Möglichkeiten von Desinformationskampagnen östlicher Nachrichtendienste im Zusammenhang III. Frühere Berichtspraxis des Bundesamtes für mit der „Flick-Spenden-Affäre" Verfassungsschutz

Als absurd hat sich die Einlassung von Präsident Das Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtete a. D. Hellenbroich vor dem Untersuchungsausschuß und untersuchte — wie die Beweisaufnahme erge- erwiesen, er habe Parlamentarischen Staatssekre- ben hat — auch bereits vor der Amtszeit von Bun- tär Spranger bei dessen Frage nach den Möglich- desminister Dr. Zimmermann und Parlamentari- keiten einer Beeinflussung der „Flick-Spenden-Af- schem Staatssekretär Spranger extremistische Ein- färe" durch eine Desinformationskampagne nur da- flußnahmen auf demokratische Vereinigungen und hin verstehen können, daß geprüft werden solle, ob berichtete hierüber. Nach den Aussagen von Direk- der Manager des Flick-Konzerns, Eberhard von tor Bloch vor dem Untersuchungsausschuß hat das Brauchitsch, für einen östlichen Geheimdienst tätig Bundesamt für Verfassungsschutz in der Vergan- sei. Ein solches Verständnis ist nicht einmal in dem genheit „auch Abgeordneten personenbezogene Da- von Präsident Hellenbroich gefertigten Gesprächs- ten gegeben ... Das war üblich". In dieser Weise sei vermerk enthalten, der im übrigen aber ebenfalls während der Amtszeit des früheren Präsidenten Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode des Bundesamtes für Verfassungsschutz Dr. Ri- soweit ein, als das Bundesamt für Verfassungs- chard Meier verfahren worden. schutz früher über einen „Vertrauensmann" Kon- takte zum Beispiel zur SPD unterhalten hat. Längst Dazu gehört auch die Anfrage des Vorsitzenden des abgestellt ist jedenfalls eine Erscheinung, wie es sie Untersuchungsausschusses Gerhard Jahn (Mar- Anfang der 70er Jahre gegeben hatte; damals ver- burg) aus dem Jahre 1976 über Mitglieder der DKP fügte ein Angestellter des Bundesgeschäftsführers in seiner Heimatstadt Marburg. Diese Anfrage un- der SPD über ein „Dienstzimmer" im Bundesamt terscheidet sich von der des Abgeordneten Dr. To- für Verfassungsschutz und einen Hausausweis. denhöfer jedoch wesentlich dadurch, daß Gerhard Jahn sich seinerzeit unmittelbar an den Präsiden- Der Untersuchungsausschuß teilt im übrigen die ten des Bundesamtes für Verfassungsschutz ge- Kritik von Bundesminister Dr. Zimmermann an wandt hat, während der Abgeordnete Dr. Todenhö- dem Amtsverständnis von Vizepräsident Dr. Pelny, fer seine Frage zutreffend an den Bundesminister der der Aussage von Direktor Bloch zufolge geäu- des Innern richtete und durch ihn auch die Beant- ßert hat, daß er, Dr. Pelny, der „Vertreter der SPD wortung erfolgte, so daß auch die politische Kon- im Bundesamte" sei. Der Beurteilung von Bundes- trolle und Verantwortung sichergestellt war. minister Dr. Zimmermann

Daß im übrigen ein vielfältiges fachliches Interesse „Ich halte es für bedauerlich, wenn das das Selbst- auch oberster Bundesbehörden an den Ergebnissen verständnis des Vizepräsidenten wäre ... Das ginge der Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz mir zu weit." im Hinblick auf extremistische Bündnispolitik und Unterwanderungsbestrebungen bestand, wird ist nichts hinzuzufügen. daran deutlich, daß — der Aussage von Direktor Bloch vor dem Untersuchungsausschuß zufolge — der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Andreas von D. Kein Anlaß zu Empfehlungen des Schoeler, sowie der frühere Chef des Bundeskanz- Untersuchungsausschusses leramtes, Staatssekretär Manfred Schüler, Berichte angefordert und zugeleitet erhalten haben, in denen Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sieht sich über „extremistische Infiltrationsbemühungen in der Untersuchungsausschuß nicht veranlaßt, Emp- der Umweltschutzbewegung", über „sicherheitsge- fehlungen auszusprechen. Sowohl die Ergebnisse fährdende und extremistische Bestrebungen inner- aus der Untersuchung der Spionagefälle und des halb des Friedenskampfes der Umweltschutzbewe- Falles Tiedge als auch der Berichte des Bundesam- gung" und „bei den Bürgerinitiativen" informiert tes für Verfassungsschutz lassen Maßnahmen — wurde. Staatssekretär Manfred Schüler habe auch auch gesetzgeberische — nicht als erforderlich er- einen Bericht über die „Haltung der GRÜNEN zu scheinen; die bestehenden organisatorischen Rege- Kernkraftwerken in Frankreich" angefordert und lungen und die vom Bundesminister des Innern be- erhalten. reits durchgeführten Maßnahmen haben sich als Nach der Aussage von Direktor Bloch vor dem Un- rechtmäßig und sachgerecht erwiesen. tersuchungsausschuß hat sich im Hinblick auf die Häufigkeit eine Änderung der Berichtspraxis seit Amtsantritt von Bundesminister Dr. Zimmermann I. Ergebnisse aus den Spionagefällen und dem und Parlamentarischem Staatssekretär Spranger nicht ergeben; zwei- bis dreimal jährlich würden Fall Tiedge solche Anfragen in seiner Abteilung bearbeitet. Sol- che Berichte seien in früherer Zeit ohne besondere Zu Recht hat Staatssekretär Neusel vor dem Unter- Förmlichkeiten erstattet worden. suchungsausschuß dargestellt, daß das „Krisenma- nagement" in der Zusammenarbeit zwischen Bun- Auch die „Zusammenarbeit mit den Parteien und desministerium des Innern und Bundesamt für Ver- mit den Fraktionen" sei „sehr gut" gewesen; zum fassungsschutz zur Feststellung und Begrenzung Beispiel habe Präsident a. D. Dr. Meier enge Kon- des Schadens aus den Spionagefällen und aus dem takte zum damaligen Vorsitzenden der SPD-Bun- Fall Tiedge „hervorragend gelungen" sei; dabei sei destagsfraktion unterhalten. Seit „alles geschehen, um den aus diesen Fällen entstan- 1976 ist das Berichtswesen des Bundesamtes für denen Schaden sehr früh zu erkennen, abzugrenzen Verfassungsschutz bei der Unterrichtung von Par- und — wenn möglich — wieder auszugleichen". Der teien und Organisationen durch den sogenannten Bundesminister des Innern hat die durch den Über- Unterrichtungserlaß des Bundesministers des In- tritt Tiedges in die DDR im Bereich der Spionage- nern förmlich geregelt. Zur Praxis solcher Unter- abwehr veranlaßten Reorganisationsmaßnahmen richtungen hat der Vorsitzende des Untersuchungs- unverzüglich eingeleitet und zum Teil bereits ausschusses im Anschluß an seine obengenannte durchgeführt. Erklärung bestätigt, das Bundesamt für Verfas- sungsschutz habe „bezogen auf die frühere Übung Änderungen im Bereich von G 10-Verfahren sind heute ein geregelteres Verfahren". nicht erforderlich. Das Gesetz zu Artikel 10 Grund- gesetz entspricht den Geboten der Verfassung; es Eine Änderung in den Kontakten mit den Parteien wird rechtlich und sachlich im Bundesministerium trat nach den Bekundungen von Direktor Bloch in- des Innern einwandfrei gehandhabt. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

II. Ergebnisse zur Berichtspraxis des fassungsschutz, was die demokratischen Organisa- Bundesamtes für Verfassungsschutz tionen als „Opfer" der verfassungsfeindlichen Be- strebungen anbetrifft, als auch für die Frage der Die Unterrichtung von politischen Parteien und an- Verwendung solcher Erkenntnisse im Rahmen der deren Organisationen zum Schutz der freiheitlichen geistig-politischen Auseinandersetzung. Erkennt- demokratischen Grundordnung, des Bestandes und nisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz kön- der Sicherheit des Bundes und der Länder ist im nen deswegen nicht verwandt werden — und da sogenannten Unterrichtungserlaß des Bundesmini- sind sich die demokratischen Parteien allseits einig sters des Innern sachgerecht geregelt. Mit den — zum politischen Meinungskampf zwischendemo- darin niedergelegten Grundsätzen stehen die vom kratischen Parteien, sondern ausschließlich zur gei- Ausschuß untersuchten Berichte des Bundesamtes stig-politischen Auseinandersetzung mit verfas- für Verfassungsschutz nicht in Widerspruch. sungsfeindlichen Bestrebungen. Solche Erkennt- nisse fordern gerade die Verantwortung der demo- Der Bericht zu den bündnispolitischen Erfolgen der kratischen Mitglieder und Repräsentanten der de- DKP gegenüber der SPD ebenso wie das Material mokratischen Organisationen, Parteien und Verei- zur „Kommunistischen Friedensarbeit", aber auch nigungen, sich intern mit extremistischen Bestre- die Berichte über linksextremistische Einflüsse in- bungen auseinanderzusetzen und abzugrenzen. nerhalb der Partei DIE GRÜNEN sowie das „Nach- rücker-Papier" haben den Blick auf ein Problem ge- Hierfür liefern neben Berichten zu Einzelfragen lenkt, das das Bundesamt für Verfassungsschutz zu auch die jährlichen Verfassungsschutzberichte des bewältigen hat, seitdem es kommunistische Bünd- Bundesministers des Innern eine sachgerechte nispolitik und extremistische Unterwanderungsbe- Grundlage. strebungen gegenüber demokratischen Organisa- tionen gibt. Naturgemäß rücken durch solche Vor- gänge die demokratischen Organisationen als Ziel- III. Personelle Konsequenzen objekte extremistischer Politik und Unterwande- rungsbestrebungen ins „Visier des Verfassungs- Mit der Versetzung von Präsident Heribert Hellen- schutzes", sie dürfen dadurch jedoch auch künftig broich in den einstweiligen Ruhestand sind perso- nicht zum Beobachtungsgegenstand des Verf as- nelle Konsequenzen gezogen worden. Im Hinblick sungsschutzes werden. Dies gilt sowohl hinsichtlich auf etwa weiter erforderliche personelle Entschei- der Frage der Erhebung und Speicherung von Er- dungen sieht der Ausschuß von einer Äußerung gebnissen der Tätigkeit des Bundesamtes für Ver- ab. Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

Eigenes Votum der Abgeordneten der SPD im 2. Unterausschuß

I. Grundsätzliche Feststellungen Vertrauten: Das Informationssystem, das durch die bevorzugte Hinzuziehung von Personen, die bereits Bundesinnenminister Dr. Friedrich Zimmermann in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu seinen eng- hat die ihm übertragenen Aufgaben im Bereich der sten Mitarbeitern gehört hatten, neben den und au- Inneren Sicherheit in vorwerfbarer Weise vernach- ßerhalb der Strukturen des Bundesministeriums lässigt, indem er des Innern entstanden war, vermochte diese Defi- zite nicht auszugleichen, sondern hat die man- — die regelmäßige Zusammenarbeit mit dem Bun- gelnde Wahrnehmung seiner Verantwortung für desamt für Verfassungsschutz einstellte, den Bereich der Inneren Sicherheit nur verstärkt. — den Präsidenten des Bundesamtes für Verfas- Das hat sich unter anderem darin ausgedrückt, daß sungsschutz in entscheidenden Fragen nicht un- er terstützte, — keine regelmäßigen Sachgespräche mehr mit — den tages- und parteipolitischen Mißbrauch von dem Bundesamt für Verfassungsschutz führte; Teilen des Bundesamtes für Verfassungsschutz derartige regelmäßige Sachgespräche waren of- durch seinen Parlamentarischen Staatssekretär fensichtlich auch nicht umfaßt von der Betrau- Carl-Dieter Spranger zuließ und förderte. ung des Parlamentarischen Staatssekretärs Spranger mit Aufgaben im Bereich der Inneren Sicherheit; II. Bewertung im einzelnen — keine einzige eigene sachliche Entscheidung zur Organisation der Dienst- und Fachaufsicht über 1. Das allgemeine Verhalten von Bundesminister Dr. das Bundesamt für Verfassungsschutz getroffen Friedrich Zimmermann hat; — keine eigene Arbeitsbeziehung zum Bundesamt Bundesminister Dr. Zimmermann hat die Dienst- für Verfassungsschutz und zu den diesem vom und Fachaufsicht über das Bundesamt für Verfas- Gesetz übertragenden Aufgaben gesucht hat, sungsschutz nicht wahrgenommen. Allein der routi- sondern vielmehr Gleichgültigkeit an den Tag nemäßige Geschäftsbetrieb wurde von der Ministe- gelegt hat. rialverwaltung abgewickelt. Das Angebot des Mini- sters an den Präsidenten des Bundesamtes für Ver- Statt dessen hat er, ohne das Bundesamt für Verf as- fassungsschutz, diesem jederzeit für Rücksprachen sungsschutz zu kennen, gegen das Votum des Präsi- zur Verfügung zu stehen, reichte nicht aus, um die- denten des Bundesamtes für Verfassungsschutz ei- ses Defizit auszugleichen. genwillig Personalentscheidungen getroffen, deren Folgen er nicht abschätzen konnte und die sich Erschwerend kommt hinzu, daß er der Verwaltung letztlich — wie im Fall Tiedge — negativ für die keinerlei Vorgaben hinsichtlich der Wahrnehmung Arbeit des Bundesamtes auswirkten. Dabei wäre es der Dienst- und Fachaufsicht erteilte: Weder der seine Aufgabe gewesen, die Abschottung zu durch- Parlamentarische Staatssekretär Spranger noch brechen und in das Bundesamt für Verfassungs- die Abteilungsleiter Z (Zentralabteilung) oder IS schutz im Interesse der effektiven Wahrnehmung (Innere Sicherheit) erhielten von ihm konkrete Wei- seiner Aufgaben hineinzuwirken. sungen für die Bewältigung der im Bereich der In- neren Sicherheit auftauchenden Fragen und Pro- bleme. Zwar liegen umfangreiche schriftliche An- weisungen aus früheren Zeiten vor. Wenn der Mini- 2. Allgemeine Folgen dieser Unterlassung ster jedoch nicht nur keine Vorgaben erteilt zu de- ren Ausfüllung, sondern auch demonstratives Des- Das Unterlassen einer wirksamen Zusammenarbeit interesse zu deren Handhabung an den Tag legt, so mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz hat zu reicht die bloße Existenz der Dientsanweisungen eindeutigen Fehlern und damit zur direkten Beein- und Erlasse für eine ordnungsgemäße Wahrneh- trächtigung der Belange der Inneren Sicherheit der mung der Dienst- und Fachaufsicht und damit der Bundesrepublik Deutschland geführt: Verantwortung für den Bereich der Inneren Sicher- heit nicht aus. — Das mangelnde Interesse von Bundesminister Dr. Zimmermann an der Arbeit des Bundesam- Dieses fehlerhafte Amtsverständnis wurde nicht tes für Verfassungsschutz und den sich dabei dadurch ausgeglichen, sondern nur noch verschlim- ergebenden Sachproblemen hat ihn nicht erken- mert, daß er seine Aufgaben zu erfüllen suchte nen lassen, daß es bei der Anwendung des G-10- durch regelmäßige Begegnungen mit einem ausge- Gesetzes grundsätzliche Differenzen gab zwi- wählten, für Fragen der Inneren Sicherheit aber schen dem Bundesministerium des Innern und weder kompetenten noch zuständigen Kreis von dem Bundesamt für Verfassungsschutz durch Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

die unterschiedliche Bewertung von Sachverhal- Bundesminister Dr. Zimmermann ließ geschehen, ten. daß Parlamentarischer Staatssekretär Spranger — Selbst als er durch den Vortrag von Präsident beim Bundesamt für Verfassungsschutz folgende Hellenbroich auf die bestehenden Differenzen Berichte anforderte bzw. anfordern ließ: ausdrücklich hingewiesen worden war, hat er es unterlassen, den Sachverhalt zu klären und eine 1. Einen Bericht über einen linksextremistischen Entscheidung zur Handhabung des Gesetzes zu Einfluß auf DIE GRÜNEN auf Bitte und zugun- treffen: Er tat nichts! sten des Abgeordneten Todenhöfer, den dieser als Munition für seine politische und publizisti- Mit der Überlassung der Vorbereitung von Perso- sche Auseinandersetzung mit den GRÜNEN miß- nalentscheidungen auch für den Bereich des Bun- brauchen wollte. Dabei scheuten sich entweder desamtes für Verfassungsschutz an den beschriebe- Spranger oder Todenhöfer oder beide nicht, ver- nen Kreis enger Vertrauter, der für diese Aufgaben schiedene Bonner Journalisten, u. a. den Leiter nicht zuständig war, hat Bundesminister Dr. Zim- des Bonner Büros der „Quick", Limbach, darauf mermann es in vorwerfbarer Weise unterlassen, aufmerksam zu machen, daß das Bundesamt für den Belangen der Inneren Sicherheit der Bundesre- Verfassungsschutz demnächst einen solchen Be- publik Deutschland Rechnung zu tragen. Sein Ver- richt vorlegen werde. halten führte unmittelbar dazu, daß er 2. Einen Bericht über mögliche Nachrücker der — Fehlentwicklungen in der Personalausstattung GRÜNEN im 10. Deutschen Bundestag. Das Pa- und Personalstruktur des Bundesamtes für Ver- pier lag Parlamentarischem Staatssekretär fassungsschutz nicht erkannte; Spranger am 19. April 1985 vor. Er vermerkte — durch seine eigenwillige Entscheidung bei der darauf „weglegen". Am 20. April 1985 veröffent- Ernennung des Leiters der Abteilung IV — Spio- lichte die „Bild-Zeitung" das Papier auszugswei- nageabwehr — die Arbeit dieser Abteilung bela- se. Zu einem späteren Zeitpunkt, möglicherweise stete: Das bereits zu dieser Zeit bestehende Ri- am 25. April 1985, änderte Parlamentarischer siko in der Person Tiedges wurde verstärkt; der Staatssekretär Spranger das von ihm auf dem Übertritt Tiedges in die DDR hatte darin seinen Papier ursprünglich vermerkte Datum 19.04.85 entscheidenden Grund. auf „25. 04. 85". Eine befriedigende Erklärung da- für hat er nicht abgegeben. Jedenfalls begründet Derartige Fehlentscheidungen waren nur möglich, dies den Verdacht, daß er durch die Änderung weil Bundesminister Dr. Zimmermann sich nicht des Datums nachträglich den Anschein erwecken unterrichtet hatte über die allgemeinen Personal- wollte, er habe mit der Veröffentlichung in der probleme beim Bundesamt für Verfassungsschutz. „Bild-Zeitung" nichts zu tun. Er war deshalb nicht in der Lage, durch eine ent- sprechende Personalpolitik rechtzeitig unerläßliche 3. Zwei Berichte über den damaligen Abgeordneten Entscheidungen zu treffen. Eine sorgfältige Ausein- des Deutschen Bundestages Otto Schily, dem andersetzung mit den allgemeinen Personalproble- Spranger unterstellte, er identifiziere sich mit men hätte dazu führen müssen, die Eignung und dem Terrorismus. Die Anforderung des zweiten Befähigung eines jeden Abteilungsleiters zu über- Berichts ging auf eine entsprechende Bitte des prüfen bzw. überprüfen zu lassen und notwendige CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Dr. Dregger Veränderungen zu bewirken. und/oder dessen Büroleiter zurück, der sich mit Blick auf eine damals öffentlich diskutierte mög- 3. Die Berichtsanforderungen von Parlamentarischem liche Berufung von Schily zum hessischen Justiz- Staatssekretär Spranger minister in unverfrorener Selbstverständlichkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz bedie- Die Betrauung von Parlamentarischem Staatsse- nen wollte, um Material für eine von ihm erwar- kretär Carl-Dieter Spranger mit der Unterstützung tete parteipolitische Auseinandersetzung zur des Ministers im Bereich der Inneren Sicherheit Hand zu haben. einschließlich der besonderen Zuständigkeit für die Fertigung des jährlichen Verfassungsschutzberich- 4. Einen Bericht zu etwaigen Erkenntnissen über tes enthob Bundesminister Dr. Zimmermann nicht Eberhard von Brauchitsch. Diesem an Absurdität der Verantwortung für diesen Bereich. Verf as- nicht zu übertreffenden Berichtsauftrag lag die sungsrechtlich wie politisch sind ihm die von Parla- Vorstellung Sprangers zugrunde, von Brau- mentarischem Staatssekretär Spranger unter Miß- chitsch könnte als Einflußagent eines gegneri- brauch der diesem erteilten Befugnisse vorgenom- schen Nachrichtendienstes die Flick-Affäre als menen bzw. veranlaßten Handlungen zuzurechnen: Desinformationskampagne gesteuert haben. Bei diesem Auftrag stand offenbar der Wunsch Pate, Parlamentarischer Staatssekretär Spranger hat die laufenden Untersuchungen in der Flick-Af- Bundesminister Dr. Zimmermann nicht unterstützt, färe mit Hilfe von Erkenntnissen des Bundesam- da dieser nichts tat, was hätte unterstützt werden tes für Verfassungsschutz zu diskreditieren. können! Vielmehr ließ er zu und muß sich deswegen auch 5. Einen Bericht über den angeblichen kommunisti- zurechnen lassen, daß Parlamentarischer Staatsse- schen Einfluß auf die Kirchen. Dabei hatte Parla- kretär Spranger das Bundesamt für Verfassungs- mentarischer Staatssekretär Spranger insbeson- schutz in hemmungsloser Weise politisch miß- dere Volkmar Deile von der „Aktion Sühnezei- brauchte. chen — Friedensdienste" im Visier. Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

Bereits der John-Untersuchungsausschuß des Deut- vorgesetzter Verantwortlicher festgelegte Geheim schen Bundestages der II. Wahlperiode mußte sich haltungsgrade ohne Beteiligung derjenigen, die den 1954 im Rahmen einer parlamentarischen Untersu- Grad der Geheimhaltung festlegen, aufzuheben, chung der Frage, ob und wie die Bundesregierung kann und darf nicht anerkannt werden. Das soge- ihrer Verpflichtung zur Dienstaufsicht über das nannte „Selbsteintrittsrecht" hat keine Grundlage. Bundesamt für Verfassungsschutz nachgekommen Würde diese Rechtsauffassung Übung, wäre die war, damit beschäftigen, „ob das Bundesamt für Verschlußsachenanweisung Makulatur. Die Bun- Verfassungsschutz im Auftrage oder aus eigenem desregierung hat mit gutem Grund davon abgese- Entschluß Nachrichten über demokratische Politi- hen, die Verschlußsachenanweisung zu ändern. ker gesammelt oder über sie Berichte an die Bun- desregierung oder andere Stellen geliefert hat", und Der Mißbrauch des „Nachrückerpapiers" unter Ver- ob dabei der „Dienstweg über den Bundesminister letzung der Verschlußsachenanweisung war zudem des Innern eingehalten" wurde (Bundestagsdruck- ein doppelter Mißbrauch des Bundesamtes für Ver- sache II/768). Erklärtes Ziel war es damals, das fassungsschutz, da in den Presseveröffentlichungen Bundesamt für Verfassungsschutz nicht zum Hand- auch noch auf dessen Autorenschaft Bezug genom- langer in der politischen Auseinandersetzung wer- men war. den zu lassen; deshalb sollte es besonders streng an die Dienst- und Fachaufsicht des Bundesministeri- 4. Schlußfolgerung ums des Innern gebunden sein. Die durch die Feststellungen des Untersuchungs- Parlamentarischer Staatssekretär Spranger hat ge- ausschusses nachgewiesene Amtsführung von Bun- gen diese Prinzipien verstoßen. Er war lange als desminster Dr. Zimmermann hat den Sicherheitsin- Jurist und Politiker tätig. Er hatte bei seiner politi- teressen der Bundesrepublik Deutschland gescha- schen Tätigkeit die Innere Sicherheit zu einem det. Bundesminister Dr. Zimmermann hat das An- Kernstück seiner Arbeit gemacht. Bei ihm muß da- sehen des Bundesamtes für Verfassungsschutz be- von ausgegangen werden, daß er mit Absicht die schädigt. notwendige Kontrolle ausgeschaltet hat. Das mußte führen und hat geführt zu einer Unklarheit und Unordnung der Verhältnisse, insbesondere auch bei IN. Konsequenzen der Einhaltung des Dienstweges. Nur bei einer der- artigen Unordnung der Verhältnisse konnte sich 1. Das Verhalten von Bundesminister Dr. Zimmer- auch ein Referatsleiter an das Bundesamt für Ver- mann im Bereich der Inneren Sicherheit ist zu fassungsschutz wenden und dort den Eindruck er- mißbilligen. wecken, daß ein Auftrag von Parlamentarischem Staatssekretär Spranger vorliege; nur bei einer der- 2. Das von Bundesminister Dr. Zimmermann gedul- artigen Unordnung konnten Berichte unter Umge- dete Vorgehen von Parlamentarischem Staatsse- hung des Dienstweges unmittelbar an einen Refe- kretär Spranger ist zu verurteilen. ratsleiter und von dort in den Bereich von Parla- 3. Die Ausübung der Dienst- und Fachaufsicht über mentarischem Staatssekretär Spranger gelangen, das Bundesamt für Verfassungsschutz muß der sich wiederum in Einzelfällen des Presserefe- durch wirksame, regelmäßige und beständige Zu- rats zur Instrumentalisierung des so erlangten Wis- sammenarbeit zwischen der politischen Leitung sens für die politische Auseinandersetzung bedien- des Bundesministeriums des Innern und dem te. Bundesamt für Verfassungsschutz sichergestellt Besonders schwerwiegend ist, daß Parlamentari- werden. Nur so kann das Bundesamt für Verfas- scher Staatssekretär Spranger in einem Fall sogar sungsschutz auf seine ursprüngliche, in der die Geheimhaltungsvorschriften verletzt hat. Diese Amtsbezeichnung zum Ausdruck kommende Vorschriften sind in der Verschlußsachenanwei- Aufgabe des Schutzes der Verfassung zurückge- sung der Bundesregierung allgemein und für jeden, führt und Mißbrauch verhütet werden. der damit befaßt wird, verbindlich geregelt. Bewußt 4. Es muß sichergestellt werden, daß die Beobach- und gewollt hat sich Parlamentarischer Staatsse-- tung demokratischer Organisationen und Institu- kretär Spranger über die darin festgelegten Grund- tionen unterbleibt. sätze und vorgeschriebenen Verfahren hinwegge- setzt. Das geschah alleine, um Erkenntnisse des 5. Die Personalfürsorge für die Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz für die politi- Bundesamtes für Verfassungsschutz ist durch sche Auseinandersetzung zu mißbrauchen. geeignete Maßnahmen sicherzustellen; dazu ge- hört auch ein regelmäßiger Austausch mit ande- Staatssekretär Neusel hat vor dem Untersuchungs- ren Institutionen und Ämtern des Bundes. ausschuß dargelegt, wie die Verschlußsachenanwei- sung zu handhaben ist, und erläutert, daß die Auf- 6. Die Berichtspflicht des Bundesministeriums des hebung eines Vertraulichkeitsgrades einem im ein- Innern zur Arbeit des Bundesamtes für Verfas- zelnen festgelegten Verfahren unterliegt. Damit ist sungsschutz erfolgt über den jährlich vorzule- klargestellt, daß Parlamentarischer Staatssekretär genden Verfassungsschutzbericht. Anfragen im Spranger mit seiner eigenmächtigen und eigenhän- Einzelfall sind allein an den Bundesminister digen Streichung des VS-Vermerks sich über zu richten und auf dem Dienstwege zu beantwor- Rechtsvorschriften hinweggesetzt hat. Die nach- ten. Unabhängig davon sind Anfragen und Vor- träglichen Rechtfertigungsversuche halten einer gehensweisen wie im Falle Todenhöfer und rechtlichen Prüfung nicht stand. Ein Recht auch Dr. Dregger unzulässig. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

Abweichender Bericht des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele zu der Beschlußempfehlung und dem Bericht des 2. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes — Drucksachen 10/3931 und 10/4837 — Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

I. Der Untersuchungsauftrag Eingrenzung auf Tiedge oder Untersuchung der Tätigkeit des Geheimdienstes

1. Bundesamt für Verfassungsschutz als „Wetterecke" des BMI

Kein Bereich der öffentlichen Verwaltung ist so kratischer Staat — liegt hierin nicht ein unauflösba- skandalträchtig und problembeladen, wie deren rer Widerspruch? nicht-öffentlicher Anhang: die Geheimdienste. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sei Verfassungsschutzämter und demokratische immer schon die „Wetterecke" des Bundesinnenmi- Gesellschaft — wie soll sich das überhaupt miteinan- nisteriums gewesen, stellte selbst der langjährige der vereinbaren lassen? Knüpfen Geheimdienste Staatssekretär Dr. Fröhlich in seiner Vernehmung nach den deutschen Erfahrungen mit Gestapo, vor dem 2. Untersuchungsausschuß des Deutschen staatlich organisiertem politischem Mord und Bundestages fest. Er veranschaulichte diese Fest- faschistischer Diktatur nicht stets an die Traditio- stellung an einer ganzen Kette von Affären, die er nen autoritärer Herrschaft an? im Laufe seiner Beamtenkarriere zu meistern hatte. Sind Affären und Skandale um die Geheimdienste Diese reicht von den heftigen Debatten um den Sinn die Ausnahme oder nicht vielmehr die Regel? Sind des BfV überhaupt nach dem „Übertritt" des Amts- Geheimdienste ohne Affären und Skandale über- chefs Dr. John in den 50er Jahren nach Ost-Berlin, . haupt denkbar? über die erste Telefonabhöraffäre im Jahre 1964, den Spionagefall Guillaume, die Abhöraktionen Bieten sich die Geheimdienste nicht geradezu als gegen den Atomwissenschaftler Traube bis hin zum Mittel der Politik für jewei lige Regierungen an? jüngsten Frontenwechsel des Leiters der Spionage- abwehr, Hans-Joachim Tiedge, Ende August 1985 Kann es demokratische Kontrolle von Geheimdien- nach Ost-Berlin. sten überhaupt geben — und gar durch ein Parla- ment wie den deutschen Bundestag? Auch wenn jede dieser Affären ihre spezifischen Besonderheiten aufweist, als bloße Einzelfälle las- sen sie sich nicht abtun. Die Chronologie der Geheimdienstaffären ist länger. Allein in dieser Legislaturperiode wurde bekannt: 2. Tiedge -- Wer Geheimdienste will, muß mit —ein Berliner Verfassungsschutzagent tat sich bei dem Verrat leben der Anti-NATO-Demonstration 1984 in Krefeld als steinewerfender Provokateur hervor Als in der Diskussion um den Übertritt Tiedges in die —dem 7. Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten DDR der Ruf nach einem Untersuchungsausschuß für Datenschutz ist zu entnehmen, daß über des Deutschen Bundestages laut wurde, hat sich die 100.000 Bürgerinnen und Bürger in der Abtei- Fraktion der GRÜNEN von Anfang an gegen eine lung „Linksextremismus" des BfV mit ,,Erkennt- exklusive und isolierte Betrachtung des Falles nissen" wie Teilnahme an einer Solidaritätsver- Tiedge gewandt. anstaltung für Nicaragua und Südafrika oder Bei-- träge von Teilnehmern an einer Bundesver- Verrat ist eine der Tätigkeit von Geheimdiensten sammlung der GRÜNEN, gespeichert sind inhärente Erscheinung und so alt wie die geheimen Dienste selbst. Wer Geheimdienste politisch will, — den Sprengstoffanschlag auf das Gefängnis in muß mit dem Verrat leben. Der Zeuge Bloch vor Celle haben Beamte der Verfassungsschutzäm- dem Untersuchungsausschuß zu Indiskretionen aus ter aus Bund und dein Land Niedersachsen dem BfV an den Zeit-Journalisten Wagner: (25/23) geplant und ausgeführt. — nach einem Mordanschlag haben in Berlin Ver- „Einen solchen Schlag aus dem Haus auf fassungsschutzbeamte die Mordwaffe ver- das Haus fände ich verwerflicher als die schwinden lassen und diese den verschiedenen Tatsache, daß ein moralisch verkomme- Gerichten, die sich mit dem Fall zu beschäftigen ner Trunkenbold in den anderen Teil hatten, vorenthalten. überläuft." Neben der zu klärenden Frage, wer für diese Taten Der Übertritt eines Mitarbeiters rechtfertigt für sich persönlich zur Verantwortung zu ziehen ist, geht es genommen . nicht die Einsetzung eines parlamenta- um Grundsätzlicheres. Geheimdienste und demo rischen Untersuchungsausschusses. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

3. Antrag der GRÜNEN: Tätigkeit des Verfas- manns für Vorgänge in der Abteilung Spionageab- sungsschutz insgesamt untersuchen wehr. Das BfV selbst sollte bei der öffentlichen Aus- einandersetzung soweit wie möglich verschont Die Fraktion DIE GRÜNEN hat sich anläßlich der bleiben. Einrichtung des 2. Untersuchungsausschusses für Die CDU/CSU versuchte die Einsetzung des Unter- eine Überprüfung der Aktivitäten des Bundesamtes suchungsausschusses mit dem Hinweis zu blockie- für Verfassungsschutz und der Ausübung der ren, eine öffentliche Untersuchung schade nicht Dienst- und Fachaufsicht durch das Bundesministe- nur den Sicherheitsinteressen ..., ,.sondern (hindere) rium des Innern ausgesprochen. Folglich hätte ein darüber hinaus auch die konkrete Tätigkeit des Ver- Untersuchungsausschuß nur dann Sinn gehabt, fassungsschutzes". (Regenspurger (CSU) 10/162, S. wenn er sich mit der Frage beschäftigt hätte: 12131). Die Vertreter der CDU/CSU im Ausschuß - „In welchem Ausmaß ... Sicherheit und Grund- bemühten sich denn auch nach Kräften, die Tätig- rechte von Bürgern in der Bundesrepublik keit des Ausschusses als ein für die freiheitlich-de- Deutschland während der Amtszeit des Bundes- mokratische Grundordnung schädlichen Unterfan- ministers des Innern, Dr. Zimmermann und sei- gen darzustellen. ner Vorgänger durch Aktivitäten des Bundesam- tes für Verfassungsschutz ... gefährdet und ver- Im Spannungsfeld des ausschließlich auf Bundesin- letzt worden sind." (Antrag der GRÜNEN, Drs. nenminister Dr. Zimmermann gerichteten Interes- 10/3931) ses der SPD einerseits und dem Bemühen der Regie- rungsparteien, das Bundesamt und den für dieses Dieser Antrag wurde von den Regierungsfraktio- zuständigen Minister so schnell wie möglich aus der nen und der SPD gleichermaßen abgelehnt. Schußlinie zu ziehen, andererseits, war eine grund- legende Aufklärung auch nur der Vorkommnisse Der Abgeordnete Baum (FDP) sprach in der Debatte im Bereich Spionageabwehr von vorn herein wenig zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses von wahrscheinlich. einer wirklich maßlosen Diskreditierung des Bun- desamtes für Verfassungsschutz". Durch die ver- schiedenen Kontrollmechanismen habe diese Demokratie immer die Kraft gehabt „durch die 5. Keine Chance für Aufklärung: Die Inhaber öffentliche Meinung und durch die Parlamentari- der Macht von heute wissen von den sche Kontrolle auf verschiedenen Ebenen: Durch Machenschaften der Regierenden von den Unterausschuß des Haushaltsausschusses, gestern durch den Innenausschuß, durch die Parlamentari- sche Kontrollkommission, durch zwei G-10-Gre- Verhindert wurden Versuche der Aufklärung mien (die Teilnahme an diesen Gremien wird den schon wegen der wechselseitigen Verstrickungen GRÜNEN im Bundestag durch die Parteien von von CDU/CSU, FDP und SPD in die illegalen Prakti- CDU/CSU und FDP verwehrt, der Verfasser des ken der Geheimdienste in der Vergangenheit. Die Sondervotums), auch mit Fehlern fertig zu werden. Inhaber der Macht von heute wissen von den Prakti- „Dieses Amt wird rechtsstaatlich kontrolliert", rief ken der Regierung von gestern und beschränken Baum aus. (Drs. 10/162, S. 12136). damit deren Möglichkeiten, ihr heutiges Wissen politisch zu nutzen oder gar zu offenbaren. Der Abgeordnete Baum muß es ja wissen, war er doch jahrelang zuständiger Minister für das Bundes- Am deutlichsten wurde dies, als im Januar 1986 — amt und als Vorgänger der jetzigen Bundesinnenmi- während der laufenden Beweisaufnahme des 2. nister mit Affären des Amtes befaßt. Untersuchungsausschusses — bekannt wurde, daß Bundesinnenminister Zimmermann im Jahre 1983 CDU/CSU, FDP und SPD haben seit Gründung der - dem Bundesnachrichtendienst auf einem amtlichen Bundesrepublik Deutschland den Verfassungs- Konto Gelder in Höhe von 350.000 DM, die er zuvor schutz aufgebaut und seine Kompetenzen ständig aus Kreisen der Industrie und Wirtschaft bekom- erweitert. Für diese Parteien ist der Verfassungs- men hatte, zur Verfügung stellte, vorgeblich zur schutz tragender Pfeiler des Grundgesetzes. Jede Finanzierung der Suche nach den mit Dioxin gefüll- Forderung nach Abschaffung des BW ist für die ten Seveso-Fässern (Drs. 10/5049). gleichbedeutend mit der Aufforderung zum Verfas- sungsbruch selbst. Dieses illegale Vorgehen wäre Anlaß genug gewe- sen, die Amtsführung des Bundesinnenministers im Hinblick auf seine Einflußnahme auf die Geheim- 4. Untersuchungsziel der SPD: Nur der Mini- dienste zum Hauptgegenstand der Untersuchung zu ster nicht der Geheimdienst machen. Gerade weil Bundesinnenminister Zim- mermann dabei seine Kompetenzen eindeutig über- Das politische Interesse der sozialdemokratischen schritten hat — denn für den Bundesnachrichten- Opposition beschränkt sich in dem von ihr einge- dienst, mit dem er dieses Geschäft abgewickelt brachten Einsetzungsauftrag ausdrücklich auf die hatte, fehlt ihm jegliche Zuständigkeit — wäre eine Frage nach der politischen Verantwortung Zimmer parlamentarische Untersuchung geboten gewesen. Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

Dem stand aber die bereits im November 1985 fung über innerparteiische Gegner in seinem Wahl- bekannt gewordene Tatsache entgegen, daß von kreis Marburg ins Spiel gebracht. Der Hinweis „Mar- der vorangegangenen sozialliberalen Regierung im burg" wurde zum geflügelten Wort und in der wei- Jahre 1979/80 eingesammelte Unternehmensgel- teren Ausschußtätigkeit von den CDU/CSU-Ver- der über den Bundesnachrichtendienst an das tretern dazu benutzt, die SPD-Abgeordneten zur Detektivbüro Mauss gezahlt worden sind, angeb- Ordnung zu rufen, wenn diese all zu intensiv die Pra- lich um mutmaßliche Terroristen im Ausland aufzu- xis des BW beleuchten wollten. Schließlich wurde spüren. der Druck auf die SPD-Vertreter im Ausschuß durch Die Konsequenz dieses Verwicklungsproporzes den von der CDU/CSU erreichten Beweisbeschluß war, daß die Parlamentarische Kontrollkommission auf weitere Vernehmung des Zeugen Bloch zu den (PKK) — unter Ausschluß der Fraktion DIE GRÜ- näheren Hintergründen der Jahn-Anfrage so stark NEN — einmütig und in bekannter Geschlossenheit erhöht, daß die SPD-Abgeordneten einem vorzeiti- gen Abbruch der Ausschußarbeit zustimmten. Die aller Demokraten alles tat, um die Vorfälle unge- klärt unter den Teppich zu kehren und es bei der Unions-Vertreter im Ausschuß legen daraufhin kei- Feststellung zu belassen, die PKK halte „die Entge- nen Wert mehr auf die Vernehmung des Zeugen gennahme privater Zuwendungen für die Erledi- Bloch, die gerade auf ihr Drängen hin beschlossen gung dienstlicher Aufgaben des Bundesnachrich- worden war. tendienstes nicht für angängig" (Drs. 10/4253 und 10/5049). 7. Motto des Untersuchungsausschusses: Quintessenz: Haust Du mich, hau ich Dich! Geheimdienstwissen wird so zum Herrschaftswis- sen der von den Verfassungsschutzämtern profitie- So ähnelte das Verfahren im 2. Untersuchungsaus- renden Parteien, mit dem diese wuchern und sich schuß oft mehr einem Pokerspiel nach dem Motto gegenseitig in Schach zu halten versuchen, wenn „Enthüllst Du meinen Skandal, bringe ich Deinen doch mal etwas ans Licht kommt. Skandal ans Licht" als einem Verfahren zur Wahr- heitsfindung.

6. Zufallsfunde: Aufklärung abgeblockt Aufgrund der spezifischen Interessenkoalition der am Geheimdienstwissen partizipierenden Parteien Einsetzung und Arbeit eines parlamentarischen und fehlender Rechte für Minderheitsfraktionen, Untersuchungsausschusses führt nur dann zu das Verfahren in Untersuchungsausschüssen ent- neuen und überraschenden Einblicken in die ille- scheidend mitzubestimmen, muß die Wirksamkeit gale Praxis der Geheimdienste, wenn — wie bereits und der Sinn solcher Ausschüsse grundsätzlich im Guillaume-Ausschuß — Regierung und Opposi- skeptisch beurteilt werden. Eine wirksame und tion jeweils aus politisch-taktischem Kalkül ein- umfassende parlamentarische Kontrolle der zelne Vorkommnisse aus dem Innenleben der Dien- Geheimdienste durch Untersuchungsausschüsse ist ste, deren Zusammenspiel mit der jeweiligen Regie- auch für die Zukunft nicht zu erwarten. rung preisgeben und in die öffentliche Diskussion Gleichwohl haben die im 2. Untersuchungsaus- einbringen. schuß bekanntgewordenen Details die von der Was im Fall des Guillaume-Ausschusses 1972 die Fraktion DIE GRÜNEN wiederholt geäußerte Kritik Dossiers des BND-Chefs Gehlen über Politiker am Bundesamt für Verfassungsschutz bestätigt und waren, sind im Tiedge-Ausschuß die Anfragen des verdeutlicht, daß eine umfassende und gründliche Parlamentarischen Staatssekretärs Karl-Dietrich Untersuchung der illegalen Praktiken von Regie- Spranger beim BW über Funktionsträger der Partei rung und Verfassungsschutz nach wie vor unum- DIE GRÜNEN. gänglich ist. Für die Regierungsparteien waren die gezielten- Bevor der Gang des Verfahrens näher dargestellt Indiskretionen über die Anfragen von PStS Spran- und eine Einzelbewertung der Ergebnisse der Aus- ger wiederum Anlaß, nun auf frühere Anfragen schußarbeit aus Sicht der Fraktion DIE GRÜNEN ähnlichen Inhalts seitens SPD-Abgeordneter hinzu- vorgenommen wird, sollen die zentralen Kritik- weisen. So wurden die Kontakte des Vorsitzenden punkte an der Arbeit der Geheimdienste, wie sie in des Untersuchungsausschusses Jahn (SPD) aus dem den Ausschußsitzungen deutlich geworden sind, Jahre 1976 mit dem BW zur Informationsbeschaf dargestellt werden. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

II. Die „geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Extremismus" durch den administrativen Verfassungsschutz

1. Im Grundgesetz steht nichts von der Not- wachsenden Schärfe der Auseinandersetzung mit wendigkeit von Geheimdiensten dem Kommunismus im kalten Krieg geprägt und von der Überzeugung getragen, daß es einer spe- Bei allen Differenzen zwischen CDU/CSU, FDP ziellen Staatsschutzbehörde gegen die Umsturzbe- oder SPD in der Frage, welche Gruppen und Perso- wegungen der „Feinde der Demokratie" (vgl. den nen Gegenstand verfassungsschützerischer Sam- Gesetzentwurf der SPD vom 15.02.1950; Bundes- meltätigkeit und öffentlicher Verrufserklärungen tagsdrucksache 1/563) bedürfe. werden sollen, sind sich diese Parteien in einem Der Bezugspunkt der damaligen Staatsschutz- und einig: Verfassungsschutzgesetzgebung, nämlich den bun- Für sie ist die Arbeit der Verfassungsschutzämter desrepublikanischen Staat vor einem gewaltsamen wesentlicher Bestandteil der bundesrepublikani- kommunistischen Umsturz zu bewahren — läßt sich schen Demokratie. bis in die Formulierung des Verfassungsschutzge- setzes hineinverfolgen, wo in § 3 dem Bundesamt Um des „Schutzes der freiheitlichen Verfassung" für Verfassungsschutz die Aufgabe übertragen willen soll es einer frühzeitigen, umfassenden wurde, „Unterlagen über Bestrebungen, die eine Sammlung und Auswertung von Auskünften, Nach- Aufhebung, Änderung oder Störung der verfas- richten und sonstigen Unterlagen über potentialle sungsgemäßen Ordnung im Bund oder in einem Verfassungsfeinde bedürfen. Dies sei Auftrag des Land ... zum Ziele haben" zu sammeln. Grundgesetzes und der darin enthaltenen Entschei- dung für eine „streitbare Demokratie". Getragen von der Überzeugung, daß die Nach- 2. Geschichte des Verfassungsschutzes: kriegsdemokratie der Bundesrepublik Deutschland Übergriffe und Repressionen nicht dasselbe Ende nehmen dürfe wie die Weima- rer Republik hatten die Väter des Grundgesetzes Daß sich die Ämter für Verfassungsschutz mit der den Erhalt der Demokratie zum Staatsauftrag pauschalen Ermächtigung des § 3 Verfassungs- erklärt und zu deren Schutz eine ganze Reihe von schutzgesetz zur Sammlung und Auswertung von spezifischen freiheitsbeschränkenden Bestimmun- Auskünften, Nachrichten und sonstigen Unterla- gen erlassen, insbesondere in den Artikeln 9 Abs. 2 gen nicht nur von Anbeginn an „in einem Grenzbe- (Vereinigungsverbot), Artikel 21 Abs. 2 (Parteien- reich am Rande des Rechtsbruches bewegen" verbot), Artikel 18 (Einzelverwirkung von Grund- (Evers, in Verfassungsschutz, Herausgeber BMI, rechten). 1966, S. 112), sondern die Grenze häufig überschrit- ten wird, sollte sich schnell erweisen. Doch über diese, an enge rechtliche Voraussetzun- gen geknüpften Möglichkeiten hinaus, finden sich Schon 4 Jahre nach Verabschiedung des Verfas- im Grundgesetz in seiner ursprünglichen Form und sungsschutzgesetzes, nachdem sich Klagen von den Debatten des Parlamentarischen Rates keine Bürgern über Schwierigkeiten und Repressalien weiteren konkreten Vorstellungen für die in Arti- häuften, denen sie aufgrund von „Erkenntnissen" kel 73 Nr. 10 und Artikel 87 Abs. 1 Satz 1 GG post- des Verfassungsschutzes ausgesetzt waren (insbe- ulierte staatliche Aufgabe des Verfassungsschut- sondere über „illegale Ostkontakte"); nachdem zes. Insbesondere fehlt es an jedem konkreten Hin- deutlich wurde, daß die Regierung Informationen weis auf Notwendigkeit und Funktion einer exeku- des Verfassungsschutzes benutzte, um mißliebige tiven Verfassungsschutzbehörde, eines Geheim- Kritiker zu diskreditieren und hinter einem „Sta- dienstes. cheldraht des Verdachtes" (Carlo Schmidt) ver- schwinden zu lassen; nachdem schließlich auf Mit der Einrichtung der Ämter für Verfassungs- Grund der Aussagen eines Doppelagenten über 40 schutz wurde keineswegs ein vorgegebener grund- unbescholtene Bürger wegen Spionageverdachts gesetzlicher Auftrag erfüllt. Ihre Einrichtung war inhaftiert wurden, (Vulkanaffäre) mußte der Abge- auch nicht eine notwendige Folge der Entscheidung ordnete von Merkatz (DP) im Deutschen Bundestag des Verfassungsgesetzgebers für eine „streitbare resigniert feststellen: Demokratie", die den „Feinden der Freiheit" Schran- ken für freie politische Betätigung zu setzen gewillt „Daß der Verfassungsschutz selber die ist. Krankheit ist, die man heilen will." (2. DB. 42. Sitzung, 16.09.1954, S. 1.984) Konzeption und Aufgabenstellung des Verf as -sungsschutzes, wie sie 1950 im Verfassungsschutz- Auch Reinhold Meier von der FDP meldete sich mit gesetz festgelegt wurden, waren vor allem von der der Bemerkung zu Wort, es bedürfe dringend einer Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

„Rückkehr zu den gesetzlichen Grundlagen, welche ablehne; Voraussetzung für die Erklärung zur Ver- sich die Bundesrepublik durch das Grundgesetz fassungsfeindlichkeit sei vielmehr eine „aktiv-käm- selbst geschaffen hat, ... und Achtung dieser Grund- pferische, aggressive Haltung gegenüber der beste- lagen bei allen." (ebd., S. 1.971) henden Ordnung". (BVerfGE 5, 141) Von einer Behörde, die von früheren „Fachleuten" Schließlich war die Richtung der Sammel- und Aus- der SS und der Gestapo (so Nollau) aufgebaut wor- wertungstätigkeit der Ämter durch die vom Bundes- den ist, war dies allerdings kaum zu erwarten. Zu verfassungsgericht ausgesprochenen Partei- und einer regierungsamtlichen Distanzierung von der Vereinigungsverbote vorgezeichnet, die die Ämter Nazivergangenheit des Bundesamt für Verfas- durchzusetzen versuchten, indem sie Tarnorgani- sungsschutz kam es erst, als bekannt wurde, daß die sationen aushoben, Ostkontakte aufklärten und altgedienten „Spezialisten" sich bedenkenlos über illegale Betätigungen für die KPD aufdeckten. das Post- und Fernmeldegeheimnis hinweggesetzt hatten. (Telefonabhöraffäre 1963). 4. Verfassungsschutz danach gegen APO Zur autoritativen Instanz, die darüber bestimmte, 3. Verfassungsschutz in den 50er Jahren: welche Positionen und Handlungen von Personen Hauptaufgabe Kommunisten-Hatz und Organisationen als verfassungsfeindlich zu qualifizieren waren, entwickelten sich die Ämter So weit die geheimdienstlichen Möglichkeiten der für Verfassungsschutz jedoch erst, als sich die politi- Ämter in den 50er Jahren auch gefaßt waren, die sche Diskussion über potentiell systemverändernde Aufgabenstellung des Verfassungsschutzes war — Bestrebungen von der konkreten Auseinanderset- verglichen mit heute — klarer. Der „Verfassungs- zung mit dem Kommunismus östlicher Prägung feind" war in der gesellschaftlichen Realität der abzulösen begann. 50er Jahre mit der KPD und ihren Parteigängern weitgehend identisch. Die Beschaffung von Unter- Politiker wie der seinerzeitige hessische Minister- lagen über deren Aktionen und — nach dem KPD- präsident Zinn bekräftigten zwar beispielsweise in Verbot im Jahre 1956 — das Aufspüren von Tarn- der Debatte über die Beobachtung des Sozialisti- und Ersatzorganisationen, in denen die KPD ihre schen Deutschen Studentenbundes (SDS), daß „in Arbeit fortzusetzen versuchte, waren die wesent- unserem Staat auch Platz für extreme Meinungen lichen Aufgaben des administrativen Verfassungs- sein muß, wenn deren Vertreter nur die gesell- schutzes. schaftliche und politische Grundordnung bejahen." (Vgl. Schwagerl, Verfassungsschutz in der BRD, S. Bemerkenswert ist, daß das Bundesamt diese Aufga- 70) ben selbst in der Hochphase der Hatz nach dem KPD-Verbot mit nur 250 Mitarbeitern zu bewälti- Das aber blieb Theorie. gen hatte. (Heute dagegen sind es fast 10 mal soviel In der Praxis waren es die, gemessen am Konsens Beamte allein im Bundesamt). der in Bonn vertretenen Parteien, „extremen", „extremistischen", „radikalen" Positionen, die zum Sicherlich hatten die Verfassungsschutzämter entscheidenden Ansatzpunkt der Beobachtung von schon damals wegen der pauschalen Formulierun- Gruppen und Personen wurden, ohne daß aus dieser gen des Gesetzes von 1950 die Möglichkeit, ein angeblichen „Bekämpfung von Verfassungsfein- hohes Maß an politischer Opportunität bei der Beur- den" konkrete Anträge der Regierung gefolgt teilung der Frage einfließen zu lassen, welche Äuße- wären, die Verfassungswidrigkeit dieser Organisa- rungen und Handlungen von Personen und welche tionen gerichtlich festzustellen. Verbote wurden organisatorischen Aktivitäten einen Verdacht ver- nicht einmal erwogen. fassungswidriger Bestrebungen begründen. Doch die Definitionsmacht potentieller Verfassungs- So gerieten ab der zweiten Hälfte der 60er Jahre feindlichkeit kam aus mehreren Gründen erst in der weite Teile der außerparlamentarischen Opposition zweiten Hälfte der 60er Jahre zum Tragen. (ApO) ins Blickfeld der Ämter für Verfassungs- schutz in Bund und Ländern; sei es, weil dieser Der Hauptgrund hierfür dürfte darin zu finden sein, Opposition wie im Falle des SDS direkt „Verfas- daß sich in dieser Phase erstmals Gruppierungen sungsfeindlichkeit" vorgeworfen wurde, sei es, weil und Parteien außerhalb und am Rande des herr- diesen Gruppen und Personen die Zusammenarbeit schenden Parteienspektrums bemerkbar machten, mit solchen angeblich verfassungsfeindlichen die nicht mehr unter das traditionelle Modell einer Organisationen wie dem SDS oder dann später der „vom Osten gesteuerten kommunistischen Infiltra- DKP vorgeworfen wurde. tion" subsumierbar waren. Da Verbotsverfahren gar nicht mehr beabsichtigt Darüber hinaus hatte das Bundesverfassungsge- waren, brauchten die Ämter eine gerichtliche Über- richt den Parteien ins KPD-Urteil noch restriktive prüfung ihrer Bewertung als „verfassungsfeindlich" Bedingungen einer staatlichen Feinderklärung hin- nicht mehr zu fürchten. eingeschrieben. Verfassungsfeindlich sollte hier- nach eine Partei nicht schon deshalb sein, weil sie Sie arbeiteten im Dunkeln und setzten die Maßstäbe oberste Prinzipien freiheitlicher Demokratie für ihr Handeln selbst, unbeeinflußt vom Gesetzge- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584 ber, den Gerichten und der Öffentlichkeit. Die — Teilnehmer eines wissenschaftlichen Symposi- Objekte ihrer Begierde wurden immer zahlreicher ums, das sich mit Fragen der Friedens- und Kon- und der Umfang ihrer Beobachtungs- und Sammel- fliktforschung beschäftigte. wut immer größer. — Gleich mit mehreren V-Leuten verschiedener Das Spektrum potentiell verfassungsfeindlicher Dienste wurden Pressekonferenzen der Frak- Äußerungen und Aktivitäten stellte sich dem Ver- tion Die Grünen observiert, bei der eine Lage- fassungsschutz in den 70er Jahren als immer breiter karte der in der Bundesrepublik Deutschland dar. Nicht nur die im Verfall der Studetenbewegung lagernden Atomsprengköpfe vorgestellt wurde. entstehenden „kommunistischen Kaderparteien" Die Daten der Sprecher wurden gespeichert. und „Aufbauorganisationen", sondern Gruppierun- gen und soziale Bewegungen, in denen das wach- Von „Extremisten", die nach Ansicht des BW kon- sende breite politische Engagement von Bürgerin- spirativ tätig oder dessen verdächtig sind, wurde nen und Bürgern zum Ausdruck kam, wurden als eine Datei angelegt, in der anhand vielfältigster „extremistisch" eingestuft und zu Beobachtungsob- Merkmale Persönlichkeitsprofile erstellt werden. jekten der Verfassungsschutzämter. Allein in dieser speziellen P-2-Datei waren über 16.000 Personen gespeichert. Es verwundert des- Mit Argumenten wie „linksextremistischer Unter- halb auch nicht, daß der Verfassungsschutz bei der wanderung", „Steuerung", „Einflußnahme" und vie- Partei DIE GRÜNEN, die aus den sozialen Bewegun- len anderem mehr wurden im Anschluß daran Bür- gen der 70er Jahre hervorgegangen ist und dieses gerinitiativen, Anti-Atomkraftgruppen, Ökologie-, bewußt als wichtigen Teil ihrer Geschichte begreift, Hausbesetzer- und Friedensbewegungen Gegen- viele vom Geheimdienst bereits „erkannte" wieder stand der Sammel- und Auswertungsaktivitäten des entdecken konnte. Verfassungsschutzes. Kaum jemand von denen, die sich politisch außerhalb der Parlamentsparteien Der Verfassungsschutz sammelt in nicht mehr zu betätigen wollte, konnte vor dem Interesse des überschauendem Ausmaß Informationen über poli- Geheimdienstes sicher sein. tische Gruppierungen oder Personen, die in den Augen der Regierung ein politisches „Sicherheitsri- siko" darstellen, ohne daß sie gegen Gesetze ver- 5. Darüber, wer alles ein Verfassungsfeind ist stoßen. Wie weit das Interesse des Bundesamtes für Verfas- sungsschutz bei der Sammlung und Speicherung 6. Wenn der Verfassungsschutz es meint, von Bürgerdaten in der Praxis inzwischen reicht, ist man ein Verfassungsfeind läßt sich dem — leider nicht öffentlich zugänglichen — Prüfungsbericht des Bundesdatenschutzbeauf- Die Ämter für Verfassungsschutz sammeln nicht tragten zu den Dateien der Abteilung III (Linksradi- nur mit fragwürdigen Methoden Informationen, die kalismus) des BfV entnehmen. zur geheimen Unterrichtung der Regierung und Den bereits veröffentlichten Indiskretionen aus die- deren politischer Lagebeurteilung dienen. Die Fest- sem Bericht (vgl. „Der Spiegel", 17.6.1985; „Stern", stellung, eine Gruppe oder Person sei bzw. äußere 18.12.1985) läßt sich ein ungefähres Bild darüber sich „verfassungsfeindlich", hat nicht nur informati- entnehmen, was alles inzwischen in den Dateien des ven Charakter. Diese Feinderklärung stellt viel- Verfassungsschutzes gespeichert ist: mehr eine administrative Entscheidung dar, die für die Betroffenen gravierende Folgen hat. Der amt- — Personen, die eine Veranstaltung zum Thema liche Stempel der Verfassungsfeindlichkeit kann „Solidarität mit dem chilenischen Volk" besucht nicht nur die Position von Gruppierungen in der hatten, sowie die Daten des Vaters eines der öffentlichen politischen Auseinandersetzung Besucher, dessen Auto für die Fahrt zum Ver- - beeinflussen. Er kann darüber hinaus dazu führen, sammlungsort benutzt worden war. daß die davon betroffenen Mitglieder einer Organi- sation erhebliche Eingriffe in ihre Grundrechte hin- — Daten von Rechtsanwälten, zu deren Mandanten nehmen müssen, indem sie zum Objekt geheimer Mitglieder des kommunistischen Bundes West- Observationen werden. Der von der sozialliberalen deutschland gehörten. Koalition eingeführte Radikalenerlaß hat mittels — Eine Vielzahl von Personen, die an Veranstaltun- der Klassifierung von Bürgern als „Extremisten" für gen gegen die Berufsverbote teilgenommen die Betroffenen schwere berufliche Nachteile haben. ergeben. — Daten eines Atomkraftgegners, der völlig legal Für die Entscheidung der Verfassungsschutzämter, eine Demonstration angemeldet hatte, die im Gruppen oder Personen aufgrund des Verdachtes übrigen friedlich verlief. der Verfassungsfeindlichkeit zum Beobachtungs- objekt zu machen, gibt es keine eindeutigen und — Angaben zu Gewerkschaftsfunktionären, die in überprüfbaren Kriterien. Verdacht standen, Ziel linksextremistischer Beeinflussungsversuche zu sein (bzw. sich sol- Eine praktikable normative Bestimmung dessen, chen Versuchen hingegeben zu haben). was „verfassungsfreindlich" sein soll, gibt es nicht. Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

Der Verweis auf „mangelnde Verfassungstreue" extremistischen Einflüssen innerhalb der Partei DIE oder auf „Aktivitäten, die gegen die freiheitlich-de- GRÜNEN schlicht deshalb den Bundestagsabgeord- mokratische Grundordnung gerichtet sind" ver- neten mit linksextremistischen Hintergrund zuge- deckt nur die Tatsache, daß die Bestimmung des schlagen, weil er in die Redaktionskommission der „Verfassungsfeindes" letztlich nach politischen Monatszeitschrift „Moderne Zeiten" gewählt wor- Opportunitätskriterien getroffen wird. den war. In der Redaktion „MOZ" wiederum sollen laut Verfassungsschutzbericht 1983 auch „füh- Die Beweisaufnahme zu den Anfragen PStS Spran- rende Funktionäre" der Ende 1979 vom KB abge- gers über Funktionsträger der Partei DIE GRÜNEN spaltenen und verfassungsfeindlich eingestuften lieferte hierzu treffliche Beispiele. Gruppe „Z" mitgearbeitet haben.

6.a. Verfassungsschutzarbeit ist: 7. Kriterien des Verfassungsschutzes für den Überwachung im Vorfeld des bereits Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit polizeilich überwachten Vorfeldes / Vor-Vorfeldüberwachung? Juristische Kriterien für eine Beurteilung dieser Der Verfassungsschutz lebt von der geborgten Legi- Frage fehlen (vgl. beispielsweise Schwagerl, S. 67 timität seiner Feinderklärung. In der öffentlichen ff.). Es verwundert deshalb auch nicht, wenn Bloch Diskussion wird diese von Politikern dargeboten als bei der Abfassung seines „Berichts über linksextre- Aussage über Gefahren, die dem Bürger, der Demo- mistische Einflüsse innerhalb der Partei Die Grü- kratie und nicht zuletzt dem Staat unmittelbar aus nen" eine rechtliche Subsumtion dieses Auftrages dem Handeln bestimmter Gruppen und Personen nicht vorgenommen hat und an anderer Stelle die drohen sollen. Bezugspunkte für seine Beurteilung mit den Worten umreißt: Bei den Bürgern herrscht vielfach der Irrglaube vor, „Für mich ist der Staat die Alma mater". der administrative Verfassungsschutz befasse sich (25/50) mit potentiellen Straftätern, vor denen der Staat und seine Einrichtungen zu sichern seien. In Wirk- Welche Kriterien ergeben sich aus dieser „Alma lichkeit eröffnet der Begriff des „Verfassungsfein- mater" Staat für die Bestimmung des Verfassungs- des" dem Geheimdienst ein Feld der Beobachtung feindes? im Vorfeld des bereits polizeilich überwachten Vor- Die Antworten, die der für die Beobachtung und feldes, in dem Gefahren für die öffentliche Sicher- heit und Ordnung begegnet werden soll. Analyse des Linksextremismus zuständige Abtei- lungsleiter des BW vor dem 2. Untersuchungsaus- Die Arbeit der Verfassungsschutzämter bezieht schuß gab, lassen Richtung und Willkür der admini- sich gerade nicht auf die Aufspürung solch konkre- strativen Bestimmung des „Verfassungsfeindes" ter, nachvollziehbarer Gefahren. Mit dem Begriff erahnen. Da für eine aktive Beteiligung an strafba- der Verfassungsfeindlichkeit wird ihnen vielmehr ren Handlungen, für die Teilnahme an ,,Bestrebun- ein Spielraum überlassen, „die Beobachtungstätig- gen" oder ähnlichem nicht der geringste Anhalts- keit im Vorfeld des Strafrechts und der Verwal- punkt existiert, gerät Bloch die Frage nach der tungsmaßnahmen abzudecken." (Schwagerl, Ver- Bestimmung der Verfassungsfeindlichkeit zur fassungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland, Frage nach einer extremistischen Gesinnung, nach S. 68). „linksextremistischen Äußerungen": Die ,,Erkennt- nisse" über diesen „Extremismus", die Bloch für „Erkenntnisse" des Geheimdienstes über linksex- seine Beweisführung heranzieht, sind deshalb tremistische Betätigungen oder verfassungsfeind- durchweg Hirngespinste, die sich vor allem um den liche Aktivitäten besagen demnach — wie der Leiter Begriff der Revolution ranken. der Abteilung III / Linksradikalismus des BfV Bloch vor dem Ausschuß darlegte — nicht mehr, als daß Bloch: - „Anhaltspunkte dafür vorliegen (müs- „Ich meine, wo der Linksextremismus sen), daß Anhaltspunkte dafür vorliegen beginnt, gibt es Revolutionsmodelle

... daß ... extremistische Bestrebungen unterschiedlicher Art" (25/114). verfolgt werden. Anhaltspunkte. Es Doch in einer Situation, in der sich die Revolutio- muß nicht nachgewiesen werden. näre schon lange von den alten Revolutionsmodel- Anhaltspunkte. Es muß nicht verbots- len verabschiedet haben, lassen sich mutmaßliche reif sein." (26/58) Extremisten auch nicht mehr mit dem Staats- und Bei der politischen Verwendung solcher Erkennt- Gesellschaftsmodell einer proletarischen Revolu- nisse verdichten sich die Anhaltspunkte dann recht tion unter Anleitung einer marxistisch-leninisti- schnell zu einer scheinbar eindeutigen Aussage. schen Partei und ihrem Ziel der Diktatur des Prole- tariats fassen. Der Verfassungsschutz ist so gezwun- So wurde etwa der Abgeordnete Schmidt — auf den gen, funktionale Äquivalente für die verlorenge- sich die zitierte Äußerung bezog — in dem von gangenen Ideologeme, wie zum Beispiel Revolu- Abteilungsleiter Bloch fabrizierten Papier zu links tion, einzuführen, um seine Extremismus-Ideologie Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584 und letztlich seine Existenzberechtigung insgesamt sche Aussage ein wenig nach links retten zu können. gerückt, aber die Revolution haben sie Bloch: noch nicht." (25/113) „Den einen geht es ja um das Versetzen, das Schaffen ... eines Patchwork of Minorities, lauter kleine Minderheiten, 8. Links oder nicht links — egal. Hauptsache: so daß der Staat über ihnen zerbröselt. Beobachten Das ist keine Revolution im klassischen Sinn, aber hier wird der demokratische Wenn es den vermeintlichen Extremisten trotz aller Staat nachher in lauter kleine autonome Mühen nur gelingt, im demokratischen Willensbil- anarchistische Einheiten aufgelöst." dungsprozeß nichts oder nur Unwesent liches zu (25/114) bewirken, so liegt eigentlich der Schluß nahe, den Verfassungsschutz, jedenfalls seine Abteilung Theoretisch könnten auf diese Weise sicherlich „Linksextremismus" und deren vielfältige Beobach- auch radikale Vertreter der Subsidiaritätstheorie in tungs- und Datensammlungstätigkeit, für überflüs- der katholischen Soziallehre dem Extremismusver- sig zu erklären. dacht anheimfallen, was deutlich macht, wie „zer- bröselt" und diffus die der Extremismusbestimmung Das aber darf nicht sein. Für 1987 wurden immerhin zugrunde liegenden staatsschützerischen Vorstel- 233 Millionen DM, der Haushaltsposten mit der lungen sind. Vor allem die gedankliche Ableitung größten Zuwachsrate neben der des Bundeskrimi- des Extremismus aus Äußerungen und Meinungen nalamtes, bewilligt. Nur so geraten Geheimdienst- beantwortet die zentrale Frage nicht, die sich der karrieren beim Verfassungsschutz nicht in Gefahr. Verfassungsschutz seinem eigenen Anspruch Der Verfassungsschutz selbst ist längst auf der gemäß eigentlich stellen müßte, nämlich welche Flucht nach vorn. Effektiver Verfassungsschutz gesellschaftlich relevanten „Bestrebungen gegen wird für nur machbar erklärt, wenn die Dienste sich die freiheitlich demokratische Grundordnung" von grundsätzlich die Beobachtung des gesamtes Pro- solch einem „Extremismus" heute noch ausgehen, zesses der politischen Willensbildung, sprich des ist doch eine Revolution nicht in Sicht. gesamten politischen Lebens mit der Begründung offenhalten, auch der kleinste „Linksrutsch" sei Die Antwort des bundesdeutschen Verfassungs- abzuklären und zu registrieren. schutzes dagegen ist einfach und durchsichtig. Sie entspricht ganz offensichtlich vor allem dem Bestre- Dies geht dann sogar so weit, daß der Verfassungs- ben des Geheimdienstes, seine Existenzberechti- schutz behauptet, beobachten und festhalten zu gung nicht in Frage stellen zu lassen und sein Betäti- müssen, daß kein, auch nicht der allerkleinste Links- gungsfeld möglichst noch auszudehnen. ruck bewirkt wurde. Auch wenn also nichts festzu- stellen ist, also „Extremisten" keinen Erfolg hatten, Die Gefahr für die „freiheitlich-demokratische stellt der Verfassungsschutz fest, daß nichts festzu- Grundordnung" soll sich nicht mehr aus den stellen ist und verfaßt hierzu Berichte. „Bestrebungen" selbst ergeben, sondern aus deren Einfluß auf andere Personen und auf Organisatio- So erklärt sich, warum Bloch als Zeuge vor dem Aus- nen, denen ein demokratischer Charakter zumin- schuß auf die Frage, wie das BfV dazu komme, DGB- dest zugebilligt wird. Aus dieser Antwort ergibt sich Konferenzen, Parteitage demokratischer Parteien eine entscheidende Aufgabenverschiebung des und Funktionsträger solcher Parteien zu beobach- Verfassungsschutzes: ten, zur Antwort gab: „Ich stelle nur fest, daß die Extremisten Nicht mehr die Linksextremisten erscheinen als das Erfolg gehabt haben, indem sie zwar eigentlich zu beobachtende Problem, sondern nicht alles, aber ein kleines Stück deren Einfluß auf andere politische Organisationen. Bloch: erreicht haben. Wenn es den Extremi- sten gelingt, bei einem Gewerkschafts- - „ ... Kein Linksextremist mit Ausnahme tag einen Beschluß zu verabschieden, einiger neuer linker studentischer Welt- der zwar nicht 100 Prozent ihres Vorha- revolutionäre, vor allem nicht die ortho- bens, sondern nur 80 Prozent ihres Vor- doxen Kommunisten, sind doch der habens enthält, dann kann ich doch Ansicht, daß sie die Leute jetzt sofort in sagen, daß sie 80 Prozent ihres Vorha- die extremistische Richtung schieben, bens verwirklicht haben. ... Die Erfolge sondern man macht die Salami-Taktik ... der linksextremistischen Aktivitäten sich Schrittchen für Schrittchen mit darf ich doch noch feststellen." (25/79) demokratischen Formen und demokra- tischen Bündnissen ganz allmählich in Und um dieses feststellen zu können, bedurfte es die Position schieben, in der man sie dann logischerweise eines umfassenden „diagnosti- haben will .... Die arbeiten, arbeiten, was schen" Blickes des Verfassungsschutzes: haben sie erreicht, haben sie schon die „Ich kann nicht etwas über kommunisti- Revolution? Nein — sage ich — aber sie sche Infiltration in den Gewerkschaften haben Teile der Personen und die politi aussagen, wenn ich nicht ungefähr eine Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

Vorstellung habe, wie eine Gewerk- So geschehen nach der Wende von der soziallibera- schaft organisiert ist, wie dort die Wil- len zur konservativ-liberalen Regierung. lensbildung ist, ob es überhaupt eine Willensbildung gibt. Ich kann ja nicht Jetzt kam es im BfV zu Loyalitätskonflikten: Sollte schreiben: 'Der Kreissekretär Mü ller sich das Bundesamt für Verfassungsschutz dafür schickt der DKP zum Bezirksparteitag hergeben, seinen früheren Herrn SPD oder Die Grü- ein Grußschreiben, das ist ein sensatio- nen zu bespitzeln und dem neuen Herrn CSU auszu- nelles Ereignis', wenn das eine völlig liefern? Dieser Konflikt spitzte sich natürlich in Per- unbedeutende und unverbindliche sonen zu, besonders in der Person des führenden Handlung ist. Ich kann nicht über eine Geheimdienstlers, Vizepräsident des BW und SPD- Gruppe sprechen — ich kann nicht Mitglied Pelny, der noch im Amt beschäftigt ist. einen Patienten behandeln, wenn ich „Pelny, der Vizepräsident", sagt Bloch als Zeuge vor nur — wie der orientalische Arzt — die dem Ausschuß, „ist heute der Kontaktmann. Er hat Dame hinter einem Vorhang sehe und mir sinngemäß gesagt, daß er der Vertreter der SPD mit der Hand fühlen muß, wo etwas ist. im Bundesamt sei." (25/57) Ich muß doch zumindest einmal einen Blick machen können, um zu wissen, So ist es wohl auch zu erklären, daß der Vizepräsi- was das für ein Organismus ist." (25/72) dent des BfV vor dem Ausschuß, für alle Uneinge- weihten und die Öffentlichkeit völlig überra- Der Verfassungsschutz sieht politische Meinungen schend, am 12. Dezember 1985 Regierung- und und Einstellungen, wenn er sie als „extremistisch" Regierungsparteiaufträge an den Geheimdienst klassifiziert hat, als Krankheit an, die es zu diagno- betreffend die demokratische Opposition (z.B. über stizieren und zu behandeln gilt. Funktionsträger der Partei Die Grünen) und Kurio- Bloch: sitäten wie den Berichtsauftrag von Staatssekretär „Man kann nicht nur Extremisten aus Spranger an das BW zu vermuteten geheimdienst- einem Bündnis herausschneiden und lichen Verwicklungen des Flick-Managers von sagen: hier. Das können Sie nicht Brauchitsch offenbart hat. machen. Sie können nicht ein Pfund Fleisch haben, ohne daß Blut fließt." Der Loyalitätskonflikt im Geheimdienst war damit (25/104) natürlich nicht gelöst, eher verschärft. Denn diese Lösung wäre ja zu Lasten der gegenwärtigen Regie- Weil die Dienste selbst mit immer mehr Personal rung und ihrer Leute im Geheimdienst gegangen. und sebst bei Arbeitsteilung zwischen den Verfas- Jetzt mußte der SPD am Zeug geflickt werden. Infor- sungsschutzämtern des Bundes und der Länder mationen über das Benutzen der Dienste durch beim besten Willen nicht ständig alles beobachten, Abgeordnete und Regierungsvertreter der SPD/ registrieren und speichern können, was sich poli- FDP-Koalition wurden von der CDU/CSU hervorge- tisch tut, wird das Spektrum, auf das sie ihre Beob- zerrt. achtungstätigkeit konzentrieren, im Wechselspiel mit den Regierungen von Bund und Ländern nach Erst fragten die Koalitionsabgeordneten im Aus- politischen Opportunitätskriterien dem „Bedarf" schuß aus Zeugen nur Andeutungen dahingehend angepaßt. heraus, daß die Auftragspraxis von Spranger nichts Außergewöhnliches und daß es auch unter SPD-Re- gierungen nicht anders gewesen sei. Der Zeuge Bloch wurde dann auf gezielte Fragen des CSU-Ob- 9. Verfassungsschutz im Dienste der jeweils mannes im Ausschuß, Fellner, deutlicher: Regierenden „Wir haben damals (1979) das Bundes- Regierungen bzw. die Parteien in Bund und Ländern kanzleramt unterrichtet, wir haben haben diese Aufgabenbestimmung für die Geheim- Staatssekretär Schoeler unterrichtet. dienste nicht nur hingenommen, sondern immer Wir haben einen umfangreichen bereitwilliger gefördert und für die Bereitstellung Bericht über sicherheitsgefährdende der notwendigen Etatmittel gesorgt. Sie haben näm- und linksextremistische Bestrebungen lich schon bald die staatliche Aufgabe ,,Extremis- beim Friedenskampf, bei der Umwelt- mus-Bekämpfung" als willkommenes Mittel zur schutzbewegung gemacht. Da wurden Machterhaltung entdeckt. Grüne, BBU und sowas geprüft — damals das Ausspähen von atomaren Stationie- Probleme gab es erst, wenn eine solche Benutzung rungsorten und was da lief.. Darüber der Dienste auf einmal nicht mehr möglich war, weil haben wir laufend berichtet. Wir haben aus dem Minister ein einfacher Oppositionspoliti- über die Haltung der Grünen zu Kern- ker und aus der Regierungspartei eine Oppositions- energiekraftwerken in der DDR berich- partei geworden war und dann die frühere Opposi- tet. Wir wurden auch einmal über die tion und neue Regierung sich ihrerseits den Haltung der Grünen zu Kernkraftwer- Geheimdienst zur Informationsbeschaffung über ken in Frankreich und ähnliches mehr Oppositionspolitiker aneignete. gefragt." (25/52) Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

Auch die Parteien hat das Bundesamt bereits unter tär Spranger an Abgeordnete seiner Partei mit des- der sozialliberalen Regierung bedient: sen Verpflichtung zu rechtfertigen, allen interes- Bloch: sierten Abgeordneten für ihren Kampf gegen die „Wir haben Abgeordneten personenbe- Verfassungsfeinde die dafür notwendigen Unterla- gen zugänglich zu machen. zogene Daten gegeben." (25/55) Bloch wurde noch deutlicher. Er erwähnte einen Politisches Streiten erfordert die offene Auseinan- Bericht des BfV an einen Abgeordneten der frühe- dersetzung mit dem politischen Gegner. Die im ren Koalition über Mitglieder der eigenen Partei sei- Namen des Verfassungsschutzes betriebene Politik nes Wahlkreises aus dem Jahre 1976. So blockierte aber zerstört demokratisches Leben. er jede weitere Aufklärung der früheren und heuti- gen Geheimdienstpraktiken, denn die SPD wollte Der Gegner wird einer amtlichen Feinderklärung nun plötzlich nicht mehr. Die Schotten wurden ausgesetzt, gegen die dieser sich kaum wehren dichtgemacht, der Geheimdienst konnte aufatmen. kann. Sie ist für ihn mit Nachteilen und Risiken — bis hin zu Berufsverboten im öffentlichen Dienst — ver- bunden. Diese Form der „geistig-politischen Ausein- 10. Verfassungsfeindlichkeit: Kampfbegriff andersetzung" zerstört die politische Entfaltung der der Regierung Bürger, sie setzt auf deren Einpassung als Wähler in eine von den Parteien dominierte und manipulierte Willensbildung. Wird eine Organisation durch die Ämter als ,,verfas- sungsfeindlich" eingestuft, hat dies für die betroffe- Dagegen ist im Grundgesetz die Möglichkeit, in die nen Mitglieder gravierende Folgen. Die Festlegung offene politische Auseinandersetzung und freie einer Gruppe (oder Person) als Beobachtungsobjekt Willensbildung einzugreifen, auf einige eng bedeutet, daß nun mit Hilfe nachrichtendienst- begrenzte Fälle beschränkt. Nur dem Bundesverfas- licher Mittel — Observation, Einsatz von V-Leuten sungsgericht wurde die Kompetenz zugesprochen, etc. — alle Aktivitäten dieses „Objekts" systema- in einem rechtsstaatlichen Verfahren nach einge- tisch ausgeforscht werden können. hender Prüfung möglicher Verbotsgründe, eine sol- che Partei als verfassungsfeindlich einzustufen und Diese Entscheidung, die für Geheimdienste und gegebenenfalls zu verbieten. Betroffene zentrale Bedeutung hat, wird in einem formalen Abstimmungsverfahren zwischen den Die vom Verfassungsschutz benutzte Qualifizie- Landesämtern und dem Bundesamt getroffen. Den rung von Gruppen oder Personen als ,,verfassungs- Diensten bleiben zwar unabhängig hiervon noch feindlich" stellt ein von jedermann beliebig ver- genügend Möglichkeiten, „Einzelerkenntnisse" zu wendbares Werturteil dar, einen politischen sammeln und zu speichern oder mit dem Argument, Kampfbegriff. Theoretisch beanspruchen die es müßten linksextremistische Einflüsse auf Organi- Regierung und die sie stützenden Parteien hierbei sationen/Personen beobachtet werden, Einblicke jedoch als neutrale, dem politischen Tagesgeschäft in deren Tun zu gewinnen. Doch immerhin kommt enthobene Hüter der Verfassung zu handeln. Als in dem formalisierten bürokratischen Verfahren Maßnahme zum Schutz der freiheitlich-demokrati- zur Bestimmung des Verfassungsfeindes als „Beob- schen Grundordnung erhält die zunächst nur als achtungsobjekt" noch zum Ausdruck, daß es sich parteiliches Werturteil im politischen Tageskampf hierbei um eine Entscheidung von weitreichender abgegebene Erklärung der Verfassungsfeindlich- Bedeutung für Geheimdienst wie auch Betroffene keit eine „höhere Weihe". handelt. Dort, wo der Begriff des „Verfassungsfeindes" In der Praxis entpuppt sich die dauernde Berufung jedoch Außenwirkung entfaltet — in der öffent- auf den Konsens aller streitbaren Demokraten nicht etwa als Versuch, die Demokratie vor der Revolu- lichen, politischen Auseinandersetzung — bleibt - die Qualität dieses Begriffes unberücksichtigt. Die tion und sonstigen Systemveränderern zu schützen, Feinderklärung wird zu einem bloßen amtlichen sondern die Regierung vor der Opposition und den Werturteil, das zu verbreiten die Regierung und die Widerstand insbesondere von außerparlamentari- sie stützenden Parteien als Teil ihrer „politischen schen Gruppen. Ein parteipolitischen Interessen- Verantwortung" sogar verpflichtet sein können — und Machterhaltungskalkülen der Regierung ent- so jedenfalls das Bundesverfassungsgericht in sei- hobener Verfassungsschutz, wie dies die Parteiver- nem Radikalen-Urteil. (BVerfGE 39, 334) treter bei der Einrichtung des Bundesamtes für Ver- fassungsschutz verlangt hatten, erweist sich als Fik- In diesem Sinne versuchten im 2. Untersuchungs- tion. Verfassungsschutz und die dafür geschaffenen ausschuß auch die Abgeordneten der CDU/CSU die Ämter waren immer schon Instrumente des Macht- Weitergabe von Informationen über Abgeordnete erhalts für jeweilige Regierungen und Parlaments- und Funktionsträger der Grünen durch Staatssekre koalitionen. Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

11. Verfassungsschutz: Wahlkampfhelfer auch geheimes Nachrichtenmaterial gegen Oppositionsparteien zur Verfügung steht. Der Meinungs- kampf vollzieht sich dann in voller In den 50er Jahren ging es Adenauer, nachdem Unordnung. Die gleiche Ebene ist ver- seine Regierung den Antrag auf Verbot der poli- lassen. Das Forum der Auseinanderset- tisch bereits zuvor bedeutungslos gewordenen KPD zung teilt sich in ein öffentliches und ein gestellt hatte, vor allem darum, die Politik der Wie- verstecktes, ein oberirdisches und ein deraufrüstung und Westintegration durchzusetzen, unterirdisches, eines von vorn und eines indem alle anderen politischen Positionen dem Ver- von hinten... Das alles sind klare Schritte dacht der Kollaboration mit den „größten Feinden von der Demokratie weg." (2. DB, 42. Sit- der Demokratie" ausgesetzt wurden. Die soziallibe- zung, 16.9.1954, S. 1973) rale Koalition schien zunächst einzulenken und Der Sozialdemokrat Menzel, der nur solange, wie Ende der 60er Jahre mit Rücksicht auf die geplante seine Partei noch damit rechnen konnte, selbst die neue Ostpolitik nichts gegen die Gründung einer Macht zu übernehmen, zu den Verfechtern eines Deutschen Kommunistischen Partei unternehmen mit weiten Kompetenzen ausgestatteten Geheim- zu wollen. Als jedoch in Universitäten, Schulen und dienstes gehörte, schlug später genaue Richtlinien in Bürgerinitiativen damit ernstgemacht wurde, für die Arbeit der Ämter vor. mehr Demokratie zu wagen, als dies den technokra- Menzel: tischen Reformern in Bürokratie und Regierung lieb war, sollte ein rigide praktizierter Radikalenerlaß ,,... Begriffsfestlegungen für das Sam- für Stabilisierung sorgen. meln und Auswerten des Materials; Garantierung des rechtlichen Gehörs Der Versuch der derzeitigen Regierung, die Partei der Betroffenen, um jedes 'Anschwär- DIE GRÜNEN und große Teile der Protestbewegung zen' zu verhüten; Festlegung und in die verfassungsfeindliche Ecke zu drücken, zielt Begrenzung der Auskunftsberechti- vor allem darauf ab, sozialliberale und sozialdemo- gung und -pflicht. Auskünfte dürfen nur kratische Wähler mit dem Schreckgespenst einer bestimmte Dienststellen verlangen, rot-grünen Koalition ins konservative Lager zu wobei nicht jeder Minister an sich schon treiben. dazu berechtigt ist." (Zitiert nach „Die Freiheit", 15.04.1955). Immer war der Verfassungsschutz maßgeblich daran beteiligt, wenn es galt, solche Ziele zu ver- Der angesichts der noch lebendigen Erinnerung an wirklichen. die geheime Staatspolizei der Nationalsozialisten schon 1954 sichtbare Mißbrauch des Verfassungs- Bei Adenauer zur Kommunistenhatz, bei den Sozial- schutzes hat dazu geführt, daß auf der Innenmini- liberalen zur Ausgrenzung der sogenannten Radi- sterkonferenz in München im Jahre 1954 sogar die kalen, bei den Konservativen zur Denunziation von Abschaffung der Verfassungsschutzämter erwogen Grünen als „Chaoten" und „Extremisten". wurde. (Vgl. auch 2. DB., 37. Sitzung, S. 1726, So mußten schon Abgeordnete des 2. Deutschen 08.07.1954). Bundestages feststellen, daß die Regierung Ade- Die schon so früh von allen Parteien erhobene For- nauer mit den „Erkenntnissen" des Bundesamtes derung nach einem streng rechtsstaatlich verfah- Wahlkampfpolitik betrieb. (Vgl. Menzel, Schmidt renden, in seinen Aufgaben eng begrenzten Staats- (SPD), Bucher (FDP), (2. D. B., 37. Sitzung, 8. Juli schutz sind ohne Wirkung geblieben. In der Folge- 1954).) zeit bildete sich dagegen ein symbiotisches Verhält- Einen der Betroffenen, Reinhold Maier (FDP) hat nis zwischen den Verfassungsschutzämtern und dies zu der Feststellung veranlaßt, der Verfassungs- den Regierungen in Bund und Ländern und den sie schutz dürfe tragenden Parteien heraus. „kein Tummelplatz für einen ränkeschmiedenden Staatssekretär" sein. (Gemeint war damals der 12. Verfassungsschutz: Auch gegen Partei- berüchtigte Globke im Bundeskanzleramt). freunde Der Abgeordnete Maier stellte die Forderung auf: Die Erkenntnisse des Geheimdienstes wurden zur ,,... die Ergebnisse der Ämter sind Unter- zentralen Quelle der Fraktions- und Parteispitzen lagen für die Strafverfolgung von politi- über unsichere Kandidaten in den eigenen Reihen. schen oder anderen Verbrechen und In Berlin soll nach Angaben des damaligen FDP-Vor- Vergehen und die Verfassungswidrig- sitzenden sogar eine regelrechte keit von Organisationen ...; sie haben Absprache bestanden haben, Personen, die sich um nur an die hierfür zuständigen Exekuti- eine Aufnahme in eine der drei demokratischen vorgane und sonst an niemand zu Parteien bemühten, auf „Sicherheitsrisiken" hin zu gehen. ... ein Grundprinzip der Demo- überprüfen. (Spiegel, 28.07.1969). kratie wird über den Haufen geworfen, So hatte etwa 1971 in Berlin der damalige Leiter des wenn einem Teil neben dem offenen Landesamtes für Verfassungsschutz einem Bezirks- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584 stadtrat der SPD „Erkenntnisse" zukommen lassen, Einzige Voraussetzung, es nützt der Regierung und nach denen der Bürgermeister — ebenfalls Genosse den sie tragenden Parteien. — ein „Sicherheitsrisiko" darstellte. (Spiegel, So konnte Staatssekretär Spranger Berichte des BW 29.03.1971). für seinen Parteifreund Todenhöfer anfordern (zu Auch vom früheren Innensenator Klose aus Ham- Funktionsträgern der Partei Die Grünen) oder für burg wird berichtet, er habe den linksliberalen FDP- den Parteifreund Dr. Dregger (Schily-Papier). Auch Abgeordneten Weber als Sicherheitsrisiko zu dis- der Ministerialbeamte und Zeuge Mensing konnte kreditieren versucht. (Spiegel, 09.09.1974). Der das BW bemühen (Nachrückerpapier). Ebenso der ehemalige bayerische Innenminister Seidl gab ver- Bürovorsteher Dr. Dreggers. trauliche Informationen des Verfassungsschutzes über zwei Fernsehjournalisten an einen Partei- Die politische Bedeutung, die „Erkenntnisse" der freund weiter, dessen frühere Tätigkeit als NSDAP- Ämter für Verfassungsschutz für die Regierungs- Kreisleiter Aufmerksamkeit erregte. (Süddeutsche parteien hatten und haben, führt zwangsläufig Zeitung, 09.11.1979). Ein Fall, bei dem die Koopera- dazu, daß diese zentrale Schaltstellen in den tion in beispielhafter Form deutlich wird, stellt auch Geheimdiensten mit Personen ihres Vertrauens die Weitergabe von Daten des BfV an den SPD-Ab- besetzen. Die Existenz regelrechter parteipoliti- geordneten Jahn (Marburg) im Jahre 1976 dar. scher Fraktionierungen — sogenannter Freundes- kreise — innerhalb des Bundesamtes und ein reger „Nach sorgfältiger Prüfung" erinnerte sich der Vor- Kontakt der jeweiligen „Vertrauensleute der Par- sitzende des 2. Untersuchungsausschusses Jahn an teien" in den Ämtern mit den Spitzen der Fraktio- zwei Vorgänge: Zum einen habe er im Jahre 1976 nen ist aus den 60er und 70er Jahren bekannt. (van den damaligen Präsidenten des Bundesamtes Bergh, Köln 4713) gefragt, „ob er Erkenntnisse über die Herkunft der augenscheinlich ungewöhnlich hohen finanziellen Nach der Erinnerung des Zeugen Bloch wurde in Mittel habe, die der DKP in Marburg für ihre politi- „alten Zeiten" (25/157) einem Fraktionsmitarbeiter sche Arbeit zur Verfügung stehen müßten." sogar ein Büro im Bundesamt für Verfassungsschutz zur Verfügung gestellt, um ihm die Arbeit vor Ort Zum anderen habe er im Oktober 1976 „eine Mittei- zu erleichtern. Noch vor 10 Jahren soll ein SPD-An- lung des Bundesamtes erhalten, in der allgemein gestellter namens Tronsdorf im BW ständig präsent über die politische Tätigkeit ausgeschlossener und gewesen sein. (26/83) ausgetretener ehemaliger Mitglieder der SPD berichtet wurde." (Erklärung des Vorsitzenden vom Nachdem in der Ära der sozialliberalen Koalition im 15.05.1986). Bundesamt um Einfluß und Stellen mehr oder weni- ger öffentlich gekämpft worden war, versuchte der Offensichtlich dienten die „Erkenntnisse" des BfV im September 1975 zum Präsidenten des Amtes über die politische Tätigkeit später ausgeschlosse- bestellte Richard Meier zwar die Devise auszuge- ner und ausgetretener Mitglieder der SPD dazu, den ben, daß „für parteipolitische Leidenschaften bei Konflikt im Stadtverband Marburg zugunsten des der Behandlung der Materie in diesem Amt kein von Jahn geführten rechten Flügels der SPD zu ent- Raum mehr sein darf". (Antrittsrede Richard Meier, scheiden. zitiert nach von Bergh, Köln 4713, S. 414) Der Stadtverband hatte sich für die Bildung eines Die enge Verbindung zur regierungstragenden Par- SPD/FDP-Bündnisses auf Kreis- und Stadtebene ent- tei und Fraktion blieb trotzdem ein Essential der schieden, das auf die Tolerierung der DKP angewie- Arbeit des Bundesamtes, ja sie wurde sogar noch sen war. Der Nordhessische Bezirksverband ver- intensiver. Dazu erinnerte sich Bloch auf Fragen des suchte dagegen unter Führung von Jahn mit allen CSU-Abgeordneten Fellner vor dem Ausschuß: Mitteln — bis hin zur Auflösung des Stadtverbandes „Der Präsident Meier hatte mit Abge- — eine große Koalition mit der von Wallmann ordneten Kontakt unterhalten und hat geführten CDU durchzusetzen. damals, insbesondere zum Fraktions- Der Machtkampf endete — mit Unterstützung des vorsitzenden Wehner, hat er natürlich BfV? — schließlich mit dem Ausschluß von vier SPD- Informationen gegeben. Er hat sich vor- Mitgliedern und einer Bereinigung der Situation im her die Informationen geben lassen. Wir Sinne Jahns. haben den Abgeordneten personenbe- zogene Informationen gegeben. Das ist (Vgl. Dokumentation: Parteiausschlüsse in Mar- zeitweise sogar aus dem Ruder gelaufen, burg, Dezember 1976, hrsg. vom sozialistischen denn daraufhin kam der berühmte Arbeitskreis der JUSO-AG Marburg) Unterrichtserlaß ..." (25/55 f). Richard Meier hatte in seiner Antrittsrede als Präsi- 13. Verfassungsschutz: Kostenlose Selbstbe- dent des Bundesamtes 1975 gefordert: dienung für CDU/CSU-Bundestagsab- geordnete „Eine Entwicklungsbedingung des modernen Staates ... die Bildung des Inzwischen kann sich anscheinend fast jeder vom Fachbeamtentums, muß gerade in die- Bundesamt für Verfassungsschutz bedienen lassen. sem Bereich der Staatsverwaltung ihren Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

deutlichen Ausdruck finden. Zu sehr unpräzise und deckten sich nicht mit eignen sich viele Sachverhalte, wenn sie unseren Erkenntnissen. Dadurch ent- in die falschen Hände kommen, zum standen Probleme und eben dadurch, schnellen Mißbrauch und zur falschen daß er wesentliche Bereiche in vielen Anwendung." Jahren nicht bearbeitet hatte, die unsere Effizienz erheblich beeinträch- Doch angesichts des Machterhaltungsinteresses tigten ... der jeweiligen Regierungen sind die Chancen, einen Geheimdienst zu schaffen, der nur professio- ... wenn er sich in der Sache nicht so nell und neutral mit Distanz zu den ,.staatstragen- stark fühlte, dann wurde das ausgegli- den Parteien" arbeitet, gleich Null. chen durch knackige Begründungen, knackige Formulierungen, komperative Die Untersuchungen des 2. Untersuchungsaus- Superlative. ... schusses, insbesondere die Aussagen des Zeugen Bloch, haben erneut belegt, wie eng die Verflech- ... es gab gelegentlich Anlässe, wo wir tungen von Geheimdienst und Regierung ein- Informationen geben mußten an PKK schließlich der Regierungsparteien immer waren (Parlamentarische Kontrollkommission, und sind. Beispiele aus der Vergangenheit gibt es der Verfasser des Sondervotums) an noch viele. Beispiele aus der Gegenwart und Praxis Politiker, ans BMI und wir hatten nichts. unter der jetzigen Regierung sind nicht nur die Dann hat er vorgeschlagen, wir sagen Berichtsaufträge über Spranger zur Friedensbewe- dieses oder jenes. Dann ist ihm vorgehal- gung, zu den Funktionsträgern der Partei Die Grü- ten worden, aber das können wir gar nen, zum Abgeordneten Schily oder zum Auftreten nicht beweisen, dafür haben wir keine von SPD-Politikern auf Veranstaltungen mit DKP- Erkenntnis. Dann hat er gesagt: Aber Beteiligung. wer kann uns das beweisen... Herr Hellenbroich hat Probleme zwi- schen Gruppenleitern geschaffen. Er 14. Camarilla-Politik Zimmermanns: Günst- versprach dem einen Gruppenleiter den linge in die leitenden Stellen des Amtes Posten des anderen. Er hielt sein Ver- sprechen aber nicht. Aber der andere Gleich nach seinem Amtsantritt hievte Zimmer- erfuhr davon. Ich hatte zwei frustrierte mann das CDU-Mitglied Hellenbroich auf den Präsi- Gruppenleiter ... Das hätte kein Oberin- dentensessel des Amtes. Kurze Zeit später folgte die spektor durchgehen lassen ..." (24/7 ff, Ernennung seines Vertrauten aus langjähriger 92) Fraktionsarbeit Dr. Rombach zum Chef der Abtei- Soweit der Zimmermann-Vertraute im BfV über sei- lung „Spionageabwehr". nen ehemaligen Vorgesetzten, über den Bundesin- Schließlich setzte er auf Drängen des bayerischen nenminister Dr. Zimmermann noch im November Ministerpräsidenten dessen Vertrauten aus der 1985 vor dem Innenausschuß gesagt hatte: bayerischen Staatskanzlei Pfahls als neuen Bundes- „Bei der Auswahl des Präsidenten des amtspräsidenten ein, nachdem Hellenbroich zum BfV habe ich einen Mann gewählt, der Bundesnachrichtendienst nach München überge- sich im Amt über lange Zeit bewährt wechselt war. hatte und allgemein hohes Ansehen Die eigenen Leute wurden dermaßen rigoros und genoß." (74/37) rücksichtslos in die führenden Positionen des Bun- desamtes gedrückt, daß aus der Behörde ein Intri- genstadl zu werden schien. 15. Verfassungsschutz — streitbarer Staat Präsident Hellenbroich antichambrierte bei Staats- oder streitbare Demokraten sekretär Kroppenstedt im Bundesinnenministe- rium, um den Zimmermann-Vertrauten aus der Lei- Der unter der Flagge der „streitbaren Demokratie" tung der Spionage-Abteilung Dr. Rombach, wieder betriebene Verfassungsschutz schwächt demokra- loszuwerden. Dr. Rombach revanchierte sich als tische Ansätze in der Bundesrepublik. Verfassungs- Zeuge vor dem Ausschuß nach Kräften und zog in schutz aktiviert die Bürger nicht, sondern entmutigt langen Tiraden über seinen früheren Präsidenten sie, sich politisch zu engagieren. Zu Recht betont her: das Bundesverfassungsgericht (Volkszählungsur- „Die Version von Herrn Hellenbroich ist teil vom 15.12.1983): falsch ... die absurden Behauptungen ,,... wer unsicher ist, ob abweichende über meine Qualifikation sind falsch. Verhaltensweisen gespeichert, verwen- Die Zusammenarbeit hat viel stärker det oder weitergegeben werden, wird darunter gelitten, daß der Präsident sehr versuchen, nicht durch solche Verhal- häufig in meine Abteilung hineinre- tensweisen aufzufallen. Wer damit gierte, daß er Entscheidungen ohne rechnet, daß etwa die Teilnahme an Detailkenntnisse traf bzw. sie waren so einer Versammlung oder eine Bürgerin- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

itiative behördlich registriert wird und „Idealfall". Es sind vielmehr die ,,Verfassungs- daß dadurch Risiken entstehen können, feinde", die diesen Fall künstlich produzieren, um wird möglicherweise auf eine Ausübung ihrer — im übrigen auch nach dem SRP und KPD-Ur- seiner Grundrechte aus Art. 8, 9 GG ver- teil des Bundesverfassungsgericht durchaus zulässi- zichten. Dies würde nicht nur die indivi- gen — Kritik an den bestehenden Formen repräsen- duellen Entfaltungschancen des einzel- tativ-demokratischer Willensbildung Nachdruck zu nen beeinträchtigen, sondern auch das verleihen. Viele Mitglieder und Wähler der Partei Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung DIE GRÜNEN haben sich in der Vergangenheit dem eine elementare Funktionsbedingung Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit ausgesetzt eines auf Handlungs- und Entwicklungs- gesehen. Sie haben hieraus jedoch nicht den Schluß fähigkeit seiner Bürger begründeten gezogen, sich aus der öffentlich-politischen Diskus- freiheitlich-demokratischen Gemein- sion und Auseinandersetzung herausdrängen zu wesens ist." lassen. Gerade aus ihren speziellen Erfahrungen Die Praxis des BfV spricht diesen Grundsätzen Hohn sind sie besonders sensibel für das Wirken der und ist mit ihnen unvereinbar. Demokratie meint Geheimdienste und streiten öffentlich für ein ande- weitreichende grundrechtliche Freiheiten und poli- res, freiheitliches und soziales Demokratie- und tische Teilhaberechte. Verfassungsverständnis. Dies bedeutet, daß es vor- Im Gegensatz dazu werden Bürgerinnen und Bür- nehmste Aufgabe auch der Parteien sein muß, den ger, die die Rechte grundsätzlicher und radikaler Bürger zum politischen Engagement zu ermutigen Kritik an den Mechanismen repräsentativ-parla- und nach neuen Möglichkeiten für eine erweiterte mentarischer Willensbildung und den sich als politische Teilhabe der Bürger Ausschau zu halten. Eigentümer des Staates aufspielenden Parteien „Die Lebenskraft der Verfassung wahrnehmen, zu Verfassungsfeinden erklärt und (beruht) auf Zustimmung und freier entsprechend behandelt. Wenn die staatstragenden Aktualisierung, nicht auf Verboten und Parteien in dieser Weise die Regeln erlaubter politi- Zwangsmaßnahmen ..." (K. , scher Betätigung festsetzen, verkümmert Demokra- Grundzüge des Verfassungsrechts, S. tie zu einer staatlichen Veranstaltung. 258) Der administrative Verfassungsschutz trägt zu 16. Verfassungsschutz -- Gefahr für die einem solchen Schutz der grundrechtlichen Freihei- Demokratie ten und Formen demokratischer Willensbildung nicht bei. Ganz im Gegenteil. Die sich hinter dem Die Interessen des Staates werden mit den eigenen Begriff Verfassungsschutz verbergenden Geheim- und denen der eigenen Partei gleichgesetzt. Der dienste des Bundes und der Länder können einzelne Staat sind wir; mit unserer Ideologie interpretieren Bürger und politischen Organisationen ausgrenzen wir die Verfassung verbindlich. und illegalisieren. Nicht verhindern kann der Ver- fassungsschutz jedoch, daß Teile der Bevölkerung Nicht das in der Flick-Parteispendenaffäre öffent- antidemokratische Parolen und Ideologien zu den lich bekannt gewordene Verhalten der Regierungs- Leitvorstellungen ihres politischen Handelns und Parteispitzen soll rechtswidrig sein und machen. Otto Kirchheimer, der aus Deutschland beschäftigt die Phantasie des Parlamentarischen emigrieren mußte und einer der klarsichtigsten Staatssekretärs Spranger. Verdächtig machen sich Beobachter der Weimarer Republik war, hat das vielmehr diejenigen, die die verborgenen Struktu- Dilemma des Verfassungsschutzes pointiert formu- ren politischer Korruption in der Bundesrepublik liert: Deutschland freilegen und der Offentlichkeit „Das Schicksal der gesetzlichen Unter- zugänglich machen. drückung von Gegnern ist in einer Aber nicht etwa nur bei einem einfältigen Staatsse- demokratischen Gesellschaft bis zum kretär, sondern auch bei dem zuständigen Leiter der Grotesken paradox. Kann sie nach Abteilung Linksradikalismus gerät Kritik an den menschlichem Ermessen zum Ziel füh- schwerwiegenden Mangeln des Bonner Parteien- ren, so ist sie in der Regel unnötig; ist sie staates schnell zum Indiz der Verfassungsfeindlich- aber angesichts einer ernsten Bedro- keit. So begründet Bloch die ..Verfassungsfeindlich- hung der demokratischen Einrichtun- keit" der radikal basisdemokratischen Vorstellun- gen angezeigt, so ist ihr Nutzen zumeist gen eines ..Graswurzel-Revolutionärs" unter ande- begrenzt und sie birgt dann die Keime rem damit, daß dieser von der parlamentarischen neuer, womöglich größerer Gefahren Arbeit der GRÜNEN für die Demokratie in sich." (Kirchhei- ,,... im Idealfall ein anschauliches und mer, Politische Justiz, S. 256 f) erschreckendes Beispiel für die autoritä- Die Untersuchungen des Ausschusses ren Strukturen des formal-demokrati- haben gezeigt, das diese Erkenntnis schen Parlamentarismus" Kirchheimers heute noch genauso rich- erwarte. (25/65) Nicht die Regierung und die sie tig ist wie 1954, als sogar die Innenmini- stützenden Parteien bieten nach dieser Logik den sterkonferenz die Abschaffung des Bun- Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

desamtes für Verfassungschutz erwo- pierten, demokratischen Gesellschaft erschwert, ja gen hatte. sogar verhindert. Es kann danach nicht mehr nur darum Dieser Geheimdienst ist nicht mehr zu sanieren. gehen, bestimmte Organisationen wie Für die Aufklärung konkreter Normverstöße etwa etwa die Friedens- und Ökologiebewe- im Bereich der Spionage, also gegen Bestimmungen gung, Parteien, wie die GRÜNEN, oder des Strafgesetzbuches, braucht es keinen Geheim- Einzelpersonen, wie Abgeordnete der dienst. Darum kümmern sich andere staatliche Insti- GRÜNEN oder DGB-Vorständler, von tutionen wie z.B. Staatsanwaltschaft und Kriminal- der Beobachtung, Überwachung und polizei. Datenspeicherung durch die Geheim- 1950 hatte der Abgeordnete v. Merkatz (DP) in der dienste in der Bundesrepublik auszuspa- Bundestagsdebatte anläßlich der Einführung des ren, aber andere dem weiter ausgesetzt Verfassungsschutzes vor der „Gefahr" gewarnt, zu lassen. Der administrative Verfas- „daß die Institution nicht zu einer sungsschutz ist selbst überflüssig. Schnüffelstelle ersten Ranges und daß die Informationen im parteipolitischen Konkurrenzkampf ausgenutzt werden!" (65/2392) 17. Verfassungsschutz: Überflüssig wie ein Genau das ist eingetreten. Der Verfassungsschutz Kropf ist die oberste Schnüffelbehörde der Republik geworden. Einzig zu ziehende Konsequenz daraus Nicht der „Extremismus", nicht „extremistische" ist: Auflösung dieses Bundesamtes für Verfassungs- oder radikale Äußerungen und Meinungen sind die schutz. Entwicklung, Erhaltung, Ausbau und Schutz Krankheit, die nach der Behauptung des Geheim- freiheitlicher, sozialer und demokratischer Ord- dienstdirektors Bloch die Gesellschaft und die Bür- nung ist Sache der Bürgerinnen und Bürger. Nur ger bedroht und die deshalb diagnostiziert und ent- immer mehr streitbare Demokraten können mehr fernt werden muß, sondern das Bundesamt selbst ist Sicherheit für eine demokratische Verfassungsord- die Krankheit, die die Entwicklung zu einer emanzi nung garantieren.

III. Die Grenzen der Beweiserhebung im 2. Untersuchungsausschuß

Es gibt es noch, dieses Bundesamt für Verfassungs- September 1950 eingerichteten Untersuchungsaus- schutz. Es wird sogar bald ein neues, größeres schüssen betrafen 6 direkt oder mittelbar den modernes Haus beziehen. Diese Realität macht es Geheimdienst. daher unvermeidlich, das Beweisergebnis auch an Die Ergebnisse dieser Untersuchungsausschüsse den eingegrenzten Untersuchungsaufträgen des waren mager. Ausschusses zu messen. Die immanente Wertung ergibt folgendes: Die Regierungs- und Oppositionsparteien hatten zu keiner Zeit Interesse an einer grundsätzlichen und umfassenden Kritik am Verfassungsschutz. Affären haben den Schein von Geheimdiensten als „Befreundet auf dem gemeinsamen Boden eines rechtsstaatlich arbeitenden effizienten Behörden, Staatsinteresses" wie 1972 mit in denen eine Elite loyaler Beamter vom Schutze des Rückgriff auf Karl Jaspers formulierte, (die Opposi- Staates und der freiheitlich-demokratischen Grund- tion in der modernen Demokratie, hrsg. von Rudolf- ordnung unermüdlich wirken, zerrissen. Schnabel, Stuttgart 1970, S. 60) wird trotz aller Kri- Es wurde in der Öffentlichkeit plötzlich eine tik der Opposition an „Mißbräuchen" und „Fehlern" Geheimdienstwirklichkeit sichtbar, die sonst von der Regierung die Praxis der Geheimdienstarbeit in den Diensten ebenso wie von den zur Kontrolle den Untersuchungsverfahren eher legitimiert als berufenen parlamentarischen Gremien sorgsam kritisch hinterfragt. verdeckt wird. Das Fehlen rechtsstaatlicher Ein- Das gemeinsame Wissen um die Leichen im Keller wendungen und wirksamer Kontrolle der Dienste des anderen läßt eine offensive Haltung gegenüber durch die Regierung wurde unübersehbar. Die der Exekutive nicht zu. gesetzlich vorgesehene parlamentarische Kon- In der Verfahrensweise des Untersuchungsaus- trolle der Dienste findet nicht statt. schusses spiegelte sich dieses deutlich wieder. Die Die Liste der Affären um das Bundesamt ist deshalb Beweisaufnahme wurde derart weitreichenden zugleich eine Liste von Untersuchungsausschüssen Beschränkungen unterworfen, daß eine umfas- des Deutschen Bundestages. Von den 19 seit Grün- sende Klärung der im Untersuchungsauftrag dung des Bundesamtes für Verfassungsschutz im gestellten Fragen nicht möglich war. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

1. Schadensfeststellung unter andauerndem „auch die Tatsache, daß bestimmte Geheimnisvorbehalt Dinge aus Geheimakten in den Zeitun- gen gestanden haben, uns nicht dazu Die von der Exekutive dem Ausschuß Anfang legitimieren, diese ... in öffentlicher Sit- November überlassenen Unterlagen zum Fall zung in Fragen zu wiederholen." (Dr. Tiedge, auch der am 05.11.1985 den Obleuten der Göhner, CDU/CSU, 6/115) Fraktionen übersandte Bericht der vom Bundesmi- nister des Innern eingesetzten Sonderarbeits- gruppe, der beteiligten Bundesministerien und 2. Quick weiß mehr als der Untersuchungs- Nachrichtendienste über den Fall Tiedge, enthalten ausschuß keine konkreten Hinweise auf dessen wirkliche Tätigkeit. Im Anschluß an diese Kontroverse in der 6. Sitzung des Ausschusses vom 05.12.1985 bemühte sich die Diese aber war — nach Aussagen des damaligen Prä- CDU/CSU in Presseverlautbarungen nicht nur, den sidenten Hellenbroich — maßgebend für die Ent- Eindruck zu verbreiten, der Ausschuß schade den scheidung der Amtsspitze, Tiedge im Amt zu belas- Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik. Einzelne sen, als dessen Alkoholabhängigkeit bekannt Vertreter dieser Partei versuchten dem Vertreter wurde. der GRÜNEN anzulasten, daß in der BILD-Zeitung Folgt man der Argumentation des damaligen Amts- und der Illustrierten Quick die Verhaftung eines chefs, dann waren die Aktivitäten und Operatio- Agenten-Ehepaares in der DDR, das für das Bundes- nen, an denen der damalige Gruppenleiter im BW amt für Verfassungsschutz gearbeitet haben sollte, mitwirkte, von einer solch herausragenden Bedeu- gemeldet wurde. tung, daß trotz aller vorhandener Sicherheitsbeden- Danach habe es sich — so Quick — bei der von ken ein Verbleib Tiedges auf seinem Posten riskiert Tiedge betreuten Operation um das Führen eines werden mußte. Ehepaares von Doppelagenten gehandelt, die für Hält man diese Risikoabwägung für schlüssig — was das Ministerium für Staatssicherheit in Ost-Berlin von Bundesminister Dr. Zimmermann noch im Sep- gearbeitet haben, gleichzeitig aber für das Bundes- tember 1985 vor dem Innenausschuß (74/65) mit amt für Verfassungsschutz aus dem inneren Kreis den Worten kommentiert wurde: der SED-Führung um den Staatsratsvorsitzenden Honecker berichteten (Quick, 17.12.1985). „Ich habe durchaus Verständnis für die Güterabwägung, die Hellenbroich vor- Das sei es gewesen, was Hellenbroich bewogen genommen und die er ja öffentlich breit habe, Tiedge im Amt zu belassen, und was Tiedge dargestellt hat" nach seinem Übertritt verraten habe. — dann wäre die Entscheidung Hellenbroichs nicht Eine genaue Auswertung der Akten ergab jedoch, zu beanstanden. Der Fall war dann unter den gege- daß die Informationen über Tiedges Operation gar benen Bedingungen nicht anders zu lösen. nicht aus den Akten stammen konnten, die dem Ausschuß vorlagen. Den Presseverlautbarungen Hält man aber — wie dies der Leiter der Abteilung war vielmehr zu entnehmen, daß diese Informatio- Spionagreabwehr im BfV, Dr. Rombach, als Zeuge nen dem Teil eines Berichtes entstammen mußten, aussagte (24/44, 140 ff) — den Hinweis auf die der dem Ausschuß — obwohl für dessen Arbeit besonders gewichtigen Operationen nun für eine unerläßlich — vorenthalten wurde. Ausflucht, mit der Hellenbroich seine eigene Fehl- entscheidung zu vertuschen sucht, so stellt sich In seiner Befragung vor dem Ausschuß bestätigte nicht nur die Frage nach der Verantwortlichkeit des der derzeitige Präsident des Bundesamtes Pfahls ehemaligen Präsidenten Hellenbroich, sondern dann auch die Existenz eines solchen weiteren Scha- auch die nach der des Ministers Zimmermann. densfeststellungsberichtes des BW und die Tatsa- che der Verhaftung des Agentenpärchens. - Der Vertreter der GRÜNEN im Untersuchungsaus- schuß war deshalb von Anfang an darum bemüht, Die CDU/CSU-Vertreter im Ausschuß versuchten über die Aktivitäten Tiedges, die letztlich zu seinem den Beschluß auf Beiziehung dieses Berichtsteiles Verblieb im Amt geführt haben, Näheres in Erfah zu verhindern, der dann jedoch mit den Stimmen rung zu bringen, indem Zeugen zu diesem Komplex der SPD und der GRÜNEN durchgesetzt wurde. detailliert befragt wurden. Unter Berufung auf eine „Gefährdung des Wohles Die CDU/CSU versuchte dies mit dem scheinheili- der Bundesrepublik Deutschland und von Einzel- gen Argument zu unterbinden, hierdurch sollten personen" weigerte sich die Bundesregierung, dem „operative Details" zum Schaden der Bundesrepu- Verlangen des Ausschusses nachzukommen. Wei- blik ausgeforscht werden. Selbst der Vorhalt öffent- tere Begründung: In diesen Aufzeichnungen seien lich zugänglicher Pressemeldungen aus Quick, auch „keine weitergehenden Erkenntnisse" für die Stern und Spiegel über die Hintergründe des Falles Erfüllung des Untersuchungsauftrages enthalten. Tiedge und die von ihm betreuten Operationen, die (Schreiben des Staatssekretärs Neusel vom allesamt dem Ausschuß nicht vorlagen, wurden mit 14.05.1986, 10/41) Der Staatssekretär teilte mit, der Begründung beanstandet, daß daß lediglich dem Ausschußvorsitzenden (SPD) und Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode dessen Stellvertreter (CDU) die Einsichtnahme in nur noch aus dem Vorsitzenden und seinem Stell- diesen Berichtsteil gewährt werde. vertreter zu bestehen. Die Ausschußvertreter von CDU/CSU, FDP und Minderheitsfraktionen sollen (gestützt auf die Ent- SPD schlossen sich diesem Vorschlag gegen die scheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Stimme der GRÜNEN sofort an. Die zu Kontrol- 14.01.1986) von den parlamentarischen Kontroll- lierenden waren damit wieder unter sich und a lles gremien der Geheimdienste ausgeschlossen blei- weitere war schnell erledigt. ben. Das im 2. Untersuchungsausschuß angewandte Der Ausschußvorsitzende Jahn (SPD) und sein Stell- Verfahren führt dazu, daß Abgeordnete, die der vertreter Dr. Olderog (CSU) nahmen Einblick in den Regierung nicht genehm sind, überall dort, wo die Bericht und stellten fest — wen wundert's —, daß Exekutive Sicherheitsbedenken vorschützt, von den für eine wirksame Untersuchungsarbeit not- „keine zusätzlichen Erkenntnisse ... für wendigen Informationen abgeschnitten werden die Erfüllung des Untersuchungsauftra- (wiederum unter Berufung auf die Entscheidung des ges zu gewinnen seien" (28/4). Bundesverfassungsgerichts 67, 138). Ganz schnell erklärte die große Ausschußmehrheit Die Exekutive bestimmt das Beweiserhebungsver- den Beweisbeschluß damit für erledigt. So einfach fahren. ist das! Im 2. Untersuchungsausschuß wurde die Absurdität Die Feststellungen der Ausschußvorsitzenden sind der Argumentation mit Sicherheitsbedenken fraglich, eher unrichtig. Die in der Presse aufge- besonders deutlich. Was den Abgeordneten unse- tauchten diversen Informationssplitter aus diesem res Parlaments vorenthalten wurde, hatte Tiedge Bericht belegen, daß dieser zusätzliche Informatio- dem DDR-Geheimdienst längst verraten. Was die nen über die Beurteilung der zwischen Hellenbro- östlichen Dienste wissen durften, muß vor bundes- ich und Dr. Rombach strittigen Frage der Bedeutung deutschen Parlamentariern offensichtlich geheim- der von Tiedge betreuten Operationen enthält. gehalten werden. Die Gegenüberstellung von Rombach und Hellen- So wurde klar, daß das Argument der „Geheimhal- broich vor dem Ausschuß machte deutlich, daß tungsbedürftigkeit" des Schadenfeststellungsbe- diese sich über die Bedeutung des Agentenpaares richtes vor allem dazu diente, den zu untersuchen- nicht einig waren. den Vorgang und das Ausmaß der durch Tiedge Die Prüfung dieser Frage war jedoch dringend gebo- angerichteten „Schäden" zu verschleiern. ten, denn der Ausschuß sollte klären, in welchem Maße durch Vorgänge in der Abteilung IV / Spio- nageabwehr „Sicherheitsinteressen der Bundesre- publik Deutschland beeinträchtigt worden (sind)" 4. Der Versuch, die Amtsführung Zimmer- (Einsetzungsbeschluß). Dies wurde jedoch durch manns weitgehend rauszuhalten das praktizierte Verfahren verhindert. Bei der Verabschiedung des 1. Beweisbeschlusses Nur wenn jedes Ausschußmitglied den Schadenfest- bestand noch Einigkeit darüber, daß auch die Frage stellungsbericht daraufhin hätte überprüfen kön- nach der politischen Verantwortung Minister Zim- nen, ob dieser für den Sachzusammenhang wichtige mermanns für das Bundesamt als Ganzes Gegen- Informationen enthält, hätte ein Urteil über die stand der Untersuchung sein sollte (Drs. 10/2). Bedeutung des Berichtes gefällt werden können. Die Vorsitzenden Jahn und Olderog bestätigten, In der Befragung des Staatssekretärs Neusel nah- daß der Bericht einschlägige Informationen zum men die Probleme der Zusammenarbeit des Ministe- Thema des Untersuchungsauschuß enthalte, die riums und des BW sowie die Handhabung der aber nichts „zusätzliches" darstellen würden. Dienst- und Fachaufsicht breiten Raum ein (5/10 ff). Hierzu ist festzustellen, daß die Einsichtnahme Der Konsens über den Untersuchungsauftrag zer- eines SPD und eines CDU-Ausschußmitgliedes in brach, als der Vizepräsident des BW Pelny auf Fra- den Bericht die Einsichtnahme des GRÜNEN-Aus- gen des Vorsitzenden Jahn nach der Zusammenar- schußmitgliedes nicht zu ersetzen vermag. beit des Ministeriums mit dem Bundesamt die rege Auftragsarbeit des Verfassungsschutzes für Staats- sekretär Spranger andeutete. Verwirrt hatte der 3. Abgeordnete 1. und 2. Klasse Obmann der CDU/CSU Fellner die Befragung des Zeugen Pelny zunächst fortgesetzt. Das angewandte Verfahren verhöhnt die parlamen- In der nächsten Ausschußsitzung, die der Fortset- tarische Kontrolle. Es schafft zwei Kategorien von zung der Befragung des Zeugen Pelny dienen sollte, Abgeordneten. Abgeordnete die der Regierung verhinderte dann Fellners Partei gemeinsam mit der genehm sind, dürfen kontrollieren und Akten einse- FDP die weitere Vernehmung Pelnys zu dieser hen. Abgeordnete die der Regierung nicht genehm Frage, Eine Befragung von Zeugen zu den Vorgän- sind, dürfen dies nicht. Diese „In-Camera-Kontrolle" gen um Spranger sei durch den Untersuchungsauf- durch die. Ausschußvorsitzenden läßt Untersu- trag, innerhalb dessen nur die Dienst- und Fachauf- chungsausschüsse zur Farce werden. Hiernach sicht in bezug auf die konkreten Spionagefälle zur bräuchten zukünftige Untersuchungsausschüsse Debatte stehe, nicht gedeckt. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

Das, was der CSU-Abgeordnete Fellner über Stun- stischen Einflüssen innerhalb der Partei der GRÜ- den fragen und vom Zeugen Pelny beantworten las- NEN" (10/19). sen durfte, war plötzlich, als die Oppositionspar- teien mit Fragen dran waren, unzulässig, weil vom Zu den Anfragen über den Bundestagsabgeordne- Untersuchungsauftrag angeblich nicht gedeckt. ten Schily wurde nur ein Antwortschreiben Hellen- broichs an Spranger zur Verfügung gestellt. Eine Strategie der Regierungskoalitionen, wie der unerwünschte Einblick in die tatsächlichen Ver- Die Übersendung des Berichts über die Nachrücker hältnisse des Verfassungsschutzes, der durch die der Fraktion die GRÜNEN im Bundestag und die Aussage Pelnys offenbar geworden war, wieder dazugehörige Korrespondenz wurde mit der versteckt werden konnte, war offensichtlich noch Begründung verweigert „weil dieser Bericht ... nicht nicht gefunden. von PStS Spranger angefordert wurde, und weil die- ser Bericht auch nicht vom BMI Dritten zugänglich Erst nach einem Ergänzungsbeschluß zum Auftrag gemacht wurde" (Schreiben des Staatssekretärs des Untersuchungsausschusses durch den Deut- Neusel vom 28.1.1986, 10/19). schen Bundestag konnte die Befragung zu den Auf- Der Bundesinnenminister behauptete, nur die trägen Staatssekretär Sprangers fortgesetzt Berichte, die bewiesenermaßen von Spranger in werden. Auftrag gegeben worden waren, dürften Gegen- Die Vertreter von CDU/CSU im Ausschuß konnten stand der Untersuchung sein. Er bestritt die Exi- eine Untersuchung der Aufträge Sprangers an den stenz weiterer für die Untersuchung wichtiger Verfassungsschutz zwar nicht verhindern; aber die Unterlagen. Weitere Erkenntnisse konnte der Aus- Behandlung dieser Frage um gut zwei Monate ver- schuß also nur aus der Befragung von Zeugen zögern. Dies war die Zeit, die die Regierungspar- gewinnen. Erst am 18. Mai 1986 gelang es — 5 teien benötigten, um den durch die Aussage Pelnys Monate nach der ersten Befragung Pelnys und mehr entstandenen „Schaden" zu beseitigen und weitere als 6 Wochen nach der Vernehmung der Zeugen solcher Löcher vorsorglich zu stopfen. Kowalski und Dr. Mensing — die für die Aufklärung der Aufträge Sprangers Verfassungsschutz wichti- gen dienstlichen Erklärungen von Spranger, 5. Behinderung des Untersuchungsausschus- Kowalski und Dr. Mensing zu erhalten. ses durch verzögerte und selektive Heraus- Zugleich teilte Staatssekretär Neusel mit, gabe der Akten „daß die in Verfolgung der Durchfüh- rung des 7. Beweisbeschlusses vorge- Schon nach der Vernehmung des Vizepräsidenten nommene Aktendurchsicht bisher Pelny am 13.12.1985 war für die Regierung und des keine weiteren Vorgänge erbracht hat, Bundesinnenministerium (BMI) absehbar, daß die die den Kriterien des Beweisbeschlusses Praktiken Sprangers Gegenstand weiterer Erörte- entsprechen" (10/31). rungen dieses — oder aber eines weiteren — Unter- Während der Ausschuß mit diversen Berichten suchungsausschusses sein würden. über Desinformationskampagnen des Ostens und Die Versuche Sprangers, sich möglicher Zeugen zu kommunistische Frontorganisationen großzügig versichern, — wie im Falle Dr. Mensing und beliefert wurde, verweigerte die Regierung weiter- Kowalski — zahlreiche dienstliche Erklärungen hin die Herausgabe von Unterlagen, die für die Auf- (Spranger, Kowalski, Mensing) und die nachträgli- klärung der Rolle Sprangers gegenüber dem BW che Absicherung bereits getroffener Entscheidun- von Bedeutung sind. Erst angesichts einer ganzen gen (die Bitte um die formelle Aufhebung des VS- Serie von Einzelbeweisanträgen, mit denen in den Vermerks durch Staatssekretär Neusel) in den Zeugenbefragungen erwähnte Unterlagen konkret Wochen nach der Vernehmung, sind eindeutige benannt wurden (14. Beweisbeschluß vom Indizien dafür, daß auch die BMI-Spitze mit einer sol- 18.4.1986, 10/32; 15.-21. Beweisbeschluß vom chen Untersuchung rechnete. 24.4.1986, 10/33 ff.) sah sich das Ministerium- gezwungen, weitere Akten herauszugeben. Die innerbürokratische Aufarbeitung der Aktivitä- ten Sprangers im Innenministerium und im Verfas- Dies fiel ihm nicht mehr schwer, da die Beweisauf- sungsschutz führte nicht dazu, daß die Bundesregie- nahme — abgesehen von den noch ausstehenden rung — nach der Erweiterung des Untersuchungs- Vernehmungen Sprangers und Zimmermanns — auftrages vom 24. Januar 1986 — dem Ausschuß die abgeschlossen war (10/47). Akten zügig und vollständig zur Verfügung stellte. Übergeben wurde nur das Material, dessen Existenz zuvor im Zuge von Zeugenbefragungen bekannt 6. Von Spranger zu Jahn — der Versuch, das geworden war. eigentliche Problem nicht zum Thema zu So beschränkte sich die erste Lieferung des BMI machen vom 29.2.1986 auf die Übersendung der von Vize- präsident Pelny bereits erwähnten Vermerke über Die Fraktion DIE GRÜNEN war von Anfang an der Aufträge Sprangers und des dem Abgeordneten Überzeugung, daß im Mittelpunkt der Untersu Todenhöfer übersandten Papiers zu ,,linksextremi chung der Aktivitäten des BW die aus der Struktur Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

und der Funktionsweise des Geheimdienstes resul- der daraufhin erteilten Antworten oder tierenden Mängel, Rechtsbrüche und Skandale ste- Berichte seit 1970" hen müßten und eben nicht nur die Frage nach der beizuziehen (Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN individuellen Verantwortung einzelner Politiker vom 14.5.1986). für konkret bekannt gewordene Skandalfälle. Ziel der SPD war es, ausschließlich nach der politi- Die Vertreter von CDU/CSU, FDP und SPD lehnten jedoch unisono ab. Die SPD wollte verhindern, daß schen Verantwortung Bundesinnenminister Dr. Zimmermanns zu fragen. Die Praktiken des BfV soll- ihre eigene frühere Benutzung von Geheimdienst- ten aus dem Verfahren soweit wie möglich ausge- quellen zu parteipolitischen Zwecken zum Thema des Untersuchungsausschusses gemacht würde. Die klammert werden. Daher hat die SPD in ihrem Ergänzungsantrag die Aufgabenstellung des Unter- CDU/CSU benutzte den Fall Jahn nur dazu, Erwei- terungen der Beweiserhebung im Fall Spranger vor- suchungsausschusses nur um die Frage nach der zubeugen und einen schnellen Abbruch der Unter- politischen Verantwortung des Ministers für die suchung herbeizuführen. Anforderung und Weitergabe der konkret bekannt gewordenen Berichte über Politiker und Parlamen- tarier erweitert (Drs. 10/4661). 7. Vorzeitiger Abbruch der Beweisaufnahme

Der Erweiterungsantrag der SPD hatte zum Ziel, zu verhindern, daß das heute wie früher selbstver- Der Stand der Ermittlungen des Ausschusses am 5. ständliche Benutzen der Geheimdienste für die poli- Juni 1986 rechtfertigt in keiner Weise den Abbruch tischen Zwecke der Regierung oder der Parteien der Beweisaufnahme. Die zweite Vernehmung des aufgeklärt wird. Leiters der Spionageabwehr, Dr. Rombach, und des- Der Verteidigungsstrategie der CDU/CSU im Aus- sen Gegenüberstellung mit Hellenbroich hatte zwei schuß ist es zu verdanken, daß wenigstens andeu- entgegengesetzte Aussagen zu den Ereignissen in tungsweise die Praxis des Bundesamtes im Untersu- der Abteilung V zu Tage gefördert: chungsausschuß noch zur Sprache kam. Entweder war — folgt man den Aussagen Dr. Rom-

bachs — mit Hellenbroich ein Beamter Präsident des In dem Maße, wie die Aktivitäten Sprangers klarer erkennbar wurden und einer heftigeren öffent- Bundesamtes für Verfassungsschutz geworden, lichen Kritik ausgesetzt waren, versuchten die Ver- dem dazu alle notwendigen Führungsqualitäten abgingen. Oder aber der Minister hatte in Rombach treter der CDU/CSU im Ausschuß, die Anfragen einen Mann zum Leiter der Abteilung Spionageab- Sprangers zu einem völlig normalen Vorgang zu wehr gemacht, der in diesem Amt überfordert war erklären. Jede Regierung müsse nach Meinung der CDU/CSU die geistig-politische Auseinanderset- und zu Intrigantentum neigt. zung mit dem Extremismus organisieren. Folgerichtig wollte die Fraktion DIE GRÜNEN des-

halb mit Antrag vom 28.5.1986 geklärt wissen: Als Beleg hierfür wurde einzelnen Journalisten die Information gesteckt, sogar der Ausschußvorsit- —Ob Bundesminister Dr. Zimmermann einen Präsi- zende Jahn (SPD) habe sich früher aus Quellen des denten im Amt belassen hatte, der nach Aussa-

Verfassungsschutzes für seine Auseinandersetzun- gen des Leiters der Abteilung IV sich über Jahre gen mit politischen Gegnern munitionieren lassen hinweg schwere Fehler hat zuschulden kommen (Vgl. FR, 19.6.84). lassen, welche die „Effektivität des Amtes erheb-

lich beeinträchtigen" (so Rombach, 24/7) Die Behauptung der CDU/CSU, das Vorgehen Sprangers sei vor dem Hintergrund der Praxis frühe- —Oder aber Dr. Zimmermann gegen den ausdrück- rer Regierungen zu beurteilen, ist einleuchtend. lichen Wunsch der Amtsleitung dem Bundesamt Das Verlangen des Vertreters der GRÜNEN im Aus- einen Leiter der Abteilung Spionageabwehr schuß, die früheren Anfragen von Regierungsver- oktroyiert hatte, dem hierfür die fachlichen und tretern und Parlamentariern — die nach Kenntnis persönlichen Voraussetzungen fehlten? informierter Journalisten im BfV sogar in getrenn- Der Antrag wurde im Ausschuß ohne jede Debatte ten Aktenordnern aufbewahrt werden — in die abgelehnt. Untersuchungen einzubeziehen, war deshalb ebenso einleuchtend. DIE GRÜNEN stellten daher Den Vertretern von CDU/CSU ging es nur noch den Antrag: darum, die SPD zum Abbruch der Beweisaufnahme zu zwingen. Der auf Vorrat gestellte und gleich ver- alle„... schriftlichen Anfragen, Ver- abschiedete CDU/CSU-Antrag, den Zeugen Bloch merke oder Berichte über mündliche noch einmal ergänzend zur Affäre Jahn zu hören, Anfragen von Abgeordneten des Bun- war das Instrument hierzu. destages an den Verfassungsschutz über

Angehörige und Funktionsträger von in Für den Fall jedoch, daß die SPD nach der Verneh- den bundesdeutschen Parlamenten ver- mung Sprangers und Zimmermanns keine weiteren

tretenen Parteien oder von anderen Anträge stellen würde, wurde ihr der Verzicht auf

demokratischen Organisationen wie die Durchführung der soeben erst beschlossenen

Kirchen oder Gewerkschaften sowie Vernehmung des Zeugen Bloch in Aussicht gestellt. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

Fragen, die nach dem Willen von SPD und CDU/ Abteilung IV des BfV im Zusammenhang mit dem CSU dem Ausschuß ursprünglich zur Klärung vor- Fall Tiedge und über den daraus resultierenden gelegt worden waren, mußten so zwangsläufig Schaden können wegen der verhinderten Beweis- unbeantwortet bleiben. aufnahme daher nicht oder nur sehr unvollkommen Schlußfolgerungen über die Vorkommnisse in der gezogen werden.

IV. Die Berichtsaufträge des PStS Sprangers

1. Nicht der Minister, sondern PStS Spranger Vernehmung 19.6.1986: Spranger bestreitet, der bestimmt Auftraggeber gewesen zu sein (29/12). Seinen Sinneswandel erklärt Spranger mit der Aus- Dr. Zimmermann erklärte vor dem Ausschuß, daß sage Dr. Mensings, des ehemaligen Leiters des Refe- für den reibungslosen Dienstbetrieb und die kor- rats „Analysen und geistig-politische Auseinander- rekte Aufgabenerfüllung im BW der Präsident die- setzungen im Bereich der inneren Sicherheit". ses Amtes und nicht er zuständig sei. Dr. Mensing sagte aus, die Anfrage an das BfV sei Er selbst habe sich nur bei wenigen Anlässen mit von ihm eigenständig im Rahmen seiner Referatstä- dem Verfassungsschutz befaßt. So habe er z.B. mit tigkeit gestellt worden. Er habe sich deshalb auch Hellenbroich ein Gespräch über den Konflikt zwi- Ende Dezember — als „ich aus der Presse entnom- schen Hellenbroich und Spranger um den Verfas- men hatte, ... ich hätte dem Präsidenten Hellenbro- sungsschutzbericht, die kritischen Äußerungen des ich im Auftrage von PStS Spranger den Auftrag BW-Präsidenten über seinen Minister und die man- erteilt" — an das Ministerium gewandt und die gelnden Erfolge der Spionageabwehr geführt. Sache richtiggestellt (20/139). Staatssekretär Spranger hingegen entwickelte eine Gegen die Darstellung des Zeugen spricht, daß den eigenständige Verfassungsschutzpolitik. Presseberichten zu der Sitzung des Untersuchungs- ausschusses vom 13.12. kein Hinweis auf seine Per- Er besuchte das Bundesamt für Verfassungsschutz, son bzw. das Referat IS 7 zu entnehmen ist. Dies sprach mit allen Abteilungsleitern und dem Perso- begründet den Verdacht, daß Dr. Mensing zu seiner nalrat im Oktober 1983, bat Dr. Rombach zumindest Aussage veranlaßt wurde. Für die rechtliche und zweimal zum Vortrag über Probleme der Spionage- politische Beurteilung des Auftrages ist die Frage, abwehr und erteilte schließlich von sich aus Bericht- wer letztendlich das Bundesamt beauftragt hat, saufträge an das Amt, von denen sechs im 2. Unter- nebensächlich. suchungsausschuß zur Sprache kamen. Entscheidend ist, ob die im BfV erhobenen Nicht der Minister, sondern Staatssekretär Spran- „Erkenntnisse" über einzelne Personen zu jedem ger vertrat die Politik der Regierung in Verfassungs- beliebigen politischen oder sonstigen Zweck, von schutzangelegenheiten gegenüber dem Bundes- Regierungsvertretern und Beamten des Bundesin- amt. Seinen Aktivitäten ist das Verständnis von nenminnisteriums angefordert werden dürfen. „Verfassungsschutz" der derzeitigen Regierung zu Minister Zimmermann scheint hiervon auszuge- entnehmen. hen. Er billigte die vorgebliche Anfrage Dr. Men- sings an das Amt ohne Abstriche (30/150). Die generalklauselhaften Formulierungen des 2. Bericht über angebliche verfassungsfeind- Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und liche Vergangenheit und Aktivitäten GRÜ- der Länder in Angelegenheiten des Verfassungs- NER Nachrücker schutzes (BVerfSchG) bieten den Beamten der Abteilung I S und den Vertretern der Regierung 2.1. Die Auftraggeber genügend Möglichkeiten zum „Zwecke des Verfas- sungsschutzes" Erkenntnisse des Geheimdienstes Es ließ sich nicht klären, wer den Bericht über die über einzelne Personen und Personengruppen — Nachrücker der GRÜNEN, der am 22. März 1985 an wie z.B. über die Nachrücker der Fraktion DIE GRÜ- Spranger übersandt wurde, förmlich in Auftrag NEN im Bundestag — abzurufen. gegeben hat. Selbst wenn man davon ausgeht, eine solche Anfrage bewege sich noch im Rahmen des Aufga- Alle Indizien sprechen dafür, daß Spranger den Auf- benspektrums des Bundesverfassungsschutzgeset- trag selbst erteilt hat. zes, dürfte nach den allgemeinen Verwaltungs- Dienstliche Erklärung Sprangers vom 18. Juli 1985: grundsätzen eine solche Anfrage nur dann erfol- Spranger geht davon aus, daß er selbst diesen gen, wenn diese sachlich und nach den Grundsätzen Bericht veranlaßt hat. der Verhältnismäßigkeit zu rechtfertigen ist. Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

Unter diesen Gesichtspunkten ist die zweite vom stratur des Hauses — wie sonst üblich — noch der Bundesministerium des Innern angebotene Ver- Fachabteilung I S zugeleitet (Bericht des Geheim- sion, Dr. Mensing sei der Auftraggeber des Nach- schutzbeauftragten des BMI, vom 22. Juli 1985, rückerberichts gewesen, noch fragwürdiger als die A.-drs. 10/47). zunächst angebotene. Spranger hat in seiner Vernehmung auf die Frage, Die Version Auftraggeber Mensing" bedeutet: ob er konkrete Angaben darüber machen könne, Jeder einfache Referent kann von sich aus und nur, wie die in dem BfV-Vermerk vom 22.3.85 enthalte- weil er sich „analytisch" und „geistig-politisch" mit nen Informationen an die „Bild-Zeitung' gelangt dem Extremismus auseinandersetzen wi ll, die im seien, mit „Nein" geantwortet. BfV vorhandenen Erkenntnisse über bestimmte Fest steht jedoch, daß Spranger nicht nur vor dem Personengruppen anfordern. Billigt man — wie Untersuchungsausschuß, sondern auch gegenüber Minister Zimmermann — den Beamten des Bundes- dem Geheimschutzbeauftragten eine Klärung des ministeriums solche weitreichenden Möglichkeiten strittigen Sachverhalts verhindert hat. Auf die sie- zu, erscheint es letztendlich gleichgültig, wer im ben Fragen des Geheimschutzbeauftragten hat einzelnen Aufträge erteilt. Spranger dreimal mit „nicht bekannt" und einmal Konsequenterweise hat deshalb Spranger es auch mit „das ist mir nicht mehr erinnerlich" geantwor- nicht für wert befunden, nachzufragen, als er am 22. tet. Diese Weigerung verstärkt den Verdacht, daß März 1985 in einem persönlichen Anschreiben des Spranger für die Weitergabe letztlich verantwort- BW-Präsidenten „wie erbeten" die gewünschte Auf- lich war. Andere vom BW zusammengestellter stellung über Erkenntnisse des BfV über Nachrük- „Erkenntnisse" über „Funktionsträger der Partei ker der GRÜNEN erhielt (A-drs. 10/47). DIE GRÜNEN, die in linksextremistischen Zusam- menhängen tätig waren", hat er weitergeben las- Bei einer strikten Auslegung des Bundesverfas- sen. Spranger war es, der persönlich die vom BfV- sungsschutzgesetzes hätte die Amtsleitung das Präsidenten Hellenbroich vorgenommene VS-NfD- Ansinnen Sprangers oder aber Dr. Mensings mit der Einstufung des Berichtes aufgehoben und den BMI- Begründung zurückweisen müssen, es sei nicht Auf- Pressesprecher Kowalski beauftragt hatte, dieses gabe des Bundesamtes, ungesichtete und desparate Papier seinem Parteifreund, dem Abgeordneten „Erkenntnisse" über einzelne Personen zu nicht Todenhöfer „zur persönlichen Unterrichtung" näher bestimmten Zwecken weiterzureichen. zuzuleiten. Statt dessen hat das Bundesamt unter dem irrefüh- Die Tatsache, daß der Bericht unmittelbar vor der renden Titel „Linksextremistische Einflüsse auf die Veröffentlichung in der „Bild-Zeitung" auch dem Partei der GRÜNEN" über zehn Nachrücker gesam- Minister selbst vorgelegen hatte, deutet darauf hin, melte Informationen Spranger zugeleitet. Dabei daß es sich um die gezielte Veröffentlichung einer wurde nicht unterschieden, ob es sich um die „Mit- Verschlußsache durch die politische Leitung des unterzeichnerin eines Aufrufes für eine Konferenz Bundesinnenministeriums gehandelt hat. zum Thema Berufsverbote ..." oder aber um die frü- here Zugehörigkeit zu einer vom Bundesamt als ver- fassungsfeindlich eingestuften Organisation han- delte. 3. Der Bericht „zu linksextremistischen Ein- flüssen innerhalb der Partei DIE GRÜNEN" und die Aufstellung über „Funktionsträger 2.2. Verwertung der Partei DIE GRÜNEN, die in linksextremi- stischen Zusammenschlüssen tätig Am 22.3.1985 erhielt Spranger den Bericht über die waren" Nachrücker. Am 10.4.1985 verfügte er: Herrn Dr. Butz — Refe- 3.1. Die Auftraggeber rent im Pressereferat — mit der Bitte um Kenntnis- nahme und Rücksprache sofort. Dieser zeichnete Am 5. Dezember 1984 erbat Spranger in einem am gleichen Tage ab. Gespräch mit Hellenbroich „mündlich einen offenen Bericht über Am 17.4. ordnete Spranger an, den Bericht dem beim BfV vorhandene Erkenntnisse von Minister vorzulegen. extremistischen Hintergründen, Ein- Am 18. oder 23.4. zeichnete Zimmermann den Vor- flüssen und Bestrebungen in Vergan- gang ohne Datumsangabe ab. genheit und Gegenwart bei den 'GRÜ- NEN' und ihren Funktionsträgern. Der Am 20.4. erschienen wesentliche Teile des Berichts Bericht sollte beim BfV vorhandene in der „Bild-Zeitung". offene Erkenntnisse von Zitaten von Am 24.4. schließlich verfügte Spranger, nachdem er 'GRÜNEN' aus früheren Publikationen zunächst ein ursprünglich auf den 19.4. lautendes und Flugblättern sowie offene Erkennt- Datum abgeändert hatte, das „Weglegen" des nisse über terroristisch-kriminelle Berichts. Der Bericht wurde zuvor weder der Regi- Delikte berücksichtigen. Dabei wies ich Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

ausführlich darauf hin, daß dieser offene „nicht in diesem trockenen Behördendeutsch" Bericht für den Bundestagsabgeordne- geschriebenes Pamphlet, das mit dem Hintergrund- ten Dr. Todenhöfer bestimmt sei, der wissen des Geheimdienstes seine vorgefaßte politi- mich kurz zuvor mündlich um entspre- sche Einschätzung über die Partei DIE GRÜNEN chende Auskünfte gebeten hatte." abstützen konnte. (Dienstliche Erklärung PStS Spranger, 15.1.1986, S.- Drs. 10/31). Dieser Auftrag wurde von der Amtsleitung als 3.2. Die Ausführung Zumutung empfunden (8/44 f, 82 f, Hellenbroich spricht von Gefahr des Mißbrauchs, 17/156). Der Amtsleitung bereitete die Ausführung des Auf- Aufgabe des Verfassungsschutzes sei es nach § 3 trages zwar Unbehagen, weil sie die „Gefahr des Abs. 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes viel- Mißbrauches" sah (Hellenbroich, 17/156). Doch mehr, Auskünfte, Nachrichten und sonstige Unter- schließlich wurde der Auftrag an den Leiter der lagen über Bestrebungen, die gegen die freiheitlich Abteiltung „Linksradikalismus", Bloch, weiterge- demokratische Grundordnung gerichtet seien, zu geben. sammeln, nicht aber „extremistische" Einstellungen In der Auseinandersetzung um die Erstellung dieses und Äußerungen von Personen zu sammeln und zu Berichts im BW brach der bereits in der Debatte zwi- verbreiten. schen Spranger und Hellenbroich deutlich gewor- Ansonsten nämlich hätte sich der Verfassungs- dene Konflikt über die Einschätzung der Partei DIE schutz um das gesamte Spektrum öffentlicher Dis- GRÜNEN wieder auf. kussionen zu kümmern. Extremistische Äußerun- Für den Leiter der Abteilung Linksradikalismus, gen von Politikern wie z.B. Sprangers oder des Bloch, sind es bloße Opportunitätsüberlegungen, Obmannes der CDU/CSU-Fraktion im Untersu- die gegen eine Festlegung der Partei DIE GRÜNEN chungsausschuß Fellner (Antisemitismus) müßten als ein „Beobachtungsobjekt" des Verfassungs- dann auch vom Verfassungsschutz gesammelt und schutzes sprechen (25/89 ff, 26/48 ff). ausgewertet werden. Zu einer solchen Festlegung bedürfe es zwar kon- Sprangers Anfrage zielte von vornherein auf einen kreter Hinweise für eine vermutete Verfassungs- Bericht ab, in dem anhand von „Erkenntnissen von feindlichkeit der Organisation, die aber nach seiner Zitaten von GRÜNEN", deren angeblicher extremi- — Blochs — Überzeuguzng bei der Partei DIE GRÜ- stischer Hintergrund zu belegen versucht werden NEN leicht zu finden wären. sollte. „Es gibt sicher eine Vielzahl von „Er hat da sehr dezidiert mit mir diskutiert" stellte Anhaltspunkten, wenn man sich Hellenbroich bei seiner Vernehmung fest und fuhr ansieht, wie hier ehemalige Linksextre- dann fort: misten oder Personen, die heute noch „Und ich habe darauf hingewiesen, daß linksextremistische Äußerungen dort in das für den Verfassungsschutz ein sehr der Öffentlichkeit machen, wie sie bei schwieriges Thema sei. Denn nach unse- den GRÜNEN verteilt sind" (26/48). rer Überzeugung stünde fest: die GRÜ- In diesem Sinne versuchte Bloch Zitate und Äuße- NEN, die Partei der GRÜNEN, sind kein rungen von Mitgliedern der GRÜNEN aus der Dis- Beobachtungsobjekt des Verfassungs- kussion zum politischen Kurs der Partei zu einem schutzes ... Es war schwierig für mich, Bild der „linksextremistischen Einflußnahme" zu ihm das zu begründen. Er akzeptierte da verdichten und unter den Titel „Reform und Revolu- selbstverständlich, daß wir nur einen tion" dem geneigten Leser anzubieten. linksextremistischen Einfluß beobach- ten dürften, wobei er aus der Art seiner So etwa mit der Jutta Ditfurth zugeschriebenen - Argumentation ... doch ... stärker darauf Äußerung: abhob, auf die Herkunft der GRÜNEN. „Aufgabe der GRÜNEN in den Parla- Also er sagte: Das sind doch alles ... Also menten sei, den Parlamentarismus, der mit anderen Worten: Er bezog eine die 'realen Machtverhältnisse' ver- etwas andere Position als ich in dieser schleiere, zu entlarven und mitzuhel- Debatte." (17/29) fen, 'radikal und phantasievoll Gegen- Spranger wollte keinen Bericht über einzelne Perso- macht, ... gesellschaftlichen Druck' von nen und Strömungen in der Partei „DIE GRÜNEN", außen, zu organisieren." die vom BW als vermeintliche Verfassungsfeinde Oder eine angebliche Äußerung Ebermanns: erkannt und beobachtet werden. Weder Pelny noch Hellenbroich hätten sich Auskünfte hierüber zu „Emanzipatorische Politik könne nicht geben, geweigert. über den Staat verwirklicht werden. Die GRÜNEN hätten für die Überwindung Was Spranger verlangte, war etwas anderes: der bürgerlichen Staatsapparate zu Ein „farbiges", „lesbares", „spannungsreiches", kämpfen." Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

Die These von der „linksextremistischen Einfluß- Daten, die in dem Bericht über die Funk- nahme" versucht Bloch durch Hinweise auf die Her- tionsträger als „offen" bezeichnet wor- kunft vieler Funktionsträger aus Organisationen, den waren" (dienstliche Stellungnahme die vom Verfassungsschutz im Laufe der 60er und von PStS Spranger vom 15.01.1986, 70er Jahre als „linksextremistisch" eingestuft wor- A.-Drs. 10/31, S. 3 f). den sind, abzustützen (Sozialistisches Büro, Gruppe Z, Kommunistischer Bund etc.). Zur Illustration wurde zu dem Bericht ein Anhang 4. Die Anfragen über den Abgeordneten gefertigt, in dem alle Mitglieder der zehn Landes- Schily vorstände, des Bundesvorstandes, alle Abgeord- nete der Landtage und des Bundestages, die sich 4.1. Die Aufträge nach den „Erkenntnissen" des Bundesamtes früher in linksextremistischen Zusammenschlüssen betä- Spranger beauftragte das Amt nicht nur mit dem tigt haben sollen, aufgeführt sind. Bericht für den Abgeordneten Todenhöfer; er Während es über diesen Anhang keine weitere Dis- fragte darüber hinaus an, kussion gab, überarbeitete die Amtsleitung den „ob das Bundesamt für Verfassungs- Berichtsentwurf von Bloch. schutz Erkenntnisse habe, die eine Iden- „Das hing eben damit zusammen, daß tifikation des Rechtsanwaltes Schily, einige Formulierungen mindestens zu früherer Strafverteidiger linksextremi- Mißverständnissen hätten führen kön- stischer Terroristen, mit deren Zielen nen, wenn sie so stehen geblieben belegen könnten" (dienstliche Erklä- wären" (Hellenbroich, 17/33). rung Spranger, 28.01.1986, A.- Drs. 10/19). Insbesondere strich Hellenbroich die sechsseitigen Ausführungen des Leiters der Abteilung Linksradi- Nach dem Vermerk Hellenbroichs hatte Spranger kalismus zum Problem von „Reform und Revolu- weiterhin angefragt: tion" in den Auseinandersetzungen zwischen „Fun- „Welche Erkenntnisse gibt es aus seiner damentalisten" und „Realpolitikern" mit dem Argu- APO-Zeit? Reden? Besitzt der General- ment, diese würden durch die Aufgabenstellung des bundesanwalt Erkenntnisse über ihn?" Verfassungsschutzes nicht gedeckt. (Vermerk Besprechung bei PStS Spran- ger, A.- Drs. 10/19). Die Meinung der Amtsleitung des BfV, ein solcher Bericht eigne sich nicht, „auf der Bühne irgendeiner Deutlicher als in den ersten beiden Fällen wird hier tagespolitischen Auseinandersetzung" eingesetzt klar: der Fundus des Geheimdienstwissens wird zur zu werden (17/33), führte dazu, daß das BW den Diffamierung des politischen Gegners benutzt. In Bericht sowie dessen Anhang zur Verschlußsache diesem Fall versucht Spranger nicht mehr, die Fik- (VS) erklärte. tion aufrechtzuerhalten, er wolle Auskunft dar- über, ob es nach den Unterlagen des Bundesamtes jemals Anhaltspunkte dafür gegeben hätte, daß der Bundestagabgeordnete Schily „Träger linksextre- 3.3. Die Verwertung mistischer" oder „terroristischer Bestrebungen" gewesen sei. Spranger wollte vielmehr Belege im Die Klassifizierung des übersandten Berichts als VS- Sinne von Äußerungen und Reden, die eine Identifi- Sache hat Spranger ebensowenig davon abgehal- zierung Schilys mit „Linksextremisten" und „Terro- ten, den Bericht weiterzugeben, wie die Tatsache, risten" belegen könnten. daß im Anhang „Erkenntnisse" über namentlich benannte Funktionsträger aufgelistet sind. - Der Parlamentarische Staatssekretär Spranger 4.2. Strauß & Spranger kontra Schily setzte sich damit über eindeutige Regelungen der Verschlußsachenanweisung des Deutschen Bun- Über die Motive für diese Anfrage hat sich Spranger destages hinweg, ließ den Bericht nochmals sowohl in seinen dienstlichen Erklärungen als auch abschreiben, um vor dem Untersuchungsausschuß ausgeschwiegen. Der Zeitpunkt seiner Anfrage jedoch begründet „die Autorenschaft des Bundesamtes für den Verdacht, daß sie nicht nur „im Zusammenhang Verfassungsschutz nicht erkennen zu mit der Anfrage über linksextremistisch-terroristi- lassen" sche Einflüsse auf die GRÜNEN" erfolgt ist, wie und beauftragte den Pressesprecher im Bundesin- Spranger in seiner dienstlichen Erklärung vom nenministerium, Kowalski, dem Abgeordneten 28.01.1986 beteuerte (a.- Drs. 10/19). Todenhöfer Seiner Anfrage voraus ging eine heftige Kontro- „die Unterlagen zur persönlichen und verse zwischen dem bayerischen Ministerpräsiden- vertraulichen Unterrichtung zugäng ten Strauß und dem Abgeordneten Schily im Flick- lich zu machen, mit Ausnahme der Untersuchunqsausschuß. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

Auf die Frage des Abgeordneten Schily an den Zeu- Daraufhin hat Spranger nach Angaben Hellenbro- gen Strauß, ob er die vom Flick-Konzern erhaltenen ichs (17/45) am Rande der Ministerlage vom Barzahlungen in die Kasse der CSU oder aber woan- 18.04.1985 erneut um Übermittlung von Unterla- ders eingezahlt habe, hatte sich der Zeuge Strauß in gen über Schily gebeten. Diese Nachfrage hat für die Bemerkung geflüchtet: Spranger selbst eindeutig „im Zusammenhang mit „Das ist genauso interessant, wie zu wis- der mündlichen Anfrage des Büroleiters des damali- sen, ob ein Teil Ihrer Honorare von den gen Vorsitzenden der PKK, Dr. Dregger", gestanden Terroristenprozessen von einem Bank- (dienstliche Erklärung, 28.01.1986, A.- Drs. 10/19). raub stammt." Dies beweist, daß Spranger in voller Kenntnis des Schily hatte darauf hingewiesen, daß er als Pflicht- politischen Zwecks der Anfrage, der mit den im Ver- verteidiger seine Honorare aus der Staatskasse fassungsschutzgesetz formulierten Aufgaben nicht bezogen habe, und darüber hinaus am 20. Novem- zu vereinbaren ist, gehandelt hat. ber einen Strafantrag gegen Strauß gestellt. BfV-Präsident Hellenbroich ging nach eigenen 14 Tage später beauftragte Spranger das Bundesamt Angaben davon aus, daß es sich um einen persön- für Verfassungsschutz mit der Ausforschung von lichen Auftrag des damaligen Vorsitzenden der Par- Schily's Vergangenheit. lamentarischen Kontrollkommission (PKK), Dr. Nicht glaubhaft erscheint in diesem Zusammen- Dregger, handelte (17/45). Nun hätte für den Amts- hang auch die Beteuerung Sprangers, eine Antwort chef zwar auch in diesem Fall Anlaß bestanden, eine auf diesen Bericht nie erhalten zu haben. Der Ver- solche Anfrage zurückzuweisen, da sie mit der Auf- merk des ehemaligen Präsidenten Hellenbroich und gabe der PKK ganz offensichtlich nichts zu tun seine sehr präzise Erinnerung an diesen Vorgang hatte. Aber das wäre von Hellenbroich wohl zu viel (17/75) lassen nur den Schluß zu, daß Hellenbroich verlangt gewesen, sich auf Recht und Gesetz beru- die Unterlagen über MdB Schily, also die „mit grü- fend, die Wünsche des Vorsitzenden der CDU/CSU- ner Klammer gekennzeichneten Auszüge" — so Regierungsfraktion, auch wenn dieser zugleich Hellenbroich — aus dem im Bundesamt archivierten Vorsitzender der PKK ist, zurückzuweisen. Vermerk, persönlich am 19.12.1984 .an Spranger Hellenbroich war sich aber sicher, daß der Auftrag übergeben hat. von Dr. Dregger persönlich gewesen sei und nicht Unglaubwürdig erscheint deshalb auch die Einlas- von dessen Büroleiter. sung Sprangers, er habe Ende April 1985 über sei- „Also das hätte mit Sicherheit zu Rück- nen persönlichen Referenten nochmals bei Hellen- fragen geführt. Dann wäre auch das broich nachfragen lassen, weil diese erste Anfrage nicht bei mir so deutlich geworden, daß „nach meiner Erinnerung ohne konkrete Antwort es erstens eilt und zweitens ein fundier- blieb" (dienstliche Erklärung Spranger, 28.01.1986, ter Bericht sein muß. Denn wenn ein A.- Drs. 10/19). Büroleiter was anfordert, dann bin ich Eine Nachfrage gab es zwar tatsächlich, aber deren sowieso immer allergisch". (17/2). Urheber war ein ganz anderer Interessent, nämlich Solange es sich jedoch um Anfragen des der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Dregger. Der PStS Spranger oder eines Mitgliedes der Leiter des Büros Dregger hatte an Spranger die Bitte PKK handelte, erfüllte die Amtsleitung herangetragen, Unterlagen über MdB Schily zur trotz mancher Bedenken alle ihr zugwie- Verfügung zu stellen. Der Büroleiter, Dr. Reichert, senen Aufträge. begründete nach dem Bekanntwerden der Anfra- gen im 2. Untersuchungsausschuß in einem Ver- merk seinen Wunsch mit dem Hinweis: „Zu einem mir nicht mehr genau erin- nerlichen Zeitpunkt gab es in der Presse 4.3. Die Ausführung des Auftrages durch das Vermutungen, daß es in Hessen eine rot- BfV — die Akte Schily - grüne Koalition mit einem Justizmini- ster Schily geben könnte. Im Rahmen Die Anfragen zu MdB Schily sind ein Lehrstück über meiner Aufgabe, alle politischen Ereig- die Reichweite dessen, was unter dem Deckmantel nisse zu beobachten und Reaktionen auf des Verfassungsschutzes getrieben wird. Sie illust- solche Ereignisse vorzubereiten, habe rieren in exemplarischer Form die Praktiken der ich Herrn Spranger am Rande einer Speicherung persönlicher Daten im BfV. Fraktionsvorstandssitzung angespro- Die Akte des BfV zu Schily belegt, daß die Leitung chen, ob ich über ihn Informationen des Innenministeriums sich bereits vor der Bundes- über die Verbindung von Herrn Schily tagswahl über die zukünftigen Abgeordneten der zur Terrorismusszene vor seiner MdB- GRÜNEN im Bundestag beim Verfassungsschutz Zeit (z.B. aus seiner Berliner Tätigkeit informiert hatte. als Terroristen-Anwalt) erhalten könnte" (Brief Dr. Dregger an den Vor- Dem Papier, das Hellenbroich nach eigenen Anga sitzenden der SPD-Bundestagsfraktion ben im Dezember 1984 an Spranger persönlich vom 22.01.1986). übergab, lag ein Auswertungsvermerk aus der Per- Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode sonalakte Schilys vom 7. Februar 1983 — einem Hintergrundmaterial sei, wie Bloch feststellte Monat vor der Bundestagswahl — zugrunde. „ein etwas detaillierteres Bundestags Die damalige Anfrage des BMI hatte für den Bürger Handbuch. So hat es wahrscheinlich die Schily eine positive Folge: Im nachrichtlichen Infor- Sachbearbeiterin gesehen ... Das ist mationssystem (KADIS) wurde im nachhinein der Hintergrund". Das ist nichts anderes. Hinweis auf eine Personalakte Schily gestrichen. Das liegt in einer Akte drin. Es ist auch Vom Sachbearbeiter der Abteilung III, ,,Linksradi- gar nicht auffindbar. Es ist auch über kalismus" wurde ihm attestiert: NADIS überhaupt nicht auf spürbar." (26/28) „Er ist weder Mitglied einer linksextre- mistischen Organisation, noch liegen Das gute Gedächtnis der Sachbearbeiterin (Bloch: Indizien dafür vor, daß er sich für eine Hätte Sie nicht ein so gutes Gedächtnis gehabt, solche betätigt." (A.- Drs. 10/31) wären wir wahrscheinlich gar nicht daran gekom- men", (26/28) verhalf Hellenbroich dazu, eine nach Dem war vorausgegangen, daß die Abteilung VII dem geltenden Verfassungsschutzgesetz unzuläs- (Terrorismus), in der die Personalakte Schilys bis sige Anfrage mit Hilfe rechtswidrig gespeicherter dahin geführt worden war, anläßlich der Anfrage Daten auftragsgemäß zu Ende zu führen. des Bundesinnenministeriums feststellte, daß sie diese Akte nicht mehr benötigte. Wie wenig die Geheimdienste bereit sind, einmal gesammelte „Erkenntnisse" zu vernichten, zeigt Sie bat die Abteilung III „Linksradikalismus" zu prü- sich bei dem Versuch Hellenbroichs, die im BW fen, ob die Akte übernommen werde. beschlossene Streichung der über Schily gespei- Die Abteilung Linksradikalismus sah — wie aus der cherten Daten zu veranlassen. Die Nachfragen bei zitierten Bemerkung hervorging — „keine Voraus- den Landesbehörden für Verfassungsschutz Baden- setzungen zur Übernahme der Personalakte" und Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfa- gab diese am 25.11.1983 wieder zurück. len und Berlin führten zwar dazu, daß drei dieser Länder ihre NADIS-Speicherung widerriefen bzw. Den im Februar 1983 angefertigten Auswertungs- einen solchen Widerruf ankündigten. vermerk jedoch behielt sie ein. Die Landesbehörde für Verfassungsschutz Berlin Folgt man den Beteuerungen des Leiters der Abtei- jedoch teilte mit, lung III, Bloch, so wurde die Personalakte Schily ver- „daß zwar zumindest seit Mitte der 70er nichtet, sein Name aus NADIS gestrichen und in Jahre keine Anhaltspunkte für eine ver- einem Vermerk festgehalten, daß nach dem Bun- fassungsfeindliche Betätigung Schilys desverfassungsschutzgesetz die rechtlichen Vor- erkennbar sei, daß sie aber dessen unge- aussetzungen für eine weitere Speicherung von achtet die NADIS-Speicherung des Otto Daten über den Bürger Schily nicht mehr gegeben Schily als einer „zeitgeschichtlich seien. bedeutsamen Person" aufrechterhalten Gleichwohl behielt die Abteilung III einen Ver- werde." (Schreiben des Präsidenten des merk, der mehr oder weniger belanglose ,,Erkennt- Bundesamtes für Verfassungsschutz, nisse" über die politische und berufliche Tätigkeit 10.05.1985, A.- Drs. 10/19). Schilys enthielt. In dem Vermerk ist z.B. unter dem Stichwort „Politischer Werdegang" ausgeführt: „1969: Teilnahme an der APO für die 5. Die nützlichen Idioten und die Förderer „Black-Panther-Party" kommunistischer Bündnispolitik: Berichte über kommunistische „Friedens- 1976: 10. Februar öffentliche Podiums- diskussion in Tübingen, Thema „Am Bei- arbeit" und bündnispolitische Erfolge der- spiel Stammheim", Referate: Schily / Deutschen Kommunistischen Partei Ströbele, Veranstalter: Sozialistische Initiative Tübingen." Spranger benutzte die in den vorangegangenen Kapiteln erörterten Anfragen, um den „linksradika- Es wurden Kontakte zu anderen Rechtsanwälten, len" Kern der Partei DIE GRÜNEN darstellen zu die Mitglieder der RAF verteidigten, aufgeführt. können. In den beiden folgenden Fällen geht es um Außerdem wurden Zitate und Äußerungen des den Einfluß von angeblichen Kommunisten auf die Rechtsanwaltes Schily zu verschiedenen Strafver- Friedensarbeit und um die Auswirkung angeblicher fahren — insbesondere zu Terroristenprozessen Kommunisten auf ihre Bündnisorganisationen. Die gesammelt (A.- Drs. 10/31). Berichte zielen also nicht auf die angeblichen Kom- Bloch sagte hierzu aus: Der Vermerk sei in den munisten selbst, sondern auf ihre „Opfer". Da letz- Akten der Abteilung III geblieben, „um ein Alibi zu tere nach dem Verständnis Sprangers der kommuni- haben" (26/26). Er habe nur als Hintergrundmate- stischen Propaganda erliegen könnten, müssen rial gedient, was am Stempelaufdruck „H" auf dem auch sie vom Verfassungsschutz beobachtet, Vorgang zu ersehen sei. öffentlich namhaft gemacht und geschützt werden. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

5.1. Der Bericht über kommunistische „Frie- rungsakademie Hiltrup schon im März 1983 fest — densarbeit" im Zusammenhang mit den die evangelische Aktion Sühnezeichen / Friedens- Kirchen dienste und deren Geschäftsführer Pfarrer Volkmar Deile. Letzterer betreibe, so Spranger in seinem Spranger erörterte mit Hellenbroich nach dessen Vortrag, Ernennung zum BW-Präsidenten seine Absichten „geistig-politische Entwicklungshilfe im Hinblick auf den „positiven Verfassungsschutz" für die bisher ergebnislos nach einer (Verfassungsschutz durch Öffentlichkeitsarbeit). eigenen Identität suchenden deutschen Kommunisten" (zitiert in Frankfurter Spranger erteilte dem BW den Auftrag, einen offe- Rundschau, 25.03.1983) nen Bericht zu erstellen, „über die 'kommunistische Friedensar- Als Zeuge vor dem Ausschuß mochte sich Spranger beit' ... (Weltfriedensrat, Front- bzw. jedoch an frühere Vorgänge, aus denen er seine Bündnisorganisationen in der Bundesre- Kenntnisse über die Aktion Sühnezeichen/Frie- publik Deutschland). Dabei soll beson- densdienst und dessen Geschäftsführer schöpfte, ders hervorgehoben werden der Ver- ebensowenig erinnern, wie an ein Gespräch, das er such, die Kirchen in diese Arbeit einzu- am 26.03.1984 mit Beauftragten der EKD „über bei- binden" (A.- Drs. 10/20). derseits interessierende Fragen geführt (hat)" (Ant- wort des PStS Spranger namens der Bundesregie- In seiner Vernehmung präzisierte Hellenbroich die rung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. von Spranger geäußerten Vorstellungen: Vollmer und der Fraktion DIE GRÜNEN, Drs. „... er sagte: Man liest da so viel. Man 10/1414). In diesem Gespräch hatte Spranger eben- sieht, wer auftritt. Volkmar Delle. Man falls die seines Erachtens gefährliche Rolle der weiß, daß er ja in der evangelischen Kir- Aktion Sühnezeichen/Friedensdienst und deren che tätig ist. Das ist doch ein Problem. Geschäftsführer den Vertretern der EKD klarzuma- Das muß man mal darstellen, wenn chen versucht. etwas darzustellen ist ... Die Öffentlich- Der Auftrag Sprangers aus August 1984 hatte offen- keit verlangt eine Aufklärung darüber, sichtlich das Ziel, die Verrufserklärung der Aktion ob und inwieweit die Kirche da enga- Sühnezeichen/Friedensdienste und ihres giert ist." (17/59) Geschäftsführers nachdrücklich in der Öffentlich- Spranger konnte sich in seiner Vernehmung wegen keit zu verankern. seines angeblich außerordentlich schlechten Gedächtnisses nicht mehr an diesen Vorgang bzw. Das BW hat diesen Bericht nicht erstellt. Über den Namen Volkmar Delle erinnern. Gründe kann man nur spekulieren: Spranger sagte aus: 1. Aus Gründen der Arbeitserleichterung mag es das Amt vorgezogen haben, auf bereits erstellte „Aber mir fällt ein, daß nicht alleine im Berichte zum Thema: „Kommunistische Einfluß- Jahre 1983, sondern auch im Jahre 1984 nahme durch internationale Frontorganisationen" nach wie vor die sogenannte Friedens- zu verweisen. In diesem Bericht befindet sich kein bewegung mit entsprechenden Grup- Hinweis auf die Aktion Sühnezeichen/Friedens- pen (Abgeordneter Schäfer: soge- dienst. nannte?) — sogenannte Friedensbewe- gung mit ihren entsprechenden Grup- 2. Für das von Spranger gewünschte Ergebnis einer pen und Organisationen auch wiederum wachsenden Einbindung der Kirchen in die kommu- Herbstaktionen angekündigt hat, deren nistische „Friedensarbeit" und die der Aktion Sühn- Struktur und Informationen für die zeichen/Friedensdienst dabei angeblich zukom- Öffentlichkeit sicherlich auch von Inter- mende Schlüsselrolle gab und gibt es keinerlei esse sind. „ (29/93) Anhaltspunkte. - Deren Struktur zeichnete sich nach Meinung Spran- gers dadurch aus, daß den Kommunisten eine „Drahtzieher-Rolle" (Bayern-Kurier, 20.08.1983) 6. Bericht über bündnispolitische Erfolge der zukomme und die anderen Gruppen es an der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) Bereitschaft fehlen ließen, „die Zusammenarbeit mit den Feinden Spranger beauftragte das BW am 14.08.1985 durch der Demokratie und der Freiheit ein- den Leiter des Referats I S 2, Bracht im Bundesinnen- (zu)stellen, also die sogenannte „Frie- ministerium, die in der SPD und in den Gewerk- densbewegung" von Kommunisten (zu) schaften anzutreffenden Repräsentanten zu ermit- befreien". teln, die sich durch eine „mangelnde Abgrenzung von den Kommunisten" auszeichneten. Ein herausragendes Beispiel für die wachsende Spranger forderte, daß Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Kommuni „ein veröffentlichungsfähiger Bericht sten sei — so stellte Spranger vor der Polizei-Füh mit Beispielen ... über Erfolge kommuni- Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

stischer Aktionseinheitspolitik Bünd- Mit welchen Auflagen und Hinweisen an Journali- nispolitik gegenüber der SPD und den sten Kowalski dieses Papier „veröffentlicht" hat, Gewerkschaften — in den letzten bei- konnte der Ausschuß nicht klären. Die zur Klärung den Jahren aus der Sicht der DKP" dieser Frage erforderlichen Unterlagen wurden dem Ausschuß von der Exekutive verweigert und erstellt wird. (A.- Drs. 10/27) erst nach der Vernehmung Kowalkis vorgelegt. Die DKP, wie auch andere Parteien, neigt in ihrer öffentlichen Eigenbeurteilung zu Optimismus und Selbstüberschätzung. Wenn Spranger also einen Bericht („aus der Sicht 7. Flick-Manager von Brauchitsch: Einfluß der DKP") wünscht, liegt das gewünschte Ergebnis, agent gegnerischer Geheimdienste? dazu schon von der Aufgabenformulierung her, In seiner Befragung als Zeuge zu den von ihm initi- vorher fest. ierten Anfragen trug Spranger eine in vielen Punk- „Bei ihrer Bündnispolitik sehen sich ten von der Darstellung der Amtsleitung abwei- DKP und SEW im Aufwind" (Bericht der chende Version über die Auftragsvergabe und Abteilung III über Erfolge kommunisti- deren Erledigung vor. scher Bündnispolitik, A.- Drs. 10/27). An keiner Stelle klaffen die Darstellungen der daran „Denn der Grundsatz der 'streitbaren beteiligten Personen in einem solchen Maße ausein- Demokratie', daß sich die demokrati- ander wie bei der von Spranger geplanten Anfrage schen Kräfte eindeutig von Extremisten über eine mögliche Desinformationskampagne im abgrenzen und sie aus dem demokrati- Zusammenhang mit der Flick-Affäre und über den schen Kräftespiel ausgrenzen, wird Flick-Bevollmächtigten Eberhard von Brauchitsch. gegenüber den orthodoxen Kommuni- An dieser Anfrage wird deutlich, daß BW-Präsident sten zusehends brüchiger. Bis Ende der Hellenbroich in professionell-nachrichtendienst- 60er Jahre blieben die Kommunisten lichen Kategorien argumentiert, während Spranger weitgehend isoliert. Dann gelang es ausschließlich in Verschwörungs-Formeln denkt, ihnen, diese Isolierung in den Organen im Rahmen derer eine Verständigung über eine rea- der verfaßten Studentenschaft zu durch- listische Sicht bundesrepublikanischer Wirklich- brechen. Diese Entwicklung hat sich seit keit und ihre politischen Probleme nicht herzustel- mehreren Jahren in den Protestbewe- len ist. gungen und Kampagnen außerhalb des universitären Bereich vor allem mit der Spranger beauftragte in einem Gespräch am „Friedensbewegung" fortgesetzt". 5.12.1984 den BfV, Erkenntnisse über von Brau- (Berichterfolge kommunistischer Bünd- chitsch einzuziehen. nispolitik, A.- Drs. 10/27) „Wenn das BfV keine nachrichten- dienstliche Erkenntnisse habe, solle Diejenigen also, die, wie mit vielen anderen Par- auch der BND angefragt werden. Gibt es teien und Gruppierungen ihre politischen Differen- in diesem Zusammenhang irgendwel- zen auch mit der DKP austragen, sei es in der Frie- che Hinweise auf 'activ Measures' im densbewegung, den Gewerkschaften oder in Orga- Zusammenhang mit der Spendenaf- nen der verfaßten Studentenschaft, werden aus färe?" (A.- Drs. 10/19) dem Konsens der „streitbaren Demokraten" ausge- grenzt und selbst zu Beobachtungsobjekten des Hellenbroich war zunächst — so erklärte er in sei- Verfassungsschutzes. ner zweiten Vernehmung vor dem Ausschuß — Eine weitere Facette des sogenannten positiven „wie ich den Namen hörte und die Bitte, Verfassungsschutzes (d.h. durch Öffentlichkeitsar- nach Erkenntnissen des BW nachrich- - beit) zeigt sich an der Form der Verwertung dieses tendienstlicher Art zu suchen, etwas — Berichts durch Spranger. Nachdem das zuständige ja wie soll ich sagen — verwundert. Und Referat I S 2 den Bericht an Spranger mit der vor- deswegen ja auch meine Rückfrage sorglichen Warnung übersandte, daß dann, um selbst zu verstehen: Was ist denn eigentlich gemeint? Und dann „bei einer Veröffentlichung von seiten setzte die Diskussion darüber ein: Gibt der SPD mit heftigen Reaktionen und es Desinformationskampagnen gegneri- Angriffen gegen den Bundesminister scher Dienste? Was bezwecken sie?" des Innern als Urheber oder Auftragge- (17/19) ber der Ausarbeitung zu rechnen sein Es folgte eine längere Diskussion über Desinforma- (dürfte), wurden die Unterlagen von tionskampagnen gegnerischer Dienste, in die Pressesprecher Kowalski einem speziel- Spranger die These einbrachte: len Kreis von Journalisten zugänglich gemacht" („mit üblichem Verteiler"; A.- „Die ganze Flick-Affäre paßt wunder- Drs. 10/27) schön in dieses Schema" (17/20) Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

Schließlich hat Hellenbroich sich das Ansinnen Die Äußerungen Sprangers sind widersprüchlich. Sprangers — auch wenn er es „nicht so ganz richtig Sie sind aber in ihrer Absurdität aus den Denk- und verstanden" hat, „worauf das alles hinauslaufen Wahrnehmungsstrukturen des Staatssekretärs zu sollte" — nur auf folgende erklären und durchaus wahrscheinlich. Weise klarmachen können: Spranger erklärt politische und soziale Probleme „Es fielen die Punkte 'Desinformation'. mit der Existenz von „Verfassungsfeinden" und Es fielen die Punkte 'activ Measures'. „Sympathisanten des Terrorismus", mit der Existenz Ziel einer Kampagne ist hier phanta- von „Anhängern einer zielstrebigen Volksfrontpra- stisch erreicht worden. Man braucht xis" und von „kulturrevolutionären Zerstörern". einen Träger. Und wenn man jetzt Erkenntnisse über einen maßgeblichen Spranger versuchte das Oktoberfest-Attentat vom Manager hat bei der Spionageabwehr — September 1980 mit einer Steuerung der rechtsex- in belastender Hinsicht — dann könnte tremistischen Aktivitäten durch das Ostberliner man tatsächlich mal den Gedanken Staatssicherheitsministerium zu erklären (Die Welt, nähertreten: Ist das nicht doch vielleicht 30.09.1980). alles eine inszenierte Geschichte des Ostens gewesen?" (17/21) Spranger kommentierte die Darstellung von Mas- senerschießungen in der Fernsehserie „Holocaust" Hellenbroich sagte weiterhin, er habe dann darauf mit den Worten: verzichtet, weiter nachzubohren, den Auftrag ent- „Sehen Sie, Herr Lattmann, dahin führt gegengenommen und beiläufig erledigt. Sozialismus" (vgl. D. Lattmann, Die lieb- Spranger hatte für diese Wiedergabe des Gesprä- lose Republik). ches in seiner Zeugenvernehmung keine Es verwundert daher nicht, daß die Parteispende- Erklärung. naffäre für Spranger Teil einer Kampagne finsterer Anlaß des Gesprächs sei vielmehr eine Debatte um — am besten kommunistisch gesteuerter — Mächte Desinformationskampagnen des Ostens insgesamt gegen die demokratischen Parteien, die freiheit- gewesen, wobei er sich dann auch die Frage gestellt liche Wirtschaftsordnung und den Staat überhaupt habe, sein soll. „inwieweit die Parteispendenaffären Spranger erklärte vor dem Ausschuß, Zielpersonen durch aktive Maßnahmen, insbeson- dieser „bösartigen Desinformationskampagne" dere durch eine Desinformationskampa- seien gne beeinflußt sein könnte" (29/14). „insbesondere Personen des öffent- Es sei jedoch völlig absurd, lichen Lebens ..., durch deren Verächt- „wenn behauptet wird, ich hätte Herrn lichmachung das von ihnen repräsen- von Brauchitsch als Agent verdächtigt tierte Staats-, Gesellschafts- und Wirt- oder um Zusammenstellung entspre- schaftssystem quasi stellvertretend dif- chender Unterlagen gebeten" (29/15). famiert werden soll." (29/15).

V. Der Fall Spranger: Folgerungen

1. Die Anfragen Sprangers: Mißbrauch des begriffe" des Verfassungsschutzgesetzes eröffne- Verfassungsschutzes oder Ausdruck des- ten rechtsfreien Raum (vgl. Hans-Peter Bull, Köln sen alltäglicher Arbeitsweise? 1981, S. 141 ff.). „Mißbrauch" des Verfassungsschutzes durch Spran- Die Anfragen Sprangers widersprechen geltendem ger läßt sich nicht beurteilen, ohne einzubeziehen, Recht. Sie waren zwar Praxis, bei einer verfassungs- wie das BfV von jeher „Verfassungsschutz" betrie- gemäßen und datenschutzrechtlich konsequenten ben hat. Auslegung der Aufgaben- und Befugnisnormen für den Verfassungsschutz jedoch illegal. Kein Wunder, daß sich Spranger zu seiner Rechtfer- Die nähere Prüfung der Anfragen verdeutlicht: Die tigung auf die ständige Praxis des Verfassungs- Auffassung, Aufgaben und Befugnisse des Verfas- schutzamtes berufen hat: Gemessen an dem, was sungsschutzes könnten rechtlich genau einge- unter der Bezeichnung „Verfassungsschutz" im grenzt und fixiert werden, ist falsch. Geheimdienst in und von Köln aus getrieben wurde, erscheinen manche Anfragen Sprangers zwar wun- Der Verfassungsschutz agiert weitgehend in einem derlich, aber durchaus im Rahmen des geheim- durch „Großformeln" und „unbestimmte Rechts- dienstlich normalen. Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

2. Die Aufträge Sprangers — eine Aufforde- mangelt es eindeutig an jeglicher rechtlichen rung, die rechtlichen Schranken des Ver- Grundlage nicht nur für die Anfragen, sondern fassungsschutzes zu mißachten auch für die Weitergabe der Unterlagen durch das Bundesamt an Spranger. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat gegen über dem Bundesinnenministerium und den Regie rungsmitgliedern eine umfassende Berichtspflicht. Eine solche Berichtspflicht des Amtes besteht auch gegenüber Spranger. Daran ändert auch nichts, daß 3. Verfassungschutz als Instrument des Ruf- — wenn auch aufgrund mangelhafter Aufgaben und mords Kompetenzabgrenzung durch den Bundesinnenmi- nister — der Staatssekretär häufig losgelöst und oft Auch die sogenannten Verfassungsfeinde können neben der bürokratischen Verwaltungsschiene Grundrechtsschutz für sich in Anspruch nehmen. handelte. Deshalb ist es mehr als beunruhigend, wenn Bun- desinnenminister Dr. Zimmermann im Ausschuß Diese selbstverständliche, die Kontrolle einer nach- meinte: geordneten Behörde erst ermöglichende Berichtsp- „Ein Allgemeininteresse an der Veröf- flicht ist jedoch nicht gleichzusetzen mit einer völlig fentlichung von 'Erkenntnissen' über uferlosen und unbegrenzten Pflicht des BfV, dem die Nachrücker der Fraktion DIE GRÜ- Bundesinnenministerium zu berichten. Eine NEN im Deutschen Bundestag oder Berichtspflicht und ein Recht, „Erkenntnisse" wei- andere Mandatsträger" terzugeben, besteht vielmehr nur insoweit, als die Anfrage eines Regierungsmitgliedes selbst im Rah- geltend machen zu können. men des Gesetzes bleibt und darüber hinaus ver- Eine Veröffentlichung der Namen einzelner Perso- hältnismäßig ist. nen im Rahmen der Arbeit des sogenannten „positi- ven Verfassungsschutzes" darf nur in begründeten Was aber hat die Frage, ob der Abgeordnete Schily Ausnahmefällen erfolgen. an einer APO-Demonstration teilgenommen hat, mit der Aufgabe des Verfassungsschutzes gemäß § Verwaltungsrechtsprechung, Datenschutz wie 3 Absatz 1 des Verfassungsschutzgesetzes zu tun, Rechtswissenschaft gehen übereinstimmend davon nämlich „Auskünfte, Nachrichten und sonstige aus, daß die öffentliche Nennung des Namens ein- Unterlagen über Bestrebungen, die gegen die frei- zelner Personen nur dann gerechtfertigt ist, wenn heitlich-demokratische Grundordnung ... gerichtet diese selbst als Hauptakteure einer verfassungs- sind", zu sammeln und auszuwerten? feindlichen Organisation, Vereinigung oder Partei erkannt worden sind (vgl. nur Gusy, NVwZ 1986, 6). Nichts. Überprüft man unter diesem Aspekt die von Spran- Daran ändert sich auch deshalb nicht etwas, weil der ger betriebene Politik des „positiven Verfassungs- Abgeordnete für einen Ministersessel im Gespräch schutzes" durch Indiskretionierung (Nachrückerpa- ist. Auch PStS Sprangers Argumentation, dies sei pier), durch Aufhebung des Verschlußsachen-Gra- ein unerhebliches Motiv für eine legitime Anfrage des (im Falle des sogenannten Todenhöfer-Papiers) gewesen, bei der es „um linksextremistische Ein- oder aber durch die Streuung des Berichts über die flüsse oder Verbindungen oder Hintergründe bezo- bündnispolitischen Erfolge der DKP an einzelne gen auf die entsprechende Person" gegangen sei, Journalisten, dann wird deutlich, daß alle Voraus- vermag ihn und seine Handlungsweise nicht zu ent- setzungen, die eine Veröffentlichung oder Weiter- schuldigen. PStS Sprangers Wirken war darauf gabe personenbezogener Daten an Dritte rechtfer- gerichtet, „entsprechende Personen" mit mehr oder tigen könnten, in diesen konkreten Fällen fehlten. wenigen dünnen „Erkentnissen" als Symphatisant, Extremist oder Verfassungsfeind zu diskreditieren. Die dem Abgeordneten Todenhöfer zugeleitete- Zusammenstellung über „Funktionsträger der Par- Nach dem Verfassungsschutzgesetz gehört es nicht tei DIE GRÜNEN, die in linksextremistischen zu den Aufgaben der Verfassungsschützer, die von Zusammenschlüssen tätig waren", ist ein weiteres ihnen gesammelten und gespeicherten ,,Erkennt- typisches Beispiel dafür, wie mit Veröffentlichun- nisse", d.h. unbewertete Informationen, Gerüchte, gen unter dem Gütesiegel des Amtes versucht wird Mutmaßungen, Denunziationen, etc. zu benutzen, eine Politik des Rufmordes zu betreiben. Ein Ver- um Verdächtigungen gegen Personen und Gruppen such, Funktionsträgern der GRÜNEN z.B. ein ver- in die Öffentlichkeit zu lancieren. fassungsfeindliches „Verhalten" hier und jetzt nachzuweisen, wird gar nicht erst unternommen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes — dem allerdings die Praxis nie gefolgt ist — sollen diese Informatio- Nur der Nachweis tatsächlich verfassungsfeind- nen allein dem Zweck dienen, eine etwaige Teil- lichen Verhaltens gibt der Behörde nach geltendem nahme an Bestrebungen, die gegen die freiheitlich Recht die Erlaubnis, die Möglichkeit zu erörtern, demokratische Grundordnung gerichtet sind, zu solche personenbezogenen Daten zu veröffent- erkennen. Legt man diesen Maßstab zugrunde, so lichen. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

4. GRÜNE Geschichte und Verfassungsschutz von Informationen, nicht jedoch auf die Bedeutung derselben im Verwendungszusammenhang des Auch beim „Nachrückerpapier" fehlt ganz offen- Verfassungsschutzes. Das Bundesverfassungsge- sichtlich jeder Anhaltspunkt für Erkenntnisse" für richt hat in seiner Entscheidung zur Volkszählung eine verfassungsfeindliche — frühere oder jetzige zu Recht darauf verwiesen, daß die Frage, inwieweit - Tätigkeit der namentlich genannten Personen. die Speicherung und Weitergabe von Informatio- Die Teilname an Bestrebungen gegen die freiheit- nen für die Betroffenen ein Eingriff in ihre allgemei- lich-demokratische Grundordnung" wird nicht ein- nen Persönlichkeitsrechte bedeuten, nicht von der mal zu belegen versucht. Gleichwohl hat das Bun- Sensibilität oder der Herkunft der Daten abhängig desamt Informationen über diese Personen gespei- zu machen ist. chert und herausgegen. Entscheidend für die persönlichkeitsrechtliche Was der Kölner Geheimdienst PStS Spranger über- Bedeutung ist vielmehr der Verwendungszusam- mittelt hat und schließlich in der „Bild-Zeitung" zu menhang von personenbezogenen Daten (BVerfGE finden war, ist ein Sammelsurium von Informatio- 65, 45). nen, die nach Ansicht des Bundesamtes Anhalts- Deshalb ist es völlig unerheblich, wenn in der punkte dafür bieten könnten, daß diese Personen im Zusammenstellung der Funktionsträger der Partei Umkreis sogenannter verfassungsfeindlicher Orga- DIE GRÜNEN die „in linksextremistischen Zusam- nisationen tätig waren. menschlüssen tätig waren" bei einigen Personen So heißt es etwa über den Abgeordneten Joachim der Zusatz „offen" zu finden ist. Entscheidend ist Müller, daß er sich 1973/74 an Veranstaltungen des vielmehr, daß die Herausgabe dieser Informationen kommunistischen Studentenverbandes und der dazu geeignet und dazu bestimmt war, einer Person Liga gegen den Imperialismus beteiligt habe. den amtlichen Stempel des Verfassungsfeindlich- Erzeugt werden sollen mit solchen „Erkenntnissen" keit aufzudrücken. unterschwellig negative Assoziationen. Die Vorgehensweise Sprangers war rechtswidrig. Besonders deutlich wird dies beim Abgeordneten Ulrich Fischer, bei dem aus den Datenbeständen des Bundeskriminalamtes frühere Ermittlungsverfah- ren aus den Jahren 1968 und 1970 aufgeführt wer- 6. Januar 1986 — weitere Berichte ans ZDF den und dessen Freispruch vom Vorwurf der Brand- stiftung und Sachbeschädigung vor dem Landge- Das Bekanntwerden der Anfragen und die Debatten richt Berlin mit der Bemerkung kommentiert wird, darüber im 2. Untersuchungsausschuß hat Bundes- er sei nach dem Grundsatz „im Zweifel für den innenminister Dr. Zimmermann und Spranger kei- Angeklagten" rechtskräftig freigesprochen neswegs bewogen, ihre bisherige Politik der Verruf- worden. serklärung durch die Veröffentlichung diverser Die Politik Sprangers, mit den im Kölner Geheim- „Erkenntnisse" zu einzelnen Personen zu beenden. dienst gesammelten Informationen in der Öffent- Aus dem Ministerium gelangte gerade dann, als in lichkeit den Eindruck zu erwecken, bestimmte Per- der Öffentlichkeit die Rechtmäßigkeit der im 2. sonen stünden im Verdacht der Verfassungsfeind- Untersuchungsausschuß bekanntgewordenen lichkeit, verletzt die Grundrechte der Betroffenen. Anfragen Sprangers heftig diskutiert wurde, ein Auch das in der Entscheidung des Bundesverfas- weiteres Machwerk mit dem Titel „Verurteilung sungsgerichts mit Grundrechtsrang versehene und sonstige Vorerkenntnisse über Mandatsträger informationelle Selbstbestimmungsrecht wird hier- der GRÜNEN" ans Tageslicht. Im ZDF-Magazin vom bei nicht beachtet. Diese willkürliche und zugleich 22. Januar 1986 wurde daraus ein groß angelegter gezielte Politik der Verrufserklärung kann durch Bericht über die „linksextremistischen Einflüsse" in den sogenannten positiven Verfassungsschutz mit der Partei DIE GRÜNEN. einem Allgemeininteresse an der Veröffentlichung von Informationen nicht gerechtfertigt werden.

7. Die Aufträge Sprangers: Integraler Bestandteil der Arbeit des BfV 5. Volkszählungsurteil des Bundesverfas- sungsgerichts verbietet Verfassungs- Spranger hat seit Jahren in Presseveröffentlichun- schutzpraxis gen seine These von einer linksextremistischen Unterwanderung der GRÜNEN und einer kommu- Völlig unerheblich für die Beurteilung der Rechtmä- nistischen Steuerung der Friedensbewegung glaub- ßigkeit dieser Anfragen ist, ob die Informationen haft zu machen versucht. Er lancierte aus Berichten vom Geheimdienst als offene" bzw. ,,nachrichten- „Erkenntnisse" über einzelne Personen oder Orga- dienstliche" (nicht offene) qualifiziert werden. Die nisationen in der Presse (vgl. Frankfurter Rund- Unterscheidung bezieht sich allein auf die unter- schau, 26.11.86, Die Welt, 25.02.83, Die Welt, schiedliche bürokratische Form der Beschaffung 06.07.83, Bayern-Kurier, 20.08.83). Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

Sprangers Polit-Phantasien fanden im Bundesamt Bloch sieht im Hinblick auf das Todenhöfer-Papier für Verfassungsschutz zum größten Teil willige „in diesem Bericht nicht ein Faktum, das Partner. Sprangers Wirken war vor allem darauf zu schützen wäre, es sei denn — aus Höf gerichtet, die im Amt im Übermaß vorhandenen lichkeitsgründen — dem Datenschutz Erkenntnisse beauftragten gegenüber". soweit es möglich ist, ohne Beeinträch- tigung seiner Arbeit auch der Öffent- Die Einhaltung von Grundrechten wird zum Akt lichkeit zur Verfügung zu stellen" bloßer Höflichkeit (29/18). Der Amtsleitung des BW waren die Aufträge teil- weise peinlich. Belustigung aber auch Irritation waren die Reaktionen. Aber Treuepflicht gegen- über jedem Dienstherrn geht vor Rechtsbewußt- 9. Rechtliche Grenzen des Verfassungs- sein: Aufträge wurden weitergereicht und auftrags- schutzes gemäß erledigt. Die Anfragen Sprangers sind Teil seines verbisse- nen Kampfes sowohl gegen die von ihm als Staats- feinde identifizierten Personengruppen und 8. Spranger und Bloch — ein gleich denken- zugleich Beleg für den Handlungs- und Ermessens- des Paar spielraum, der dem Verfassungsschutz eingeräumt wird. Beim Verfassungsschutz gibt es Beamte, die ebenso wie Spranger denken. Die Vernehmung des Leiters Die Frage, was der Geheimdienst in Köln tun darf der Abteilung Linksradikalismus, Bloch, ergab, daß oder nicht, also die Frage, wer letztendlich vom Bun- die Anfragen des Staatssekretärs Spranger den poli- desamt zum Verfassungsfeind erklärt werden darf, tischen Vorstellungen von „Verfassungsschutz" des erschließt sich eben nicht aus der Blanko-Ermächti- zuständigen Abteilungsleiters weitgehend entspre- gung des § 3 Bundesverfassungsschutzgesetz. Wer chen. Es verwundert deshalb nicht, daß Bloch in sei- hier nachliest, der weiß eben gerade nicht — entge- ner Vernehmung behauptet, daß die Anfragen gen den Versicherungen der Regierung und auch Sprangers des jetzigen Innenministers Dr. Zimmermann — was diese Ämter tun dürfen und was nicht (vgl. 30/145). „stets im Bereich des gesetzlichen Auf- trages (des Hauses) gelegen haben" Im Gegenteil, Ridder geht zutreffenderweise davon (25/13). aus, daß die Generalklausel in § 3 Bundesverfas- sungsschutzgesetz Bloch sieht die sogenannten verfassungsfeind- lichen Bestrebungen in § 3 Abs. 1 Bundesverfas- „die Gesellschaft in ihrer ganzen Breite sungsschutzgesetz vor allem als „linksextremisti- als dauerhaftes Operationsfeld" sche Äußerungen". umspannt (Ridder, Kommentar zum Grundgesetz Für Bloch war deshalb die Tatsache, daß ein Teil der für die Bundesrepublik Deutschland, Band 2, S. GRÜNEN sich in der Zeit der außerparlamentari- 4119). schen Opposition in „verfassungsfeindlichen Orga- nisationen" befunden hat, zusammen mit den vor- Es ist festzuhalten: Präzise rechtliche Formulierun- geblichen linksextremistischen Meinungsäußerun- gen, die den Handlungsspielraum des Verfassungs- gen einzelner Mitglieder Anhaltspunkt genug, die schutzes festschreiben, hat es nie gegeben und gibt GRÜNEN in Teilen als verfassungsfeindlich zu es bis heute nicht. Deshalb greift die Frage nach der betrachten (25/89 ff). „Rechtmäßigkeit" der Anfragen Sprangers viel zu kurz. Diese von der SPD in den Vordergrund- Für Bloch bestand — ebenso wie für Spranger — das gestellte Frage, klammert das zentrale politische zentrale Problem des Verfassungsschutzes darin, Problem aus, ob die Tätigkeit dieses Geheimdien- daß sich die demokratischen Kräfte nicht mehr ein- stes und die damit verbundene Politik der Feinder- deutig von Extremisten abgrenzen und diese aus klärung mit den Prinzipien einer auf offener, streit- dem demokratischen Kräftespiel ausgrenzen. barer Auseinandersetzung beruhenden Demokra- Auch für Bloch ist die Weitergabe personenbezoge- tie vereinbar ist. Die Ämter für Verfassungsschutz ner Daten kein Problem, wenn diese vom Verfas- lassen sich nicht demokratisch-rechtsstaatlich ein- sungsschutz als offen" deklariert wurden. gemeinden. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

VI. Die Vorgänge im Bereich Spionageabwehr: Tiedge, ein Problem des Amtes oder ein Problem Zimmermanns?

Hinter den im Einsetzungsbeschluß angesproche- Deutschland, gehörte zu den 5% der Beschäftigten, nen Vorgängen im Bereich der Spionageabwehr die nach gesicherten Untersuchungen in einem (Drs. 10/3905 neu) verbergen sich — wie die Betrieb alkoholabhängig sind (vgl. Alkoholproblem Beweisaufnahme gezeigt hat — zwei Problemkom- am Arbeitsplatz, hrsg. DHS, 1985, S. 5). plexe: Erkannt hat den Charakter des Alkoholabusus Tied- Wie wurde mit dem Geheimdienstler Hans-Joa- ges von den Zeugen nur die zeitweilig Tiedges Haus- chim Tiedge verfahren, obwohl gegen ihn seit dem halt führende Frau Beckeschuss. 1. Juli 1983 „Sicherheitsbedenken" bekanntgewor- „Ich habe den Herrn Tiedge als kranken den waren? Menschen im Sinne des Alkohols einge- Es wurde deutlich, daß der „Fall Tiedge" nur auf dem schätzt" (10/26). Hintergrund der Spannungen innerhalb der Abtei- Viele Kollegen von Hans-Joachim Tiedge im BfV lung IV im BfV, den 'Problemen zwischen Tiedge haben von seinen Problemen gewußt. Aus Desinte- und Dr. Rombach, dem Konflikt zwischen Dr. Rom- resse, Wahrnehmungsunfähigkeit, Bequemlichkeit bach und dem Amtschef Hellenbroich und den Aus- oder Angst haben sie geschwiegen. So war dem Zeu- einandersetzungen der Amtsleitung mit Zimmer- gen Grünewald zwar bekannt, „daß Herr Tiedge mann und Spranger zu verstehen ist. gerne und viel trank", er hatte jedoch nicht den Ein- Die Frage nach den Spionagefällen Höcke, Lüne- druck, „daß er alkoholkrank sei" (6/157). burg, Willner und der Handhabung des G-10-Geset- Der frühere Chef des Bundesamtes Dr. Meier wie- zes durch das Bundesministerium des Innern trat derum äußerte sich bei dem Versuch Grünewalds, dem gegenüber in den Hintergrund. Tiedge für seine Abteilung abzuwerben mit den Für einen Zusammenhang zwischen dem Ver- Worten: „Der säuft". (6/160) schwinden von Lüneburg und dem Ehepaar Willner Hellenbroich hat sich „über die merkwürdige Klei- mit dem Übertritt Tiedges gab es in der Beweisauf- derordnung des Herrn Tiedge" erstaunt gezeigt. nahme keine eindeutigen Anhaltspunkte, allenfalls (6/165) Vermutungen. Der Leiter der Geheimschutzabteilung Dr. Kar- Was den „Fall Tiedge" betrifft, so sind nach der kowski störte sich daran, daß Tiedge gegen das Ver- Beweisaufnahme nur in bezug auf die persönliche haltens-comment der Elite „der Nachrichtendienst- Problematik des ehemaligen Geheimdienstlers und her" verstieß. Er habe Tiedge bei einer Gartenparty für die Behandlung dieser Problematik im Amt Aus- von der Kleidung her in ziemlich desolatem Zustand sagen vertretbar. Zur Klärung der Frage, ob durch angetroffen: den Übertritt Tiedges die „Sicherheitsinteressen" der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt „Hatte die Hose offen ... er war nicht wurden, fehlt eine ausreichende Beweisaufnahme. betrunken ... sondern sein Habitus war einfach sehr ungeklärt und desolat."

1. Der Problemfall Tiedge offenbart die Unfä- Dies habe ihn veranlaßt, sofort am nächsten Tag higkeit des Geheimdienstes, mit einem all- zum Präsidenten zu gehen und mitzuteilen, er hielte- täglichen Drogenfall umzugehen es für untragbar „daß ein Mann, der so heruntergekom- Hans-Joachim Tiedge war drogenabhängig. Seine men sei, in einer solchen Funktion tätig Abhängigkeit vom Alkohol hatte einen solchen wäre, auch im Hinblick auf die Kon- Grad erreicht, daß takte, die wir nach draußen haben. Ich „eine Beeinträchtigung seiner körper- hatte auch auf dieser Party diesen Ein- lichen und seelischen Gesundheit, sei- druck, daß er relativ isoliert war. Das ist ner mitmenschlichen Beziehungen und genau das, was man in unserem Dienst seiner sozialen und wirtschaftlichen nicht gebrauchen kann" (24/320). Funktion" offensichtlich wurde (so die gebräuchliche Defini- In den Äußerungen des Zeugen Karkowski spiegelt tion der Weltgesundheitsorganisation). sich nicht nur die in der Gesellschaft vorherr- schende Unfähigkeit wider, mit Alkoholabhängi- Hans-Joachim Tiedge war einer der etwa 1,8 Millio gen offen und rational umzugehen. Die Äußerun- nen Alkoholabhängigen in der Bundesrepublik gen weisen zugleich auf die Enge und Asozialität Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode der geschlossenen Männergesellschaft von befragt worden war, brachte Tiedges Alkoholer- Geheimdienstlern hin. krankung zu Tage. Die besondere Arbeitssituation scheint die Unfähig- Geht man von einem dem Geheimdienst immanen- keit der leitenden Beamten mit sozialen Problemen, ten Sicherheitsdenken aus, muß die Frage geklärt wie dem der Drogenabhängigkeit, umgehen zu kön- werden, ob es besondere Umstände im Fall Tiedge nen, noch zu verstärken. Anstatt Drogenabhängig- rechtfertigten, ihn im Amt zu belassen. keit als ein gerade auch in einem Geheimdienst vor- handenes Problem zu begreifen, für dessen Bewälti- Präsident Hellenbroich hat den damaligen Ent- gung dem einzelnen Hilfestellungen gegeben wer- schluß, Tiedge auf seinem Posten zu belassen, vor den müssen, wird es ausschließlich als Sicherheits- dem Ausschuß ohne Einschränkungen aufrecht problem gefaßt. Dies macht es nicht nur unmöglich, erhalten. Tiedge sei in der operativen Tätigkeit her- über solche Abhängigkeiten und ihre Ursachen vorragend gewesen, offen zu sprechen und „innerbetriebliche Lösun- „ein angesehener Fachmann mit vielen gen" zu finden. Es führt am Ende auch zu solch Ideen ... allseits anerkannt, ideenreich, inadäquaten und hilflosen Reaktionen, wie sie die phantasiereich, kontaktfreudig ... des- Amtsleitung und das Sicherheitsreferat im Fall halb war ich auch sehr dafür, ihn als Tiedge an den Tag legten. Gruppenleiter DDR einzusetzen" Nachdem spätestens in der Besprechung vom 1. (15/16 f.). Juni 1983 die Alkoholabhängigkeit Tiedges der Er habe auch nachdem ihm sein übermäßiger Alko- Amtsleitung wie dem Sicherheitsreferat offenkun- holgenuß bekanntgeworden sei, keine Handicaps dig geworden war, hätte es nahe gelegen, sich fach- entdeckt, licher Hilfe zu versichern. (Immerhin gibt es heute schon in etwa 500 Betrieben Einrichtungen, die „die in irgendeiner Form seine Lei- Drogenabhängigen Hilfestellung geben bzw. Prä- stungsfähigkeit herabgesetzt hätten" ventionsprogramme gegen den Alkoholmiß- (15/16). brauch). Stattdessen übertrug die Amtsleitung die „Betreuung Tiedges" dem zuständigen Sicherheits- Ausschlaggebend für den Entschluß vom referenten, der sich vor allem um einen Abbau der 01.07.1983, an Tiedge trotz der Sicherheitsbeden- Schulden bemühte (12/64; 15/28 f). Als sich dann ken festzuhalten, sei gewesen, daß dieser im Herbst 1984 eine Verschlechterung des Gesund- „an einer sehr schwierigen nachrichten- heitszustandes Tiedges abzeichnete, schlugen die dienstlichen Operation (maßgeblich zuständigen Sicherheitsreferenten Warbende und beteiligt war); eine Operation, die über Brox jeweils die medizinisch -wie fachlich völlig viele Jahre hinweg lief ... die ich persön- sinnlose „Observation" des Trinkverhaltens Tied- lich beaufsichtigte ... ich hatte gegen- ges vor (12/51; 12/171 f.). über einer Person persönliche Sicher- Kurz vor Tiedges Übertritt am 19.08.1985 zeigte heitsgarantien übernommen; denn sich schließlich der neue Präsident des BW, Pfahls, diese Person befand sich wegen ihrer sogar mit einer solch absurden Obse rvation einver- Mitarbeit mit dem Verfassungschutz in standen (12/171 f.). einer Gefahr für Leib und Leben. Ich mußte alles tun ... um jedes Risiko, was Diese von einer Kette von Fehleinschätzungen seine ohnehin unendliche Gefährdung geprägte Betreuung" mußte scheitern. Die dama- noch verschärfte, zu vermeiden" (15/8). lige Amtsleitung hat die naive und zugleich büro- kratische Art und Weise mit dem Alkoholabhängi- Dieser Darstellung hat der für die Spionageabwehr gen Tiedge umzugehen, zu verantworten. zuständige Abteilungsleiter Dr. Rombach in seinen Zeugenvernehmungen in allen Teilen wider- Die Konsequenzen, die Staatssekretär Neusel aus sprochen. dem Fall Tiedge vor dem Ausschuß zog, zeigen, daß vernünftige Schlußfolgerungen aus diesem Fa ll bis Eine kritische Analyse der Tätigkeit Tiedges im heute nicht gezogen worden sind. Staatssekretär Amt habe gezeigt, Neusel versicherte jedoch, das BfV sei im Verhält- ..daß Herr Tiedge für systematische und nis zu anderen Einrichtungen eine „Elitebehörde" analytische Auswertungen in seinem (5/50). 30 Problemfälle seien zwischenzeitlich ent- Zuständigkeitsbereich wenig Interesse deckt worden. Die Dunkelziffer sei jedoch nicht zeigte, daß das darauf beruhende Hin- bekannt. weisaufkommen, das mangelnde Hin- tergrundwissen einer der wesentlichen Gründe dafür gewesen sein dürfte, daß 2. Hellenbroich: Tiedge ein angesehener wir zunehmend schlechtere Ergebnisse Fachmann — Rombach: Tiedge eine im DDR-Abwehrbereich haben und daß Abwehrnull darin auch die Gründe für Tiedges Fehl- Bereits die Sicherheitsüberprüfung vor dem 1. Juli verhalten in nachrichtendienstlichen 1983, innerhalb derer auch die Zeugin Beckeschuss Einzelfällen zu sehen sind" (24/18). Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

Vor allem aber war nach der Überzeugung des zur Rettung seiner eigenen Haut für notwendig Abteilungsleiters hielt. Die Entscheidung, seinen ehemaligen CSU- Fraktionsmitarbeiter mit der Leitung der Abteilung „... die Wertigkeit der Operation zum Spionageabwehr zu beauftragen und damit zum angeblichen Abwägungszeitpunkt 1. Vorgesetzten Tiedges zu machen, hat entscheidend Juli 1983 keineswegs so, daß sie die Ein- dazu beigetragen, das „Risiko" Tiedge zu erhöhen. gehung der Risiken, d.h. die Nichtlö- Es ist nicht auszuschließen, daß diese Entscheidung sung des Falles Tiedge, gerechtfertigt hätte. Daher habe ich auch meine Zwei- bei Tiedge den Entschluß zum Übertritt auslöste. fel, ob diese Abwägung wirklich getrof- Rombachs Verhältnis zu Tiedge war schlecht. Tiedge fühlte sich nicht richtig verstanden und fen wurde „ (24/44). fachlich unterbewertet. Darüber hinaus zog Dr. Rombach auch die Behaup- tung Hellenbroichs (15/9; 24/365 ff) in Zweifel, Hellenbroich ist von Zimmermann zum Präsidenten des Amtes gemacht und damit in die Position beru- nach dem 1. Juli 1983 seien Überlegungen ange- stellt worden, die gefährdeten Doppelagenten in fen worden, in der er die Fehlentscheidung im Fall Sicherheit zu bringen. Es hätte, so Rombach, in den „Tiedge" getroffen hatte. Der Minister hat die Posi- zwei Jahren bis zum Übertritt Tiedges mehrfach tion des Präsidenten also mit einem Beamten Gelegenheit dazu bestanden (24/268). besetzt, der solchen Aufgaben, wie der im Fall Tiedge zu treffenden Entscheidung nicht gewach- Mit anderen Worten: Rombach behauptet, beson- sen war. dere Umstände, die es nötig machten, Tiedge im Amt zu belassen, gab es gar nicht. Zumindest hätten sie längst vor dem Verschwinden Tiedges beseitigt 4. Zimmermanns Camarilla-Politik schafft und Tiedge aus dem Amt entfernt werden können. Sicherheitsprobleme im BfV Welche dieser beiden Versionen zutreffend ist, läßt sich — vor allem wegen des Abbruchs der Beweis- Die Ernennung Dr. Rombachs zum Vorgesetzten aufnahme — nicht mehr feststellen. Tiedges gegen den Willen Hellenbroichs hat dazu Die Aktenunterlagen geben keinen Anhalt dafür, beigetragen, die Risiken des Geheimdienstes und inwieweit eine realistische Einschätzung im Sinne insbesondere das Risiko des Falles Tiedge weiter zu einer „Güterabwägung" vom damaligen Präsiden- erhöhen. ten Hellenbroich getroffen worden ist. Rombach hatte zwar direkten Zugang zur Spitze des Die Zeugenaussagen von Hellenbroich und Dr. Ministeriums und war auch über die Problematik Rombach sind geprägt von ihren jahrelangen Aus- Tiedges informiert. Rombach behauptete, mit dem einandersetzungen und können deshalb zur Ein- Zeugen Dörrenberg (24/350) und Dr. Karkowski schätzung der Konflikte und Entscheidungen um (24/318) die Problematik Tiedge erörtert zu haben. die Person Tiedges nicht herangezogen werden. Das Ministerium hat er jedoch genausowenig infor- miert, wie es Hellenbroich getan hatte. Gelegenheit Ganz gleich, welcher Version man glaubt, ergeben dazu hatte es bei den Gesprächen zwischen ihm und sich aber für die Beurteilung des Gesamtsachverhal- Spranger gegeben. tes und der Verantwortung des Bundesinnenmini- sters gleichermaßen eindeutige Schlußfolge- rungen. 5. Zimmermanns Verantwortung

Auf Nichtinformation kann sich der Minister nicht berufen, denn deren Ursache war seine fehlerhaf- 3. Entlassung Hellenbroichs: Opfer für Zim- ten Personalentscheidungen Hellenbroich und mermann Rombach. Zimmermann ist für seine fehlerhaften Personalentscheidungen verantwortlich, denn die Betrachtet man die Entscheidungen Hellenbroichs Aufsicht des Ministers über das BfV beschränkte als zwar risikoreich aber nachrichtendienstlich sich im wesentlichen auf die Auswahl der führen- zweckmäßig, zum Schutze von Menschenleben den Beamten. Eine solche Handhabung der Fachauf- sogar notwendig, dann erscheint die Entlassung sicht — Einsetzen der Personen des eigenen Ver- Hellenbroichs durch Zimmermann nach dem Über- trauens in die führenden Positionen — als Mittel der tritt Tiedges in die DDR sachlich als nicht gerecht- Aufsicht mag verständlich sein. Daraus ergibt sich fertigt. aber eine größere politische Verantwortung für die Hellenbroich sieht dies ebenso. Personalpolitik, eine besondere Sorgfalt bei der Auswahl von Spitzenbeamten walten zu lassen. Zur allgemeinen Überraschung bezeichnete Mini- Dazu Zimmermann: ster Zimmermann die Entscheidung Hellenbroichs nachträglich als „richtig und vertretbar". Ein sachli- „Ein Minister ist nach den Usancen in cher Grund für die Entlassung Hellenbroichs ist der Bundesrepublik Deutschland per- demnach entfallen. Die Entlassung ist nur noch als sönlich verantwortlich, wenn er selbst symbolisches Opfer zu begreifen, das Zimmermann in einer erheblichen Sache eine folgen- Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

reiche Fehlentscheidung getroffen hat, bekannt. Hellenbroich befürchtet, daß einer nicht fahrlässig seine Fach- und Dienstauf- mehr am Leben ist (Quick, 05.12.1985; 15/24). sicht über andere versäumt oder wenn er in der Personalauswahl für leitende 2. Tiedge hat die von ihm betreuten 817 nachrich- Positionen nicht zureichend gehandelt tendienstlichen Operationen sukzessive dem Mini- hat". (Der Spiegel, 30.09.1985) sterium für Staatssicherheit verraten. Hierbei fällt besonders ins Gewicht, daß 707 Operationen noch Und vor dem Innenausschuß hat der Minister noch nicht abgeschlossen gewesen sein sollen. (Emde, S. am 06.11.1985 betont: 212) „Ich bin natürlich nur für die Auswahl 3. Da Tiedge die Namen aller V-Leute in der DDR leitender Mitarbeiter verantwortlich" und von umgedrehten Doppelagenten kannte, muß (74/90). von einer nicht näher bekannten Zahl weiterer Ver- haftungen ausgegangen werden. (Quick/Emde, S. Gleich welcher der beiden Beamten eine Fehlbeset- 204) zung war, die Verantwortung für die durch die Per- sonalentscheidung des Bundesinnenministers ent- 4. Ein größerer Kreis von Personen, die aufgrund standene Lähmung der Arbeit in der Abteilung IV regelmäßiger Ost-Kontakte als V-Leute tätig waren, hat allein der Minister zu tragen. kann in absehbarer Zukunft nicht mehr in die DDR einreisen. Gleiches gilt zum Teil für Personen, die Er ist — wie Zimmermann selbst feststellte — Anwerbungsversuche des Ministeriums für Staats- „persönlich verantwortlich, wenn er sicherheit der DDR dem Verfassungsschutz offen- selbst in einer erheblichen Sache eine bart haben. (Schriftliche und mündliche Klagen folgenreiche Fehlentscheidung getrof- betroffener Bürger) fen hatte, fahrlässig seine Fach- und Dienstaufsicht über andere versäumt 5. Tiedge kannte alle im Bundesamt gebräuchlichen oder wenn er in der Personalauswahl für operativen Methoden im Bereich Spionageabwehr, leitende Positionen nicht zureichend was eine umfassende Reorganisation notwendig gehandelt hat". macht (vgl. im einzelnen und ausführlich, Emde, S. 204).

6. Beeinträchtigung der Sicher- 7. Spionage ist menschenverachtend heitsinteressen der BRD Der Schaden, den das Bundesamt durch den Über- Der als „geheim" klassifizierte Bericht über den tritt Tiedges zu tragen hat, ist nach den übereinstim- Übertritt des Referatsgruppenleiters in der Abtei- menden Aussagen aller Experten beträchtlich. lung IV des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Die Kosten für eine Reorganisation der Arbeit, die die DDR (interministerieller Bericht vom Gewinnung neuer V-Leute etc. gehen in die Mil- 30.10.1985) enthält nur allgemeine Andeutungen. lionen. Konkrete Angaben etwa dazu, welche Sicherheits- interessen beeinträchtigt sein könnten und zu den Geschadet hat die Vorgehensweise des Verfas- der Güterabwägung Hellenbroichs zugrunde lie- sungsschutzes mit Sicherheit mehreren DDR-Bür- genden Operationen z.B. finden sich ausschließlich gern, die von bundesdeutschen Geheimdiensten, in der Presse. mit welchen Argumenten auch immer, als Agenten bzw. Doppelagenten angeworben worden waren. Eine Tatsache, die deutlich macht, daß es dem Sie haben nicht nur mit hohen Strafen zu rechnen. Untersuchungsausschuß nicht gelungen ist, seine Der ehemalige Präsident des BfV ging in seiner Ver- parlamentarischen Kontrollaufgaben wahrzuneh- nehmung sogar davon aus, daß eine dieser Personen men. Auch wenn die Angaben der Presse in Teilen nicht mehr am Leben sein wird. Fehler enthalten dürften, so vermitteln sie in ihrer Gesamtheit doch ein genaueres Bild als die Unterla- Dieser „Schaden" wiegt um so schwerer, als der Vor- gen des Ausschusses. wurf des Leiters der Abteilung IV, Dr. Rombach, es sei trotz des erkannten Risikos zu keiner Zeit syste- Faßt man die Angaben in Veröffentlichungen von matisch geprüft worden, ob diese Personen in „Quick", „Stern" und „Spiegel" sowie dem Buch von Sicherheit hätten gebracht werden können, nie aus- Emde (Heiner Emde, Spionage und Abwehr in der geräumt wurde. Es ist deshalb nicht auszuschließen, Bundesrepublik Deutschland, von 1979 bis heute, daß der Geheimdienst, nur um weitere geheime Bergisch-Gladbach 1986) zusammen, so ergibt sich Erkenntnisse aus Ost-Berlin zu erhalten, die wach- eine Liste von Folgen des Übertritts Tiedges: sende Gefährdung seiner Informanden bewußt in Kauf genommen hat. 1. Zumindest ein hochrangiges Agentenehepaar, das in den Vorzimmern der Macht in Ost-Berlin ver- Trifft dieses zu, so wäre in diesem Fall eine Grenze kehrte, ist durch den Übertritt Tiedges enttarnt wor- überschritten worden, die durch das Grundgesetz den. Über ihren weiteren Verbleib ist nichts allem staatlichen Handeln gesetzt ist. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

VII. Schlußfolgerungen

Eine umfassende Aufklärung der Arbeit des Bun- Alle Versuche, wenigstens verbindlich, rechtlich desamtes für Verfassungsschutz scheiterte an den überprüfbar zu definieren, wer „Verfassungsfeind" von der Parlamentsmehrheit durchgesetzten Bedin- und damit Objekt der Begierde des Verfassungs- gungen für die Ausschußarbeit, wie Beschränkung schutzes ist, sind gescheitert. Die heutige Festlegung des Untersuchungsauftrags, Aktenvorenthaltung des „Verfassungsfeindes" entspricht im wesentlichen und letztlich vorzeitiger Abbruch der Beweisauf- exekutiven und politischen Opportunitätserwägungen. nahme. Zahl und Charakter der von den Verfassungsschut- zämtern eingesetzten Mittel wurden immer bedroh- Die Schlußfolgerungen ruhen daher nur auf: licher. So reichen die bekannten nachrichtendienst- — in den vergangenen Jahren öffentlich geworde- lichen Mittel heute bis zum Einsatz von Provokateu- nen Teilen der Arbeit des Bundesamtes; ren und Sprengstoffanschlägen. —den Erkenntnissen der Beweisaufnahme des Aus- Alle Versuche, die Arbeit des Bundesamtes für Ver- schusses über die Aktivitäten des Bundesamtes fassungsschutz durch Parlamentarische Kontroll-Gre- und mien wie PKK, G- 1 0-Ausschuß usw. wirksam zu kon- — den Erkenntnissen über das Zusammenwirken trollieren, blieben erfolglos. von Bundesinnenministerium und Bundesamt. Eine Sanierung ist nur möglich durch die Abschaf- Danach sind folgende Feststellungen zu treffen: fung des Geheimdienstes, Bundesamt für Verfas- sungsschutz.

1. Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln ist überflüssig und gefährlich 2. Bundesinnenminister Dr. Zimmermann trägt die direkte politische Verantwortung Überflüssig, well die durch die Verfassung festge- für die Affäre Tiedge und ihre Folgen legte Grundordnung durch eine im geheimen arbei- tende Behörde nicht wirksam zu schützen ist. Der Minister hat sich um die Arbeit des Bundesam- Gefährlich, weil ein Verfassungsschutz der Entwick- tes für Verfassungsschutz selbst kaum gekümmert. lung freier demokratischer Willensbildung, freier Er hat nach dem Grundsatz gehandelt, daß er seiner Meinungsäußerung und einer demokratischen Ord- Aufsichts- und Kontrollpflicht gegenüber dem nung entgegensteht. Geheimdienst dadurch nachkommen könne, daß er die leitenden Positionen des Amtes mit Personen Die Geschichte des Bundesamtes ist eine Kette von aus seiner Umgebung, seines Vertrauens vor allem Skandalen und Affären, die jeweils einen Blick auf die aber seiner eigenen Partei besetzt. Praxis des Verfassungsschutzes freigegeben haben, zu dessen täglicher Arbeit es offenbar gehört, Ver- In besonderem Maße gilt dies für den Bereich der fassungsgrundsätze zu mißachten und Grundrechte Abteilung „Spionageabwehr", in der Tiedge von Bürgerinnen und Bürgern zu verletzen. beschäftigt war. Trotz aller Warnungen bei der Gründung dieses Die für den Arbeitsbereich und die Person Tiedges, Geheimdienstes ist das Bundesamt ein sein Verbleiben und seine Stellung im Amt, unmit- Instrument telbar Verantwortlichen der letzten Jahre hat der zum Nutzen der jeweils Regierenden in der politi- schen Auseinandersetzung geworden. Minister persönlich ausgewählt. Die Auswahl der leitenden Mitarbeiter durch Mini- Der Wirkungskreis des Bundesamtes und der von ster Zimmermann erwies sich als grob fehlerhaft. seinen Aktivitäten betroffene Personenkreis ist ständig weiter ausgedehnt worden. Die politische An dem von ihm selbst befürworteten Maßstäben Betätigung immer größerer Teile der Bevölkerung gemessen, muß sich der Minister deshalb die Män- wird vom Bundesamt beobachtet und registriert, die so gel und Fehler der von ihm eingesetzten Vorgesetz- gewonnenen „Erkenntnisse" werden gespeichert und ten Tiedges und deren Folgen zurechnen lassen. genutzt. Der von Minister Zimmermann eingesetzte Präsi- dent Hellenbroich hat die falsche Entscheidung Eine rechtlich oder tatsächlich verbindliche Ein- getroffen und unterlassen, den Minister und das grenzung der Befugnisse und des Handlungsspielraums Ministerium zu unterrichten. des Verfassungsschutzes, die an den Grundsätzen freiheitlicher und demokratischer Verfassung Der von Bundesinnenminister Dr. Zimmermann orientiert ist, ist in der Vergangenheit nicht geleistet gegen den Willen der Amtsleitung als Leiter der worden. Sie ist nicht machbar. Abteilung „Spionageabwehr" eingesetzte persön- Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode liche Vertraute des Ministers, Dr. Rombach, unter- Aktivitäten des Verfassungschutzes ausgesetzt ließ es ebenfalls, den Minister oder das Ministerium werden. von dem Problem „Tiedge" zu unterrichten. Er Die Handlungweise des PStS Spranger stellte eine deckte damit die Fehlentscheidung der Amtsleitung erneute zusätzliche Verletzung des Grundrechts des Bundesamtes. Darüber hinaus hat die Einset- des Schutzes der Persönlichkeit der Betroffenen zung Rombachs zur Verschärfung des Problems dar. Sie verstieß elementar gegen das informatio- „Tiedge" geführt. nelle Selbstbestimmungsrecht. Auch der von Bundesinnenminister Dr. Zimmer- Der im Verfassungsschutzgesetz formulierte mann als Nachfolger des Präsidenten Hellenbroich Zweck der Feststellung „extremistischer Einflüsse" eingesetzte Dr. Pfahls erkannte die Problematik führt in der Praxisdes BW dazu, daß jedermann will Tiedges nicht schnell genug und reagierte mit der -kürlich den. Nachstellungen und Aktivitäten des Anordnung von Observation, die Tiedges Panik nur Verfassungsschutzes ausgesetzt ist. erhöhte.

3. Bundesinnenminister Dr. Zimmermann und 4. Die Parlamentarischen Kontrollorgane Parlamentarischer Staatssekretär Spran- haben versagt ger tragen die direkte Verantwortung für den permanenten Rechtsbruch durch das Die Parlamentarische Kontrollkommission, der Bundesamt für Verfassungsschutz G- 10-Ausschuß und der Unterausschuß des Haus- haltsausschusses für die Kontrolle der Geheim- In dieser Legislaturperiode wurden verstärkt demo- dienstfinanzen sind bei der Aufdeckung der kratische Gruppierungen und Organisationen Geheimdienstaffären bedeutungslos geblieben. bespitzelt; die dabei gewonnenen, auch personen- Sie haben nicht dazu beigetragen, die i llegalen bezogenen Informationen gespeichert, ausgewer- Geheimdienstpraktiken zu verhindern oder auch tet und für den politischen Meinungskampf der Bun- nur einzugrenzen. desregierung aufbereitet. Von der Annahme von Geldern aus der deutschen Das BW hat Gruppierungen aus der Friedens- und Industrie für die Geheimdienste und von den Ökologiebewegung und demokratische Organisa- Finanzaktionen der Minister verschiedener Regie- tionen wie die Gewerkschaften, die Partei DIE GRÜ- rungen haben die Gremien z.B. erst erfahren, als die NEN beobachtet und die dabei gewonnenen Infor- Medien darüber berichteten. Aber auch dann hat mationen gespeichert. die Parlamentarische Kontrollkommission nichts Minister und Parlamentarischer Staatssekretär zur weiteren Aufklärung, aber alles zur Vertu- haben davon gewußt und diese Praxis gebilligt. schung dieses Skandals beigetragen. Staatssekretär Spranger hat diese i llegale Informa- Auch die Anfragen Sprangers an das Bundesamt für tionssammlung genutzt. Verfassungsschutz sind an der Parlamentarischen Kontrollkommission spurlos vorübergegangen. Die Er hat Berichte über Aktivitäten und Personen der PKK hat sich ohne Ergebnis lediglich mit den Indis- Friedensbewegung oder über „Funktionsträger der kretionen des „Nachrückerpapiers" in der „Bild-Zei- Partei DIE GRÜNEN" beim BfV angefordert. tung" befaßt. Spranger hat einen Bericht über die „Funktionsträ- Vor allem aber haben diese Gremien die Praxis des ger in der Partei DIE GRÜNEN" an seinen Partei- BfV, Hunderttausende von Bundesbürgern zu freund, den Abgeordneten Todenhöfer weiterge- bespitzeln und deren Daten zu speichern und auszu- geben. werten weder verhindert noch auch nur Teile Spranger hat dazu beigetragen, daß das „Nachrük- davon ans Licht der Öffentlichkeit gebracht. Von- kerpapier" an die „Bild-Zeitung" gelangte und der sogenannten P-2-Datei mit Sozialdaten vieler andere Informationen über den politischen Gegner Bundesbürger hat offenbar auch die Parlamentari- aus der Partei DIE GRÜNEN an das „ZDF-Magazin". sche Kontrollkommission noch nicht einmal Kennt- nis gehabt. Die Beobachtung und Informationssammlung von Bürgerinnen und Bürgern aus demokratischen In der gegenwärtigen Besetzung blockieren sich die Gruppierungen ist eine andauernde Verletzung des Parteienvertreter gegenseitig nach dem Motto: Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit „Rührst Du nicht an meinem Geheimnis, und des Grundrechts auf informationelle Selbstbe- rühre ich nicht an Deinem". stimmung. Alle in den Gremien heute vertretenen Parteien Sie waren auch durch das Verfassungsschutzgesetz sind in Geheimdienstaffären selbst verwickelt. und durch den vorgegeben Zweck der Feststellung „extremistischer Einflüsse" nicht gerechtfertigt, Faktisch bewirkt die vertrauliche Information aus denn mit dieser Begründung könnte grundsätzlich gesuchter Parlamentarier in den Geheimdienstkon willkürlich jedermann den Nachstellungen und trollgremien des Deutschen Bundestages vor allem Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

die gegenseitige Einbindung der in Bund und Län- dern in unterschiedlicher Weise am Geheimdienst- wissen partizipierenden Parteien in ein geschlosse- nes Geheimniskartell. Diese Gremien symbolisieren nur einen Anspruch, eine Verheißung an die Bürger, die nicht eingehal- ten werden. Die praktizierte Form parlamentarischer Geheim- dienstkontrolle — unter Ausschluß der GRÜNEN — ist lediglich symbolischer Art und nutzlos.

Die Fraktion DIE GRÜNEN hat an der Erarbeitung des feststellenden Bericht- sachverhaltes nicht mitgewirkt. Mit Ausnahme der folgenden Änderungen trägt die Fraktion DIE GRÜNEN den darstellenden Teil aber mit.

Ergänzungen und Änderungen „Das Verhältnis von Präsident Hellenbroich und Dr. zum darstellenden Teil des Berichtes Rombach wird durch folgende Zitate aus der Ver- des 2. Untersuchungsausschusses nehmung des Dr. Rombach vom 17. April 1986 ge- kennzeichnet: Seite 12 Einfügen der abgelehnten Anträge der Fraktion DIE GRÜNEN „Er (Hellenbroich) gab Erklärungen ab, er traf Entscheidungen ohne Detailkenntnisse, bzw. die 1. Zur Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses waren so unpräzise und deckten sich nicht mit Antrag vom 2. Oktober 1985 (Drs. 10/3931) unseren Erkenntnissen, was die Folge hatte, daß 2. Zur Ergänzung des Untersuchungsauftrages natürlich ein Auftraggeber, der also merkt wir Antrag vom 14. Januar 1986 (Drs. 10/4837) informieren ihn nicht solide, daß wir unsere Ver trauenswürdigkeit sehr leicht verlieren ... Eingefügt werden sollte zumindest eine inhaltliche Zusammenfassung der Anträge. Das war gelegentlich so, wenn er (Hellenbroich) in der Sache sich nicht so stark fühlte, dann Seite 15 rechte Spalte wurde das ausgeglichen durch knackige Begrün- 28. Zeile von oben. dungen, durch knackige Formulierungen, kompe- Zwischen „eigene Entscheidung" und „ausgeübt" rative Superlative ... einfügen: Mir ist in der Abteilung gesagt worden, daß es „insbesondere durch Personalentscheidungen, wie gelegentlich Anlässe gab, wo wir Informationen die über die Besetzung der Stellen der Amtsleitung geben mußten an PKK, an Politiker, ans BMI, und der Amtsleiter des BfV". und wir hatten nichts ... dann hatte er gelegent- lich vorgeschlagen, sagen wir dieses oder jenes. Seite 20 rechte Spalte Dann ist ihm vorgehalten worden, aber das kön- Zwischen dem vorletzten und letzten Absatz einfü- nen wir doch gar nicht beweisen, dafür haben wir - gen: keine Erkenntnisse. Dann hätte er gesagt: Aber wer kann uns das denn beweisen? ... „Auswahl und Ernennung zum Präsidenten erfolg- ten durch den Bundesinnenminister Dr. Zimmer- Es gab eine Reihe von Problemen, die er in der mann". Zwischenzeit geschafft hat — Herr Hellenbroich — im Grunde Probleme zwischen Gruppenlei- Seite 21 tern geschaffen. Er versprach dem einen Grup- penleiter den Posten des anderen. Er hielt seine Zur Kennzeichnung des Verhältnisses von Präsi- Versprechen dann nicht. Aber der andere erfuhr dent a. D. Hellenbroich und Abteilungsleiter Dr. davon. Ich hatte zwei frustrierte Gruppenlei- Rombach ist die Wiedergabe weiterer Teile der Aus- ter ... sagen der Zeugen am Tage ihrer Gegenüberstel- lung vom 17. April 1986 (24/9 ff) erforderlich. Er wurde der Worms des Verfassungsschutzes genannt .. . Ich schlage vor, auf Seite 22 rechte Spalte vor dem zweiten Absatz von oben oder Seite 23 linke Spalte Das hätte kein Oberinspektor durchgehen las vor Ziffer 3 einzufügen: sen .. . Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

Präsident a. D. Hellenbroich hat diese Darstellun- broich an Parlamentarischen Staatssekretär Spran- gen in seiner Zeugenvernehmung bestritten. ger übergebenen Teile des Schily-Papiers.

Seite 36 rechte Spalte Seite 42 linke Spalte Erster Absatz, Zeile 8 zwischen „Dem Untersu- Hinter dem vierten Absatz wäre ein Vermerk hin- chungsausschuß" und „vor" einfügen: zuzufügen, daß das „Schily-Papier" als Anlage dem „unvollständig". Bericht beigefügt ist.

Seite 37 linke Spalte Seite 43 rechte Spalte Zweiter Absatz, Zeile 4, hinter „beeinträchtigt wor- Hinter fünfter Absatz einfügen: den" einfügen: „Ministerialrat Dr. Mensing hat wegen dieses Be- „Umfang und Schwere des angerichteten Schadens richtes jedenfalls beim BW angefragt, ob im Auf- waren nicht konkret feststellbar, weil insoweit eine trage des Parlamentarischen Staatssekretärs Beweisaufnahme durch Einsicht in die entspre- Spranger, wie Präsident a. D. Hellenbroich angibt chenden Berichte im Ausschuß nicht möglich war". und wie Bundesinnenminister Dr. Zimmermann vor dem Innenausschuß erklärt hatte, war nicht mit Si- Seite 38 rechte Spalte cherheit festzustellen." Nach dem zweiten Absatz fehlt eine nähere Be- schreibung der vom Parlamentarischen Staatsse- Seite 44 rechte Spalte kretär Spranger entwickelten Tätigkeit im Zusam- Dritter Absatz, Zeile 6 das Wort „noch" streichen. menhang mit dem Verfassungsschutzbericht 1984. In der übernächsten Zeile das Wort „er" durch die Seite 40 linke Spalte Worte „Parlamentarischer Staatssekretär selbst" ersetzen. Fünfter Absatz, Zeile 4 vor „linksextremistischen Zusammenschlüssen" einfügen: Seite 45 linke Spalte „angeblich" Erster Absatz, elfte Zeile das Wort „seine" strei- Ferner fehlt hier eine zumindest beispielhafte Auf- chen. zählung der aufgeführten „Erkenntnisse". Ferner fehlen die Feststellungen des Ausschusses über die frühere Praxis der Inanspruchnahme des Seite 42 linke Spalte Bundesamtes für Verfassungsschutz durch Abge- Erster Absatz, Zeile 6, fehlt eine inhaltliche Benen ordnete der Regierungsfraktionen und Mitglieder nung des angeblich von Präsident a. D. Hellen der jeweiligen Regierungen.

- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

4. Abschnitt: Anlagen Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

Anlage 1

Beschlüsse zur Beweisaufnahme

1. Beweisbeschluß vom 24. Oktober 1985 antwortlichkeiten für den Bereich der Inne- ren Sicherheit; I. Es wird Beweis erhoben über folgende Fragen: 2. zu I. 2. durch Beiziehung der entsprechenden 1. Wie wird im Bundesministerium des Innern Organisationserlasse, Dienstanweisungen die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über und sonstigen Regelungen über die Zusam- die Zusammenarbeit des Bundes und der menarbeit zwischen Bundesministerium des Länder in Angelegenheiten des Verfassungs- Innern und Bundesamt für Verfassungs- schutzes obliegende Verantwortung für das schutz Bundesamt für Verfassungsschutz wahrge- nommen? 2.1. im Bereich des Bundesministerium des Innern 1.1. organisatorisch 2.2. im Bereich des Bundesamtes für Verfas- 1.2. persönlich durch Bundesminister Dr. sungsschutz Friedrich Zimmermann 3. zu I. 5. durch Beiziehung 2. In welcher Form ist die regelmäßige Zusam- menarbeit mit dem Bundesamt für Verfas- 3.1. der zu diesen Fällen im Bundesministe- sungsschutz sichergestellt? rium des Innern vorhandenen Fallakten 2.1. organisatorisch 3.2. der zu diesen Fällen für die Berichter- stattung des Bundesministers des In- 2.2. persönlich durch Bundesminister Dr. nern an das Bundeskanzleramt, die Par- Friedrich Zimmermann lamentarische Kontrollkommission und 3. Welche Änderungen hat der Bundesminister den Innenausschuß des Deutschen Bun- des Innern Dr. Friedrich Zimmermann seit destages gefertigten Unterlagen ein- seinem Amtsantritt vorgenommen? schließlich der Sprechzettel 3.1. organisatorisch 3.3. der zum Fall Höke für die Berichterstat- 3.2. in der praktischen Handhabung tung des Staatssekretärs im Bundesprä- sidialamt an den Verteidigungsausschuß 4. In welcher Weise hat Bundesminister Dr. des Deutschen Bundestages gefertigten ' Friedrich Zimmermann — neben der allge- Unterlagen meinen Fachaufsicht — dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz die Un- 3.4. die zu der Person des früheren Gruppen- terstützung gewährt, die dieser zur Erfüllung leiters im Bundesamt für Verfassungs- seiner Aufgaben benötigte oder verlangte? schutz, Tiedge, bei Behörden des Bundes vorhandenen Personal-, Beihilfe- und 5. Wie erfolgte diese Aufsicht, Zusammenarbeit sonstigen Akten und Aufzeichnungen und Unterstützung, insbesondere in den Fäl- len Lüneburg, Tiedge, Höke und Willner, ins- 4. zu I.1.-4. durch Anforderung von schriftli- besondere: chen Übersichten jeweils mit Auflistung der Sitzungen seit 1982, Themen und Teilneh- 5.1. Welchen Kenntnisstand hatten Bundes- mern sowie Dauer der Teilnahme über minister Dr. Friedrich Zimmermann und das Bundesministerium des Innern je- 4.1. die „Sicherheitslagen" des Bundesmini- weils zu welchem Zeitpunkt bzw. hätten steriums des Innern sie bei pflichtgemäßer Wahrnehmung ih- 42. die „nachrichtendienstlichen Lagen" im res Amtes haben müssen? Bundeskanzleramt 5.2. Welche Entscheidungen hat Bundesmi- 4.3. den „Jour fixe" der Abteilung IS des Bun-- nister Dr. Friedrich Zimmermann getrof- desministeriums des Innern mit der Ab- fen oder unterlassen? teilung I des Bundesamtes für Verfas- 5.3. In welcher Weise sind die jeweils betrof- sungschutz fenen Verfassungsorgane, insbesondere 4.4. die Dienstbesprechungen zwischen Bun- das Bundespräsidialamt und der Bun- desministerium des Inneren und Bun- deskanzler, über vorliegende Erkennt- desamt für Verfassungsschutz nisse unterrichtet worden, und welche 5. zu I. 1.-5. durch Vernehmung folgender Per- Entscheidungen konnten von den Betrof- sonen als Zeugen fenen veranlaßt werden und wurden ver- — Bundesminister Dr. Friedrich Zimmer- anlaßt. mann II. Beweis soll erhoben werden — Parlamentarischer Staatssekretär Carl- 1. zu I. 1. + 3. durch Beiziehung der entspre- Dieter Spranger chenden Organisationserlasse, Dienstanwei- — Staatssekretär Hans Neusel, Bundesmini- sungen und sonstigen Regelungen der Ver sterium des Innern Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

— Staatssekretär a. D. Dr. Siegfried Fröh- Wege der Vernehmung der Zeugen aus dem Bun- lich desamt für Verfassungschutz und dem Bundesmini- — Staatssekretär Prof. Dr. Waldemar sterium des Innern werden Organisationspläne Schreckenberger, Bundeskanzleramt (Spinnen) des Bundesamtes für Verfassungsschutz, — Staatssekretär Dr. Klaus Blech, Bundes- zumindest der Abteilungen, in denen Tiedge tätig präsidialamt war, beigezogen. Die Bundesregierung wird aufge- fordert, eine Zusammenstellung der unmittelbaren — Präsident des Bundesamtes für Verfas- Kollegen von Tiedge (Vorgesetzte, Mitarbeiter, Se- sungsschutz Dr. Pfahls kretärinnen) seit seinem Eintritt in das Bundesamt — Präsident des Bundesnachrichtendien- für Verfassungsschutz mit jeweiliger Funktionsbe- stes a. D. Heribert Hellenbroich zeichnung vorzulegen. — Vizepräsident des Bundesamtes für Ver- fassungsschutz Dr. Stefan Pelny — Dr. Engelbert Rombach, Leiter der Abtei- 4. Beweisbeschluß vom 5. Dezember 1985 lung Spionageabwehr im Bundesamt für Verfassungsschutz Es wird Beweis erhoben über die Frage, welchen Kenntnisstand Bundesminister Dr. Friedrich Zim- — Ministerialdirektor Dr. Gerhard Heuer, mermann bzw. das Bundesministerium des Innern Leiter der Abteilung Innere Sicherheit im im Fall Tiedge zu welchem Zeitpunkt von den beste- Bundesministerium des Innern henden Sicherheitsrisiken hatte bzw. hätte haben — Ministerialrat Dr. Werthebach, Leiter des müssen, durch Vernehmung von Referats IS 2 im Bundesministerum des Innern 1. Oberst a. D. Trömner, Nachbar von Hansjoachim Tiedge in Köln-Merheim — Ministerialrat Bracht, Leiter des Referats IS 2 im Bundesministerium des Innern 2. Frau Bekeschus, Nachbarin und zeitweilig Haus- — Ministerialrat Quarder, Leiter des Refe- hälterin von Hansjoachim Tiedge rats IS 4 im Bundesministerium des In- 3. Herr de Haas, Präsident der Karnevalsgesell- nern schaft, in der Hansjoachim Tiedge Mitglied war — Ministerialdirektor Kirchner, Leiter der Abteilung Z im Bundesministerium des 4. dem Wirt des Lokals „Merheimer Hof" in Köln- Innern Merheim, in dem Hansjoachim Tiedge Stamm- gast gewesen sein soll — Ministerialrat Starke, Leiter des Referats Z 2 im Bundesministerium des Innern 5. Dr. Pohl, Abgeordneter des Landtags von Nord- — Ministerialrat Dr. Nilges, Leiter des Refe- rhein-Westfalen rats Z 4 im Bundesministerium des In- nern als Zeugen. — Ministerialdirektor Härdtl, Leiter der Ab- teilung G im Bundesministerium des In- 5. Beweisbeschluß vom 12. Dezember 1985 nern III. Die Bundesregierung wird aufgefordert, den be- In Ausführung des Untersuchungsauftrages — ins- reits benannten Zeugen uneingeschränkte Aus- besondere den Punkten II.1 und II.2 des Beweis- sagegenehmigung zu erteilen. beschlusses (Ausschuß-Drs. 10/4) wird Beweis erho- ben zu den Fragen: 2. Beweisbeschluß vom 28. November 1985 a) in welcher Form die Bedenken, die in der Abt. V des BfV gegen die Person T. seit 1983 geäußert Es wird Beweis erhoben über die Frage, welchen wurden, innerhalb des BW und gegenüber Be- Kenntnisstand Bundesminister Dr. Friedrich Zim- amten des BMI geltend gemacht wurden mermann bzw. das Bundesministerium des Innern im Falle Tiedge zu welchem Zeitpunkt von den be- durch Vernehmung stehenden Sicherheitsrisiken hatte bzw. hätte ha- ben müssen, — des ORR Deckenbrock, Referatsleiter in der Abt. V BfV durch Vernehmung — des ORR Warbende, bis Ende 1984 zuständiger 1. des früheren AL IV im Bundesamt für Verfas- Referatsleiter für den Fall Tiedge in der Abt. V sungsschutz, Dr. Rudolf von Hoegen, BfV 2. des AL VI im Bundesamt für Verfassungsschutz, — des Ltd. RD Brox, Stellv. von Dir. Grünewald Klaus Grünewald, beim BfV; als Zeugen am 5. Dezember 1985. b) inwieweit die Sicherheitsbedenken der Abt. Z des BW bekannt waren und den zuständigen Be- amten des BMI vorgetragen wurden 3. Beweisbeschluß vom 5. Dezember 1985 durch Vernehmung Zur besseren Übersicht bei der Durchführung der Beweisaufnahme zum Untersuchungsauftrag im — des Leiters der Abteilung Z im BW Grünig. Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

6. Beweisbeschluß vom 24. Januar 1986 und Fachaufsicht über das Bundesamt für Ver- fassungsschutz vernachlässigt hat, indem er Es wird Beweis erhoben über die Frage, ob Bundes- billigte oder duldete, daß Parlamentarischer minister Dr. Zimmermann seine Dienst- und Fach- Staatssekretär Spranger beim Bundesamt für aufsicht über das Bundesamt für Verfassungs- Verfassungsschutz Berichte insbesondere über schutz vernachlässigt hat, indem er billigte oder Politiker und Parlamentarier der „Grünen" an- duldete, daß Parlamentarischer Staatssekretär forderte und anderen Mitgliedern seiner Frak- Carl-Dieter Spranger beim Bundesamt für Verfas- tion zugänglich machte, sungsschutz Berichte insbesondere über Politiker durch Vernehmung von und Parlamentarier der „Grünen" anforderte und anderen Mitgliedern seiner Fraktion zugänglich Direktor beim BW Bloch machte, Beigeordneter Dr. Mensing Mitarbeiter im BMI Kowalski durch Vernehmung von als Zeugen. Bundesminister Dr. Friedrich Zimmermann II. Zu dem vorgenannten Beweisthema werden Parlamentarischer Staatssekretär Carl-Dieter auch die bereits mit Beschluß vom 24. Oktober Spranger 1985 benannten Zeugen Präsident des Bundesamtes für Verfassungs- schutz Dr. Holger Pfahls St a. D. Dr. Fröhlich Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungs- MD Härdtl schutz Dr. Stefan Pelny MD Dr. Heuer Präsident des Bundesnachrichtendienstes a. D. MR Dr. Werthebach MR Bracht Heribert Hellenbroich MR Quarder als Zeugen. gehört. III. Es wird Beweis erhoben zu Ziff. I 1 bis 4 des 7. Beweisbeschluß vom 24. Januar 1986 Beweisbeschlusses vom 24. Oktober 1985 durch Vernehmung von Es wird Beweis erhoben über die Frage, ob Bundes- St Kroppenstedt minister Dr. Zimmermann seine Dienst- und Fach- aufsicht über das Bundesamt für Verfassungs- als Zeuge. schutz vernachlässigt hat, indem er billigte oder duldete, daß Parlamentarischer Staatssekretär Carl-Dieter Spranger beim Bundesamt für Verfas- 9. Beweisbeschluß vom 4. März 1986 sungsschutz Berichte insbesondere über Politiker 1. Die Zeugen und Parlamentarier anforderte und anderen Mit- gliedern seiner Fraktion oder Dritten zugänglich Dr. Engelbert Rombach machte, Dr. Holger Pfahls durch Vorlage sämtlicher zu derartigen Berichten werden erneut zu Ziffer I 1 bis 4 des Beweisbe- vorhandener Unterlagen des Bundesamtes für Ver- schlusses vom 24. Oktober 1985 vernommen. fassungsschutz und des Bundesministerium des In- 2. Die Zeugen nern, und zwar einschließlich Heribert Hellenbroich 1. des förmlichen Auftrags; falls nur mündlich er- Dr. Engelbert Rombach teilt, durch Vorlage dienstlicher Erklärungen über den Inhalt; werden erneut zum Zwecke der Gegenüberstellung geladen. 2. Benennung des Auftragsadressaten und etwai- ger Personen, über die der Auftrag übermittelt wurde; 10. Beweisbeschluß vom 4. März 1986 3. Zeitpunkt der Auftragserteilung und etwaiger Fristsetzung; Es ist Beweis zu erheben darüber, daß der Abtei- lungsleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz, 4. Unterlagen bezüglich der Auftragserfüllung mit Dr. Engelbert Rombach, noch vor dem August 1985 sämtlichen Entwurfsfassungen und den endgülti- den nachbenannten Zeugen berichtete, er habe den gen Berichten; damaligen Präsidenten Hellenbroich auf Sicher- 5. Angaben über die Personen, denen derartige Be- heitsrisiken im Zusammenhang mit dem ehemali- richte in außerhalb vom BMI und BW zugänglich gen Verfassungsschutzbeamten Tiedge hingewie- gemacht wurden. sen und von dem Präsidenten Einzelheiten über Er- gebnisse der Sicherheitsprüfung dieses Beamten erfahren, 8. Beweisbeschluß vom 20. Februar 1986 durch Vernehmung von I. Es wird Beweis erhoben über die Frage, ob — Direktor beim Bundesamt für Verfassungs- Bundesminister Dr. Zimmermann seine Dienst- schutz, Dr. Josef Karkowsky und Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

— Leitendem Regierungsdirektor beim Bundes 14. Beweisbeschluß vom 18. April 1986 amt für Verfassungsschutz, Dirk Dörrenberg In Ausführung des Beweisbeschlusses, Drs. 10/18, als Zeugen. wird Beweis erhoben über die Frage, ob Bundesin- nenminister Dr. Friedrich Zimmermann seine Dienst- und Fachaufsicht über das Bundesamt für 11. Beweisbeschluß vom 4. März 1986 Verfassungsschutz vernachlässigt hat, indem er bil- ligte oder duldete, daß der Parlamentarische Staats- Es soll Beweis erhoben werden zum Untersu- sekretär Spranger beim Bundesamt für Verfas- chungsauftrag, hier insbesondere zu der Frage, ob sungsschutz Berichte insbesondere über Politiker die persönlichen Probleme des Referatsgruppenlei- und Parlamentarier anforderte und anderen Mit- ters im Bundesamt für Verfassungsschutz, Hans- gliedern seiner Fraktion zugänglich machte, durch Joachim Tiedge, einem größeren Personenkreis be- 1. die Vorlage des Berichtes beim BMI, die dem kannt waren, damaligen Vorsitzenden der Parlamentarischen Kontrollkommission, Dr. Dregger, zum Nachrük- durch Vernehmung von kerpapier und dessen Indiskretionierung über- — Direktor beim Bundesamt für Verfassungs- sandt wurde; schutz, Dr. Josef Karkowski, Abteilungslei- 2. die Vorlage der Originale der Sprechzettel für ter V und den Innenminister zur PKK-Sitzung betr. das — Leitendem Regierungsdirektor beim Bundes Nachrückerpapier, das von Ministerialrat Bracht amt für Verfassungsschutz, Dirk Dörrenberg erstellt wurde. Soweit sich die Paraphen der Be- amten, die diese Zettel zur Kenntnis genommen als Zeugen. und weitergereicht haben, nicht auf den Zetteln befinden, sind auch Aktenumschläge bzw. Vor- blätter vorzulegen; 12. Beweisbeschluß vom 20. März 1986 3. die Vorlage der Sprechzettel für den Minister des Es wird Beweis erhoben über die Frage, ob Bundes- Innern zum Vortrag vor dem Innenausschuß im minister Dr. Friedrich Zimmermann seine Dienst- Dezember 1985 über das Nachrückerpapier. und Fachaufsicht über das Bundesamt für Verfas- sungsschutz vernachlässigt hat, indem er billigte oder duldete, daß Parlamentarischer Staatssekretär 15. Beweisbeschluß vom 24. April 1986 Carl-Dieter Spranger beim Bundesamt für Verfas- sungsschutz Berichte insbesondere über Politiker Es wird Beweis erhoben über die Frage, welchen und Parlamentarier anforderte und anderen Mit- Kenntnisstand Bundesminister Dr. Zimmermann gliedern seiner Fraktion oder Dritten zugänglich und das Bundesministerium des Innern jeweils zu machte, welchem Zeitpunkt vom Fall Tiedge gehabt haben oder bei pflichtgemäßer Wahrnehmung ihres Amtes durch Vorlage der beim Bundesamt für Verfas- hätten haben müssen, sungsschutz und beim Bundesministerium des In- nern vorhandenen Unterlagen, insbesondere des durch Vorlage des Gästebuches der Familie Tied- von dem Zeugen Dr. Werthebach erwähnten Be- ge. richts des Bundeskriminalamtes, die den früheren Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungs- schutz, Heribert Hellenbroich, veranlaßten, auf den 16. Beweisbeschluß vom 24. April 1986 Auftrag von Parlamentarischem Staatssekretär Spranger vom 5. Dezember 1984, Erkenntnisse über Es wird Beweis erhoben über die Frage, in welchem von Brauchitsch (Flick) zusammenzustellen, in der Ausmaß die Sicherheitsinteressen der Bundesrepu- Besprechung vom 19. Dezember 1984 auf den Fall blik Deutschland während der Amtszeit des Bun-- „Kanter" hinzuweisen und anzuregen, diesen Fall desministers des Innern, Dr. Friedrich Zimmer- als Hintergrundmaterial der Presse zu übergeben. mann, durch Vorgänge im Bereich der Spionageab- wehr beeinträchtigt worden sind, durch Vorlage des Berichts des Bundesamtes für 13. Beweisbeschluß vom 18. April 1986 Verfassungsschutz an das Bundesministerium des Innern Die Protokolle der Sitzungen des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, in denen sich der In- zu den Auswirkungen des Falles Tiedge (Schadens- nenausschuß mit den dem Untersuchungsauftrag feststellungsbericht des Bundesamtes). zugrundeliegenden Spionagefällen und Fällen der Anforderung von Berichten des Bundesamtes für Verfassungsschutz durch Parlamentarischen 17. Beweisbeschluß vom 24. April 1986 Staatssekretär Spranger oder im Auftrag von Parla- mentarischem Staatssekretär Spranger befaßt hat, Es wird Beweis erhoben über die Frage, wie der werden förmlich beigezogen und zum Gegenstand Bundesminister des Innern, Dr. Friedrich Zimmer der Beweisaufnahme gemacht. mann, die ihm nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

über die Zusammenarbeit des Bundes und der Län- 20. Beweisbeschluß vom 24. April 1986 der in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes obliegende Aufsicht über und Verantwortung für Es wird Beweis erhoben über die Frage, ob Bundes- das Bundesamt für Verfassungsschutz wahrgenom- minister Dr. Friedrich Zimmermann seine Dienst- men hat; insbesondere über die Frage, welche Ent- und Fachaufsicht über das Bundesamt für Verfas- scheidungen Bundesminister Zimmermann getrof- sungsschutz vernachlässigt hat, indem er billigte fen oder unterlassen hat, und duldete, daß der Parlamentarische Staatssekre- tär, Carl-Dieter Spranger, beim Bundesamt für Ver- durch Vorlage der Gesprächsunterlagen des Bun- fassungsschutz Berichte, insbesondere über Politi- desministers Dr. Zimmermann für das Gespräch ker und Parlamentarier anforderte und anderen mit dem damaligen Präsidenten des Bundesamtes Mitgliedern seiner Fraktion oder Dritten zugäng- für Verfassungsschutz, Heribert Hellenbroich, am lich machte, durch Vorlage 13. Mai 1985. a) des Fernschreibens des Bundesamtes für Verfas- sungsschutz bezüglich der Indiskretionierung 18. Beweisbeschluß vom 24. April 1986 des Nachrückerpapiers an das BMI, Referat IS II (etwa am 22. April 1985) und dem daraufhin an- Es wird Beweis erhoben über die Frage, ob Bundes- gefertigten Vorgang in den Akten des BMI. minister Dr. Friedrich Zimmermann seine Dienst- b) der Unterlagen über die Ermittlungen, die nach und Fachaufsicht über das Bundesamt für Verfas- § 57 der VS-Anweisung von Ministerialdirektor sungsschutz vernachlässigt hat, indem er billigte Dr. Heuer über die Indiskretionierung des Nach- oder duldete, daß der Parlamentarische Staatsse- rückerpapiers eingeleitet wurden (Protokoll kretär, Carl-Dieter Spranger, beim Bundesamt für 19/75). Verfassungsschutz Berichte, insbesondere über Po- litiker und Parlamentarier anforderte und anderen Mitgliedern seiner Fraktion oder Dritten zugäng- 21. Beweisbeschluß vom 24. April 1986 lich machte, Es wird Beweis erhoben über die Frage, ob Bundes- durch Vorlage des Briefwechsels zwischen Staats- minister Dr. Friedrich Zimmermann seine Dienst- sekretär Neusel und dem Bundesamt für Verfas- und Fachaufsicht über das Bundesamt für Verfas- sungsschutz im Januar 1986 über die Einstufung sungsschutz vernachlässigt hat, indem er billigte des Berichts über linksextremistische Bestrebun- oder duldete, daß der Parlamentarische Staatsse- gen in der Partei der GRÜNEN als VS-vertraulich. kretär, Carl-Dieter Spranger, beim Bundesamt für Verfassungsschutz Berichte, insbesondere über Po- litiker und Parlamentarier anforderte und anderen 19. Beweisbeschluß vom 24. April 1986 Mitgliedern seiner Fraktion oder Dritten zugäng- lich machte, Es wird Beweis erhoben über die Frage, ob Bundes- minister Dr. Friedrich Zimmermann seine Dienst- durch Vorlage der vom BW an das BMI übersand- und Fachaufsicht über das Bundesamt für Verfas- ten Berichte, auf die das Amt in seiner (mündli- sungsschutz vernachlässig hat, indem er billigte chen) Antwort auf die Anfrage des Parlamentari- oder duldete, daß der Parlamentarische Staatsse schen Staatssekretärs Spranger vom 29. August kretär Carl-Dieter Spranger beim Bundesamt für 1984 über die kommunistischen Einflüsse in den Verfassungsschutz Berichte, insbesondere über Po- Kirchen und der kirchlichen Friedensarbeit verwie- litiker und Parlamentarier anforderte und anderen sen hat. (Aussage Hellenbroich, 17/59; Schreiben Mitgliedern seiner Fraktion oder Dritten zugäng- Staatssekretär Neusel vom 3. Februar 1986). lich machte durch Vorlage a) der vom damaligen Präsidenten des Bundesam- 22. Beweisbeschluß vom 5. Juni 1986 tes für Verfassungsschutz, Hellenbroich, dem Es wird Beweis erhoben darüber, daß in der Ver- Parlamentarischen Staatssekretär Spranger am - 19. Dezember 1984 überreichten Auszüge aus gangenheit über viele Jahre hinweg Anfragen von dem Vermerk III C 34/080 — S — 210 022 betref- Mitgliedern des Deutschen Bundestages nach ex- fend MdB Schily (mit grüner Klammer), tremistischen Einflußnahmen auf demokratische Parteien und sonstige Organisationen unter Ver- b) des Berichts vom BW über die bei den Verfas- wendung von Erkenntnissen des Bundesamtes für sungsschutzämtern und anderen Sicherheitsbe- Verfassungsschutz beantwortet wurden, wobei hörden über den MdB Schily vorhandenen Er- diese Anfragen den im Untersuchungsausschuß kenntnisse, der am 18. April 1985 am Rande ei- verfahrensgegenständlichen Berichtsaufträgen des ner Ministerlage von Parlamentarischem Staats- für Angelegenheiten der Inneren Sicherheit zustän- sekretär Spranger beim damaligen Präsidenten digen Parlamentarischen Staatssekretärs im Bun- Hellenbroich veranlaßt wurde (vorgeblich für Dr. desministerium des Innern vergleichbar waren, Dregger als PKK-Vorsitzenden) (Vgl. Aussage Hellenbroich 19. Februar 1986, Prot. 17), durch Vernehmung des Leiters der Abteilung III des Bundesamtes für Verfassungsschutz, c) der zu diesen Papieren in den Akten des BMI vorhandenen Vermerke, die über den Lauf der Direktor beim Bundesamt für Verfassungsschutz, Papiere im BMI Aufschluß geben könnten. Hans-Joachim Bloch, als Zeugen. Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode Drucksache 10/6584

Anlage 2

Liste der Zeugen

Lfd. Protokoll-Nr./ Nr. Name Vorname Amtsbezeichnung/Funktion/Stellung ab Seite

1 Bekeschus Margarethe Hausfrau; zeitweise Haushälterin von Hans- 10/24 joachim Tiedge 2 Bloch Hans-Joachim Direktor beim Bundesamt für Verfassungsschutz 25/10; 26/11 (Leiter der Abteilung III: Linksextremismus) 3 Bracht Hans-Werner Ministerialrat im Bundesministerium des Innern 22/334 (Leiter eines Teils des Referates IS 2: Rechtsex- tremismus, Linksextremismus, Ausländerextre- mismus) 4 Brox Georg Leitender Regierungsdirektor im Bundesamt für 12/6 Verfassungsschutz (Gruppenleiter und Vertreter des Abteilungsleiters in der Abteilung VI: — Aus- länderextremismus) 5 Deckenbrock Wolfgang Oberregierungsrat im Bundesamt für Verfas- 12/161 sungsschutz (seit 1. 6. 1985 Leiter des Sicherheits- referats) 6 Dörrenberg Dirk Leitender Regierungsdirektor beim Bundesamt 24/349 für Verfassungsschutz 7 Dr. Fröhlich Siegfried Bis 31.7. 1985 Staatssekretär im Bundesministe- 22/201 rium des Innern 8 Grünewald Klaus Direktor beim Bundesamt für Verfassungsschutz 6/154 (Leiter der Abteilung VI: Ausländerextremismus) 9 Grünig Christoph Direktor beim Bundesamt für Verfassungsschutz 11/7 (Leiter der Zentralabteilung) 10 de Haas Adam 1. Vorsitzender der Karnevalsgesellschaft „Die 10/41 Große von 1823", in der Hansjoachim Tiedge Mit- glied war 11 Härdtl Wighard Ministerialdirektor im Bundesministerium des 19/69 Innern (Leiter der Abteilung G: Innenpolitische Grundsatzfragen) 12 Hellenbroich Heribert Bis 31.7. 1985 Präsident des Bundesamtes für Ver- 15/5; 17/5; fassungsschutz 24/155 13 Dr. Heuer Gerhard Ministerialdirektor im Bundesministerium des 19/4 Innern (Leiter der Abteilung IS: Innere Sicher- heit) 14 Dr. von Hoegen Rudolf Direktor beim Amt für den Militärischen Ab- 6/38 Schirmdienst (vom 1. 3. 1980 bis 25.6. 1983 und 1.4. 1982 bis 30. 10. 1983: Leiter der Abteilung IV im Bundesamt für Verfassungsschutz: Spionageab- wehr) 15 Dr. Karkowski Josef Direktor beim Bundesamt für Verfassungsschutz 24/314 (Leiter der Abteilung V: Geheimschutz) 16 Kirchner Heinz Ministerialdirektor a. D. (vom 18. April 1984 bis 19/180 31. 12. 1985: Leiter der Zentralabteilung im Bun- desministerium des Innern) 17 Kowalski Hans-Günter Regierungsdirektor im Bundesministerium des 20/1 Innern (Leiter des Referats G 3: Pressereferat) 18 Kroppenstedt Franz Seit 17.5. 1983 Staatssekretär im Bundesministe- 22/121 rium des Innern 19 Lorenz Johann Selbständiger Gastronom, Inhaber der Gaststätte 10/45 „Merheimer Hof" Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

Protokoll - Nr./ Name Vorname Amtsbezeichnung/Funktion/Stellung Nr. ab Seite

20 Dr. Mensing Wilhelm Beigeordneter der Stadt Gelsenkirchen (vom 1. 1. 20/136 1983 bis 25.4. 1985 Leiter des Referats IS 7 des Bundesministeriums des Innern: Analysen und geistig-politische Auseinandersetzung im Bereich der Inneren Sicherheit) 21 Neusel Hans Seit 1. 8. 1985 Staatssekretär im Bundesministe- 5/5 rium des Innern 22 Dr. Nilges Heinrich Ministerialrat im Bundesministerium des Innern 18/5 (Leiter des Referats Z 4: Personalausgaben im Geschäftsbereich des BMI, einschließlich BGS) 23 Dr. Pelny Stefan Seit 16.5. 1983 Vizepräsident des Bundesamtes 8/8; 14/17 für Verfassungsschutz 24 Dr. Pfahls Ludwig Holger Seit 1. 8. 1985 Präsident des Bundesamtes für Ver- 16/5; 23/5 fassungsschutz 25 Quarder Peter Ministerialrat im Bundesministerium des Innern 20/246 (Leiter des Referats IS 4; Geheim- und Sabotage- schutz, Geheimschutzbeauftragter, Nationale Si- cherheitsbehörde) 26 Dr. Rombach Engelbert Direktor beim Bundesamt für Verfassungsschutz 7/5ff.; 24/1c (seit 1.12. 1983 Leiter der Abteilung IV: Spionage- abwehr) 27 Prof. Dr. Waldemar Staatssekretär beim Bundeskanzler und Beauf- 22/5 Schrecken- tragter für die Koordination der Nachrichtendien- berger ste 28 Spranger Carl-Dieter Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundes- 29/1 c minister des Innern 29 Starke Detlef Ministerialrat im Bundesministerium des Innern 18/20 (Leiter des Referats Z 2: Personalangelegenheiten der zum Geschäftsbereich des BMI gehörenden Dienststellen, außer Vollzugsbeamte des BGS) 30 Trömner Hans Oberst a. D., Nachbar Hansjoachim Tiedges 10/6 31 Warbende Rolf Oberregierungsrat im Bundesamt für Verfas- 12/39 sungsschutz (18. 7. 1984 bis 31.5. 1985: kommissa- rischer Leiter des Sicherheitsreferats) 32 Dr. Werthebach Eckart Ministerialrat im Bundesministerium des Innern 21/5 (Leiter eines Teils des Referats IS 2: Allgemeine Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, Spio- nageabwehr) 33 Dr. Zimmer- Friedrich Bundesministerium des Innern 30/5 mann Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

Anlage 3

Verzeichnis der zur Beweiserhebung beigezogenen Akten und Unterlagen

Absen Ein Beweis Nr. beschluß Bezeichnung oder Inhalt der Akten verteilt an Art der der gang A-Drs.Nr. Akte

1 BMI 6.11.85 zum 1. Bb. — G 10-Akte „Höke" (Geheim/VS- Vorsitzender 1 Hefter 10/4 Vertr.) Sty. Vorsitzender 1 Hefter — G 10-Akte „Willner" (Geheim/VS- Obleute 1 Hefter Vertr.) — 1 Vorgang „Willner" aus den Jah- ren 1973 bis 1975 aufgrund einer Anfrage von britischer Seite (VS- Vertraulich) 2 BMI 6.11.85 zum 1. Bb. — Bericht der vom BMI im Fall Vorsitzender 1 Hefter 10/4 Tiedge am 23. August 1985 einge- Sty. Vorsitzender setzten Sonderarbeitsgruppe vom Obleute 30. Oktober 1985 (Schlußbericht) — (Geheim) — 1 Vorgang Sprechzettel für den Vorsitzender 1 Hefter Bundesminister des Innern zur Stv. Vorsitzender Vorbereitung der Sitzungen der Obleute Parlamentarischen Kontrollkom- mission vom 27. August 1985, 4. September 1985, 20. September 1985 und 25. September 1985 so- wie des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 2. September und 23. September 1985 zu den Fällen Tiedge und Willner (Geheim/VS-Vertraulich) 3 BfV/ 8.11.85 zum 1. Bb. — Personalakten Tiedge: BMI 10/4 1 Band Personalakten Ausschuß- 1 Hefter (Teile A—C) mitglieder 1 Band Personalakten (Teil D) 1 Hefter 1 Heft Unfallakten 1 Heft 1 Heft Wohnungsfürsorge 1 Heft 1 Band Zahlstellenakte 1 Hefter 1 Band Hausakte Tiedge (BMI) Ausschuß- 1 Hefter mitglieder 1 Heft Funktionsübertragung — Ausschuß- 1 Heft Referatsgruppenleiter — an RD mitglieder Tiedge 1981/82 (BMI) 1 Band Sicherheitsakten (VS-Ver- Vorsitzender 1 Hefter traulich) St. Vorsitzender Obleute 1 Band Dienst-Kfz Tiedge 1 Ordner - 2 Bände Reisekostenabrechnung 2 Ordner und Wegstreckenentschädigung (VS-Vertraulich — intern) 1 Hefter 1 Band Vorschußzahlungen für nachrichtendienstliche Operatio- 1 Hefter nen 1 Band Arbeitsvorschuß 4 BMI 12.11.85 zum 1. B. — Organisationserlasse, Dienstan- Ausschuß- 1 Heft 10/4 weisungen und sonstige Rechts- mitglieder normen zur Regelung der Verant- wortlichkeiten des Bundesmini- sters des Innern für den Bereich der Inneren Sicherheit (Ziff. II 11. Beweisbeschluß) Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode noch Anlage 3

Beweis der Absen Ein verteilt an Art Nr. beschluß Bezeichnung oder Inhalt der Akten Akte der gang A-Drs.Nr.

— Auflistung der Sicherheitslagen Ausschuß- 2 Blatt im BMI seit dem 4. Oktober 1982 mitglieder (Ziff. II 4.1 1. Beweisbeschluß) — Auflistung der Besprechungen Ausschuß- 1 Blatt des Bundesministeriums des In- mitglieder nerv mit dem BfV anläßlich des „Jour Fixe" seit 1982 (Ziff. II 4.3 1. Beweisbeschluß) — Auflistung der sonstigen Dienst- Ausschuß- 1 Heft besprechungen zwischen BMI mitglieder und BfV (Ziff. II 4.4 1. Beweis- beschluß) — Erlasse und Richtlinien über die Vorsitzender 1 Ordner Zusammenarbeit zwischen BMI Stv. Vorsitzender und BfV (ziff. II. 2.1 1. Beweis- Obleute beschluß) (VS-Vertraulich) — Interne Weisungen und Dienst- vorschriften des BW über die Zu- sammenarbeit mit dem BMI (Ziff. II. 2.2, 1. Beweisbeschluß) (VS-Vertraulich) 5 Bun- 12.11.85 zum 1. Bb. — Übersicht über die nachrichten- Ausschuß- 5 Blatt des- 10/4 dienstlichen Lagen im Bundes- mitglieder kanz- kanzleramt seit Oktober 1982 leramt (Ziff. II. 4.2 1. Beweisbeschluß) 6 Bun- 22.11.85 zum 1. Bb. — Unterlage des Chefs des Bundes- Vorsitzender 1 Hefter des- 10/4 präsidialamt, StS Klaus Blech, Stv. Vorsitzender präsi- für seine Berichterstattung im Obleute dialamt Fall Höke vor dem Verteidi- gungsausschuß am 4. September 1985 (Ziff. II. 3.3 1. Beweisbe- schluß) 7 BfV/ 21.11.85 zum 1. Bb. — Beihilfe-Akten Tiedges 2 Hefter BMI 10/4 8 Land- — Protokoll 10/83 der Sitzung des Ausschuß- 1 Proto- tag Hauptausschusses des Landtages mitglieder koll NRW von NRW vom 24. Oktober 1985 in geheftet dem sich der Hauptausschuß mit 22 Seiten dem Fall Tiedge befaßte

9 BMI 5.12.85 zum 1. Bb. — Dienstliche Erklärungen des Ausschuß- 1 Vor- - 10/4 PStS Spranger, des Präsidenten mitglieder gang des BND a. D. Hellenbroich, des (12 Blatt) Vizepräsidenten des BW Dr. Pel- ny, des Direktors beim MAD Dr. v. Hoegen und des Direktors beim BfV Dr. Rombach sowie die Presseerklärung des BMI vom 22. August 1985 zum Fall Tiedge 10 BMI 10.12.85 — Stellungnahme des StS im BMI, Ausschuß- 1 Schrei- Neusel, zu den jeweiligen Anläs- mitglieder ben sen, für die Abgabe der mit (3 Blatt) Schreiben vom 5. Dezember 1985 . übersandten Dienstlichen Erklä- rungen Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

noch Anlage 3

Beweis Art der Absen Ein Bezeichnung oder Inhalt der Akten verteilt an Nr. der gang beschluß Akte A-Drs.Nr.

11 BMI 29. 1.86 zum 7. Bb. — Schreiben des ehemaligen Präsi- Ausschuß- 1 zusam- 10/18 denten des BfV, Hellenbroich an mitglieder menge- den PStS im BMI, Spranger, vom setzter 16. Januar 1985 mit den durch Hefter PStS Spranger angeforderten Be- mit richten zu „Linksextremistischen 6 Vor- Einflüssen innerhalb der Partei gängen DIE GRÜNEN" vom 8. und 15. Ja- nuar 1985 (VS-NfD und VS-Ver- traulich) *) — Schreiben des Pressereferats des Ausschuß- BMI vom 14. Februar 1985 an mitglieder MdB Dr. Todenhöfer mit Über- sendung der BW-Berichte vom B. Januar 1985 und 15. Januar 1985 zu 11 — Schreiben des ehemaligen Präsi- Ausschuß- denten des BfV, Hellenbroich, an mitglieder PStS Spranger vom 10. Mai 1985 betr. Anfrage des Vorsitzenden der PKK, MdB Dr. Dregger, zur Identifikation des MdB Schily mit dem Terrorismus (VS-NfD) — Dienstliche Erklärung des PStS Ausschuß- Spranger vom 28. Januar 1986 mitglieder zum Inhalt der Anfrage — Zwei Vermerke des ehemaligen Ausschuß- Präsidenten des BfV, Hellen- mitglieder broich, über eine Besprechung bei PStS Spranger am 5. Dezem- ber 1984: Berichtsaufträge zu: a) „Linksextremistischer Einfluß auf die GRÜNEN" b) Idenfikation des MdB Schily mit dem Terrorismus c) Städtefreundschaften mit Städten im Ostblock d) Weltjugendfestspiele 1985 in Moskau e) Nachrichtendienstliche Er- ' kenntnisse über v. Brau- chitsch (Flick) im Zusammen- - hang mit der Parteispendenaf- färe Vermerk des Vizepräsidenten des BFV, Dr. Pelny, über einen telefo- nisch übermittelten Auftrag des PStS Spranger zu etwaigen Er- kenntnisse des BW über mögli- che Nachrücker der GRÜNEN in den 10. Deutschen Bundestag v. 29. April 1985 — Dienstliche Erklärung des PStS Ausschuß- Spranger vom 28. Januar 1986 zu mitglieder den Vermerken des ehemaligen Präsidenten des BfV, Hellen- broich *) VS-Einstufung nachträglich durch PStS Spranger aufgehoben Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode noch Anlage 3

Beweis Nr. Absen Ein beschluß Bezeichnung oder Inhalt der Akten verteilt an Art der der gang A-Drs.Nr. Akte

zu 11 BMI 5. 3.86 zum 7. Bb. — Interner Berichtsentwurf des Ausschuß- 1 Vor- 10/18 BfV vom 20. Dezember 1985 „Zu mitglieder gang linksextremistischen Einflüssen innerhalb der Partei DIE GRÜ- NEN" sowie 2 Vorlagen zu die- sem Entwurf (VS-NfD)

12 BMI 11. 2.86 zum 7. Bb. — Bericht des BW vom 16. April Ausschuß- Zusam- 10/18 1985 zu „Weltfestspiele der Ju- mitglieder menge- gend und Studenten" faßter Hefter mit 4 Vor- gängen

zu 12 — Vermerk des ehemaligen Präsi- Ausschuß- denten des BfV, Hellenbroich, mitglieder vom 30. August 1984 über ein Ge- spräch bei PStS Spranger am 29. August 1984. Berichtsaufträ- ge: a) Innere Verhältnisse in . der DDR — Wirken des Ministeri- ums für Staatssicherheit b) Kommunistische Friedensar- beit — Dienstliche Erklärung des PStS Spranger zum Vermerk des ehe- maligen BW-Präsidenten Hellen- broich vom 30. August 1984 — Bericht des BfV vom 9. November Ausschuß- 1984: „Das Wirken des Ministeri- mitglieder ums für Staatssicherheit inner- halb der DDR"

13 BMI 14. 3.86 zum 7. Bb. — 1 Vorgang „Einflußagenten — Vorsitzender 1 Heft 10/18 Aktive Maßnahmen" Stv. Vorsitzender Bericht des BW an PStS Spran- Obleute ger vom 22. Oktober 1984 (VS- Vertraulich) — 1 Vorgang „Aktive Maßnahmen Ausschuß- östlicher Nachrichtendienste". mitglieder (Aufbereitung des Berichts vom 22. Oktober 1984 für die Öffent- - lichkeitsarbeit) — 1 Exemplar „Innere Sicherheit" Ausschuß- 1 Heft 1/85 mitglieder Veröffentlichung des aufbereite- ten Berichts vom 22. Oktober 1985 — Bericht des BW vom 28. August Ausschuß- 1 Heft 1985 gemäß Auftrag des PStS mitglieder Spranger zur Bündnispolitik der DKP, insbesondere zur Politik der Aktionseinheit mit der SPD Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode Drucksache 10/6584

noch Anlage 3

Absen Ein Beweis Art der Nr. beschluß Bezeichnung oder Inhalt der Akten verteilt an der gang A-Drs.Nr. Akte

14 BMI 18. 4.86 zum 7. Bb. — Stellungnahme des PStS Spran- Ausschuß- 1 Blatt 10/18 ger vom 15. Januar 1986 zu den mitglieder Umständen bezüglich des Auf- trags hinsichtlich linkssextremi- stischer Einflüsse auf die GRÜ- NEN — Stellungnahme des RD Kowalski Ausschuß- 1 Blatt vom 8. Januar 1986 zur Übersen- mitglieder dung dieses Berichts an Abg. To- denhöfer zu 14 — Erklärung von Dr. Mensing zu Ausschuß- 2 Blatt dem Auftrag an das BfV bezug- mitglieder lieh extremistischer Einflüsse auf Nachrücker der GRÜNEN — Zusammenfassender Vermerk Ausschuß- 1 Heft des BW vom 7. Februar 1983 über mitglieder MdB Schily (VS-NfD) 15 Deut- 24. 4.86 zum — Stenographisches Protokoll der Ausschuß- 1 Proto- scher 13. Bb. 74. Sitzung des Innenausschusses mitglieder koll Bun- 10/30 vom 2. September 1985: Bericht destag, des Bundesministers des Innern Innen- über die aktuellen Spionagefälle aus- und den Übertritt des Regie- schuß rungsdirektors im BfV, Hans- joachim Tiedge 16 Deut- 24. 4.86 zum — Stenographisches Protokoll der Ausschuß- 1 Proto- scher 13. Bb. 76. Sitzung des Innenausschusses mitglieder koll Bun- 10/30 vom 23. September 1985: Unter- destag, richtung durch die Bundesregie- Innen- rung über deren Vorgehen im aus- mutmaßlichen Spionagefall Will- schuß ner 17 Deut- 24. 4.86 zum — Stenographisches Protokoll der Ausschuß- 1 Proto- scher 13. Bb. 90. Sitzung des Innenausschusses mitglieder koll Bun- 10/30 vom 18. Dezember 1985: Aktuelle destag, Unterrichtung des Bundesmini- Innen- sters des Innern, Dr. Friedrich aus- Zimmermann, über Aufträge des schuß BMI, in Sonderheit des PStS Spranger an das BW unter be- sonderer Berücksichtigung der in - den letzten Tagen bekanntgewor- denen einzelnen Aufträge an das BfV 18 Deut- 24. 4.86 zum — Stenographisches Protokoll der Ausschuß- 1 Proto- scher 13. Bb. 92. Sitzung des Innenausschus- mitglieder koll Bun- 10/30 ses, TOP 10, vom 22. Januar 1986: destag, Aktuelle Unterrichtung des Bun- Innen- desministers des Innern, Dr. aus- Friedrich Zimmermann, über die schuß Aufträge des BMI, in Sonderheit des PStS Spranger an das BW unter besonderer Berücksichti- gung der einzelnen Aufträge an das BW Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode noch Anlage 3

Absen Ein Beweis Art der Nr. beschluß Bezeichnung oder Inhalt der Akten verteilt an Akte der gang A-Drs.Nr.

19 BMI 15. 5.86 zum — Briefwechsel zwischen StS Neu- Ausschuß- 1 Heft 18. Bb. sel und dem BW vom 17. Januar mitglieder 10/36 1986 über die Aufhebung der Einstufung als VS-Vertraulich bzw. VS-NfD der Berichte des BfV vom 15. Januar und 8. Januar 1985 (siehe auch lfd. Nr. 11) 20 BMI 5. 6.86 zum — Schreiben des Staatssekretärs H. 1 Hefter 21. Bb. Neusel (BMI) vom 5. Juni 1986: 10/39 Übersendung von — Kommunistische Frontorgani- sationen im ideologischen Klassenkampf, Text zur Inne- ren Sicherheit, 3. Auflage (1985) — Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 14. Juni 1984: Kommunistische Einflußnahme durch interna- tionale Frontorganisationen 21 BMI 16. 6.86 zum 14. — Schreiben des Staatssekretärs H. 1 Hefter und 20.B. Neusel (BMI) vom 13. Juni 1986: 10/47 Übersendung von: — Schreiben des BMI vom . 7. Juni 1986 an den Abgeordne- ten Jahn (Marburg) und an den Vorsitzenden der Parla- mentarischen Kontrollkom- mission, Abgeordneter Dr. Dregger, bezüglich der Indis- kretionierung des Vermerks des Bundesamtes für Verfas- sungsschutz vom 22. März 1985, betreffend „Linksextre- mistische Einflußnahme auf die Partei DIE GRÜNEN"; hier: Erkenntnisse über mögli- che „Nachrücker" für die Bun- destagsfraktion der „GRÜ- NEN" im 10. Deutschen Bun- destag" in der Ausgabe der Zeitung „Bild" am 20. April 1985 - — Sprechzettel für den Bun- desminister des Innern für die Sitzung der Parlamentari- schen Kontrollkommission am 12. Juni 1985 zur Indiskretio- nierung des BfV-Berichts vom 22. März 1985 — Sprechzettel für den Bundes- minister des Innern für die Sondersitzung des Innenaus- schusses am 18. Dezember 1985 zu den Aufträgen des Parlamentarischen Staatsse- kretärs an das Bundesamt für Verfassungsschutz Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

noch Anlage 3

Beweis- Nr. Absen Ein Art der der gang beschluß Bezeichnung oder Inhalt der Akten verteilt an A-Drs.Nr. Akte

— Ein Vorgang über die Indis- ' kretionierung des BfV-Be- richts vom 22. März 1985 — Ein Vorgang über die Ermitt- lungen des Bundesministeri- ums des Innern, die wegen der Indiskretionierung gem. § 57 der Verschlußsachenanwei- sung durchgeführt wurden

- Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag - 10. Wahlperiode

Anlage 4

Verzeichnis der Ausschußdrucksachen des 2. Untersuchungsausschusses

Drucksachen- Nummer Art, Datum und Inhalt

10/1 Entwurf eines ersten Beweisbeschlusses des Sekretariats vom 14. Oktober 1985 10/2 Beweisantrag der Abgeordneten der Fraktion der SPD vom 16. Oktober 1985 10/3 Beweisantrag des Abgeordneten Ströbele vom 17. Oktober 1985 10/4 Erster Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsausschusses vom 24. Oktober 1985 10/5 Schreiben des Staatssekretärs H. Neusel (BMI) vom 5. November 1985: Übersendung von Fallakten des Bundesministeriums des Innern - G 10-Akte Höke - G 10-Akte Willner - Ein Vorgang Willner aus den Jahren 1973 bis 1975, der aufgrund einer Anfrage von britischer Seite entstanden ist (Zu Zifff. II. 3.1 1. Beweisbeschluß) 10/6 Schreiben des Staatssekretärs H. Neusel (BMI) vom 5. November 1985: Übersendung - des Berichts der vom Bundeministerium des Innern im Fall Tiedge eingesetzten Son- derarbeitsgruppe der beteiligten Bundesministerien und Nachrichtendienste (Stand 30. Oktober 1985); - der im Bundesministerium des Innern zu den Fällen Tiedge und Willner erstellten Sprechzettel für die Sitzungen der Parlamentarischen Kontrollkommission am 27. Au- gust 1985, 4. September 1985, 20. September 1985 und 25. September 1985 und die Sitzun- gen des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 2. September 1985 und 23. September 1985 (Zu Ziff. II. 3.2 1. Beweisbeschluß) 10/7 Schreiben des Staatssekretärs H. Neusel (BMI) vom 6. November 1985: Obersendung der Personalakten des Regierungsdirektors Tiedge mit Ausnahme der Beihilfevorgänge (Zu Ziff. II. 3.4 1. Beweisbeschluß) 10/8 Schreiben des Staatssekretärs H. Neusel (BMI) vom ß. November 1985: Übersendung von Organisationserlassen, Dienstanweisungen und sonstigen Regelungen für den Bereich der Inneren Sicherheit sowie über die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesministerium des Innern und dem Bundesamt für Verfassungsschutz (Zu Ziff. II. 1, II. 2 1. Beweisbeschluß) 10/9 Schreiben des Staatsekretärs beim Bundeskanzler und Beauftragten für die Nachrichten- dienste, Prof. Dr. Schreckenberger, vom 12. November 1985: Übersendung einer Übersicht über die nachrichtendienstlichen Lagen im Bundeskanzleramt seit Oktober 1982. (Zu Ziff. II. 4.2 1. Beweisbeschluß) 10/10 Schreiben des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof, Prof. Dr. Rebmann, vom 30. Oktober 1985: GBA sieht keine Veranlassung, sich gegenüber dem 2. Untersuchungsaus- schuß zu äußern 10/11 Schreiben des Staatssekretärs H. Neusel (BMI) vom 4. November 1985: Datenschutzrechtli- che Bedenken gegen die Übersendung der aufgrund des 1. Beweisbeschlusses angeforder- ten Beihilfeakten Hansjoachim Tiedges 10/12 Schreiben des Staatssekretärs Dr. Blech, Chef des Bundespräsidialamtes, vom 19. Novem- ber 1985: Übersendung einer Unterlage für dessen Äußerung vor dem Verteidigungsaus- schuß am 4. September 1985 zum Fall Höke Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

noch Anlage 4

Drucksachen- Nummer Art, Datum und Inhalt

10/13 2. Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsausschusse vom 28. November 1985: Vernehmung Dr. von Hoegen, Grünewald zu der Frage, welchen Kenntnisstand Bundesminister Dr. Friedrich Zimmermann bzw. das Bundesministerium des Innern im Falle Tiedge zu welchem Zeitpunkt von den bestehenden Sicherheitsrisiken hatte bzw. hätte haben müs- sen. 10/14 3. Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsausschusses vom 5. Dezember 1985: Beiziehung von Organisationsplänen des Bundesamtes für Verfassungsschutz und einer Zusammen- stellung der unmitelbaren Kollegen Tiedges 10/15 4. Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsausschusses vom 5. Dezember 1985: Vernehmung Trömner, Bekeschus, de Haas, Lorenz, Dr. Pohl (Mitglied des Landtages von Nordrhein- Westfalen); Thema: siehe 2. Beweisbeschluß 10/16 5. Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsausschusses vom 12. Dezember 1985: Vernehmung Deckenbrock, Warbende, Brox zu der Frage, in welcher Form die Bedenken, die in der Abt. V des Bundesamtes für Verfassungsschutz gegen die Person Tiedges seit 1983 geäußert wurden, innerhalb des Bundesamtes für Ver- fassungsschutz und gegenüber Beamten des Bundesministeriums des Innern geltend gemacht wurden und Grünig zu der Frage, inwieweit die Sicherheitsbedenken der Abt. Z des Bundesamtes für Verfassungsschutz bekannt waren und den zuständigen Beamten des Bundesministeriums des Innern vorge- tragen wurden 10/17 6. Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsausschusses vom 24. Januar 1986: Vernehmung von Bundesminister Dr. Zimmermann, Parlamentarischem Staatssekretär Spranger, Dr. Pfahls, Dr. Pelny, H. Hellenbroich zu den Aufträgen des Parlamentarischen Staatssekre- tärs Spranger an das Bundesamt für Verfassungsschutz 10/18 7. Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsausschusses vom 24. Januar 1986: Beiziehung sämtlicher Unterlagen zu den Aufträgen des Parlamentarischen Staatssekretärs Spranger an das Bundesamt für Verfassungsschutz 10/19 Schreiben des Staatssekretärs H. Neusel (BMI) vom 28. Januar 1986: Übersendung von — Schreiben des ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hel- lenbroich an den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium des Innern Spranger vom 16. Januar 1985 mit den durch Parlamentarischen Staatssekretärs Spran- ger angeforderten Berichten zu „Linksextremistischen Einflüssen innerhalb der Partei DIE GRÜNEN" vom 8. und 15. Januar 1985 — Schreiben des Pressereferats des Bundesministeriums des Innern vom 14. Februar 1985 an den Abgeordneten Todenhöfer mit Übersendung der Berichte des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 8. und 15. Januar 1985 — Schreiben des ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hel- lenbroich an den Parlamentarischen Staatssekretär Spranger vom 10. Mai 1985 betr. Anfrage des Vorsitzenden der Parlamentarischen Kontrollkommission, Abgeordneter Dr. Dregger, zur Identifikation des Abgeordneten Schily mit dem Terrorismus — Dienstliche Erklärung des Parlamentarischen Staatssekretärs Spranger vom 28. Ja- nuar 1986 zum Inhalt der Anfragen — Zwei Vermerke des ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hellenbroich über eine Besprechung beim Parlamentarischen Staatssekretär Spranger am 5. Dezember 1984: Berichtsaufträge zu: a) „Linksextremistischer Einfluß auf die GRÜNEN" b) Identifikation des Abgeordneten Schily mit dem Terrorismus c) Städtefreundschaften mit Städten im Ostblock Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag - 10. Wahlperiode noch Anlage 4

Drucksachen- Nummer Art, Datum und Inhalt

d) Weltjugendfestspiele 1985 in Moskau e) Nachrichtendienstliche Erkenntnisse über von Brauchitsch (Flick) im Zusammen- hang mit der Parteispendenaffäre - Vermerk des ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 19. Dezember 1984 über eine Besprechung beim Parlamentarischen Staatssekretär Spranger am 19. Dezember 1984 zur Erledigung der Aufträge vom 5. Dezember 1984 - Vermerk des Vizepräsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Dr. Pelny über einen telefonisch übermittelten Auftrag des Parlamentarischen Staatssekretärs, Spran- ger, zu etwaigen Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz über mögliche Nachrücker der GRÜNEN in den 10. Deutschen Bundestag vom 29. April 1985 - Dienstliche Erklärung des Parlamentarischen Staatssekretärs Spranger vom 28. Ja- nuar 1986 zu den Vermerken des ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfas- sungsschutz Hellenbroich 10/20 Schreiben des Staatssekretärs H. Neusel (BMI) vom 3. Februar 1986: Übersendung von - Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 16. April 1985 zu „Weltfestspiele der Jugend und Studenten" - Vermerk es ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hellen- broich vom 30. August 1984 über ein Gespräch bei dem Parlamentarischen Staatssekre- tär Spranger am 29. August 1984. Berichtsaufträge: a) Innere Verhältnisse in der DDR - Wirken des Ministeriums für Staatssicherheit b) Kommunistische Friedensarbeit - Dienstliche Erklärung des Parlamentarischen Staatssekretärs Spranger zum Vermerk des ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hellenbroich vom 30. August 1984 - Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 9. November 1984: „Das Wirken des Ministeriums für Staatssicherheit innerhalb der Deutschen Demokra- tischen Republik" 10/21 Schreiben des Staatssekretärs H. Neusel (BMI) vom 7. Febraur 1986 betr. Schwärzungen in den mit Schreiben vom 28. Januar 1986 und 3. Februar 1986 übersandten Vermerken des ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hellenbroich. 10/22 8. Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsaussschusses vom 20. Februar 1986: Vernehmung Bloch, Dr. Mensing, Kowalski, Staatssekretär a. D. Dr. Fröhlich, Härdtl, Dr. Heuer, Dr. Werthebach, Bracht und Quarder zu den Aufträgen des Parlamentarischen Staatssekre- tärs Spranger an das Bundesamt für Verfassungsschutz 10/23 9. Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsausschusses vom 4. März 1986: Erneute Verneh- mung Dr. Rombach, Dr. Pfahls, zum 1. Beweisbeschluß; Gegenüberstellung H. Hellenbroich - Dr. Rombach 10/24 10.Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsausschusses vom 4. März 1986: Vernehmung Dr. Karkowski, Dörrenberg zur Frage, ob Dr. Rombach den ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hellenbroich auf das Sicherheitsrisiko „Tiedge" hin- gewiesen und bei dieser Gelegenheit vom Präsidenten Einzelheiten der Sicherheitsüber- prüfung Tiedges erfahren hat 10/25 11.Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsausschusses vom 4. März 1986: Vernehmung Dr. Karkowski, Dörrenberg zu der Frage, ob Tiedges Probleme einem größeren Personenkreis bekannt waren 10/26 Schreiben des Staatssekretärs H. Neusel (BMI) vom 28. Februar 1986: Übersendung eines internen Berichtsentwurfs des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 20. Dezember 1984 zu „Linksextremistischen Einflüssen innerhalb der Partei DIE GRÜNEN" sowie zwei Vorlagen zu diesem Entwurf Deutscher Bundestag - 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

noch Anlage 4

Drucksachen- Nummer Art, Datum und Inhalt

10/27 Schreiben des Staatssekretärs H. Neusel (BMI) vom 11. März 1986: Obersendung von - Vorgang „Einflußagenten - aktive Maßnahmen", Bericht des Bundesamtes für Verfas- sungsschutz an den Parlamentarischen Staatssekretär Spranger vom 22. Oktober 1984 - Vorgang „Aktive Maßnahmen östlicher Nachrichtendienste" (Aufbereitung des Berichts vom 22. Oktober 1984 für die Öffentlichkeitsarbeit) - Ein Exemplar „Innere Sicherheit" 1/85, Veröffentlichung des aufbereiteten Berichts vom 22. Oktober 1984 - Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 28. August 1985 gemäß Auftrag des Parlamentarischen Staatssekretärs Spranger zur Bündnispolitik der DKP, insbe- sondere zur Politik der Aktionseinheit mit der SPD 10/28 Schreiben des Staatssekretärs H. Neusel (BMI) vom 12. März 1986 betr. Gründe für die Nichtübersendung der Stellungnahmen des Parlamentarischen Staatssekretärs Spranger, des Regierungsdirektors Kowalski und des Ministerialrates Dr. Mensing zur Vorbereitung des Bundesministers Dr. Zimmermann auf die Sitzung des Innenausschusses vom 22. Ja- nuar 1986 10/29 12. Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsausschusses vom 20. März 1986: Anforderungen von Unterlagen zu dem Auftrag des Parlamentarischen Staatssekretärs Spranger an das Bundesamt für Verfassungsschutz betr. Erkenntnisse über von Brauchitsch (insbesondere Bericht des Bundeskriminalamtes im Fall Kanter). 10/30 13. Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsausschusses vom 17. April 1986: Förmliche Beizie- hung der Protokolle der Sitzungen des Innenausschusses, die sich mit den Themen des Untersuchungsauftrags des 2. Untersuchungsausschusses befassen 10/31 Schreiben des Staatssekretärs H. Neusel (BMI) vom 17. April 1986: Übersendung von - Stellungnahme des Parlamentarischen Staatssekretärs Spranger vom 15. Januar 1986 zu den Umständen des Auftrags betr. linksextremistische Einflüsse auf die GRÜNEN - Stellungnahme des Regierungsdirektors Kowalski vom 8. Januar 1986 zur Übersendung dieses Berichts an den Abgeordneten Todenhöfer - Erklärung von Ministerialrat Dr. Mensing zur Frage der Auftragserteilung an das Bun- desamt für Verfassungsschutz betr. „Nachrücker" der GRÜNEN - Zusammenfassender Vermerk des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 7. Februar 1983 über den Abgeordneten Schily 10/32 14. Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsausschusses vom 18. April 1986: Anforderung a) des BMI-Berichts an Dr. Dregger zum Nachrückerpapier und dessen Indiskretionie- rung b) der Vorlage der Originalsprechzettel für den Bundesminister des Innern zur Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission wegen des Nachrückerpapiers c) Vorlage der Sprechzettel für den Bundesminister des Innern für die Innenausschußsit- zung im Dezember 1985 über das Nachrückerpapier 10/33 15. Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsausschusses vom 24. April 1986: Anforderung des Gästebuches der Familie Tiedge 10/34 16. Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsausschusses vom 24. April 1986: Anforderung des Schadensfeststellungsberichts des Bundesamtes für Verfassungsschutz 10/35 17. Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsausschusses vom 24. April 1986: Anforderung der Gesprächsunterlagen des Bundesministers des Innern, Dr. Zimmermann, für das Gespräch mit Hellenbroich am 13. Mai 1985 10/36 18. Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsausschusses vom 24. April 1986: Anforderung des Briefwechsels zwischen Staatssekretär H. Neusel (BMI) und dem Bundesamt für Verfas- sungsschutz im Januar 1986 zur VS-Einstufung des Berichts über linksextremistische Ein- flüsse auf die Partei DIE GERÜNEN Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode noch Anlage 4

Drucksachen - Nummer Art, Datum und Inhalt

10/37 19. Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsausschusses vom 24. April 1986: Anforderung a) der vom ehemaligen Präsidenten des Bundsamtes für Verfassungsschutz Hellenbroich dem Parlamentarischen Staatssekretär Spranger am 19. Dezember 1984 überreichten Auszüge aus einem Vermerk über den Abgeordneten Schily b) des Berichts des Bundesamtes für Verfassungsschutz über die bei den Verfassungs- schutzämtern und anderen Sicherheitsbehörden über den Abgeordneten Schily vorhan- denen Erkenntnisse, der am 18. April 1985 am Rande einer Ministerlage von dem Parla- mentarischen Staatssekretär Spranger beim damaligen Präsidenten Hellenbroich ver- anlaßt wurde, c) der zu diesen Papieren in den Akten des Bundesministeriums des Innern vorhandenen Vermerke, die über den Lauf der Papiere im Bundesministerium des Innern Aufschluß geben könnten 10/38 20. Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsausschusses vom 24. April 1986: Anforderung a) des Fernschreibens des Bundesamtes für Verfassungsschutz bezüglich der Indiskretio- nierung des Nachrückerpapiers an das Bundesministerium des Innern, Referat IS 2 (etwa am 22. April 1985) und des daraufhin angefertigten Vorgangs in den Akten des Bundesministeriums des Innern b) der Unterlagen über die Ermittlungen , die nach § 67 der VS-Anweisung von Ministeri- aldirektor Dr. Heuer über die Indiskretionierung des Nachrückerpapiers eingeleitet wurden 10/39 21. Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsausschusses vom 24. April 1986: Anforderung der vom Bundesamt für Verfassungsschutz an das Bundesministerium des Innern über- sandten Berichte, auf die das Amt in seiner (mündlichen) Anwort auf die Frage des Parla- mentarischen Staatssekretärs Spranger vom 29. August 1984 über die kommunistischen Einflüsse in den Kirchen und der kirchlichen Friedensarbeit verwiesen hat 10/40 Schreiben des Staatssekretärs H. Neusel (BMI) vom 14. Mai 1986: Mitteilung, daß das Gästebuch der Familie Tiedge (vgl. 15. Beweisbeschluß, Ausschußdrucksache 10/33) nicht vorgelegt werden kann, da es am 18. März 1986 durch den Generalbundesanwalt der Rechtsanwältin Tiedges zugeschickt worden sei. 10/41 Schreiben von Staatssekretär H. Neusel (BMI) vom 14. Mai 1986: Mitteilung, daß die Auf- zeichnungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz zum Schadensfeststellungsbericht (vgl. 16. Beweisbeschluß, Ausschußdrucksache 10/34) operative Details enthalten und we- gen der damit verbundenen Gefährdung des Wohl der Bunderepublik Deutschland und von Einzelpersonen nicht vorgelegt werden könne. Angebot der Einsichtnahme für den Vorsit- zenden und den Stellvertretenden Vorsitzenden 10/42 Schreiben von Staatssekretär H. Neusel (BMI) vom 14. Mai 1986: Mitteilung, daß sich im Bundesministerium des Innern keine Unterlagen zur Vorbereitung des Gesprächs zwi- schen Bundesminister Dr. Zimmermann und dem ehemaligen Präsidenten des Bundesam- tes für Verfassungsschutz Hellenbroich vom 13. Mai 1985 befinden (vgl. 17. Beweisbe- schluß, Ausschußdrucksache 10/35) 10/43 Schreiben von Staatssekretär H. Neusel (BMI) vom 14. Mai 1986: Übersendung des Brief- wechsels zwischen Staatssekretär H. Neusel (BMI) und dem Bundesamt für Verfassungs- schutz vom 17. Januar 1986 zur Aufhebung der VS-Einstufung des Berichts über linksextre- mistische Bestrebungen in der Partei DIE GRÜNEN vom 15. Januar 1985 (vgl. 18. Beweis- beschluß, Ausschußdrucksache 10/36) 10/44 Schreiben von Staatssekretär H. Neusel (BMI) vom 14. Mai 1986: Mitteilung, daß der ange- forderte Auszug eines Vermerks über den Abgeordneten Schily sich nicht im Bundesmini- sterium des Innern befindet und der weiterhin angeforderte Bericht über den Abgeordne- ten Schily bereits übersandt worden ist (vgl. 19. Beweisbeschluß, Ausschußdrucksache 10/37) Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

noch Anlage 4

Drucksachen- Nummer Art, Datum und Inhalt

10/45 22. Beweisbeschluß des 2. Untersuchungsausschusses vom 5. Juni 1986: Vernehmung Bloch darüber, daß in der Vergangenheit Anfragen von Mitgliedern des Deutschen Bundestages nach extremistischen Einflußnahmen auf demokratische Parteien und sonstige Organsa- tionen unter Verwendung von Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz beantwortet wurden, wobei diese den im Untersuchungsausschuß verfahrensgegenständli- chen Berichtsaufträgen des Parlamentarischen Staatssekretärs Spranger vergleichbar wa- ren 10/46 Schreiben des Staatssekretärs H. Neusel (BMI) vom 5. Juni 1986: Übersendung von — Kommunistische Frontorganisationen im ideologischen Klassenkampf, Text zur Inne- ren Sicherheit, 3. Auflage (1985) — Bericht des Bundesamtes für Verfassungssuchtz vom 14. Juni 1984: Kommunistische Einflußnahme durch internationale Frontorganisationen (21. Beweisbeschluß vom 24. April 1986) 10/47 Schreiben des Staatssekretärs H. Neusel (BMI) vom 13. Juni 1986: Übersendung von — Schreiben des BMI vom 7. Juni 1986 an den Abgeordneten Jahn (Marburg) und an den Vorsitzenden der Parlamentarischen Kontrollkommission, Abgeordneter Dr. Dregger, bezüglich der Indiskretionierung des Vermerks des Bundesamtes für Verfassungs- schutz vorn 22. März 1985, betreffend „Linksextremistische Einflußnahme auf die Partei „DIE GRÜNEN"; hier: Erkenntnisse über mögliche „Nachrücker" für die Bundestags- fraktion der „GRÜNEN" im 10. Deutschen Bundestag in der Ausgabe der Zeitung „Bild" am 20. April 1985. (Zu Ziff. 1 14. Beweisbeschluß) — Sprechzettel für den Bundesminister des Innern für die Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission am 12. Juni 1985 zur Indiskretionierung des BfV-Berichts vom 22. März 1985 (Zu Ziff. 2 14. Beweisbeschluß) — Sprechzettel für den Bundesminister des Innern für die Sondersitzung des Innenaus- schusses am 18. Dezember 1985 zu den Aufträgen des Parlamentarischen Staatssekre- tärs an das Bundesamt für Verfassungsschutz (Zu Ziff. 3 14. Beweisbeschluß) — Ein Vorgang über die Indiskretionierung des BW-Berichts vom 22. März 1985 (Zu Buchstabe a 20. Beweisbeschluß) — Ein Vorgang über die Ermittlungen des Bundesministeriums des Innern, die wegen der Indiskretionierung gem. § 57 der Verschlußsachenanweisung durchgeführt wurden. (Zu Buchstabe b 20. Beweisbeschluß) Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

Anlage 5 a

Köln, den 8. Januar 1985

Zu linksextremistischen Einflüssen innerhalb der linksextremistischen Gruppierungen in ihren Vor- Partei die GRÜNEN ständen und Fraktionen. So ist von knapp einem Zehntel der insgesamt 94 Gesicherte Erkenntnisse, daß Linksextremisten ei- Mitglieder der zehn Landesvorstände — ohne Ber- nen bestimmenden Einfluß auf die Gesamtpartei lin — bekannt, daß sie in linksextremistischen Or- der GRÜNEN ausüben, liegen nicht vor. Daher dür- ganisationen tätig waren. Mindestens fünf, also fast fen auch die GRÜNEN als Partei nicht Beobach- die Hälfte der elf Mitglieder des Bundesvorstandes, tungsobjekt des Verfassungsschutzes des Bundes darunter zwei der drei „Sprecher", haben linksex- und der Länder sein, wohl aber die linksextremisti- tremistischen Zusammenschlüssen angehört. Einen schen Einflüsse innerhalb. dieser Partei, ebenso wie ähnlichen politischen Hintergrund besitzen knapp die Beobachtung solcher Einflüsse bei anderen Par- ein Achtel der insgesamt 35 Landtagsabgeordneten, teien und Organisationen zu den Aufgaben des Ver- ein Drittel der 27 Bundestagsabgeordneten und fassungsschutz gehört. mehr als die Hälfte, nämlich vier der sieben Mit- Zu diesen Einflüssen innerhalb der Partei die GRÜ- glieder des Europaparlaments. NEN ist folgendes zu sagen: Anmerkung: Unter den Europaparlamentariern befinden sich 1. Extremistisches Potential Brigitte HEINRICH, wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und gegen das Spreng- 1.1 Mitglieder stoffgesetz zu einer Freiheitsstrafe rechtskräftig Ein Teil der 22 000 bis 25 000 Mitglieder der GRÜ- verurteilt, sowie Benny Härlin und Michael Klöck- NEN (Eigenangabe für 1983) ist aus linksextremisti- ner, wegen Werbens für eine terroristische Vereini- schen Organisationen hervorgegangen, überwie- gung — noch nicht rechtskräftig — zu Freiheits- gend aus kommunistischen Gruppen („K-Gruppen") strafen verurteilt. oder undogmatischen Zusammenschlüssen der „Neuen Linken". Dem „Kommunistischen Bund" 1.3 Bewertung (KB) zufolge (Erklärung vom 4. Juni 1984) erfolgte aus diesen Bereichen ein „großer Mitglieder-An- Die vorliegenden Informationen lassen nur sehr be- sturm" auf die GRÜNEN, eine Aussage, die der Ver- grenzte Rückschlüsse auf Umfang und Einfluß des fassungsschutz aufgrund eigener Erkenntnisse al- gegenwärtigen extremistischen Potentials inner- lerdings nicht bewerten kann. Vielmehr ist ein gesi- halb der GRÜNEN zu. So liegen die erkannten cherter Befund über die Zahl der „Grünen", die aus linksextremistischen Aktivitäten einzelner „Grü- linksextremistischen Gruppen gekommen sind, ner" in den meisten Fällen bereits einige Jahre zu- nicht zu erlangen. rück. Hinzu kommt, daß Extremisten, die den GRÜ- NEN beigetreten sind, nach Ansicht anderer „Grü- Es kamen sowohl ehemalige Mitglieder linksextre- ner" „Lernprozesse" mitmachen: mistischer Vereinigungen als auch — jedenfalls zu- nächst noch — aktive Mitglieder; denn Gruppen wie • „Es gibt durchaus Kommunisten bei den GRÜ- der KB, der „Kommunistische Bund Westdeutsch- NEN, die gelernt haben, die gewaltfrei agieren, land" (KBW) und das „Sozialistische Büro" (SB) be- die auch die Prinzipien einer ökologischen Gesell- fürworteten die Mitarbeit einzelner ihrer Mitglie- schaft akzeptieren, und die unterstütze ich, weil der bei den GRÜNEN, die der KBW als entwick- ich deren Lernprozeß gesehen habe." lungsfähige „Front- und Bündnisorganisation" (, GRÜNEN-MdB, in ZDF-Sendung- („Kommunistische Volkszeitung" — KVZ — vom „Bonner Perspektiven" vom 11. Juli 1982). 8. Oktober 1982) bewertete. Die vom KB abgespal- Darüber hinaus stellt das schwer bestimmbare tene „Gruppe Z" arbeitete zunächst sogar als ge- linksextremistische Potential innerhalb der GRÜ- schlossene Gruppe innerhalb der GRÜNEN. „Z"- NEN keinen geschlossenen, einheitlich agierenden Sprecher befürworteten noch im August 1982 die Block dar. Vielmehr ist es in unterschiedliche, riva- „besondere Organisierung der Marxisten" („die Ta- lisierende Gruppen aufgesplittert. Sie reichen vom geszeitung" — taz — vom 15. August 1982); der orga- nicht-orthodoxen Kommunismus unterschiedlicher nisatorische Zusammenhang als „Gruppe Z" ist an- Prägungen bis . hin zum Anarchismus. Diese einzel- scheinend aber kurze Zeit später aufgegeben wor- nen extremistischen Minderheiten haben keinen den. bestimmenden Einfluß auf die Gesamtpartei gewin- nen können. Daran vermochte selbst extremistische 1.2 „Gremien" „Gremienarbeit" nichts zu ändern, wie sie zum Bei- spiel von der „Gruppe Z" betrieben und vom ehema- Besser, wenn auch nicht vollständig, ist der Er ligen „Grünen" Gerd BASTIAN, MdB, als erfolg- kenntnisstand über den Anteil der GRÜNEN aus reich bewertet und kritisiert wurde: Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

„Die beginnende politische Fehlentwicklung in- Gruppen kritisiert, ohne jedoch deren „Ausgren- nerhalb der GRÜNEN zeigt sich insbesondere im zung` aus der „Bewegung" zu fordern. So attackier- überraschenden Erfolg der aus dem Kommunisti- ten die GRÜNEN in der „Friedensbewegung` den schen Bund entstandenen ehemaligen Z-Fraktion DKP-Einfluß und das „Ausklammern" der Kritik an bei der Besetzung von Schlüsselpositionen mit der Verfolgung von Pazifisten und Oppositionellen teils altbewährten, teils neu gewonnenen Gesin- in kommunistischen Staaten. Gleichwohl bekunde- nungsfreunden in den Parteigremien sowie beim ten sie stets die Bereitschaft, mit den „Friedens- Überstimmen der unkoordinierten Mehrheit der freunden in der DKP" in „Freundschaft" und „Soli- Andersdenkenden in der Fraktion und in den re- darität" zusammenzuarbeiten (vgl. u. a. den Brief- gionalen Verbänden mittels einer geschickt und wechsel zwischen Martha BUSCHMANN, Präsidi- diszipliniert gehandhabten Kadertechnik." umsmitglied der DKP, und Petra KELLY, in Beilage („Grüner Basis-Dienst" Nr. 1, Januar 1984, S. 18 f.) der UZ vom 11. März 1982, S. 3 ff.). Zweifellos haben jedoch ehemalige und aktive Linksextremisten die Ausrichtung der Gesamtpar- tei in ihrem Sinne zu fördern gesucht. Sogar nach 2.2 Parlamentarischer Kampf Auffassung orthodoxer Kommunisten „wenden sich heute" die GRÜNEN „wenn auch zögernd, in ihrer Bisher haben die GRÜNEN das ständige Drängen Mehrheit der Arbeiterbewegung" zu (Bildungsheft der DKP zurückgewiesen, mit ihr Wahlbündnisse zum 1. Bildungsthema 1984/1985, hrsg. vom Bundes- bei Landtags-, Bundestags- und Europaparlaments vorstand des „Marxistischen Studentenbundes Wahlen einzugehen. Auch bei Kommunalwahlen Spartakus" (MSB), S. 16). war dies die Regel; gelegentlich soll es Ausnahmen gegeben haben: bei den Kommunalwahlen 1984 will sich die DKP in sechs Orten — Oberhausen, Er- 2. Zusammenarbeit mit Linksextremisten krath, Obrigheim, Waiblingen, Göppingen, Steinha- gen — „gemeinsam mit den GRÜNEN" an „alterna- 2.1 Außerparlamentarischer Kampf tiven Wahlbündnissen" beteiligt haben (in Beilage der UZ vom 1. Dezember 1984, S. 22). Die GRÜNEN zeigen sich grundsätzlich bereit, beim außerparlamentarischen Kampf mit Linksex- Vereinzelt arbeiteten GRÜNE und DKP-Vertreter tremisten zusammenzuwirken. Das Kriterium für in Gemeindevertretungen enger zusammen, so z. B. die Teilnahme an außerparlamentarischen Aktio- in Mannheim, um für beide Parteien mehr Aus- nen bildet für sie nicht die Legalität, sondern die schußsitze zu erhalten. „Gewaltfreiheit", lediglich verstanden als Ausschuß Gegenüber alternativen Zusammenschlüssen, die der — verletzenden — Gewalt gegen Menschen: von Extremisten der „Neuen Linken" beeinflußt „Das Prinzip der Gewaltfreiheit berührt nicht das werden, zeigten sich die GRÜNEN aufgeschlosse- fundamentale Recht auf Notwehr und schließt so- ner. Beispiel dafür ist die Zusammenarbeit der zialen Widerstand in seinen mannigfachen Vari- Hamburger GRÜNEN mit der KB-beeinflußten „Al- anten ein. Gewaltfreiheit bedeutet also nicht die ternativen Liste" (AL) in der „Grün-Alternativen Li- Passivität der Betroffenen. Der Grundsatz der ste" (GAL), die 1982 mit Erfolg bei den Wahlen zur Gewaltfreiheit bedeutet vielmehr, daß zur Vertei- Hamburger Bürgerschaft und zu den Bezirksver- digung lebenserhaltender Interessen ... unter sammlungen kandidierte. Die AL hat sich im No- Umständen auch Widerstand gegen staatliche vember 1984 aufgelöst und ihre Mitglieder an den Maßnahmen nicht nur legitim, sondern erforder- Landesverband der GRÜNEN verwiesen. lich sein kann (z. B. Sitzstreiks, Wegesperren, Be- hinderung von Fahrzeugen." Anmerkung: (Präambel des Bundesprogramms) Der „Alternativen Liste für Demokratie und Um- Eine Zusammenarbeit mit Linksextremisten unter- weltschutz Berlin", die sowohl im Abgeordneten- schiedlicher Richtungen findet in „Bewegungen" haus als auch in Bezirksverordnetenversammlun- und Kampagnen statt, vor allem bei Aktionen gegen gen über Mandate verfügt, räumten die GRÜNEN - die NATO-Nachrüstung, Kernkraftwerke und Um- Ende 1983 durch eine Vereinbarung in etwa die glei- weltschäden, gegen den „Computerstaat" (z. B. ge- che Stellung in der Gesamtpartei ein, wie sie der gen Volkszählung und maschinenlesbare Personal- Berliner Landesverband der GRÜNEN hat. In der ausweise), gegen „Berufsverbote" und bei der „Anti- Berliner AL, die in Konkurrenz zu den GRÜNEN faschismuskampagne". Dabei haben die GRÜNEN stand, üben ehemalige Mitglieder von „K-Gruppen" mehrfach das Verhalten einzelner extremistischer einen maßgeblichen Einfluß aus. Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

Köln, den 15. Januar 1985

Funktionsträger der Partei DIE GRÜNEN, die in linksextremistischen Zusammenschlüssen tätig waren 1. Landesvorstände (Stand: Ende April 1984) Von den insgesamt 94 Mitgliedern von 10 Landesvorständen der GRÜNEN (außer Berlin) haben sich in linksextremistischen Zusammenschlüssen betätigt: Jürgen REENTS Mitglied der „Gruppe Z" bis zu deren Auflösung im Jahre 1983 (offen) Günter HOPFENMÜLLER Mitglied der „Gruppe Z" (zumindest bis 1983) Jan SCHLICHTING Mitglied der „Gruppe Z" (zumindest 1978 bis 1980) Udo GENTZSCH Mitglied der „Gruppe Z" (zumindest 1981) Marion PEIN Mitglied der „Gruppe Z" (zumindest 1983) Alexander PORSCHKE Teilnehmer am „Blockadeplenum" der zur undogmati schen „Neuen Linken" gehörenden Hamburger „Frie- denskoordination" (Januar 1984) Jan BARTKOWIAK Mitglied der „Gruppe Z" (zumindest bis 1983) — offen — Martin THOMAS Funktionär der „Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD) bis zu deren Auflösung im Jahre 1980; (offen) zeigte auch nach Auflösung der KPD Interesse an einer Weiterarbeit mit ehemaligen KPD-Angehörigen. 2. Landtagsabgeordnete Von den insgesamt 35 Landtagsabgeordneten/Bürgerschaftsabgeordneten der GRÜNEN in Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen und Niedersachsen sind dem BW vier im Zusammenhang mit linksextremistischen Organisationen bekanntgeworden: Thomas EBERMANN Mitglied der „Gruppe Z" bis zu deren Auflösung Thilo WEICHERT Bezeichnete sich in einer Selbstdarstellung als „Anar chist" und „Graswurzler" (offen) Dirk TREBER 1969 Mitbegründer der „Rote Zelle Groß Gerau", danach Bezirkssekretär des „Kommunistischen Jugendverban- des Deutschlands" (KJVD); trennte sich 1973 vom KJVD wegen „ideologischer Differenzen"; im November 1976 als Kontaktanschrift für den „Kommunistischen Bund West- deutschlands" (KBW) im KBW-Organ „Kommunistischer Volkszeitung" (KVZ) genannt (offen) Dieter MÜTZELBURG KBW-Mitglied (zumindest bis 1979) Mitglied des „Komitees für Demokratie und Sozialismus" (KDS) (zumindest bis 1982) Anmelder der Demonstration gegen das Bundeswehrge- löbnis in Bremen am 6. Mai 1980, bei der es zu schweren Ausschreitungen kam (offen) Anmerkung: - Zwei Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete der „Grün-Alternativen Liste" (GAL) mit links- extremistischem Hintergrund, die bisher nicht den GRÜNEN angehörten, sind in der Auf- stellung nicht berücksichtigt, obwohl sich die Wählervereinigung GAL nach Presseberichten kürzlich als Landesverband der GRÜNEN mit dem Zusatz „GAL" konstituiert hat (FAZ vom 4. Dezember 1984). Vier Berliner Abgeordnete der „Alternativen Liste für Demokratie und Umweltschutz Ber- lin" (AL) mit linksextremistischem Hintergrund sind in der Aufstellung nicht erfaßt, obwohl sich die AL den GRÜNEN assoziiert hat. 3. Bundesvorstand (BV) Von den insgesamt 11 Mitgliedern des BV waren 6 in linksextremistischen Zusammen- schlüssen tätig: Rainer TRAMPERT Mitglied der „Gruppe Z" (vermutlich bis zu deren Auflö- (Sprecher des BV) sung) Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

Jutta DITFURTH Mitglied des „Sozialistischen Büro" (SB) (zumindest bis (Sprecherin des BV) 1982)

Günter HOPFENMÜLLER siehe oben zu 1. Albrecht SCHMEISSNER Sprecher der „Basisgruppenfraktion" der undogmati schen „Neuen Linken" (zumindest bis 1979) Ulrich TOST Funktionär der „Basisgruppenfraktion" (zumindest bis 1975) Norbert KOSTEDE SB-Mitglied (zumindest bis 1982)

4. Bundestagsabgeordnete Von den 27 Bundestagsabgeordneten der Partei DIE GRÜNEN waren neun in linksextremi- stischen Zusammenschlüssen tätig: Dr. Sabine BARD Mitglied der KPD bis zu deren Auflösung 1980; Teilnehmer an Treffen der „Arbeitsgemeinschaft Ökolo- gie und Marxismus" ehemaliger KPD-Mitglieder (1982) Joseph FISCHER Mitglied der Gruppe „Revolutionärer Kampf" (zumindest 1973); Gesellschafter der als Teil der Frankfurter „Spon- tiszene" entstandenen „Karl-Marx-Buchhandlung" (1983) (offen) Willi HOSS Mitglied der DKP (bis 1972); Mitglied des SB (zumindest 1977) Jürgen REENTS siehe oben zu 1. Eckhard STRATMANN Mitglied des SB (zumindest bis 1980) Huber KLEINERT Vertreter der Basisgruppenliste „Spontifex Maximus" (zumindest 1977); Mitarbeiter des SB (zumindest 1979) Dr. Mitglied der „Liga gegen den Imperialismus" (zumindest bis 1973) und Mitarbeit in anderen KPD-Nebenorganisationen Dirk SCHNEIDER 1973 Anhänger der aufgelösten KPD; 1969/70 Mitbegrün der der Schrift „Agit 883"; Mitbegründer und bis minde- stens 1977 Mitarbeiter von „radikal". Noch 1982 Mitglied des „radikal"-Herausgeberkreises -OBERDORF Nach eigenen Angaben (1983) Anfang der 70er Jahre Be- tätigung in trotzkistischen Organisationen

5. Mitglieder des Europäischen Parlaments Über vier der sieben Abgeordneten der GRÜNEN im Europaparlament liegen Erkenntnisse vor: - Brigitte HEINRICH Unterhielt Anfang der 70er Jahre Beziehungen zu RAF- Angehörigen; 1981 wegen Verstoßes gegen das Kriegs- waffenkontrollgesetz und gegen das Sprengstoffgesetz rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten verurteilt; ein Teil der Waffen wurde in zwei konspirati- ven Wohnungen von RAF-Angehörigen gefunden (offen) Benny HAERLIN 1984 wegen Werbens für eine terroristische Vereinigung in der Zeitschrift „radikal" zu 2 1/2 Jahren Freiheitsstrafe — nicht rechtskräftig — verurteilt (offen) Michael KLÖCKNER 1984 wegen Werbens für eine terroristische Vereinigung in der Zeitschrift „radikal" zu 2 1/2 Jahren Freiheitsstrafe — nicht rechtskräftig — verurteilt (offen) Frank SCHWALBA-HOTH Kandidat der „Linken Liste", einer undogmatischen Li stenverbindung, in der u. a. der „Kommunistische Studen- tenverband" (KSV) mitarbeitete (1978) (offen) Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

Anlage 5 b

Köln, den 22. März 1985

Betr.: Linksextremistische Einflußnahme auf die Partei der „Grünen"; hier: Erkenntnisse über mögliche Nachrücker der „Grünen" in den 10. Deutschen Bundestag

Vermerk Im folgenden sind Erkenntnisse über mögliche Nachrücker der „Grünen" in den 10. Deut- schen Bundestag aufgelistet.

1. Udo TISCHER (Platz 6 der Landesliste Baden-Württemberg) geb. 26. 11. 56 wurde im Januar 1984 in einem Rundschreiben der „In- itiative Gewerkschafter und Grüne gemeinsam für die 35- Stunden-Woche" in der Mitglieder des SB mitarbeiteten und deren Kontaktanschrift die SB-Zeitung „express" war, als einer „unserer ,Verbündeten` in Bonn" bezeich- net. Er gehörte 1984 zusammen mit etlichen Linksextremi- sten zum Herausgeberkreis des von der trotzkistischen GIM im Rahmen ihrer Kampagne für die 35-Stunden- Woche initiierten periodischen Informationsdienstes „Info 35". 2. Joachim KNIPP (Platz 3 der Landesliste Rheinland-Pfalz) geb. 21. 9. 54 1982 war er Einlader und Initiator von Treffen des „Ar beitskreises Ökologie und Marxismus" (ehem. Mitglieder der 1980 aufgelösten KPD). 3. Annemarie BORGMANN (Platz 10 der Landesliste Nordrhein-Westfalen) geb. 13. 10.42 Sie ist Mitunterzeichnerin eines Aufrufs für eine Konfe renz zum Thema „Berufsverbote" am 4./5.2. 1984 in Bob- lingen. (Nähere Ausführungen siehe unten zu DANN.) Sie ist ferner Mitglied des Sprecherkreises „Ostermarsch Rheinland 1984". 4. Heidemarie DANN (Platz 5 der Landesliste Niedersachsen) geb. 27. 3. 50 beteiligte sich mit einem Gutachten zum Thema: „Asyl recht und Abschiebepraxis" an der von der DKP-beein- flußten Initiative „Weg mit den Berufsverboten" initiier- ten internationalen Konferenz „Stoppt den Abbau der De- mokratie — Gegen Berufsverbote, Überwachung und Be- spitzelung in der Bundesrepublik Deutschland, für De- monstrations- und Meinungsfreiheit, verteidigt die demo- kratischen Rechte gemeinsam" am 4./5.2. 1984 in Böblin- gen. Außerdem nahm sie im Juni 1984 an dem u. a. vom Koordinationsausschuß der Nordrhein-Westfälischen - „Bürgerinitiative gegen die Berufsverbote" einberufenen Kongreß „Stoppt den Abbau der Demokratie" in Düssel- dorf teil. 5. Dr. Joachim MÜLLER (Platz 6 der Landesliste Niedersachsen) geb. 7. 1.47 beteiligte sich 1973/74 an Veranstaltungen der „Liga ge gen den Imperialismus" und des „Kommunistischen Stu- dentenverbandes" (KSV) — Nebenorganisation der 1980 aufgelösten „Kommunistischen Partei Deutschlands" (KPD). 6. Dr. Henning SCHIERHOLZ (Platz 7 der Landesliste Niedersachsen) geb. 2. 2. 49 war 1973 Mitbegründer des „Komitees gegen die Bundes wehrhochschule Hamburg", dessen Mitglieder überwie gend kommunistischen Organisationen angehörten. 1973-76 war er Vorstandsmitglied des „Verbandes der Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

Kriegsdienstgegner" (VK). Bei dem VK handelt es sich um eine der beiden Vorläuferorganisationen der DKP- beeinflußten „Deutschen Friedensgesellschaft — Verei- nigte Kriegsdienstgegner e. V." (DFG-VK). Er wurde auf der Bundeskonferenz des VK am 10./11.2. 1973 in Kassel als Beisitzer in das Bundesschiedsgericht des VK gewählt. Am 9.11. 1973 fand in Hamburg unter der Leitung des S. die Jahreshauptversammlung des Lan- desvorstandes Hamburg des VK statt, auf der S. als Bei- sitzer in den Vorstand und als Delegierter zur Bundes- konferenz des VK gewählt wurde. 7. Jan BARTKOWIAK (Platz 3 der Landesliste Schleswig-Holstein) geb. 12.2. 57 1980 tauchte seine Anschrift als Kontaktadresse im Ver bandsorgan „Z" der Gruppe Z" (Absplitterrung des KB) auf. Anfang 1984 war er zuständig für das Kontaktnetz der „Initiative Sozialistische Politik" (ISP) im Bereich Schles- wig-Holstein. Die ISP hat vom Juli 1981 bis September 1984 die sozialistische Monatsschrift „Moderne Zeiten" herausgegeben. 8. Christian SCHMIDT (Platz 2 der Landesliste Hamburg) geb. 23.2. 43 wurde im Oktober 1982 auf der Jahreshauptversammlung der „Initiative Sozialistische Politik" (ISP) in die Redak- tionskommission der Monatszeitschrift „Moderne Zeiten" (MOZ) gewählt. In der lezten Ausgabe der MOZ vom August 1984 wird er als Mitherausgeber genannt. 9. Rebekka SCHMIDT (Berlin) geb. 11. 3. 54 trat 1971 der KPD-Nebenorganisation „Liga gegen den Imperialismus" bei. 1974/75 nahm sie an Veranstaltungen des „Kommunistischen Studentenverbandes" (KSV), ebenfalls Nebenorganisation der KPD, teil. Im Sommer 1974 kandidierte sie anläßlich der Wahlen zu den Fachbe- reichsräten an der Freien Universität Berlin für den Fachbereich 9 unter dem Kennwort „Freie politische Be- tätigung". Diese Liste wurde vom KSV und der „Kommu- nistischen Hochschulgruppe" (KHG), einer Nebenorgani- sation des „Kommunistischen Bundes Westdeutschland" (KBW), unterstützt. 10. Ulrich FISCHER (Platz 7 der Landesliste Hessen) geb. 11. 12.42 gegen Ulrich FISCHER wurden in den Jahren 1968 und 1969 verschiedene Ermittlungsverfahren u. a. wegen Auf- ruhr und Aufforderung zur Begehung strafbarer Hand- lungen eingestellt. Er gehörte zu den Tatverdächtigen, die am 5. 5. 1970 einen Bombenanschlag auf das Amerika- haus in Berlin verübt haben sollen, wurde auch in erster - Instanz wegen Brandstiftung und Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, in zweiter Instanz jedoch vom Land Berlin nach dem Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten" rechtskräftig freigespro- chen. F. erhielt im Jahre 1971 als Untersuchungsgefangener im Gefängnis Moabit einen Brief von der in der JVA Tiergar- ten inhaftierten Brigitte ASDONK (RAF). Am 5. 4. 1973 wurde seine Adresse in den Unterlagen des Fritz TEUFEL gefunden, die in München, Clementstra- ße 7, sichergestellt worden waren. Am 19.11. 1974 war er lt. BKA Teilnehmer an der Beerdigung des Holger MEINS. F. unterlag vom Jahre 1974 bis 1979 den Maßnahmen der polizeilichen Beobachtung (PB) auf dem Gebiete des Ter- rorismus (07) durch das Hessische Landeskriminalamt. Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

Anlage 5c

Bündnispolitische Erfolge der „Deutschen für „breite demokratische Bündnisse" und Bewe- Kommunistischen Partei" (DKP) gungen werden 4). hier: Politik der Aktionseinheit gegenüber der In den 70er Jahren verfolgte die DKP vorwiegend SPD die Taktik der „Aktionseinheit von unten"; sie ver- suchte, Mitglieder der SPD gegen den ausdrückli- Wie alle orthodox-kommunistischen Parteien wer- chen Willen ihrer Parteiführung für gemeinsame ten die DKP und auch die „Sozialistische Einheits- Aktionen zu gewinnen und dabei die SPD-Führung partei Westberlins" (SEW) die Bündnispolitik als zu isolieren. Nach dem Regierungswechsel in Bonn eine entscheidende Voraussetzung für einen erfolg- modifizierte sie ihre Taktik; sie bot zunehmend reichen revolutionären Kampf. Sie folgen dabei der auch der SPD-Führung die Zusammenarbeit an. Weisung Lenins, daß man einen „mächtigeren Geg- ner" nur dann besiegen könne, „wenn man unbe- So erklärte der DKP-Vorsitzende Herbert MIES im dingt aufs angelegentlichste, sorgsamste, vorsich- März 1983, das Verhältnis seiner Partei zur „SPD tigste, geschickteste jeden, selbst den kleinsten als Oppositionspartei" könne nicht mehr „ganz das ,Riß` zwischen den Feinden, jeden Interessengegen- gleiche" sein, wie zur „SPD als Regierungspartei". satz ..., selbst die kleinste Möglichkeit, ausnutzt, Er versicherte die Unterstützung der DKP, falls die um einen Verbündeten unter den Massen zu gewin- SPD im Deutschen Bundestag eine „kämpferische nen, mag das auch ein zeitweiliger, schwankender, Position zur Vertretung der Arbeiterinteressen" unsicherer, unzuverlässiger, bedingter Verbündeter einnehme 5). In einem offenen Brief an die Mitglie- sein" 1). der der SPD-Bundestagsfraktion, veröffentlicht Ende März im DKP-Zentralorgan „Unsere Zeit" Bei ihrer Bündnispolitik sehen sich DKP und SEW (UZ), empfahl sich die DKP als „aktive Mitkämpfe- im Aufwind; denn der Grundsatz der „streitbaren rin" gegen die NATO-Nachrüstung. In der „Frie- Demokratie", daß sich die demokratischen Kräfte densbewegung" habe die Ankündigung führender eindeutig von Extremisten abgrenzen und sie aus Sozialdemokraten, auf den Straßen „Widerstand" dem demokratischen Kräftespiel ausgrenzen, wird entfachen zu wollen, um die Stationierung „poli- gegenüber den orthodoxen Kommunisten zuse- tisch undurchführbar" zu machen, „positive Erwar- hends brüchiger. Bis Ende der 60er Jahre blieben tungen" ausgelöst 6). die Kommunisten weitgehend isoliert. Dann gelang es ihnen, diese Isolierung in den Organen der ver- Als die SPD im Juni 1983 die „Friedensbewegung" faßten Studentenschaft zu durchbrechen. Diese zu einem „mitunter unbequemen Bundesgenossen" Entwicklung hat sich seit mehreren Jahren in den erklärte und den Parteimitgliedern die Teilnahme Protestbewegungen und Kampagnen außerhalb des an gewaltfreien Veranstaltungen gegen die NATO- universitären Bereichs vor allem mit der „Friedens- Nachrüstung freistellte, 7) kommentierte die DKP, bewegung", fortgesetzt. nun gebe es für bisher noch zögernde sozialdemo- kratische Arbeiter und Angestellte keinen Grund Die wichtigste Bündnisform ist aus kommunisti mehr, sich nicht aktiv an den Aktionen der „Frie- scher Sicht die „Aktionseinheit der Arbeiterklasse", densbewegung" zu beteiligen; bereits engagierte So- d. h. die Zusammenarbeit mit Sozialdemokraten, zialdemokraten könnten sich in ihrer „partner- mit Gewerkschaftern und parteilosen Arbeitern. schaftlichen Zusammenarbeit mit anderen politi- schen Kräften der Friedensbewegung", darunter Das „Ringen um die Herstellung der Aktionseinheit den Kommunisten, bestärkt fühlen 8). Mit besonde- der Arbeiterklasse" bezeichnete die DKP schon in rer Genugtuung sah die DKP den Entscheid des ihrem Parteiprogramm von 1978 als „ein Kern- außerordentlichen SPD-Parteitages (im November stück" ihrer Politik; dabei komme dem „gemeinsa- 1983 in Köln) gegen die Stationierung neuer US- men Handeln von Kommunisten und Sozialdemo Atomraketen auf dem Boden der Bundesrepublik kraten entscheidende Bedeutung zu 2). Deutschland. - Diese seien die Repräsentanten der beiden „Haupt- Zu Beginn des Jahres 1984 forderte die DKP ihre strömungen" der „Arbeiterbewegung"; ohne deren Mitglieder erneut auf, Aktionseinheitsangebote Zusammenwirken könne keine „grundlegende Fra- nicht nur an die „sozialdemokratischen Mitglieder- ge" im Interesse der Arbeiterklasse entschieden massen", sondern an die gesamte Partei, auch „an werden 3). Die DKP erwartet, ein Bündnis von Kom- ihre Führung" zu richten 9). Wichtige Veränderun- munisten und Sozialdemokraten werde Signalwir- gen in der Politik der SPD, insbesondere die „we- kung auf andere, noch zögernde gesellschaftliche sentlich positivere Einstellung zu Fragen der Rü- Gruppierungen haben und „Kristallisationskern" stungsbegrenzung" hätten die Möglichkeiten für

1) Willi GERNS/Robert STEIGERWALD „Antimonopoli- 4) DKP-Bildungsjahr 1982/1983, Heft 4, S. 10 stischer Kampf heute", 5., vollständig neu bearbeitete 5) „UZ-EXTRA", Eigenbeilage zum DKP-Zentralorgan und erweiterte Auflage, Frankfurt/Main 1983, „Unsere Zeit" — UZ — vom 24.3. 1983, S. 31 und 33 S. 174/175 6) UZ vom 29.3. 1983 2) „Programm der Deutschen Kommunistischen Partei", 7) „Vorwärts", Nr. 25 vom 16.6. 1983 1978, S. 72 und 73 8) UZ vom 21.7. 1983 3) Willi GERNS/Robert STEIGERWALD, a. a. O., S. 157 9) DKP-Bildungsjahr 1983/1984, Heft 4, S. 10 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584 ein engeres praktisches Zusammenwirken von So- So veröffentlichte sie wiederholt ein Foto vom zialdemokraten und Kommunisten „deutlich ver- „Ostermarsch Ruhr 1983", das als Teilnehmer den bessert" 10). SPD-Politiker Oskar LAFONTAINE neben Vera ACHENBACH, Mitglied des DKP-Parteivorstandes, Im ersten Halbjahr 1985 nutzten DKP und Umfeld zeigte 12). Mit Genugtuung verbreitete sie Äußerun- vor allem den 40. Jahrestag der deutschen Kapitula- gen des SPD-Politikers aus einem In- tion als Anknüpfungspunkt für „Aktionseinheiten". terview für die internationale kommunistische Zeit- In einem Schreiben an den SPD-Parteivorstand be- schrift „Probleme des Friedens und des Sozialis- schwor die DKP „die gemeinsame Tradition des mus" (Nr. 7/84). BAHR hatte erklärt, für die Siche- antifaschistischen Widerstandskampfes" von Sozi- rung des Friedens seien „im atomaren Zeitalter aldemokraten und Kommunisten und sprach von Kommunisten unentbehrliche Partner"; die „Gegen- einer Reihe übereinstimmender Auffassungen über sätze zwischen Sozialdemokraten und Kommuni- die Bedeutung dieses Tages. Sozialdemokraten und sten" würden damit zwar „nicht aufgehoben", an Kommunisten müßten gemeinsam einen Beitrag den „grundlegenden Meinungsverschiedenheiten" zur Gestaltung des 8. Mai leisten und in Gemeinden, und der „unterschiedlichen Ideologie" dürfe die „Zu- Städten und Bundesländern „gemeinsame Initiati- sammenarbeit in der wichtigsten Frage der Gegen- ven" ergreifen 11). wart" aber nicht scheitern. Die DKP sprach von In dem jüngsten Grundsatzdokument der DKP, einer positiven „Veränderung im Verhältnis von So- dem Ende Juni 1985 veröffentlichten Entwurf der zialdemokraten und Kommunisten" 13). „Thesen" zum 8. Parteitag (2.-4. 5. 1986 in Ham- Vermehrt gelang es ihr auch, Sozialdemokraten burg), schreiben die Kommunisten über ihr Verhält- und Gewerkschafter zu Interviews im DKP-Zentral- nis zu Sozialdemokraten: organ zu gewinnen. Einige davon bescheinigten der DKP u. a. Verläßlichkeit, Berechenbarkeit und Prin- „Allen Schwierigkeiten zum Trotz hat das Zusam- zipienfestigkeit in Bündnissen oder erklärten, der menwirken von Sozialdemokraten und Kommu- „Unvereinbarkeitsbeschluß" der SPD sei „antiquiert nisten in den meisten Arbeiterkämpfen und de- und überholt" 14) mokratischen Bewegungen seit Bestehen der Bundesrepublik eine wesentliche Rolle gespielt. Nach den „Ostermärschen 1984" stellte die DKP zu- Durch die Verschärfung der kapitalistischen frieden fest, auf den Kundgebungen seien auch be- Krise und das Anwachsen der Kriegsgefahr ist, kannte Sozialdemokraten zusammen mit „führen- insbesondere seit dem Übergang von den 70er zu den Repräsentanten" der DKP aufgetreten 15). den 80er Jahren, deutlicher geworden, daß die ge- meinsamen Friedens- und sozialen Interessen, In ihrer Rückschau auf den „Friedensherbst '84" die gemeinsamen antifaschistischen Überzeugun- hob die DKP hervor, zu den „Massenaktionen" am gen von Sozialdemokraten und Kommunisten 20. Oktober hätten außer ihr auch SPD, DGB, weitaus wichtiger sind als die politischen und GRÜNE, Christen und autonome Kräfte mobilisiert, weltanschaulichen Unterschiede, die sie tren- Kommunisten hätten neben Sozialdemokraten und nen...` Gewerkschaftern gesprochen. Zu den Rednern der Kundgebung in Hamburg gehörten z. B., neben „Im Ergebnis dieser Entwicklungen haben sich dem DKP-Präsidiumsmitglied Irmgard BOBRZIK, die Beziehungen zwischen Sozialdemokraten und auch der sozialdemokratische Politiker Gerhard Kommunisten verbessert. In der Friedensbewe- SCHRÖDER (MdB) und Ilse BRUSIS, Mitglied des gung, in Arbeiterkämpfen gegen Massenentlas- geschäftsführenden Bundesvorstandes des DGB. sungen und Betriebsstillegungen, im Streik der Der DKP-Parteivorstand wertete den Verlauf der Drucker und Metaller für die 35-Stunden-Woche „Herbstaktionen" als Bestätigung, daß die „Möglich- wirkten und wirken Sozialdemokraten und Kom- keiten zur Vertiefung der Aktionseinheit wach- munisten gemeinsam mit anderen demokrati- sen" 16). Dieses Urteil entsprach auch der Einschät- schen Kräften zusammen. In gemeinsamen Ak- zung durch die KPdSU; Wadim SAGLADIN, erster tionen wächst in Teilen der SPD die Erkenntnis, stellvertretender Leiter der Internationalen Abtei- daß der Antikommunismus ein Hindernis für den lung des ZK der KPdSU, würdigte die zunehmende Kampf um Frieden und soziale Rechte ist und der Beteiligung sozialdemokratischer Parteien an Sozialdemokratie keine Vorteile bringt. Das wirkt „Friedensaktionen" als eine „neue bedeutsame Er- sich positiv auf die weitere Entwicklung der Ak- scheinung" 17). tionseinheit in der Bundesrepublik wie auch auf die Beziehungen zwischen der SPD und kommu- Im Juli 1985 schrieb Emil CARLEBACH, Mitglied nistischen Parteien sozialistischer Länder aus." des DKP-Bezirksvorstandes Hessen und Präsidi- (These 22) umsmitglied der DKP-beeinflußten „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes — Bund der Antif a- In ihren Publikationen, vor allem in ihrem Zentral- organ „Unsere Zeit", versucht die DKP regelmäßig auf verschiedene Weise, ihre angeblich größere 12)UZ vom 5. 4. und 8. 6. 1983 Bündnisfähigkeit und zunehmende Anerkennung 13) UZ-Eigenbeilage zu UZ vom 1. 9. 1984, S. 19 14) UZ vom 15.2. 1983, 5. und 6. 1. 1984 deutlich zu machen: 15) UZ-Eigenbeilage zu UZ vom 1. 9. 1984, S. 19 16) UZ-Eigenbeilage zu UZ vom 1. 12. 1984, S. 6 17) W. SAGLADIN, Die Arbeiterbewegung und der Kampf 10) UZ-Eigenbeilage zu UZ vom 1. 9. 1984, S. 19 um Frieden, in: Jahrbuch der Internationalen Politik 11) UZ vom 23.2. 1985 und Wirtschaft 1984, Berlin (Ost) 1984, S. 49 Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

schisten" (VVN-BdA) in der kommunistischen der Partei" 20). Die Aktionen zum 8. Mai seien „vom Bündniszeitung „Deutsche Volkszeitung/die tat": Geiste der Aktionseinheit, von partnerschaftlicher Zusammenarbeit und der antiimperialistischen So- „Vielleicht muß man den Großteil unseres Jahr- lidarität" geprägt gewesen 21). hunderts miterlebt und miterlitten haben, um das, was zur Zeit in der internationalen Arbeiter- Den Aufruf der „Initiative 40. Jahrestag der Befrei- bewegung vor sich geht, nicht nur rational beur- ung und des Friedens", von Funktionären der DKP- teilen, sondern gleichzeitig im Gefühl miterleben beeinflußten VVN-BdA propagiert, hatten nicht nur zu können: zahlreiche Funktionäre kommunistischer Kern- Der Parteivorstand der Sozialdemokratischen und Nebenorganisationen, darunter der DKP-Vor- Partei Deutschlands legt gemeinsam mit dem sitzende MIES, sondern auch zwei Bundestagsabge- Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspar- ordnete der SPD, Funktionäre und Gliederungen tei Deutschlands den Entwurf zur Schaffung ei- der Jungsozialisten und mehrere Gewerkschaftsse- ner von chemischen Waffen befreiten Zone in kretäre unterzeichnet. Mitglieder dieser Gruppie- Mitteleuropa vor. rungen traten auch als Redner bei den „antifaschi- stischen Manifestationen" (am 4. Mai in Hamburg, Die Führung der Sozialistischen Internationale Köln und Frankfurt) auf. reist nach Moskau und vertritt dort im Hinblick auf Abrüstung und Entspannung dieselben Ge- Mit neuen bündnispolitischen Erfolgen rechnen die danken wie der Führer der Kommunistischen Kommunisten bei ihrer Kampagne gegen die an- Partei der Sowjetunion. geblichen „Weltraumrüstungspläne" der USA. Auf eine Umfrage des DKP-Zentralorgans zum „Ster- Das — und man muß es wissen und nachempfin- nenkrieg" antworteten auch Dieter SPÖRI (SPD) den — hat es seit Jahrzehnten nicht gegeben. Das und Siegfried POMMERENKE (DGB). Beide Inter- schien noch vor kurzem ein Ding der Unmöglich- views veröffentlichte die UZ auf der Titelseite. keit 18). Dr. SPÖRI sprach sich dafür aus, Betriebsräte und Sozialdemokraten und Gewerkschafter beteiligten Gewerkschafter in die „Friedensbewegung" mit ein- sich gemeinsam mit Kommunisten auch an Podi- zubeziehen. POMMERENKE erklärte zu seiner Be- umsdiskussionen, so z. B. im Juli 1985 bei dem Fo- teiligung an der Podiumsdiskussion am 20. Juli in rum „Heilbronn mahnt: Nie wieder Hiroshima! ... ", Heilbronn: „Ich werde mit jedem, der die Lehren an dessen Vorbereitung und Durchführung die aus unserer leidvollen Geschichte gezogen hat, an DKP und ihre Vorfelderorganisationen aktiv mit- einem Tisch sitzen, wenn es um die Probleme des wirkten. Auf dem Podium saßen u. a. Karl-Heinz Friedens geht" 22). SCHRÖDER, Mitglied des Präsidiums und des Se- kretariats der DKP, , Obmann In der Ausgabe vom 16. August veröffentlichte das für Abrüstungsfragen der SPD-Bundestagsfraktion DKP-Zentralorgan, Auszüge aus einem Telefonin- und Siegfried POMMERENKE, Landesvorsitzender terview mit Heinz Oskar VETTER, Mitglied des Eu- des DGB Baden-Württemberg; in einem der Ar- ropäischen Parlaments und ehemaliger Vorsitzen- beitskreise referierte laut UZ der SPD-Bundestags- der des DGB. VETTER habe das Nein des DGB zur abgeordnete Dieter SPÖRI zusammen mit einem strategischen Verteidigungsinitiative (SDI) der DKP-Betriebsrat 19). USA bekräftigt. In der „Antifaschismuskampagne" kam die DKP Auch die vom DGB angekündigte „Aktionswoche" mit ihrer „Aktionseinheitspolitik" gleichfalls voran. im Oktober will die DKP für die „Aktionseinheit der Sie selbst beurteilte die „Kampagne um den 8. Mai" Arbeiterklasse" gegen „Sozialabbau und Hochrü- als eine der „erfolgreichsten Etappen des Wirkens stung" nutzen.

18) „Deutsche Volkszeitung/die tat" Nr. 28 vom 12.7. 1985, 20) UZ-Eigenbeilage zu UZ vom 26.6. 1985, S. 30 S. 2 21) UZ vom 8. 5. 1985 19) UZ vom 23., 25. und 26.7. 1985 22) UZ vom 26.7. 1985 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode Drucksache 10/6584

Anlage 6

Bonn, den 15. Mai 1986

Zu Beginn der heutigen Sitzung des 2. Untersu- Ich bin einige Zeit später dahin unterrichtet chungsausschusses erklärt Ausschußvorsitzender worden, daß Erkenntnisse darüber nicht vor- Gerhard Jahn folgendes: lägen. 2. Ohne Aufforderung und Anfrage habe ich im Im Zusammenhang mit den Untersuchungen des Oktober 1976 eine Mitteilung des Bundesam- 2. Untersuchungsausschusses des Deutschen tes erhalten, in der allgemein über die politi- Bundestages über die Anforderung von Berichten sche Tätigkeit ausgeschlossener und ausge- über Politiker und Parlamentarier durch den Par- tretener ehemaliger Mitglieder der SPD be- lamentarischen Staatssekretär Spranger ist be- richtet wurde. Deren Namen wurden darin hauptet worden, auch von anderen Politikern nicht genannt. seien ähnliche Berichte vom Bundesamt für Ver- Über diese beiden Sachverhalte hinaus sind fassungsschutz angefordert worden. In diesem mir Auskünfte des Bundesamtes für Verfas- Zusammenhang ist mein Name genannt und be- sungsschutz nicht erteilt worden. hauptet worden, auch ich hätte solche Berichte Die Unterstellung, die von mir gestellte angefordert. Hierzu erkläre ich: Frage und deren Beantwortung sei mit den Berichten zu vergleichen, die der Parlamen- Nach sorgfältiger Prüfung erinnere ich mich an tarische Staatssekretär Spranger über Politi- zwei, etwa zehn Jahre zurückliegende Vorgän- ker und Parlamentarier anderer Parteien ge: beim Bundesamt für Verfassungsschutz an- 1. Etwa im Jahre 1976 habe ich den damaligen gefordert hat und Mitgliedern seiner Frak- Präsidenten des Bundesamtes für Verfas- tion und Dritten zugänglich gemacht hat, sungsschutz gefragt, ob er Erkenntnisse entbehrt jeder Grundlage. Ich weise diese über die Herkunft der augenscheinlich unge- Unterstellung zurück. wöhnlich hohen finanziellen Mittel habe, die Die Aufgabe des 2. Untersuchungsausschus- der DKP in Marburg für ihre politische Ar- ses, den Umgang Bundesminister Zimmer- beit zur Verfügung stehen müßten. Die Ver- manns und des Parlamentarischen Staatsse- anstaltungen der DKP waren so aufwendig, kretärs Spranger mit dem Bundesamt für daß sie offenkundig aus eigenen örtlichen Verfassungsschutz zu untersuchen, bleibt Mitteln nicht finanziert sein konnten. unverändert bestehen. Drucksache 10/6584 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode

Anlage 7

Im 2. Untersuchungsausschuß

Leider reimt sich Spionage allzu häufig auf Blamage, und auch das Berichte-Schreiben läßt man künftig tunlichst bleiben, denn die Welt ist unvollkommen für die Heiden, für die Frommen — kurz gefaßt: für jedermann, wie man hier gut sehen kann. Drum sei mehrfach auch verflucht, was der Ausschuß untersucht: des Herrn Tiedges Eskapaden, ziemlich schlaue Kameraden aus diversen Amtsquartieren, die das Land vorzüglich zieren, oder auch im Gegenteil halten hier Verwirrung feil: Einer „j a", der andre „nein", das soll nun die Wahrheit sein. Und so geht's noch wochenlang, diese Aussicht macht uns bang, denn am Ende, das ist klar, ist es so, wie's anfangs war.