Die Linksliberalen in den Jahren von 1981-1983 (Teil | ): Die Entfremdung zwischen Basis und Establishment von Martin Budich und Thito scheling

Der Versuch, mit den Libenlen Demokra- Radikalen (J ungdemokraten und William stellen, daß es unter den führenden Links- ten einen, wie es Theo Schiller formulier- Borm) lud der lnnenminister G:iste aus liberalen nur William Borm gab, der ihre te, "Quereinstieg in das deutsche Par- der Fraktion und aus dem Bundesvor- strikte Ablehnung des NATO-Beschlusses teiengefüge zu unternehmen", ist geschei- stand, um sich seine Führungsrolle bestä- teilte. Noch wenige Wochen vor dem Par- tert. Die Sammlung sozialliberaler FDP- tigen zu lassen. Die Gäste hatten in keiner teitag konnte Genscher auf dem NRW- Mitglieder und sozialliberaler Wähler hat Phase Einfluß auf sein Handeln. Ein enger Landesparteitag in Münster feststellen, keinen Erfolg gezeitigt. Ein Rückblick Beraterstab und ihn hofierende Journali- daß seine Position zum NATO-Beschluß auch hinter die Kulissen - auf das Wirken sten, die er mit Kabinettswissen versorgte, in der FDP - im Gegensatz zu Schmidts der Sozialliberalen in den vergangenen beeinflußten weitgehend sein Vorgehen. Position in der SPD - völlig unbestritten drei lahren macht deutlich, wie sich aus Das Büro von William Eorm bildete die sei. Nur die Jungdemokraten widerspra- einer fast aussichtslosen Lage aus dem einzige - wenn auch nur mit bescheidenen chen. Sie starteten daraufhin eine Veran- linken Flügel der FDP ein relevanter Fak- Mitteln ausgestattete - funktionierende staltungsoffensive an der Parteibasis. tor entwickelte und wie diese Chance ver- Kommunikationszentrale der Linkslibera- Gleichzeitig aktivierten sie den Personen- spielt wurde. len. i\4it der sich zuspitzenden Diskussion kreis der gelegentlich von William Borm einem Potentielle Kristallisationspunkte für ei- um den NATO Beschluß kam William mit Rundbrief angeschrieben wur- Dieser ne linksliberale Struktur bildeten Ende Borm nicht zulelzt auch durch seine Rol- de. Adressenverteiler war im Zu- sammenhang mit dem Aufruf den der siebziger Jahre Ie als Vorsitzender des Bundesfachaus- "für li' beralen Fortschritt" im Main- - der Pool, eine ursprünglich von lr4ar- schusses für Außenpolitik in die Rolle des Vorfeld des tin Bangemann initiiene Bürogemein- schaft der Iinksliberalen Abgeordneten im , - der Sylter Kreis, ein nach dem Sylter Hof in , wo dieser Kreis zum ersten lvlal ta$e, benannter Cesprächskreis von sozialliberalen Abgeordneten und Vor- standsm itgliedern der Landes- und Bun- desebene, - dasBaum-l\4inisterium - das Büro von William Borm - die lungdemokraten und die von ih- nen aufgebauten Bildungswerke. Der Pool der linksliberalen Bundestags- abgeordneten hat nie funktioniert. Eifer- süchteleien und persönliche Unzulänglich- keiten, wie sie im politischen Raum unter politischen Profis unvorstellbar zu sein scheinen, beherrschten hier eigentlich ständig die Situation. Thilo Schelling und Msrtin Budich beschreiben das Versagen der Linksliberalen Ein auch nur ansatzweise gemeinsames Handeln aller Beteiligten ergab sich höch- Gegenparts zum Partelvorsitzenden Gen- zer Bundesparteitages (1978) entstanden. stens dann, wenn die Parteirechten mit scher. Diesem Adressatenkreis ging nun ein Auf- ihren Dreistigkeiten überzogen. Weder ei Die lungdemokraten hatten mit dem ruf der Jungdemokraten zu, der sich ge- gene lnitiativen, noch ein Minimum an Bundesvorsitzenden - Wechsel von Hanspe- gen den außen- und sicherheitspolitischen Koordination von Einzelaktivitäten konn, ter Knirsch zu Christoph Strässer an Ein- Kurs Genschers wandte. Unterstützt te bewerkstelligt werden. fluß in der FDP erheblich eingebüßt und durch die öffenrliche Diskussion und Der Sylter Kreis. ein von Theo Schiller ihren Arbeitsschwerpunkt in den außer- durch eine Reihe von friedenspolitischen und Helga Schuchardt eingeladener Kreis institutionellen Bereich verlagert. lhr En' Anträgen aus verschiedenen Parteigl ieder- jener, die sich als Linksliberale fühlten, gagement im Friedensbereich (u. a. Mit- ungen (u.a. auch vom Landesverband oder die dienstlich verpflichtet waren, initiierung des Krefelder Appells) zwang Schleswig - Holstein und vom Bundes- teilzunehmen, um andernorts zu vermel- sie in die direkte Auseinandersetzung mit fachausschuß Außenpolitik) zeigte diese den, was die Linksliberalen planten, dege- Genscher. lhr Stellenwert ln Bündnissen lnitiative Wirkung. Das Thema "Friedens- nerierte zum Veteranentreff. Ehemalige hing u.a. auch davon ab, daß sie sich in und Sicherheitspolitik' wurde nachträg- .lungdemokraten, längst ministrabel oder der FDP nicht als irrelevante Randgruppe lich noch zum ersten Schwerpunkt des schon im Amt, diskutierten die große Li- abdrängen ließen. lhr verstärktes Engage- Parteitages auf die Tagesordnung gesetzt. nie oder versicherten sich ihrer Haus- ment in der Partei traf mit einer Solidari- Das erste Ziel, die Enttabuisierung der macht. lnsbesondere vor Parteitagen, auf sierung des übrigen linken Parteiflügels Genscher-Position war damit für die Jung- denen Personalentscheidungen anstanden, mit den .lungdemokraten zusammen: Vie- demokraten erreicht. Genscher ließ als erfreute sich dieser Kreis eines regen Be- le erkannten die Auseinandersetzung mit Antwort elnen Leitantrag erstellen. suches. den J ulis sehr früh als Richtungskampf in- Die Wochen vor dem Parteitag brachten Das Baum-l\4inisterium bildete gelegent- nerhalb der Partei. heftige Auseinandersetzungen zwischen lich die Herberge für gemäßigte linksli- lm Vorfeld des Kölner FDP-Bundespar- den Jungdemokraten und der soziallibera- berale Gespräche. Unter Ausschluß der teitages mußten die lungdemokraten fest" len Basis auf der einen Seite und dem so-

t9 zialliberalen Establishment auf der ande- Stimmung. Die l\4edienreaktion war ein- dorff am Koalitionswechsel zu hindern", ren Seite. Während den Jungdemokraten deutig: eine Niederlage für Genscher. schlug die Stimmung an der Basis immer warnend vorgehalten wurde, mit einer Den linksliberalen Repräsentanten wur' stärker gegen Genscher um. Viele merk- 'Alles - oder - Nichts - Strategie' (den de noch während des Parteitages klar, daß ten, daß er sich nicht mehr positiv zur so- NATO - Beschluß also kategorisch abzu- sie ihre Führungsrolle ftjr den linken Par- zialliberalen Koalition äußerte und die Ju- lehnen) Genscher ins Messer zu laufen, reiflügel zumindesrens teilweise einge- lis im Stellvertreterkrieg gegen die Jung- weil er durch den vermeintlichen Abstim- büßt hatten. Bei den anderen Parteitags- demokraten unterstützte. mungserfolg bestätigt würde, favorisierten schwerpunkten'Umwelt' und'Drogen' Die linksliberalen Abgeordneten wur- die linksliberalen Abgeordneten einen versuchten einige, wie lngrid Matthäus- den schließlich vom'Sommertheater' völ- Kurs, bei dem die Gleichsetzung beider Maier, durch sehr engagie;te Beiträge lig überspielt. Lambsdorff und Genscher Teile des Doppelbeschlusses verlangt wur- wieder Boden gutzumachen, während sich probten den Koalitionswechsel und trafen de. Doch die Jungdemokraten mußten in Gerhart Baum mit seinen Positionen zum auf weniger Widerstand, als sie erwartet dieser Frage auch d€n Konflikt mit den Umweltpapier und seiner starren Haltung hatten. Nur i\4ischnick hinderte sie letzt- 'Nahestehern' riskieren, sie hätten anson- gegen eine Entkriminalisierung von lich an ihrem Putschversuch. sten in ihrem au ßerparte ilichen Spektrum Haschkonsum völlig von seiner sozialli- Der eilends zusammengetrommelte'Syl- ihre Glaubwürdigkeit verloren. lm übrigen beralen Basis entfernte. ter Kreis' trat zusammen) als gerade alles gab es in den letzten Jahren kein Thema Die Jungdemokraten, insbeondere,der entschieden war. Allerdings war man ent- der Auseinandersetzung, bei dem die Landesverband NRW, der an der Vorbe- schlossen, sich nun besser gegen die Pläne Jungdemokraten vergleichbar kompetent der Rechten zu wappnen. Doch statt die- gegen Genscher auf seinem Fachgebiet se Frage als rein in nerparteiliche Macht- antreten konnten. Ein Symptom für Gen- frage zu erkennen und hierauf vorallem schers argumentative Schwäche war z. 8,, organisatorische Antworten zu geben, daß die Broschüre, die die Position der entschloß sich der Kreis, inhaltliche Pa- Bundesregierung zur "Nachrüstung" er' piere zu entwickeln. Hieraus sollte hervor- klären sollte, drei Mal zurückgezogen wer- gehen, daß eine restriktive Haushaltspoli- den mußte, um durch bessere Argumente tik mit der 5PD erfolgreicher zu bewerk- ersetzt zu werden. stelligen sei als mit der Union. Am Vorabend des Parteitages organi- Von diesem Punkt an gab es zwischen sierten die Jungdemokraten ein Hearing den Jungdemokraten und ihren bisherigen mit prominenten Friedensforschern. Ziel Ansprechpartnern in der Bundestagsfrak- gruppe dieser Veranstaltung waren die so- tion inhaltlich in den entscheidenden Be- zialliberalen F DP-Bu ndestagsabgeord ne- reichen Außenpolitik und Wirtschaftspoli- ten, die sich gern der Entscheidung über tik kaum noch Gemeinsamkeiten. Die den NATO-Beschluß mit der Begründung 'Linken'in der Fraktion standen in diesen entzogen, sie hätten gegenüber Genscher Frage inhaltlich näher bei Genscher und in dessen Ressort "inhaltlich nichts ent- Lanbsdorff als bei ihrer sozialliberalen gegenzusetzen'1. Parteibasis. Der Konsens beschränkte Der zentrdl gelegene Ort Köln ermög- zu diesem Zeitpunkt fast nur noch auf die lichte es den Jungdemokraten, ca. 150 Koal itionspräfenrenz. Gäste für den Parteitag zu mobiiisieren, Der Zustand der Linksliberalen in der die mit großem Beifall die Genscher Kri- FDP erreichte seinen Tiefpunkt. Gen- liker feierten. Schon in der allgemeinen schers'Wendebrief' rrieb den ersren grös Aussprache zu Beginn des Parteitages, bot seren Schwung von Linksliberalen aus der Censchers autoritäres Eingreifen für einen Partei. von der FDP geduldeten CDU-Minder- Die Situation des sozlalliberalen Flügels heitssenat in Berlin reichlich Zündstoff. Freiburger Thesen: Geburtstag vergessen schien hoffnungslos. Die Parteiapparate Durch einen Regiefehler der Parteitags- reitung des Kölner Parteitages entschei- waren fest in der Hand der Rechten, Die organisation hatlen sich die Gäste 1wi- dend beteiligt war, versuchten ihrer neuen Parteimedien wurden wesentlich kontrol- schen die Delegierten pldzieren können, Rolle als akzeptierte Koord inationsstelle liert. Verheugen als Generalsekretär und so daß bei der Debatte um die Mittel- des linken Flügels gerecht zu werden. Wolfgang Heinz als Herausgeber von 'libe- streckenraketen der Eindruck entstand, lhr stärkeres Engagement in der Partei ral' bewjesen mitunter etwas Zivilcourage als sei die Hälfte des Parteitages gegen den und ihr Bemühen um Anerkennung auf und erinnerten an die Wahlaussage und an Genscher-Kurs. Genscher drohte darauf- dem linken Flügel resultierte zum großen das Programm der FDP, doch das öffent- hin mil Rücktritt und zog damit zu ei- Teil auch aus der Kon ku rrenzsitu dtion zu liche Bild der Partei wurde von Genscher nem Zeitpunkt die "Notbremse", als sei- den vom rechten Parteiflügel mit viel Un- und Lambsdorff bestimmt. Vor den

ne Kritiker noch gar nicht in der Vorhand terstützung geförderten J u I is. Ferns€hkameras definierten sie den waren. Diese Maßnahme bewirkte eher ei- Doch außer ein paar Rundschreiben an Rechtskurs der Partei, der dann in den nen Solidarisierungsprozeß gegen Gen- den mittlerweile auf 2000 Personen ange- Gremien nur noch abgesegnet wurde. scher und seinen "Erpressungsstil", wachsenen bereits erwähnten Verteiler, lm Herbst l98l traf sich in eine fulehr als 30 Prozent der Delegierten gelang keine effektive Koordination des vierköpfige Gruppe (drei MdB Assistenten lehnten schließlich jegliche Srationierung linken Parteiflügels. Der Beschluß des aus dem Pool und der DJD Landesvorsit- von neuen M ittelstreckenraketen in der Bu ndeshau ptausschusses der Jungdemo- zenden NRW), um Widerstand gegen den Bundesrepublik ab, 40 Prozent sprachen kraten zum 10. Geburtstag der Freibur- sich immer deutlicher abzeichnenden Ko- gegen sich die geplanten landgestützten ger Thesen einen Kongreß zu organisieren alitionsbruch zu organisierel. Hierzu soll, Rakelen aus. Damil war Genscher in ei- wurde z. B. nicht realisiert. te zunächst ein Kongreß auf die Beine ge- ner sein l\4inister-Ressort betreffenden Die Entfremdung zwischen linkslibera- stellt werden, der voraliem Frage in seiner Partei äußerst umstritten ler Basis und Establishment verschärfte die Iinksliberale Basis in der FDP aus geworden. sich in den folgenden Monaten. Während der Resignation reißt und l\4otivation Da5 Abstimmungsergebnis bewirkte bei die Bonner Prominenz versuchte, "sich erzeugt, :er iinksliberalen Basis eine euphorische mit Genscher zu arrangieren, um Lambs- - den Rechten in der FDP das 'Drohpo- :, ü- zu stützen. Kurs der Parteiführung gewandt. Als weiteres, quasi als Nebenziel, wurde Theo Schiller vertrat in allen wichtigen angestrebt, eine neue Führungsfigur für Fragen die gleichen Positionen wie die so- den linksliberalen Flügel durchzusetzen. zialliberale Basis und wurde darüberhin- Doch dieses Problem schien kaum lösbar. aus bis in die Mitte der Partei hinein ak- Die Traktionsmirglieder waren auf keinen zeprierr. Fraglich wdr allerdings, inwie- 'Anti-Nachrüstungskurs' zu bewegen, alle weit sein gutes lmage unter Bonner.lour- anderen in Frage kommenden Persönlich- nalisten wleder aktiviert werden konnte. keiten hatten medienmäßig wenig Chan- Für Helga Schuchardt und Theo Schiller cen beachtet zu werden. Eine Zeitlang als herausragende Persönlichkeiten des wurde überlegt, ob versucht werden soll- Kongresses sprach auch, daß ihre Funk- te den SP IEG E L'Herausgeber Rudolf tion als Einlader des Sylter Kreises linksli, Augstein für eine solche Funktion zu ge- beralen Eifersüchteleien entgegengehalten winnen. Doch seine wiederholt erwiesene werden konnte. dann den Und iqziplinierrheit bildele Für die Organisatoren des dann fiir En" Hauptgrund, diese ldee wieder fallen zu de Februar 1982 in Köln geplanten Kon- lassen. gresses stand allerdings fest, daß der Syl- Die Gruppe verständigte sich dann ter Kreis, der Pool, der Generalsekretär schnell darauf, daß es keine Alternative und der lnnenminister mit seinem Staats- zu Helga Schuchardt und Theo Schiller seLretär erst dann über qie Planungen in- gab. Bei beiden war man sich vorallem formiert werden sollten, w€nn die Planun- sicher, daß sie sich nicht d€m zu erwar- gen abgeschlossen waren. Die Devise lau- tendem Druck der Parteiführung beugen tete: Den Zug in Bewegung setzen, so daß Helga Schuchardt hatte nichts zu verlie- würden. Helga Schuchardt wußte. daß sie die Herrschaften nur aufspringen oder am ren nachdem dle A4alerinnung ihren Landes- Bahnsteig zurückbleiben konnten. Doch tential' gegen einen Koalitionswechsel verband Hamburg gekippt hatte, nichts durch eine Panne kamen die Planungen deutlich macht, mehr zu verlieren hatte. Sie hatte sich dann doch früher an die öffentlichkeit sozialliberale inhaltliche Aussagen vorangegangenen - auch in den Wochen am als geplant. (ldentität) erarbeitet, um die Koalition mutigsten in der Offentlichkeit gegen den Fortsetzung folgt Die Linksliberalen in den Jahren von 19Bt-1983 Cleil lD Der Köner KongreB - Fight hinter den Kuliss€ll uon Martin Budich und rhiroscheilins

lm ersten Teil der Beschreibung der Entwicklung der Linksliberalen in der Zeit zwischen 1981 und 1983 machten die Autoren deutlich, wie unkoordiniert der linke Flügel der FDP agierte. ln der Nachrüstungsfrage kam es zum offenen Bruch zwischen soziallibe- ralem Establishment und linksliberaler Parteibasis. Auf dem Kölner FDP-Bundespartei, tag stimmten 1981 vierzig P(ozent der Delegierten in dieser Frage gegen den Genscher- kurs, den jedoch die sozialliberalen Abgeordneten weiter stützten. Genschers Wende- '198'l brief und der im Sommertheater versuchte Koalitionsbruch erlebten keine hand, lungsfähige Opposition. lm Herbst 1981 fand sich eine Gruppe aus Jungdemokraten und Abgeordneten"Assistenten, die einen Kongreß planten, der l\4otivation und Handlungs- fähigkeit auf dem linken FDP-Flügel erzeugen sollte. Die Hintergründe dieses ,,Kölner Kongresses" stehen im I\4ittelpunkt dieser Fortsetzung.

Zur l\4obilisierung von Teilnehmern für gesamte Prominenz (Baum, Schoeler diesen Kongreß wird ein Brief an etwa usw.) teilnahm, endet im Chaos. Der un, fünfzig regionale linksliberale l\4ultiplika- eingeladen anwesende, stark alkoholisier- loren verschickl. 5ie werden gebeten, ei- te Bundesgeschäftsführer der FDP, Flis, nen Einleitungstext für die Einladung des zar, zcrstört jegliche Diskussion. Der de- Kongresses mit ihrer Unterschrift zu un- solate Zustand des linken FDP-Flügels terstützen. Absender des Briefes sind Wil- wird förmlich vorgeführt. liam Borm und die .l u ngdemo kratenvor- Durch ein Versehen kommt die Mobi- sitzenden seit Theo Schiller {Knirsch, li5ierung lür den Kongreß dann besser in Strässer, Lutz). Damit soll an dle Tradi- Gang, als es die Organisatoren erhofft ha- tion des Aufrufs für den liberaien Fort- ben. Einer von ihnen benutzt die Rück- schritt (siehe erste Folge) erinnert wer- seite des erwähnten Textentwurfes ais den. Von den Abgeordneten wird nur Notizzettel und läßt ihn in einem lnter- Helga Schuchardt informiert, aber auch city liegen. Das Papier gelangt von dort in sie wird nicht beteiligt. Die Organisatoren die Bonner Fraktionsführung. Klaus Gärt- befürchten, daß die Abgeordneren einem ner recherchierl und srellt lest, daß seine zu erwartenden Druck der Parteiführung Abgeord nete n kollegen an diesen Planun- nachgeben und versuchen würden, die gen nicht beteiligt sind. Funktion des Kongresses zu gefährden. Einige Bonner J ournalisten erhalten Die Kongreßeinladung wurde in Der Einleitungstext und Anleh- die Unterstüt- Kopien des Textes und produzieren l\4el- nung an das Flach-Buch ,,Noch eine zungsunterschriften sind später nicht ver" dungen über einen geplanten,Spalter-' Chance für die Liberalen" gestaltet. wandt worden, weil die Mobilisierung Kongreß. Ganz offensichtlich sind diese durch die l\4edien bereits ausreichend lief. Berichte mit dem rechten Parteiflügel der FDP beschlossen. Auf einer Sitzung des Sylter Kreises abgestimmt. Die linksliberale Basis re- Schließlich schaltet sich der General- Ende 1981 sollte dann über den Kongreß agiert allerdings nicht verschüchtert, son- sekretär Günter Verheugen ein. Auch er informiert werden. Doch die Sitzung, an dern begeistert. Die Anfragen bei den drängt bei den sozialliberalen Abgeordne- der zum ersten /\4al seit geraumer Zeit die Organisatoren zeigen schon baid sehr ten auf eine Verschiebung und erfährt deutlich, daß es keine I\4obilisierungspro- von ihrem erfolglosen Bemühen. Die bleme geben wird. Autoren dieses Beilrdgs werden zu einem Die anderen Befürchtungen der Orga- Cespräch geladen und erneut zu einer nisatoren bewahrheiten sich hingegen. Die Terminverlegung g€drängt. Die b€vorste- Abgeordneten des Pools treffen sich und hende Landtagswahl in Niedersachsen lie- beauftragen Helga Schuchardt, für eine fert die Begründung. Doch der Termin terminliche Verschiebung des für Ende bleibt. Überraschend bietet Verheugen Februar geplanten Kongresses zu sorgen. dann seine Teilnahme an dem Kongreß Aus der Sitzung heraus muß sie mit den an, Seine einzige Bedingung: das Motto Organisatoren telefonieren. Ingrid l\4 at- ,,Zeit zur Umkehr - Noch eine Chance thäus habe Bezirksparteitag, die Baden- für die Liberalen" müsse geändert werden. Württemberger gar Landesparteitag an Die Assoziation von Wende und Umkehr dem geplanten Wochenende. Doch die sei deutlich gegen Genscher gerichtet. Das Organisatoren bleiben stur. Zum einen könne er als Generalsekretär nicht mit- wissen sie von der Strategie der Partei- machen. Ferner verspricht er, Ronnebur- führung, auf eine Verlegung und Ent- ger als Referenten und Baum als Teilneh- schärfung des Kongresses zu drängen, mer des Kongresses zu gewinnen. Verheu- zum anderen brauchen die Jungdemokra- gens Gesprächspartner willigen in den ten noch vor ihrer Bundesdelegiertenkon- Handel ein. 5ie wissen nicht, daß Verheu- ferenz Anfang März einen Erfolg im links- gen Ronneburger Der I ungdcmokraten,Vorsitzende Werner und den Kongreß in- Ltrtz rlar einer der Org.rni>dturcn dej liberalen Bereich. Der Landesverband strumentalisieren wollen, um den Unmut KongTesses. Hamburg hat bereits die Trennung von zu kanalisieren, der sich in Schleswig-Hol-

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Gerhart Baum (links) vcrsuchte verge- bens, dcn Kongreß u mzufu n ktjon ieren; dic C"nd cr.R:e8e um Richard Wurb: (M itte) warf Hans-Dietrich Genscher (rechts) massive Füh ru ngssch wäche vor, der daraufhin die Kongreß- lnitiatoren zum Gespräch ins Dehler-Haus lud.

stein artikuliert. Dort wurde im Landes- vorstand diskutiert, wie ein außerordent- licher Bundesparteitag durchgesetzt wer- den könne, um Genscher/Lamdsdorff am Die Organisatoren wehren den Versuch Koalitionsbruch zu hindern. ab, ihn aus dem Programm zu streichen. Eine Konsequenz dieses Gespräches Die Abgeordneten müssen dabei feststel- ist, sich noch deutlicher mit der Konfe- len, daß sie nur Gäste der Konferenz sind, renz auf Karl Hermann Flach zu berufen auf die Organisation jedoch keinen direk- und sich in die Tradition der Freiburger ten Einfl uß besitzen. Thesen zu stellen. Der Buchtitel der,klei- Das Sonntagsprogramm der Konferenz nen grünen liberalen Bibel' von Flach, sieht Arbeitskreise zu den Themen ,Wirt- ,,Noch eine Chance für die Liberalen", schaft', ,Umwelt', ,Grundrechte', wird mit einem kämpferischen Ausrufe- ,Deutschlandpolitik' und,Frauen' vor. zeichen versehen und zum l\4otto der Den Abschluß soll eine kämpferische und Konferenz erklärt. Die Gestaltung des Ti- mobilisierende Rede von Helga Schu- telbildes wird zum Vorbild für das Veran- soll Theo Schiller die inhaltliche Gegen" chardt bilden. staltungsplakat und die Einladung. position zum Wirtsch aftslibe ralismus ä la Bewußt ausgespart ist in der Planung Die Zusage Ronneburgers und Verheu- Lambsdorlf aufzeigen. ln einer Diskus- des Ablaufs eine allgemeine Strategiede- gens ändert die Einstellung der soziallibe- sion mit Sozialliberalen aus anderen euro- batte oder eine generelle Aussprache, Dies ralen Abgeordneten. Jetzt stellen sie sich päischen Ländern soll einerseits erfolg- würde bei den zu erwartenden Teilneh- voll hinter den Kongreß. Als Kritik von reiche !inksliberale Politik, aber auch die mern unweigerlich zu einem Genscher/ Seiten der Wurbs{analer-Riege an dem Spaltung des Liberalismus in anderen Lambsdorff-Tribunal führen mit der si- geplanten Treffen laut wird, fertigen die Ländern als Gefahr für die Bundesrepu- cheren Folge, daß die sozialliberale Pro- Organisatoren eine Presseerklärung, die blik aufgezeigt werden. An dieser Diskus- minenz sich zu Distanzierungen gezwun- sich nichtssagend zur Rede- und Denk- sion soll sich Verheugen beteiligen und gen sehen würde. lreiheit in der FDP äußert und u.a. eine ein Einführungsreferat halten. Für den Die technische Vorbereitung der Kon- Konferenz, wie sie in Köln geplant sei, Abend ist ein Expertengespräch unter ferenz übernahmen die nordrhein-westfä- für geeignet für Denkanstöße hält. Sech- Leitung von Heiner Bremer zum Thema lischen Jungdemok"alen. Ziel ist es, den zehn Abgeordnete unterzeichnen die Er- Friedenspolitik geplant. Dieses Thema ist Kongreß so perfekt zu organisieren, daß klärung. Die loumalisten werten dies seit dem Kölner Bundesparteitag der FDP im lnnenverhältnis die Teilnehmer'zusätz- wie von den lnitiatoren beabsichtigt - im Vorjahr Genschers innerparteilicher lich motiviert, sozusagen mit Selbstver- als Unterstützung für die Kölner Konfe- Schwachpunkt. trauen in die eigene Stärke ausgestattet renz. Damit hat die Konferenz endgültig Die Einleitung dieser Diskussion hat werden, während auch nach außen der die Publizilät erreicht, die für einen Er- sich William Borm vorbehalten. Er ist sehr Eindruck entsteht, der linksliberale Par- folg notwendig schien. mißtrauisch, inwieweit durch die Teilnah- teiflügel habe auch organisatorisch den Das Programm der Konferenz sieht me von Verheugen und Ronneburger die Rechten etwas entgegenzusetze n. Gleich- nun -folgenden Ablauf vor: Christoph Konferenz umfunktioniert würde. Er will zeitig muß deshalb Einfluß und Bedeu- Strässer soll in seiner Eigenschaft als Vor- die l\4öglichkeit behalten, auf Verheugen tung der Jungdemokraten verborgen blei- sitzender des Liberalen Bildungswerkes, zu reagieren. ben, weil dies unweigerlich zu Diffamie- dem Veranstalter des Kongresses, die Be- Von Seiten der Abgeordneten wird zu rungen der Rechtspresse und des rechten grüßung vornehmen. lm lnnenverhältnis diesem Zeitpunkt bereits heftig gegen Parteiflügels führen würde. unter den Linksliberalen soll damit die Borm polemisiert. Seine konsequente Ab- Genscher fährt in Bezug auf das Tref- Bedeutung der Jungdemokraten beim Zu- lehnung des Natobeschlusses zu den i\4it- fen die Strategie des öffentlichen Tot- standekommen dieses Treffens verdeut- telstreckenraketen wird quasi als ein Pro- schweigens. lnnerparteilich gibt er als licht werden. Mit dem Einführungsreferat blem des Altersstarrsins belächelt. Argumentation gegen die Konferenz die

20 Devise aus, es sei undemokratisch und fei- gen und Baum verlangen eine Programm- toren leisten hiergegen nur verhalten Wi- ge, Kritik nicht in den dazu vorgesehenen änderung: Baum solle Raum für eine zu- derstand. Zwar würde nun der zu erwar- Gremien vorzubringen, und stattdessen sätzliche Rede erhalten. tende Tribunaleffekt eintreten, doch kön- mit einem Treffen, zu dem nur die Lin- Doch die Organisatoren sind auf diesen ne man ihn als nicht zu bändigenden, ken eingeladen seien, gegen die gewlihlte Versuch der Parteispitze, die Konferenz spontanen Unmut der Teilnehmer und Parteiführung zu polemisieren. zu vereinnahmen, vorbereitet. Die Ge- nicht als l\4einung der Veranstalter inter- Als das Totschweigen nichts fruchtet sprächspartner von Baum und Verheugen pretieren. und sich 600 Teilnehmer und mehr als erklären nacheinander, sie könnten allein Hinter den Kulissen wird während des fünfzig Pressevertreter zu der Konferenz keine Programmänderungen entscheiden. gesamten Wochenendes mit Helga Schu- angemeldet haben, lädt Genscher die Ver- Nach einer halben Stunde wird ihnen er- chardt über die Formulierung ihrer Ab- antwortlichen am Vortag der Konferenz öffnet, daß ein nötiger Konsens über eine schlußrede verhandelt. Es war vereinbart zu einem Gespräch ins Dehler'Haus. Of- solche Anderung unter den Verantwort- worden, daß die Rede mit einem Appell fensichtlich ist die Kritik des rechten Par- lichen nichl herstellbar sei. Baum könne endet, der unter den Verantwortlichen teiflügels zu laut geworden, die damals gern in die allgemeine Diskussion eingrei- abgestimml. wird. Doch trotz massiven Genscher massiv Führungsschwäche vor- fen. Drucks ist Helga Schuchardt nicht bereit, wirft. Er braucht dö Gespräch, um inner- Nach dem sehr anspruchsvollen Refe- eine klare Aussage gegen die geplanten parteilich seine Führungsrolle abzusi- chern. G€nscher hat in dem Gespräch übri- gens noch nicht ganz Platz genommen, da greift er schon Borm an. Sehr persönlich und polemisch spricht er ihm jegliche Kompetenz in sicherheitspolitischen Fra- gen ab. Nach einer Erwiderung Borms ver- sichern sich die Teilnehmer, daß sie nur das Beste für die Partei im Sinn hätten. Genscher erklärt, daß er mit all€n l\4itteln die sozialliberale Koalition erhalten wolle. Der persönliche Eindruck der Autoren: Schuchardt und Schiller glauben damals noch an die Redlichkeit von Genscher und seinen Aussagen.

Blick ins Plenum: Der Kongreß motivierte die linksliberale Basis

rat von Schiller, das begeistert aufgenom- l\4 ittelstreckenraketen aufzuneh men. Den men wird, stürzt Verheugen an das Red- Kompromiß stellt dann eine Formulie- nerpult und hält gegen alle Absprachen rung dar, in der sie die Kritik in der Partei ein vierzigminütiges Referat. Verabredet quasi referiert, aber eben nicht teilt. Die war eine kurze Einführung in die Podi- Rede wird mit ihrem Aufruf ,Schafft viele umsdiskussion. Dieser Vorstoß, die Kon- Kölnsl. von den l\4edien als Kampfansage ferenz zu kippen, wird zu einer Demüti- des linken Parteiflügels an den Genscher- gung für Verheugen. Die Zuhörer wech- kurs aufgenommen. seln bei seinen Redepassagen derartig Die Sozialliberalen haben mit dieser durchdacht mit Beifall und l\4ißfallens- Konferenz in der öffentlichkeit erheblich kundgebungen, daß die Konferenz an Gewicht gewonnen. Doch auch die schließlich seine Rede umfunktioniert. Parteirechte nimmt diese Auseinander- l\4it Hilfe seiner Worte bzw. der Reaktion setrung an. Cerhart Baum wird in seinem darauf wird deutlich, was die Anwesen- Kreis- und Bezirksverband Köln nicht den über die Parteiführung denken. Die mehr zum Delegierten gewählt. Auch die Organisatoren hatten sich frühzeitig Ver- Rechten formulieren daraufhin polemisch heugens Redemanuskript beschafft und ihr Motto: Schafft viele Kölns! sorgen an verschiedenen Stellen mit ge- Die sozialliberale Prominenz läßt sich zielten - spontan wirkenden - Zwi- einschüchtern. Zu der Bundesdeligierten- schenrufen dafür, daß die vorhandene konferenz der J ungdemokraten vierzehn Helga Schuchardt rief dazu auf, ,,viele Stimmung gesteigert wird. Tage nach der Kölner Konferenz traut Kölns zu schaffen ". Verärgert beteiligt sich Verheugen sich außer William Borm niemand mehr. nicht mehr an d€r Podiumsdiskussion mit Sonntags erscheint dann lngrid Matthäus- Die Konferenz am nächsten Tag be- den ausländischen Gästen Maier und formuliert mediengerecht - stätigt Erwartungen und Befürchtungen. Zum emotionalen Höhepunkt der die Forderung der .l ungdemokraten, Die flir die Teilnehmer unerwartet perfek- Konferenz gestaltet sich dann der Rede- Lambsdorff solle zurücktreten, zurück- te Organisation - fast alle haben mit ei- beitrag von William Borm. lhm werden weisend die Jungdemokraten seien nem mehr oder weniger großen Chaos an- minutenlang Ovationen bereitet. nicht mehr ernst zu nehmen, gesichts der völlig überfüllten Fachhoch- Nach einer Auseinandersetzung im Ple- Der Erfolg von Köln, das ist nun klar, schule gerechnet - sorgt von Anfang an num wird dann ftir Sonntagmittag eine muß ohne Prominenz - eventuell gegen flir eine positive Stimmung. Hinter den Plenumsdiskussion zur allgemeinen Lage sie genutzt werden. Kulissen tobt der offene Fight. Verheu- in das Programm eingefügr. Die Organisa- Fortsetzung folgt.

21 Die Unksliberalen in den Jahren 1981-1980 Oeillll) Das Ende kam völlig anders als

gedacht von Martin Budich und Thilo Schelling

ln den beiden ersten Folgen schilderten tegie festzuhalten und nicht dem Beispie! innerhalb der FDP allerdings immer mehr die Autoren den desolaten Zustand der der Hamburger Jungdemokraten zu fol" nach rechts. Die Sozialliberalen wußten Linksliberalen in der FDP sowie den ge" gen, die sich bereits von der FDP getrennt damals nicht, wie gut organisiert und von lungenen Versuch, mit einem Kongreß, der im Februar'1982 in Köln abgehalten wurde, unter den Linksliberalen wieder Motivation zur Weiterarbeit zu erzeugen und sie nach außen als handlungsfähigen Teil der FDP darzustellen.

Die Jungdemokraten-Bundeskonferenz eine Woche nach dem Kölner Kongreß zeigte, daß der mit diesem Treffen er- zeugte öffentliche Eindruck eines hand- lungsfühigen linken Flügels tiuschte. Der sozialliberale Teil der Parteiführung lehn- te es erstmals seit mehreren Jahren ge-

WolfSang Mischnick verkaufte die CDU Hans-Dietrich Genscher führte deren Zer- Koalitionsaussage als Stützung der sozial- rüttu ng vor liberalen Koalition

hatten. Sie intensivierten weiterhin ihre Flick fürstlich bzw. gräflich honoriert Arbeit in der Partei, um in der FDP eine diese Umstrukturierung betrieben wurde. Koalition all der Kräfte zu organisieren, Augenscheinlich war nur, daß Genscher die das sozialliberale Bündnis in Bonn er- und Lambsdorff in den l\4edien die Zer- halten wollten. rüttung der sozialliberalen Koalition vor- Sie dokumentierten wiederholt die führten. Sie definierten - von den sozial- Parteitagsbeschlüsse und Wahlaussagen liberalen Abgeordneten nahezu ungestört '1980, aus dem Jahr in denen sich die FDP in der öffentlichkeit das lmage der zu einer Koalition mit der SPD verpflich- FDP und bewirkten damit, daß soziallibe- tet hatte. Die lungdemokraten erkannten, rale Mitglieder resignierten und konserva- daß es immer schwieriger wurde, eine in- tive neue Mitglieder in die Partei kamen. haltlich motivierte l\4ehrheit in der FDP Die Partei wurde damit faktisch von oben |: für die sozialliberale Koalition zu finden. umstrukturiert. ln der Frage der Glaubwürdigkeit der Par- Die neuen Mehrheiten in der FDP lngrid Matthäus: Kritik der Kritik tei und der Verbindlichkeit von Wahlver- kamen auf einer Reihe von Landespartei- sprechen ließ sich allerdings eine l\4ehrheit tagen im Frühjahr 1982 zum Tragen. ln schlossen ab, die DJD'Konferenz zu be- gegen den Lambsdorfl -Kurs organisieren. mehreren Landesverbänden wurden die suchen. Baum und Verheugen begründe- Nach der Wahlniederlage der FDP bei J ungdemokratenvertreter nicht mehr auf ten dies auch ganz oflen mit dem Druck, der Hamburger Bürgerschaftswahl (die die satzungsmäßig vorgesehenen Vor- den sie seit der Kölner Konferenz durch FDP war damit zum ersLen l\4al lür einen standsplätze gewählt und durch Julis er- die übrige Parteiführung zu spüren beka- längeren Zeitraum als eine Wahlperiode s€tzl. Der hessische LandesparLeitag im men. lngrid I\4atthäus-l\4aier nulzle aus einem Landesparlament hinausge- luni 1982 bildet den Höhepunkt in dieser schließlich die entstandene Lücke, um wählt worden) gelang es, auch die Füh- Reihe. Er verabschiedete mit einer deutli- den Jungdemokraten in der öffentlich- rungsfrage in der FDP zu entLabuisieren. chen Mehrheit eine Koalit ionsaussage in keit zu bescheinigen, daß sie durch ihre Eine lnitiatlve des F DP-Ortsverbandes Richtung CDU. Die FDP erklärte sich da- ständige Kritik an der Parreiführung irre- Berlin-Steglitz forderte, von vielen FDP- mit bereit, mit Dregger den wohl illibe- levant geworden seien. l\4itgliedern in der ganzen Republik unter- ralsten CDU-Kandidaten für ein Minister- Die Jungdemokraten beschlossen auf stützt, den Rücktritt Genschers. präsidentenamt, der auch nur vorstellbar dieser Konferenz, an ihrer bisherigen Stra- Inhaltlich verschoben sich die Gewichte war, zu unterstützen. Mischnick brachte

19 tiatoren des Kölner Kongresses konzen- daß sie diesmal nicht FDP wählen könn- trierten sich deshalb auf die Vorbereitung ten. Die Parteiführung reagierte mit Aus- dieses Parteitages. schlußverfahren und Amtsenthebungen. Neben dem Aufbau einer Oppositi- An der Parteibasis verst:irkte sich der Un- onsstruktur mit den Liberalen Vereini- mut darüber, wie Lambsdorff jetzt offen gungen sollte auch eine Kommunikations- den Koalitionsbruch propagierte. Sein struktur geschaffen werden. Die seit Jah- von angefordertes Wirt- ren immer wieder diskutierten Pläne für schaftspapier stieß bis weit in die Partei- eine linksliberale Zeilschrift wurden wie- mitte hinein auf Ablehnung- Eine Protest- der aufgegriffen. Doch niemand wollte so welle ging durch die Partei. Das Dehler- recht die Verantwortung fir dieses auch haus wurde mit Beschlüssen von Gliede- finanziell nicht unriskante Unternehmen rungen förmlich eingedeckt, die dazu auf- tragen. Erst als durch bine lndiskretion forderten, nicht länger den Bruch mit der dieses Projekt im SPIEGEL angekündigt SPD zu betreiben. wurde und die ,ungdemokraten die fi- Das Ende der Koalition kam schließ- nanzielle Absicherung des Projektes ga- lich völlig anders als alles, was die Sozial- rantierten, gelang es - dann allerdings Iiberalen in ihren Sandkastenspielen für recht schnell * ein ansehliches Spektrum den Fall der Fälle einkalkuliert hatten. von Herausgebern zu finden: Die Aufru- Alle Planungen für die Stunde X waren fer des Kölner Kongresses Borm, Knirsch, davon ausgegangen, daß Genscher und Lutz, Schiller und Strässer; die FDP- Lambsdorff die sozialliberale Koalition Bundesvoßtandsmitglieder Enderlein, für beendet erklären und daß in der Partei Otto Graf Lambsdorff: Hessenwahl als Koppelin, Lüder und Meyer sowie die eine Mehrheit zu organisieren sei, um Testlauf Abgeordneten Engel, Hölscher und Schu- ihnen die Legitimation für diesen Schritt chardt erklärten ihre Bereitschaft zur zu entziehen. Sollte dies scheitern, müßte es fertig, dies als eine Maßnahme zur Stüt- Mitarbeit. Unmittelbar vor Drucklegung die Empörung in der Partei für einen er- zung der sozialliberalen Koalition in Bonn der ersten Ausgabe sagte auch noch lngrid folgreichen Spaltungsversuch ausreichen. zu verkaufen. Mattfräus-Maier ihre Unterstützung zu, Parallel zum Bundesparteitag war deshalb Eine weitere Austri swelle ging obwohl sie dem Projekt sehr skeptisch ge- schon langfristig von den .lungdemokra- durch die FDP. Auf Theo Schillen Anre- genübeßtand. ten und von der Steglitzer lnitiative ein gung hin wurden deshalb Liberale Ver- Das Erscheinen der ersten Ausgabe Saal in unmittelbarer Nachbarschaft zum einigungen gegründet, die Sozialliberale fand in den l\4edien eine beachtliche Re- Parteitagsgebäude angemietet worden. innerhalb und außerhalb der FDP zusam- sonanz und sorgte unter den Linkslibera- Daß sich Schmidt schließlich von menhalten sollten. Die Strategie der Jung- len wieder für etwas Motivation, weiterzu- Genscher den Zeitpunkt des Endes der demokraten und der lnitiatoren des machen. Auf dem letzten Umschlagblatt sozialliberalen Koalition nicht vorschrei- Kölner Kongresses war es, möglichst alle dieser ersten Ausgabe wurde für einen ben ließ, war von niemanden unter den Sozialliberalen in der FDP zu halten, Kongreß in Norderstedt geworben. Unter- 5ozialliberalen einkalkuliert worden. Der gleichzeitig aber mit den Ausgetretenen stützt von Landesvorstand und Landt2'gs- schwarze Peter lag damit nicht so eindeu- in Kontakl zu bleiben, um nach einer fraktion der FDP in Sch leswig-Holstein tig bei Genscher und Lambsdorff, wie eventuellen Spaltung der FDP nicht auf sollte er als Nachfolgetreffen der Kölner sich dies die Linksliberalen gewünscht dieses Potential verzichten zu müssen. Konferenz am Samstag vor der Landtags- hatten. Die Tatsache, daß Schmidt die Vorrangig sollte versucht werden, wahl in Hessen die Position der Soziallibe- Sozialliberalen in der Koalition nicht in Genscher den Weg zur Aufkündigung der ralen in die Medien bringen. seinen Überraschungscoup eingeweiht Koalition zu versperren. Das Vorhaben, ln Hessen erklärten unterdessen meh- hatte, verbitterte Leute wie Baum und mit einer Serie von Nachfolgekonferenzen rere prominente Linksliberale öffentlich, von Schoeler. des Kölner Treffens den Widentand gegen den Koalitionswechsel zu organisieren, war gescheitert. Eine Konferenz in Frank- furt im Vorfeld des hessischen Landespar- teitages hatte nicht die erforderliche Re" sonanz gefunden. Lambsdorff hatte in der Zwischen- zeit die Entscheidung des hessischen Lan- desparteitages entgegen dem Versprechen von Mischnick üminterpretiert und die Landtagswahl zur Testentscheidung fiir einen Koalitionswechsel in Bonn erklärt. Eine Aufkündigung der Koalition konnte damit, so die Überlegungen der Linksliberalen, nicht vor der hessischen Landtagswahl erfolgen. Auch der Zeit- raum danach war für Genscher und Lambsdorff schwierig. Unmittelbar vor oder nach dem für November vorgesehe- nen Bundesparteitag ließ es sich kaum rechtfertigen, einen Koalitionsbruch durchzuziehen, ohne diese Entscheidung den Bundesparteitagsdelegierten zu über- lassen. Die Jungdemokraten und die lni- Kongreß in Norderstedt (v.1. Borm, Schuchardt, Bremer): ,,Glücklicher Zufall,'

20 Durch den glücklichen Zufall des bereits setzung, daß die anderen aufgezählten reit war, bei einer Parteigründung mitzu- anberaumien Kongresses in Norderstedt Personen mitmachen müßten. AIle Be- wirken. lngrid l\4attträus warnte ausdrück- gelang es den Sozialliberalen sehr schnell, mühungen von Theo Schiller und den lich vor dem Schritt einer Parteigründung. in den l\4edien in die Offensive zu kom- Jungdemokraten, daß vorab Verheugen, Die letzte Chance, die enorme Sympathie men. Bundesweit wurde nun zur Grün- Schuchardt und l\4atthäus]\4aier die lni- für die Sozialliberalen in einer neuen Or- dung von Liberalen Vereinigungen aufge- tiative ergreifen müßten, scheilerten. ganisationsform zu kanalisieren, wurde rufen. Einer der wesentlichen Gründe für am fulontag nach dem FDP-Parteitag ver- Ein Paralleltreffen zum Sonderpartei- dieses Scheitern war eine gewisse Doppel- tan. Hanno Jochimsen hatte in Hamburg tag, der von drei Landesverbänden gefor- züngigkeit der Sozialdemokraten. Wäh- alle Vorbereitungen getroffen, damit eine dert wird, sollte Konsequenzen ziehen. rend sie gegenüber William Borm und den sozialliberale Liste zur Bürgerschaftswahl Doch Genscher zog den Regierungswech- Jungdemokraten erklärten, daß es durch- antreten konnte. Helga Schuchardt und sel durch, der Sonderparteitag erübrigte aus denkbar wäre, für eine solche Partei Maja Stadler-Euler sollten eine sehr at- traktive Liste anführen. Doch Helga Schu- chardt lehnte dies ab, weil sie sich dazu kräftemäßig nicht in der Lage sah. Ohne sie gaben sich die anderen Kandidaten keine Chance. Theo Schiller, der in Berlin zum Sprecher der Liberalen Vereinigung ge- wählt worden war, zog aus diesen Ergeb- nissen die Konsequenz, daß eine Partei- gründung noch keine Chance habe. ln seinem vorbereiteten Redekonzept für die Bochumer Konferenz riet er den An- wesenden von der Gründung einer Partei zu diesem Zeitpunkt ab. Der Sprecher- kreis der Liberalen Vereinigung mit Repräsentanten aus allen Landesverbän- den schätzte die Stimmung der Anreisen-

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Theo Schiller auf dem Berliner Gegenkongreß:Gegenl ref3: Kein Abgeordneter war zLrr Partei- gründung bereit

sich. Während an der Basis der Unmut drei sichere Direktmandate abzutreten über Genscher wuchs, der sich weigerte, und damit den sicheren Einzug in den eine Parteitagsentscheidung abzuwarten, Bundestag zu garantieren, unterlief die erwiesen sich die linksliberalen Führungs- SPD-Führung diese Lösung, indem sie figuren ein weiteres Mal als handlungsun- einer Reihe von F DP-Abgeordneten siche- fähig. re Listenplätze bei einem Wechsel zur Optischen Ausdruck fand dies zum 5PD anbot. Beispiel darin, daß Genscher peßönlich Der Sylter Kreis konnte sich zwar zur vor den Fernsehkameras mitteilt, Ronne- Vorbereitung des Berliner Parteitages auf burger sei nun sein Gegenkandidat für dö eine gemeinsame l\4eßlatte einigen, was Amt des Parteivoßitzenden. Zuvor hatte Mindestanforderungen für eine Weiterar- zum Beispiel der ehemalige Berliner Ju- beit in der FDP sein sollte, doch ein Kon- Helga Schuchardt: ,,Kräftemäßig nicht in stizsenalor Gerhard Moriu Meyer sein zepl d,afür, was bei dem sicher abzusehen- der Lage" Bundesvorstandsamt niedergelegt und den Fall geschehen sollte, daß die Anfor- damit fiir eine fulehrheit für den Genscher- derungen dieser Meßlatte nicht erfüllt den allerdings so ein, daß sie auf jeden Kurs im Bundesvorstand gesorgt. wurden, gab es nicht. Fall eine Partei gründen wollten. Die Abgeordneren, die gegen eine Der Bundesparteitag bestätigte Gen- Theo Schiller formulierte seine Rede Wahl Kohls zum Bundeskanzler waren, scher in seinem Amt. Lambsdorff zog um und stellte nun die Schwierigkeiten trafen sich fast täglich zum Frühstück, seine Kandidatur für den Stellvertreter- einer Parteigründung dar, ohne ausdrück- ohne ein Handlungskonzept zustande zu posten zurück und Baum nahm diese Po- lich davon abzutaten. Seine Befürchtung, bringen. Verheugen, Schuchardt, lVlatthä- sition an, obwohl er nur mit einer Stimme daß man mit jeder anderen Lösung als us-i\4aier, Hölscher, Baum, von Schoeler, Mehrheit gewählt wurde. Viele Soziallibe- den Liberalen Vereinigungen einen gro- Engel, Gärtner, Hirsch, Bergerowski und rale begriffen erst dann, was sie mit ihrer ßen Teil der aus der FDP ausgetretenen Hamm-Brücher gaben zu verstehen, daß Stimmabgabe für Baum angerichtet hat- l\4itglieder nicht erreichen und organisie- sie bei einer Best?itigung des Genscher- ten. ren würde, sollte sich bewahrheiten. Kurses bereit seien, eine neue Partei zu Auf dem Gegenkongreß wurde be- gründen. Alle nannten aber als Voraus- reits deutlich, daß kein Abgeordneter be- Ende

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