Institut für sozialwissenschaftliche Regionalforschung Veröffentlichungen 13

Bernd Vogel Deutschnationalismus in Vorarlberg Die “Grünen” der Zwischenkriegszeit Institut für sozialwissenschaftliche Regionalforschung Veröffentlichungen 13

Bernd Vogel

Deutschnationalismus in Vorarlberg Die „Grünen“ der Zwischenkriegszeit Impressum

Bernd Vogel, Deutschnationalismus in Vorarlberg Die „Grünen“ der Zwischenkriegszeit

Institut für sozialwissenschaftliche Regionalforschung Veröffentlichungen 13

Bibliografi sche Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de/ abrufbar Regensburg: Roderer Verlag, 2015

ISBN: 978-3-89783-817-8

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Institut für sozialwissenschaftliche Regionalforschung Leitung: ao. Univ.-Prof. Dr. Alois Niederstätter Vorarlberger Landesarchiv Kirchstraße 28 A-6900 Bregenz Inhalt Abkürzungen ...... 7

1. Einleitung ...... 9

2. Die Anfänge der „Grünen“ ...... 11

3. Das „grüne“ Programm und seine Umsetzung ...... 15 3.1 Dirigistische Wirtschaftsansätze versus Freies Wirtschaften ...... 18 3.2 Der Außenhandel und die Zölle ...... 23 3.3 Sozialpolitische Forderungen ...... 26 3.4 Die Systemfrage ...... 31 3.5 Die Anschlussoptionen ...... 36 3.6 Der Antisemitismus ...... 41

4. Die Organisation ...... 47 4.1 Die Landesorganisation ...... 47 4.1.1 Die Entwicklung auf Landesebene ...... 47 4.1.1.1 Steter Wandel ...... 47 4.1.1.2 Die Wahlen 1923 und ihre Folgen ...... 52 4.1.1.3 Die Reorganisation ...... 55 4.1.1.4 Der Eindruck täuscht ...... 57 4.1.1.5 Prekäre Verhältnisse ...... 59 4.1.2 Das Landessekretariat ...... 60 4.1.2.1 Eine durchwachsene Bilanz ...... 60 4.1.2.2 Finanzielle Zwänge ...... 63 4.2 Die Gemeindeorganisation ...... 66 4.2.1 Der Ortsgruppenkrösus ...... 66 4.2.2 Organisatorische Hüllen ...... 68 4.3 Die Bezirksorganisation ...... 72 4.4 Der Junglandbund ...... 75 4.5 Die „grünen“ Wehrformationen und die Heimwehren ...... 81 4.5.1 Bundespolitischer Zwist ...... 81 4.5.2 Das „Ländle“, sein Sonderweg und die Folgen ...... 86

5. Die „Grünen“ im Vorarlberger Landtag ...... 93 5.1 Die XI. Legislaturperiode 1919 – 1923 ...... 93 5.2 Die XII. Legislaturperiode 1923 – 1928 ...... 94 5.3 Die XIII. Legislaturperiode 1928 – 1932 ...... 96 5.4 Die XIV. Legislaturperiode 1932 – 1934 ...... 99

6. Verhältnisse der Parteien im Wandel ...... 103 6.1 Die „Grünen“ und ihr christlichsoziales Pendant ...... 103 6.1.1 Das große Ziel ...... 103 6.1.2 Ein Verband und seine Wirkung ...... 106 6.1.3 Ein zähes Ringen ...... 107 6.1.4 Ein deutlicher Wandel ...... 109 6.2 Die „Grünen“ und die GDVP ...... 112 6.2.1 Ein erstes Abtasten ...... 112 6.2.2 „Ländle“-Zufriedenheit ...... 114 6.2.3 Bundesfrust ...... 117 6.2.4 Der „Verband der Großdeutschen und des Landbundes“ ...... 118 6.2.4.1 Die Übereinkunft ...... 118 6.2.4.2 Das Zerwürfnis ...... 119 6.2.4.3 Die Ausnahme Vorarlberg ...... 121 6.2.5 Ein Wahlergebnis und seine Wirkung ...... 125 6.2.5.1 Bundespolitische Zurückhaltung ...... 125 6.2.5.2 Vorarlberger Hartnäckigkeit ...... 128 6.2.6 Die Zäsur 1927 ...... 130 6.2.7 Der „Schoberblock“ ...... 134 6.2.8 Ein umstrittener Parlamentsklub ...... 140 6.2.9 Klimaveränderungen ...... 142 6.2.10 Das Ende einer Ära ...... 143 6.2.11 Ein abgekühltes Verhältnis ...... 145 6.3 Die „Grünen“ und die NSDAP ...... 148 6.3.1 Die 1920er Jahre ...... 148 6.3.1.1 Eine österreichische Kleinstpartei – Farbe „Braun“ ...... 148 6.3.1.2 Vorarlbergs kleine Grüppchen „Brauner“ ...... 152 6.3.1.3 „Grüne“ Zurückhaltung ...... 154 6.3.1.3.1 „Grünes“ Desinteresse und „blaue“ Ambitionen auf Bundesebene ...... 154 6.3.1.3.2 „Blaue“ Initiativen und „grüne“ Einsilbigkeit auf Landesebene ...... 158 6.3.2 Die 1930er Jahre ...... 162 6.3.2.1 Österreichs Krisengewinnler – die „Braunen“ ...... 162 6.3.2.2 Vorarlbergs „Braune“ – einen Schritt hinterher ...... 164 6.3.2.3. Das Ende „grüner“ Zurückhaltung ...... 166 6.3.2.3.1 Raue Töne ...... 167 6.3.2.3.2 Ein bedeutender Wahlgang ...... 169 6.3.2.3.3 Der Kampf geht weiter ...... 177 6.3.2.3.4 Den „Braunen“ entgegen ...... 179

7. Das Ende des Landbundes ...... 185 7.1 Österreichs Landbund und der Weg ins politische Aus ...... 185 7.2 Der Vorarlberger Landbund tritt ab ...... 191

8. Zusammenfassung ...... 195

Anhang ...... 201 „Grüne“ Ortsgruppen in Vorarlberg ...... 201 Vorarlberger Landtagswahlen – Ergebnisse ...... 206 Nationalratswahlen – Ergebnisse Vorarlberg ...... 207

Quellen- und Literaturverzeichnis ...... 209

Register ...... 219 Personenregister ...... 219 Ortsregister ...... 222 ABKÜRZUNGEN

ABGB Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch Abt. Abteilung A.d.R. Archiv der Republik Anm. d. Verf. Anmerkung des Verfassers BH Bezirkshauptmannschaft BKA Bundeskanzleramt bzw. beziehungsweise CA Creditanstalt CSP Christlichsoziale Partei DHV Deutschnationaler Handlungsgehilfen-Verband dies. dieselbe f. folgende GDVP Großdeutsche Volkspartei gegr. gegründet Gewah Gemeinschaftswarenhaus Hg. Herausgeber hg. herausgegeben Jhrg. Jahrgang KPÖ Kommunistische Partei Österreichs Kt. Karton KVG Krankenversicherungsgesetz KZ Konzentrationslager LGBl. Landesgesetzblatt NÖ Niederösterreich NS Nationalsozialismus, nationalsozialistisch(e) NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei o.O. ohne Ortsangabe o.S. ohne Seitenangabe ÖstA Österreichisches Staatsarchiv Österr. Österreichische(r) Prs. Präsidium S Salzburg s. siehe S. Seite SA Sturmabteilung SS Schutzstaffel stellv. stellvertretende(r) u.a. unter anderem UBB Unabhängiger Bauernbund des Vorarlberger Oberlandes Umg. Umgebung V Vorarlberg Verf. Verfasser vgl. vergleiche 8 | Abkürzungen

VLA Vorarlberger Landesarchiv VLBi Vorarlberger Landesbibliothek VUBB Vorarlberger Unabhängiger Bauernbund zit. zitiert Zl. Zahl 1. EINLEITUNG

Im Österreich der Zwischenkriegszeit existierte eine dem deutschnationalen Spektrum zugeordnete Bauernpartei. Ihre Grobcharakterisierung: Sie fußte auf christlicher Grundlage, sprach sich aber dezidiert gegen die politische Instrumentalisierung von Religion aus. Ansonsten positionierte sie sich als großdeutsch eingestellte agrarische Wirtschaftspartei1und trat mit Vehemenz für die be- rufsständische Gliederung des Staates ein. Deren Vorarlberger Landesparteileitung sprach davon, eine christlich-nationale und wirtschaftlich-konservative Partei zu sein2. Ihr Gruß lautete: „Für Halm und Ar, für Gott und Vaterland“3.

Der Name dieser Partei? Heute ist er weitgehend vergessen: „Landbund“. Im öffentlichen Dis- kurs stellt er vielfach nicht mehr als eine Randbemerkung dar, dessen Spitzenrepräsentanten – ob Schumy und Winkler auf Bundesebene oder Adolf Peter, über viele Jahre hinweg Galionsfi gur der Landbündler im „Ländle“ – sind so gut wie unbekannt. Zu Unrecht, vergegenwärtigt man sich die Positionen, die Landbund-Vertreter in der Ersten Republik einnahmen: Die „Grünen“ – so eine wei- tere Bezeichnung der Partei – trugen auf Bundesebene vom Mai 1927 bis September 1933 beinahe durchgehend4 Regierungsverantwortung. In dieser Zeit stellten sie während fast vier Jahren den Vizekanzler und knapp zweieinhalb Jahren den Innenminister. Auch die Regierung von Otto Ender , Vorarlbergs bis dato einzigem Bundes kanzler5, wies einen Landbündler als Innenminister auf. In den Bundesländern hatten sie ihre Zentren vor allem in der Steiermark und Kärnten . Hier stellten sie zeitweilig den Landeshauptmann.

Während „Schwarz“, „Rot“ und „Blau“ in der Zweiten österreichischen Republik eine Fortsetzung erfuhren, blieb diese für den Landbund aus – vermutlich ein wesentlicher Grund, weshalb dieser heutzutage nur mehr wenigen geläufi g ist. Arbeiten, die diesem Vergessen entgegenwirken, sind rar gesät: Eine erste solche wurde von Anton Gasselich verfasst, erschien 1933 in einem Sammel- band. Eine zwei Jahre später veröffentlichte Monographie des „grünen“ Vizekanzlers a.D., Franz Winkler, bleibt bezüglich Landbund wenig ergiebig, wirft nur Schlaglichter auf dessen Endphase. Die 1967 approbierte Dissertation von Angela Feldmann stellt die erste große Arbeit zum Thema „Landbund“ dar. Auch Adam Wandruszka trug mit mehreren Aufsätzen zur Darstellung dieser Grup- pierung bei. Ebenfalls zu nennen ist in diesem Zusammenhang Günther R. Burkert. All diese Studien legen den Focus auf die „grüne“ Bundespartei und deren Regierungsbeteiligung. Die im Jahr 2000 erschienene Arbeit von Alexander Haas bildete eine Ausnahme hierzu. Die Monographie Haas’ beschäftigt sich im Wesentlichen mit dem Steirischen Landbund, ohne darob aber die bundespoli- tische Entwicklung außen vor zu lassen. Zu Vorarlberg liegt – bis dato – keine ähnliche Studie vor. Arbeiten, die sich in nennenswertem Ausmaß mit dem Vorarlberger Landbund und dessen Vorläu- fern beschäftigen, fehlen. Diesbezüglich noch am ergiebigsten ist die Dissertation von Elisabeth Hämmerle über die Vorarlberger Zeitungslandschaft. Neben einem Überblick über Vorarlbergs „grü- ne“ Presse fi ndet sich darin auch ein rudimentär gezeichnetes Bild von der Entwicklung Vorarlbergs

1 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 433 2 vgl. Landpost, 6. April 1933, S. 1 3 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich, 18. Juni 1927, S. 4 4 Die Ausnahme hierzu bildete die Zeit der Übergangsregierung Vaugoin vom 30. September bis 29. November 1930. Dieser gehörten sie nicht an. 5 Ender war vom 4. Dezember 1930 bis 16. Juni 1931 Regierungschef. 10 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

„Grüner“ zu Beginn der Ersten Republik. Werner Dreier wiederum bietet Erhellendes zur Bludenzer Bauernrevolte vom November 1920. Auch ein sehr kurz gehaltener Überblick über die Vorarlberger Bauernorganisationen der Ersten Republik stammt aus seiner Feder.

Mit der vorliegenden Arbeit wird dieser weitgehend brachliegende Teil Vorarlberger Lan- desgeschichte mit Leben erfüllt. Die Ausgangslage hierfür war ungünstig. Die nicht eben üppig vorhandene Sekundärliteratur wurde bereits angesprochen. Deutlich schwerer wog allerdings die dürftige Aktenlage zum Landbund. Am noch ergiebigsten erwies sich das im Ös- terreichischen Staatsarchiv befi ndliche Parteiarchiv der Großdeutschen Volkspartei, auch als die „Blauen“ bezeichnet. Zurückzuführen ist das auf den, allerdings nur wenige Monate wäh- renden, Zusammenschluss von „Blauen“ und „Grünen“ zum „Verband der Großdeutschen und des Landbundes“. Auch zum Verhältnis der beiden Parteien über diesen Zeitraum hinaus fi ndet sich darin Informatives. Ansonsten war es – nolens volens – vor allem die von Vorarlbergs „Grünen“ herausgegebene Wochenzeitung, die als Quelle diente. Um deren einseitige Darstellung nicht unkritisch wiederzugeben, wurde vielfach – als Korrektiv – die Presse der politischen Konkur- renz herangezogen.

Die hier vorliegende Studie dokumentiert und analysiert die Entwicklung der Vorarlberger „Grü- nen“ der Zwischenkriegszeit, von ihren Anfängen als „Unabhängiger Bauernbund des Vorarlber- ger Oberlandes“ (UBB), über das Intermezzo unter der Bezeichnung „Vorarlberger Unabhängiger Bauernbund“ (VUBB) bis hin zu ihrer Zeit als „Vorarlberger Landbund“. Nach einer übersichtartig gehaltenen Darstellung der ersten Schritte der „Grünen“ im „Ländle“ wird auf deren Programm sowie ihre Versuche, es umzusetzen, eingegangen. Anschließend gilt das Hauptaugenmerk der von Vorarlbergs „Grünen“ aufgebauten Organisation und deren Entwicklung. Im Zuge dessen werden auch ihre Bemühungen um Parteinachwuchs und parteieigene Wehrformationen beleuchtet. Für Letzteres war deren Verhältnis zur von wesentlicher Bedeutung – daher erschien es sinnvoll, auch diesem Thema Platz einzuräumen. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Darstellung und Analyse des Verhältnisses der „Grünen“ zu ihren deutschnationalen Konkurrenten, der Großdeutschen Volkspartei (GDVP) und der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). Der bei den Vorarlberger „Grünen“ stark ausgeprägte Wunsch nach einer Kooperation mit dem christlichsozialen Bauernbund macht deren Zurückhaltung gegenüber den Großdeutschen besser verständlich, weshalb auch diese The- matik beleuchtet wird. Das Verhältnis des Landbundes zur NSDAP war im Wesentlichen bestimmt vom Maß der Gefahr, die Letztere für seinen Wählerbestand darstellten. Daher ist auch die Entwicklung der NSDAP in Österreich und Vorarlberg nachgezeichnet. Dem folgt eine Darstellung der Endphase des Landbundes. Ihren Abschluss fi ndet die Studie mit einer Zusammenfassung wesentlicher Etappen der „Grünen“ in Vorarlberg. 2. DIE ANFÄNGE DER „GRÜNEN“

Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges begann für die österreichische Landwirtschaft eine Periode größter Belastungen. Infolge der Inanspruchnahme der letzten Ressourcen sank die landwirtschaft- liche Produktion drastisch. Den Klein- und Mittelbetrieben, vor allem jenen in den alpenländischen Regionen, setzten die steigenden Rekrutierungsquoten und die ersatzlosen Zwangsrequisitionen von Vieh und Futtermitteln zu. Über die wirtschaftlichen Schäden hinaus führte der Krieg auch zu politisch-gesellschaftlichen Erschütterungen. Nicht nur, dass durch die Ereignisse von 1914 – 1918 „Grenzlinien zwischen Staatsräson und individueller Freiheit“ verrückt worden waren. Letztlich hat- ten diese gesellschaftlich desintegrierend gewirkt. Das den staatlichen Institutionen von Seiten der bäuerlichen Bevölkerung entgegengebrachte Misstrauen gehörte damit gleich deren wirtschaftli- cher Auszehrung zu den wesent lichen Belastungen der republikanischen Startphase.6 Auch im Hinblick auf die politische Vertretung der Bauernschaft blieb der Erste Weltkrieg nicht ohne Folgen. Davon weitestgehend unberührt: die Christlichsoziale Partei (CSP). Sie, die sich selbst weder direkt als „Agrarpartei“ verstand noch als solche deklarierte, blieb jene Grup- pierung, die das Gros der österreichischen Landwirte zu ihrer Anhängerschaft zählen konn- te7. Gravierende Veränderungen brachte das Ende des Ersten Weltkrieges dagegen für die „Deutsche Agrarpartei“8 mit sich. Mit Böhmen , Mähren und Schlesien , die nach dem Ers- ten Weltkrieg Teil der neugegründeten Tschechoslowakei wurden, gingen der „Deutschen Agrar partei“ drei ihrer einstigen Kerngebiete verloren. In diesen hatte die Partei mit ihrem ge mäßigt deutsch-nationalen Programm und ihrer agrarischen Schwerpunktsetzung bei der Reichs- ratswahl 1911 nicht weniger als 22 ihrer insgesamt 32 Mandate errungen. Darüber hinaus fi elen die Bukowina und die Krain, wo sie den Gewinn jeweils eines Mandats zu verzeichnen gehabt hatte, an Rumänien respektive das dem SHS-Staat angehörige Slowenien . Mit Kärnten und der Steiermark verblieben damit nur zwei Kronländer, in denen es der „Deutschen Agrarpartei“ bei der letzten Reichratswahl zu Mandatsgewinnen gereicht hatte, bei Österreich. Nebst diesen beiden Bundesländern boten vorerst nur noch Teile Oberösterreichs und Salzburgs das mögliche Reservoire für eine ausgewiesene Agrar- oder Wirtschaftspartei mit nationalliberaler Ausrichtung. Die Fra- ge, ob es im kleingewordenen Österreich überhaupt noch Platz für eine selbständige Bauernpartei gebe, blieb demzufolge über Jahre hinweg umstritten9.

Ein Blick zurück auf die Kriegsjahre hinterließ bei Teilen der Montafoner Bauern den Eindruck, mit den landwirtschaftlichen Produkten wäre „unsinnig“ gewirtschaftet worden. Für den Fall des Wei- terso sagten sie der ganzen Bauernschaft den nahen Ruin, das Verschwinden ihres Viehbestandes, der Milchwirtschaft und Schweinezucht sowie eine erdrückende Schuldenlast voraus10. Einer sol-

6 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 69 – 72 7 vgl. Wandruszka, Adam, Der „Landbund für Österreich“, S. 591 8 Die „Deutsche Agrarpartei“ war 1905/1906 gegründet worden. Ihre Wurzeln hatte die Partei in den gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen antiklerikalen, deutsch-freisinnig ausgerichteten Bauernvereinen und -bünden. Deren Ziel war es gewesen, den aus ihrer Sicht übermäßigen Einfl uss, den die katholische Kirche und die Christlichsozialen auf dem Land ausübten, zurückzudrängen (vgl. Bauer, Kurt, „Heil Deutschös- terreich!“, S. 267). 9 vgl. Wandruszka, Adam, Der „Landbund für Österreich“, S. 590 – 592 10 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 25. April 12 | Deutschnationalismus in Vorarlberg chen Entwicklung galt es aus ihrer Sicht entgegenzuwirken – dies in organisierter Form zu tun bot die beste Aussicht auf Erfolg. Hinzu kam der Wunsch, den Landwirten eine Interessenvertretung jenseits und frei von jeder Parteipolitik zu bieten. Von einer Gruppe Montafoner Landwirte wurde die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer eigenständigen Vertretung der Bauernschaft daher alsbald mit einem „Ja“ beantwortet.

Dieser Willensbekundung folgten Taten: Um die Jahreswende 1918/1919 entstand ihr Programm. In der Folge ging der UBB daran, sich Organisationseinheiten zu schaffen. Deren erste war die Ortsgruppe Ludesch. Ihre Gründung erfolgte Anfang 191911. In den ersten Monaten 1919 gelang es den „Grünen“, ihre Tätigkeit auf den Bezirk Bludenz , dort wiederum schwerpunktmäßig auf das Montafon, auszudehnen. Im April 1919 hatte sich der UBB mit der Vorarlberger Landtagswahl12 einer ersten Bewährungspro- be zu stellen – und bestand sie. Die „Grünen“, zum Urnengang nur im Bezirk Bludenz angetreten, gewannen auf Anhieb ein Mandat. Obwohl im Bezirk Bludenz damit sogleich etabliert, blieb dem UBB Ungemach auf „eigenem“ Terrain, genauer in der Stadt Bludenz, nicht erspart. Schon bei der Landtagswahl hatte der UBB hier nicht zu reüssieren vermocht und nur 69 der 2.426 abgegebenen gültigen Stimmen – ein Anteil von 2,84 % – erhalten13. Die Unabhängigen Bauernbündler führten ihr schwaches Abschneiden auf den – angeblich – mangelnden Organisationssinn der Bludenzer Landwirte zurück. Im Sommer 1919 belehrte die Bludenzer Bauernschaft den UBB eines Besseren. In Reaktion auf ein ihr zu lax erscheinendes Verhalten des UBB gegenüber den Behörden gründete sie einen neuen Bauernbund. Am Tag der Konstituierung zählte dieser 37 Mitglieder. Sein erster Be- schluss: ein Streik. Die drei Tage währende Weigerung, Milch an die Verteilungsstellen zu liefern, hatte Erfolg. Der UBB, selbst den Streik als mögliches Kampfmittel in seinem Programm verankert, zog daraus für sich den Schluss, in Hinkunft nicht mehr lange zu verhandeln, sondern alsbald das „Radikalmittel Streik“ anzuwenden14. Etwas mehr als zwei Wochen später war diese Ankündigung bereits in die Tat umgesetzt: Mit dem 1. September 1919 stellten die Montafoner Bauern ihre Schlachtviehlieferungen für geraume Zeit ein15. Mit dem Streik hatte der UBB sein Profi l als Interessenvertretung der Bauern geschärft. Zum Zwecke, den Anliegen der Landwirtschaft noch mehr Gehör zu verschaffen, plädierten die „Grünen“ bereits in ihren Anfängen für einen Zusammenschluss sämtlicher Bauernbünde Vorarlbergs. Dazu sollte es nicht kommen. Insbesondere parteipolitische Überlegungen der CSP standen einer solchen Vereini- gung entgegen. Aus deren Sicht galt es die Gefahr abzuwehren, dass Vorarlbergs Bauern von einer Organisation jenseits ihrer Einfl usssphäre vertreten würden. Die „Schwarzen“ trachteten danach, diese Klientel noch enger an sich zu binden. Hierfür erfolgte im Dezember 1919 die Gründung des

1919, S. 3 11 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 14. Juli 1922, S. 2 12 Die Ergebnisse sämtlicher Landtagswahlen der Ersten Republik für die „Grünen“, aber auch Großdeutschen, Christlichsozialen, Sozialdemokraten und beide Ausformungen des Nationalsozialismus, fi nden sich im An- hang, S. 206 13 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 29. April 1919, S. 2 14 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 15. August 1919, S. 2 15 Mit dem Streik reagierten die Bauern auf die ihrer Ansicht nach zu geringen Schlachtviehpreise (vgl. Bauern- blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 19. September 1919, S. 1 f). 2. Die Anfänge der „Grünen“ | 13 der CSP nahstehenden Vorarlberger Bauernbundes Dieser ist zudem als Versuch zu werten, die „Grünen“ in ihrer Entfaltung zu hemmen. Weder diese Maßnahme noch die fortgesetzt heftigen Angriffe der CSP reichten allerdings aus, die Entwicklung des UBB bereits im Keim zu ersticken.

Im Juni 1920 stellten die „Grünen“, mit ihren Aktivitäten bis dahin weitgehend auf den Bezirk Bludenz beschränkt, die Weichen in Richtung Aufbau eigener organisatorischer Strukturen in ganz Vorarlberg. Entsprechend ihrem Anspruch, eine landesweit agierende Organisation zu sein, kam es zur Namensänderung. Aus dem „Unabhängigen Bauernbund des Vorarlberger Oberlandes“ (UBB) wurde der „Vorarlberger Unabhängige Bauernbund“ (VUBB). Nur drei Wochen später schloss sich dieser der neugegründeten Deutschösterreichischen Bauern partei an. Damit hatten sich die „Grünen“ in eineinhalb Jahren zu einer vorarlbergweit agierenden Partei mit bundespolitischem Background entwickelt. Dessen ungeachtet versuchten ihre politischen Kon kurrenten auch in der Folge, sich die „Grünen“ über den Umweg einer engen Bindung ein zu- verleiben – vergeblich. Der VUBB, dessen Nachfolge- und deren Bundesorganisationen blieben unabhängig von anderen Parteien agierende Faktoren der Landes- respektive Bundespolitik.

3. DAS „GRÜNE“ PROGRAMM UND SEINE UMSETZUNG

Um die Jahreswende 1918/1919 ging Urban Nasahl zusammen mit Landwirten aus Ludesch daran, für die Bauernorganisation ein Programm zu erstellen. Am 10. Jänner 1919 wurde dieses Elaborat in Bludenz von bäuerlichen Vertretern aus mehreren Gemeinden revidiert und verändert16. Dem UBB ging es augenscheinlich darum, sich der Bauernschaft als deren Standesvertretung zu präsentieren. Zugleich schloss er eine Bevormundung des UBB durch andere Stände aus. In Abgrenzung zu den anderen Parteien bekundete er seine Absicht, sich von jeglicher politischer Hetze fernhalten zu wollen. Seine Tätigkeit sah er auf die Wirtschaftspolitik beschränkt17.

Kurz vor der Landtagswahl 1919 wurde das Programm der Unabhängigen Bauernpartei – der Wahl- partei des UBB – vom parteieigenen Presseorgan publik gemacht. Sein erster Teil, der Be deutung entsprechend, die sie dieser Materie beimaß: das 15 Punkte umfassende „Wirtschaftsprogramm“. Die darin enthaltenen Forderungen zielen im Wesentlichen auf eine Stärkung der bäuerlichen Ein- fl ussmöglichkeiten in Agrarfragen ab. Dem Willen des UBB zufolge sollten sowohl in der Landes- viehverkehrsstelle als auch Landesfettstelle die Bauern und Konsumenten paritätisch vertreten sein. Grundsätzlich verlangte der UBB, landwirtschaftliche Angelegenheiten nur unter Zuziehung bäuerlicher Vertreter zu verhandeln. Auch Zollpolitik und Subventionsfragen sind im Programm kurz angerissen, Steuervorstellungen rudimentär dargelegt18. Darüber hinaus manifestierte sich im Programm des UBB das gewandelte Verhältnis zur Bildung: Hatte im ländlichen Raum bis hin zum Ersten Weltkrieg Bildungsfeindlichkeit vorgeherrscht, ent- sprachen nach dessen Ende Forderungen nach Hebung der Volksbildung und der Ruf nach fachspe- zifi scher Ausbildung den aktuellen Bedürfnissen19. Dement sprechend verlangt das UBB-Programm in seinem achten Punkt den Aufbau von land wirtschaftlichen Fach- und Fortbildungsschulen20. Um den Forderungen einen gewissen Nachdruck zu verleihen, stellte der UBB in seinem Pro gramm klar, falls nötig auch Streikmaßnahmen in Erwägung zu ziehen. Sofern die „unerträglichen Verhält- nisse“ kein Ende erführen, wurde deren baldige Anwendung angedroht21.

16 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 14. Juli 1922, S. 2 17 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 24. Okto- ber 1919, S. 1 und 19. Dezember 1919, S. 1 18 vgl. ebenda, 25. April 1919, S. 5 19 vgl. Burkert, Günther R., Der Landbund für Österreich, S. 216 20 Zum Zeitpunkt, als der UBB diese Forderung erstmals erhob, lag das landwirtschaftliche Schulwesen Vor- arlbergs danieder. Die Landes-Käsereischule in Doren , 1900 eröffnet und damit zur österreichweit ersten Kä- sereifachschule mit ganzjährigem Betrieb avanciert, hatte 1914 ihren Betrieb eingestellt. Erst 1926 sollte in Schwarzenberg eine Lehrsennerei entstehen (vgl. Weitensfelder, Hubert, Vom Stall in die Fabrik, S. 53 f), die im darauf folgenden Jahr von einer Molkereischule in Andelsbuch abgelöst wurde. Neben speziell ausgerich- teten Lehrgängen fehlte es 1919 zudem an einer Ausbildungsstätte mit allgemeinem landwirtschaftlichem Un- terricht. Im Folgejahr wurde dieses Manko mit einer im Kloster Mehrerau eingerichteten Fachschule beseitigt (vgl. Stolz, Otto, Rechtsgeschichte des Bauernstandes und der Landwirtschaft in Tirol und Vorarlberg, S. 379). 1936 erhielt diese das Öffentlichkeitsrecht, bevor sie 1938 geschlossen wurde. Daneben kam es 1935 noch zur Gründung einer „landwirtschaftlichen Töchterschule“ (vgl. Weitensfelder, Hubert, Vom Stall in die Fabrik, S. 53 f). Ferner wurden in der Zwischenkriegszeit landesweit 20 landwirtschaftliche Fortbildungsschulen errichtet (vgl. Stolz, Otto, Rechtsgeschichte des Bauernstandes und der Landwirtschaft in Tirol und Vorarlberg, S. 379). 21 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 25. April 1919, S. 5 16 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Im zweiten Teil, dem „Politischen Programm“, stellten sich die Unabhängigen Bauernbündler, bei expliziter Ablehnung einer Wiedereinführung der Monarchie, auf den Boden der demokratischen Republik. Für den Fall, dass die für sie beste Lösung – ein Anschluss an ein „republikanisches, geordnetes Staatswesen“ – nicht realisiert werden könne, warteten sie im Anschluss daran mit einem „Eventual-Programm“ auf. Dieses eröffnete mit einer Betonung gleicher Rechte für alle Staatsbürger. Neben einer Stärkung der direkten Demokratie traten die „Grünen“ auch dafür ein, das Element „Volkswahl“ vermehrt einzusetzen22. Des Weiteren enthielt das Programm die Forde- rung nach einer schlankeren Bürokratie – ein Punkt, den die „Grünen“ in den folgenden Jahren noch vielfach einmahnten – und nach Übernahme der Wasserkräfte durch ein, so ihr Wunsch, insbeson- dere in wirtschaftlicher Hinsicht völlig selbständiges Land Vorarlberg. Last, but not least war vom UBB an die Raucher gedacht: Dem 13. Punkt des „Eventual-Programms“ zufolge sollte das Verbot des Tabakanbaus, solange die „Tabak not“ andauert, aufgehoben werden23.

Die ökonomischen Veränderungen der folgenden Monate veranlassten den UBB alsbald, den wirt- schaftlichen Teil seines Programms zu adaptieren. Nachdem die Neufassung einer Delegiertenver- sammlung vorgelegt, von dieser beraten und mit Ergänzungen versehen worden war, erschien sie Mitte März 1920 im parteieigenen „Bauern-Blatt“. In der Fassung des Programms von 1919 war der UBB die Antwort, von wem konkret der von ihm eingeforderte größere Einfl uss für die Bauernschaft ausgeübt werden sollte, noch schuldig geblieben. In der Neufassung wies er dem Landeskulturrat, den er – entgegen der damals geübten Bestellungspraxis24 – ausschließlich aus demokratisch, aus dem Bauernstand frei gewählten Vertretern und Fachmännern zusammengesetzt sehen wollte, eine zentrale Rolle hierbei zu. Daneben legten die „Grünen“ einen stärkeren Akzent auf das Genossen- schaftswesen. Enthielt deren erstes Programm lediglich die Forderung nach der Errichtung einer genossenschaftlichen Ger be rei, wurden in der überarbeiteten Fassung solche auch für Vieh-, Obst-, Holz und Bodenprodukte verlangt.

Etwas mehr als ein Vierteljahr nach Veröffentlichung des Programms schloss sich der nunmehrige VUBB der Deutschösterreichischen Bauernpartei an. Der Beitritt brachte keine programmatischen Änderungen mit sich, zeigt aber ein Dilemma des späteren Landbundes auf: Der VUBB sah den Zu- sammenschluss zwar als unumgänglich für eine effi ziente Vertretung der österreichischen Landwirt- schaft an25, war aber – wie auch in späteren Jahren26 – nicht bereit, hierfür nennenswerte Abstri- che bezüglich seiner Eigenständigkeit hinzunehmen. Der VUBB legte damit eine in der bäuerlichen Parteienlandschaft Österreichs weitverbreitete Einstellung an den Tag. Diese Grundhaltung wurde auch anlässlich der Anfang 1922 erfolgten Gründung des Landbundes augenscheinlich. Gleich den

22 Dem UBB schwebte etwa vor, Bezirkshauptmänner oder Mitglieder der Steuerkommissionen vom Volk frei wählen zu lassen. 23 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 25. April 1919, S. 6 24 Einer der Funktionäre des in Vorarlberg 1911 ins Leben gerufenen Landeskulturrates wurde vom Landtag gewählt, ein weiterer vom Landesausschuss ernannt. Daneben kam der politischen Behörde das Recht zu, eine Person in das Gremium zu entsenden. Vertreter der landwirtschaftlichen Bezirksgenossenschaften kom- plettierten den Landeskulturrat. 1925 erfolgte dessen Umwandlung in die Bauernkammer (vgl. Weitensfelder, Hubert, Vom Stall in die Fabrik, S. 68 f). 25 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 20. August 1920, S. 3 und 24. September 1920, S. 1 26 vgl. Bauern-Blatt, Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 16. März 1923, S. 1 3. Das „grüne“ Programm und seine Umsetzung | 17

Vorarlberger „Grünen“ hatten auch die anderen Unabhängigen Bauernbünde schon frühzeitig klare Vorstellungen über ihre Zielsetzungen entwickelt. Darin zum Teil enthaltene geographische Bezüge brachten deutliche Akzentuierungsunterschiede mit sich. Der Wille der einzelnen Landesparteien zur Eigenständigkeit sowie deren partiell unterschiedliche Ausrichtung ließ das bundeseinheitliche Programm letztlich zu einer Ansammlung kleinster gemeinsamer Nenner, gepaart mit allgemein ge- haltenen und überdies teilweise widersprüchlichen Forderungen, werden27. In seinen „Politischen Leitsätzen“ von 192228 positionierte sich der Landbund im Wesentlichen als auf nationaler und christlicher Weltanschauung fußende, Deutschland-affi ne Partei mit rasseantisemitischer Gesin- nung29. Gesamthaft betrachtet bleibt das Programm jedoch ein vom Fehlen innerer Zusammenhän- ge und vagen Formulierungen geprägtes Elaborat. Damit ermangelte es dem Landbund in der Folge eines Fundamentes theoretischer Lösungs modelle, auf das er in politisch kritischen Phasen zurückgreifen hätte können. Demzufolge war die Politik der „Grünen“ stark an den konkreten tagespolitischen Bedürfnissen ausgerichtet30.

In Reaktion auf das schlechte Abschneiden bei der Nationalratswahl 192331 und das Aufbegehren des Parteinachwuchses gegen die „grüne“ Führungsriege, berief der Landbund seinen ersten Bun- desparteitag ein. Dieser ging vom 1. bis 3. Februar 1925 in Klagenfurt über die Büh ne. Auf diesem wurde neben einem Organisationsstatut auch ein neues Programm beschlossen32. Die „Program- matischen Grundsätze des Landbundes für Österreich“ – vom Nationalratsabgeordneten Schönbau- er vorgestellt – fanden bei den Vertretern sämtlicher Bundesländer einhellig Zustimmung33. Diese „Programmatischen Grundsätze“ setzten sich aus zwölf kurzen Kapiteln zusammen, die auf einer knapp DIN A 3 großen Zeitungsseite Platz fan den. Die Grundausrichtung des Landbundes blieb unverändert. Gleich wie 1922 wollte sich dieser als selbständig agierende Standespartei mit christ- licher Grundlage und nationalem Charakter verstanden wissen. Der Anschlusswille an Deutschland wurde abermals bekräftigt, der Einfl uss des Judentums als „schädlich“ gebrandmarkt34. Alleine in Teilbereichen sind deutliche Akzentverschiebungen wahrzunehmen: Zwar trat der Land- bund – gleich wie drei Jahre davor – weiterhin für einen ständestaatlichen Aufbau des Staates ein. Das Bekenntnis zum bestehenden politischen System fi el dagegen ungleich stärker aus. Während der Landbund in den „Politischen Leitsätzen“ den Parlamentarismus noch zur „ungeeignet(en)“ und „schädlich(en)“ Form der Volksvertretung erklärt hatte35, deklarierte er sich nun als verfas-

27 vgl. Burkert, Günther R., Der Landbund für Österreich, S. 214 f 28 Berchtold geht irrtümlich davon aus, dass der Landbund seine „Politischen Leitsätze“ anlässlich der am 21. Oktober 1923 stattfi ndenden Nationalratswahl aufstellte (vgl. Berchtold, Klaus, Österreichische Parteipro- gramme 1868 – 1966, S. 482). Tatsächlich waren sie in Vorarlbergs „grünem“ Presseorgan schon im März 1922 abgedruckt (vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 19. März 1922, S. 3). 29 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 19. März 1922, S. 3 30 vgl. Burkert, Günther R., Der Landbund für Österreich, S. 214 f 31 Im Anhang S. 207 fi nden sich sämtliche Resultate, die „Grüne“ sowie Großdeutsche, Christlichsoziale, So- zialdemokraten und beide Ausformungen des Nationalsozialismus, bei den Nationalratswahlen der Ersten Republik erzielten. 32 vgl. Wandruszka, Adam, Das „nationale Lager“, S. 293 33 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg, 10. März 1928, S. 3 34 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 15. Mai 1925, S. 1 f 35 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 19. März 1922, S. 3 18 | Deutschnationalismus in Vorarlberg sungstreue Partei, die Österreichs republikanische Verfassung „mit allem Nachdrucke“ wahren und schützen wollte36.

Ab Herbst 1928 rückten Verfassungsfragen in den Focus der Öffentlichkeit. In den Sommermonaten 1929 erhoben Österreichs bürgerliche Parteien zunehmend vehementer ihre Forderung nach einer Reform der Verfassung. Der Landbund war dabei die erste Partei, die Vorstellungen zu einer Verfas- sungsänderung vorlegte. Seiner Ansicht nach sollte sich diese auf legalem und evolutionärem Weg vollziehen. Das vom Landbund am 25. August 1929 präsentierte „Deutschfeistritzer Programm“, von dem steirische Heimwehrführer behaupteten, dass es von ihrem Programm abgeschrieben worden sei, umfasste neun Punkte. Die im Programm erhobenen Forderungen reichten von der Volkswahl des Bundespräsidenten und Erweiterung seiner verfassungsmäßigen Befugnisse über die Einfüh- rung einer ständischen Verfassung bis hin zu Kompetenzumschichtungen im Bundesstaat37.

Die für das Selbstverständnis Vorarlbergs „Grüner“ zentralen Ansichten fanden damit über die Jah- re hinweg in mehreren Programmen ihren Niederschlag. Deren Erstes ist auf den Jänner 1919 zu datieren. Die rasante wirtschaftliche Entwicklung jener Zeit ließ die UBB-Führung alsbald eine Neufassung des Programms ins Auge fassen – im März 1920 wurde diese der Bevölkerung prä- sentiert. Anfang 1922 traten die Vorarlberger „Grünen“ dem neugegründeten Landbund bei und übernah- men zugleich damit auch sein Programm, die „Politischen Leitsätze“. Auf dem Bundesparteitag 1925 wurde dieses durch die „Programmatischen Grundsätze“ ersetzt. Mit dem im August 1929 präsentierten „Deutschfeistritzer Programm“ beschränkte sich der Landbund im Wesentlichen auf die Konkretisierung seiner staats- und verwaltungsorganisatorischen Vorstellungen. Das von den „Grünen“ 1925 beschlossene Programm behielt dessen ungeachtet seine Gültigkeit. In den späten Jahren ihres Bestehens legten sie weder eine überarbeitete Version des bestehenden Programms noch die Neufassung eines solchen vor. Demzufolge blieben die „Programmatischen Grundsätze“ dem Landbund bis zu dessen Ende 1934 Leitlinie seines politischen Handelns.

3.1 DIRIGISTISCHE WIRTSCHAFTSANSÄTZE VERSUS FREIES WIRTSCHAFTEN

Der Erste Weltkrieg hatte einen verstärkten Einfl uss des Staates auf die Wirtschaft mit sich ge- bracht38. Diese Entwicklung fand zu Beginn der Ersten Republik ihre Fortsetzung. Neben den Zwän- gen der kriegswirtschaftlichen Gegebenheiten war die Zeit von antiliberaler Planungseuphorie geprägt39. Vorwiegend in Medien, wissenschaftlicher Literatur und Parlament setzte eine breitan- gelegte Diskussion um eine sogenannte „Bodenreform“ ein40. Deren Stoßrichtung war – wie es der später zum langjährigen Obmann des christlichsozialen Reichsbauernbundes avancierte Josef Stöckler formulierte – der Kampf gegen die „Privilegien der feudalen Stände und einer protzenden

36 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 15. Mai 1925, S. 2 37 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 201 f 38 vgl. Matis, Herbert; Stiefel, Dieter, Die Weltwirtschaft, S. 121 39 vgl. Hanisch, Ernst, Die Politik und die Landwirtschaft, S. 33 40 vgl. Sandgruber, Roman, Die Landwirtschaft in der Wirtschaft, S. 299 3. Das „grüne“ Programm und seine Umsetzung | 19

Bourgeoisie“41. Neben Sozialdemokraten und – wenn auch nur halbherzig42 – Christlichsozialen sprachen sich auch die „Grünen“43 für Maßnahmen der Bodenreform aus44. Zudem forderten Letzt- genannte die Sozialisierung großkapita listischer Unternehmen, insbesondere der Eisenbahnen und Bergwerke, von Versicherungsunternehmen, größeren industriellen Betrieben und Banken. Als sich die Phase des revolutionären Enthusiasmus ihrem Ende zuneigte, waren solche Forderungen als- bald nicht mehr en vogue. Auch die „Grünen“ revidierten ihre Haltung: Sie kamen zum Schluss, dass Forderungen nach Sozialisierung nicht mit dem von ihnen propagierten Schutz des Privateigentums in Einklang zu bringen seien. Folglich gaben sie diese auf, gingen in weiterer Folge gar entschie- den auf Distanz zu derartigen Ansinnen. Das Programm des Landbundes mündete daraufhin in der Ablehnung aller Sozialisierungsbestrebungen, der Forderung nach Beseitigung jeglicher Zentrali- sierung und jeder Beschränkung in Handel und Verkehr. Des Weiteren traten die Landbündler dafür ein, jede Form staatlicher Zwangswirtschaft durch bäuerliche Wirtschaftspolitik zu ersetzen45.

Vorarlbergs „Grüne“ nahmen zu Beginn der Ersten Republik gegenüber dirigistischen Maßnah- men in der Wirtschaft eine ambivalente Haltung ein. In ihrem im April 1919 veröffentlichten Wirt- schaftsprogramm forderten sie einerseits den Abbau sämtlicher Zentralen46. Auch wenn sich der UBB darin nicht generell gegen die Ablieferungspfl icht stellte, forderte er doch deren Abmilderung. Andererseits befürwortete selbiger eine Zwangsbewirtschaftung von sämtlichem Grund und Boden in Vorarlberg sowie das Verbot, mit diesem zu spekulieren oder ihn für Sportzwecke – wie etwa die Jagd – zu verwenden47. Im Herbst 1919 griffen die Vorarlberger „Grünen“ letztgenanntes Thema abermals auf. Hierbei er- klärten sie es für unzureichend, im Frühjahr Plakate mit der Aufschrift „Anbau“ an Stadeltore zu heften. Stattdessen plädierten sie dafür, diese mit den Worten „Hier muss angebaut werden!“ zu bedrucken. Der Auffassung des UBB zufolge sollte dabei nicht nur der Anbau gemeinschaftlich erfolgen, sondern auch die Ernte auf diese Weise eingebracht werden. Trotz gemeinschaftlichen

41 vgl. Mattl, Siegfried, Agrarstruktur. Bauernbewegung und Agrarpolitik in Österreich 1919 – 1929, Wien 1981, S. 46 f, zit. nach: vgl. Hanisch, Ernst, Die Politik und die Landwirtschaft, S. 96 42 1919 wurden von der großen Koalition zwar Sozialisierungsgesetze verabschiedet, die auch den Großgrund- besitz einschlossen. Die „Schwarzen“ wollten allerdings nie die Verstaatlichung oder Sozialisierung des Groß- grundbesitzes. Laut soll seine Partei „auf den Revolutionskarren ohnehin nur aufgesprungen (sein), um diesen zu bremsen“ (Sandgruber, Roman, Die Landwirtschaft in der Wirtschaft, S. 298). 43 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 120 44 Die Diskussion um die Bodenreform mündete schließlich in der vom Parlament am 31. Mai 1919 erfolgten Annahme des „Wiederbesiedlungsgesetzes“. Dieses sah die Enteignung von Bauerngüter sowie Häuschen vor, die seit 1870 zum Zwecke der Jagd oder Spekulation erworben worden waren. Praktische Bedeutung erlangte das Gesetz aber kaum. Letztlich wurden lediglich 253 Anwesen wiederbesiedelt. Die Bodenreform erfasste nur drei Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfl äche (vgl. Sandgruber, Roman, Die Landwirtschaft in der Wirtschaft, S. 299). 45 vgl. Burkert, Günther R., Der Landbund für Österreich, S. 215 46 Die in der österreichisch-ungarischen Monarchie erst spät, chaotisch und nach deutschem Vorbild aufgebau- ten Zentralen wurden in den ländlichen Regionen alsbald zu Objekten des Hasses. Gegen Ende der Monarchie bestanden 91 Zentralen. Deren Organisationsstruktur war vielfältig, reichte von privatwirtschaftlichen über auf Verbände und Kartelle gestützten bis hin zu staatlichen Zentralen (vgl. Hanisch, Ernst, Die Politik und die Landwirtschaft, S. 88 f). 47 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 25. April 1919, S. 5 20 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Vorgehens wollte er das Leistungsprinzip aber hochgehalten wissen48. Einem Prinzip des freien Wirtschaftens war damit das Wort geredet, Distanz zum Sozialismus so zum Ausdruck gebracht. Die schwierige Ernährungslage im „Ländle“, insbesondere während der Wintermonate 1919/1920, ließ Vorarlbergs „Grüne“ auch in der ersten Jahreshälfte 1920 an dirigistischen Elementen in ihrer Wirtschaftspolitik festhalten. Im März 1920 sprachen sie sich erneut für den Anbauzwang aus und wollten diesen gesetzlich verankert haben. Zudem plädierten sie für die Einführung des Arbeits- zwangs. Dieser sollte neben einer nicht näher bestimmten Personen gruppe auch für Zugtierbe- sitzer mit den notwenigen Maschinen und Gerätschaften gelten49. Noch in der zweiten Julihälfte 1920 – und damit rund dreieinhalb Monate, nachdem Leopold Stocker , langjährige Galionsfi gur der „Grünen“-Bewegung in Österreich, den sofortigen Abbau der Zwangswirtschaft gefordert hatte50 – beschlossen die Delegierten des VUBB neue Statuten, welche die Enteignung von Grund und Boden, sofern zum Nutzen des Bauernstandes, beinhalteten51. Die letztgenannten Punkte werden maßgeblich dazu beige tragen haben, dass die Vorarlberger „Grünen“ vom politischen Gegner wie- derholt in die Nähe der „Roten“ gerückt wurden, sie in den Verdacht gerieten, mit den Sozialdemo- kraten ein „Dächli-Mächli“ zu unterhalten52.

Diese Forderung blieb beim Vorarlberger Landbund für viele Jahre die letzte derart dezidierte Befür- wortung von Zwangsmaßnahmen in der Wirtschaft. Mit einer zeitlichen Verzögerung von wenigen Monaten vollzog er eine Entwicklung, die auf Bundesebene bereits davor ihren Abschluss gefunden hatte: Er wurde Verfechter des freien Wirtschaftens. Als später Nachklang auf diese Entwicklung der „Grünen“ von Anhängern dirigistischer Wirtschaftspolitik zu Befürwortern einer weitgehend li- beralen Wirtschaftsordnung kann der Mitte 1921 erfolgte Wechsel an der Spitze des parteieigenen Presseorgans verstanden werden: Jakob Moosbrugger , dessen Affi nität zur Sozialdemokratie sich schon um die Jahrhundertwende manifestiert53 und auch im von ihm geführten „Bauern-Blatt“ ihren Niederschlag gefunden hatte, wurde abgelöst.

Obwohl sich die „Grünen“ ab dem Spätsommer 1920 uneingeschränkt gegen zwangs wirtschaftliche Maßnahmen aussprachen, sollten Österreichs Landwirte noch längere Zeit mit solchen konfron- tiert sein. Die Bauern waren von Seiten des Staates permanent der Drohung ausgesetzt, für den Fall, nicht die ihnen auferlegten Kontingente abzuliefern, mit Strafen, teils massiver Art, belegt zu werden. Nicht selten wurde diese Drohung Realität – so auch im Falle mehrerer Alpen in den Bezirken Bludenz . Die politischen Behörden hatten diese wegen der Nichtanmeldung und teilwei- sen Nichtablieferung von Molkereiprodukten sanktioniert. Dieses Vorgehen ließ die „Grünen“ – zunächst noch nur im übertragenen Sinne – auf die Barrikaden steigen. Für den Fall, dass diese „mittelalterlichen Strafen“ nicht „in kürzester Zeit“ zurückgenommen würden, drohte der VUBB mit einem vollständigen Lieferstreik ab 1. August 192054. Infolge „umständlicher Verhandlungen“, so

48 vgl. ebenda, 24. Oktober 1919, S. 1 49 vgl. ebenda, 12. März 1920, S. 4 50 vgl. ebenda, 2. April 1920, S. 8 51 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 23. Juli 1920, S. 1 52 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 12. März 1920, S. 3 f 53 Moosbrugger hatte um 1900 in Nüziders eine lokale sozialistische Bewegung aufgebaut (vgl. Bußjäger, Peter ; Concin, Josef, Pius Moosbrugger, S. 7). 54 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 23. Juli 1920, S. 1 3. Das „grüne“ Programm und seine Umsetzung | 21 die Diktion der „Grünen“, verzögerte sich der Beginn der von ihnen angekündigten Maßnahme55. Am 12. August 1920 traten deren Delegierte erneut zusammen. Dabei erhoben sie die Forderung nach freiem Verkehr mit Schlacht-, Zucht- und Nutzvieh ab 1. September 1920 und restloser Beseiti- gung der Zwangsbewirtschaftung für eigene Produkte ab dem Ersten des darauf folgenden Monats. Zudem stellten sie klar, die Obst- und Gemüsestelle sowie deren Verordnungen, sofern sich diese auf den Verkehr von Obstprodukten innerhalb der Landesgrenzen bezogen, nicht anzuerkennen und dagegen jedweden Widerstand zu leisten56. Das Anliegen war damit klar formuliert, die Bereitschaft des VUBB zu Kompromissen nur wenig ausgeprägt. So wussten sich Vorarlbergs „Grüne“ mit ihrem Aufbegehren nicht alleine. Auch in anderen Bundesländern hatten Teile der Bauernschaft derartige Forderungen erhoben57 – ein Um- stand, der den „Ländle“-Bauern den Rücken stärkte. Hinzu kam die im Oktober 1920 anstehende Nationalratswahl. Die Perspektive, die eigenen Wahlchancen zu verbessern, indem man als vehe- menter Kämpfer für die Anliegen der Bauern auftritt und auf diese Weise das eigene Profi l schärft, wird der „grünen“ Kompromiss bereitschaft ebenfalls abträglich gewesen sein. Einen Kompromiss gelang es vor diesem Hintergrund nicht zu erzielen. Die Folge: ein dreitägiger Lieferstreik58. Die Behörde reagierte darauf mit Verhaftungen. Unter den Inhaf tierten befanden sich drei Exponenten des VUBB: Christian Stooß , Josef Mathies und Alwin Juen59 . Der Konfl ikt zog nun weitere Kreise – der Vollzugsauschuss der Deutschösterreichischen Bauernpartei schaltete sich ein. Telegraphisch legte er bei der Bundesregierung „schärfsten Protest“ gegen die Arretierung der Vorarlberger Bauernführer ein und verlangte die unverzügliche Aufhebung der Strafen60. Auch in Bauernversammlungen wurde selbige Forderung erhoben. Deren größte mit geschätzten 2.000 Personen fand am 20. November 1920 in Bludenz statt61. Die Stimmung dort war aufgeheizt, Waf- fen, darunter Handgranaten, bis „zum Ueber fl uß sichtbar“. Unter dem Druck der Straße entschied sich Bezirkshauptmann Dr. Peter, darin unterstützt vom Bludenzer Bürgermeister Dr. Bertel, die Bau- ernvertreter gegen Kaution zu entlassen. Laut „grünem“ Parteiblatt war es diesem Entschluss zu verdanken, dass ein knapp bevorstehendes „fürchterliches Blutbad“ ausblieb62. Die Landesregie- rung, gegen deren Willen die Enthaftung der drei „Grünen“ stattgefunden hatte, ordnete für den 9. Dezember selben Jahres die erneute Inhaftierung an. Um eine ähnlich explosive Versammlung wie jene vom 20. November zu verhindern, wurde vorgebeugt: die Bludenzer Innerstadt wurde abgerie- gelt und ein Großaufgebot an Exekutivbeamten zum Einsatz gebracht. Die Maßnahmen zeitigten Wirkung – die Lage blieb ruhig63.

Trotz solch massiver Proteste von bäuerlicher Seite: Die Verfügungsgewalt über die eigene Pro- duktion wie auch die eigenen Erlöse blieb für Landwirte noch geraume Zeit illusorisch64. Erst 1922

55 vgl. ebenda, 13. August 1920, S. 1 56 vgl. ebenda, 20. August 1920, S. 1 f 57 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 175 f 58 vgl. Weitensfelder, Hubert, Vom Stall in die Fabrik, S. 69 f 59 vgl. Dreier, Werner, Zwischen Kaiser und „Führer“, S. 71 f 60 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 3. Dezember 1920, S. 1 f 61 vgl. Dreier, Werner, Zwischen Kaiser und „Führer“, S. 72 62 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 3. Dezember 1920, S. 1 63 vgl. Dreier, Werner, Zwischen Kaiser und „Führer“, S. 73 64 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 132 22 | Deutschnationalismus in Vorarlberg hatte sich die Ernährungswirtschaft so weit erholt, dass in Österreich von einer Zwangsbewirt- schaftung agrarischer Produkte abgesehen wurde65. Die folgenden Jahre waren von einer relativ liberal ausgerichteten Wirtschaftspolitik geprägt66, bevor sich Anfang der 1930er Jahre ein nochmaliger Gesinnungswandel vollzog. Bedingt durch die Weltwirtschaftskrise erfolgte eine Abkehr vom Wirtschaftsliberalismus. In Österreich zeichnete sich diese neue Politik 1930/1931 ab. Agrarminister Engelbert Dollfuß67 begann mit der Umsetzung eines staatsinterventionistischen Programms und der Einführung marktregulierender Elemente68. Deren erste bedeutsame – allerdings nicht für Vorarlberg geltende 69 – Maßnahme in diesem Geiste war der Milchausgleichsfonds70. Daneben erwies sich die Entwicklung auf dem Schweine- und Viehmarkt als problematisch. Das dort herrschende Überangebot – infolge der gesunkenen Kaufkraft der deutschen Land wirt schaft auch in Vorarlberg gegeben71 – hatte zum Preisverfall geführt. Im Sommer 1931 wurde offenkundig, dass sowohl die vom landbündlerischen Nationalratsabgeordneten Pistor angeschobene Preisstüt- zungsaktion für Schweine als auch jene für Rinder völlige Fehlschläge waren. Auch die Erwartun- gen, die der Landbund in die am 14. Juli 1931 verabschiedete 5. Zolltarifnovelle gesetzt hatte, erfüllten sich nicht. Zwar stiegen die Preise für Getreide, die Auswirkungen auf die Viehmärkte blieben aber aus. In Reaktion auf diese Fehlschläge ging Dollfuß an die stärkere Regulierung des Viehmarktes. Im Herbst 1931 wurde das Viehverkehrsgesetz beschlossen. Obwohl der Landbund darin einen wesentlichen Eingriff in das freie Wirtschaften sah72, hieß er es gut73. Laut Vorarlbergs „grünem“ Nationalratsabgeordneten Peter vereitelte dieses Gesetz eine Katastrophe in der Land- wirtschaft74. Tatsächlich zeitigten die Viehverkehrs stelle und der später folgende Viehfonds alsbald Wirkung. Hatte die inländische Rinderproduktion 1931 lediglich 52 % des österreichischen Bedarfs abgedeckt, stieg dieser Wert innert nur eines Jahres auf 85 % an75.

Somit bleibt festzuhalten, dass die „Grünen“ über weite Strecken der Ersten Republik wirtschafts- liberale Auffassungen vertraten, in politisch oder wirtschaftlich prekären Zeiten aber dirigistische Maßnahmen befürworteten.

65 vgl. Sandgruber, Roman, 1929/2008, S. 6 66 vgl. Hanisch, Ernst, Die Politik und die Landwirtschaft, S. 100 67 Dollfuß übernahm das Amt des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft von seinem Vorgänger And- reas Thaler am 18. März 1931. Dieses Amt hatte er bis zum 6. Mai 1932 inne. Obwohl am 20. Mai 1932 zum Bundeskanzler avanciert, blieb er bis zu seiner Ermordung am 25. Juli 1934 mit der Leitung des land- und forstwirtschaftlichen Bundesministeriums betraut. 68 vgl. Hanisch, Ernst, Die Politik und die Landwirtschaft, S. 109 f 69 Das Gesetz zum Milchausgleichsfonds galt nur für Nieder- und Oberösterreich, Wien, das Burgenland, Kärn- ten sowie die Steiermark . 70 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 381 71 vgl. Landpost, 30. Jänner, 1932, S. 1 72 Das Gesetz unterwarf die Belieferung der Märkte genauen Normen. Der von den Kammern paritätisch be- setzten Viehverkehrsstelle kam hierbei die Aufgabe zu, das in- und ausländische Angebot in ein die heimi- sche Viehwirtschaft begünstigendes Verhältnis zu bringen. Zugleich sollte sie ein angemessenes Preisniveau garan tieren (vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegs- zeit, S. 382). 73 vgl. Landpost, 2. Jänner 1932, S. 6 74 vgl. ebenda, 30. Jänner, 1932, S. 1 75 vgl. Hanisch, Ernst, Die Politik und die Landwirtschaft, S. 112 3. Das „grüne“ Programm und seine Umsetzung | 23

3.2 DER AUSSENHANDEL UND DIE ZÖLLE

Zu Beginn der Ersten Republik kam den Themen „Zölle“ und „Außenhandel“ nur marginale Bedeu- tung zu. In den 1919 und 1920 veröffentlichten Wirtschaftsprogrammen des UBB wurden sie mit ei- nem Allgemeinplatz abgetan76 oder blieben überhaupt unerwähnt77. Jenseits der Programme nahm sich eine Delegiertenversammlung des UBB im Juni 1919 des Themas an. Die prekäre Lebensmit- telsituation in Vorarlberg veranlasste sie, für die Herabsetzung bis hin zur gänzlichen Aufhebung von Einfuhrzöllen für gewisse Lebensmittel einzutreten78. Damit war vom UBB eine Forderung er- hoben, die weitgehend der von der Bundesregierung eingeschlagenen Politik jener Zeit entsprach. Im Gegensatz zu den meisten ost- und südosteuropäischen Staaten orientierte sich Österreich in dieser Zeit am Freihandelsprinzip. Auch versuchte es von anderen Nachfolgestaaten der K.u.K.- Monarchie, Meistbegünstigungen zu erhalten – obwohl dabei zum Teil mit wortbrüchigen Partnern konfrontiert, erzielte es damit Erfolge. In der Folge änderte sich an der grundlegenden Situation Österreichs wenig. Wie unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkrieges blieb das fi nanzschwache Land auch Anfang der 1920er Jahre von Agrarimporten großen Stils abhängig79. Erst in der Zeit der Regierung Schober (Juni 1921 bis Mai 1922) vollzog Österreich einen handelspolitischen Kurswechsel. Einher ging dieser mit der sich erstmals nach dem Ersten Weltkrieg abzeichnenden Möglich keit eines geringen Agrarexports80. Auch bei der Haltung der „Grünen“ zu den Zöllen zeichneten sich Veränderungen ab. Die von ihnen bis dahin propagierte Niedrigzoll-Politik war Geschichte. Stattdessen sprachen sie sich 1923 dafür aus, entweder Schutzzölle gleichermaßen für Landwirtschaft und Industrie einzuheben oder aber beiden Zollfreiheit einzuräumen81. Trotzdem große Teile der Landwirtschaft schon ab 1922 in dieses Horn geblasen hatten, kam die Regierung dieser Forderung vorerst nicht nach82.

Mit der Kanzlerschaft Seipels ging eine Wende in der österreichischen Zollpolitik einher: Die pre- käre wirtschaftliche Lage des Landes ließ die Bundesregierung einen Sanierungskurs einschlagen. Im Zuge dessen trat der primär fi skalische Zweck der Zölle in den Vordergrund. Die Staatsfi nanz- verwaltung veranschlagte die Zolleinnahmen mit 80 – 100 Millionen Goldkronen, eine Summe, die bei der Vielzahl der bis dahin insbesondere bei Agrarprodukten bestehenden Zollbefreiungen83 nicht zu erzielen war. Folglich hieß es handeln: Am 7. April 1923 wurden die veränderten Zolltarife von einem außerordentlichen Kabinettsrat verab schiedet. Anfang September des folgenden Jahres

76 Im Programm vom April 1919 forderte der UBB eine der Vorarlberger Landwirtschaft entsprechende Zoll- politik ein (vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 25. April 1919, S. 5). 77 vgl. ebenda, 12. März 1920, S. 3 f 78 vgl. ebenda, 13. Juni 1919, S. 1 f 79 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 127 – 130 80 vgl. ebenda, S. 153 81 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 12. Oktober 1923, S. 2 82 Die Regierung fuhr in dieser Phase einen moderat protektionistischen Kurs zugunsten der Industrie. Im Agrarsektor setzte sie dagegen auf eine offene Handelspolitik. Hierdurch versprach sie sich für diesen Sek- tor produktionspolitische Anreize, ein Konzept, das aber schließlich am Widerstand der landwirtschaftlichen Interessenverbände scheiterte (vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 156 f). 83 An agrarischen Produkten waren etwa Getreide, Mehl, Vieh, Fleisch und Öl von Zöllen befreit. 24 | Deutschnationalismus in Vorarlberg beschloss der Nationalrat Zölle für Getreide, Vieh und Fett. Dem Beschluss war ein mehrmonati- ger Konfl ikt zwischen der Regierung und den landwirtschaftlichen Hauptkörperschaften vorausge- gangen. Zweitere hatten höhere Zollsätze gefordert. Letztlich setzte sich das Handelsministerium durch84. Der Landbund kam ob dieser Entscheidung nicht zur Ruhe. Bereits im Zuge der Nationalratsdebatte manifestierte sich sein Unmut über die geplanten Zolltarife in einer Vielzahl von – allerdings in sämtlichen Fällen von der Mehrheit abgelehnten – Abänderungsanträgen85. Den Christlichsozia- len, insbesondere aber deren bäuerlichen Vertretern, warf er vor, bei dieser Materie unter dem Druck der Sozialdemokraten eingeknickt zu sein. Schließlich stimmten die „Grünen“ gegen den neuen Zolltarif86. Ihrem nun favorisierten Denkansatz, wonach höhere Schutzzölle den Bauern zu höheren Abgabepreisen für ihre Produkte verhelfen und diese zu Produktionssteigerungen animie- ren würden87, sahen sie in keinerlei Hinsicht Rechnung getragen. Zudem stuften die „Grünen“ die verabschiedeten Zolltarife als unzureichenden Schutz der heimischen Landwirtschaft vor der aus- ländischen Konkurrenz ein88. Aufgrund dessen wähnten sie die heimische, kleinbäuerlich struktu- rierte Landwirtschaft durch die billiger produzierenden Großgrundbesitzer Ungarns , Rumäniens und Serbiens nichts weniger als in ihrer Existenz bedroht89. Anfang 1925 traten die neuen Zolltarife in Kraft. Entgegen dem von Landbund gezeichneten Kata- strophenszenario schienen die neuen Zölle die Einfuhr nach Österreich bereits nach kurzer Zeit zu drosseln. Im März und Juli des Jahres 1926 wurden zwei weitere Zolltarifnovellen beschlossen. Sofern nicht in Handelsverträgen gebunden oder durch Regierungs verordnung autonom ermäßigt, brachten sie für eine Reihe agrarischer Produkte90 Zollerhöhungen mit sich91 – für die „Grünen“ allerdings wiederum in nicht ausreichendem Maße. Überdies kritisierten sie die von der Regierung abgeschlossenen Handelsverträge. Durch diese würde der ohnedies fragwürdige Schutz der Land- wirtschaft noch weiter reduziert werden, so der Vorwurf des Landbundes92. Dabei war es insbeson- dere die Handelsvertragssituation mit Polen, die seinen Unmut erregte93. Da Österreichs Bemühun-

84 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 218 – 220 85 Der Landbund brachte Abänderungsanträge zur Zollhöhe für Tafelobst, Kartoffeln, Hanfsaat, Schlacht-, Nutz- und Zuchtvieh, Schweine, Fleisch, Milch und Honig, darüber hinaus aber auch für Harze, Terpentin, Brenn- und Bauholz sowie Zement ein. 86 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 12. September 1924, S. 1 f 87 vgl. ebenda, 5. Dezember 1924, S. 2 88 vgl. ebenda, 12. September 1924, S. 1 f 89 vgl. ebenda, 5. Dezember 1924, S. 2 und 30. Jänner 1925, S. 2 90 Zu einer Anhebung der Zollhöhe kam es bei Zucker, Nutz-, Zucht- und Schlachtvieh, Milch, Mehl, Roggen sowie Fleisch. Zudem erhöhte sich der Zoll auf Düngemittel. 91 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 236 – 238 92 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes und Vereinigten Bauern- und Land- volkpartei, 26. März 1926, S 4, sowie: Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich (Landesorganisation Vorarlberg), 15. Oktober 1926, S. 1 93 Während die Mehrzahl der Länder ihre gegen Österreich gerichteten Einfuhrverbote bis 1925 aufgehoben hatte, kam es bei Polen zu einem Rückfall in das Verbotssystem. Dies schlug sich sogleich in einer Erhöhung des österreichischen Handelsbilanzpassivums nieder. Von 1924 auf 1925 mit einer Reihe anderer Staaten rück- läufi g, stieg jenes gegenüber Polen im gleichen Zeitraum um 30 % an (vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 236 f). Im darauf folgenden Jahr sollte sich Österreichs Passivum gegenüber Polen gar mehr als verdoppeln (vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. 3. Das „grüne“ Programm und seine Umsetzung | 25 gen um eine günstigere Regelung mit Polen in den folgenden Jahren ergebnislos verliefen94, verlor das Thema über einen langen Zeitraum nichts an Brisanz. Vor allem die Drosselung der polnischen Schweineeinfuhr95 mahnte der Landbund stets von neuem ein, wodurch sie zu dessen zentraler und bekanntester Forderung wurde96.

Ihre Unzufriedenheit mit den Zolltarifen und Handelsverträgen ließ die „Grünen“ im Herbst 1926 aktiv werden. Für den 24. Oktober 1926 riefen sie zu bundesweiten Protestversammlungen auf. In Vorarlberg gingen solche in Schruns und Rankweil über die Bühne97. Darin forderten sie er- neut die Erhöhung der Zollsätze sowie die baldmöglichste Kündigung der Handelsverträge98. In der den Kundgebungen folgenden Unterredung zwischen Vertretern des Landbundes und Landwirt- schaftsminister Thaler versprach Letzterer, in allernächster Zeit die Verhandlungen mit Deutschland zwecks Erleichterung der Ausfuhr von österreichischem Nutzvieh und Pferden wieder aufzunehmen. Zudem stellte er eine Frachtrückvergütung in Aussicht – für die „Grünen“ zwei Punkte, die sie im Zusammenhang mit den Protestversammlungen von einem Teilerfolg sprechen ließen99.

Die Bedeutung, die der Landbund dem Thema „Zölle“ beimaß, zeigte sich nur wenige Monate nach seinem im Mai 1927 erfolgten Regierungseintritt. Die dritte Zolltarifnovelle vom 21. November 1927 war eine der ersten von der neu gebildeten Regierung verabschiedeten Vorlagen. Der Land- bund sah damit die wichtigste Bedingung, die er an seinen Eintritt in die Regierung geknüpft hatte, erfüllt100. Dessen Handschrift ist bei diesem Gesetz unverkennbar. Für eine ganze Reihe agrarischer Produkte wurden die Zollsätze erhöht. Den „Grünen“ war damit ein Teilerfolg beschieden101. Ein wesentliches Manko blieb allerdings: Mit dieser Novelle hatte zwar formell eine Schutzzollpolitik in Österreich Platz gegriffen. Die in den bestehenden Handelsverträgen festgeschriebenen Zollsät- ze verhinderten aber weitgehend deren zeitnahe Umsetzung102.

Auch in der Folge hielt der Landbund bei diesem Themenfeld an seiner Position fest. Mit seinen Forderungen zielte er weiterhin auf den besseren Schutz der heimischen Landwirtschaft vor aus- ländischer Konkurrenz ab. Ende der 1920er Jahre brachte er hierfür das System der Einfuhrscheine ins Gespräch. Von einer solchen Regelung der Importe versprach er sich die leichtere Absetzbarkeit heimischer Agrarprodukte. Daneben blieb den „Grünen“ auch in ihrer Zeit als Teil der Regierung

Wochenblatt des Landbundes für Oesterreich, 26. Mai 1928, S. 2). 94 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 297 95 In den Jahren 1926 und 1927 wurden rund Dreiviertel der in Österreich eingeführten Schweine von Polen geliefert (vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes für Oesterreich, 26. Mai 1928, S. 2). 96 Nicht ohne selbstkritischen Unterton stellte der „grüne“ Spitzenpolitiker Vinzenz Schumy fest, dass von Landbündlern über viele Jahre hinweg nur immer „das polnische Schwein geritten“ worden sei (vgl. Wandrus- zka, Adam, Das „nationale Lager“, S. 294). 97 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich (Landesorganisation Vorarlberg), 15. Oktober 1926, S. 1 98 vgl. ebenda, 29. Oktober 1926, S. 1 f 99 vgl. ebenda, 12. November 1926, S. 1 100 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes für Oesterreich, 5. November 1927, S. 2 101 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 218 102 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 296 26 | Deutschnationalismus in Vorarlberg die Situation mit Polen ein Dorn im Auge. Abermals forderten sie die unverzügliche Kündigung des Handelsübereinkommens mit Polen. Darüber hinaus sprach sich der Landbund dafür aus, sofort schärfste veterinäre Maßnahmen gegen Polen anzuwenden103. Obwohl der Landbund seinen For- derungen Nachdruck zu verleihen wusste104, blieb die Lage für ihn unbefriedigend. In seiner ersten Rede vor dem Plenum des Nationalrates verlieh Vorarlbergs „grüner“ Abgeordneter Peter dieser Unzufriedenheit Ausdruck: Seiner Ansicht nach war es nicht ausschließlich die Weltwirtschaftskri- se, die Schuld an der schwierigen Lage der Landwirtschaft hatte. Dazu trügen auch hausgemachte handelspolitische Fehler bei, die – wie Peter weiter ausführte – trotz der verzweifelten Gegenwehr des „grünen“ Nationalratsklubs gemacht würden105.

Ein spätes, erstmaliges und zugleich letztes kurzes Auffl ackern von Zufriedenheit mit der österreichi- schen Zollpolitik stellte sich beim Landbund Mitte 1931 ein: Mit Inkrafttreten der 5. Zolltarifnovelle zählte Österreich zu der Ländergruppe mit den höchsten Zollsätzen106. Die „Grünen“ sprachen von einer entscheidenden Wende der österreichischen Agrarpolitik. Ihrer Ansicht nach war die Novelle auch geeignet, den neu abgeschlossenen Handelsverträgen mit Ungarn , Jugoslawien , Rumänien und der Tschechoslowakei als Fundament zu dienen. Die Wirkung, welche die Novelle zu entfalten vermochte, blieb durch die weltweit angespannte Lage auf dem Agrarsektor jedoch begrenzt. Über- dies fi el sie je nach Agrarprodukt uneinheitlich aus107. Am 17. Juni 1931 beschlossen die Mehrheits- parteien Einfuhrverbote für land- und forstwirtschaftliche Produkte aus all jenen Staaten, mit denen die gegenseitigen Handelsbeziehungen ohne vertragliche Regelung vonstatten gingen108.

Der Status quo stellte die Vorarlberger „Grünen“ allerdings nicht dauerhaft zufrieden. Im April 1933 reichten ihnen die in Bezug auf den Außenhandel getroffenen Vereinbarungen sowie Höhen der Zölle nicht mehr aus. Auf dem Landesparteitag nahmen sie hierzu eine Entschließung an. In dieser forderte der Vorarlberger Landbund entschieden den Schutz für heimische Produkte ein109 – ein Anliegen, dem er über viele Jahre seine politische Aufmerksamkeit geschenkt hatte, dessen Um- setzung er aber nur für einen kurzen Zeitraum für geglückt erachtete.

3.3 SOZIALPOLITISCHE FORDERUNGEN

In der Anfangsphase der Ersten Republik wurden an die Legitimation staatlicher Politik große An- forderungen gestellt, der Staat mit einer Vielzahl von Ansprüchen konfrontiert. Dessen Legitimati- onsproblem war insofern verschärft, als die soziale Bewegung 1918/1919 – etwa in Form der Räte

103 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes für Oesterreich, 26. Mai 1928, S. 1 104 Der Landbund drohte sowohl Bundeskanzler Seipel als auch dessen Nachfolger Streeruwitz mit dem Rück- zug seines Regierungsmitgliedes, sollten nicht binnen eines von ihm festgesetzten Zeitrahmens spezielle han- dels- und zollpolitische Forderungen – in der Mehrzahl zum Import polnischer Schweine – umgesetzt werden (vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 288). 105 vgl. Landpost, 28. Februar 1931, S. 4 106 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 380 107 vgl. Landpost, 2. Jänner 1932, S. 6 108 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 380 109 vgl. Landpost, 6. April 1933, S. 1 3. Das „grüne“ Programm und seine Umsetzung | 27

– den politischen und gesellschaftlichen Status quo tangierte. Unter den staatlichen Reaktionen darauf stellten sozialpolitische Maßnahmen wohl die Relevantesten dar.110 Insbesondere der Sozialdemokraten und Christlichsoziale einigenden Ablehnung alternativer Staats- formen – im konkreten Fall des Rätesystems – und deren gemeinsamem Willen, diese abzuwehren, ist es zuzuschreiben, dass Österreichs Staatsadministration 1918/1919 sozial politische Materien im „Eilzugstempo“ behandelte111. Des Weiteren wird die Schwäche der Unternehmerverbände zu Beginn der Ersten Republik112 die rasche Umsetzung sozialpolitischer Forderungen begünstigt ha- ben113. Die Leistungsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft bildete in dieser Frühphase – anders als nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch die CSP im Oktober 1920 – noch kein für den sozialpolitischen Verlauf entscheidungs relevantes Kriterium. Wesentlich zum von 1918 bis 1920 erreichten sozialpolitischen Niveau wird ferner die kurzfristige Verschiebung der Kräftever- hältnisse zugunsten der Sozialdemo kratie beigetragen haben. Für die sozialdemokratische Arbeiterbewegung zählte die Sozialpolitik zu den „Errungen schaften der Revolution“, deren Erhalt es in den folgenden Jahren gegen ein konsolidiertes Bürgertum zu verteidigen galt. Die in der Ersten Republik ausgefochtenen Auseinander setzungen um die staatli- che Sozialpolitik erreichten dabei ein zuvor unbekanntes Konfl ikt niveau114.

Auch wenn Kluge die Bauernschaft gegen die von Hanusch115 geprägte Sozialpolitik schon 1919/1920 eine Obstruktionshaltung einnehmen sieht116 – die „Grünen“ gaben sich noch zurückhal- tend. Deren Überzeugung, bei der in Österreich vorherrschenden Stimmungslage eine Versicherung für Landarbeiter ohnedies nicht aufhalten zu können, ließ sie von Kampagnen dagegen Abstand nehmen. Stattdessen stemmten sich die „Grünen“ gegen die von der Sozialdemokratie geforderte Einbeziehung der Landarbeiter in die allgemeine Arbeiterversicherung. Diese galt ihnen als „unge- heure Gefahr“ für die Landwirtschaft. Um solches zu vereiteln, stellten die „Grünen“-Abgeordneten im Haus am Ring Anträge auf Schaffung einer eigenen Landarbeiterversicherung117. In der Presse des UBB fand die Sozialpolitik zunächst kaum Niederschlag. Auch in den von Vor- arlbergs „Grünen“ im April 1919 und März 1920 veröffentlichten Wirtschafts pro gram men blieb dieser Themenkomplex ausgeblendet118. Zurückzuführen ist dies auf den Umstand, dass die Sozial- gesetzgebung der beiden ersten Jahre für die Bauernschaft selbst noch nicht von entscheidender Tragweite war.

110 vgl. Talos, Emmerich, Staatliche Sozialpolitik in Österreich, S. 227 111 vgl. ebenda, S. 160 112 Nach dem Zusammenbruch der Monarchie hatten die Unternehmervertretungen mit Organisationsproble- men und dem Verlust einer Vielzahl ihrer Mitglieder zu kämpfen. 113 vgl. Talos, Emmerich, Staatliche Sozialpolitik in Österreich, S. 145 114 vgl. ebenda, S. 158 – 160 und 164 115 Der Sozialdemokrat , vielfach als „Vater“ der Sozialpolitik der Ersten Republik bezeich- net, war vom 30. Oktober 1918 bis 22. Oktober 1920 als Staatsekretär für soziale Fürsorge bzw. soziale Ver- waltung – ein Vorläuferamt des heutigen Sozialministers – tätig. 116 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 139 117 vgl. Landpost, 16. März 1933, S. 7 118 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 25. April 1919, S. 5 und 12. März 1920, S. 3 f 28 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Mit der 7. Novelle zum Krankenversicherungsgesetz (KVG) änderte sich das. Im Oktober 1921 dehn- te der Gesetzgeber die obligatorische Sozialversicherung auf alle Land- und Forstarbeiter aus119. Die „Grünen“ monierten sogleich, die aus ihrer Sicht in der Landwirtschaft herrschenden „Son- derverhältnisse“ seien in der Novelle nahezu unberücksichtigt geblieben120. Die Pfl ichtversiche- rung wurde so für sie zum Reizthema. Dabei zeigten sie sich bestrebt, eine für die Bauernschaft möglichst billige Lösung zu erzielen. Daher lehnten die „Grünen“ – anders als der christlichsozi- ale Reichsbauernbund121 – die Zwangskassen, insbesondere die vom Gesetzgeber vorgesehenen bundeseinheitlichen, ab. Stattdessen plädierten sie für eine „freiwillige Pfl ichtversicherung“ bei überwiegend von ehrenamtlichen Mitarbeitern betriebenen regionalen Gebietskassen122. Auf be- sonders heftige Kritik von Seiten der „Grünen“ stieß die ebenfalls in der 7. Novelle des KVG ent- haltene Bestimmung, der zufolge auch mithelfende Familienangehörige in die Krankenversicherung einbezogen wurden123. Aufgrund der im „Ländle“ vorherrschenden kleinbäuerlichen Struktur wird dieser Punkt – mehr noch als die Pfl ichtversicherung für die Land- und Forstarbeiter – die Gemüter Vorarlbergs Unabhängiger Bauernbündler erregt haben124.

In den folgenden Jahren sollten all jene, die auf Distanz zur unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg in Österreich eingeschlagenen Sozialpolitik gegangen waren – unter ihnen die bäuerlichen Interes- senvertreter –, von mächtiger Seite Unterstützung erfahren. Im Februar 1924 sprach sich Bundes- kanzler Seipel (CSP) für die „Beseitigung des revolutionären Schuttes“ aus125. Bereits im Jahr davor hatte sich Sozialminister Schmitz im gleichen Sinne geäußert126. In diesem politischen Klima erhob Salzburgs christlichsozialer Landeshauptmann Rehrl – darauf bedacht, die im Land existierenden kostengünstigeren Dienstbotenkrankenkassen zu erhalten127 – Verfassungsbeschwerde gegen jene Bestimmungen der 7. KVG-Novelle, welche sich auf die Krankenversicherung der Land- und Forst- arbeiter bezogen. Da die Kompetenz in diesem Bereich formal noch immer der Landesgesetzgebung zukam128, gab der Verfassungsgerichtshof der Rehrl ’schen Beschwerde am 27. Juni 1924 statt. Of- fensichtlich nicht interessiert, diese Krankenversicherung in der bisherigen Form zu erhalten, ließen

119 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 154 120 vgl. Landpost, 16. März 1933, S. 7 121 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 251 122 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 167 123 vgl. Bruckmüller, Ernst, Vom „Bauernstand“ zur „Gesellschaft des ländlichen Raumes“, S. 467 124 Die Zahlen – zur Orientierung seien in diesem Zusammenhang jene der 1934 erfolgten Volkszählung heran- gezogen – legen diese Annahme nahe. Zu dieser Zeit wurden vorarlbergweit 17.090 Personen der Gruppe der Landwirte zugerechnet. 8.360 von diesen wurden als mithelfende Familienmitglieder geführt. Die Gruppengrö- ße der Landarbeiter – diese umfasste 659 Personen – nimmt sich im Vergleich dazu bescheiden aus (vgl. Die Er gebnisse der österreichischen Volkszählung vom 22. März 1934, S. 54). 125 vgl. Talos, Emmerich; Wörister, Karl, Soziale Sicherung im Sozialstaat Österreich, S. 21 126 vgl. Talos, Emmerich, Staatliche Sozialpolitik in Österreich, S. 159 f 127 Die Salzburger Dienstbotenkrankenkassen, welche ihre Wurzeln in der Monarchie hatten, existierten auch nach dem ersten Weltkrieg weiter. Im Vergleich zu den in der 7. KVG-Novelle vorgesehenen Landwirtschafts- krankenkassen erbrachten sie für die Versicherten bescheidenere Leistungen. Damit für die Arbeitgeber kos- tengünstiger, wurden sie von der Bauernschaft präferiert. Mit dem Hinweis auf die Existenz dieser Kassen be- kämpfte das Land Salzburg die 7. KVG-Novelle (vgl. Bruckmüller, Ernst, Vom „Bauernstand“ zur „Gesellschaft des ländlichen Raumes“, S. 466). 128 In den 1880er Jahren war die Krankenversicherung der Land- und Forstarbeiter zur Landesangelegenheit erklärt worden. 3. Das „grüne“ Programm und seine Umsetzung | 29 die Regierung und die Mehrheitsparteien die ihnen vom Verfassungsgericht eingeräumte sechsmo- natige Frist zur Klärung der Kompetenz ungenutzt verstreichen. Damit war die bundesgesetzliche Regelung dieses Versicherungszweiges für verfassungswidrig erklärt, die von den bäuerlichen Inte- ressenvertretern mit heftigem Wider stand bedachte Krankenversicherung in dieser Form gekippt129 – aus der Sicht des Landbundes eine „entscheidende Wendung“130. An die Stelle der bisherigen Bestimmungen traten zunächst unterschiedliche landesgesetzliche Regelungen. Nachdem der Kompetenzartikel der Bundesverfassung am 1. Oktober 1925 in Kraft getreten war, setzten seitens der Regierung zaghafte Bemühungen um eine bundeseinheitliche Neuregelung ein. Die Diskussion um die Ausgestaltung der Krankenversicherung für die Land- und Forstarbeiter dau- erte letztlich Jahre. Im Wahlkampf zur Nationalratswahl 1927 sprach sich der Landbund in einem Flugblatt für „(...) vernünftige und den ländlichen Bedürfnissen angepasste Einrichtungen aus, die zum Schutze des Arbeiters gegen Krankheit, Invalidität usw. dienen sollen, lehnt aber die schablo- nenmäßige Anwendung der für die Industrie eingeführten sozialen Versicherungen für das fl ache Land ab.“131

Ab Mai 1927 Teil der Regierung, zeigte der Landbund kein Interesse an einem neuen Landarbei- terversicherungsgesetz, geschweige dessen rascher Implementierung. Einem im November 1927 erfolgten Vorstoß der Sozialdemokraten in diese Richtung, der bei den christlichsozialen wie auch großdeutschen Arbeitervertretern Unterstützung fand und vom „schwarzen“ Reichsbauerntag eine wohlwollende Aufnahme erfuhr, setzten die „Grünen“ ihr ganzes politisches Gewicht entgegen. Ihre Vorsprache bei Sozialminister Resch (CSP) hatte Erfolg, der Gesetzesentwurf wurde zurückge- zogen132. Die Regierungsvorlage hatte letztlich, der Einwände des Landbundes wegen, sechsmal abgeändert zu werden, bevor sie in ihrer siebten Fassung im Nationalrat eingebracht und einem Unterausschuss zugewiesen werden konnte. Dort kam es zur Annahme des Antrages, die Gemein- dekrankenkassen binnen einem halben Jahr nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes aufzulassen – trotz Gegenstimme des Landbundvertreters Strießnig . Obwohl christlichsoziale und großdeutsche Abgeordnete unisono die Auffassung vertraten, ein vom Ausschuss beschlossener Entwurf könne nicht mehr abgeändert werden, gab der Landbund seinen Widerstand dagegen nicht auf – und setzte sich abermals durch. Auf Vorschlag des Sozialministers wurde das Gesetz erneut zum Gegen- stand von Verhandlungen. Hierbei gelang es den „Grünen“ weitere Erfolg zu verbuchen: Dem selb- ständigen Landwirt wurden Kranken- und Unfallversicherung freigestellt, seine Geschwister von der Krankenversicherungspfl icht ausgenommen. Überdies erzielte der Land bund in der Frage der Gemeindekrankenkassen eine ihm genehme Lösung. Dessen ungeachtet war er weiterhin bestrebt, die Beschlussfassung der Vorlage wenn möglich zu Fall zu bringen, zumindest aber zu verzögern. Hierfür verwies er mehrfach auf die aus seiner Sicht zu hohen Kosten, welche das neue Gesetz für die Landwirtschaft mit sich brächte. Auch die zunehmend prekäre Lage der Landwirtschaft – her- vorgerufen durch einen Preissturz bei den Schweinepreisen – wurde vom Landbund als Argument gegen ein rasches Inkrafttreten des Gesetzes vorgebracht. Insbesondere von Seiten der „Schwar- zen“ kam Widerstand gegen diese Verzögerungstaktik. Christlichsoziale Granden wie Bundeskanz- ler Seipel , Sozialminister Resch und Finanzminister Kienböck , aber auch Vorarlbergs Jodok Fink ,

129 vgl. Talos, Emmerich, Staatliche Sozialpolitik in Österreich, S. 204 f 130 vgl. Landpost, 16. März 1933, S. 7 131 Flugblatt des Landbundes zur Nationalratswahl 1927. Beilage zum Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich (Landesorganisation Vorarlberg), 19. März 1927, o.S. 132 vgl. Landpost, 16. März 1933, S. 7 30 | Deutschnationalismus in Vorarlberg sprachen sich, veranlasst durch die Befürchtung, dass eine weitere Verschiebung Wasser auf die Mühlen der Sozial demokraten wäre, gegen einen neuerlichen Aufschub aus133. So gelangte das Ge- setz schließlich am 18. Juli 1928 zur Annahme durch den Nationalrat. Es sah eine Kranken-, Unfall- und Invalidenversicherung für die Land- und Forstarbeiter vor. Tatsächlich in Kraft traten allerdings nur die Kranken- und Unfallversicherung. Die Invaliditätsversicherung, da mit dem Arbeiterversi- cherungsgesetz junktimiert, fand keine Umsetzung. Dem Landbund war es mit seinem hartnäckigen Widerstand gelungen, eine für den Arbeitgeber vergleichsweise kostengünstige Gesetzesvariante zur Annahme zu bringen. Den Preis hierfür hatten die Land- und Forstarbeiter zu bezahlen: Sie wa- ren es, die gegenüber den anderen Arbeitern deutlich schlechter gestellt blieben134. Obwohl die „Grünen“ mehrere ihrer Anliegen durchgesetzt hatten, blieb ihnen das Gesetz ein Dorn im Auge. Ihre Kritik daran nahm mit der Weltwirtschaftskrise, die bis zum Ende des Wirtschaftsjah- res 1930 in sämtlichen Produktionszweigen der österreichischen Landwirtschaft deutliche Spuren hinterließ135, an Vehemenz zu. Die gewaltsamen Ausschreitungen im oststeirischen Vorau , die sich an einer Exekution von ausständigen Landarbeiter-Kassenbeiträgen entzündet hatten, taten ein Übriges, sie in ihrer ablehnenden Haltung zu bestärken. Die Vorauer Vorfälle wurden vom Landbund dazu genutzt, den Kampf gegen den „Moloch Krankenkasse“ neu zu entfachen136. Dessen Haupt- stoßrichtung galt dem aus seiner Sicht „unseligen Versicherungszwang“. Im Februar 1933 setzte der „grüne“ Klubobmann Dewaty die Koalitionspartner – damals Christlichsoziale und Heimatblock – davon in Kennt nis, in dieser Angelegenheit aktiv werden zu wollen. Für die nächste National- ratssitzung kündigte er einen entsprechenden, vom Abgeordnetenverband des Landbundes einge- brachten Antrag an. Dieser beinhaltete die Forderung nach Freiwilligkeit der Krankenversicherung sowie eine generelle Lastensenkung in allen Zweigen der Sozialversicherung137. Der Unter stützung der Vorarlberger „Grünen“ konnte er sich dabei – auch der prekären Situation vieler landwirtschaft- licher Betriebe im „Ländle“138 wegen – gewiss sein. Schon im Juni 1932 hatte Peter gegen „unge- heuere soziale Lasten“, durch die er, in diesem Fall das Gewerbe, an den Rand des Ruins gedrängt sah, gewettert139. Ähnlich die Vorarlberger Landesparteileitung: In einer Entschließung vom April 1933 forderte sie zum Abbau sozialer Lasten auf140. Diesen späten Bemühungen sollte der Erfolg aller dings verwehrt bleiben. Von Sozialminister Resch kam eine klare Absage141.

Überblickt man die Erste Republik, ist festzuhalten, dass sich der Landbund nur in deren Anfängen für die Einführung neuer Sozialleistungen zugunsten von in der Landwirtschaft Tätiger aussprach. In weiterer Folge beschwor er zwar eine – angebliche – Schicksalsgemeinschaft zwischen Bauern und Landarbeitern. Mehr als der Versuch, sich über billige Schlagwortpolitik einen Teil eines, auch

133 vgl. ebenda, 23. März 1933, S. 4 134 vgl. Talos, Emmerich, Staatliche Sozialpolitik in Österreich, S. 206 135 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 283 136 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 270 f 137 vgl. Landpost, 30. März 1933, S. 5 138 Im Jahr 1934 waren Vorarlbergs bäuerliche Betriebe im Durchschnitt mit 2.927 Schilling verschuldet. Rund Dreiviertel jener Bauern, die sich an einer Umfrage des Bauernbundes beteiligt hatten, glaubten sich derart in ihrer Existenz bedroht, dass sie ohne Hilfe keine Rettung erwarteten (vgl. Weitensfelder, Hubert, Vom Stall in die Fabrik, S. 62). 139 vgl. Landpost, 11. Juni 1932, S. 1 140 vgl. ebenda, 6. April 1933, S. 1 141 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 271 3. Das „grüne“ Programm und seine Umsetzung | 31 von den Sozialdemokraten umworbenen Wählerpotentials zu sichern, war das allerdings nicht. An einem konkreten Eintreten für die Interessen der Land- und Forstarbeiter fehlte es. Der Focus „grüner“ Politik lag auf der Interessenvertretung der selbständigen Bauernschaft. Hierfür traten sie vehement gegen den Ausbau der – letzten Endes hohen und die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Landwirtschaft gefährdenden142 – Sozialleistungen auf. Speziell der Kampf gegen die Landarbeiterkrankenversicherung wurde zu einem vom Landbund über viele Jahre betriebenen Unterfangen.

3.4 DIE SYSTEMFRAGE

Die Vorstellung, das österreichische Gesellschaftsgefüge im berufsständischen Sinne umzu- strukturieren, war mindestens so alt wie die parlamentarische Demokratie in Österreich selbst: Antizentralistische Kräfte, insbesondere in den alpenländischen Randzonen, hatten bald nach 1918 die kooperative Idee gegen die parlamentarische zu setzen versucht143. Bei den „Grünen“ waren es ideologische Axiome wie das Prinzip der arbeitsteiligen Gesellschaft oder die erblich bedingten Differenzen zwischen den Menschen, die sie die „ständische“ Form der politischen Organisation als gemein „deutsche“ Staatsform ansehen ließen144. Im ersten Programm des UBB vom April 1919 fand dieser Aspekt noch nicht den ihm in weiterer Folge beigemessenen Niederschlag. Die erst wenige Monate zurückliegenden politischen Umwälzungen ließen die „Grünen“ ihre Ablehnung der Monarchie festschreiben und ein Bekenntnis zur demokra- tischen Republik ablegen. Letzterem fügten sie die Erwartung hinzu, dass in dieser Staatsform alle Stände ihr Recht genießen und vertreten können sollten145. Ihre heftigen Auseinandersetzungen mit der Landesregierung ließen Vorarlbergs „Grüne“ zunehmend auf Distanz zum bestehenden System gehen146. Im Oktober 1921 skizzierte Urban Nasahl auf dem zweiten „Germanischen Bauern- und Landvolkkongress“ in Graz eine Alternative hierzu: Er plädierte für ein starkes Ständeparlament, ausgestattet mit der „volle(n) Fülle“ der gesetzgeberischen Kraft und Gewalt. Diese Gewalt sollte überdies auch die Macht des Vollzuges besitzen147. Hinsichtlich Stellung sowie Aufgabengebiet des Ständeparlaments trat der Vorarlberger Delegierte dafür ein, dieses als höchste und letzte Instanz für rein wirtschaftliche und – wie er sich auszudrücken pfl egte – „gemischtwirtschaftlich politische Fragen“ zu installieren. Der Nationalrat sollte auf kulturell-ideelle Themen beschränkt sein148.

142 Die Produktionskosten in der österreichischen Landwirtschaft lagen 1928 um rund 30 % bis 40 % über jenen von Ländern wie der Tschechoslowakei, Ungarn, Polen oder Rumänien. Im gleichen Jahr machten die Sozial- leistungen der landwirtschaftlichen Unternehmer 23,45 % der Lohnsumme aus (vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 283 f). 143 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 427 144 vgl. Burkert, Günther R., Der Landbund für Österreich, S. 213 145 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 25. April 1919, S. 6 146 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 28. Jänner 1921, S. 3 147 Ein Ständeparlament ohne absolute Legislative und Exekutive tat Nasahl als „Spiegelfechterei“ und „alte Augenauswischerei“ ab. 148 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 21. Oktober 1921, S. 1 f 32 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

In den 1922 ausgearbeiteten „Politischen Leitsätzen“ ging der Landbund abermals deutlich auf Distanz zum praktizierten Parlamentarismus, indem er diesen für zur Vertretung des Volkes „unge- eignet“ und „schädlich“ erklärte149.

Ab Mitte der 1920er Jahre rückte der Landbund die Systemfrage verstärkt ins Zentrum seiner politi- schen Agitation. Den Hintergrund hierfür bildete eine vom Reichslandbund in Deutschland initiierte Kampagne für die Einführung einer „Wirtschaftskammer“150. Mitte 1926 nahm sich auch die Bun- desparteileitung des Landbundes dieser Thematik an. Unter deren Mitgliedern war es insbesonde- re Leopold Stocker, der die „ständische Verfassung“ forcierte. Sein hierzu ausgearbeitetes Modell sah ein aus Berufs- und Ständekammern zusammengesetztes Parlament vor151. Die Grundstruktur des vom Landbund propagierten Ständestaatmodells unterschied sich in dreierlei Hinsicht von jenen faschistischer bzw. katholischer Provenienz: Zum einen betonte das „grüne“ Modell das föderalistische Prinzip auf berufl icher wie auch politischer Ebene. Zum anderen sollte diesem zufolge die Differenzierung zwischen Arbeitgebern und -nehmern in den Berufsverbänden sowie Kammern beibehalten werden. Zum Dritten beinhaltete das Modell des Landbundes das durchgehende Prinzip von direkten Wahlen für die Delegierten der Landes- und Bundesberufskam- mern152. In Vorarlbergs „grünem“ Presseorgan wurde den Ausführungen von Nationalrat Sepp Ammann zu diesem Thema viel Platz eingeräumt. Diesem zufolge war der Bundesrat überfl üssig und daher durch eine an Kompetenz aufgewertete Ständekammer zu ersetzen153.

Durch die Ereignisse vom Juli 1927 – den Brand des Justizpalastes und die daran anschließenden Ausschreitungen mit 80 Todesopfern – gewann der Themenkomplex zusätzlich an Aktualität. Zu- dem ließ die Niederschlagung dieser Unruhen – hierfür federführend verant wortlich der damalige Wiener Polizeipräsident Dr. – die Bürgerlichen die Angst vor der außerparla- mentarischen Macht der Sozialdemokraten verlieren. Aus Sicht der bürgerlichen Parteien und der Heimwehr war damit die Zeit gekommen, den Einfl uss der Sozialdemokratie auf Bundes- und Lan- desebene per Verfassungsreform weiter zurückzudrängen154. Zunächst war es insbesondere Bundeskanzler Seipel, der die drängenden Verfassungsfragen in die emotionalisierte Öffentlichkeit trug. Ab November 1928 setzte der Landbund diese Kampagne fort. Die vehement geführte Debatte kreiste um vermeintliche oder tatsächliche Fehler der österrei- chischen „Formaldemokratie“. Permanente Kabinettskrisen, problematische Mehrheitsbildungen und die gesellschaftliche Polarisierung wurden als Resultate von Verfassungsdefekten gewertet155. Ähnlich die Ausführungen auf dem Landesparteitag des Vorarlberger Landbundes 1929: Hier wurde die Verfassung von 1920 zum „Flickwerk“ und „Vater der üblen Gedanken und Taten in Österreich“ erklärt156.

149 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 19. März 1922, S. 3 150 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 252 151 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 169 152 vgl. Stimmer, Gernot, Eliten in Österreich, S. 662 153 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes und der Vereinigten Bauern- und Landvolk-Partei, 18. Juni 1926, S. 1 154 vgl. Lehner, Oskar, Verfassungsentwicklung, S. 52 155 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 327 f 156 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 23. Mai 1929, S. 2 3. Das „grüne“ Programm und seine Umsetzung | 33

Die „Grünen“ traten daher für eine weitgehende Änderung der Verfassung ein. Zentraler Punkt ihrer Vorschläge war eine gestärkte berufsständische Vertretung. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, brachten die Landbundabgeordneten Zangel, Dewaty, Pistor und Schönbauer im Namen ihrer Fraktion im Parlament einen Antrag ein. Darin forderten sie die Umwandlung des Bundesrates in eine Ständekammer157. Darüber hinaus traten die „Grünen“ – dabei die Stellung des deutschen Reichspräsidenten vor Augen158 – für die Volkswahl des Bundespräsidenten ein. Davon erwarteten sie sich eine größere Unabhängigkeit des höchsten Repräsentanten der Republik von den Parteien. Des Weiteren forderten sie eine Stärkung seiner verfassungsmäßigen Befugnisse159. Mit ihren For- derungen nach Stärkung der Präsidialgewalt und einer „Wirtschaftskammer“ verfolgten die „Grü- nen“ eine im Vergleich zu den Christlichsozialen wirkungsvollere Entmachtung des Parlaments.

Die blutigen Ausschreitungen in St. Lorenzen160 sowie die von Heimwehrseite wieder lauter erho- bene Forderung nach einer Systemänderung veranlassten den Landbund, seine Reformkampagne noch vehementer zu betreiben. Ihre Zusammenfassung erfuhren seine Ideen in dem am 25. August 1929 vorgelegten „Deutschfeistritzer Programm“161. Trotz der Erfahrung, dass die zwischen 1922 und 1926 erfolgten Versuche, die Verfassung in Teilbereichen zu reformieren, mehrheitlich rasch verebbt waren162, und der angespannten innenpolitischen Situation, die den Ruf nach schnellen Veränderungen nahelegte, hielten die „Grünen“ an einer Verfassungsreform auf legalem und evo- lutionärem Weg fest. Schon Jahre davor, im Herbst 1921, hatte sich Nasahl in diesem Sinne geäu- ßert. Der Variante, ein Ständeparlament über einen Putsch zu installieren, hatte er aus „ethischen Gründen“ eine Absage erteilt. Stattdessen hatte er sich für langjährige unermüdliche Kleinarbeit ausgesprochen, um dieses Ziel zu erreichen163. Die „Grünen“ verliehen dieser Auffassung in der Verfassungsdebatte mehrfach Ausdruck. Damit distanzierten sie sich deutlich von der Heimwehr, deren gewaltbereitem Auftreten und – von Land- bundseite heftig kritisierten – Verfassungsentwurf164. In die gleiche Kerbe schlugen die „Grünen“

157 Ihrem Antrag zufolge sollten die Mitglieder des fortan auf ständischer Grundlage fußenden Bundesrates von den Berufskammern entsandt werden. In den Kammern selbst sollten Wahlen unter den Arbeitnehmern über die zu Entsendenden entscheiden (vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Land- bundes für Oesterreich, 17. November 1928, S. 2). 158 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 29. August 1929, S. 1 159 Der Landbund wollte den Bundespräsidenten mit Rechten ausgestattet wissen, welche diesem auch bei Störung der parlamentarischen Tätigkeit eine Fortführung der Staats- und Verwaltungsgeschäfte ermöglichten (vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 29. August 1929, S. 1). 160 vgl. dazu in dieser Arbeit, Fußnote 552 161 Um für den Fall, dass die Verfassungsänderung nun tatsächlich in Angriff genommen werden würde, ge- rüstet zu sein und somit nicht der Heimwehr die Initiative in dieser Angelegenheit überlassen zu müssen, war das von Bundesparteiobmann Schumy und seinem Stellvertreter Winkler vorgelegte „Deutschfeistritzer Programm“ überhastet abgefasst worden. Daher wurde es zum Teil überarbeitet, bevor der Vollzugsausschuss der „grünen“ Bundesparteileitung die Neufassung am 30. August 1929 offi ziell Bundeskanzler Streeruwitz überreichte (vgl. Berchtold, Klaus, Verfassungsgeschichte der Republik Österreich, S. 513 – 515). 162 Die Ausnahmen hierzu bildeten zwei Verfassungsergänzungen. Im Jahr 1922 wurde das Finanzverfassungs- gesetz beschlossen, drei Jahre später die sogenannte „Verfassungs- und Verwaltungsreform“ (vgl. Ableitinger, Alfred, Grundlegung der Verfassung, S. 184). 163 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 21. Oktober 1921, S 1 f 164 Vinzenz Schumy las den Verfassungsentwurf der Heimwehr als Versuch einer völligen Umgestaltung Öster- reichs zu einem auf faschistischer Grundlage aufgebauten autoritären Ständestaat (vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 204). Überdies stießen sich die „Grünen“ an dem von den Universitätsprofessoren 34 | Deutschnationalismus in Vorarlberg auch mit ihrem auf dem Bundesparteitag im März 1928 gefassten Beschluss, Gewaltmethoden zur Durchsetzung politischer Ziele abzulehnen. Stattdessen traten sie für eine Politik der ruhigen und organischen Fortentwicklung der Verfassung ein165. Eine rein ständische Vertretung konnte ihrer Ansicht nach folglich nicht sofort eingeführt werden. Ein erster Schritt in diese Richtung sollte die neue Verfassung aber allemal sein166.

Des Ansatzes von der organischen Entwicklung bediente sich der Landbund auch, um die am 7. De- zember 1929 vom Parlament beschlossene Verfassung in einem für ihn günstigen Licht zu zeichnen. Zwar sprach er im Zusammenhang mit der Verfassung zunächst von einem „Stückwerk“, fuhr hier- auf aber fort, das damit Erreichte, da ja lediglich erste Etappe im Verfassungskampf, zu einem „be- deutsamen Sieg“ – auch für sich selbst – zu erklären167. Tatsächlich stellte die Verfassungsreform einen Kompromiss dar. Die Sozialdemokraten hatten erreicht, dass die novellierte Verfassung keine Bestimmungen enthielt, die ihren Interessen diametral entgegenstanden. Aus Sicht der bürgerli- chen Parteien war mit der Verfassung das Mögliche verwirklicht worden168 – das Ständeparlament zählte nicht dazu. Damit war die zentrale Forderung des Landbundes unberücksichtigt geblieben169. Seinen Vorstellungen deutlich mehr entsprachen die mit der Verfassungsnovelle einhergehenden Veränderungen beim Bundespräsidentenamt: Zwar wurde dieser, bis dahin in seiner Amtsführung auf rein formale und repräsentative Aufgaben beschränkt170, nicht mit der von den „Grünen“ gefor- derten Machtfülle des deutschen Reichspräsidenten ausgestattet171, erfuhr aber gegenüber dem Parlament eine deutliche Aufwertung172. Zudem sollte der Bundespräsident fortan, hier ganz dem Wunsch des Landbundes entsprechend, statt von der Bundesversammlung vom Volk gewählt wer- den – die Premiere eines solchen Urnenganges ging allerdings erst mehr als 20 Jahre später über die Bühne173.

Mit der Verfassungsreform 1929 hatte das Bundespräsidentenamt deutlich an Machtfülle gewon- nen. Ob diese Befugnisse für schwierige Zeiten ausreichen würden – die „Grünen“ hatten ihre

Spann und Heinrich im Auftrag der Heimwehr ausgearbeiteten Entwurf, da dieser ihrer Ansicht nach eine deut- liche Unterrepräsentanz der landwirtschaftlichen Vertreter im Ständeparlament vorsah (vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenschrift des Landbundes, 14. August 1930, S. 14). 165 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes für Oesterreich, 15. September 1928, S. 2 166 vgl. ebenda, 17. November 1928, S. 2 167 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 12. Dezember 1929, S. 1 168 vgl. Berchtold, Klaus, Verfassungsgeschichte der Republik Österreich, S. 569 f 169 „Die „grüne“ Forderung fand ihren Niederschlag alleine darin, dass die verfassungspolitische Umstruk- turierung nach berufsständischem Prinzip zum Verfassungsauftrag wurde (vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrar- krise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 330). 170 vgl. Höbelt, Lothar, Die Bundespräsidentenwahlen in der 1. und 2. Republik, S. 6 171 vgl. Berchtold, Klaus, Verfassungsgeschichte der Republik Österreich, S. 571 172 Dem Bundespräsidenten kam nunmehr das Notverordnungsrecht zu. Die Verfassungsnovelle stattete ihn ferner mit dem Recht zur Einberufung und Aufl ösung des Nationalrates und der Landtage sowie der Ernennung wie auch Entlassung der Regierung aus. Überdies wurde er zum Oberbefehlshaber des Bundesheeres. 173 Diese Bestimmung der neuen Verfassung fand, da sistiert, über längere Zeit keine Anwendung. Im Jänner 1951 stimmte der Nationalrat schließlich einem Gesetz zu, das die Wahl des Bundespräsidenten durch das Volk beinhaltete. In der Ende Mai 1951 abgehaltenen Stichwahl setzte sich Theodor Körner gegen Heinrich Gleißner durch und wurde damit zum ersten vom Volk gewählten Bundespräsidenten Österreichs. 3. Das „grüne“ Programm und seine Umsetzung | 35

Zweifel. In der Weltwirtschaftskrise wurde bei ihnen deshalb der Ruf nach einer „starken Hand“ laut. Ihrer Überzeugung zufolge war es nur einer solchen möglich, die durch die Krise hervorgeru- fenen Herausforderungen zu bewältigen174. Bundesparteiobmann Winkler, in einer Zeit, in der der Führerkult en vogue war, selbst oftmals als „Führer“ apostrophiert175, sprach davon, das Führer- prinzip anzuerkennen und für eine autoritäre Staatsführung zu sein. Dem fügte er aber hinzu, dass weder diese Staatsführung auf die Mitbestimmung des Volkes noch das Volk auf seine Partizipation verzichten dürfe176. Seinen Ruf nach einer Führerfi gur wollte der Landbund nicht als Forderung nach einer Diktatur ver- standen wissen. Auch Vorarlbergs „grüner“ Nationalratsabgeordneter Peter wandte sich gegen die Diktatur und legte ein Bekenntnis zur „verlästerten, aber doch gewollten Demokratie“ ab177. Mitte 1932 bekräftigte das landbündlerische Parteiorgan mit einem Leitartikel nochmals diese Haltung. Darin wurde der Standpunkt vertreten, „(...) daß uns selbst eine mangelhafte Demokratie lieber ist als gar keine.“178

In weiterer Folge zeigte sich Winkler allerdings bereit, Bundeskanzler Dollfuß auf seinem Weg in eine sogenannte „autoritäre Demokratie“ weit zu folgen179. Im Februar/März 1933 schlug der Bun- desparteiobmann des Landbundes vor, sollte das Parlament nicht in der Lage sein, die zur Belebung der daniederliegenden Wirtschaft notwendigen Maßnahmen zu beschließen, diese auf dem Weg der „autoritären Demokratie“ zu verfügen. Hierfür wollte er auf das in der Verfassung verankerte Notverordnungsrecht zurückgreifen180. Nach der sogenannten „Selbstausschaltung“ des österreichischen Nationalrates vom 4. März 1933 ging man in den Reihen der „Grünen“ zunächst von der Wiedereinführung des Parlamentarismus – wenn auch in modifi zierter Form – aus181. Bis Mitte 1933 war diese Hoffnung weitgehend verfl ogen. Der Beginn des Aufbegehrens Winklers gegen Dollfuß ist ebenfalls in diesen Zeitraum zu datieren. Dem zugrunde lag Winklers Ansicht, der Bundeskanzler habe sich sowohl innen- als auch außen- politisch in zunehmendem Maße der italo- und austrofaschistischen Linie von Mussolini und Star- hemberg verschrieben. Harte Auseinander setzungen im Ministerrat, insbesondere mit den dortigen Heimwehrvertretern Fey und Neustädter-Stürmer , waren die Folge. Im September 1933 verwahrte sich Winkler gegen eine Entwicklung Österreichs, die dieses zu einer „Filiale Roms“ machen würde. Zudem erklärte er Faschismus und Nationalsozialismus zu zwei „deutschen Österreicher(n)“ un- annehmbaren Systemen182. Davon überzeugt, einen „hundertprozentigen Ständestaat“ momentan nicht realisieren zu können, trat der Landbund weiter für eine Modifi zierung des Verfassungssys- tems ein. Zu dessen grundlegender Umgestaltung kam dagegen ein „Nein“183. Bei allen Konzessionen, die Winkler bereit war, für die von ihm präferierte sogenannte „autoritäre Demokratie“ einzugehen, blieb der vom „grünen“ Bundesparteiobmann eingeschlagene Weg letz-

174 vgl. Landpost, 9. Mai 1931, S. 2 175 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 252 176 vgl. Landpost, 30. November 1933, S. 2 177 vgl. ebenda, 30. Jänner 1932, S. 1 178 ebenda, 16. Juli 1932, S. 1 179 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 362 180 vgl. ebenda, S. 249 f 181 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 435 182 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 362 183 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 436 36 | Deutschnationalismus in Vorarlberg ten Endes dennoch ein demokratischer184. Seine Partei folgte Winkler auf diesem Weg. Obwohl von christlichsozialer Seite auf sie eingewirkt wurde, der neuen, unter Vorsitz von Otto Ender ausgear- beiteten autoritär-ständestaatlichen Verfassung zuzustimmen, entschlossen sich die „Grünen“ zu deren Ablehnung185. Dessen ungeachtet wurde die Verfassung vom Rumpfparlament am 30. April 1934 angenommen. Mit deren Proklamation am 1. Mai 1934 war der österreichische Ständestaat christlichsozialer Fasson Realität.

3.5 DIE ANSCHLUSSOPTIONEN

Am 2. November 1918, und damit zehn Tage vor Ausrufung der demokratischen Republik Deutsch- Österreich, trat der Lustenauer Lehrer Ferdinand Riedmann erstmals mit einer Rede für den An- schluss Vorarlbergs an die Schweiz ein. Seine Zuhörerschaft: Vorarlberger Soldaten. Der Ort des Auftritts: Linz. Keine zwei Wochen später, am 13. November 1918, forderte er selbiges erstmalig auf „Ländle“-Boden186. Im Weiteren folgte mit dem „Werbeausschuß für den Anschluß Vorarlbergs an die Schweiz “ der Aufbau einer organisatorischen Struktur187. Die Massenwirksamkeit seiner Agitation manifestierte sich im Abstimmungsergebnis vom 11. Mai 1919: An diesem Tag sprachen sich knapp mehr als 80 % von jenen, die an der Volksbefragung teilgenommen hatten188, für Ver- handlungen über einen Beitritt von Vorarlberg zur Schweizerischen Eidgenossenschaft aus.

Vorarlbergs politische Parteien positionierten sich in dieser Angelegenheit unterschiedlich. Wäh- rend sich die Deutsche Volkspartei kontinuierlich und vehement gegen einen derartigen Anschluss aussprach, zeigten sich die Christlichsozialen in ihrer Haltung zu diesem Thema fl exibel. Sie, die einem Beitritt zur Schweiz anfänglich eher skeptisch gegenübergestanden hatten, wurden im Frühjahr 1919 angesichts einer Anschlussbewegung mit antirevolutionärem Impetus, die überdies große Unterstützung seitens der Bevölkerung erfuhr, in ihrer Mehrheit zu Befürwortern dieser An- schlussvariante189. Die Sozialdemokraten wiederum zeigten sich in dieser Frage vorerst indifferent. Das Wissen um die positive Einstellung vieler190 ihrer Anhänger zum Anschluss an den westlichen Nachbarn mag sie mit dazu bewogen haben, für die Volksabstimmung einzutreten. Eine Wahl- empfehlung gaben sie nicht ab191. Alsbald änderte sich jedoch ihre Haltung. Bis zum Juli 1919 war

184 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 250 185 vgl. Winkler , Franz, Die Diktatur in Oesterreich, S. 119 f 186 Diese Veranstaltung ging in seinem eigenen Kino in Lustenau über die Bühne. 187 vgl. Dreier, Werner; Pichler, Meinrad, Vergebliches Werben, S. 106 – 108 188 Die Zahl der bei der Landtagswahl am 27. April 1919 gültig abgegebenen Stimmen lässt den Schluss zu, dass sich rund 94 % der Abstimmungsberechtigten an der Volksbefragung beteiligten. 189 vgl. Koller, Christian, „... der Wiener Judenstaat, von dem wir uns unter allen Umständen trennen wollen.“, S. 88 190 Dr. Gustav Neubner , ein Angestellter der Anwaltskanzlei von Landeshauptmann Ender , schätzte, dass auf Seiten der Sozialdemokraten drei Viertel einem Anschluss an die Schweiz positiv gegenüberstanden (vgl. Witzig, Daniel, Die Vorarlberger Frage, S. 197). 191 Gewichtige Vertreter der Vorarlberger Sozialdemokratie, so Nationalrat Hermann und Landesrat Preiß , hat- ten sich gegen eine voreilige und klare Festlegung in dieser Angelegenheit ausgesprochen. Ihnen war die Partei schließlich gefolgt. 3. Das „grüne“ Programm und seine Umsetzung | 37 ihr distanziertes Abwarten einer klaren Absage an den Schweiz-Anschluss gewichen. Gleichzeitig häuften sich Bekenntnisse Vorarlberger Sozialdemokraten zu Deutschland192 .

Die unter Vorarlbergs politischen Parteien in den Anfängen klarste und einheitlichste Haltung pro Schweiz nahmen die „Grünen“ ein. Die Lebensmittelzuwendungen aus der Schweiz , die im ersten Nachkriegsjahr mengenmäßig weit über jenen aus Deutschland lagen193, werden für ihre Positio- nierung eine nur untergeordnete Rolle gespielt haben194. Ungleich mehr Bedeutung hierfür kam der nach dem Ende des Ersten Weltkrieges beibehaltenen Zwangsbewirtschaftung zu. Auch wenn sie sich – wie bereits erwähnt – in der Frühphase der Republik nicht generell gegen zwangswirtschaft- liche Maßnahmen aussprachen, so waren es doch mehrfach eben solche, die sie auf die Barrikaden steigen ließen. Dabei reichte schon ein eher geringfügiger Anlass195 aus, die „Grünen“ – wie sie selbst formulierten – in das Horn der Freiheit und Unabhängigkeit blasen sowie die Parole „Los von Bregenz“ ausgeben zu lassen196. Mit der Schweiz verbanden sie die Hoffnung, „(...) selbständiger, freier und unabhängiger schalten und walten (zu) können (...)“, so wie es dem Schweizer Bauern „von jeher“ möglich gewesen sein soll. Auch eine ausgiebigere Vertretung der Bauernschaft in den gesetzgebenden Körperschaften erachteten sie beim westlichen Nachbarn für realisiert197. Darü- ber hinaus galt dem Spitzengremium des UBB das landwirtschaftliche Schulwesen der Schweiz als europaweit unübertroffen198. All dies ließ die „Grünen“ in den Anfängen der Ersten Republik zu „begeisterte(n) Schweizer-Anschlussfreunde(n)“ – so ihre Selbstcharakterisierung – werden199. Daneben wird aber auch die politisch unruhige und wirtschaftlich schwierige Lage Deutschlands , welche die alternative Anschlussoption in einem wenig günstigen Licht erscheinen ließ, ihre Affi ni- tät zum westlichen Nachbarn befeuert haben.

Die größte Begeisterung für den Anschluss an die Schweiz währte im „Ländle“ nicht lange. Bis Ende 1919 hatte sich diese merklich abgekühlt200. Bei den Vorarlberger „Grünen“ vollzog sich diese Entwicklung mit einer zeitlichen Verzögerung von wenigen Monaten. Noch im April 1920 verlieh deren Spitzengremium seiner Affi nität zum Anschluss an die Schweiz ein weiteres – und zugleich letztes – Mal deutlich Ausdruck201. Ob es das vom Vorarlberger Landtag am 26. März 1920 ange-

192 vgl. Dreier, Werner; Pichler, Meinrad, Vergebliches Werben, S. 52 f 193 vgl. Böhler, Ingrid; Schnetzer, Norbert, Hunger in Vorarlberg, S. 157 194 Hierfür gilt es sich die Lebensmittelversorgung der Bauernschaft zu vergegenwärtigen. Zwar war auch ihnen der Mangel an einzelnen Lebensmitteln nicht fremd. Zumindest bei der von ihnen selbst produzierten Produktpalette konnten sie sich aber der Deckung des eigenen Bedarfs sicher sein – ein gegenüber dem Mehr der Nicht-Selbstversorger immenser Vorteil (vgl. ebenda, S. 237). 195 Im konkreten Fall war es eine Neuregelung der Eigenerzeugung von Obstbranntwein – statt der bisherigen elf Liter pro Kopf sollten hinkünftig nur mehr fünf Liter pro Person steuerfrei sein –, die sie auf die Barrikaden steigen ließ. 196 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 23. Jän- ner 1920, S. 2 197 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 16. Mai 1919, S. 2 198 vgl. ebenda, 16. April 1920, S. 2 f 199 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 17. September 1920, S. 2 200 vgl. Dreier, Werner; Pichler, Meinrad, Vergebliches Werben, S. 27 201 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 16. April 1920, S. 3 38 | Deutschnationalismus in Vorarlberg nommene Memorandum an den Völkerbund war, das bei den „Grünen“ den Anschlusswille an die Schweiz nochmals befeuerte, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden – die zeitliche Nähe legt solches aber nahe. Im September 1920 sprach der VUBB von seiner Begeisterung für den Anschluss an den westlichen Nachbarn dagegen bereits in der Vergangenheitsform202. Im Vorfeld der Nationalratswahl 1920 erklärte er, dass seine Kandidaten „(...) in Anschlußfragen das allgemeine Wohl, die wirtschaftli- chen Vor- oder Nachteile zu berücksichtigen wissen (...)“203 – Zeilen, die darauf schließen lassen, dass sie dieses Abwägen dazu bewöge, einen Anschluss an die Schweiz zu befürworten, blieben allerdings aus204.

Am generellen Wunsch der „Grünen“ nach einem Anschluss an ein anderes Staatswesen hatte sich dagegen nichts geändert, ebenso wenig an deren Hauptmotivation dafür. In der Hauptversammlung vom Jänner 1921 bekräftigte der VUBB, einen Anschluss an ein wirtschaftlich potenteres Staats- wesen „sehnlich“ zu erwünschen. Zugleich damit gab er seiner Hoffnung Aus druck, „(...) dort mehr demokratischen, republikanischen Geist zu fi nden, als in unserer Scheinrepublik mit ihren Scheinrepublikanern.“205 Im Laufe des Jahres 1921 wurde offenkundig, dass sich ihre Hoffnungen bezüglich Anschluss auf Deutschland verlagert hatten. Mehrere Faktoren werden zu diesem Wandel beigetragen haben: Die von Staatskanzler Renner am 10. September 1919 unter den Friedensvertrag von Saint-Germain-en- Laye gesetzte Unterschrift ist diesen zuzurechnen. Der Vertrag enthielt detaillierte Bestimmungen zu Österreichs Staatsgrenzen. Bei Vorarlbergs Grenze zur Schweiz legte dieser den Weiterbestand des bisherigen Grenz verlaufes fest. Mit dem Inkrafttreten des Vertrages am 16. Juli 1920 ließ sich die Hoffnung auf einen Anschluss Vorarlbergs an die Schweiz kaum noch aufrechterhalten. Zudem signalisierte die bereits mehrere Monate davor – Anfang 1920 – erfolgte Demission des für die schweizerische Außenpolitik zuständigen Bundesrates Calonder , dass innerhalb der eidgenössi- schen Regierung jene, die eine strikte Neutralitätspolitik verfolgten, die Oberhand behalten hat- ten. Dass sich diese wegen Vorarlberg auf Konfl ikte mit der Entente, Österreich oder Deutschland einlassen würden, war nicht anzunehmen206. Zudem hatten, seit sich Vorarlbergs „Grüne“ im Mai 1919 von jeder Sehnsucht nach einem Anschluss an den nördlichen Nachbarn als „geheilt“ erklärt hatten207, die Verhältnisse in Deutschland eine Stabilisierung erfahren. Die zunehmende Attrakti- vität dieser Anschlussoption wird ihnen den Abschied von ihrer bisherigen Ausrichtung erleichtert haben.

Obwohl der Anschluss an Deutschland aufgrund des in den Verträgen von Saint-Germain-en-Laye enthaltenen Verbots ebenfalls nicht wahrscheinlich war, entwickelte sich in Österreich eine Dy- namik zugunsten dieser Variante: Initiiert vom großdeutschen Abgeordneten Straffner , beschloss der österreichische Nationalrat am 1. Oktober 1920 einstimmig, binnen sechs Monaten eine bun-

202 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 17. September 1920, S. 2 203 ebenda, 15. Oktober 1920, S. 2 204 vgl. ebenda 205 ebenda, 28. Jänner 1921, S. 3 206 vgl. Dreier, Werner; Pichler, Meinrad, Vergebliches Werben, S. 27 207 vgl. Bauernblatt, Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 16. Mai 1919, S. 2 3. Das „grüne“ Programm und seine Umsetzung | 39 desweite Volksabstimmung abzuhalten208. Zu dieser sollte es nicht kommen, sehr wohl aber zu solchen in Tirol und Salzburg. Beide endeten mit überwältigenden Mehrheiten zugunsten eines Anschlusses an Deutschland209 . Diese Anschlusseuphorie wird, bevor sich die Ententemächte unter der Androhung von Sanktionen weitere derartige Abstimmungen verbaten, auch bei den Vorarlber- ger „Grünen“ nicht wirkungslos geblieben sein.

Hatten die „Grünen“ 1919 noch die Schweizer Bauernschaft als vorbildlich und Hoffnung für die Vorarlberger Landwirte dargestellt210, streckten sie nun ihre Fühler in Richtung Norden aus. Im Som- mer 1921 – nur wenige Monate nach einem ersten Kontakt zu einer deutschen Bauernorganisati- on – erfolgte ihr Anschluss an den Deutschen Reichslandbund211. Von der politischen Konkurrenz blieb dieser Schwenk nicht unbemerkt. Vorarlbergs großdeutscher Nationalratsabgeordneter Bösch stellte hierzu im Dezember 1921 fest, der VUBB habe in letzter Zeit „ganz deutlich“ zugunsten eines Anschlusses an den nördlichen Nachbarn Stellung bezogen212. Diese für sie neue Ausrich- tung bekräftigten Vorarlbergs „Grüne“ mit ihrem Beitritt zum „Landbund für Österreich“. Dieser bekundete seine Affi nität zu Deutschland in seiner Gründungsversammlung am 20. Jänner 1922 mit dem Beschluß, dem Deutschen Reichs landbund beizutreten213. Diesen Schritt stellten die „Grünen“ unter dem Motto „Die anderen reden vom Anschluss, wir haben den Anschluss vollzogen“214 als „praktische Anschlussarbeit“215 dar. Ihre Affi nität zu Deutschland schlug sich zudem in den „Politischen Leitsätzen“ nieder. Darin erklär- ten sie den „Zusammenschluß aller deutschen Stämme von Mitteleuropa zu einem einheitlichen Volksstaate“ zu ihrem „unverrückbaren Ziel“216. In einer davon nur geringfügig abweichenden Va- riante wurde diese Position auch in die 1925 beschlossenen „Programmatischen Grundsätze“217 aufgenommen218. Diese hatten bis zum Ende des Landbundes unverändert Bestand.

In den folgenden Jahren wurde die Frage des Anschlusses vor allem von der „grünen“ Bundespartei thematisiert. Sie war es, die im Nationalratswahlkampf 1927 den Anschluss an Deutschland und

208 vgl. Schober, Richard, Vom Kronland zum Bundesland Tirol, S. 165 209 In Tirol sprachen sich bei der am 24. April 1921 abgehaltenen Volksabstimmung 98,8 % der Wahlbeteiligten für einen solchen Anschluss aus. In Salzburg lag die Zustimmung am 29. Mai 1921 bei 99,1 %. 210 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 5. Dezem- ber 1919, S. 1 211 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 2. September 1921, S. 1 212 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 39 / R I – 13: Verhandlungsschrift über die Sitzung der großdeutschen Reichs- parteileitung am 18. Dezember 1921 213 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 3. Februar 1922, S. 3 214 Dieser Ausspruch stammt vom Obmann des „Landbundes für Österreich“, Leopold Stocker (Zangel, Josef, Der Landbund für Österreich, seine Gründung und Entwicklung, S. 22, zit. nach: Haas, Alexander, Die verges- sene Bauernpartei, S. 144). 215 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 3. Februar 1922, S. 3 216 ebenda, 19. März 1922, S. 3 217 In diesen war wiederum der Zusammenschluss aller deutschen Stämme – nunmehr allerdings mit dem Zusatz „im geschlossenen Sprachgebiete“ – zu einem einigen Deutschen Reich als Ziel ausgegeben. Zudem bekundete der Landbund in den „Programmatischen Grundsätzen“ seinen Willen, im Landvolk das „nationale Einheits gefühl“ stärken und für den Schutz deutscher Minderheiten in anderen Staaten eintreten zu wollen. 218 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 15. Mai 1925, S. 1 f 40 | Deutschnationalismus in Vorarlberg die Anpassung an dessen Gesetze forderte219. Auch in den anschließenden Koalitionsverhandlun- gen stellte die Anschlussfrage einen wesentlichen Punkt im Forderungskatalog des Landbundes dar. Seinem Wunsch zufolge sollten Aktivitäten, die geeignet waren, den Weg in Richtung eines Anschlusses an Deutschland zu ebnen, forciert werden. Dabei dachte der Landbund an eine weit- gehende Angleichung in den Bereichen Gesetzgebung und Verwaltung sowie die baldmöglichste Realisation einer Zollunion220. Letzterer Forderung verlieh er auf seinem Bundesparteitag 1931 in Form einer Entschließung nochmals Nachdruck221.

Von Vorarlbergs „grüner” Landesgruppe selbst war zum Thema „Anschluss“ im Laufe der 1920er und frühen 1930er Jahre dagegen nur noch wenig zu vernehmen. Zurückzuführen ist dies auf die veränderten Rahmenbedingungen: Die Rücknahme der zwangswirtschaftlichen Maßnahmen er- folgte im Wesentlichen 1921 und 1922. Dies ermöglichte es Bauern, freier zu wirtschaften. Damit war Vorarlbergs „Grünen“ ihr zentrales Motiv, das sie davor vielfach und vehement nach dem An- schluss an ein anderes Staatswesen hatte rufen lassen, abhanden gekommen. Statements von ihnen, anhand derer auf ihre besondere Affi nität zu Deutschland geschlossen wer- den kann, blieben in der Folge rar. Ein Signal in diese Richtung ging von der auf den 29. Juni 1922 einberufenen Hauptversammlung des Vorarlberger Landbundes aus. In dieser fasste er den Beschluss, dem Österreichisch-Bayerischen Almwirtschaftsverein beizutreten. Zugleich forderte er seine Mitglieder dazu auf, diesem Beispiel zu folgen und sich in größtmöglicher Zahl auch einzeln der grenzüberschreitenden Organisation anzuschließen222. Ansonsten gaben sich Vorarlbergs Land- bündler, obwohl sie von Stocker als „Hand zu den Bundesfreunden in Deutschland “ bezeichnet wor- den sein sollen223, in dieser Angelegenheit zurückhaltend. Auf die Vorhaltung von christlichsozialer Seite, wonach aus den glühenden Schweizanhängern plötzlich Befürworter eines Anschlusses an Preußen geworden seien224, stellten sie lapidar fest, dass sich der Landbund parteiamtlich nie für den Anschluss an den nördlichen Nachbarn ausgesprochen habe. Überdies betonten sie, ihren Mit- gliedern hinsichtlich deren Anschlusspräferenz freie Hand zu lassen225. Auch nennenswerte „Nach- barschaftspfl ege“ betrieben sie nicht. Während sich bei Vorarlbergs Großdeutschen der Anschluss- wille an Deutschland in der maßgeblichen Beteiligung an Hilfswerken zugunsten des nördlichen Nachbarn niederschlug226, einzelne ihrer Ortsgruppen den Kontakt zu Vereinen jenseits der Grenze

219 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich (Landesorganisation Vorarl- berg), 26. Februar 1927, S. 2, sowie: Flugblatt des Landbundes zur Nationalratswahl 1927. Beilage zum Vor- arlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich (Landesorganisation Vorarlberg), 26. März 1927, o.S. 220 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 171 221 vgl. Landpost, 9. Mai 1931, S. 3 222 vgl. Bauernblatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 7. Juli 1922, S. 3 223 vgl. Die Bauernzeitung, 30. Juli 1922, S. 1 224 vgl. ebenda, 9. Juli 1922, S. 1 225 vgl. Bauernblatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 14. Juli 1922, S. 2 226 Zur „Ruhrkinderhilfe“ der Jahre 1923 und 1924, an deren Ende rund 2.000 Kinder aus dem Ruhrgebiet in Vorarlberg geweilt hatten, trugen großdeutsche Teilorganisationen – etwa die „Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Frauenvereine Vorarlbergs“ und der „Deutsche Frauenverein Bregenz “ –, aber auch einzelne groß- deutsche Mitglieder wie Annemarie Heinzle sowie Rudolf Schwarz wesentlich bei (vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 85). Zudem beteiligten sich 26 Frauen des „Deutschen Frauenver- eins Bregenz“ an einer Hilfsaktion zugunsten von Lindauer Kleinrentnern. Initiiert wurde diese von der, zum Zeitpunkt der Aktion von den „Blauen“ mit absoluter Mehrheit regierten Stadt Bregenz (vgl. Die deutsche Frau, 3. Das „grüne“ Programm und seine Umsetzung | 41 pfl egten227 oder ihrer Verbundenheit mit Deutschland in Form einer Anschlusskundgebung Ausdruck verliehen228, fehlte es beim „Ländle“-Landbund an derartigen Aktivitäten.

Nach dem 30. Jänner 1933, der Machtübernahme der NSDAP in Deutschland, sahen die „Grünen“ von dezidierten Forderungen nach einem Anschluss an den großen Nachbarn ab. Wesentlicher Grund hierfür: ihr angespanntes Verhältnis zu den „Braunen“. Zudem ließ der nach der „Selbstaus- schaltung“ des österreichischen Parlaments am 4.März 1933 eingeschlagene autoritäre Kurs den Ruf nach einem derartigen Anschluss zunehmend weniger opportun werden. Seiner grundsätzlichen Affi nität zu Deutschland blieb der Landbund aber aller politischen Ent- wicklungen zum Trotz treu. Zum Ausdruck brachte dies der „grüne“ Bundesparteiobmann Wink- ler anlässlich der im Sommer 1933 erfolgten Konstituierung der Nationalständischen Front. Dabei charakterisierte er die unter Führung seiner Partei geschaffene Organisation als „ausgesprochen deutschfreundliche Bewegung“229. Obwohl Winkler, wie er öffentlich bekundete, einige von Hitlers Entscheidungen „völlig unverständlich“ blieben, forderte er von Bundeskanzler Dollfuß weiter eine „deutsche“ Außenpolitik ein. Gegen Gruppierungen innerhalb der CSP mit deutschfeindlicher Aus- richtung ließ Winkler die Landbund-Presse „vom Leder ziehen“230. Winklers Credo lautete: Die „Grünen“ hätten ungeachtet der Partei, die gerade am Ruder war, zu Deutschland gestanden und würden davon auch wegen der Herrschaft der Nationalsozialisten nicht abrücken. „Von diesem Standpunkt lassen wir kein Jota nach, weil wir uns aus dem deut- schen Kulturkreis nicht entfernen lassen“231. Noch 1934, im Jahr seiner Aufl ösung, wurde selbiges vom Landbund ein weiteres Mal bekräftigt232.

3.6 DER ANTISEMITISMUS

Der Antisemitismus der Zwischenkriegszeit unterschied sich qualitativ kaum von jenem vor dem Ersten Weltkrieg. Zwar gab es gewisse Veränderungen im Nachdruck und eine allgemeine Zunah- me in der Virulenz von Tonart und Skrupellosigkeit – bei der argumentativen Untermauerung des Antisemitismus bediente man sich aber jener Punkte, die schon in der Monarchie benutzt wor-

5. Jhrg. (1924), S. 46). 227 Insbesondere Vorarlbergs großdeutsche Frauenvereine ließ ihre Vorstellung von „praktischer Anschluss- arbeit“ den Kontakt zu Lindauer Frauenvereinigungen suchen. Letztlich soll zwischen diesen ein reger Aus- tausch stattgefunden haben (vgl. Die deutsche Frau, 8. Jhrg. (1927), S. 53 f und 9. Jhrg. (1928), S. 17). 228 Der neunte großdeutsche Bundesparteitag fand vom 8. bis 10. Juni 1928 in Bregenz statt. Dessen Abschluss bildeten eine Bodenseerundfahrt und die auf dem Lindauer Rathausplatz abgehaltene Anschlusskundgebung. An dieser sollen an die 1.000 Österreicher teilgenommen haben (vgl. Wiener Neueste Nachrichten, 12. Juni 1928). Für die GDVP sprach Bundesparteiobmann Dr. August Wotawa. An deutschen Rednern waren die Vor- sitzenden der Deutschnationalen Volkspartei Lindau und Bayern, Schmidt und Hilpert, sowie der Lindauer Oberbürgermeister Siebert von der Bayerischen Volkspartei aufgeboten. Ferner wohnten der Anschlusskund- gebung an deutschen Honoratioren der bayerische Justizminister Gürtner sowie die Abgeordneten Hölscher und Lehmann , alle der Deutschnationalen Volkspartei zugehörig, bei (vgl. Vorarlberger Tagblatt, 11. Juni 1928, S. 1, sowie: Münchner Zeitung, 11. Juni 1928). 229 vgl. Feldmann, Angela, Landbund für Österreich, S. 178 230 vgl. Garscha, Winfried R, Die deutsch-österreichische Arbeitsgemeinschaft, S. 331 231 Landpost, 30. November 1933, S. 1 232 vgl. Landruf, 18. Jänner 1934, S. o.S. 42 | Deutschnationalismus in Vorarlberg den waren233. Eine deutliche Veränderung zur Vorkriegszeit stellte sich dagegen hinsichtlich der Quantität ein: Der Antisemitismus erfuhr eine starke Zunahme234. Im öffentlichen Leben der Ersten Republik waren antisemitische Einstellungen, Äußerungen sowie antisemitisches Verhalten Teil des politischen Alltags235. Vorarlbergs etablierte Parteien stimmten in diesen Kanon ein. Bei den Vorarlberger Christlichsozialen hatte sich der Antisemitismus als offi zieller Bestandteil etabliert236, bei den „Blauen“ zeugt nicht nur interner Briefverkehr, sondern auch zwei Programme, von deren rasseantisemitischer Grundhaltung237. Auch die Sozialdemokratie, die dem Antisemitismus offi ziell ablehnend gegenüberstand und vielfach selbst das Ziel derartiger Angriffe bildete238, war hiervon nicht gefeit. Zwar im Vergleich zu CSP und GDVP deutlich seltener und mit weniger Radikalität vorge tragen, fand das diese Jahre bestimmende antisemitische „Grundrauschen“ auch in „roten“ Meinungsbekundungen ihren Niederschlag239. Der Antisemitismus der Zwischenkriegszeit war im Wesentlichen Ausdruck einer allge meinen ge- sellschaftlichen Krise, die nach „Sündenböcken“, „Entlastungsmechanismen“ und „Blitzableitern“ verlangte240. In Zeiten besonders einschneidender Krisen hatte der Antisemitismus daher Hochkon- junktur. Eine erste solche Phase war jene zu Beginn der Ersten Republik, als, vor dem Hintergrund tiefer Verunsicherung infolge des verlorenen Krieges, die Menschen hungerten oder zumindest von Hunger bedroht wurden und mit Mangelwirtschaft sowie Infl ation zu kämpfen hatten241. Vor diesem Hintergrund mutet es umso bemerkenswerter an, dass sich der UBB in dieser antisemi- tischen Hochphase weitgehend derartiger Ausfälle enthielt. Weder in seinem Programm vom April 1919242 noch in der im März 1920 der Öffentlichkeit präsentierten überarbeiteten Fassung243 fi nden sich antisemitische Äußerungen expliziter Art. Selbst als die „Grünen“ auf den Schutz vor und die Abwehr von „großkapitalistischen Bestrebungen“ zu sprechen kamen, sahen sie davon ab, vom Stereotyp des großkapitalistischen Juden Gebrauch zu machen244. Aus den ersten drei Jahren ihres Bestehens sind von Vorarlbergs „Grünen“ kaum antisemitische Äußerungen überliefert, Begriffe wie „Geldjuden“ oder „jüdische Geldsäckel“245 in deren Parteiorgan nur selten anzutreffen.

233 vgl. Pulzer, Peter G. J., Die Entstehung des politischen Antisemitismus in Deutschland und Österreich 1867 bis 1914, S. 305 234 vgl. Bunzl, John, Zur Geschichte des Antisemitismus in Österreich, S. 40 235 vgl. Dreier, Werner, „Rücksichtslos und mit aller Kraft“, S. 174 236 vgl. ebenda, S. 142 237 vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 27 – 29 238 Da es im Österreich der Zwischenkriegszeit praktisch an einer überkonfessionellen bürgerlichen Partei mangelte, stieg der jüdische Anteil an sozialdemokratischen Mitgliedern und Wählern beträchtlich an. Schät- zungen zufolge sollen 75 % der Juden Wiens für die „Roten“ und lediglich 25 % für die bürgerlichen Parteien votiert haben. Dieser Umstand sowie der relativ hohe Anteil sozialdemokratischer Führer jüdischer Herkunft wurden von der antisemitischen Reaktion weidlich ausgeschlachtet (vgl. Bunzl, John, Zur Geschichte des An- tisemitismus in Österreich, S. 54). 239 vgl. Dreier, Werner, „Rücksichtslos und mit aller Kraft“, S. 165 und: Bunzl, John, Zur Geschichte des Anti- semitismus in Österreich, S. 55 240 vgl. Bunzl, John, Zur Geschichte des Antisemitismus in Österreich, S. 43 241 vgl. Dreier, Werner, „Rücksichtslos und mit aller Kraft“, S. 165 f 242 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 25. April 1919, S. 5 243 vgl. ebenda, 12. März 1920, S. 3 f 244 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 15. Oktober 1920, S. 2 245 vgl. ebenda, 25. Februar 1921, S. 2 3. Das „grüne“ Programm und seine Umsetzung | 43

Mehrere Faktoren werden die „Grünen“ zu dieser Zurückhaltung bewogen haben, unter ihnen die Absicht, sich als seriöse Wirtschaftspartei zu positionieren. Hierfür betonten sie mehrfach, im Ge- gensatz zur Konkurrenz keine „Hetzpartei“ zu sein, stattdessen jede „Anrempelung“ zu verurteilen und ruhig und ernst agieren zu wollen246. Des Weiteren gilt es in diesem Zusammenhang zu be- denken, dass Vorarlbergs „Grüne“ in den ersten zirka zwei Jahren ihres Bestehens den Sozialde- mokraten durchaus aufgeschlossen gegenüberstanden. Im Februar 1921 erklärten sie den Kampf gegen die Sozialdemokratie zu einer Angelegenheit für politische Parteifanatiker, an dem sie sich nicht beteiligen wollten247. Zwei Monate später gründeten sie gar gemeinsam mit den Sozialde- mokraten ein Genossenschaftswarenhaus für Bauern und Arbeiter248. Die Versuchung, dem von Christlichsozialen und Großdeutschen vielfach vor exerzierten Versuch, den Sozialdemokraten mit antisemitischen Angriffen beizukommen, war für Vorarlbergs Unabhängige Bauernschaft daher nur gering. Letztlich sei auf die kleine Zahl in Vorarlberg lebender Juden verwiesen249. „Schwarze“ und „Blaue“ hielt dies nicht davon ab, sich – besonders ausgeprägt vor der Nationalratswahl 1920 – im Wetteifern um den überzeugenderen Antisemitismus zu ergehen250. Dem Landbund erschien dieser Umstand dagegen bedenkenswert. So wies er in Reaktion auf eine von antisemitischen Versatzstücken nicht freie Rede des christlichsozialen Nationalrates Jutz darauf hin, dass es in den „Alpenländern“ gar keine Juden gebe251.

Die Vorarlberger „Grünen“ hielten sich mit antisemitischen Äußerungen selbst zwar zurück. Mit ihrem – letztlich erfolgreichen – Bemühen um einen Beitritt zum Deutschen Reichslandbund zeig- ten sie aber auch, keine Berührungsängste zu Organisationen mit ausgeprägtem Antisemitismus zu haben252. Nur wenige Monate später fand selbst die Zeit, in welcher der VUBB programmatisch unter antisemitismusfreier Flagge gesegelt war, ein Ende. Mit ihrem Anfang 1922 erfolgten Beitritt

246 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 18. April 1919, S. 1; Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 24. September 1920, S. 1 und 8. Oktober 1920, S. 1 247 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 25. Februar 1921, S. 2 248 vgl. ebenda, 15. April 1921, S. 5 249 Seit Beginn des 20. Jahrhunderts stellten Personen mit mosaischem Glauben in Vorarlberg eine ver- schwindend kleine Minderheit dar. Der jüdischen Gemeinde Hohenems , die in den 1860er Jahren noch rund 500 Personen stark gewesen war (vgl. Dreier, Werner, Antisemitismus in Vorarlberg, S. 184), gehörten 1900 nur mehr 91 Mitglieder an. Bis 1910 war deren Zahl auf 66 gesunken (vgl. Dreier, Werner, „Rücksichtslos und mit aller Kraft“, S. 137). 1931 umfasste die Gemeinde noch sieben Haushalte (vgl. StA Hohenems, Schach- tel Judengemeinde, zit. nach: Welte, Thomas, Die Hohenemser Judengemeinde im 20. Jahrhundert (1896 – 1954), S. 84). Laut der 1934 erfolgten Volkszählung waren im „Ländle“ 42 Personen jüdischen Glaubens ansässig. Dies entsprach einem Anteil von 0,03 % an der Wohnbevölkerung Vorarlbergs (vgl. Die Ergebnisse der österreichischen Volkszählung vom 22. März 1934, S. 45). 250 vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 277 – 279 251 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 4. Juli 1919, S. 2 252 Ausgeprägter Antisemitismus fi ndet sich sowohl beim Reichslandbund selbst (vgl. Bauer, Kurt, National- sozialismus, S. 147) als auch bei der mit ihm aufs Engste verbundenen Deutschnationalen Volkspartei. Letztere bekannte sich mit dem 1920 verabschiedeten und bis 1932 gültigen Grundsatzprogramm unverblümt zu ihrer völkisch-antisemitischen Grundhaltung. In diesem Programm propagierte sie den Kampf gegen „jeden zerset- zenden, undeutschen Geist“, wie er aus ihrer Sicht auch von jüdischer Seite ausging. Ferner wandte sich die Deutschnationale Volkspartei darin „(...) gegen die seit der Revolution immer verhängnisvoller hervortretende Vorherrschaft des Judentums in Regierung und Öffentlichkeit“ (Hofmann, Robert, Geschichte der deutschen Parteien, S. 172) und sprach sich für einen Stopp des Zuzugs von „Fremdstämmigen“ aus (vgl. ebenda). 44 | Deutschnationalismus in Vorarlberg zum „Landbund für Österreich“ erhielten die Vorarlberger „Grünen“ ein neues, deklariert antisemiti- sches Programm. In den „Politischen Leitsätzen“ wurde die „jüdische Rasse“ als „volkszersetzendes Element“ bezeichnet, deren – angeblich – bereits vorhandenen „übermächtigen Einfl uss“ auf das öffentliche, wirtschaftliche und kultu relle Leben es ebenso zu bekämpfen gelte wie deren Versuch, zur Weltherrschaft zu gelangen253. In die gleiche Kerbe schlugen die Landbündler mit den 1925 beschlossenen und bis zu ihrem Abgesang gültigen „Programmatischen Grundsätzen“. Laut diesen gedachten sie den „schädlichen Einfl uss des Judentums“ durch „gesetzliche und wirtschaftliche Abwehrmaßnahmen“ einzuschränken254. Der deklarierte Antisemitismus des Landbundes spiegelt in seinen Forderungen vorwiegend die Angst vor einer Gefährdung des Besitzstandes seiner we- sentlichsten Klientel, der selbständigen Bauern, wider255. Demgemäß trat er dem „judenliberalen Schlagwort: jedem das Gleiche“ mit dem Grundsatz von „Jedem das Seine“ entgegen und verband damit die Forderung nach einer besonderen Förderung der Bauernschaft256.

Der Landbund verfügte mit den „Politischen Leitsätzen“ und „Programmatischen Grundsätzen“ über Grundsatzpapiere mit antisemitischer Ausrichtung. Zudem enthielten die Satzungen des 1927 neugegründeten Vorarlberger Landbundes den Arierparagraphen257. In seinem alltäglichen Politi- sieren nahm der Antisemitismus dennoch nur wenig Platz ein. Zwar war die für Vorarlbergs „Grü- ne“ bestimmte Wochenzeitung nicht frei von antisemitischen Ressentiments – Artikel mit grob antisemitischen Ausfällen bildeten jedoch die Ausnahme258. Selbst als der Antisemitismus infolge der 1929 einsetzenden Weltwirtschaftskrise eine neue Konjunktur erlebte, wurde diesem in Vor- arlbergs „grüner“ Presse nur wenig Platz eingeräumt. Gänzlich unbeeinfl usst von dieser Stimmung blieb allerdings auch der Landbund nicht. Seine Ausführungen zum Genossenschaftswesen zeigen das. An seiner grundsätzlich positiven Einstellung hierzu änderte sich zwar nichts. Auch in früheren Jahren waren ihm die Genossenschaften willkommen gewesen, um die – wie er meinte – aufgrund ihrer schwachen, unselbständigen Organisation vielfach von Geschäftsleuten übervorteile Bauern-

253 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 19. März 1922, S. 3 254 vgl. Wandruszka, Adam, Das „nationale Lager“, S. 293 f 255 Im Nationalratswahlkampf 1923 fand diese Einstellung Ausdruck in dessen Forderung nach einer „gesun- den Bodenpolitik“ und „wirtschaftliche(n) Kräftigung“ der Bauernschaft und des Landvolkes. Damit verbunden war die Hoffnung auf den Verbleib „deutsche(r) Heimaterde in deutschen Händen“ (vgl. Bauern-Blatt. Wochen- schrift des Vorarlberger Landbundes, 19. Oktober 1923, S. 1). 256 vgl. Burkert, Günther R., Der Landbund für Österreich, S. 214 257 Laut Satzungen des Vorarlberger Landbundes war die Mitgliedschaft u.a. unbescholtenen Personen „deut- scharischer Volkszugehörigkeit“ vorbehalten (vgl. VLA, BH Feldkirch, Schachtel 695, Untermappe: Vereine 1927). Der Arierparagraph ging dabei ins 19. Jahrhundert zurück. Seit den 1880er Jahren fand dieser Ein- gang in Vereinsstatuten, zuerst bei völkischen Turnvereinen und Studentenverbindungen. Im Laufe der Ersten Republik kam es zu dessen weiteren Verbreitung. Letztlich schien der Arierparagraph österreichweit in den Satzungen von mehr als 1.000 Vereinen auf (vgl. Rütgen, Herbert, Antisemitismus in allen Lagern, S. 376 – 395 und Erzherz, Karl; Schmied, H., Das völkische Verbands- und Vereinsleben, S. 353). 258 Eine solche Ausnahme stellt ein 1925 erschienener Artikel dar. Diesem zufolge handelt es sich bei den jüdischen „Rasseeigenschaften“ um „zersetzendes Gift im deutschen Volkskörper“, wodurch der Jude „(...) die Gesundheit des Volkes durch seine in ihm seit Jahrhunderten latent liegenden orientalischen Geschlechts- krankheiten (...)“ (Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes und Vereinigten Bau- ern- und Landvolk-Partei, 7. August 1925, S. 2) zerstöre. Die wüsten Ausfälle enden mit einem Plädoyer für die Ausweisung von Ostjuden, den Boykott jüdischer Geschäfte und den Verzicht auf Aufnahme von „(...) halbnackten krummbeinigen Juden und bladen plattfüßigen Jüdinnen trotz verlockender Zahlungen in die Sommerfrische (...)“ (ebenda). 3. Das „grüne“ Programm und seine Umsetzung | 45 schaft vom Joch und der Sklaverei durch das Großkapital zu retten259. Mag er damit auch unter- schwellig antisemitische Ressentiments bedient haben – ein expliziter Angriff auf die Juden blieb zu diesem Zeitpunkt aus. Nicht so 1932: Eingeleitet von der Behauptung, die tiefe Abneigung der bodenständigen, arischen Bevölkerung gegen alles Jüdische sei angeboren, wollte der Landbund in der genossenschaftlichen Arbeit nunmehr einen „Antisemitismus der Tat“ erkennen260. Neben der antisemitischen Grundstimmung jener Zeit ist diese Äußerung der Landbündler auch auf ihre dama- lige Lage zurückzuführen: Die „Grünen“ waren – offenbart von den Ergebnissen der im April 1932 abgehaltenen Landtagswahlen in Niederösterreich und Salzburg – von den Nationalsozialisten mit ihrem radikalen Auftreten und Antisemitismus in die Defensive gedrängt. Derartige Ausführungen sind folglich auch als Versuch zu werten, den „Braunen“ in ihrer Domäne zumindest ein wenig Paroli zu bieten. Dafür spricht auch, dass der Landbund im gleichen Artikel die von den Nationalso- zialisten propagierten Sondergesetze gegen die jüdische Bevölkerung als „völlig undurchführbar“ abtat261. Ansonsten blieben antisemitische Äußerungen in Vorarlbergs „grünem“ Presseorgan – gleich wie in all den Jahren davor – selten. Ausführungen der Sozialwissenschaftlerin Lucie Varga262 lassen das verständlich werden: Ihr zufolge sollen die Montafoner Bauern zwar vom Antiklerikalismus263 besessen gewesen sein. Antisemitismus nahm sie bei ihnen dagegen keinen wahr264.

259 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 25. Februar 1921, S. 2 und 18. März 1921, S. 1 260 vgl. Landpost, 16. Juli 1932, S. 2 261 vgl. ebenda, 16. Juli 1932, S. 2 262 Varga hielt sich in den 1930er Jahren eine Zeit lang im Montafon auf und verfasste darüber eine Studie. 263 Varga versteht Antiklerikalismus in diesem Zusammenhang nicht als religiöse Kontroverse, sondern als soziale und politische Polemik. 264 vgl. Varga, Lucie, Ein Tal in Vorarlberg, S. 165

4. DIE ORGANISATION

Im diesem Kapitel sind die organisatorischen Strukturen sowie deren Entwicklung über die Jahre hinweg Gegenstand der Betrachtung. Dabei wird deutlich: Zwischen den Zielen, die die „Grünen“ selbst ausgaben, und dem tatsächlich Realisierten klaffte öfters eine Lücke. Gewisse Vorhaben gelang es ihnen nicht umgehend, andere gleich gar nicht umzusetzen. Mehrere Faktoren spielten hierfür eine Rolle, unter ihnen – wie in der Folge dargestellt – Wahlergebnisse, Finanzen und die politische Konkurrenz.

4.1 DIE LANDESORGANISATION

4.1.1 DIE ENTWICKLUNG AUF LANDESEBENE

4.1.1.1 Steter Wandel Seinen Ausgang nahm der UBB von Ludesch. In den ersten Monaten 1919 dehnte er seine Tätigkeit auf den Bezirk Bludenz, hier schwerpunktmäßig auf das Montafon, aus. Schon in dieser Frühphase schufen sich die „Grünen“ eine über die einzelne Gemeinde hinausgehende Struktur. Dieses Gre- mium fi rmierte unter der Bezeichnung „Bundesleitung“265. Zu einer Expansion des UBB über den Bezirk Bludenz hinaus kam es vorerst nicht. Der „Bregenzerwälder Bauernbund“, ebenfalls zu dieser Zeit entstanden266, sowie eine Bauernvereinigung im Bezirk Feldkirch267 werden maßgeblich dazu beigetragen haben, solches zu verhindern. Im Herbst 1919 stellte sich beim UBB Hoffnung auf eine weitere territoriale Ausbreitung ein. Im Zuge einer Delegiertenversammlung kündigte einer der Anwesenden an, im Rheintal einen Bauern- bund nach dem Vorbild der Oberländer Bauernorganisation gründen zu wollen. Als wahrscheinlicher Tag für die konstituierende Sitzung wurde der 19. Oktober 1919 gehandelt268. Die Ankündigung blieb allerdings über Monate hinweg folgenlos. Erst Ende April 1920 berichtete die „Landes-Zeitung“ von der Existenz eines zweiten Unabhängigen Bauernbundes im Rheindelta269 . Im Oberland verlieh man hierauf der Überzeugung Ausdruck, dass es zwischen den beiden Bauernorganisationen alsbald zum Zusammenschluss kommen werde270. Eine zwei Wochen später veröffentlichte Klarstellung von Adolf Sinz, seines Zeichens Obmann des Bauernbundes „Rheindelta“, machte diese Erwartung zunichte. Darin wies er darauf hin, dass sich „seine“ Organisation bereits drei Monate davor, mit

265 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 18. April 1919, S. 2 266 Die Bewilligung seiner Bildung erhielt der „Bregenzerwälder Bauernbund“ von Behördenseite am 23. Mai 1919 (vgl. VLA, Vorarlberger Landesregierung, Abt. II (1921), Zl.: 204/9). 267 Die Bildung der „Vereinigung der Landwirte des Bezirks Feldkirch “ wurde von der Behörde am 6. Juni 1919 nicht untersagt (vgl. VLA, Vorarlberger Landesregierung, Abt. II (1919), Zl.: 1.626/2). 268 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 17. Okto- ber 1919, S. 1 269 vgl. Vorarlberger Landes-Zeitung, 28. April 1920, S. 3 270 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 7. Mai 1920, S. 2 48 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Beschluss der Generalversammlung vom 22. Februar 1920, dem Vorarlberger Bauernbund ange- schlossen habe271. Die Expansion des UBB Richtung Norden des Landes erfolgte demzufolge nicht über den Zu- sammenschluss zweier gleichrangiger Organisationen. Stattdessen beförderte die Wahr nehmung der „Grünen“, wonach sich bereits eine „beträchtliche Anzahl“ von Ortsgruppen im Bezirk Feldkirch und „viele Bauern“ aus dem Bezirk Bregenz ihnen angeschlossen hätten, deren Wille zu territorialer Ausdehnung. Am 6. Juni 1920 fassten sie einen dahin gehenden Beschluss. Zugleich damit ging deren Namensänderung einher. Der neue Titel des UBB: „Vorarlberger Unabhängiger Bauernbund“, kurz VUBB.272

Ebenfalls im Juni 1920 kam es auf Bundesebene zum Bruch der Koalition zwischen Sozialdemo- kraten und Christlichsozialen. Die Regierung Renner trat hierauf zurück. Animiert von der Aus- sicht auf Neuwahlen unternahm der „Steirische Bauernbund“ abermals den Versuch, die auf- gesplitterte nationale Bauernschaft der Bundesländer in einer bundesweiten Bauernpartei zu vereinen.273 Die Verhandlungen erwiesen sich als schwierig und gipfelten zum Teil in stürmischen Auseinandersetzungen,274 waren letztlich aber erfolgreich. Am 26. Juni 1920 schritt man zur Grün- dung der Deutschösterreichischen Bauernpartei275. Auch Vorarlbergs „Grüne“ hatten eine Einladun- gen für die konstituierende Versammlung erhalten – und sie sogleich angenommen. Damit gehörte der VUBB, nur wenige Tage nachdem aus der Taufe gehoben, einer bundesländerübergreifenden Bauernvereinigung an276.

Mit der Entscheidung der Unabhängigen Bauernbündler, organisatorisch in ganz Vorarlberg aktiv sein zu wollen, avancierte der Bürser Gemeindevorsteher Ferdinand Thaler, der bis dahin den UBB geführt hatte277, zum ersten – allerdings nicht aus einer Wahl hervorgegangenen – Obmann des VUBB. Am 23. Jänner 1921 legte er dieses Amt zurück. Arbeitsüberbürdung und die Rücksicht- nahme auf seine Gesundheit sollen ihn zu diesem Schritt bewogen haben. Thaler hinterließ die Organisation in geordnetem Zustand. Obwohl die Herausgabe einer parteieigenen Zeitung den Unabhängigen Bauernbündlern beträchtliche Kosten verursachte, konnte den Delegierten auf der Jahreshauptversammlung von einem „ansehnlichen“ Kassenüberschuss berichtet werden. Zum Nachfolger Thalers wurde Christian Stooß, Gemeindevorsteher von Nenzing, gewählt278. Stooß stand Vorarlbergs „grüner“ Landespartei bis 1927 vor279. Etwas mehr als zwei Monate nach seinem

271 vgl. Vorarlberger Bauernzeitung, 22. Mai 1920, S. 3 272 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 11. Juni 1920, S. 1 273 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 136f 274 vgl. Preisinger, Susanne, 1886 – 1945, S. 22 275 vgl. Bauer, Kurt, „Heil Deutschösterreich!“, S. 273 276 Neben Vorarlberg waren in der Deutschösterreichischen Bauernpartei auch Bauernbünde aus der Steier- mark , Kärnten und Niederösterreich vertreten (vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 132, 136 – 139 und 349). 277 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 20. Feb- ruar 1920, S. 3 278 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 28. Jänner 1921, S. 3 279 vgl. ebenda, 28. Jänner 1921, S. 3; Bauernblatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 7. Juli 1922, S. 3 und 2. Februar 1923, S. 3; Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 1. Feb- ruar 1924, S. 2; Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich (Landesorganisation 4. Die Organisation | 49

Amtsantritt beschlossen Vorarlbergs „Grüne“ die Errichtung eines Warenhauses. Dieses sollte mit einer großen Genossenschaft in Verbindung stehen. Davon versprachen sie sich möglichst günstige Preise für die eigenen Landwirte280. Die Einschätzung, Bauern wären in der Vergangenheit mehrfach von Geschäftsleuten übervorteilt und ausgenützt worden, hatte sie zu dieser – wie die Entwicklung späterer Jahre zeigte, schwerwiegenden – Entscheidung bewogen.281

Vorerst zeitigte dieser Beschluss noch keine negativen Folgen, war der VUBB anderweitig enga- giert. In den ersten Monaten 1921 suchte er den Kontakt zum bayerischen „Bund der Landwirte“282. Am 10. Juli 1921 wurden Vorarlbergs „Grünen“-Delegierte davon in Kenntnis gesetzt, dass sich die deutsche Bundesleitung bereit erklärte habe, den VUBB in ihre Vereini gung aufzunehmen283. An- fang September 1921 war der Anschluss an den Deutschen Reichslandbund284, der im selben Jahr aus der Fusion des „Bundes der Landwirte“ mit dem „Deutschen Landbund“ hervorgegangen war und in enger Verbindung zur Deutschnationalen Volkspartei stand285, bereits vollzogen.286

Dieser Anschluss und ein erster Bauerntag287 stehen am Beginn eines organisatorischen Auf- schwungs der „Grünen“ in der zweiten Jahreshälfte 1921288. Auch eine Werbewoche vom 27. November bis 4. Dezember 1921 beförderte diese Entwicklung. Innerhalb dieser einen Woche brachte es der VUBB mit Unterstützung von österreichischen Nationalratsabgeordneten289 sowie den beiden Hauptgeschäftsführern des Deutschen Reichslandbundes in Nürnberg und München ,

Vorarlberg), 12. Februar 1927, S. 5; VLA, Vorarlberger Landesregierung, Abt. I a (1927), Zl.: 864 und VLBi, Biographisches Archiv, Karte „Stooß “ 280 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 8. April 1921, S. 1 281 vgl. ebenda, 18. März 1921, S. 1 282 Vorarlbergs Unabhängige Bauernbündler selbst sprachen davon, mit einem „Bund deutscher Bauern“ ver- handelt zu haben (vgl. ebenda, 15. Juli 1921, S. 2). Eine Organisation diesen Namens scheint in der Literatur allerdings nicht auf (vgl. Schlögl, Alois (Hg.), Bayerische Agrargeschichte, S. 566 – 571; Spindler, Max (Hg.), Handbuch der Bayerischen Geschichte, Bd. 4, S. 312 – 316 und Fenske, Hans, Deutsche Parteiengeschichte). 283 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 15. Juli 1921, S. 2 284 Bei diesem handelte es sich um die größte deutsche Bauernorganisation. Im Herbst 1921 hatte der Reichs- landbund bereits mehr als eine Million Beitrag zahlender Mitglieder (vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 143). Dem Reichslandbund war ein eigener Genossenschaftsverband angegliedert, dem 717 Genossenschaften angehörten. Auch eine genossenschaftliche Zentralkassa war ihm angeschlossen, die 336 Kassen umfasste. Des Weiteren verfügte der Reichslandbund über eine eigene Verkaufsstelle, die Umsätze in Milliardenhöhe erwirtschaftete. Nicht zuletzt stand er in enger Verbindung zur „Bank für Landwirtschaft A.G.“. Deren Aktien befanden sich zum größten Teil im Besitz der Unternehmungen und Mitglieder des Reichs- landbundes (vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 30. September 1921, S. 1). 285 vgl. Fenske, Hans, Deutsche Parteiengeschichte, S. 164 286 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 2. September 1921, S. 1 287 Seinen ersten Bauerntag beging der VUBB mit zwei – wie es hieß „mächtige(n), eindrucksvolle(n)“ – Ver- sammlungen am 24. Juli 1921. Austragungsort der Veranstaltungen waren die Bludenzer „Fohrenburghal- le“ und der Saal des Gasthauses „Löwen“ in Rankweil (vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhän gigen Bauernbundes, 29. Juli 1921, S. 1). 288 vgl. ebenda, 28. Dezember 1921, S. 1 289 Angekündigt waren Auftritte von Nationalrat Schönbauer und Lanner . Letzterer war Obmann der deutsch- österreichischen Bauernpartei. Dr. Schönbauer stand der Unabhängigen Bauernschaft in Niederösterreich vor. 50 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Abb. 1: Einladung zum ersten Bauerntag (Bauernblatt, 22. Juli 1921, S. 1)

Brügel und Fürholzer290 , auf 30 Versammlungen.291 Derart gelang es den Vorarlberger „Grünen“, ihre rückläufi ge Mitgliederentwicklung der ersten sieben Monate 1921, die sie rund ein Fünftel ihrer Anhängerschaft gekostet hatte, mehr als zu kompensieren. Glaubt man den von der parteieigenen Presse kolportierten Zahlen – Vorsicht ist dabei angebracht292 –, hatte der VUBB binnen der letzten

290 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 18. November 1921, S. 1 291 vgl. ebenda, 28. Dezember 1921, S. 2 292 Gegenüber den von Vorarlbergs Unabhängigen Bauernbündlern selbst veröffentlichten Zahlen ist Skepsis angebracht. Um die eigene Gruppierung als möglichst stark oder sich gerade im Aufwind befi ndlich zu präsen- tieren, werden die verschiedenen Parteien des Öfteren der Versuchung erlegen sein, mit geschönten Zahlen zu operieren. Bei den von Vorarlbergs „Grünen“ in diesem Fall vorgelegten Zahlen kann gesagt werden, dass diese zumindest ungenau sind. Ende Dezember 1921 vermeldete das „Bauernblatt“ für die vergangenen fünf Monate einen Mitgliederzuwachs von „beinahe 1000“. Im Februar 1922 wusste die „grüne“ Parteizeitung für denselben Zeitraum von einer Steigerung um 1.373 Mitglieder zu berichten. 4. Die Organisation | 51 fünf Monate 1921 einen 85%-igen Mitgliederzuwachs zu verzeichnen. Ihm, Anfang August 1921 eine Organisation mit 1.600 Mitgliedern, sollen Ende desselben Jahres 2.973 angehört haben293.

Im Herbst 1921 scheiterte im „Ländle“ ein sich über viele Monate hinziehender Versuch der Annä- herung des VUBB an die christlichsoziale Bauernorganisation294. Zur gleichen Zeit entwickelte sich für Vorarlbergs „Grüne“ im Osten eine alternative Möglichkeit zur Kooperation. Die vom Steirer Leopold Stocker 1920 gegründete Deutschösterreichische Bauernpartei, von ihm mit dem Ziel aus der Taufe gehoben, die gesamte deutschnationale Bauernschaft Österreichs zu ei- nigen, hatte sich zwar alsbald als Misserfolg entpuppt. Mit dem von Stocker schon länger gepfl eg- ten Kontakt zum Deutschen Reichslandbund295 taten sich in dieser Hinsicht aber neue Perspektiven auf. Die von der deutschen Großorganisation signalisierte Bereitschaft, Österreichs Unabhängige Bauernbündler aufzunehmen, ließ Zweitere handeln. Am 21. September 1921 fassten sie den Be- schluss, dem Deutschen Reichslandbund beitreten zu wollen296. Um diesen Beitritt in einem Schritt vollziehen zu können, strebte man die neuerliche Zusammenfassung Österreichs „Grüner“ in einer gemeinsamen Bauernpartei an. Deren Gründung erfolgte am 20. Jänner 1922 in Leoben . Ihr Name: „Landbund für Österreich“. Zum ersten Vorsitzenden wurde Leopold Stocker gewählt. Dem Land- bund gehörten sogleich sieben körperschaftliche Mitglieder297 an – unter ihnen der VUBB. Noch in der ersten Sitzung beschloss der Landbund, sich dem Deutschen Reichslandbund anzuschlie- ßen.298 Der Beitritt zum Deutschen Reichslandbund wird bei den Vorarlberger „Grünen“, da durch Eigeninitiative davor bereits vollzogen, keine Diskussionen ausgelöst haben. Die Statu- ten Vorarlbergs „Grüner“ blieben von den am 20. Jänner 1922 getroffenen Entscheidungen weitestgehend unberührt. Alleine der Name sollte sich ändern, von „Vorarlberger Unabhän- giger Bauernbund“ auf „Vorarlberger Landbund“. An dieser Änderung entzündete sich auf der Landesdelegiertenversammlung am 12. Februar 1922 allerdings eine „lebhafte Debatte“. Letztlich nahmen die fünf Vorstandsmitglieder und 31 Delegierten den von Peter Ender eingebrach- ten Antrag auf Namensänderung jedoch einstimmig an299. Nachdem es den „Grünen“ gelungen war,

293 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 28. Dezember 1921, S. 1 und 10. Februar 1922, S. 2 294 vgl. Hämmerle, Elisabeth, Die Tages- und Wochenzeitungen Vorarlbergs in ihrer Entwicklung vom Ende der Monarchie bis 1967, S. 136 295 Nachdem Stocker schon davor Kontakte zum Deutschen Reichslandbund unterhalten hatte, reiste er im Juli 1921 zu einer ersten Besprechung nach Berlin. Diese nahm einen sehr günstigen Verlauf und ebnete so den Weg für weitere Verhandlungen (vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – B: Die Entwicklung der nationalen Bauern bewegung in Österreich (nach einer Darstellung Leopold Stockers). 296 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 143 297 Neben dem VUBB waren dies die Bauernbünde der Steiermark und Kärntens, der Niederösterreichische wie auch Oberösterreichische Landbund, der Salzburger Lungauer Landbund sowie der Burgenländer Bauernbund (vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 3. Februar 1922, S. 3). In weiterer Folge schloss sich auch der „Bund deutsch-österreichischer Bauern“ an. Bei diesem handelte es sich um eine von Oberösterreich ausgegangene Gründung innerhalb der GDVP (vgl. Burkert, Günther R., Der Landbund für Österreich, S. 209). 298 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 3. Februar 1922, S. 3 299 vgl. VLA, Vorarlberger Landesregierung, Abt. I a (1927), Zl.: 864 52 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Einwände von Behördenseite auszuräumen300, erlangte der Name „Vorarlberger Landbund“ am 20. April 1922 Rechtsgültigkeit.301

4.1.1.2 Die Wahlen 1923 und ihre Folgen Der Vorarlberg Landbund trat, nachdem er weder dem „Verband der Großdeutschen und des Landbundes“302 beigetreten war noch sich mit den „Blauen“ auf eine Wahlgemeinschaft einigen hatte können, bei den Nationalrats- und Landtagswahlen am 21. Oktober 1923 als Einzelpartei an. Der Wahltag brachte ihm große Ernüchterung. Von der Hausbesitzerorganisation unterstützt ange- treten, erhielt er 8,50 % der bei der Nationalratswahl im „Ländle“ gültig abgegebenen Stimmen303. Bei der Wahl zum Landtag war dieser Wert mit 8,91 %304 nur geringfügig höher. Im Vergleich zum letzten Urnengang – jenem zum Nationalrat im Jahr 1920305 – bedeutete dies an sich moderate Verluste in der Höhe von 0,73 % bzw. 0,32 %. Alleine: Die Er wartungen vor den Wahlen waren ungleich höhere gewesen. Beim Landbund war man davon ausgegangen, als drittstärkste Kraft aus den Wahlen hervorzugehen306. Obwohl die GDVP schwere Verluste hinzunehmen hatten, gelang es Vorarlbergs Landbündlern nicht, diese zu überfl ügeln. Hinter Christlichsozialen, Sozialdemokraten und Großdeutschen blieben die „Grü nen“ die viertstärkste Partei im „Ländle“. Zudem machte sich in Gemeinden, die einst zu Hochburgen des Landbundes gezählt hatten, eine Wählerabkehr von diesem bemerkbar. Alleine die Vielzahl von Stimmen, die ihm das Wahlbündnis mit der Hausbesit- zerorganisation eintrug307, ließ seinen Aderlass nicht deutlicher zu Tage treten. Das 1919 erreichte Landtagsmandat im Bezirk Bludenz – damals die einzige Region, in der die Unabhängigen Bau- ernbündler angetreten waren – konnte damit verteidigt, ein zweites, gut ab gesichertes Mandat308 im Bezirk Feldkirch dazugewonnen werden. Im Vorfeld der Wahl hatten die „Grünen“ allerdings

300 Die Behörde wies mit Schreiben vom 20. Februar 1922 darauf hin, dass eine Satzungsänderung – um eine solche handle es sich bei einer Namensänderung – nicht von einer Delegiertenversammlung vorgenommen werden könne, sondern der Hauptversammlung vorbehalten sei. Zudem forderte sie von den „Grünen“ die Vorlage vorschriftsmäßig gestempelter und mit den entsprechenden Änderungen versehener Statuten. In Reaktion darauf behaupteten Vorarlbergs Unabhängige Bauernbündler – und dies fälschlicherweise –, dass laut ihrer Statuten eine Bundesdelegiertenversammlung nichts anderes als eine Hauptversammlung sei. Auch baten sie die Behörde um Verständnis, dass es sich bei den, dem Schreiben beigelegten Statuten um keine neuangefertigte Version handle. Stattdessen hatten sie die alten Statuten verwendet und die dort mehrfach aufscheinende Bezeichnung „Vorarlberger Unabhängiger Bauernbund“ mit dem Schriftzug „Vorarlberger Land- bund“ überklebt. Als Grund für dieses Vorgehen nannten sie, die „natürlich sehr enorm(en)“ Kosten für die Anschaffung neuer Statuten vermeiden zu wollen, da man eine „für lange Zeit ausreichende Menge“ alter Exemplare noch auf Lager habe. 301 vgl. VLA, Vorarlberger Landesregierung, Abt. I a (1927), Zl.: 864 302 Zum „Verband der Großdeutschen und des Landbundes“ vgl. in dieser Arbeit S. 118 – 125 303 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 25. Oktober 1923, S. 1 304 vgl. ebenda, 20. März 1928, S. 3 305 vgl. Statistik der Nationalratswahlen des Jahres 1920, S. 21 306 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – V: Brief vom 23. August 1923 von Stocker an Ehrlich 307 vgl. Vogel, Bernd, Die „Blauen“ der Zwischenkriegszeit, S. 152 f 308 Auf den Landbund entfi elen im Bezirk Feldkirch 2.995 Stimmen. Damit lag er knapp 900 Stimmen über dem für das Mandat benötigten Votum. 4. Die Organisation | 53 insgeheim mit dem Einzug von fünf der Ihren in den Landtag gerechnet. Was den Landbündlern damit blieb: Enttäuschung309.

Die Nationalrats- und Landtagswahlen 1923 sind als Zäsur in der Entwicklung des Landbundes zu werten. Sie läuteten Jahre des Niederganges ein. Wenig Unterstützung beim Versuch, dieser Negativentwicklung entgegenzutreten, durften sich die Vorarlberger Landbündler von Seiten der Bundespartei erwarten. Auch sie hatte in dieser Phase mit gravierenden Problemen – unter diesen der Rücktritt des Bundesparteiobmanns und Parteinachwuchs, der aufbegehrte – zu kämpfen. Für Vorarlbergs „Grüne“ schwer wogen ferner die Schwierigkeiten beim Aufbau der Organisationen in Salzburg und Tirol . In beiden Bundesländern verfügte der Landbund über einen großen Zeitraum hinweg über keine Landesgruppe310. Tirol war am 17. März 1928 überhaupt das letzte Bundesland, in dem die „Grünen“ eine Landesorganisation gründeten311. Die Impulse, welche die Bundespartei ihrer westlichsten Landesorganisation zu geben vermochte, waren infolge dieser Isolation mit Si- cherheit deutlich beschränkt. Für die Entwicklung des Vorarlberger Landbundes bedeutete dies eine schwere Hypothek. Ob des eigenen Abschneidens bei den Landtags- und Nationalratwahlen 1923 stellte sich beim Vorarlberger Landbund Ernüchterung ein. Der Elan der Jahre 1921 bis 1923 war verfl ogen312. Die auf der Jahreshauptversammlung 1924 vorgebrachte Anregung zur Erweiterung der Geschäftsstel- le313 wie auch die im darauf folgenden Jahr an gleicher Stelle ins Auge gefasste Erweiterung des Landesvorstandes314 sind als Versuche zu werten, die Landesorganisation mit Hilfe von Neuerun- gen wieder in Schwung zu bringen. Jedoch: Der Erfolg blieb aus. Stattdessen verschärfte sich die Krise durch fi nanzielle Schwierigkeiten weiter. Vorarlbergs „Grüne“ standen damit nicht alleine da. In den Jahren 1925 und 1926 hatte der Landbund bundesweit mit fi nanziellen Engpässen zu kämpfen. Auch der steirische Landbund, der seinen Parteikollegen im „Ländle“ beim Aufbau ihrer Organisation pekuniär unter die Arme gegriffen hatte, war in eine fi nanzielle Schiefl age geraten315. Die Unterstützung für Vorarlbergs „Grüne“ von jenseits der Landesgrenzen wird sich dadurch redu- ziert haben. Vor allem waren es aber hausgemachte Probleme, die deren Finanzmisere bedingten. Die ursprünglich zur Stützung und Erhaltung der „grünen“ Landespartei gegründeten Wirtschafts- unternehmungen schrieben tiefrote Zahlen. Auch die von der Landesparteispitze angedachte und von einer außerordentlichen Hauptversammlung 1925 forcierte Vergenossenschaftung der soge- nannten „Warenverkehrsstelle“316 brachte nicht die erhoffte Trendumkehr. Stattdessen trieb die statutengemäß zur Unterstützung der politischen Organisation gegründete „Agraria“317 dem fi nanzi- ellen Kollaps entgegen. Die weitere Lähmung des Vorarlberger Landbundes durch diese Belastung

309 vgl. Verhandlungsschrift über die Sitzung der Reichsparteileitung des Landbundes am 29. Jänner 1926 (Nachlass Schumy), zitiert nach: Feldmann, Angela, Landbund für Österreich, S. 94 310 vgl. Burkert, Günther R., Der Landbund für Österreich, S. 208 311 vgl. Gasselich, Anton, Landbund für Oesterreich, S. 234 312 Diese Einschätzung basiert auf der Durchsicht der Ausgaben der Vorarlberger Landbund-Presse der Jahre 1924 bis 1927. 313 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 1. Februar 1924, S. 2 314 vgl. ebenda, 6. Februar 1925, S. 2 315 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 168 f 316 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes und Vereinigten Bauern- und Landvolk-Partei, 17. Juli 1925, S. 1 317 vgl. Vorarlberger Landstimmen, 15. Mai 1927, S. 1 54 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

ist unübersehbar: 1926 fand erstmalig keine – laut Statuten jedes Jahr abzuhaltende318 – Jahreshauptversammlung statt. Zwischen März 1926 und Jänner 1927 kam es auch zu keinen, statutengemäß vierteljährlich einzuberufenden,319 Delegierten- versammlungen320.

Zudem zwang die Finanzlage321 den Vorarlberger Landbund, sein Wochenblatt, bei dem er bis dahin als Eigentümer und Verleger fungiert hatte, zu veräußern. Die Zeitung ging im August 1926 in den Besitz der „Agrarischen Druckerei und Verlagsanstalt“ in Graz über322. Der Wochenschrift blieb zwar eine Schriftleitung in Vorarlberg, ihre Eigenständigkeit verlor sie allerdings. Fortan war sie nur mehr eine Nebenausgabe der anderen in Graz er- scheinenden Landbundzeitungen323.

Vor diesem Hintergrund gingen die Verhandlungen zwecks Ver- einigung der „Grünen“ mit dem Vorarlberger Bauernbund 1926 in eine neue Runde. Noch im Mai 1926 taten sie im Zuge dieser Unterredungen an ihre Adresse gerichtete Forderungen nach Aufgabe der Selbständigkeit und Aufl ösung des Landbundes als wirtschaftspolitischer Ständevertretung als „absurd“ ab324. In der Folge ließ die schwierige Finanzlage der „Agraria“ aber große Teile der Landbundführung von dieser Einschätzung ab- rücken. Abb. 2: Aufruf zum Kauf von Ge- Am 30. Jänner 1927 befasste sich eine ins Rankweiler Gast- nossenschaftsanteilen (Vorarlberger haus „Zum Schäfl e“ einberufene Delegiertenversammlung des Landbund, 12. März 1926, S. 2) Vorarlberger Landbundes mit der für die eigene Organisation zu erwartenden Perspektive. Dabei hieß es, dass ohne Zusam- menschluss mit dem Vorarlberger Bauernbund der Bankrott bevorstünde325. Vor dem Hintergrund derart düster gezeichneter Aussichten wurde die Frage, ob der Landbund aufgelöst werden solle, zur Abstimmung gebracht. Das Ergebnis fi el deutlich aus: Von den 25 in Rankweil anwesenden Ortsgruppenvertretern votierten 15 für die Auslösung des Vereins „Vorarlberger Landbund“, nur sieben dagegen. Drei Delegierte enthielten sich der Stimme326. Mit Schreiben vom 23. März 1927

318 vgl. VLA, Vorarlberger Landesregierung, Abt. I a (1927), Zl.: 864 319 vgl. ebenda 320 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 16. April 1927, S. 2 321 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg – Wochenblatt des Landbundes, 3. Jänner 1929, S. 1 322 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes und der Vereinigten Bauern- und Landvolkpartei, 6. August 1926, S. 1 323 vgl. Hämmerle, Elisabeth, Die Tages- und Wochenzeitungen Vorarlbergs in ihrer Entwicklung vom Ende der Monarchie bis 1967, S. 140 324 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes und der Vereinigten Bauern- und Landvolk-Partei, 14. Mai 1926, S. 2 325 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich, 4. Juni 1927 326 vgl. ebenda, 7. Mai 1927, S. 2 4. Die Organisation | 55 bat Gebhard Niederer in seiner Funktion als Obmann des Vorarlberger Landbundes die Landes- regierung um Kenntnisnahme dieser Aufl ösung327. Damit war der Landbund in Vorarlberg vermeint- lich Geschichte.

4.1.1.3 Die Reorganisation Zum Zeitpunkt des Briefes von Niederer an die Landesregierung betreffs Aufl ösung des Vorarlber- ger Landbundes hatte die Vereinigung der beiden Bauernbünde bereits stattgefunden – diese war am 16. März 1927 besiegelt worden328. Am 15. Mai 1927 mündete die Vereinigung des „alten“ Landbundes mit der christlichsozialen Bauernorganisation in der Gründung des „Landesbauernbun- des für Vorarlberg“329. Bei Teilen der Vorarlberger „Grünen“ stießen diese Vorgänge auf heftigen Widerstand. In ihren Augen ließ insbesondere der Kauf der „Agraria“ durch den „Verband landwirt- schaftlicher Genossenschaften“ den Zusammenschluss in einem schiefen Licht erscheinen. Dass vorwiegend wirtschaftliche Überlegungen zu dieser Übernahme geführt hatten, glaubten sie auf- grund der Finanzlage der „Agraria“, die, da dem Bankrott nahe, ohnehin keine Konkurrenz mehr für den Verband darstellte, ausschließen zu können330. Stattdessen meinten die „Grünen“ mit der fi nan- ziellen Entlastung, die dieser Vorgang für einzelne der ehemaligen Landbund-Spitzenfunktionäre mit sich gebracht hatte, den wahren Grund für die Übernahme gefunden zu haben. Derart sollen Niederer , Nasahl & Co. für die Einigung mit dem christlichsozialen Bauernbund gewonnen worden sein. So betrachtet erschien der Land bund an die Christlichsozialen verkauft. Eine angeblich in den Bilanzen des Vorarlberger Land bundes aufgetauchte „Spende eines Freundes des Zusammen- schlusses“ über 50 Mil lionen Kronen wurde als weiterer Beweis gewertet331.

Die „gesinnungstreuen Landbündler“ – so die Eigenbezeichnung derjenigen, die sich diesem Zu- sammenschluss widersetzt hatten332 – entschlossen sich zur Fortführung einer eigenständigen „Grünen“-Politik in Vorarlberg. Am 25. März 1927 trafen sie, entgegen den Erwartungen ihrer po- litischen Konkurrenten333, die Entscheidung, bei der Nationalratswahl Ende April 1927 selbständig zu kandidieren. Dort erzielten die Landbündler knapp 60 % der Stimmen, die sie bei der letzten Bundeswahl – jener von 1923334 – erhalten hatten. Der Urnengang ist auch als Abstimmung über die unter zweifelhaften Umständen erfolgte Vereinigung der „grünen“ Vorgänger- mit der christ-

327 vgl. VLA, Vorarlberger Landesregierung, Abt. I a (1927), Zl.: 864 328 vgl. Vorarlberger Landstimmen, 3. April 1927, S. 1 329 vgl. ebenda, 22. Mai 1927, S. 9 330 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich, 4. Juni 1927, S. 1 331 vgl. ebenda, 3. September 1927, S. 1 und 4 332 vgl. ebenda, 2. April 1927, S. 1 333 In im Hinblick auf die anstehende Nationalratswahl geführten Verhandlungen Anfang März 1927 waren sowohl Landeshauptmann Ender und der Obmann der christlichsozialen Landespartei Mittelberger als auch Zumtobel als Spitzenrepräsentant Vorarlbergs Großdeutscher einhellig der Meinung, dass sich der Landbund aufl ösen würde. Eine Kandidatur des Vorarlberger Landbundes bei der anstehenden Nationalratswahl schlos- sen die beiden christlichsozialen Landespolitiker, sofern nicht starker Einfl uss von „grüner“ Bundesseite ge- nommen würde, aus (vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 52 / R II – 8: Schreiben vom 4. März 1927 von Zumtobel an die Großdeutsche Reichsparteileitung). 334 Das Ergebnis der Nationalratswahl 1923 hatten die Landbündler unterstützt von der Hausbesitzerorgani- sation erzielt. Vier Jahre später kam den „Grünen“ von dieser Seite keine Hilfestellung zu. Die organisierten Hausbe sitzer hatten die Wahl freigegeben. 56 | Deutschnationalismus in Vorarlberg lichsozialen Bauernorganisation zu werten. Dessen Er gebnis zufolge stand die Anhängerschaft des Landbundes diesem Zusammenschluss in ihrer Mehrheit ablehnend gegenüber.

Das Abschneiden in Vorarlberg wird die Landbündler darin bestärkt haben, ihrem ebenfalls Ende März 1927 gefassten Beschluss, im „Ländle“ eine Landesorganisation des „Landbundes für Öster- reich“ ins Leben zu rufen, Taten folgen zu lassen. Die Stimmungslage für einen solchen Neustart war durchaus günstig: Der Wahltag 24. April 1927 brachte den „Grünen“ bundesweit ein Mehr an Zustimmung. 229.977 Stimmen oder 6,32 %335 reichten ihnen zum Gewinn von neun Mandaten – gegenüber dem vorigen Urnengang ein Plus von vier Sitzen. Dem Landbund spielte ferner in die Karten, dass Seipels Kalkül, mit einem bei vorgezogenen Nationalratswahlen günstigen Resultat für die bürgerlichen Parteien die Machtposition der oppositionellen Sozialdemokratie einzuschrän- ken336, nicht aufging. Ganz im Gegenteil: Die „Roten“ gingen gestärkt aus der Wahl hervor. Sie, auf die bei der Nationalratswahl 1923 39,60 % der gültigen Stimmen entfallen waren, kamen beim na- tionalen Urnengang 1927 auf 42,32 %. Dieser Zugewinn bescherte den Sozialdemokraten drei zu- sätzliche Mandate, womit sie mit 71 Abgeordneten ins Haus am Ring einzogen. Die „Einheitsliste“ – gebildet von Christlichsozialen und Großdeutschen, den „Schulz-Nationalsozialisten“, deutsch- nationalen Gewerkschaften sowie einigen kleinen Wiener Parteien – hatte sich dagegen als wenig zugkräftig erwiesen. Auf sie entfi elen 48,21 % der Stimmen. Die Regierungsparteien, davor mit einer komfortablen Mehrheit von 92 der 165 Mandate ausgestattet, errangen damit 85 Parlaments- sitze. Großer Verlierer der Wahl waren die „Schwarzen“. Gegenüber der letzten Nationalratswahl büßten sie neun Mandate ein. Mit 73 Abgeordneten bildeten die Christlichsozialen zwar weiter die größte Parlamentsfraktion, nunmehr aber dicht gefolgt von den Sozialdemokraten. Ob diese schwache Majorität der bisherigen Regierungspartner ausreichen würde, die Regierung auf Dauer handlungsfähig zu halten, schien keineswegs sicher und Bundeskanzler Seipel auch keinen Versuch wert – daher suchte er das Gespräch mit dem Landbund. Nach nur wenigen Tagen kam es zur Über- einkunft. Die „Grünen“ konnten im Wesentlichen mit Zugeständnissen in agrarpolitischen Fragen für einen Regierungsbeitritt gewonnen werden.337 Auch bei der Postenvergabe zeigte man sich ihnen gegenüber kulant. Trotz des Widerstandes von Seiten der Großdeutschen, welche die letzten fünf Jahre den Vizekanzler gestellt hatten, fi el dieses Amt nun den Landbündlern zu.338 Damit traten die „Grünen“, denen es bis dahin als kleiner Oppositionspartei kaum von der breiten Öffentlichkeit wahrnehmbare Akzente zu setzen gelungen war, in das Rampenlicht der großen Politik. Derartiger Rückenwind von Bundesseite wird es Vorarlbergs Landbündlern erleichtert haben, ihre Aufgabe, den Neuaufbau einer Landesorganisation, zu bewerkstelligen.

Am 10. Juli 1927 lud Vorarlbergs „grüne“ Landespartei ins Gasthaus „Zum Ochsen“ nach Feldkirch ein. Der dort abgehaltene Landesparteitag diente ihr zugleich als Gründungsversammlung. Zu deren erstem Obmann wählten die Delegierten Wilhelm Kurzemann aus St. Anton im Montafon. 339 Im Anschluss daran wurden die der Vorarlberger Landesorganisation von Seiten der landbündlerischen

335 Diese wie auch die folgenden Zahlen entstammen den „Statistische(n) Nachrichten. Sonderheft. Wahlsta- tistik. Nationalratswahlen vom 24. April 1927“, S. 5 336 vgl. Ucakar, Karl, Demokratie und Wahlrecht in Österreich, S. 425 337 vgl. Goldinger, Walter; Binder, Dieter A., Geschichte der Republik Österreich 1918 – 1938, S. 136 338 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 171 339 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich, 16. Juli 1927, S. 2 4. Die Organisation | 57

Bundespartei vorgelegten Statuten ohne Debatte genehmigt.340 Der Tage später unternommene Versuch, die Wählervereinigung „Landbund für Österreich, Landesorganisation Vorarlberg“ von der Behörde genehmigen zu lassen, schlug allerdings fehl. Das Amt der Vorarlberger Landesregierung wies darauf hin, dass die „(...) Bildung einer Reichsorganisation des Landbundes für Österreich auf Grund des Vereinsgesetzes (...) hier nicht zur Kenntnis genommen worden ist.“341 Anfang Oktober 1927 zogen die Vorarlberger „Grünen“ dieses Ansuchen um Genehmigung zurück.342 Die am 11. August 1927 erfolgte Gründung des als „unpolitisch“ ausgewiesenen Vereins „Vorarlberger Land- bund“ wurde von Behördenseite dagegen ohne Einwände „nicht untersagt“.343

4.1.1.4 Der Eindruck täuscht Eine erste große Bewährungsprobe für den neugegründeten Vorarlberger Landbund stellte die Landtagswahl 1928 dar. Der Urnengang, regulär erst im Herbst dieses Jahres abzuhalten, wurde auf Initiative der Christlichsozialen auf den 18. März 1928 vorverlegt. Die Erwartung, mit dem Land- bund einen ernst zu nehmenden Kontrahenten um die Stimmen der ländlichen Bevölkerung nur we- nige Monate nach seiner Reorganisation in einer noch nicht völlig konsolidierten Lage vorzufi nden, wird sie mit zur vorzeitigen Aufl ösung des Landtages bewogen haben. Auch bei den Großdeutschen weckte die Situation des Landbundes Hoffnungen: Im Kreise der „Blauen“ ging man davon aus, dass der Landbund seine beiden Mandate verlieren oder, sollte die Wahl für ihn günstig ausfal- len, „mit knapper Not“ maximal einen Sitz im Landtag zu verteidigen in der Lage sein würde344. Für den Landbund stellte eine Solokandidatur folglich ein unwägbares Risiko dar. Damit schienen die Chancen für die GDVP auf eine Wahlgemeinschaft mit dem deutschnationalen Konkurrenten günstiger als bei vorangegangen Wahlen zu stehen. Vorarlbergs großdeutscher Landesparteiob- mann Zumtobel bemühte sich „bis zum letzten Augenblicke“ um eine solche Vereinbarung mit den Landbündlern. Schlussendlich vergebens: Eine Einigung kam nicht zustande.345 Der nur wenige Tage nach Aufl ösung des Landtages von der „grünen“ Landesparteileitung einstimmig und – wie es hieß – „mit großer Begeisterung“ gefasste Beschluss, mit einer eigenen Liste bei der kommen- den Landtagswahl anzutreten,346 blieb aufrecht. In der anschließenden Wahlauseinandersetzung erfuhren Vorarlbergs Landbündler massive Unterstützung von Seiten ihrer Bundespartei. Nahe zu sämtliche Nationalratsabgeordnete des Landbundes, allen voran Felix Pistor , traten im Vorarlberger Landtagswahlkampf als Redner auf347. Die Christlichsozialen nahmen diese auswärtige Hilfestel-

340 vgl. ebenda, 23. Juli 1927, S. 5 341 VLA, Vorarlberger Landesregierung, Abt. I a (1927), Zl.: 1.663 342 vgl. ebenda 343 Die Genehmigung zur Bildung des Vereins „Vorarlberger Landbund“ erteilte die Behörde am 22. August 1927 (vgl. VLA, Vorarlberger Landesregierung, Abt. I a (1927), Zl.: 864). 344 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 36 / R I – 12: Brief vom 27. Februar 1928 von Zumtobel an die großdeutsche Reichsparteileitung 345 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 40 / R I – 14: Verhandlungsschrift über die Sitzung des großdeutschen Partei- vorstandes am 22. März 1928 346 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. – Wochenblatt des Landbundes für Oesterreich, 11. Februar 1928, S. 1 347 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 36 / R I – 12: Brief vom 26. März 1928 von Zumtobel an die großdeutsche Reichsparteileitung 58 | Deutschnationalismus in Vorarlberg lung zum Anlass, heftige Attacken gegen den „grünen“ Kontrahenten zu reiten348. Dennoch erzielte der Vorarlberger Landbund einen beachtlichen Wahlerfolg: Auf ihn entfi elen 9,62 % der gültigen Stimmen – für die „Grünen“ das beste Ergebnis bei einem landesweiten Urnengang in der Ersten Republik. Im Vergleich zu der weniger als ein Jahr zurückliegenden Nationalratswahl hatte sich ihre Stimmenzahl mehr als verdoppelt349. Damit lagen sie in der Wählergunst erstmalig vor der großdeutschen Konkurrenz. Der Landbund war damit im XIII. Vorarlberger Landtag – gleich wie in der Legislaturperiode davor – mit zwei Abgeordneten vertreten. Nähme man dieses Ergebnis als Maßstab, müsste von einem vollen Erfolg der Reorganisation des Vorarlberger Landbundes gesprochen werden. Ein Blick auf die folgenden Jahre verdeutlicht aller- dings, dass der durch den Wahlerfolg vermittelte Eindruck von der „grünen“ Landesorganisation als einer starken und pulsierenden Organisation täuscht. Durch eine ange spannte Finanzlage war der Handlungsspielraum der Vorarlberger „Grünen“ eng begrenzt. Über einen längeren Zeitraum hinweg hatten sie deswegen auf einen eigenen Landesparteisekretär zu verzichten. Nur eine Be- helfskonstruktion hielt die Landbündler einigermaßen handlungsfähig350. Auch ihre Wünsche be- züglich parteieigener Presse unterschieden sich deutlich von der Realität: Die seit August 1926 von der „Agrarischen Druckerei und Verlagsanstalt“ in Graz herausgegebene Wochenschrift war nicht so recht nach dem Geschmack der Landbündler im „Ländle“. Lange gärte der Wunsch nach einer „Heimkehr“ der Wochenschrift. Anfang 1929 konnte in dieser Hinsicht zumindest ein Teil- erfolg erzielt werden – trotz erheblicher Mehrkosten351 wurde die Schriftleitung und Verwaltung der Parteizeitung nach Innsbruck verlegt. Alleine die fi nanzielle Freigiebigkeit von „Gesinnungs- freunden“ hatte dem Landbund solches ermöglicht. Eigentümer und Herausgeber der Zeitung war Sepp Ammann. Das Manko, dass das dort erzeugte Wochenblatt für die Bundesländer Tirol und Vorarlberg gemeinsam erschien, blieb jedoch bestehen.352 Innsbruck als Sitz der Schriftleitung und Verwaltung bildete zudem nur eine kurze Episode. Die Herausgabe des „Landbündler für Tirol und Vorarlberg“ erwies sich, ohne dass man sich hierbei an ein größeres Landbundblatt „anlehnte“, alsbald als unmöglich. In Reaktion darauf entschlossen sich die „Grünen“, sowohl Schriftleitung als auch Verwaltung mit 1. März 1929 in Wels, dem Hauptort des landbündlerischen Pressewesens für den westlichen Wahlkreisverband, anzusiedeln. Dem Wunsch aus Vorarlberg, Druck, Schrift- leitung und Verwaltung ins „Ländle“ zu verlegen, erteilte der Herausgeber eine Absage. Erst ab einer Verdoppelung der Aufl agenhöhe des Blattes glaubte er einem solchen Ansinnen entsprechen

348 Von Seiten der „Schwarzen“ wurden die steirischen und Kärntner Landbundredner als „Landfremde“ sowie „innerösterreichische Apostel mit deutschen und slowenischen Namen“ (Vorarlberger Volksblatt, 23. Februar 1928, S. 4 und 7. März 1928, S. 1) diffamiert. Der Landbund habe, so die Christlichsozialen in einem Flugblatt zu diesem Thema weiter, es „zu seiner Schande“ vergessen, dass es nicht den Vorarlberger Gepfl ogenheiten entspreche, sich das eigene Haus von Fremden bestellen zu lassen. Dies sei umso weniger angebracht, als die Redner des Landbundes aus Ländern stammen, die Vorarlberg keinesfalls als Vorbild dienen könnten. Die „Schwarzen“ folgerten aus diesem massiven Einsatz von Rednern aus anderen Bundesländern, dass die Kandidaten des Vorarlberger Landbundes selbst der Bevölkerung nichts zu sagen hätten (vgl. ÖStA, A.d.R., Christlichsoziale Partei, Parlamentsklub, Kt. 67: Christlichsoziales Flugblatt „Wähler und Wählerinnen!“). 349 Bei der Nationalratswahl im April 1927 hatten 3.451 Vorarlberger für den Landbund votiert. Die Landtags- wahl 1928 bescherte ihm 7.337 Stimmen. 350 vgl. dazu in dieser Arbeit, S. 64 – 65 351 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg – Wochenblatt des Landbundes für Oesterreich, 26. Mai 1928, S. 8 352 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg – Wochenblatt des Landbundes, 3. Jänner 1929, S. 1 4. Die Organisation | 59 zu können.353 Auch im weiteren Verlauf verfolgte der Vorarlberger Landbund das Ziel einer mög- lichst eigenständigen Zeitung. Ende März 1930 setzte die Landesparteileitung eigens zum Thema „Verlegung des Drucks unserer Zeitung „Der Landbündler“ nach Vorarlberg“ einen mehrköpfi gen Ausschuss ein354. Obwohl sich die fi nanzielle Situation der Vorarlberger „Grünen“ Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre ein wenig entspannte: Dieser Wunsch blieb ein unerfüllter.

4.1.1.5 Prekäre Verhältnisse Obwohl die Handlungsspielräume Vorarlbergs Landbündler eng begrenzt waren, gelang es ihnen bei der Nationalratswahl 1930 nochmals zu reüssieren. Dank dem „unerwartete(n) Erfolg“355 der Wahlgemeinschaft „Nationaler Wirtschaftsblock und Landbund“356 zog mit Adolf Peter – erst- und zugleich letztmalig – ein Vorarlberger „Grüner“ in den Nationalrat ein. Zu verdanken hatte er dies allerdings vorwiegend anderen – so den Großdeutschen und der vor allem von ihnen gestemmten Wahlarbeit, der Zugkraft von Altkanzler Schober und den, insbesondere bei Personen mit Affi nität zur Wirtschaft oder der GDVP erzielten Stimmenzuwächsen. Dieser Mandatsgewinn vermag daher nicht zu verbergen, dass bei Vorarlbergs „Grünen“ die Anfangseuphorie aus den Zeiten der Reorga- nisation längst verebbt war.

Der Einzug Peters in das „Hohe Haus“ lässt in der Folge die prekäre Personalsituation beim Vorarl- berger Landbund offenkundig werden. Adolf Peter war im Mai 1928 einstimmig zum Nachfolger von Wilhelm Kurzemann357 an der Spitze der „grünen“ Landespartei gewählt worden.358 Seiner im März 1931 erfolgten dritten Wiederwahl ging eine längere Debatte voraus. Auslöser hierfür wird Peters Wunsch gewesen sein, aufgrund der zusätzlichen Belastung durch die Abgeordnetentätigkeit in die zweite Reihe der Vorarlberger Landespartei zurücktreten zu wollen. Offenkundig war aber kein anderer bereit, sich an die Spitze der Landespartei wählen zu lassen. Letztlich „musste“ – so die Diktion des „grünen“ Presseorgans359 – Peter die Obmannstelle abermals annehmen. Diese Positi- on hatte er schließlich bis zum Ende des Landbundes im Jahre 1934 inne. Als Konzession an seine Person ist es zu werten, dass ihm ab März 1931 statt der bisherigen zwei Stellvertreter deren drei zur Seite standen.360

Alsbald erhoben sich in Vorarlberg Stimmen, die dem Landbund ein baldiges Ende voraus sagten.361 Vor der Vorarlberger Landtagswahl im November 1932 sprachen sich die deutschnationalen Par- teien – nicht zuletzt aus wahltaktischem Kalkül – gegenseitig jedwede Chance auf einen neu-

353 vgl. ebenda, 28. Februar 1929, S. 1 354 vgl. ebenda, 3. April 1930, S. 12 355 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 38 / R I – 12: Bericht der Landesparteileitungen, in: Tätigkeitsbericht, 12. Or- dentlicher Reichsparteitag der Großdeutschen Volkspartei in Wien, 4. bis 6. Dezember 1931, S. 11 356 Das Kapitel 6.2.7 „Der „Schoberblock“ bietet eine ausführliche Darstellung dieser Wahlgemeinschaft. 357 Kurzemann trat infolge seiner angeschlagenen Gesundheit nach knapp einjähriger Amtszeit als Landespar- teiobmann zurück. 358 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg – Wochenblatt des Landbundes für Oesterreich, 26. Mai 1928, S. 3 359 Landpost, 28. März 1931, S. 4 360 vgl. ebenda 361 vgl. ebenda, 19. März 1932, S. 1 60 | Deutschnationalismus in Vorarlberg erlichen Mandatsgewinn ab.362 Darüber hinaus hatten die vorangegangenen Wahlen in anderen Bundesländern dem Landbund nicht eben ermunternde Ergebnisse beschert. Die am 24. April 1932 stattfi ndenden Landtagswahlen in Niederösterreich und Salzburg endeten insgesamt mit einem „grünen“ Stimmenrückgang. Bei den am gleichen Tag abgehaltenen Gemeinderatswahlen in Kärn- ten verloren der Landbund landesweit über die Hälfte seiner Mandate363. Vor diesem Hintergrund kam dem Vorarlberger Urnengang über das Land hinausgehende Bedeutung zu. Aufgrund dessen kräftig unterstützt von Seiten der Bundespartei364, kamen die Vorarlberger „Grünen“ schließlich auf 6,96 % der gültigen Stimmen – im Vergleich zur letzten Landtagswahl ein Minus von 2,66 %. Die Konsequenz daraus: der Verlust eines ihrer bisherigen zwei Mandate.

Obwohl deutlich angeschlagen, gelang es dem Vorarlberger Landbund – wie in all den Jahren seit seiner Reorganisation – 1933 nochmals einen Landesparteitag auf die Beine zu stellen. Die Botschaft, die er mit diesem Parteitag aussenden wollte, war klar: Die „Grünen“ sollten als vitale Organisation mit solider Grundlage erscheinen, die in letzter Zeit einen „schönen Aufschwung“ genommen hatte.365 Eine getreuliche Darstellung der Realität war das allerdings nicht. Vielmehr ist dies als Versuch zu werten, die Funktionäre mit Hilfe einer solch positiven Darstellung einigerma- ßen motiviert und bei der Stange zu halten. Die 1933 erfolgte Neugründung mehrerer Landbund- Ortsgruppen war nicht mehr als ein – wie sich in weiterer Folge zeigen sollte – letzter Versuch des Aufbäumens Vorarlbergs „grüner“ Landesorganisation gegen deren eigenen Niedergang.

4.1.2 DAS LANDESSEKRETARIAT

Die sich zunehmend umfangreicher gestaltende Organisationsarbeit ließ die Vorarlberger „Grünen“ ein Landessekretariat einrichten. Die folgenden Ausführungen geben einen Überblick über dessen Aufgabengebiete und die von ihm offerierten Dienstleistungen. Auch die infolge fi nanzieller Eng- pässe wechselvolle Geschichte des Landessekretariats Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre wird thematisiert.

4.1.2.1 Eine durchwachsene Bilanz In den Anfängen nahmen Vorarlbergs „Grüne“ ihre Organisationsarbeit mit der sogenannten „Bun- desleitung“, einer nicht ständigen Einrichtung, wahr.366 Für eine Gruppierung, die laut eigenen Angaben Ende 1920 2.000 Mitglieder zählte, wurde diese Form der Organisationsarbeit jedoch alsbald als unzureichend eingestuft. Der deutliche Mitgliederabgang, den der VUBB bis in den Sommer 1921 hinzunehmen hatte367, untermauerte diese Einschätzung. Vor diesem Hintergrund

362 vgl. ebenda, 22. Oktober 1932, S. 3 und Vorarlberger Tagblatt, 21. Oktober 1932, S. 1 und 4. November 1932, S. 2 363 vgl. Schausberger, Franz, Ins Parlament, um es zu zerstören, S. 151, 159 und 169 364 vgl. Landpost, 29. Oktober 1932, S. 1 f und 5. November 1932, S. 2 365 vgl. ebenda, 6. April 1933, S. 1 366 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 26. März 1920, S. 4 367 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 10. Februar 1922, S. 2 4. Die Organisation | 61 wurde der Ruf nach einer permanenten Einrichtung laut. Im März 1921 befasste sich eine Ver- sammlung Bezirksdelegierter in Schruns mit der Frage nach Errichtung eines Sekretariats. Nach lebhaft verlaufenden Beratungen kamen die dort Anwesenden überein, in dieser Angelegenheit die VUBB-„Bundesleitung“ mit näheren Erhebungen und Vorarbeiten zu betrauen.368 Auch eine De- legiertenversammlung im Juli 1921 unterstrich nochmals die Notwendigkeit eines Sekretariats: In dessen Errichtung sowie späteren Zusammenarbeit mit Bundes- und Ortsgruppenleitungen sah man die Gewähr für die – wie es hieß – „(...) richtige Führung verschiedener Geschäfte“369. Außer- dem glaubte man, die erhofften wirtschaftlichen Vorteile, die einem der seit einiger Zeit gepfl egte Kontakt mit dem „Bund der Landwirte“ in Bayern böte, nur mit Hilfe eines gut funktionierenden Sekretariats voll ausschöpfen zu können370. Am 1. September 1921 – vier Monate, nachdem mit Vorarlbergs Großdeutschen die deutschna- tionale Konkurrenz ihre Landesgeschäftsstelle eröffnet hatte371 – nahm das Landessekretariat 372 der „Grünen“ seinen Betrieb auf. Nach nur einer Woche in Sulz, Neuheim, übersiedelte das Lan- dessekretariat in die Feldkircher Bahnhofstraße 127.373 Als erster Sekretär des VUBB fungierte der diplomierte Landwirt R. Walter. Aufgabe des Landessekretärs war nebst Organisationsarbeit die Schriftleitung beim parteieigenen „Bauern-Blatt“. Die Arbeit, die Walter verrichtete, zeitigte positi- ve Folgen. Sowohl in die Geschäftsführung der Landesorganisation als auch in die davor offenkun- dig im Argen liegende Listenführung brachte er Ordnung.374 Das vom Sekretariat offerierte Angebot, bei ihm für die Errichtung von Ortsgruppenbibliotheken – angeblich besonders geeignete – Bücher bestellen zu können,375 wurde angenommen. Es folgten mehrere Gründungen von Ortsgruppenbü- chereien. Zudem gelang es mit dem Sekretariat, die Verbindung zwischen Parteispitze und einfa- chem Mitglied deutlich enger zu gestalten. Nicht zuletzt Walters Tätigkeit als Landessekretär wird es zuzuschreiben sein, dass die Unabhängigen Bauernbündler im zweiten Halbjahr 1921 beinahe 100 Versammlungen abzuhalten vermochten.376 Obwohl nicht wirkungslos geblieben, schied Walter nach nur fünf Monaten aus dem Amt. Gerüchte, wonach Differenzen zwischen ihm und der VUBB-Spitze Letztere zur Aufl ösung des Dienstverhält- nisses bewogen hätten, wurden dementiert. Vielmehr betonte man, dass Walter selbst gekündigt habe – die Partei hätte diesen Schritt bedauert.377

Zu Walters Nachfolger wurde Heinrich Wachter bestellt. Im Mai 1922 verlegten die Landbündler ihr Sekretariat innerhalb Feldkirchs in die Gymnasiumgasse. Der Grund für diesen abermaligen Umzug: Die Partei eröffnete an gleicher Stelle und zur selben Zeit ein Geschäftslokal mit landwirtschaftli- chen Bedarfsartikeln.378 Für den Landessekretär erweiterte sich mit dieser Eröffnung das Aufgaben-

368 vgl. ebenda, 18. März 1921, S. 1 369 ebenda, 15. Juli 1921, S. 2 370 vgl. ebenda 371 vgl. Vogel, Bernd, Die „Blauen“ der Zwischenkriegszeit, S. 41 372 Bei den „Grünen“ fi rmierte die Neuschöpfung unter der Bezeichnung „Bundessekretariat“. 373 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 2. September 1921, S. 1 und 9. September 1921, S. 1 374 vgl. ebenda, 28. Dezember 1921, S. 1 375 vgl. ebenda, 21. Oktober 1921, S. 2 376 vgl. ebenda, 28. Dezember 1921, S. 1 f 377 vgl. ebenda, 10. Februar 1922, S. 2 378 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 12. Mai 1922, S. 1 62 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Abb. 3: Inserat der Warenstelle (Vorarlberger Landbund, 13. November 1925, S. 7) gebiet: Neben der organisatorischen Arbeit für die Partei und der Schriftleitung des „Bauern-Blatts“ war er nunmehr auch maßgebend in die Geschäftsführung der neuen Unternehmung eingebunden. Diese Dreifachaufgabe vermochte Wachter nicht zur allgemeinen Zufriedenheit der Partei zu be- wältigen. Dem deutlich Ausdruck verlieh der Nofl er Landbund-Delegierte Lins , der im November 1924 für eine vollständige Trennung der Redaktion des „Bauern-Blatts“ und der Warenverkehrs- stelle eintrat. Als Begründung führte er an, dass „nur durch einen Sekretär, der sich voll und ganz der Presse und Organisation widmen könne und der nicht noch nebenbei die Handelsgeschäfte der Warenstelle ausfüllen soll, (..) unsere Organisation und Presse den ihr gebührenden Platz im Lande und Staat erlangen (werden) können.“379 Umgesetzt wurde diese Forderung nach vollständi- ger Trennung allerdings nicht. Urban Nasahl, von 1925 bis 1927 Landessekretär des Vorarlberger Landbundes, fungierte in der unter dem Namen „Agraria“ fi rmierenden Vergenossenschaftung der Warenverkehrsstelle über einen längeren Zeitraum als stellvertretender Obmann. Hierdurch sollen ihm – dessen eigenen Ausführungen zufolge – eine Menge Arbeit und ebenso viele Sorgen und Verdruss entstanden sein.380

Für Heinrich Wachter endete seine Tätigkeit als Sekretär und Schriftleiter Ende 1924. Mit viel Lob für seine bisherigen Dienste vom „grünen“ Spitzengremium bedacht, übernahm er anschließend die

379 Vorarlberger Landbund, 21. November 1924, S. 3 380 vgl. Vorarlberger Landstimmen, 15. Mai 1927, S. 1 f 4. Die Organisation | 63

Leitung der Warenverkehrsstelle.381 Neuer Landessekretär wurde bereits erwähnter Urban Nasahl. Um den Arbeitsaufwand besser bewältigen zu können, führte Nasahl quasi mit Amtsantritt Sprech- stunden ein. Damit wurde der Parteienverkehr des Sekretariats auf wöchentlich zwölf Stunden be- schränkt.382 Ansonsten zeichnete sich die Amtsführung Nasahls durch Dienstleistungsorientierung aus. So bot das Sekretariat 1925 Vorträge über das Verfassen von Einkommenssteuererklärungen an383. Im darauf folgenden Jahr hielt es Kurse zu diesem Thema ab – die von den Landbündlern als unzu reichend bewertete Neuregelung der Einkommenssteuer hatte hierzu veranlasst.384 Ende 1925 errichtete der Vorarlberger Landbund eine beim Sekretariat angesiedelte Beratungsstelle. Diese bot Hilfestellungen bei Kauf-, Schuld-, Lösch- und sonstigen Rechtsurkunden an. Während das Angebot zur Einkommenssteuererklärung gegen Entrichtung eines Obolus auch von Parteifremden genutzt werden konnte, stand die Beratungsstelle nur Landbundmitgliedern, die auch Bezieher der parteieigenen Zeitung waren, zur Verfügung.385 Zur gleichen Zeit legte sich das Landbund-Sekreta- riat für seine Mitglieder noch insofern ins Zeug, als es – unterstützt vom eigenen Parlamentsklub – gegen die Führung des Nachweises und die Kellerkontrolle beim Mosten von nur kleinen Mengen Beschwerde einlegte. Es gelang, diese Angelegenheit in seinem Sinn zu beeinfl ussen. In der Lesart des Vorarlberger Landbundes war damit der Beweis für die Notwendigkeit wie den Nutzen der Organisation geliefert.386 Im Rückblick konsta tierten die „Grünen“, seit ihrer Gründung 1919 wie- derholt Organisationskrisen durchlebt zu haben. In ihrer Mehrzahl sollen diese auf die Warenge- schäftsunternehmungen der Partei zurückzuführen gewesen sein. Durch derartige Geschäfte wurde die Organisationstätigkeit eher ver nachlässigt denn gefördert, so ihr Fazit.387

4.1.2.2 Finanzielle Zwänge

Nach dem im Frühjahr 1927 erfolgten Zusammenschluss des Vorarlberger Landbundes mit dem Vorarlberger Bauernbund stand der Landbund für Österreich im „Ländle“ ohne Landessekretariat da. Der vormalige Standort des Landbundsekretariats diente nunmehr dem Landesbauernbund als Bezirkssekretariat. Als dessen Sekretär fungierte der „übergelaufene“ Urban Nasahl388 . Die „Grünen“ behalfen sich zunächst mit einer Übergangslösung: Allfällige Wünsche sollten an das Bundessekretariat in Graz gerichtet werden.389 Anfang Juni 1927 beschloss die landbündlerische Bundesparteileitung, in Vorarlberg ein neues Landessekretariat zu errichten. Sein Standort: wie-

381 vgl. Vorarlberger Landbund, 16. Jänner 1925, S. 3 382 vgl. ebenda, 9. Jänner 1925, S. 4 383 vgl. ebenda, 1. Mai 1925, S. 7 384 Die einzelnen Ortsgruppen wurden ersucht, diese Kurse mit zumindest zwei „schreibgewandte(n) Männer(n)“ aus ihren Reihen zu beschicken (vgl. ebenda, 26. März 1926, Seite 1 – 3). Dieser Aufforderung wird die Über- legung zugrunde gelegen haben, dass diese Kursteilnehmer späterhin in der Lage sein würden, ihre Partei- kollegen vor Ort in Sachen Einkommenssteuererklärung zu unterstützen. Den Gesinnungskameraden war damit von Parteiseite ein Service geboten, ohne dass dem Sekretariat hierdurch ein enormer Aufwand entstand. 385 vgl. ebenda, 11. Dezember 1925, S. 7 386 vgl. ebenda, 6. November 1925, S. 4 387 vgl. ebenda, 28. Mai 1927, S. 2 388 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich, 4. Juni 1927, S. 1 389 vgl. ebenda, 14. Mai 1927, S. 1 64 | Deutschnationalismus in Vorarlberg derum Feldkirch. Zum Landessekretär wurde Hans Kraus bestellt390. Mit Unterstützung des steiri- schen Nationalratsabgeordneten Zangel391 galt es zunächst, grundlegende Organisationsstrukturen wieder aufzubauen. Die Neugründung von Ortsgruppen stand dabei ebenso an wie die Errichtung der Bezirksorganisationen. Zudem war die Landesparteileitung neu zu konstituieren.392 Daneben ließ das Sekretariat auch alte Dienstleistungen wieder aufl eben. Bereits im Herbst 1927 stand der Sekretär den Mitgliedern an Amtstagen wieder unentgeltlich für Auskünfte in Rechts-, Gebühren- und Steuerangelegenheiten zur Verfügung. Auch Kauf-, Tausch- und Übergangsverträge wurden von ihm gegen Ersatz der hierfür anfallenden Spesen verfasst sowie Ratschläge zur Optimierung landwirtschaftlicher Arbeiten erteilt.393 Um dieses Angebot einer möglichst großen Zahl von Mit- gliedern zugänglich zu machen, entschloss sich das Landessekretariat, in jedem Gerichtsbezirk monatlich zwei Amtstage abzuhalten.394 Das Sekretariat war es auch, das den Sammel- und damit verbilligten Einkauf von Thomasmehl für die Herbstdüngung organi sierte.395 Ab Oktober 1927 erhielten die Vorarlberger „Grünen“ weitere Unterstützung. Auf Ersuchen der Bun- desparteileitung enthob das Spitzengremium des Kärntner Landbundes Nationalratsabgeordneten Sepp Ammann für ein Jahr von seiner bis dahin für ihn verrichteten Tätigkeit. Das Hauptaugenmerk des gebürtigen Vorarlbergers Ammann396 galt fortan dem Ausbau der Landesorganisationen von Tirol und Vorarlberg sowie der Unterstützung der dortigen Werbearbeit. Ferner zählte es zu seinen Aufgaben, jeden vierten Sonntag im Monat auf Versammlungen in Vorarlberg aufzutreten397.

Auch 1928 offerierte das Landessekretariat den Mitgliedern das bekannte Angebot. Klagen über dem Landessekretariat angelastete organisatorische Mängel liegen nicht vor. Dennoch kam es Mitte Dezember 1928 zur Zäsur: Landessekretär Kraus wurde nach eineinhalbjähriger Tätigkeit beurlaubt und das Landessekretariat in Feldkirch aufgelöst. Die angespannte Finanzlage hatte die „Grünen“ zu diesem Schritt bewogen398. Fortan führte Landesparteiobmann Peter selbst die- se Geschäfte.399 Seine Wohnung in Weiler war damit zugleich Sekretariat des Vorarlberger Land-

390 Zu dessen Bestellung gibt es unterschiedliche Versionen. Die in christlichsozialen Kreisen kursierende Dar- stellung, wonach der steirische Landbund Kraus nach Vorarlberg schickte und damit der dortigen Landesor- ganisation quasi aufoktroyierte, wurde von den „Grünen“ dementiert. Stattdessen betonten sie, dass es die Vorarlberger Bauern selbst gewesen seien, die den Sekretär angefordert hätten (vgl. Der Landbündler für Tirol und Vor arlberg. Wochenblatt des Landbundes für Oesterreich, 5. November 1927, S. 2). 391 Josef Zangel führte ab 1927 das neuerrichtete Bundessekretariat des Landbundes in Wien. Bereits davor hatte er sich in der Steiermark organisatorisch bewährt (vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 165). 392 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich, 4. Juni 1927, S. 1 393 vgl. ebenda, 24. September 1927, S. 4 und Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes für Oesterreich, 24. Dezember 1927, S. 3 394 vgl. Vorarlberger Landbund, Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich, 10. September 1927, S. 4 395 vgl. ebenda, 13. August 1927, S. 4 396 Sepp Ammann erblickte 1870 in Düns das Licht der Welt. 397 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich, 3. September 1927, S. 4 und Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg – Wochenblatt des Landbundes für Oesterreich, 1. Oktober 1927, S. 3 398 In anderen Landesorganisationen des Landbundes hatte man schon davor einen solchen Weg eingeschla- gen. Im Oktober 1927 sprach Bundessekretär Franz Winkler von unmittelbar bevorstehenden Schließungen der Landbundgeschäftsstellen in Salzburg und Niederösterreich (vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bau- ernpartei, S. 169). 399 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 16. Mai 1929, S. 11 4. Die Organisation | 65 bundes.400 Die Amtstage fanden jeweils dienstags im Klubzimmer des Gasthofes zum „Goldenen Löwen“ in Feldkirch statt401. Diese Situation erwies sich jedoch alsbald als nicht zufriedenstellend. Im Jänner 1930 sprach sich Vorarlbergs „grüne“ Landesparteileitung dafür aus, den Posten des Landessekretärs wieder zu besetzen. Als Wunschkandidat wurde der im „Ländle“ bereits bekannte Sepp Ammann genannt. Ammann, im Mai 1929 zum Nachfolger von Vinzenz Schumy als Landesgeschäftsführer von Kärnten bestellt402, sah sich allerdings nicht in der Lage, diesem Wunsch ganz zu entsprechen. Sein Angebot ging dahin, den Vorarlberger Landesparteiobmann bei der Führung der Sekretariatsgeschäfte vor- übergehend403 zu unterstützen. Vorarlbergs Landesparteileitung erklärte sich damit einverstanden. Um die Zusammenarbeit zwischen Peter und Ammann zu erleichtern und möglichst effi zient zu gestalten, wurde beschlossen, dass Ammann seinen Sitz direkt beim Landesparteiobmann nehmen sollte.404 Ein leistungsstarkes Landessekretariat stand Vorarlbergs Landbündlern damit allerdings nicht zur Verfügung. So wurde die Organisationsarbeit im Vorfeld der Nationalratswahl 1930 nur zu einem kleinen Teil von „grüner“ Seite geleistet. Das Gros dieser Arbeit fi el – wie bereits erwähnt – ihrem Partner in der Wahl gemeinschaft, der GDVP, zu405.

Durch die im November 1930 erfolgte Wahl Adolf Peters in den Nationalrat vermochte sich dieser nicht mehr in gleichem Maße wie davor in die Organisationsarbeit der Vorarlberger „Grünen“ einzu- bringen. In dieser Situation ergriff die Landbundortsgruppe Bregenz die Initiative. Auf einer Landes- parteileitungssitzung im März 1931 brachte sie den Antrag auf Einstel lung eines Landessekretärs ein. Die infolge der Schließung des Landessekretariats im Dezember 1928 zwar verbesserte406, aber dennoch nicht „rosige“ Finanzlage des Vorarlberger Landbundes ließ die Mitglieder der Landespar- teileitung in ihrer Mehrheit davon Abstand nehmen, dem Antrag sofort zuzustimmen. Stattdessen wurde ein fünfgliedriger Ausschuss damit betraut, die fi nanziellen Spielräume in dieser Angele- genheit auszuloten407. Letztlich gab der Ausschuss grünes Licht für dieses Unterfangen. Zum neuen Landessekretär bestellte der Vorarlberger Landbund Ing. Otto Feldkircher408 . Die unter Ammann ein- geführte Praxis, wonach der Sekretär von der Wohnung des Landesparteiobmanns aus operierte, wurde unter Feldkircher beibehalten. 1931 entschloss sich der Vorarlberger Landbund ferner, einen Ausschuss für Ausbau- und Gründungsarbeit zu installieren. Um damit einen größtmöglichen Nut- zen für die Organisation erzielen zu können, wurden sowohl Vertrauensmänner als auch Mitglieder zur tatkräftigen Unterstützung des neugeschaffenen Ausschusses aufgefordert409.

400 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg – Wochenblatt des Landbundes für Oesterreich, 15. Dezember 1928, S. 5 401 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 3. Jänner 1929, S. 6 und 14. Februar 1929, S. 6 402 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 16. Mai 1929, S. 11 403 Als Zeithorizont, an dem seine Unterstützung für die Vorarlberger Landbundorganisation enden sollte, nann- te Ammann die Konstituierung der neugewählten Bauernkammer oder die darauf folgende Jahreshauptver- sammlung des Landbundes im „Ländle“. 404 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 30. Jänner 1930, S. 11 405 vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 357 f 406 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 16. Mai 1929, S. 11 407 vgl. Landpost, 28. März 1931, S. 4 408 vgl. ebenda, 26. Dezember 1931, S. 4 409 vgl. ebenda, 18. April 1931, S. 4 66 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Feldkircher übte sein Amt als Landessekretär bis gegen Ende 1932 aus – organisatorisch vermochte er nur wenig zu bewirken. Ebenfalls im Dezember 1932 vollzogen Vorarlbergs „Grüne“ eine Ände- rung ihrer Organisationsstruktur: Das Landessekretariat verblieb zwar an gleicher Adresse, wurde in seinen Aufgaben aber auf Serviceleistungen für Landbund-Mitglieder beschränkt. Reine Orga- nisationsfragen, etwa Ortsgruppengründungen oder das Ver samm lungswesen, fi elen fortan in den Zuständigkeitsbereich einer eigenen Geschäftsstelle. Diese hatte ihren Sitz in Dornbirn, Salagasse 14. Der Landbund war, wie nicht zuletzt der Ausgang der Landtagswahl im November 1932 gezeigt hatte, in die Defensive gedrängt. Die Landesparteileitung sah sich genötigt, Durchhalteparolen an Vorarlbergs Landbündler zu richten.410 Vor diesem Hintergrund ist die im Dezember 1932 erfolgte Umstrukturierung als Versuch zu werten, die Organisation des Landbundes in Vorarlberg mit Hilfe zusätzlicher Impulse, wenn schon nicht zu stärken, so zumindest aufrecht zu erhalten. Die Organisationskanzlei unter der Leitung Himmers gab sich sogleich ambitioniert. Für das Jahr 1933 kündigte sie an, den Focus ihrer Tätigkeit auf den Ausbau des Vertrauensmännerwesens so- wie die Gründung neuer Ortsgruppen legen zu wollen. Zudem sollte der Aufstellung von Wehrzügen der „Grünen Front“ besonderes Augenmerk gewidmet werden411. Obwohl zum Schwerpunkt erklärt, vollzog sich die Entwicklung bei Letzterem nur schleppend. Die in der parteieigenen Presse Ende 1933 verwendete Formulierung, wonach die Gruppenbildung bei der „Grünen Front“ in Vorarlberg „im Gange“ sei412, zeugt davon. Ein von der Bundesregierung im März 1933 erlassenes Aufmarsch- und weitgehendes Versammlungsverbot, das nur mehr sogenannte „§2-Versammlungen“413 erlaub- te, erschwerte dem Landbund die Organisationsarbeit. Dennoch war dessen Engagement in Form neugegründeter Ortsgruppen von Erfolg gekrönt.

4.2 DIE GEMEINDEORGANISATION

4.2.1 DER ORTSGRUPPENKRÖSUS

Zur ersten Konstituierung einer Ortsgruppe414 durch den UBB kam es Anfang 1919 in Ludesch415 . Im April 1919 rief die Parteispitze zur Konstituierung weiterer Ortsvereine auf. Allen Mitgliedern des Bauernstandes wurde ein Beitritt zu diesen zur „heiligste(n) Pfl icht“ erklärt.416 Bei seinen Be- mühungen um den Aufbau eines Ortsgruppennetzes erhielt das parteieigene Spitzengremium auch Unterstützung von außerhalb der Gruppierung. In Schlins etwa war es die Molkereileitung, die zur Gründung einer UBB-Ortsgruppe lud. Am Silvestertag 1919 ging diese vonstatten. Neben 49 Schlin- sern gehörten dem neuen Ortsverein 13 Personen aus Röns und deren sieben aus Düns an417.

410 vgl. ebenda, 17. Dezember 1932, S. 6 411 vgl. ebenda, 31. Dezember 1932, S. 8 412 vgl. ebenda, 21. Dezember 1933, S. 11 413 Dabei handelte es sich um ausschließlich Mitgliedern vorbehaltene Vereinsversammlungen. Die Mitglieder hatten zudem ihre Einladungen zur Veranstaltung mitzubringen. 414 Ein tabellarischer Überblick über die „grünen“ Ortsgruppen in Vorarlberg fi ndet sich in dieser Arbeit auf den Seiten 201 – 204. 415 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 14. Juli 1922, S. 2 416 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 25. April 1919, S. 1 417 vgl. ebenda, 9. Jänner 1920, S. 3 4. Die Organisation | 67

Im Juni 1920 umfasste der UBB 30 Ortsgruppen. Für die „nächste Zeit“ erwartete er die Gründung von drei weiteren Ortsvereinen418. Für das Jahr 1921 sind Ortsgruppengründungen für die Gemein- den Bildstein , Schwarzach , Götzis , Hittisau und Nüziders belegt419. Im Mai 1922 vermeldete der – nunmehrige – Vorarlberger Landbund, sein Ortsgruppennetz seit Jahresfrist um neun Ortsvereine des Unterlandes erweitert zu haben420. Mitte 1922 waren die „Grü- nen“ in annähernd 50 Gemeinden des Landes mit einer Ortsgruppe vertreten. Damit wies der Vor- arlberger Landbund eine signifi kant höhere Ortsgruppendichte als der deutschnationale Konkurrent GDVP auf. Den „Blauen“ gelang es über die ganzen Jahre hinweg in nur 16 Gemeinden Vorarlbergs Ortsvereine zu etablieren421. Zwei Gründe werden für diese Diskrepanz ausschlaggebend gewesen sein: Zum einen stand die GDVP für eine wenig bauernfreundliche, verbraucherzentrierte und – mit Aus- nahme der ersten Jahre der Republik – wirtschaftsliberale Politik. Aufgrund einer solchen Positio- nierung waren die Großdeutschen für einen nur geringen Teil der Landbevölkerung attraktiv. Daher kamen die „Blauen“ mit wenigen – aber im Vergleich zum Landbund im Einzelfall deutlich mitglie- derstärkeren – ihren Ortsgruppen422 nicht über Vorarlbergs Städte und größere Gemeinden hinaus. Der Landbund verstand sich demgegenüber als Interessenvertretung der Landbevölkerung – und profi tierte bezüglich der Zahl der Ortsgruppen von dem verbreitet ländlichen Charakter Vorarlbergs mit seinen vielen Kleingemeinden. Zum anderen ist die Diskrepanz bei der Ortsgruppendichte auf deutliche Unterschiede bei der Ser- viceorientierung zurückzuführen. Bei den Großdeutschen beschränkte sich diese im Wesentlichen auf die Frauenortsgruppen423. Die „blauen“ Männerortsgruppen boten dagegen kaum Serviceleis- tungen an. Ihr Angebot beschränkte sich über viele Jahre hinweg auf einige, für ihre Mitglieder eingerichtete Büchereien und Lesezimmer424. Bei den Vorarlberger Landbündlern ist im Vergleich dazu von Anbeginn weg eine deutlich aus- geprägtere Serviceorientierung festzustellen. Daher ist davon auszugehen, dass der Prozentsatz derjenigen, die die Mitgliedschaft nicht primär wegen des öffentlichen Bekenntnisses zur von der Gruppierung vertretenen Weltanschauung, sondern dem damit verbundenen persönlichen Vorteil

418 vgl. ebenda, 11. Juni 1920, S. 2 419 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 4. November 1921, S. 3; 18. November 1921, S. 3; 16. Dezember 1921, S. 3 und 6. Jänner 1922, S. 3 420 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 19. Mai 1922, S. 2 421 vgl. Vogel, Bernd, Die „Blauen“ der Zwischenkriegszeit, S. 44 – 52 und 59 – 65 422 Im Juni 1921 gehörten Vorarlbergs „blauen“ Ortsvereinen im Durchschnitt knapp 240 Mitglieder an (vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Brief vom 17. Juni 1921 vom großdeutschen Landesgeschäftsführer Bachmann an die Reichsparteileitung). Nachdem die „Ländle“-Großdeutschen innerhalb von sechs Jahren 46 % ihrer Mitglieder verloren hatten, wiesen deren Ortsgruppen 1927 durchschnittlich noch etwas mehr als 120 Personen auf (vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 35 / R I – 12: Brief vom 13. Juni/Juli 1927 von Vorarlbergs großdeutschem Landesparteiobmann Zumtobel an die Reichsparteileitung). Die Zahlen der „Grünen“ fallen vergleichsweise bescheiden aus: Für Mitte 1921 ist bei ihnen von einer Durchschnittsgröße der Ortsgruppe von annähernd 50 Personen auszugehen (vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 10. Februar 1922, S. 2). Im Juli 1927 war eine Ortsgruppe des Landbundes in Vorarlberg knapp 30 Mitglieder stark (vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich, 23. Juli 1927, S. 5). Bei letzterer Zahl gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass sich die „grüne“ Landespartei nur wenige Monate davor neu konstituiert hatte, die Ortsvereine daher erst kurz zuvor aus der Taufe gehoben worden und damit noch im Aufbau begriffen waren. In der Folge wird sich deren Durchschnittsgröße deutlich gesteigert haben. 423 vgl. Vogel, Bernd, Die „Blauen“ der Zwischenkriegszeit, S. 70 – 73 424 vgl. ebenda, S. 56 f 68 | Deutschnationalismus in Vorarlberg eingingen, beim Landbund über jenem der Großdeutschen lag. Dies wiederum erhöhte für die „Grü- nen“ die Chance, in Kleingemeinden mit nur wenigen, ihnen grundsätzlich geneigten Einwohnern, die für die Gründung einer Ortsgruppe notwendige Zahl von zehn Personen425 zu erreichen. Dass so mancher tatsächlich der Serviceleistungen wegen dem Landbund beitrat, musste die Orts- gruppe Schlins erfahren. Bei der Nationalratswahl 1923 hatten etliche ihrer Mitglieder samt deren Angehörigen für die Christlichsozialen votiert. Der Landbund warf diesen deswegen vor, nur die „allfällig(n) Früchte“ der Mitgliedschaft „einheimsen“ zu wollen. An deren Adresse erging die Auf- forderung zum Austritt.426

Der nach den Landtags- und Nationalratswahlen 1923 einsetzende Niedergang des Landbundes wird auch bei seinen Ortsgruppen deutliche Spuren hinterlassen haben. Infolge Mitgliederverluste dürfte manch kleinere Ortsgruppe nicht zu halten gewesen sein. Auch die Gründung von Ortsver- einen kam beim Vorarlberger Landbund weitgehend zum erliegen. Belegt sind solche nur mehr für Gisingen im Winter 1923/1924427 und Thüringen im April 1926428. Zudem soll sich die Ortsgruppe Feldkirch-Tisis des Vorarlberger Bauernbundes Anfang 1926 kurzerhand von der christlichsozialen Bauernorganisation abgespalten und dem Land bund angeschlossen haben.429

4.2.2 Organisatorische Hüllen

Anfang 1927 erfolgte die Spaltung des Vorarlberger Landbundes. Die „grünen“ Ortsvereine lagen danieder. Mitte gleichen Jahres gingen die „gesinnungstreuen Landbündler“ daran, dies zu behe- ben. Es erfolgten Neugründungen von Ortsgruppen. Die Stimmungslage hierfür war günstig: In den Reihen des Landbundes herrschte – zurückzuführen auf ein „Jetzt-erst-Recht-Gefühl“ in Reaktion auf die Ungereimtheiten bei der Aufl ösung der alten „Grünen“-Partei – ein hoher Grad an Mobili- sierung vor. In Meiningen etwa stieß eine Versammlung, in der über die Zukunft der dortigen Land- bund-Ortsgruppe entschieden werden sollte, auf derartiges Interesse, dass sämtliche Räume des Gasthauses „Adler“ überfüllt waren. Die dort Anwesenden stimmten für einen Verbleib beim Land- bund430 und damit die Neukonstituierung des „grünen“ Ortsvereins. Ein solcher Neustart wird dem Landbund allerdings nicht in sämtlichen Gemeinden mit ehemals „grünen“ Ortsgruppen gelungen sein. Der politische Kampf der Christlichsozialen gegen den Landbund, der nach den Ereignissen vom Frühjahr 1927 verstärkt einsetzte, stand dem ebenso entgegen wie der Landesbauernbund als neuer, starker Konkurrent. Dessen Konstituierung hinterließ Lücken in den „grünen“ Reihen – auch

425 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 22. Mai 1930, S. 12 und Land- post, 7. Jänner 1933, S. 8 426 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 26. Oktober 1923, S. 3 427 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 18. Jänner 1924, S. 3 428 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes und der Vereinigten Bauern- und Landvolk-Partei, 9. April 1926, S. 6 429 vgl. ebenda, 5. Februar 1926, S. 4 430 vgl. ebenda, 18. Juni 1927, S. 4 4. Die Organisation | 69

in deren Führungsriege. Mit Christian Stooß431 , Gebhard Niederer 432 und Urban Nasahl433 kehrten ehemalige Land- bund-Spitzenrepräsentanten den „Grünen“ zugunsten des Landesbauernbundes den Rücken. Die beiden Letztge- nannten wurden dort sogleich mit führenden Positionen betraut434.

Bis zum ersten Landesparteitag am 10. Juli 1927 gelang es dem neuformierten Landbund, zehn Ortsgruppen zu konstituieren: Dornbirn, Tisis, Rankweil, Meiningen, Wei- ler, Schruns435 , Bürs , Schlins , Klaus und Sulz -Röthis436 . In diesem Neustart spiegelt sich die regional unterschiedlich starke Verankerung der „Grünen“ früherer Jahre wider. Das Vorarlberger Oberland bildete wiederum den Schwerpunkt. In ihrem organisatorischen „Sorgenbezirk“ Bregenz war es den Landbündlern dagegen bis dahin nicht gelungen, einen Abb. 4: Christian Stooß, Landesparteiob- Ortsverein zu revitalisieren. Weitere Ortsgruppengründun- mann 1921 bis 1927 (Vorarlberger Lan- desbibliothek, Fotosammlungen) gen vollzogen sich in kurzer Abfolge. Im August 1927 kam es im Montafon zum Aufbau von Ortsvereinen in Bartholo- mäberg437 , St. Anton , Vandans und St. Gallenkirch438 . Ebenfalls zu dieser Zeit wurde in Nofels eine

431 Stooß stand Vorarlbergs „grüner“ Landespartei – wie bereits erwähnt – von Jänner 1921 bis Jänner 1927 vor. Überdies zog er nach der Wahl vom Oktober 1923 in den Landtag ein. 432 Niederer führte 1922 den Presseausschuss des Vorarlberger Landbundes. Im Jänner 1927 wählten ihn die Delegierten zum Nachfolger von Stooß an der Spitze der Landesorganisation. Mitte Februar 1927 war die Annahme der Wahl durch Niederer jedoch immer noch ausständig (vgl. Bauernblatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 7. Juli 1922, S. 2 und Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich (Landesorganisation Vorarlberg), 12. Februar 1927, S. 5). 433 Für Nasahl ist belegt, dass er Mitte 1919 dem „Unabhängigen Bauernbund des Vorarlberger Oberlandes“ vorstand. Bis zur Abspaltung eines Teils des Landbundes Anfang 1927 fungierte er für etwas mehr als zwei Jahre als dessen Landesgeschäftsführer (vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 2. Mai 1919, S. 1 und Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich, 4. Juni 1927, S. 1). 434 Die Delegierten stellten dem neuen Obmann des Landesbauernbundes, Ulrich Ilg, neben dem christlichso- zialen Landtagsabgeordneten Johann Müller auch Gebhard Niederer als Stellvertreter zur Seite. Nasahl, von denjenigen, die den Landbund weiterführten, später als „einer der erbärmlichsten Überläufer“ bezeichnet, wurde zum ersten Sekretär des Landesbauernbundes (vgl. Vorarlberger Landstimmen, 22. Mai 1927, S. 9; Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich, 4. Juni 1927, S. 1 und Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes für Oesterreich, 3. März 1928, S. 1). 435 Zum Zeitpunkt, wann die Landbund-Ortsgruppe Schruns gegründet wurde, gibt es unterschiedliche Infor- mationen. Laut dem von Landessekretär Kraus im Juli 1927 auf dem Landesparteitag erstatteten Bericht soll der Ortsverein zu diesem Zeitpunkt schon konstituiert gewesen sein. Anderenorts ist zu lesen, dass sich die Gründung der Ortsgruppe Schruns im Anschluss an eine im August 1927 abgehaltene Bezirkstagung vollzogen haben soll (vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich, 23. Juli 1927, S. 5 und 10. September 1927, S. 2). 436 vgl. ebenda, 23. Juli 1927, S. 5 437 vgl. ebenda, 10. September 1927, S. 2 438 vgl. ebenda, 3. September 1927, S. 4 70 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Ortsgruppe des Landbundes aus der Taufe gehoben439. Schwarzach folgte im September 1927. Hier bewegte Landessekretär Kraus die Anwesenden mit einer Rede über die Ziele, aber auch die vom Landbund offerierten Serviceleistungen, zur Gründung eines Ortsvereins440 – dem ersten im Bezirk Bregenz. Ihm folgten jene in Rieden-Vorkloster 441 und Fluh442 . Weitere Neugründungen von „grünen“ Ortsvereinen erfolgten in Göfi s 443, Batschuns 444 und Zwischenwasser445 . Zudem ist für Dezember 1927 die Existenz einer Ortsgruppe des Landbundes in Gaschurn belegt.446 Bis Ende 1927 sind 22 Neugründungen von Ortsvereinen überliefert. Zudem führten Versammlungen des Landbundes im November des selben Jahres in Wolfurt und Frastanz zur Bildung von Ausschüssen. Deren Aufgabe war es, dem Landbund in den beiden Gemeinden den Weg zu neuen Ortsvereinen zu ebnen447. In Nenzing kam man im gleichen Monat überein, die Gründung einer „grünen“ Ortsgruppe in einer späteren Zusammenkunft erfolgen zu lassen448.

Diese rasante Entwicklung fand alsbald ein Ende. Weder der für den Landbund positive Ausgang der Landtagswahl im März 1928 noch der zwei Monate später abgehaltene und aus seiner Sicht rund- weg zufriedenstellend verlaufende Landbundtag mit angeblichem „Massen besuch“449 vermochten daran Entscheidendes zu ändern. Dem „grünen“ Ortsverein Hohenweiler , aus der Taufe gehoben im Februar 1928450, folgte in der zweiten Maihälfte desselben Jahres die Ortsgruppengründung in Lauterach 451. Danach sollte es ein halbes Jahr dauern, ehe mit dem Ortsverein „Rheindelta “ – dieser umfasste die Gemeinden Höchst , Gaißau und Fußach – der nächste „Grünen“-Stützpunkt entstand.452 Bis Ende 1928 hatte der Landbund an die 30 Ortsgruppen neu gegründet – im Vergleich zur politi- schen Konkurrenz eine Zahl, die sich sehen lassen konnte: Die Großdeutschen waren 1927 in elf Gemeinden mit Ortsgruppen vertreten, davon in neun sowohl mit einem Männer- als auch Frau- enverein. 1931 gelang es ihnen in zwei weiteren Gemeinden, Ortsvereine zu installieren453. Die Vorarlberger Sozialdemokratie wies eine ähnliche Ortsgruppendichte wie der neuformierte Land- bund auf. 1927 verfügte sie über 26 Lokalorganisationen, 1930 waren es deren 30 – im Gegensatz zum Landbund allerdings angesiedelt in Vorarlbergs bevölkerungsreicheren Orten454. Der CSP als

439 vgl. ebenda, 6. August 1927, S. 9 440 vgl. ebenda, 24. September 1927, S. 4 441 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes für Oesterreich, 5. November 1927, S. 4 442 vgl. ebenda, 19. November 1927, S. 5 443 ebenda 444 vgl. ebenda, 10. Dezember 1927, S. 4 445 vgl. ebenda, 7. Jänner 1928, S. 4 446 vgl. ebenda, 31. Dezember 1927, S. 3 447 vgl. ebenda, 19. November 1927, S. 5 und 10. Dezember 1927, S. 4 448 vgl. ebenda, 10. Dezember 1927, S. 4 449 vgl. ebenda, 26. Mai 1928, S. 4 450 vgl. ebenda, 25. Februar 1928, S. 1 451 vgl. ebenda, S. 8 452 vgl. ebenda, 8. Dezember 1928, S. 4 453 vgl. Vogel, Bernd, Die „Blauen“ der Zwischenkriegszeit, S. 50 – 52 und 60 – 62 454 vgl. Dreier, Werner, Vorarlberger Arbeiterbewegung 1918 – 1934, S. 169 4. Die Organisation | 71

Mehrheitspartei im Land gelang es diese Zahl nur geringfügig zu überbieten. 1923 in lediglich 19 Gemeinden mit einer Ortsgruppe vertreten, verfügte sie 1932 über 36 von ihnen455.

An der Zahl der Stützpunkte gemessen, hatte der Landbund damit abermals ein für Vorarlberger Verhältnisse beeindruckendes Ortsgruppennetz geschaffen. Vergleichsweise wenig beein druckend war allerdings der Zustand, in dem sich einzelne dieser Ortsvereine befanden: Mehrere der Land- bund-Ortsgruppen stellten nach ihrer Gründung kaum mehr als organisatorische Hüllen ohne be- deutsame Aktivitäten dar. In Dornbirn dauerte es über ein Jahr, ehe eine der größten Ortsgruppen des Landbundes im „Ländle“ eine „besondere Tätigkeit“ zu entfalten begann456. Die näherrücken- den Gemeinderatswahlen im Februar 1929 werden sie dazu veranlasst haben. Anderen „grünen“ Ortsvereinen, die mehr als nur anstehenden Wahlen zur Aktivierung bedurften, empfahl Stefan Gut, Obmann der Bezirksorganisation Feldkirch, Kooperationen einzugehen. Nach dem Vorbild der Ortsgruppen Bregenz und Dornbirn sollten Arbeitsgemeinschaften eingerichtet, derart eine inten- sivere Werbetätigkeit und damit Stärkung der Ortsgruppen erreicht werden457. Inwieweit diesem Ratschlag nachgekommen wurde, ist nicht bekannt. Sicher dagegen ist, dass es dem Landbund über die Jahre hinweg nicht gelang, alle seine Ortsvereine zu halten. Einige nach der Spaltung des Landbundes neu gegründete Ortsgruppen hatten in späteren Jahren neuerlich konstituiert zu werden, etwa Lauterach458 , Schwarzach459 und Vandans460 . Auch in Hard sahen sich die Landbündler dieser Aufgabe gegenüberstehen. Deren Bewältigung erwies sich freilich als schwierig: Im August 1933 fassten sie den Beschluss, den „grünen“ Ortsverein wieder zu errichten461 – allerdings ohne unmittelbare Konsequenz. Drei Monate später war es noch immer nicht mehr als die Hoffnung auf eine baldige Ortsgruppengründung, der Hards Landbündler Ausdruck verleihen konnten462.

Trotz eines vergleichsweise gut ausgebauten Ortsgruppennetzes zeigte sich der Landbund damit nicht gänzlich zufrieden463. Für den Herbst 1929 kündigte die Bezirksleitung Dornbirn „rege Arbeit“ an. Die daran geknüpfte Hoffnung auf Gründung neuer Ortsgruppen464 erfüllte sich im Februar 1930. Anfang des Monats erfolgte die Neukonstituierung von Landbund-Stützpunkten in Lustenau und

455 vgl. Wanner, Gerhard, Vorarlberger Zeitgeschichte, S. 36 456 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes für Oesterreich, 14. Februar 1929, S. 5 457 vgl. ebenda, 30. Jänner 1930, S. 11 458 vgl. Landpost, 24. August 1933, S. 12 459 vgl. ebenda, 28. Jänner 1933, S. 8 und 2. November 1933, S. 11 460 vgl. ebenda, 11. Mai 1933, S. 8 461 vgl. ebenda, 24. August 1933, S. 12 462 vgl. ebenda, 23. November 1933, S. 12 463 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes für Oesterreich, 7. März 1929, S. 6 464 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 17. Oktober 1929, S. 1 72 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Hohenems. In beiden Fällen war es Johann Rick465 , der die notwendigen Vorarbeiten geleistet hat- te.466 Nur wenige Tage später entstand ein Ortsverein in Nenzing - Beschling467 . Ende März 1930 stellte die Landesparteileitung bei ihren Ortsgruppen eine numerische Zunahme fest. Diese Entwicklung würde trotz „christlichsozialen Verleumdungsfeldzuges“ vonstatten gehen, so deren Einschätzung. Zudem diskutierte das Gremium zielführende Strategien für die Gründung weiterer Ortsvereine.468 Im Mai 1930 erfolgte die Ankündigung von mehreren Ortsgruppengründun- gen.469 Belege dafür, dass diese tatsächlich stattfanden, liegen jedoch nicht vor. Auch der günstige Ausgang der Nationalratswahl im November 1930 mit dem Einzug von Adolf Peter ins Haus am Ring löste die bereits mehrere Monate währende Stagnation bei Vorarlbergs „Grünen“ nicht auf. Stattdessen wirkte sich die schwierige Wirtschaftslage zu Beginn der 1930er Jahre „lähmend und drückend“ auf deren organisatorische Tätigkeit aus470. Eine Entwicklung wie in anderen Bundes- ländern, wo die „Grünen“ in dieser Phase angeblich Zuwächse an Ortsgruppen verzeichneten471, vollzog sich in deren westlichster Landesorganisation damit nicht. Dem Landessekretariat unter Führung Feldkirchers gelang es nicht, dieser Stagnation entscheidend entgegenzuwirken. Die Ende 1932 erfolgte Abberufung Feldkirchers und die gleichzeitige Änderung der Organisationsstruktur beim Vorarlberger Landbund sind als Reaktion darauf zu verstehen. Die Gründung von Ortsgruppen oblag fortan einer Geschäftsstelle in Dornbirn . Obwohl zu dieser Zeit politisch schon deutlich in die Defensive gedrängt, gelang es den „Grünen“ derart 1933 noch zwölf Ortsvereine zu gründen.472 In deren überwiegender Zahl fanden diese an Standorten statt, die in früheren Jahren bereits Ortsgruppen des Landbundes aufzuweisen gehabt hatten. Im Spätherbst 1933 rief die Landesparteileitung zur Konstituierung weiterer Ortsvereine auf.473 Die Wirkung blieb aus. Für 1934 sind keine Ortsgruppenneugründungen belegt.

4.3 DIE BEZIRKSORGANISATION

Bis Mitte 1920 war die Tätigkeit des UBB weitestgehend auf den Bezirk Bludenz beschränkt. Am 6. Juni 1920 fassten die „Grünen“ den Entschluss zur Expansion auf das ganze Landesgebiet. Zu- gleich sprach sich die Delegiertenversammlung für die Bildung von „Gauverbänden“474 aus475. Die

465 Johann Rick stand der „grünen“ Ortsgruppe Dornbirn in der schwierigen Phase der Spaltung des Landbun- des im Jahr 1927 als Obmann vor. Des Weiteren war er für „seinen“ Ortsverein als Mitgliederkassier tätig (vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich, 16. April 1927, S. 2 und 10. September 1927, S. 1; Landpost, 12. März 1932, S. 2). 466 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 6. Februar 1930, S. 12 f 467 vgl. ebenda, 20. Februar 1930, S. 12 468 vgl. ebenda, 3. April 1930, S. 12 469 vgl. ebenda, 22. Mai 1930, S. 12 470 vgl. Landpost, 12. März 1932, S. 2 471 Auf dem Bundesparteitag berichtete der Bundesgeschäftsführer von einer in „allen Bundesländern“ steigen- den Zahl von Ortsgruppen (vgl. Landpost, 9. Mai 1931, S. 1). Für Vorarlberg liegt aber kein Hinweis auf eine solche Entwicklung vor. 472 vgl. Landpost, 28. Dezember 1933, S. 7 473 vgl. ebenda, 16. November 1933, S. 12 474 In den Anfängen fi rmierten die Bezirksorganisationen unter dieser Bezeichnung. Deren jeweiliges Spitzen- gremium hieß „Gauleitung“. 475 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 11. Juni 4. Die Organisation | 73

Weichen in Richtung dreier Bezirksorganisationen – Bludenz, Feldkirch und Bregenz – waren damit gestellt. Am 12. August 1920 fand die letzte gemeinsame Delegiertenversammlung der Bezirke Bludenz und Feldkirch statt. In deren Verlauf kam es zur Wahl eines drei Personen umfassenden Komitees für den Bezirk Feldkirch. Diesem fi el die Aufgabe zu, die erste Zusammenkunft der „grünen“ Be- zirksorganisation Feldkirch vorzubereiten. Zehn Tage später, am 22. August 1920, wurde diese Ver- sammlung im Rankweiler Gasthaus „Zum Schäfl e“ abgehalten. Aus der Wahl für die neue, vorerst noch als „provisorisch“ bezeichnete Bezirksleitung ging Alexander Summer aus Klaus als Obmann hervor. Die Feldkircher Bezirksleitung umfasste insgesamt neun Männer. Bis zur Wahl eines Spitzengremiums für den nunmehr landesweit agierenden VUBB im Jänner 1921 war sie der bestehenden „Bundesleitung“ des Oberlandes als Ergänzung zugeteilt.476 Im Vergleich zur Konstituierung der Bezirksor- ganisation Feldkirch dürfte sich jene im Bezirk Bregenz schwieriger gestaltet und langsamer vollzogen haben. Während in den Bezirken Blu- denz und Feldkirch die Kandidatenfrage für die im Oktober 1920 anstehende Nationalratswahl thematisiert wurde, war von Bregenz hierzu nichts zu vernehmen. Die von den Feldkircher Bezirksdelegierten artikulierte Hoffnung, ihre Bregenzer Kollegen würden noch rechtzeitig Kandidaten benennen477, erfüllte sich nicht. Der VUBB trat zur Nationalratswahl 1920 – wie auf nebenstehendem Stimmzettel478 zu sehen – mit Abb. 5: Stimmzettel zur Nationalratswahl 1920 (Bau- jeweils zwei Kandidaten aus den Bezirken Blu- ernblatt, 8. Oktober 1920, S. 2) denz und Feldkirch an479.

Im der Folge erwies sich die Aufteilung in drei Bezirksorganisationen als zu grobgliedrig, die Impul- se, die von den einzelnen Bezirksleitungen ausgingen, als zu schwach. Insbesondere die Zusam- menarbeit zwischen den einzelnen Ortsgruppen erschien verbesserungswürdig. Mit der Erwartung, auf diese Weise eine solch engere Kooperation der Ortsvereine bewerkstelligen zu können, ent- schloss sich der Vorarlberger Landbund im Jänner 1923 zur Unterteilung des „Ländles“ in sieben

1920, S. 1 476 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 20. August 1920, S. 2 und 3. September 1920, S. 3 477 vgl. ebenda, 27. August 1920, S. 1 478 Der Stimmzettel, der ein Votum für den Landbund ermöglichte, war beim „grünen“ Ortsgruppenobmann oder direkt im Wahllokal zu erhalten. Daneben stand es jedermann frei, diesen selbst zu schreiben. Bezüglich Ausführung wies das Bauernblatt darauf hin, dass der Stimmzettel – um als gültig anerkannt zu werden – aus „weißem Papier, nicht Pappendeckel“ und mit Tinte „deutlich, leserlich und säuberlich“ beschriftet sein müsse. 479 vgl. ebenda, 8. Oktober 1920, S. 2 74 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Bezirksorganisationen. Neben dem Montafon , dem Walgau , dem Vorder - und Unterland war auch für das Rheindelta, den Vorder- wie auch Hinterwald der Aufbau einer eigenen Bezirksorganisation vorgesehen. Der genaue Grenzverlauf der „grünen“ Bezirke bleibt indes unklar. So wurde die Ein- teilung in die Bezirke Unterland und Rheindelta zwar beschlossen – deren organisatorische Umset- zung dürfte aber ausblieben480, stattdessen eine größere Organisationseinheit geschaffen worden sein. Die landbündlerischen Bezirksorganisationen Montafon, Walgau und Hinterwald existierten dagegen tatsächlich. Beim „Bezirk Feldkirch “ – so genannt vom „grünen“ Parteiblatt481 – wird es sich um jene im Beschluss vom Jänner 1923 als „Bezirk Vorderland“ bezeichnete Organisationsein- heit gehandelt haben. Wie es um die Bezirksorganisation Vorderwald bestellt war, lässt sich kaum sagen. Nur soviel: Im April 1925 mussten Vorarlbergs Landbündler konstatieren, im Bezirk Bregenz nur über eine „zurückge bliebene Organisation“ zu verfügen482.

Auf den Aufl ösungsbeschluss des Vorarlberger Landbundes von Ende Jänner 1927 folgte alsbald die Konstituierung des „Österreichischen Landbundes, Landesorganisation Vorarlberg“. Damit einher ging ein Neuanfang auch im Bereich der Bezirksorganisationen. Dabei war es an Landes- sekretär Kraus , unterstützt vom Nationalratsabgeordneten Zangel , die Neubildung der Bezirksor- ganisationen zu bewerkstelligen483. Laut Organisationsstatut kam den Bezirksorganisationen die Aufgabe zu, Ortsgruppen zu gründen und mit diesen zusammen eine rege Tätigkeit zu entfalten. Des Weiteren war darin festgelegt, dass die Ausdehnung jeder Bezirksorganisation dem Gebiet eines Gerichtsbezirks entsprechen sollte.484 Bei den Bezirksorganisationen Bludenz, Montafon, Feldkirch und Dornbirn wurde der letztgenannten Bestimmung entsprechend vorgegangen – nicht so im Fall des politischen Bezirks Bregenz. Eine Unterteilung entsprechend den Gerichtsbezirken Bregenz und Bregenzerwald fand nicht statt. Die „grüne“ Bezirksorganisation Bregenz umfasste den ganzen po- litischen Bezirk. Die Erfahrung früherer Jahre, in dieser Region nur schwer Fuß gefasst zu haben, wird den Vorarlberger Landbund hierzu bewogen haben. Auch die damit einhergehende Konse- quenz, für den organisatorischen Neubeginn dort nur wenige Anknüpfungspunkte vorzufi nden, legte eine solche Vorgehensweise nahe. Anzeichen dafür, dass sich die „grüne“ Organisationsschwäche im Bezirk Bregenz auch nach der Reorganisation fortsetzen würde, traten sogleich zu Tage. Auf dem Landesparteitag Mitte Juli 1927 kam es für vier der fünf Bezirke zur Wahl von je zwei Beisitzern. Die Ausnahme: der Bezirk Bregenz. Mit deren Vertretern war es den „grü nen“ Landespolitikern bis dahin noch nicht einmal gelungen, Kontakt aufzunehmen.485 Zwischen Mitte August und Anfang September 1927 konstituierten sich die Bezirkspartei leitungen Bludenz , Montafon , Feldkirch und Dornbirn neu. An die Spitze der Bezirksorganisation Bludenz wur- de der Bludenzer Christian Zech gewählt, an jene des Montafons Emil Battlogg aus St. Anton. Der

480 Im März 1923 ist im Presseorgan des Vorarlberger Landbundes von einem „Bezirk Dornbirn“ mit den Orts- gruppen Hohenems, Dornbirn, Lustenau, Rheindelta, Schwarzach, Wolfurt, Alberschwende und Bildstein zu lesen (vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 9. März 1923, S. 3). Im Februar fol- genden Jahres wird von einem „Bezirk Unterland“ gesprochen, der die Region „Hohenems abwärts inklusive Rheindelta“ umfasste (vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 1. Februar 1924, S. 2). 481 vgl. ebenda 482 vgl. ebenda, 24. April 1925, S. 1 483 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich, 4. Juni 1927, S. 1 484 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 17. Oktober 1929, S. 11 485 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich, 16. Juli 1927, S. 2 4. Die Organisation | 75

Bezirksorganisation Feldkirch stand nunmehr der Tisner Stefan Gut vor, Dornbirn der in der Dornbir- ner Hinterachmühle wohnhafte Franz Josef Wohlgenannt. 486 Die Bezirksleitung Bregenz konstituier- te sich erst zu einem späteren Zeitpunkt. Das genaue Datum ist nicht bekannt. Informationen über von den Bezirksorganisationen in den folgenden Jahren geleistete Arbeiten lie- gen nur spärlich vor. In manchen Fällen gingen von ihnen Impulse aus. So erfolgte im Anschluss an einen Montafoner Bezirksparteitag die Gründung der Ortsgruppen Schruns und Bartholomäberg487 . Die Bezirksleitung Dornbirn initiierte – wie bereits erwähnt – die Ortsgruppengründungen in Lus- tenau und Hohenems 488. Zudem luden die Bezirksorganisationen über die Jahre hinweg zu einer Vielzahl von Versammlungen ein. Alleine im Zeitraum von März 1931 bis März 1932 fanden neun parteiinterne Zusammenkünfte der Bezirksorganisationen statt489. Daneben organisierten die Be- zirksparteileitungen im gleichen Zeitraum zehn öffentliche Versammlungen. Jede der fünf Bezirks- organisationen veranstaltete innerhalb dieses einen Jahres zumindest eine parteiinterne sowie öffentliche Veranstaltung. In dieser Hinsicht am aktivsten war der Bezirk Dornbirn – von ihm wurde zu drei parteiinternen und fünf öffentlichen Versammlungen geladen490. Klagen über die Inaktivität „grüner“ Bezirksorganisationen sind nicht überliefert. Als Indiz für eine gewisse Zufriedenheit mit diesen Organisationseinheiten ist es zu werten, dass die mit der Neu- formierung der „Grünen“ 1927 erfolgte Gliederung Vorarlbergs in fünf Bezirksorgani sationen bis zum Ende unverändert blieb491. Ein letztes Mal traten die Bezirksorganisationen des Vorarlberger Landbundes im Februar 1934 in Erscheinung: Auf den 4. des Monats beriefen die Bezirksorganisa- tionen Bludenz und Feldkirch , auf den 11. Februar jene des Bezirks Montafon §2-Versammlungen ihrer Vertrauensmänner ein. Nationalrat Peter zeichnete dabei ein Bild der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage. Seine Rede wollten die „Grünen“ als deutliches Zeichen für die starke Verankerung der nationalen Einstellung in der Vorarlberger Bevölkerung verstanden wissen492. Die Absicht, mit diesen Zusammen künften die eigenen Funktionäre zum Durchhalten zu ermuntern, ist offenkundig. Rund dreieinhalb Monate später war der Landbund als politische Partei Geschichte.

4.4 DER JUNGLANDBUND

Kärnten und die Steiermark waren Vorreiter bei der organisierten Erfassung landbündlerisch ge- sinnter Jugendlicher. Dort wurden bereits unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Monarchie „grüne“ Jugendorganisationen initiiert. In Oberösterreich konstituierten sich erste Ortsgruppen der

486 vgl. ebenda, 3. September 1927, S. 4 und 10. September 1927, S. 1 f 487 vgl. ebenda, 10. September 1927, S. 2 488 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 6. Februar 1930, S. 12 f 489 Neben einer Bezirkstagung in Schruns trafen sich die Vertrauensmänner des Landbundes zu acht Bezirks- versammlungen. 490 vgl. Landpost, 19. März 1932, S. 2 491 Dass im „Landbundkalender für das Jahr 1933“ mit Josef Mathis , Stefan Gut , Franz Josef Wohlgenannt und Johann Georg Gmeiner nur die Obmänner der Bezirksorganisationen Montafon, Feldkirch, Dornbirn und Bregenz aufgelistet sind, jener des Bezirks Bludenz jedoch nicht aufscheint (vgl. Landbundkalender für das Jahr 1933, S. 129), vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Für die Jahre 1932 bis 1934 sind von der Bezirksorganisation Bludenz organisierte Versammlungen belegt (vgl. Landpost, 28. Mai 1932, S. 2; 4. März 1933, S. 7 und 8. Februar 1934, S. 11). 492 vgl. Landpost, 8. Februar 1934, S. 11 76 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Landjugend 1924. Am 16. November 1927 erfolgte die Gründung einer über die Bundeslandgrenzen hinausreichenden Dachorganisation, des „Österreichischen Junglandbundes“.493 Beim „Österreichischen Junglandbund“ handelte es sich gemäß Statuten um einen unpolitischen Verein. Die Mitgliedschaft war unbescholtenen Personen beiderlei Geschlechts mit arischer Her- kunft und christlicher Gesinnung vorbehalten. Aufnahme fanden Jugendliche ab dem vollendeten 16. Lebensjahr. Der Zweck des Junglandbundes bestand darin, „die Belange der Landjugend zu fördern, sie in allen Lagen des Lebens zu beraten und in berufl icher, sittlicher, völkischer und körper- licher Hinsicht zu heben, um der Landbevölkerung einen tüchtigen Nachwuchs zu sichern.“494 Durch wirtschaftliche Betätigung, heimatliche und nationale, volksbildende wie auch körperausbildende Tätigkeiten glaubte man solches erreichen zu können. An alten Sitten und Bräuchen sollte festge- halten, das deutsche Volkslied gepfl egt werden.495 „Modetorheiten der Neuzeit“ und „unsittliche Negertänze“ galten im Gegen satz dazu als verpönt. Auch der Kampf gegen den übermäßigen Kon- sum von alko holischen Getränken und jede Art von Rauschgift wurde ausgerufen.496 Zur Hebung der Volksbildung wollte der Junglandbund mit eigenen Bibliotheken, einem mannigfachen Kurs- angebot sowie Lehrausfl ügen beitragen. Daneben sollte auch die Körperertüchtigung nicht zu kurz kom men. Von den Junglandbündlern als „volkstümlich“ eingestufte Sportarten wie Turnen, Reiten, Schwimmen, Ski laufen, Rodeln, Kegeln, Schießen oder Wandern standen hoch im Kurs.497 Zu deren Förderung sah sich der Junglandbund in der Pfl icht, Sportriegen zu gründen.498

Bei der Jugendrekrutierung, wie von Großdeutschen und Landbündlern vorgenommen, treten au- genscheinliche Unterschiede zu Tage. Die großdeutsche Jugendorganisation Deutscher Jugend- bund „Volksgemeinschaft“ war Mitte der 1920er Jahre in sieben der neun Bundesländer vertreten – nicht so in Tirol und Vorarlberg499. Im „Ländle“ war die Organisation nicht willkommen. Die Vor- arlberger „Blauen“ stuften sie primär als Konkurrenz und damit Gefahr für die Entwicklung jener deutschnationalen Gruppierungen ein, mit deren Hilfe sie seit Beginn der 1920er Jahre Jugendli- che an sich zu binden versuchten500. Zu diesen Gruppierungen zählten Pfadfi nder, deutschnationale Turnvereine und Mittelschulverbindungen. Auch Ferienheime unter großdeutscher Leitung und von den „blauen“ Frauenvereinen organisierte Kinder- und Jugendveranstaltungen sollten für parteiei- genen Nachwuchs sorgen501. Die damit erzielten Ergebnisse fi elen aber dürftig aus502.

493 vgl. Burkert, Günther R., Der Landbund für Österreich, S. 213 494 VLA, Vorarlberger Landesregierung, Abt. I a (1930), Zl.: 209 495 vgl. ebenda 496 vgl. Landpost, 18. Juni 1932, S. 1 497 vgl. VLA, Vorarlberger Landesregierung, Abt. I a (1930), Zl.: 209 498 vgl. Landpost, 25. Juli 1931, S. 4 499 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 35 / R I – 12: Geschäftsbericht des Großdeutschen Parteivorstands, in: 7. Or- dentlicher Reichsparteitag der Großdeutschen Volkspartei in Innsbruck, 4. bis 6. Juni 1926, S. 5 f 500 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 29 / R I – 2: Stellungnahme Vorarlbergs Großdeutscher zu einem neuen Orga- nisationsentwurf 1927 501 vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 91 – 95 502 Ende 1930 hatte Dr. Helmut Lanzl, Geschäftsführer des „Deutschen Volksvereins“ in Bregenz, zu konstatie- ren, dass es bei den Vorarlberger Großdeutschen „(...) völlig an einer Erfassung der Jugend (fehlt) (...)“ (ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Bericht aus Vorarlberg vom 16. Dezember 1930 von Lanzl ). 4. Die Organisation | 77

Der Vorarlberger Landbund zeigte im Gegensatz dazu bis Ende der 1920er Jahre keinerlei Aktivitä- ten, die primär auf Jugendrekrutierung abzielten. Erste derartige Bestrebungen setzten 1929 ein. Diese sind als Reaktion auf den Aufstieg der Heimwehren zu verstehen. Die „Hahnenschwanzler“ präsentierten sich als unverzichtbarer Schutz gegen die „bolschewistische“ Revolution und einzige Kraft, die Hoffnung auf einen Sieg über die „volksfremden“ Marxisten bot. Diese Selbstdarstellung, gepaart mit massiven Werbeaktionen503, ließ auch militante Jugendliche des Landbundes sich der Heimwehr anschließen504. Die Vorarlberger Landbündler setzten bei ihrem Versuch, Nachwuchs zu rekrutieren, mit dem Junglandbund auf eine parteieigene Jugendorganisation. Vorreiter im „Ländle“ war die Dornbirner Landbundortsgruppe.505 Jakob Himmer , von Beruf Kaufmann, hatte auf seinen Geschäftsreisen in andere Bundesländer den Junglandbund kennen gelernt. Er war es, der die notwendigen Vorarbei- ten leistete. Diese gipfelten am 11. Mai 1929 in der Gründung der ersten Junglandbund-Ortsgruppe Vorarlbergs506. Hierfür hatten sich im Gasthof „Flur“ in Dornbirn rund 70 Personen eingefunden. Unter diesen befand sich auch eine Gruppe junger Leute aus Weiler. Durch den Verlauf der Dorn- birner Gründungsversammlung bestärkt, entschlossen sich diese, am darauf folgenden Tag in ihrer Heimatgemeinde eine solche Ortsgruppe zu konstituieren.507 Nur wenige Tage später, am 20. Mai 1929, wurde in Göfi s die dritte Junglandbund-Ortsgruppe in Vorarlberg aus der Taufe gehoben.508

Im September 1929 schufen sich Vorarlbergs Jung-„Grüne“ eine ortsgruppenübergreifende Struk- tur. Im Zuge der am 8. des Monats in Weiler abgehaltenen Gründungsversammlung kam es zur Wahl der Landesleitung. Aus dieser ging Erich Janner , Vorstand der landbündlerischen Jugendorga- nisation Dornbirn , als Obmann hervor. Ihm zur Seite gestellt wurden Hans Schöch , Göfi s , als erster und der Dornbirner Lothar Scheuermaier als zweiter stellvertretender Ob mann.509 Die Finanzierung des Junglandbundes blieb dagegen über diesen Zeitpunkt hinaus unklar. Auf ei- ner Monatsversammlung der Dornbirner Junglandbündler Ende Oktober 1929 löste der Tagesord- nungspunkt „Mitgliederbeitrag“ eine längere Debatte aus. Erst der Vorschlag des dort anwesenden „Grünen“-Obmanns, dass der Landbund „bis auf weiteres“ für die Finanzierung des Junglandbun- des aufkommen werde, brachte, da Endpunkt der Diskussion, die offenkundig allseits akzeptierte Lösung in dieser Frage. Ebenfalls Ende Oktober 1929 kam es in Tisis zur Konstituierung einer weiteren Ortsgruppe des Junglandbundes. Lorenz Gsteu wurde deren erster Obmann510. Etwas mehr als zwei Monate nach ihrer Gründung, Anfang Jänner 1930, war Tisis mit 22 Mitgliedern die kleinste der vier Vorarlberger Junglandbund-Ortsgruppen. Nur geringfügig größer war Göfi s mit 24 Mitgliedern. Weiler gehörten

503 vgl. Edmondson, C. Earl, Heimwehren und andere Wehrverbände, S. 267 – 270 504 vgl. Pramstrahler, Werner; Ullmann, Iris, Deutschnationale Parteien 1918 – 1934, S. 230 505 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 7. März 1929, S. 7 506 Die Behörde erteilte der Dornbirner Ortsgruppe des Junglandbundes am 20. Juli 1929 die Bewilligung (vgl. VLA, Vorarlberger Landesregierung, Abt. I a (1930), Zl.: 209). 507 Zwischen der Gründungsversammlung der Junglandbund-Ortsgruppe Weiler (vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 16. Mai 1929, S. 12) und deren Bewilligung durch die Behörden am 12. März 1932 (vgl. VLA, Vorarlberger Landesregierung, Abt. I a (1932), Zl.: 705) liegen beinahe drei Jahre. Die Gründe hierfür sind nicht überliefert. 508 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 30. Mai 1929, S. 9 509 vgl. VLA, Vorarlberger Landesregierung, Abt. I a (1930), Zl.: 209 510 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 7. November 1929, S. 13 78 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

38 und Dornbirn 40 Personen an. Insgesamt zählte der Vorarlberger Junglandbund 124 Mitglie- der.511 Das Jahr 1930 brachte eine organisatorische Neuerung mit sich: Im Zuge der ersten Jahreshaupt- versammlung des Junglandbundes Dornbirn – sie fand am 18. Jänner 1930 statt – kam es zur Gründung einer Mädchengruppe. Zu Beginn gehörten dieser 15 Mitglieder an. An dieser ersten Mädchengruppe des Junglandbundes Vorarlberg sollten sich, so der Wunsch der Ver sammlung, die anderen Ortsgruppen ein Beispiel nehmen512 – es blieb beim Wunsch. Gründungen weiterer Mäd- chengruppen sind nicht belegt. Die anderen Ortsvereine wurden weiterhin gemischtgeschlechtlich geführt513.

Im September 1930 organisierten Vorarlbergs Nachwuchs-„Grüne“ – mit Sicherheit unterstützt von Mitgliedern des Landbundes – ihr erstes landesweites Junglandbundtreffen. Austragungs ort war Weiler . Die Festrede hielt Franz Bachinger , Obmann des österreichischen Junglandbundes. Weitere Reden wurden gehalten, das Programm zudem musikalisch und mit, dem ruralen Herkommen wohl der Mehrzahl der Teilnehmer entsprechend, bodenständigen Vorführungen 514 umrahmt. Den Mit- telpunkt dieses515 wie auch der beiden folgenden Vorarlberger Junglandbundtreffen516 bildeten die sportlichen Wettkämpfe. Der Wertschätzung des Junglandbundes für die körperliche Ertüchtigung, die als grundlegend für das von ihm hochgehaltene Ideal der Wehrhaftigkeit des Volkes eingestuft wurde, war damit Rechnung getragen.

Die Entwicklung der „grünen“ Nachwuchsorganisation wurde vorerst uneingeschränkt positiv beur- teilt: Dem „Österreichischen Junglandbund“ soll es mit seinem Spitzengremium und der Geschäfts- führung517 über den guten Kontakt zwischen Bundes- und Landesorganisationen hinaus gelungen sein, auch einen sehr regen Austausch zwischen den einzelnen Bundesländern zu initiieren. Für die Steiermark und Kärnten wird davon gesprochen, dass es durch gute Führung wie auch die von den Heimwehren an den Tag gelegte „zwiespältige(...) Haltung“ gelungen sei, die Landjugend aus deren Verbänden zu lösen. Gleiches soll sich auch in anderen Bundesländern zugetragen haben. Der „grüne“ Jugendbund wurde als Bewegung charak terisiert, die „(...) in allen Bundesländern rege vorwärts schreitet“518 und eine „vorzügliche Entwicklung“ nimmt519. Auch dem Vorarlberger Junglandbund attestierte die parteieigene Presse, „in stetem Wachsen begriffen“ zu sein520.

511 vgl. VLA, Vorarlberger Landesregierung, Abt. I a (1930), Zl.: 209 512 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 30. Jänner 1930, S. 11 513 Ein Indiz dafür liefert die von der Junglandbundortsgruppe Tisis im März 1931 abgehaltene Neuwahl des Vorstandes. Aus dieser ging Anny Graßmair als stellvertretende Schriftführerin und damit Mitglied des Vor- standes hervor (vgl. Landpost, 28. März 1931, S. 4). 514 Als Beispiel sei hier der „Schnitterreigen“ erwähnt, bei dem vier Paare zu Musikbegleitung mit kleinen Sensen und Rechen hantierten. 515 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 25. September 1930, S. 8 516 vgl. Landpost, 30. Mai 1931, S. 3 und 10. September 1932, S. 1 517 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 16. Oktober 1930, S. 9 518 ebenda 519 vgl. Landpost, 9. Mai 1931, S. 1 520 vgl. ebenda, 28. März 1931, S. 4 4. Die Organisation | 79

Trotz solcher Versuche, den Junglandbund stark zu schreiben, durchlief dieser Mitte 1931 eine Krise. Auslöser hierfür waren Streitigkeiten um die Ausrichtung des „Österreichischen Jung landbundes“. Obwohl ihn die Satzungen als unpolitischen Verein auswiesen, war er ins „Kielwasser der Politik“ geraten. Am Ende der Debatte stand das Bekenntnis zur strikten Ablehnung jeglicher Parteipolitik. Für den Fall, dass dieser Pfad nochmals verlassen würde, drohten Teile mit Austritt. Der Jungland- bund sah sich durch diese Vorkommnisse in der Folge genötigt, verstärkt die satzungsmäßig ver- ankerte unpolitische Ausrichtung des Vereins zu betonen. Außerhalb des Vereins stünde es jedem Mitglied des Junglandbundes aber selbstverständlich frei, einer politischen Richtung anzugehören, so die „Grünen“ weiter. Dabei verhehlten sie nicht ihre Hoffnung, einen Teil der Junglandbund- Mitglieder in ihren Reihen begrüßen zu können.521 Konkrete Hinweise darauf, wie sich die Krise im Junglandbund Vorarlberg bemerkbar machte, liegen nicht vor. Immerhin gelang ihm im Herbst 1931 mit der Ortsgruppe Feldkirch eine Neugründung522. Dennoch ist auch im „Ländle“ von einer Stagnation auszugehen. Die vom Obmann des Vorarlberger Landbundes, Adolf Peter, im März 1932 getroffene Einschätzung, wonach in der Jugendbewegung nun wieder „neues Leben pulsiere“523, lässt darauf schließen. In Reaktion auf diese krisenhafte Situation kamen die Teilnehmer einer Vollzugsausschusssitzung Mitte November 1931 überein, auf den Ausbau ihrer Jugendorganisation „besonderes Augenmerk“ zu legen524. Keinen Monat später – am 13. Dezember 1931 – erfolgte die Gründung einer Ortsgruppe des Junglandbundes in St. Gallenkirch. Trotz eines solchen Organisationserfolges: Für ausreichend erachtete der Vorarlberger Landbund seine Jugendarbeit nicht. Auf dem Landesparteitag im März 1932 forderten Einzelne zu verstärkter Nachwuchsarbeit auf525. Wenige Wochen später rief der Vorarlberger Junglandbund sämtliche Mitglieder des Landbundes dazu auf, ihren Nachwuchs bei der „grünen“ Jugendorga- nisation anzumelden. Den Vereinen des Landbundes erklärte man die Konstituierung von neuen Junglandbundortsgruppen quasi zur Pfl icht. Die Durchführung allfälliger Gründungsversammlungen wollte die Geschäftsführung des Junglandbundes übernehmen.526

Diese Appelle verhallten nicht ungehört. Tatsächlich schenkten die Vorarlberger „Grünen“ bis hin zur Vorarlberger Landtagswahl im November 1932 der Entwicklung ihrer Nachwuchs organisation verstärkt ihr Augenmerk. Mehrere Gründe sind hierfür zu nennen, so der Aufstieg der NSDAP so- wie die näherrückende Landtagswahl und die damit einhergehende Gefahr, ohne Mandatsgewinn aus dieser hervorzugehen. Auch den von der „grünen“ Bundespartei seit Anfang 1931 ventilierten Gedanken einer agrarischen Schicksalsgemeinschaft527 gilt es hier anzuführen. Diese „Grüne Front“ sollte auch über Wehrzüge verfügen. In späteren Jahren waren es insbesondere Mitglieder des Junglandbundes, die zur Mitwirkung an diesen Wehrgruppen auf gefordert wurden528. Durch diese Entwicklung kam der Jugendorganisation fortan nicht mehr nur Bedeutung bei der Rekrutierung

521 vgl. ebenda, 27. Juni 1931, S. 3 und 11. Juli 1931, S. 4 522 Die Bildung der Junglandbund-Ortsgruppe Feldkirch wurde von der Behörde mit Datum vom 9. November 1931 nicht untersagt (vgl. VLA, Vorarlberger Landesregierung, Abt. I a (1931), Zl.: 1.943). 523 vgl. Landpost, 12. März 1932, S. 2 524 vgl. ebenda, 27. August 1932, S. 1 525 vgl. ebenda, 19. März 1932, S. 2 526 vgl. ebenda, 16. April 1932, S. 1 527 vgl. ebenda, 2. Jänner 1932, S. 6 528 vgl. ebenda, 8. Juni 1933, S. 4 80 | Deutschnationalismus in Vorarlberg politischen Nachwuchses zu, sondern zudem für die künftige Wehrhaftigkeit des Landbundes in turbulenten Zeiten.

Das Resultat der gesteigerten „Grünen“-Bemühungen: eine zugleich späte als auch bescheidene Blüte des Vorarlberger Junglandbundes. Am 22. Mai 1932 vollzog sich die Gründung einer Orts- gruppe des Junglandbundes in Sulz-Röthis 529 , gefolgt von einer solchen am 9. Juni selben Jahres in Nofels 530. In Schruns wurde eine Ortsgruppe der „grünen“ Jugendorganisation am 14. August 1932 aus der Taufe gehoben. Dieser gehörten 41 Mitglieder an. Am Ende des Monats umfasste der Junglandbund in Vorarlberg zehn Ortsgruppen mit rund 300 Mitgliedern531. Daneben initiierte die Landesleitung für Vorarlbergs Junglandbündler einen Rednerkurs – er soll gut besucht gewesen sein. Die parteieigene Presse stilisierte diesen zu einem „(...) Markstein in der Geschichte der Fortentwicklung unserer Bewegung im Ländle“532 hoch. Die Unterstützung, die der Landbund seiner Jugendorganisation zukommen ließ, soll für deren positive Entwicklung von großer Bedeutung gewesen sein. Insbesondere die Verdienste von Adolf Peter hob man in diesem Zusammenhang hervor533.

Nur wenige Tage nach der Landtagswahl am 6. November 1932 kam es in Fraxern zur Gründung einer „grünen“ Jugendortsgruppe. Auf der am 4. Dezember 1932 abgehaltenen Sitzung des Vor- arlberger Junglandbundes zeigten sich die 20 Delegierten engagiert. Mehrere von ihnen erhoben die Forderung nach Fortbildungsmöglichkeiten – ein Anliegen, das bereitwillig aufgegriffen wurde. Noch für die Wintermonate sicherte das Spitzengremium Vorarlbergs „grüner“ Jugendorganisation zu, derartige Kurse abzuhalten. Auch der am Nachmittag des gleichen Tages einberufene Sport- und Bildungsausschuss kündigte für die nächste Zeit Wettbewerbe, Buchhaltungs-, Zuschneidekur- se und dergleichen mehr an534. Und dennoch: Die Landtagswahl im November 1932 stellte für die Entwicklung des Vorarlberger Junglandbundes eine Zäsur dar: Der bei ihm vor dem Urnengang feststellbare Elan war deutlich abgefl aut. Trotz Zusicherung – für den Winter 1932/1933 ist keiner der angekündigten Kurse be- legt. Auch die Versammlungstätigkeit war rückläufi g. Zudem traten Konfl ikte auf, so im Ortsverein Nofels. Die Ursache für den Streit ist nicht überliefert. Die Wogen dürften allerdings hoch gegan- gen sein. Beirat Ladurner sah sich auf der Hauptversammlung des Nofl er „Grünen“-Nachwuchses veranlasst, zu Einigkeit und Zusammenarbeit aufzufordern. Im Anschluss daran appellierte Organi- sationsleiter Himmer, die Streitaxt zu begraben, am Aufbau der Organisation mitzuwirken und ihm als Kapitän treue Matrosen zu sein535. Speziell der offenkundig für notwendig erachtete Aufruf zur Treue lässt vermuten, dass es hiermit im Junglandbund nicht zum Besten stand. Das Ziel derer, die sich absetzten, liegt nahe: die Nationalsozialisten.

529 Knapp zwei Monate nach der Gründung (vgl. Landpost, 28. Mai 1932, S. 2) kam es am 16. Juli 1932 zur Be willigung der Ortsgruppe durch die Behörde (vgl. VLA, Vorarlberger Landesregierung, Abt. I a (1932), Zl.: 1.456). 530 Die Bildung der Junglandbund-Ortsgruppe Nofels wurde von Behördenseite am 16. Juli 1932 nicht unter- sagt (vgl. VLA, Vorarlberger Landesregierung, Abt. I a (1932), Zl.: 1.457). 531 vgl. Landpost, 27. August 1932, S. 1 532 ebenda, 23. April 1932, S. 1 533 vgl. ebenda, 27. August 1932, S. 1 534 vgl. ebenda, 10. Dezember 1932, S. 2 535 vgl. ebenda, 21. Jänner 1933, S. 8 4. Die Organisation | 81

Neben einem nicht genauer bezifferbaren Mitgliederverlust hatte der Junglandbund zudem mit Aktivierungsproblemen bei den ihm verbliebenen Mitgliedern zu kämpfen. In Reaktion darauf sanktionierte er unentschuldigtes Fernbleiben von einer Vereinsversammlung mit einer Pönale von 50 Groschen536. Größere Einkünfte lukrierte der „grüne“ Jugendbund mit dieser Maßnahme nicht. Der Grund hierfür: Ab Mitte 1933 kam seine Versammlungstätigkeit weitgehend zum erlie- gen. Die Ausnahme dazu bildete die Ortsgruppe Dornbirn . Sie, in deren Händen seit März 1933 die Geschäftsführung des Vorarlberger Junglandbundes lag537, informierte im September 1933 ihre Mitglieder über einen privaten Versammlungsraum, den es zu organisieren gelungen sei. Dort soll- ten allwöchentlich zwei Treffen stattfi nden538. Kurz darauf wurden für jeden Dienstag und Freitag Turn abende sowie regelmäßige samstägliche Zusammenkünfte mit Vorträgen angekündigt. Auch zur Anmeldung zu einem Buchhaltungskurs wurde aufgefordert.539 Daneben lud der Junglandbund Feldkirch-Tisis seine Mitglieder für den 13. Mai 1934 zu einem Wanderausfl ug ein. Der Weg auf das „Hohe Känzele“ und von dort weiter nach Göfi s soll von zahlreichen Teilnehmern in Angriff genommen worden sein. Zudem kündigte die Oberländer Ortsgruppe weitere derartige Wanderun- gen und regelmäßige Turnproben an. Im Herbst sollte überdies ein kleines Sportfest stattfi nden540. Dies blieb bloße Ankündigung. Im gleichen Monat schloss sich der Landbund dem sogenannten „Kampfbündnis“ an. Diese politische Entwicklung ließ die Absichtserklärungen zu reiner Makulatur werden.

4.5 DIE „GRÜNEN“ WEHRFORMATIONEN UND DIE HEIMWEHREN

4.5.1 BUNDESPOLITISCHER ZWIST

Bereits kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges und noch vor Ausrufung der Republik bildeten sich in Österreich erste Wehrverbände. Mit der weiteren Verschärfung ideologischer Gegen sätze gewan- nen sie zunehmend an Bedeutung und wurden zu einem fi xen und prägenden Bestandteil der Ers- ten Republik. Diese tiefgreifende Militarisierung, verknüpft mit der Krise des politischen Systems, spiegelt sich in einem hohen Gewaltpegel wider541. Zwischen dem 12. November 1918542 und 11. Februar 1934543 forderten die gewalttätigen Auseinandersetzungen in folge politischer Gegensätze österreichweit 217 Todesopfer. Zudem trugen 642 Personen schwere Verletzungen davon544. Den vorherrschenden Konfl ikt bildete die Auseinandersetzung zwischen dem sozialdemokratischen „Re- publikanischen Schutzbund“ und den bürgerlichen „Heimwehren“.

536 vgl. Landpost, 8. Juni 1933, S. 4 537 Bis dahin waren die Geschäfte des Junglandbundes von Ludwig Summer, Weiler Nr. 92, geführt worden (vgl. Landbundkalender für das Jahr 1933, S. 130). 538 vgl. Landpost, 14. September 1933, S. 14 539 vgl. ebenda, 28. September 1933, S. 12 540 vgl. ebenda, 24. Mai 1934, S. 11 541 vgl. Hanisch, Ernst, Der lange Schatten des Staates, S. 287 f 542 An diesem Tag wurde in Österreich die Republik ausgerufen. 543 Dabei handelt es sich um den Tag vor Ausbruch des Bürgerkriegs in Österreich. 544 vgl. Botz, Gerhard, Gewaltkonjunkturen, Arbeitslosigkeit und gesellschaftliche Krisen, S. 340 82 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Der Landbund unterhielt über viele Jahre hinweg keine eigene Wehrorganisation. Stattdessen pfl egte er eine korrekte, zum Teil sogar ausgesprochen gute Beziehung zur Heimwehr. Nach den Ju- liunruhen 1927 traten die erstarkten „Hahnenschwanzler“ selbstbewusster und radikaler auf. Der Landbund ging daraufhin zunehmend auf Distanz zur Wehrformation. Ein Grund dafür: das schwieri- ge Verhältnis zwischen Innenministerium und Heimwehr. Vom 19. Mai 1927 bis 30. September 1930 standen die Landbundpolitiker Hartleb und Schumy dem Innenressort vor. Damit waren sie für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung innerhalb der Staatsgrenzen verantwortlich. Von Amts wegen sahen sie sich immer wieder dazu verpfl ichtet, der Wehrorganisation mit ihren „leiden- schaftlichen Soldaten- und Bürgerkriegsspielerei(en)“ Grenzen zu setzen. Daneben trugen auch grundsätzliche Ausrichtungsunterschiede545 und tiefangelegte psychologische, historische wie auch sozial begründete Gegensätze546 zwischen Landbund und Heimwehr zu deren gegenseitiger Entfremdung bei547. Hinzu kam eine immer stärkere „Verpolitisierung“ der Heimwehren. Dadurch wurden die „Hahnenschwanzler“ zunehmend zu politischen Konkurrenten, an die die „Grünen“ eine Vielzahl von Mitgliedern verloren548. Ausdruck fand diese Distanz im Frühherbst 1928: Mit Blick auf die Heimwehren erteilte der Voll- zugsausschuss der „grünen“ Bundesparteileitung Gewaltmethoden zur Durchsetzung politischer Ziele eine klare Absage549. Einer kein Vierteljahr später folgenden Phase atmosphärischen Tauwet- ters, in welcher der Landbund sämtliche strittige Fragen mit der Wehrorganisation für ausgeräumt erklärte und die Devise „Alle Bauern in den Heimatschutz“ ausgab550, war nur eine kurze Lebens- dauer beschieden.

1929 gerierte sich die Heimwehr aggressiv und gewaltbereit551. Ausführungen des „grünen“ Spit- zenpolitikers Winkler zufolge soll deren Führung gar Pläne ventiliert haben, dem blutigen Zusam- menstoß am 18. August 1929 im steirischen St. Lorenzen552 einen Putschversuch folgen zu lassen553.

545 Während sich die Heimwehr in der Zeit ihres Erstarkens nach dem Vorbild des italienischen Faschismus ausrichtete, bekannte sich der Landbund zur republikanisch-demokratischen Staatsform. Zudem stießen sich die „Hahnenschwanzler“ an dem vom Landbund ventilierten Gedanken einer „berufständischen Partei“ sowie dessen offen zur Schau getragenen agrar- und wirtschaftspolitischen Pragmatismus. 546 Diese resultierten aus den unterschiedlichen Milieus ihrer Herkunft. So standen höheren Beamten, in lei- tenden Positionen in der Wirtschaft und Industrie Tätigen und vielfach adeligen Großgrundbesitzern unter den Heimwehrführern (vgl. Stimmer, Gernot, Eliten in Österreich, S. 732) in der Mehrzahl der Fälle aus bescheidenen Verhältnissen stammende Landbundpolitiker gegenüber. Letztere waren entweder selbst Landwirte bzw. Söh- ne von solchen oder verdienten ihren Unterhalt als Angestellte landwirtschaftlicher Genossenschaften. 547 vgl. Wandruszka, Adam, Der „Landbund für Österreich“, S. 596 548 Feldmann, Angela, Landbund für Österreich, S. 140 f 549 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes für Oesterreich, 15. September 1928, S. 1 f 550 vgl. ebenda, 24. November 1928, S. 1 551 Mit den ersten Anzeichen für den Konjunktureinbruch 1929 ging eine signifi kante Verschärfung der bereits existierenden Konfl iktstrukturen einher. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Opferzahl infolge politischer Aus- einandersetzungen 1929 um annähernd das Zehnfache an (vgl. Botz, Gerhard, Krisenzonen einer Demokratie, S. 16 f). 552 Die Bilanz dieses von den „Hahnenschwanzlern“ provozierten Kampfes mit der sozialdemokratischen Wehr- organisation: drei tote Schutzbündler sowie über 200 Verletzte auf beiden Seiten (vgl. Gulick, Charles A., Öster reich von Habsburg zu Hitler , S. 325). 553 Über die Gründe, die Pfrimer von einem Putschversuch zu diesem Zeitpunkt Abstand nehmen ließen, zeigte sich Winkler uninformiert. Statt des bewaffneten Aufstandes begnügte sich Pfrimer damit, gemeinsam mit 4. Die Organisation | 83

Damit unterschieden sich die „Hahnenschwanzler“ fundamental von jenem Wehrverband mit De- fensivcharakter, der den „Grünen“ vorschwebte554. Eine weitere Bürde für das Verhältnis der Heimwehr zum Landbund stellte die vom Nationalrat am 7. Dezember 1929 angenommene Novellierung der Verfassung dar. Die Heimwehrbewegung drohte, durch ihren Misserfolg bei der Verfassungsreform an den Rand des politischen Gesche- hens gedrängt zu werden. In Reaktion darauf schlug sie gegenüber der Regierung, deren Teil die „Grünen“ waren, einen schärferen Ton an. Das vorrangige Ziel ihrer Angriffe: Innenminister Schu- my. Die „Hahnenschwanzler“ lancierten Anfeindungen gegen seine Person in der Presse. Einzelne Heimwehrführer brachen ihre persönlichen Kontakte zu ihm ab. Darüber hinaus wurde Schumy vor Weihnachten 1929 von seiner Klagenfurter Heimatschutzortsgruppe die Mitgliedschaft entzogen. Der Ausschluss erfolgte ohne Begründung und Rücksprache. Das Presseecho auf dieses brüske Vorgehen gegen einen Mann seines Ranges, überdies Angehöriger des Heimatschutzes seit dessen Gründungstagen, war enorm, Schumy selbst ob der Vorgänge persönlich getroffen555.

Der ständige Konfl ikt mit den Heimwehren ließ in Landbund-Kreisen den Wunsch nach eigenen Wehrformationen entstehen. Im Dezember 1929 folgten konkrete Schritte: Nachdem sich bereits in mehreren Bundesländern unorganisierte Truppen gebildet hatten, konstituierte sich am 14. des Monats ein Aktionskomitee zur Gründung bäuerlicher Heimwehren. Knapp drei Wochen später, am 3. Jänner 1930, stellte die Parteileitung die Weichen in Richtung „grüner“ Wehrformationen556. Der Aufruf zu deren Gründung erging an die gesamte Bauernschaft Österreichs, fand allerdings vorwiegend in Landbundkreisen Gehör. Die größte Resonanz lösten die „grünen“ Bestrebungen in der Steiermark , Kärnten und Ober - sowie Teilen von Niederösterreich aus557. Mit dem „Reichsbund der österreichischen Bauernwehren“ schufen sie am 17. Jänner 1930 eine bundesländerübergreifende Struktur558. Zum ersten Obmann des Bundes erkor die Versammlung den oberösterreichischen Landwirt und Bürgermeister von Roitham, Franz Mayer. Die Bundesleitung umfasste zehn Personen. Die Steiermark, Kärnten, Ober- und Niederösterreich stellten jeweils zwei Funktionsträger, das Burgenland und Salzburg deren einen. Zu diesem Zeitpunkt ohne Vertretung im Spitzengremium der Bauernwehren waren demnach drei Bundesländer, unter ihnen Vorarlberg. Zu seiner Positionierung stellte der „Reichsbund der österreichischen Bauernwehren“ fest, auf dem Boden der demokratischen Verfassung zu stehen und sich rückhaltlos zu dieser zu be kennen. Die ständigen Angriffe auf die Staatsgewalt und deren Einrichtungen brandmarkte er als sowohl wirtschafts- als auch staatsgefährdend. Dessen Ziel war es, diesen Vorgängen ein Ende zu setzen. Damit verband die Bauernwehr die Hoffnung auf Ruhe und „wirkliche(n) Arbeitsfriede(n)“.

Trotz derart hehrer Ziele: Den „grünen“ Wehrformationen war ein nur geringer Zulauf beschieden. Als eine Ursache hierfür gilt, dass „(...) die Neugründung im eklatanten Widerspruch zu Wesen

Steidle und dem steirischen Landeshauptmann Rintelen – allerdings vergeblich – die Entwaffnung des Schutz- bundes zu fordern (vgl. Winkler, Franz, Die Diktatur in Oesterreich, S. 27 f). 554 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes für Oesterreich, 15. September 1928, S. 2 555 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 205 556 vgl. Feldmann, Angela, Landbund für Österreich, S. 160 f 557 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 228 558 Der konstituierenden Sitzung des „Reichsbundes der österreichischen Bauernwehren“, abgehalten in Wien , sollen Bauernvertreter aus allen Bundesländern beigewohnt haben. 84 | Deutschnationalismus in Vorarlberg und Tradition der politischen Bewegung (stand), die sie ins Leben rief.“559 Hinzu kam die geringe Mobilisierung der eigenen Anhängerschaft. Diese durch ein starkes Interesse von Bauern anderer, sprich „schwarzer“ Couleur wettzumachen, gelang nicht. Die Christlichsozialen wussten dies zum einen mit ihrem „ingrimmigen Kampf“ gegen die landbündlerische Neugründung zu vereiteln. Zum anderen entstanden Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre im Dunstkreis der CSP anzusiedeln- de Wehrorganisationen560. Befürchtungen, wonach die Führung des Landbundes über den Umweg der Bauernwehren einen starken Einfl uss auf das außerparlamentarische Vertretungsgefüge der Bauern erlangen könnte561, wird die Christlichsozialen zu diesen Maßnahmen veranlasst haben.

Für die Entwicklung der „grünen“ Neugründung von Nachteil war es ferner, dass diese mit der Heimwehr einem, im Bereich der organisierten Wehrhaftigkeit mächtigen Gegner gegenüber stand. Nicht umsonst bemühten sich die „Grünen“ anfänglich um ein möglichst gutes Klima zwischen den beiden Wehrverbänden. Zum Ausdruck kam dieser Wille zu guter Zusammen arbeit in einer an Steidle – Bundesführer der Heimwehr – adressierten Mitteilung über die erfolgte Bildung des „Reichsbundes der österreichischen Bauernwehren“. Darin hieß es u.a.: „Wir wollen nicht, daß dies (die Gründung des Reichsbundes, Anm. d. Verf.) als feindseliger Akt gegen die bestehenden Wehrverbände aufgefaßt wird. Wir erklären im Gegenteil hiermit ausdrücklich, daß wir bereit sind, mit Ihnen den Kampf gegen die volks- und staatsfeindlichen Elemente führen zu wollen.“562 Die Hand zur Kooperation war damit gereicht, wurde allerdings brüsk ausgeschlagen. Die Bundes- führung der Heimwehren wertete die Gründung von Bauernwehren als „Verrat an der heimattreuen Bevölkerung“. An die „Hahnenschwanzler“ erging der Appell, jedem Versuch zur Gründung bäuerli- cher Wehrformationen mit den „schärfsten Kampfmitteln“ entgegenzutreten. Überdies bekundete die Heimwehrführung ihren Willen, den Kampf gegen alle Personen, die sich hinter die Bauernweh- ren stellen, aufnehmen zu wollen563.

In der Folge war das Verhältnis zwischen den „Grünen“ und ihren Wehrformationen einerseits und der Heimwehr andererseits zunehmend schweren Belastungen ausgesetzt – so etwa durch den „Korneuburger Eid“ vom 18. Mai 1930. Im von Steidle proklamierten „Gesetz der Heimwehr“ wurde der westliche Parlamentarismus und Parteistaat verworfen. Ersetzt werden sollten sie durch die Selbstverwaltung der Stände und eine starke Führung des Staates. Letztere sollte der Gelöb- nisformel zufolge nicht in den Händen der Parteivertreter ruhen, sondern „den führenden Persön- lichkeiten der großen Stände und den besten und fähigsten Männern unserer Bewegung (...)“564 zukommen. Zudem verlangte Steidle von den Mandataren der politischen Vertretungskörper, nicht mehr den Anord nungen ihrer politischen Organisationen, sondern jenen der Heimwehr Folge zu leisten. Letzteres kam einer „Kriegserklärung“ an die bürgerlichen Parteien gleich565. Die Reaktion des Landbundes fi el deutlich aus: Er wertete die Vorgänge in Korneuburg als „un- verhüllte Kampfansage“ an die Regierung Schober und „endgültige Abkehr“ von der Demokratie

559 Wandruszka, Adam, Der „Landbund für Österreich“, S. 597 560 vgl. Edmondson, C. Earl, Heimwehren und andere Wehrverbände, S. 272 f 561 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 325 562 Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 23. Jänner 1930, S. 5 563 vgl. ebenda, S. 4 f 564 Gulick, Charles A., Österreich von Habsburg zu Hitler , S. 350 565 vgl. ebenda, S. 350 f 4. Die Organisation | 85 bei gleichzeitiger Hinwendung zum Faschismus italienischen Zuschnitts566. Infolgedessen erklärten die „Grünen“ gleich der GDVP, dass der „Korneuburger Eid“ von ihren Mitgliedern nicht abgelegt werden könne.567 Auch im Vorfeld der keinen Monat nach Korneuburg im Parlament verabschiedeten Waffenpatent- novelle traten gravierende Differenzen zutage. In der Stellungnahme der Heimwehr zum Gesetzent- wurf forderte diese de facto die unverzügliche Entwaffnung des Republikanischen Schutzbundes unter ihrer Mitwirkung, die Besetzung des Innenministeriums mit einem Mann ihres Vertrauens sowie die Führung von Sicherheitsdienst, Gendarmerie und Polizei durch „Hahnenschwanzler“. Für den Landbund waren das Ansinnen, „(...) über die man nur den Kopf schütteln kann (...)“568. Innen- minister Schumy nahm zum Vorstoß der Heimwehr in einer Parlamentsrede Stellung, ohne es dabei an Deutlichkeit missen zu lassen. Hinsichtlich der Forderung nach seinem Amt ließ er die Heimwehr wissen, nicht daran zu denken, „(...) diesen verantwortungsvollen Posten zugunsten von Personen abzutreten, die es weder mit ihrem Gelöbnis als Mandatare ernst nehmen, noch die Garantien für eine gerade und gerechte Verwaltung bieten.“569 Seine Rede beendete er mit der Feststellung, nicht gewillt zu sein, Angriffe, welche sich gegen Gesetz, Ruhe und Ordnung richten, auf Dauer ruhig hinzunehmen570. Die Kandidatur der „Hahnenschwanzler“ bei der Nationalratswahl 1930 ließ den „grünen“ Ge- duldsfaden endgültig reißen – der Landbund wertete das als eklatanten Verstoß gegen die von ihm stets eingeforderte Überparteilichkeit der Heimatschutzbewegung. Auf ihrem Bundesparteitag im Mai 1931 präsentierten die „Grünen“ der Heimwehr hierfür die Quit- tung: In einer einstimmig angenommenen, als „Bruch mit der Heimwehr“ titulierten Entschließung verkündete der Landbund, es nicht weiter verantworten zu können, „(...) dass auch nur ein Mitglied seiner Partei in den Reihen einer Bewegung verbleibt, die ... noch immer ge wissen politischen Zielen, keinesfalls aber mehr den Interessen des österreichischen Landvolkes dient.“571 An diese Einschätzung schloss sich die an alle Landbund-Mitglieder gerich tete Aufforderung zum sofortigen Austritt aus der Heimwehr an572. Der Pfrimer-Putsch vom September 1931 veranlasste die „Grünen“ in einer ersten Reaktion, die Aufl ösung aller Schutzformationen zu fordern. Diese Forderung mutet umso bemerkenswerter an, als diese auch die Aufl ösung der eigenen Wehrformationen inkludierte573. Letzteres zu fordern mag allerdings umso leichter gefallen sein, als dem „grünen“ Bemühen um eigene Wehrformationen kein großer Erfolg beschieden war.

Mitte 1932 kamen neben den bisherigen Bauernwehrabteilungen zusätzlich mobile „Sturm- abteilungen“ zur Aufstellung. Auch die „grüne“ Jugendorganisation war auf diesem Gebiet aktiv. Deren Engagement manifestierte sich in Form von Wehrzügen innerhalb des Jungland- bundes574. Das Jahr 1932 brachte zudem eine Namensänderung mit sich. Die Bauernwehren,

566 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 28. Mai 1930, S. 1 567 vgl. Gulick, Charles A., Österreich von Habsburg zu Hitler, S. 351 568 Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 28. Mai 1930, S. 1 569 ebenda, S. 3 570 vgl. ebenda, S. 1 – 4 571 Landpost, 9. Mai 1931, S. 3 572 vgl. ebenda 573 vgl. ebenda, 19. September 1931, S. 1 574 vgl. ebenda, 9. Mai 1931, S. 3 86 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Sturm abteilungen sowie Wehrzüge des Junglandbundes fi rmierten nunmehr auch unter der Be- zeichnung „Grüne Front“. Obwohl deren „Kernstock“ von Jugendlichen gebildet wurde575, es spezi- ell diese waren, an die Aufforderungen zum Beitritt zur „grünen“ Wehrorganisation ergingen576, lag die Führung der „Grünen Front“ in Händen der österreichischen Bauernwehr577. Deren außerordent- liche Hauptversammlung sprach sich am 2. November 1933 neben Satzungsänderungen für eine abermalige Umbenennung der Organisation aus. Dem daraufhin gefassten Beschluss erwuchs im Frühjahr 1934 Rechtskraft. Die neue Bezeichnung lautete auf „Grüne Wehr“578. In den Umetikettierungen manifestiert sich einerseits das Bemühen des Landbundes um seine or- ganisierte Wehrhaftigkeit, andererseits aber auch der geringe Erfolg, der ihm damit beschieden war. Trotz Umbenennungen und Aufrufen zum Eintritt in die „grüne“ Wehrorganisation blieben die bäuerlichen Selbstschutzverbände in ihrer Bedeutung für die österreichische Innenpolitik auf eine Kleinstrolle beschränkt. Im Dezember 1933 schätzte das Verteidigungsministerium deren Mitglie- derzahl auf etwa 3.000 Mann.579 Ihr Ende fand die „Grüne Wehr“ nach dem nationalsozialistischen Putschversuch im Juli 1934. Teile der landbündlerischen Wehrorganisation waren in die an den „Juliputsch“ anschließenden Kämpfe verstrickt. In Reaktion darauf wurde die „Grüne Wehr“ aufgelöst580.

4.5.2 DAS „LÄNDLE“, SEIN SONDERWEG UND DIE FOLGEN

In Vorarlberg setzte die Gründung von „Bauernwehren“ nicht – wie in anderen Regionen geschehen – zu Beginn des Jahres 1930 ein, sondern erst mit einer deutlichen zeitlichen Verzögerung. Zurück- zuführen ist dies auf die besondere Entwicklung, welche die Heimwehr in Österreichs westlichstem Bundesland nahm. Wesentliches Charakteristikum der Vorarlberger Heimwehr war deren Naheverhältnis zur Landes- regierung. Bereits am Anfang der bürgerlichen Wehrformationen in Vorarlberg stand eine Entschei- dung der Landesregierung. Unter dem Eindruck revolutionärer Vorgänge im süddeutschen Raum581 sowie der Gründung von Räten im eigenen Land582 beschloss diese am 17. April 1919, freiwillige bewaffnete Volksmilizen – Vorläufer der „Heimatwehr“ – zu schaffen.

575 vgl. Landruf. Beilage zur „Landpost“-Ausgabe vom 14. September 1933, o.S. 576 vgl. Landpost, 8. Juni 1933, S. 4 577 vgl. ebenda, 20. April 1933, S. 7 578 vgl. ebenda, 22. März 1934, S. 11 579 Der Vergleichsmöglichkeit halber sei hier erwähnt, dass die Heimwehren in ihrer „Blütezeit“ Ende der 1920er Jahre nominell mehr als 300.000 Mitglieder gehabt haben dürften. Laut der Einschätzung diploma- tischer Beobachter jener Zeit sollen allerdings höchstens 52.000 Mann davon eine militärische Ausbildung erhalten haben sowie organisiert und bewaffnet gewesen sein (vgl. Edmondson, C. Earl, Heimwehren und andere Wehrver bände, S. 267). 580 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 265 581 Bereits Ende 1918 hatte die Rätebewegung in Bayern als auch Württemberg eine rasche Ausbreitung erfah- ren. In den März- und Apriltagen 1919 kam es in Lindau wie auch anderen grenznahen Gebieten Bayerns zur Ausrufung sogenannter „Räteregierungen“, in welchen Vorarlbergs konservative Politiker eine große Gefahr zu erkennen glaubten (vgl. Dreier, Werner; Pichler, Meinrad, Vergebliches Werben, S. 134). 582 Nur wenige Tag nach der am 8. November 1918 erfolgten Gründung eines Arbeiter- und Soldatenrates in Lindau konstituierte sich auch in Bregenz ein Arbeiterrat. Die Räte von Bregenz und Lindau unterhielten über Monate hinweg sehr engen Kontakt. Im März 1919 war die Zahl sozialdemokratischer Arbeiterräte in Vorarl- 4. Die Organisation | 87

Unter den Vorarlberger Parteien waren es insbesondere die „Blauen“, die sich von Anbeginn weg stark in der Heimatwehr engagierten und dieser auch über die Jahre hinweg eng verbunden blie- ben583. Im April 1920 entschloss sich die bürgerliche Wehrformation zur gezielten Propaganda unter der Bauernschaft584. Damit dürfte es ihr gelungen sein, auch etliche Landwirte mit Affi nität zum UBB anzuwerben. Ein Indiz dafür liefern die bereits erwähnten Ereignisse vom November 1920 in Blu- denz . Als zirka 2.000 aufgebrachte Bauern die Enthaftung dreier prominenter „grüner“ Mitglieder forderten, blieb ein Einsatz der Volksmilizen aus. Diese – ein Machtinstrument mit klassenorien- tiert-konservativer Ausrichtung – sahen sich außerstande, ihnen angehörende besitzende Bau- ern gegen Ihresgleichen zu mobilisieren585. Mitte der 1920er Jahre zeigten sich die Vorarlberger „Grünen“ der Wehrformation gegenüber gewogen: Angesichts eines Gegners wie dem von Mayor Matt , Stabsleiter der Vorarlberger Heimatwehr, in düstersten Bildern gezeichneten Republikani- schen Schutzbund586, legte der Landbund seinen Anhängern die Mitgliedschaft bei der Heimatwehr nahe587. Inwieweit dieser Aufforderung Folge geleistet wurde, ist nicht bekannt. Das Verhältnis zwischen der CSP und der Heimwehrführung wiederum war zunächst von gegen- seitiger Zurückhaltung geprägt. Insbesondere Auffassungsunterschiede bei der Frage nach der für Vorarlberg besten Anschlussoption lagen dem zugrunde. Landeshauptmann Ender und ein Gutteil seiner Gesinnungsfreunde der CSP traten für den Anschluss an die Schweiz ein. Im Gegensatz dazu liebäugelte die in ihrer Anfangsphase von Bayern aus protegierte Heimwehr mit einem Anschluss an Deutschland. Die politische Dominanz der „Schwarzen“ im Land ließ sie aber von offener Propa- ganda hierfür Abstand nehmen. Ende 1920 kam Schwung in das Verhältnis CSP – Heimatwehr. Der Anschlusswille an die Schweiz war im Abebben begriffen – auch innerhalb der Christlichsozialen. Hierdurch nivellierte sich der Auffassungsunterschied zur Heimatwehr in dieser Frage. Zudem eröffnete der Ausgang der Natio- nalratswahl vom Oktober 1920 den Christlichsozialen neue Perspektiven. Sie, bis dahin zweitgröß- te Fraktion im Hohen Haus, avancierten mit dem Urnengang zur größten Nationalratspartei. Eine bürgerliche Regierung unter Führung der CSP lag damit nahe. Diese Option trat umso deutlicher zu

berg auf 23 angestiegen (vgl. Weber, Wolfgang, Die Revolution 1918/19 in Vorarlberg, S. 139 f). Ebenefalls im März 1919 gelang es diesen, zwei massenwirksame Versammlungen zu organisieren. Angeblich sollen den beiden Versammlungen in Dornbirn und Bregenz über 5.000 Menschen beigewohnt haben (vgl. Greussing, Kurt, Grenz station – Umbruch und Diktatur, S. 115 – 117, sowie: Wanner, Gerhard, Vorarlbergs Übergang von der Monar chie zur Republik (1918 – 1919), S. 110 f). 583 Im Jänner 1932 sprachen die „Ländle“-Großdeutschen davon, dass sie mit dem Vorarlberger Heimatdienst dank dessen Sonderstellung innert Österreichs Heimwehren ein „dauerndes freundschaftliches Verhältnis“ ver binde (vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Brief vom 27. Jänner 1932 des Vollzusausschusses der Vor- arl berger Großdeutschen an ihre Reichsparteileitung). 584 Leiter dieser gezielten Werbung war Dr. Josef Feuerstein, seines Zeichens Mitglied der Verwaltungskanzlei von Landeshauptmann Ender (vgl. Rape, Ludger, Die Vorarlberger Heimwehr und die bayerische Rechte 1920 – 1923, S. 75 und 77). 585 vgl. Dreier, Werner, Gegen Sozialisten und Nazis, S. 54 586 Am 20. März 1923 konstituierte sich mit Bregenz die erste Ortsgruppe des sozialdemokratischen „Repu- blikanischen Schutzbundes“ in Vorarlberg. Weitere Ortsgruppengründungen der Wehrorganisation folgten in Dornbirn , Feldkirch , Bludenz und Lustenau (vgl. Dreier, Werner, Zwischen Kaiser und „Führer“, S. 212 f). 587 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 9. Jänner 1925, S. 7 88 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Tage, als das Gros der Deutschnationalen, möglicher Koalitionspartner der „Schwarzen“ und bis kurz vor der Wahl in Kleinstgruppen zersplittert, in der GDVP588 vereint war. Diese Perspektive auf Machtübernahme im Bund zeitigte offenkundig auch in der Führungsriege Vorarlbergs Mehrheitspartei Wirkung: Der Wille, sich der Wehrorganisation als Machtinstrument zu bedienen, wurde alsbald sichtbar. Noch vor Mitte November 1920 zogen mehrere „schwarze“ Parteigänger in den Führungskreis der Heimatwehr ein. Nunmehr bestimmte die CSP, deren Politik dem Wehrverband trotz dessen enger Verfl echtung mit den Deutschnationalen bereits davor Maß- stab für sein Handel gewesen war, auch de jure dessen Kurs mit.589

Am 31. Dezember 1926 wurde der Bevölkerung über die Presse der „Heimatdienst“ vorge stellt. Die neue Organisation umfasste die Heimatwehr und die 1922 gegründete Streikbrecherorganisation „Notbann“. Im Juli 1927 erhielt die bürgerliche Wehrformation ihre end gültige Organisationsstruk- tur. In dieser Zeit sicherte sich Landeshauptmann Ender die Oberbefehlsgewalt über den Heimat- dienst.590 Damit kam ihm das Recht zur Ernennung, aber auch Abberufung dessen Landesleitung zu.591 Derart wurde der Vorarlberger Heimatdienst in ihm eigene Bahnen gelenkt. Jenseits des Arl- bergs entwickelten sich die Heimwehrverbände nach den Juliunruhen 1927 zusehends zu eigen- dynamischen politischen Organisationen, emanzipierten sich von den bürgerlichen Parteien und trugen scharfe Konfl ikte mit deren politischen Führern aus592 – nicht so in Vorarlberg. Hier behielt der Landeshauptmann die Zügel fest in der Hand. Erleichtert wird ihm das der Umstand haben, dass der Vorsitzende der heimatdienstlichen Landesleitung, Dr. Wilhelm Mohr , als Landesbeamter in einem Abhängigkeitsverhältnis zur im „Ländle“ dominanten CSP stand593.

Gerade das Verhalten von Mohr war es, an dem die Vorarlberger Landbündler Anstoß nahmen: Sie warfen ihm vor, sich im Vorfeld der Landtagswahl 1928 von den Christlichsozialen instrumentali- siert haben zu lassen. Unter Zwang der „regierenden Herren von Vorarlberg“ soll Mohr im Wahl- kampf594 ihm bekannte Mitglieder „seiner“ Organisation für ungeeignet und unfähig erklärt haben – der Grund hierfür: deren Zugehörigkeit zum Landbund. Die Bundesleitung der alpenländischen Heimwehren595 wurde daraufhin von „grüner“ Seite er- muntert, Mohr zurechtzuweisen. Betreffs ihres Verhältnisses zur Heimwehr stellten die Landbünd- ler klar, dieser nur dann zur Verfügung zu stehen, wenn sich die Wehrorganisation auf ihr Kern-

588 Der Gründungsparteitag der GDVP ging vom 5. bis 7. September 1920 in Salzburg über die Bühne. Im Zuge dessen kam es zum Zusammenschluss von 17 deutschnationalen Gruppierungen. Nur die „Deutsche Bauern- partei“, Vorläuferin des späteren Landbundes, wie auch die Nationalsozialisten blieben der Neugründung fern. 589 vgl. Rape, Ludger, Die österreichischen Heimwehren und die bayerische Rechte 1920 – 1923, S. 160–168 590 vgl. Götsch, Alois, Die Vorarlberger Heimwehr, S. 35 591 vgl. Dreier, Werner, Gegen Sozialisten und Nazis, S. 58 592 vgl. Götsch, Alois, Die Vorarlberger Heimwehr, S. 35 f 593 vgl. ebenda, S. 50 f 594 Mohr selbst kandidierte zwar nicht für den Landtag, trat aber in fünf Wahlveranstaltungen der CSP als Redner auf (vgl. Vorarlberger Volksblatt, 28. Februar 1928, S. 4 und 6. März 1928, S. 3). 595 Die „Vereinigung der alpenländischen Selbstschutzverbände“ war ein loser Zusammenschluss der Heimwehr organisationen von Vorarlberg, Tirol , Salzburg , Oberösterreich und Kärnten . Ihre Gründung war am 23. Februar 1923 erfolgt. 4. Die Organisation | 89 gebiet – den Schutz der Rechte der „bodenständigen Bevölkerung“ – beschränken und einseitige politische Betätigung unterlassen würde596.

Am 3. Oktober 1929 fasste der Gesamtausschuss des Vorarlberger Heimatdienstes den Beschluss, Parteipolitik von seiner Organisation fernhalten zu wollen597. Diese Willensbekundung wird we- sentlich dazu beigetragen haben, Vorarlbergs Landbündler zunächst auf die Gründung eigener Wehrformationen – wie sie in anderen Bundesländern um die Jahreswende 1929/1930 vonstatten gingen – verzichten zu lassen. In einer auf den 19. Jänner 1930 einberufenen Landesparteilei- tungssitzung wurde die Frage „grüner“ Wehrhaftigkeit thematisiert. Dabei sprach sich namentlich Johann Ehe, mit ihm aber offenkundig auch das Gros der Gremiumsmitglieder, gegen die Errichtung von Bauernwehren aus598. Obwohl der „Ländle“-Landbund vorerst vom Aufbau einer Konkurrenzorganisation zum Heimatdienst absah, sollte sich sein Verhältnis zur Wehrorganisation alsbald eintrüben. Auslöser hierfür waren zwei Artikel im Presseorgan der alpenländischen Heimwehren. Darin wurden führende Landbündler sowie deren Politik frontal angegangen, die in anderen Bundesländern gegründeten Bauernwehren mit Spott überhäuft und als Produkte einiger „mißvergnügter Streber“ und „Dummköpfe“ bezeich- net. Die Reaktion von Vorarlbergs „Grünen“ fi el nicht weniger heftig aus. Von Kühnheit war da zu lesen, sollte behauptet werden, dass die „so oft und aufdringlich betonte Ueberparteilichkeit der Heimatwehr“ in Vorarlberg Realität sei. Statt seine Aufgabe in der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung zu sehen, würde es sich bei der Heimatwehr vielmehr um eine Reserve zur Stützung der „schwarzen“ Macht handeln. Landes führer Mohr erklärten sie zu einem der „gehässigsten Agitato- ren der christlichsozialen Partei“ und zum „unversöhnlichste(n) Feind des Landbundes“599. Trotz dieses Zerwürfnisses blieb eine Abkehr der „Grünen“ von der Wehrformation weiterhin aus. Auch den „Korneuburger Eid“ vom Mai 1930 und die im Herbst desselben Jahres abgehaltene Nationalratswahl nahmen sie nicht zum Anlass, eine eigene Wehrformation zu initiieren. In beiden Fällen ist dies auf das Einschreiten von Landeshauptmann Ender zurückzuführen: Nachdem Mohr – zwar gleich allen anderen Landesführern, jedoch ohne vorherige Absprache mit dem Landeshaupt- mann – das für die „Grünen“ inakzeptable Gelöbnis geleistet hatte, wurde er dafür von Ender scharf kritisiert und der Eid hierauf verworfen600. Auch hinsichtlich der Nationalratswahl 1930 agierte Ender im Sinne des Landbundes. Mit dem Hinweis auf dessen Statuten verbot er dem Heimatdienst eine eigenständige Kandidatur601. Die Landesleitung des Vorarlberger Heimatdienstes folgte dieser Linie per Beschluss vom 4. Oktober 1930602. Acht Tage später fand der Verzicht auf eine Kandidatur die einhellige Billigung durch die Führerversammlung603. Vorarlberg war damit das einzige Bundes- land Österreichs, in dem der Heimatblock nicht zur Wahl antrat.

596 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes für Oesterreich, 12. Mai 1928, S. 3 597 vgl. Götsch, Alois, Die Vorarlberger Heimwehr, S. 51 598 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 30. Jänner 1930, S. 11 599 vgl. ebenda, 5. März 1930, S. 5 600 vgl. Dreier, Werner, Gegen Sozialisten und Nazis, S. 64, sowie: Wiltschegg, Walter, Die Heimwehr, S. 164 601 vgl. Götsch, Alois, Die Vorarlberger Heimwehr, S. 55 f 602 vgl. Vorarlberger Volksblatt, 7. Oktober 1930, S. 1 603 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 18. Oktober 1930, S. 1 90 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Im September 1931 unternahm der steirische Heimwehrführer Walter Pfrimer einen Putschversuch. Dieser verhinderte Staatsstreich erlangte in weiterer Folge Bedeutung für die vom Vorarlberger Landbund getroffene Entscheidung zugunsten des Aufbaus einer eigenen Wehrformation – wenn auch auf Umwegen. Unmittelbar nach dem Umsturzversuch zeichnete sich derartiges noch nicht ab. Die Lage in Vorarlberg blieb ruhig. Die Landesleitung des Vorarlberger Heimatdienstes distanzierte sich von den Putschbestrebungen Pfrimers604 . Für die österreichischen Heimwehren soll sich der Umsturzversuch – obwohl stümperhaft organisiert und nur wenige Stunden dauernd – bezahlt ge- macht haben: Laut Starhemberg stiegen deren Mitgliederzahlen hierauf an. Insbesondere Jugendli- che mit nationalsozialistischem Hintergrund dürften den „Hahnenschwanzlern“ beigetreten sein605. Damit verstärkte sich das NS-Moment innerhalb der Heimwehrverbände. Vor dem Hintergrund die- ser Entwicklung kam es Anfang 1932 zu einer Annäherung des Vorarlberger Heimatdienstes an die österreichischen Heimwehren. Getrieben von der Hoffnung, mit der Beendigung der im Jänner 1931 erfolgten Spaltung606 dem eigenen Zerfall mit mehr Erfolg entgegentreten zu können, schlossen sich Österreichs Heimwehren wieder enger zusammen. Die Wiedervereinigung des Vorarlberger Heimatdienstes mit den österreichischen Heimwehren erfolgte am 3. März 1932607. Schon im Vorfeld dieses Schrittes hatten Vorarlbergs Landbündler Kritik an der Ausrichtung der österreichischen Heimwehrbewegung geübt. Ihrer Ansicht nach handelte es sich dabei um eine Organisation, gewillt, für ihr Ziel, die Errichtung der Diktatur, alle Mittel zum Einsatz zu bringen608. Unmittelbar nach der erfolgten Wiedervereinigung erneuerten die „Grünen“ diese Kritik, machten sie insbesondere an der Person Starhembergs fest. Mit ihm stehe den Heimwehren ein „Todfeind des gegenwärtigen demokratischen Systems“ vor, so deren Einschätzung. Überdies soll Starhem- berg niemals einen Hehl daraus gemacht haben, die „Hahnenschwanzler“ auf den Sturz der De- mokratie hin ausgerichtet zu haben. Aufgrund dieser gravierenden Vorbehalte löste der Schritt des Heimatdienstes bei Vorarlbergs „Grünen“ Besorgnis aus. Sie sahen diesen Gefahr laufen, den von Heimatschutzverbänden anderer Bundesländer bereits davor eingeschlagenen Weg „politischer Exzesse“ ebenfalls zu beschreiten609. Im April 1932 fanden in Wien, Niederösterreich und Salzburg Landtagswahlen statt. Deren großer Sieger: die NSDAP. Mit ihrem martialischen Auftreten war es den Nationalsozialisten gelungen, die infolge der Weltwirtschaftskrise radikale Stimmungslage für sich zu nutzen. Neben der demokra- tiefeindlichen Ausrichtung der Heimwehren wird es der Ausgang dieser Wahlen gewesen sein, der den Vorarlberger Landbund – ihn, der in seinem Programm 1919 eine vollkommene Abrüstung ein- gefordert hatte610 – die Entscheidung zugunsten einer eigenen Wehrformation treffen ließ. Damit bekundete er seinen Willen, insbesondere der jüngeren Generation eine adäquate Organisations-

604 vgl. Dreier, Werner, Gegen Sozialisten und Nazis, S. 64 605 vgl. Starhemberg, Ernst Rüdiger, Die Erinnerungen, S. 112 und 116 606 Ende Jänner 1931 war es zum Bruch innerhalb der Heimwehr gekommen. Der Auslöser hierfür war Starhem- bergs Anspruch nach der uneingeschränkten militärischen und organisatorischen Gewalt über alle Landesver- bände. Zudem trat er für ein neues Stimmrecht ein, welches darauf abzielte, den christlichsozialen Einfl uss innerhalb der Heimwehren weiter zurückzudrängen. Nach dessen Annahme verließen fünf Landesvertreter die Bundesführung. Unter ihnen war Vorarlbergs Vertreter Matt. Die Fünf kooperierten daraufhin im Rahmen einer „selbständigen Arbeitsgemeinschaft“. 607 vgl. Götsch, Alois, Die Vorarlberger Heimwehr, S. 56 – 58 608 vgl. Landpost, 30. Jänner 1932, S. 1 609 vgl. ebenda, 12. März 1932, S. 1 610 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 25. April 1919, S. 6 4. Die Organisation | 91 form zu schaffen. Anfang Juni 1932 erfolgte dessen Umsetzung. In Röthis fand die Konstituierung der „Grünen Front“ statt611. Ihren ersten Auftritt hatte diese anlässlich des dritten vom Vorarlberger Junglandbund ausgerichteten Landesjugendtreffens am 4. September 1932 in Nofels – an der nach- mittäglichen Festparade nahm eine Formation junger Männer teil, dabei erstmals bekleidet mit der neuen Uniform der „Grünen Front“. Im Anschluss an die Festreden wurde dieser eine „Sturmfahne“ übergeben612. Auch im Vorfeld der Landtagswahl 1932 hatte die neugeschaffene Gruppierung ihren Auftritt. Zur Begrüßung von Vizekanzler Winkler anlässlich eines Wahlkampfauftritts marschierte die „Grüne Front“ – angeblich in „langer Reihe“ – auf dem Schrunser Hauptplatz auf613. Obwohl der Vorarlberger Landbund mithilfe seines Presseorgans zum Eintritt in die Wehrformation aufrief614, war ihr nur wenig Zulauf beschieden. Wohl in Reaktion darauf kam es zur nochmaligen Gründung der „Grünen Front“. Diese erfolgte am 4. Dezember 1932. Den Rahmen hierfür bildete eine Sitzung des obersten Gremiums Vorarlbergs „grüner“ Jugendorganisation. Stefan Gut refe- rierte über den Zweck der Bauernwehr, erklärte es zu deren vorrangiger Aufgabe, dem Landbund Stoßtrupp zu sein. Die bis dahin provisorisch eingesetzte Führungsriege wurde durch Wiederwahl bestätigt, allen voran Stefan Gut in seiner Funktion als Landesführer der „grünen“ Wehrformatio- nen Vorarlbergs615. Gut war es auch, der diese als Beisitzer in der Reichsverbandsleitung der Öster- reichischen Bauernwehren vertrat. Zum Jahresende 1932 erging die Aufforderung, die Aufstellung von Wehrzügen der „Grünen Front“ im kommenden Jahr „mit aller Kraft“ voranzutreiben616. Auch der zweite Anlauf brachte keinen Erfolg: In der parteieigenen Presse waren die Wehrgruppen des Vorarlberger Landbundes kaum Thema. Dokumentiert sind nur Beitrittsaufforderungen wie auch Ankündigungen. So verlautete im September 1933, Vorarlbergs „Grüne Front“ würde mit Beginn des folgenden Monats bei der Uniformierung ihrer Mitglieder einen bedeutenden Schritt vorwärts machen und in Bezug auf ihre Versammlungsarbeit „in aktive Mitarbeit“ treten617. Berichte über die Umsetzung dieser Ankündigung fehlen allerdings. Auch anderweitige Aktivitäten der „grünen“ Wehrformation sind nicht belegt. Daher ist davon auszugehen, dass die landbündlerischen Ambitio- nen eigener Wehrhaftigkeit in den Anfängen stecken blieben, die „Grüne Front“ in Vorarlberg nicht über den Status einer mitgliederschwachen und inaktiven Kleingruppe hinauskam.

Die wesentliche Ursache für diesen Misserfolg des Vorarlberger Landbundes ist in dessen später Entscheidung zugunsten einer eigenen Wehrformation zu sehen. Die Rahmenbedingungen für die Neugründung einer Teilorganisation, die, wie die Entwicklung in anderen Bundesländern gezeigt hatte, eine ohnedies nur geringe Anziehungskraft ausübte, waren denkbar ungünstige. Der Land- bund stand mit dem Rücken zur Wand. Seine Teilnahme an der Bundesregierung hatte ihn in eine Verteidigungsposition manövriert. Zudem wurde die von ihm propagierte Idee des Ständestaates zwischen Demokratie und Diktatur zerrieben. Personen mit demokratischer Gesinnung tendierten zu den Christlichsozialen, solche mit radikaleren Überzeugungen zu den Heimwehren, insbeson- dere aber zur NSDAP618. Letztere war es auch, die auf wehrbereite Männer jener Tage eine starke

611 vgl. Landpost, 27. August 1932, S. 1 612 vgl. ebenda, 10. September 1932, S. 1 613 vgl. ebenda, 29. Oktober 1932, S. 1 614 vgl. ebenda, 10. September 1932, S. 1 615 vgl. ebenda, 10. Dezember 1932, S. 2 616 vgl. ebenda, 31. Dezember 1932, S. 8 617 vgl. ebenda, 14. September 1933, S. 14 618 vgl. Schausberger, Franz, Ins Parlament, um es zu zerstören, S. 157 f 92 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Anziehungskraft ausübte. Auch der Vorarlberger Heimatdienst bekam dies deutlich zu spüren. Sein Anfang der 1930er Jahre ein setzender Verfall wurde wesentlich vom aufstrebenden Nationalsozi- alismus verursacht619. Nachdem Landeshauptmann Ender Anfang Mai 1933 weitreichende Forde- rungen620 führender Heimatdienstmänner zurückgewiesen hatte, sah sich die Wehrorganisation mit einer Austrittswelle konfrontiert. Am 11. Mai 1933 wies die NSDAP ihre Mitglieder an, aus dem Vorarlberger Heimatdienst auszutreten. Hierdurch verstärkte sich diese Entwicklung weiter621. Der Aderlass, den der Heimatdienst hinzunehmen hatte, war enorm. Die Zahl der mobilen Formationen sank von sieben auf drei Kompanien. In Dornbirn kehrten dem Heimatdienst Kompaniekommandant Bertram Rhomberg, vier Zugskommandanten sowie 77 von 92 Mann den Rücken622. Auch leitende Funktionäre wie Moriz Matt, militärischer Leiter des Heimatdienstes, und der Bezirks- und Stadt- führer von Bregenz , Karl Kunze , traten aus der Wehrorganisation aus623. Anhand der Schwierigkeiten, welche einer etablierten Organisation wie dem Vorarlberger Heimat- dienst aus dem Aufstieg der Nationalsozialisten erwuchsen, lässt sich erahnen, wie wenig Aus- sicht auf Erfolg der von den Vorarlberger Landbündlern unternommene Versuch, eine eigene und zudem schlagkräftige Wehrformation aufzubauen, hatte. Das Ergebnis fi el dem entsprechend aus.

619 vgl. Dreier, Werner, Gegen Sozialisten und Nazis, S. 65 f 620 An den Landeshauptmann erging die Forderung, auf sein in den Satzungen des Heimatdienstes fest- geschriebenes Recht auf Aufrufung der Wehrorganisation Verzicht zu üben und dieses stattdessen der Landes- führung zu übertragen. In nationalen Fragen sollte der Heimatdienst auf Linie der NSDAP gebracht werden. Zu dem wurde vom Heimatdienst ein Bekenntnis zum Deutschen Reich verlangt. 621 vgl. Götsch, Alois, Die Vorarlberger Heimwehr, S. 68 f 622 vgl. Wiltschegg, Walter, Die Heimwehr, S. 164 f 623 vgl. Dreier, Werner, Zwischen Kaiser und „Führer“, S. 265 5. DIE „GRÜNEN“ IM VORARLBERGER LANDTAG

5.1 DIE XI. LEGISLATURPERIODE 1919 – 1923

Der UBB, in der provisorischen Vorarlberger Landesversammlung noch nicht vertreten, zog nach der Landtagswahl im April 1919 mit einem Abgeordneten in den Landtag ein. Dessen erster Ver- treter war Franz Josef Wachter, seines Zeichens Gemeindevorsteher und Standesrepräsentant von Schruns sowie Obmann des dortigen Konsumvereins. Mit dem Einzug des Unabhängigen Bauern- bündlers setzte sich der Vorarlberger Landtag aus vier Parteien zusammen.

Die „Grünen“ waren deren einzige, die keinen Lan- desrat stellten624. Auch in den Landtagsausschüssen waren sie unmittelbar nach der Wahl nicht vertreten. Dies sollte sich alsbald ändern. Den beiden anderen bürgerlichen Parteien – Christlichsozialen und Groß- deutschen – war an guten Beziehungen zum UBB ge- legen. Der Wunsch nach einem Zusammenschluss mit den „Grünen“ veranlasste die Großdeutschen, Entge- genkommen zu üben, indem sie ihren Sitz im landwirt- schaftlichen Ausschuss – selbst der Kulanz der CSP zu verdanken – 1920 dem „Grünen“-Abgeordneten Wach- ter überließen. Die Reaktion der Christlichsozialen da- rauf blieb nicht aus: Im darauf folgenden Jahr waren sie, denen von Rechts wegen acht der neun Plätze im landwirtschaftlichen Ausschuss zustanden, zur Abtre- tung von nunmehr zwei dieser Sitze bereit. Der VUBB, bis dahin den Großdeutschen zu Dank verpfl ichtet, saß damit auf einem ihm direkt von den „Schwarzen“ zu- Abb. 6: Franz Josef Wachter, Landtagsabge- gestandenen Platz. Das Kalkül dahinter liegt klar auf ordneter 1919 bis 1923 (Vorarlberger Landes- der Hand: Für die Christlichsozialen galt es ein Na- bibliothek, Fotosammlungen) heverhältnis von VUBB, der ihnen bei vorangegangen Wahlen deutliche Wählerverluste zugefügt hatte, und Großdeutschen zu verhindern. Darüber hinaus musste es „schwarzes“ Ziel sein, die tiefgreifende atmosphärische Störung zwischen ihnen und den „Grünen“ – am augenscheinlichsten zu Tage ge- treten in der Bludenzer Bauernrevolte625 – zu beheben. Die Aussicht, damit einen positiven Beitrag zur Anfang 1921 abermals thematisierten Vereinigung des eigenen Bauernbundes mit dem VUBB zu leisten und, sollte sich diese tatsächlich vollziehen, Einfl uss auf einen politischen Gegner zu gewinnen, lässt die christlichsoziale Kulanz nachvollziehbar werden.

Nebst dem landwirtschaftlichen Ausschuss, dem Wachter von 1920 bis 1923 angehörte, war der „Grünen“-Abgeordnete in keinem weiteren Ausschuss vertreten. Im Plenum des Vorarlberger Land-

624 Entsprechend der Bestimmung, wonach sich der Landesrat – ab Anfang 1921 als „Landesregierung“ be- zeichnet – nach dem Proporz zusammensetzte, entsandten sowohl Sozialdemokraten als auch Großdeutsche je eine Person in dieses Gremium. Die Christlichsozialen stellten sieben Landesräte. 625 vgl. dazu in dieser Arbeit, S. 21 94 | Deutschnationalismus in Vorarlberg tages nahm Wachter überwiegend zu land- und forstwirtschaftlichen Themen Stellung. Insbeson- dere ein Antrag zur Zwangsbewirtschaftung626 bewog ihn, dessen Statements ansonsten kurz aus- fi elen, zu einer längeren Rede. Darin sprach er sich gegen eine weitgehende Reglementierung der Landwirtschaft aus, brandmarkte diese als „ganz ungesunde Sache“. Seinem Credo zufolge sollte man jeden Bauern nach eigenem Gutdünken wirtschaften lassen, könne dieser doch am ehesten einschätzen, was das Beste für seinen Betrieb sei627. Auch bei der Forstwirtschaft stieß Wachter ins gleiche Horn. Der Überlegung, wonach Holz – einerlei, ob aus eigenem Wald oder aus den bezogenen Servitutholzmengen – nicht veräußert werden dürfe, stand der „Grünen“-Abgeordnete skeptisch gegenüber. Seiner Ansicht nach musste für den Fall, sollte derartiges beschlossen wer- den, mit dem Widerstand der Holzberechtigten gerechnet werden628. Wachter hatte sich damit für die von den „Grünen“ umworbene Klientel eingesetzt, tat dies, überblickt man die gesamte XI. Le- gislaturperiode des Vorarlberger Landtages, allerdings nicht allzu häufi g: In etwas über vier Jahren brachte er es auf 14 Wortmeldungen. Im Wahljahr 1923 verzichtete Wachter, trotz Anwesenheit in zwölf von 14 Landtagssitzungen, gänzlich auf – im Idealfall pressewirksame – Auftritte auf der Politbühne „Landtag“.

5.2 DIE XII. LEGISLATURPERIODE 1923 – 1928

Der Landbund blieb bei der Landtagswahl 1923 mit seinem Ergebnis zwar deutlich hinter den Er- wartungen zurück, zog aber dennoch numerisch gestärkt in den Landtag ein: Auf ihn, der bis dahin über einen Abgeordneten verfügt hatte, entfi elen zwei Landtagssitze. Das von den „Grünen“ erst- mals erzielte Mandat im Bezirk Feldkirch übernahm der Meininger Gemeindevorsteher Hermann Nachbaur. Beim wiedererlangten Mandat im Bezirk Bludenz vollzog sich ein Wechsel. Wachter – im letzten Landtag ohnedies kein Ausbund von Aktivität und zudem mit dem, allerdings von den „Grü- nen“ scharf zurückgewiesenen Gerücht konfrontiert, Fahnenfl ucht betreiben und dem christlichso- zialen Bauernbund beitreten zu wollen629 – war nicht mehr zur Wahl angetreten630. An seiner Stelle zog der Nenzinger Bauer und Obmann der Vorarlberger „Grünen“, Christian Stooß , in den Landtag ein. Stooß wie auch sein Parteikollege Nachbaur waren – wie anhand der nachfolgenden Tabelle ersichtlich – in mehreren Ausschüssen vertreten.

Hinsichtlich der Wortmeldungen schienen sich die beiden Neoabgeordneten vorerst an deren Vor- gänger Wachter zu orientieren. Gleich diesem 1923 trat keiner der beiden im Folgejahr vor das Plenum des Vorarlberger Landtages. Auch in den nächsten Jahren übten sich Stooß und Nachbaur vor allem in Schweigen – während der knapp viereinhalb Jahre der XII. Gesetzgebungsperiode

626 In diesem Antrag wurde die Zwangsbewirtschaftung von Milch, Butter und Käse gefordert. Darüber hinaus sollten u.a. die Haltung von Schweinen auf ein Mindestmaß reduziert, Notschlachtungen, sofern nicht aus- reichend gerechtfertigt, streng bestraft und alle Häute – auch jene aus Haus- und Notschlachtungen – abliefe- rungspfl ichtig werden. 627 vgl. Vorarlberger Landtag, Stenographische Sitzungsberichte, 20. Sitzung am 14. Jänner 1921, S. 14 f und 18 f 628 vgl. ebenda, 5. Sitzung am 6. Juli 1921, S. 20 629 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 2. April 1920, S. 2 630 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 19. Oktober 1923, S. 3 5. Die „Grünen“ im Vorarlberger Landtag | 95 meldeten sich die beiden „Grünen“-Abgeordneten viermal zu Wort. Zum Vergleich: Die Großdeut- schen, gleich den Landbündlern mit zwei Mandataren im Landtag vertreten, brachten es in diesem Zeitraum auf rund 35 Wortmeldungen631.

Ausschuss Einsatzzeit Funktion von Christian Stooß Hermann Nachbaur Finanz- und Steuerausschuss 1925; 1926; 1927 ––– Ersatzmann Landwirtschaftlicher Ausschuss 1924 Mitglied Ersatzmann

1925; 1926; 1927 Mitglied –––

Ausschuss für die Ausmalung 1924; 1925; 1926 Mitglied Ersatzmann des Landtagssitzungssaales

Tabelle 1: Landtagsausschüsse der XII. Legislaturperiode mit „grüner“ Vertretung632

Aufgrund der geringen Zahl von Auftritten der Landbund-Abgeordneten ist eine Hauptstoßrichtung ihrer Landtagsarbeit kaum auszumachen. Noch am ehesten hier zu nennen ist deren Eintreten für eine fi nanzielle Stärkung der Gemeinden bei gleichzeitiger Beschneidung der monetären Landes- kompetenzen. Entsprechend dieser Haltung stieß sich Nachbaur, der – anders als seine Kollegen von der GDVP633 – keinen prinzipiellen Einwand gegen die Neueinführung einer Energieabgabe hatte, an der vorgesehenen Verteilung der damit lukrierten Mittel. Die von der Mehrheitspartei favorisierte Variante sah vor, ein Drittel der Einnahmen in einen Fond fl ießen zu lassen. Dem Land sollte es vorbehalten sein, diese Gelder an besonders arme Gemeinden zu verteilen. Bei dem von den „Grünen“ unterbreiteten Vorschlag war das Land dagegen außen vor. Ihrer Ansicht nach sollte dieses Drittel – und das ohne Umwege – bei den Gemeinden verbleiben. In dieser Position spiegelt sich die Skepsis der „Landbündler gegenüber dem gewissenhaften Umgang des Landes mit Steu- ermitteln wider. Wenige Monate davor, anlässlich der Besprechung des Landesvoranschlages Ende 1925, soll von Seiten des Landbundes der Vorwurf erhoben worden sein, das Land habe Geld mit „großer Leichtigkeit“ und „vollen Händen“ hinausgeworfen. Auch die Darstellung, der zufolge im „(...) Regierungspalais ganz merkwürdige Kerle sitzen, die sich fette Pfründen geschaffen haben“634, stand im Raum. Neben sachlicher Überzeugung dürften die „Grünen“ auch parteipolitische Überle- gungen zu solchen Attacken bewogen haben. Die Landbündler traten, indem sie sich als Verteidiger von Gemeindeinteressen positionierten, nämlich gerade für jene Entscheidungsebene ein, auf der für sie die relativ größten Einfl ussmöglichkeiten zu erwarten waren. So hatte der Landbund bei der Landtagswahl 1923 sowohl in Meiningen als auch St. Anton im Montafon die mit Abstand meisten

631 vgl. Vogel, Bernd, Die „Blauen“ der Zwischenkriegszeit, S. 158 632 vgl. Vorarlberger Landtag, Stenographische Sitzungsberichte, 2. Sitzung am 7. Jänner 1924, S. 4 f; 6. Sitzung am 5. März 1924, S. 10 f; 1. Sitzung am 7. Jänner 1925, S. 2 – 4; 1. Sitzung am 18. Jänner 1926, S. 2 – 4 und 12. Sitzung am 22. Dezember 1926, S. 1 f 633 Die „Blauen“ lehnten die Einführung der Energieabgabe rundweg ab. Handel, Gewerbe und Industrie in ihrer Ansicht nach ohnedies wirtschaftlich schwierigen Zeiten weitere Belastungen aufzubürden, hielten sie für ver fehlt (vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 204). 634 Vorarlberger Landtag, Stenographische Sitzungsberichte, 13. Sitzung am 21. Dezember 1925, S. 15 96 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Stimmen erhalten. In Bartholomäberg und Röns hatte er ein nur geringfügig schlechteres Ergebnis als die Christlichsozialen erzielt. Auch der Ausgang der Gemeinderatswahlen 1924 bestätigte den Einfl uss der „Grünen“ in einigen der Vorarlberger Gemeinden: In Bludesch wurden sie zur man- datsstärksten Partei im Gemeinderat, in Schruns lagen sie mit den Christlichsozialen gleichauf. Überdies stellten vereint zur Wahl angetretene Christlichsoziale und Landbündler in St. Anton im Montafon , Bartholomäberg und Lorüns die Mehrheit der dortigen Abgeordneten635. Auf Landesebene nahmen sich ihre Möglichkeiten zur Mitgestaltung vergleichsweise bescheiden aus. Dem Landbund, mit zwei Mandataren im 30-köpfi gen Landtag vertreten, stand eine christ- lichsoziale Zweidrittelmehrheit gegenüber. Welch zermürbende Wirkung die daraus resultierende Machtlosigkeit auf eine Kleinpartei haben konnte, lässt sich anhand großdeutscher Wortmeldun- gen erahnen. Die „Blauen“ prangerten die „diktatorische Parteiwirtschaft der Christlichsozialen“636 an und beklagten sich über die Aussichtslosigkeit, „(...) der Willkür unserer Christlichen Mehrheit Zügel anzulegen“637. Georg Dietrich, einfl ussreiche Persönlichkeit innerhalb Vorarlbergs „Blauer“, merkte hierzu auf dem großdeutschen Bundesparteitag 1925 an, dass die Herren aus „(...) den gros- sen Ländern mit den grossen Landtagen, in denen es alle möglichen politischen Konstellationen gibt, .. nicht (wissen), was es heisst, eine christlichsoziale Zweidrittel- oder Dreiviertelmajorität über sich zu haben, die schaltet und waltet, wie sie will.“638 Anfang 1927 erfuhr die ohnehin bescheidene Bedeutung, die den „Grünen“ im Vorarlberger Landtag zukam, eine weitere Schmälerung: Der Landtagsabgeordnete Stooß kehrte dem Landbund infolge dessen Spaltung den Rücken und schloss sich stattdessen dem Vorarlberger Bauernbund an. Sein Landtagsmandat legte er allerdings – sehr zum Missfallen der Landbündler639 – nicht zurück. Un- terstützung von Seiten seines ehemaligen Parteikollegen wurde Nachbaur , dem nunmehr einzigen „Grünen“-Abgeordneten im Vorarlberger Landtag, in der Folge nicht mehr zuteil. Stooß nahm zwar regelmäßig an den Sitzungen teil, blieb jedoch bis zum Ende der Legislaturperiode, das zugleich seinen Abschied vom Landtag bedeutete, ohne Wortmeldung.

5.3 DIE XIII. LEGISLATURPERIODE 1928 – 1932

Die Wahl im März 1928 brachte dem „Ländle“-Landbund, während der XII. Legislaturperiode des Vorarlberger Landtages in eine tiefe Krise mit anschließender Spaltung geraten, einen unerwarte- ten Erfolg. Nur wenige Monate nach der Reorganisation erzielten die Vorarlberger „Grünen“ mit Hilfe der tatkräftigen Unterstützung von Parteifreunden aus Kärnten und der Steiermark ihr bestes bei landesweiten Wahlen erzieltes Ergebnis. Damit verteidigten sie ihre zwei 1923 errungenen Mandate. Hermann Nachbaur, der die Landbund-Liste im Bezirk Feldkirch angeführt hatte, zog aber- mals in den Landtag ein. Im Bezirk Bludenz folgte auf den abtrünnigen Stooß der Gaschurner Bauer Peter Rudigier . Der Wahlerfolg manifestierte sich auch in einer erhöhten Zahl von Ausschüssen, in

635 vgl. Vorarlbergische Statistik, S. 25, 27, 39 und 43 636 ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 33 / R I – 12: Auszüge aus den Berichten über die Tätigkeit der Landesparteileitun- gen, in: Der dritte Reichsparteitag der Großdeutschen Volkspartei, 1922, S. 27 637 ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 34 / R I – 12: Jahresbericht der Großdeutschen Volkspartei für Vorarlberg zum vierten Reichsparteitag 638 ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 34 / R I – 12: Rede Dietrichs auf dem 6. Reichsparteitag 1925 639 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg – Wochenblatt des Landbundes für Oesterreich, 24. März 1928, S. 1 5. Die „Grünen“ im Vorarlberger Landtag | 97 denen die „Grünen“ vertreten waren. Die Hauptlast der landbündlerischen Ausschussarbeit trug – wie anhand der nachfolgenden Tabelle zu ersehen ist – der Neoabgeordnete Rudigier . Nachbaur wurde vom sozialdemokratischen Abgeordneten Bertsch dagegen vorgeworfen, nie zu Ausschuss- sitzungen zu erscheinen.

Der „schwarze“ Landesrat Mittelberger blies – wenn auch etwas dezenter – ins gleiche Horn, indem er den „Grünen“-Mandatar zu fl eißiger Mitarbeit ermunterte640. Nachbaur konterte diese Angriffe mit der Behauptung, aufgrund der für die Ausschusssitzungen geltenden Zutrittsbeschränkungen an einer ersprießlichen Mitarbeit im Landtag gehindert zu sein. Die Christlichsozialen entkräfteten diese Darstellung mit dem Hinweis auf § 2 der Geschäftsord- nung des Vorarlberger Landtages: Diesem zufolge waren sämtliche Abgeordnete an allen Aus- schusssitzungen als Zuhörer teilnahmeberechtigt641.

Ausschuss Einsatzzeit Funktion von Peter Rudigier Hermann Nachbaur Finanz- und Steuerausschuss 1928; 1929; 1930; Ersatzmann ––– 1931; 1932 Landwirtschaftlicher 1928; 1929; 1930; Mitglied ––– Ausschuss 1931; 1932 Schulausschuss 1928; 1929; 1930; Mitglied ––– 1931; 1932 Sanitätsausschuss 1928; 1929; 1930; ––– Mitglied 1931; 1932 Energieausschuss 1929; 1930 Mitglied ––– 1931; 1932 Ersatzmann –––

Tabelle 2: Landtagsauschüsse der XIII. Legislaturperiode mit „grüner“ Vertretung 642

Im Plenum des Landtages blieben die beiden Landbund-Abgeordneten – gelinde gesagt – unauf- fällig, deren Auftritte rar. Nachbaur trat in den rund viereinhalb Jahren des XIII. Vorarlberger Land- tages dreimal ans Podium, sein Parteikollege Rudigier zweimal. Vom großdeutschen Presseorgan wurden diese wenigen Wortmeldungen der „Grünen“-Mandatare im Oktober 1932 mit der Bemer- kung quittiert, die beiden hätten sich „(...) im letzten Landtag .. vor allem durch ihre hervorragende Schweigsamkeit ausgezeichnet (...)“643.

Bei seinen wenigen Auftritten stieß sich Nachbaur – gleich seinem Kollegen von der GDVP, Anton Zumtobel644 – primär am Vorarlberger Landeshaushalt. Vor dem Hintergrund der 1929 einsetzenden

640 vgl. Landpost, 2. Jänner 1932, S. 3 641 vgl. Vorarlberger Landstimmen, 14. Jänner 1932, S. 3 642 vgl. Vorarlberger Landtag, Stenographische Sitzungsberichte, 2. Sitzung am 2. April 1928, S. 1 – 3 und 1. Sitzung am 15. Jänner 1929, S. 5, sowie: Vorarlberger Amtskalender (1929), S. 160; (1930), S. 65 f; (1931), S. 55 und (1932), S. 55 f 643 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 21. Oktober 1932, S. 1 644 vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 214 f 98 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Weltwirtschaftskrise forderte Nachbaur eine den Notzeiten angemessene, von ihm aber vermisste Sparsamkeit ein. Seine Vorschläge zur Kurskorrektur reichten von einem durch Vereinfachung der Gesetzgebung ermöglichten Abbau von Ämtern und Beamten bis hin zu einer verringerten Zahl von Landtagsabgeordneten.645 Bei Letzterem traf sich der Landbund wiederum mit den „Blauen“: Jenen galt der Landtag schon lange als überdimensioniert. Bereits 1923 waren sie für einen Abbau des Landtages von 30 auf 20 Abgeordnete eingetreten646. Die „Grünen“ sprachen sich für einen noch radikaleren Einschnitt aus. Laut Nachbaur konnte gar mit 15 bis 18 Landtagsabgeordneten das Aus- langen gefunden werden647. Ein derartiger Vorschlag mag populär, dies auch der Grund gewesen sein, weshalb er vom Landbund vorgebracht wurde. An der faktischen Umsetzung seiner Forderung konnte ihm aber nicht gelegen sein, wäre doch damit das Ende „grüner“ Präsenz im Landtag mit Ablauf der XIII. Legislaturperiode besiegelt worden648. Mit einem verkleinerten Landtag verband Nachbaur auch die Erwartung, dass der von ihm skep- tisch beurteilte Zubau des Landesarchivs überfl üssig wür- de. Sein Vorschlag ging dahin, die Sitzungen des weniger Abgeordnete zählenden Landtages in einem bescheide- neren Saal abzuhalten. Der hierdurch verwaiste ehema- lige Sitzungssaal galt ihm als Möglichkeit, die Platzfrage des Archivs auf ganz billige Weise zu lösen.649 Die Land- tagsmehrheit ließ sich von seinen Ausführungen jedoch nicht überzeugen. Sie befürwortete den raschen Bau des Landesarchiv-Magazins. Vor dem Hintergrund einer gro- ßen Zahl von Arbeitslosen erschien er als willkommene Arbeitsbeschaffungsmaßnahme650. All seine Forderungen nach Sparsamkeit waren Nachbaur dabei nicht Selbstzweck – für ihn bildete sie die Grund- lage möglicher Steuersenkungen. Bei den vom Land bis dahin erwirtschafteten Überschüssen, gepaart mit Spar- samkeit, bot sich nach Ansicht von Nachbaur die Mög- lichkeit, die Lohnabgabe gänzlich fallen zu lassen651.

Abb. 7: Peter Rudigier, Land tagsabgeordne- Von seinem Parteikollegen Rudigier dürfte diese Auffas- ter 1928 bis 1932 (Vorarlberger Landesbi- sung nicht geteilt worden sein. Dieser soll stattdessen bliothek, Fotosammlungen) für die Beibehaltung der Lohnabgabe in alter Höhe einge-

645 vgl. Vorarlberger Landtag, Stenographische Sitzungsberichte, 9. Sitzung am 17. Dezember 1931, S. 178 – 180 646 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 28. März 1923, S. 2 647 vgl. Vorarlberger Landtag, Stenographische Sitzungsberichte, 9. Sitzung am 17. Dezember 1931, S. 180 648 Wären bei der Landtagswahl 1928 statt der tatsächlich 30 Mandate nur deren 15 zur Verteilung gelangt, hätte der Landbund trotz des damals unerwartet großen Wählerzuspruchs keinen Sitz im Landtag erobert, einen solchen in allen Bezirken gar deutlich verfehlt. Im Dezember 1931, als Nachbaur die Forderung nach Verkleinerung des Landtages erhob, konnten die „Grünen“ nicht damit rechnen, das Ergebnis von 1928 wieder zu erreichen geschweige denn es zu übertreffen. 649 vgl. Vorarlberger Landtag, Stenographische Sitzungsberichte, 9. Sitzung am 17. Dezember 1931, S. 180 650 vgl. ebenda, 6. Sitzung am 16. Juli 1931, S. 116 f 651 vgl. ebenda, 9. Sitzung am 17. Dezember 1931, S. 179 f 5. Die „Grünen“ im Vorarlberger Landtag | 99 treten sein. Anton Zumtobel, der „blaue“ Beitrag zum XIII. Vorarlberger Landtag, nannte die unter- schiedliche Herkunft der beiden „Grünen“-Abgeordneten als Grund für deren differierende Haltung in dieser Frage652. Über die Streichung der Lohnabgabe hinaus forderte Nachbaur selbiges auch für die Immobiliar-Gebühren-Zuschläge653. Deren Ende lag ihm – nicht zuletzt mit Blick auf die eigene Klientel – offenkundig besonders am Herzen: Bereits 1929 hatte er sich für die gänzliche Abschaf- fung der Immobiliargebühren ausgesprochen. Die Haus- und Grundbesitzer würden ohnedies schon eine ordentliche Steuerlast zu tragen haben, so Nachbaurs Argument654.

5.4 Die XIV. Legislaturperiode 1932 – 1934

Der Urnengang im November 1932 bescherte dem Landbund deutliche Einbußen. Das Mandat im Wahlbezirk Bludenz ging ihm verloren, jenes in Feldkirch vermochte er dagegen zu verteidigen. Hermann Nachbaur, mit zwei Legislaturperioden ohnedies schon der längst dienende „Grünen“- Abgeordnete, zog damit abermals in den von 30 auf 26 Abgeordnete verkleinerten Landtag ein. Darüber hinaus bot sich für Nachbaur alsbald die Aussicht auf noch höhere Weihen: Nachdem sowohl Sozialdemokraten als auch Nationalsozialisten es auf die Anfrage der „Schwarzen“ hin abgelehnt hatten, einen Landesrat zu stellen, unterbreiteten sie ihr Angebot hierauf dem Landbund. Dieser nahm an655. Damit zog Nachbaur als erster und – wie der weitere Verlauf der Geschichte zeigen sollte – einziger Vertreter des Landbundes in eine Vorarlberger Landesregierung ein. Zudem gehörte der „Grünen“-Abgeordnete auch drei Landtagsausschüssen an. Die nachfolgende Tabelle gibt Auskunft über seine dortigen Einsatzgebiete.

Ausschuss Einsatzzeit Funktion von Hermann Nachbaur Landwirtschaftlicher Ausschuss 1932; 1933; 1934 Mitglied Volkswirtschaftlicher Ausschuss 1932 Ersatzmann 1933; 1934 Mitglied Rheintalmeliorierungsausschuss 1932; 1933; 1934 Mitglied

Tabelle 3: Landtagsausschüsse der XIV. Legislaturperiode mit „grüner“ Vertretung 656

652 Nachbaur stand mit Meiningen einer landwirtschaftlich dominierten Gemeinde vor. Die hier mit der Lohn- abgabe erzielten Einkünfte fi elen gering aus. Für Meiningen hätte deren Abschaffung somit kaum fi nanzielle Einbußen zur Folge gehabt. Rudigier demgegenüber stammte aus Gaschurn, einem Ort, in dem die Jahre davor rege gebaut worden und die Lohnabgabe reichlich gefl ossen war. Der fi nanzielle Einschnitt, hervorgerufen durch den Wegfall der Einnahmen aus der Lohnabgabe, wäre für Gaschurn folglich ein gravierender gewesen (vgl. Vorarlberger Tagblatt, 30. März 1931, S. 3). Letztlich sollte sich dieser aber in Grenzen halten. 1929 und 1931 wurde die Lohnabgabe, die davor über Jahre hinweg vier Prozent betragen hatte, vom Vorarlberger Landtag um jeweils einen halben Prozentpunkt gesenkt (vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 226 – 229). 653 vgl. Vorarlberger Landtag, Stenographische Sitzungsberichte, 9. Sitzung am 17. Dezember 1931, S. 179 f 654 vgl. ebenda, 1. Sitzung am 15. Jänner 1929, S. 24 f 655 vgl. ebenda, 1. Sitzung am 22. November 1932, S. 10 656 vgl. ebenda, 2. Sitzung am 25. November 1932, S. 15 f und Vorarlberger Amtskalender (1934), S. 39 f 100 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Die Wahl Nachbaurs zum Landesrat blieb nicht ohne Kritik: Bertsch , schon in der letzten Legis- laturperiode als Kritiker des „Grünen“-Abgeordneten in Erscheinung getreten, sprach Nachbaur die Eignung ab, die für eine Minderheitspartei ohnedies begrenzten Kontrollmöglichkeiten im Lan- desrat angemessen ausüben zu können. Seine Skepsis begründete Bertsch mit Nachbaurs Perfor- mance in den letzten beiden Legislaturperioden. Diese war aus seiner Sicht primär durch ein sehr oft unentschuldigtes Fernbleiben sowie den Grundsatz „Schweigen ist Gold“ gekennzeichnet657. Hinsichtlich des zweiten Vorwurfs strafte Nachbaur seinen Kritiker in der Folge nicht Lügen. Der „Grünen“-Politiker blieb im Plenum des Vorarlberger Landtages über die gesamte XIV. Gesetzge- bungsperiode hinweg – und dies, obwohl bei 16 der 18 Sitzungen anwesend658 – ohne Wortmel- dung. Die Nationalsozialisten vermerkten hierzu nicht ohne Sarkasmus, dass der Abgeordnete des Landbundes, wohl wegen seiner Verblüffung ob der neuen Würde als Landesrat, keine Worte mehr fi nden würde659.

Die Abgeordneten des Landbundes brachten es in vier Legislaturperioden oder etwas über 15 Jahren Landtag damit auf 23 Wortmeldungen. Die Chance, sich der Be- völkerung mit akzentu ierten Auftritten im Landtag als Wahloption für spätere Urnengänge zu präsentieren, ließen sie damit weitestgehend ungenützt verstrei- chen.

Obwohl es im Zuge der Februarereignisse 1934 – die- se forderten österreichweit über 300 Todesopfer660 – in Vorarlberg zu keinen Kampfhandlungen gekommen war661, zeitigten sie auch im „Ländle“ Folgen: Das von der Bundesregierung hierauf gegen die Sozialdemo- kratie verhängte Parteiverbot zwang auch Vorarlbergs „Rote“ in die Illegalität. Deren Vermögen – vor allem die Arbeiterheime – wurde konfi sziert, die Freien Ge- werkschaften untersagt662. Zudem schieden aufgrund der von der Bundesregierung verfügten Annullierung Abb. 8: Hermann Nachbaur, Land tagsabge- ordneter 1923 bis 1934 und Landesrat 1932 der sozialdemokratischen Mandate deren vier Abgeord- bis 1934 (Vorarlberger Landesbibliothek, Fo- nete aus dem Vorarlberger Landtag aus. Dem Landtag, tosammlungen) aufgrund des im Juni 1933 verhängten Verbots gegen

657 vgl. Vorarlberger Landtag, Stenographische Sitzungsberichte, 4. Sitzung am 13. und 14. Dezember 1932, S. 96 658 Bei zwei der regulären Sitzungen fehlte Nachbaur – dies jeweils unentschuldigt. 659 Der Rote Adler, 1. Jänner 1933, S. 3 660 Die blutigen Auseinandersetzungen kosteten annähernd 200 Zivilisten das Leben. Die Exekutive ein- schließlich freiwilliger Wehrverbände hatte knapp 130 Tote zu beklagen (vgl. Goldinger, Walter, Der ge- schichtliche Ablauf der Ereignisse in Österreich, S. 216). 661 In Vorarlberg beschränkte sich der Widerstand der Sozialdemokraten im Wesentlichen auf am 12. Februar 1934 stattfi ndende Straßendemonstrationen in Bludenz. Zudem detonierte vor dem damaligen Gendarmerie- gebäude der „Alpenstadt“ ein Sprengsatz (vgl. Greussing, Kurt, Vorarlberger Sozialdemokraten in der Illega- lität, S. 345). 662 vgl. Dreier, Werner, Zwischen Kaiser und „Führer“, S. 241 5. Die „Grünen“ im Vorarlberger Landtag | 101 die NSDAP bereits um zwei Mandatare dezimiert, gehörten damit noch 20 Abgeordnete an. Neben den 18 Mandataren der CSP waren sowohl der Landbund als auch die GDVP mit je einem Abgeord- neten vertreten.

Zu einschneidenden Veränderungen kam es auch hinsichtlich der Zusammensetzung der Landesre- gierung. In seiner Rede am 3. März 1934 wies der Vorarlberger Landeshauptmann und Landtags- präsident Otto Ender darauf hin, dass sich die Lage anderer Bundesländer, in denen es schon zur Umbildung der Regierungen gekommen war, deutlich von jener im „Ländle“ unterscheiden würde. Weder gäbe es in Vorarlberg einen „überlebte(n) Landtag“ noch eine infolge des Verbots der Sozi- aldemokratie dezimierte Landesregierung. Auch Probleme mit Regierungsmitgliedern, die aufgrund ihres Charakters oder ihrer Handlungen umstritten waren, sah Ender für Vorarlberg nicht. Vielmehr attestierte er sämtlichen Landesräten, „(...) ehrenvoll in der Öffentlichkeit (zu) bestehen.“663 Dessen ungeachtet trat Ender für die Umbildung der Landesregierung ein. Als Grund nannte er den Wunsch der Bundesregierung nach einer stärkeren Einbeziehung der Vertreter der Stände sowie der Vater- ländischen Front664. Zwei Tage später, am 5. März 1934, erfolgte die Wahl einer neuen Landesregie- rung. Der „grüne“ Landesrat Nachbaur, der etwas mehr als ein Jahr dieses Amt innegehabt hatte, gehörte dieser nicht mehr an. Mitglied des Rumpfl andtages blieb Nachbaur über den Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der Lan- desregierung hinaus. Mit der letzten Sitzung des XIV. Vorarlberger Landtages am 11. Oktober 1934 schloss sich für den „Grünen“-Abgeordneten nach rund zehneinhalb Jahren auch dieses665.

663 Vorarlberger Landtag, Stenographische Sitzungsberichte, 1. Sitzung am 3. März 1934, S. 6 664 vgl. ebenda 665 vgl. Vorarlberger Landtag, Stenographische Sitzungsberichte, 9. Sitzung am 11. Oktober 1934, S. 61

6. VERHÄLTNISSE DER PARTEIEN IM WANDEL

Um das Verhältnis zwischen dem Landbund und seinen deutschnationalen Konkurrenten, insbe- sondere der GDVP, besser einordnen zu können, gilt es vorerst – als Hintergrund hierfür – ein Bild von der Beziehung der „Grünen“ zur christlichsozialen Bauernorganisation, dem Vorarlberger Bauernbund, zu zeichnen. Die Bundesparteien von „Grün“ und „Blau“ waren einhellig der Ansicht, dass der Vorarlberger Landbund eine „besondere Stellung“ unter Öster reichs „grünen“ Landesorga- nisationen einnehme666. Diese resultierte im Wesentlichen aus seiner ausgeprägten Affi nität zu den Christlichsozialen. Die Beschreibung des Verhältnisses des Vorarlberger Landbundes zur „schwar- zen“ Bauernorganisation liest sich folglich über weite Strecken wie eine Chronologie von – in der Mehrzahl gescheiterten – Vereinigungsver suchen. Diese Ausrichtung konnte für die Beziehung zur GDVP nicht ohne Folgen bleiben.

6.1 DIE „GRÜNEN“ UND IHR CHRISTLICHSOZIALES PENDANT

6.1.1 DAS GROSSE ZIEL

Bereits Anfang Mai 1919 sprachen sich die „Grünen“ generell für eine einheitliche Vertretung der Vorarlberger Bauernschaft aus667. Zwei Monate später wurden sie diesbezüglich kon kreter, indem sie ihr Interesse an einer engen Verbindung zur absehbaren Neugründung der CSP signalisierten. Sowohl die Mitarbeit bei der „schwarzen“ Bauernorganisation als auch der Anschluss an diese wurden bei ihnen als mögliche Szenarien gehandelt. Sollte Letzteres Realität werden, wollten sie allerdings am Weiterbestand der eigenen Bezirksorganisation festhalten. Damit verbanden die Un- abhängigen Bauernbündler die Erwartung, die eigenen Interessen in einer landesweit agierenden einheitlichen Bauernorganisation besser vertreten zu können.668

In der Folge erhoben Bauern beider Couleur die Forderung nach einem einheitlichen Bauernbund. Dessen Zuständigkeit sollte, bei gleichzeitiger Ausschaltung jeglicher Parteipolitik, auf wirtschaft- liche Fragen beschränkt sein. Konkrete Folgen zeitigte diese Forderung keine. Stattdessen sah der UBB seine Organisation von „alten Berufs-Parteipolitiker(n)“ der Christlichsozialen, die sich – so seine Diktion weiter – wie „eifersüchtige Güggeler“ gebärdet haben sollen, „aufs Korn“ genom- men.669 Zurückzuführen ist der christlichsoziale Konfrontationskurs auf den Ausgang der Landtagswahl vom April 1919: Dieser ließ offenkundig werden, dass dem UBB ein markanter Einbruch in das christlichsoziale Wählerlager gelungen war. Während die „Schwarzen“ in den politischen Bezirken Bregenz und Feldkirch ihr Ergebnis von der Wahl zur konstituierenden Nationalversammlung – ab- gehalten im Februar 1919 – um 4,44 % übertrafen, hatten sie in Bludenz Einbußen in der Höhe von

666 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – B: Verhandlungsschrift über die Sitzung der bevollmächtigten Ver treter der GDVP bzw. des Bundes deutschösterreichischer Bauern und der Deutschen Bauernpartei bzw. des Land- bundes für Österreich am 6. Dezember 1922 667 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes, 2. Mai 1919, S. 1 668 vgl. ebenda, 4. Juli 1919, S. 1 669 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 24. Dezember 1920, S. 1 104 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

9,95 % hinzunehmen. Die „Grünen“, deren erstmalige Kandidatur sich auf Vorarlbergs südlichsten Bezirk beschränkte, kamen dort auf 18,62 %. In Gemeinden, in denen der UBB besonders zu reüs- sieren und 25 % und mehr Stimmen auf sich zu vereinen vermochte670, betrugen die christlichso- zialen Einbußen sogar 17,84 %. Es kann als sicher gelten, dass die Mehrzahl dieser Stimmen den „Grünen“ zufl oss671. Mit dem UBB war den „Schwarzen“ damit ernst zu nehmende Konkurrenz um die Gunst der Vorarlberger Bauernschaft entstanden. Die Gründung des Vorarlberger Bauernbun- des – auch begünstigt von der im November 1919 erfolgten Konstituierung des christlichsozialen „Reichsbauernbundes“672 – ist als Versuch der CSP zu werten, die Entwicklung der „Grünen“ mit Hilfe einer eigenen bäuerlichen Organisation zu hemmen.

Am 10. Dezember 1919 sprachen sich Vertreter mehrerer Vorarlberger Bauernbünde für einen Zu- sammenschluss ihrer Organisationen aus. Damit war der Vorarlberger Bauernbund aus der Taufe gehoben673. Die Annahme des Punktes, diesen auf christlicher Grundlage fußen zu lassen, erfolgte einstimmig.674 Insbesondere daran stießen sich die bei der Tagung ebenfalls anwesenden Delegier- ten des UBB. Sie mutmaßten, der Ausdruck „christlich“ sei mit „christlichsozial“ gleichzusetzen675. Mehrfach wurde versucht, die „Grünen“ von dieser Einschätzung abzubringen676 – vergebens: De- ren Befürchtung, dass sie, die sich stets für eine bäuerliche Standesvertretung aussprachen, sich unverhofft als Anhängsel der Vorarlberger Mehrheitspartei wiederfi nden könnten, war offenkundig zu ausgeprägt677. Folglich sahen sie von einem Beitritt zum Vorarlberger Bauernbund ab.

Nach erfolgter Gründung des Vorarlberger Bauernbundes – ohne Einbindung des UBB – setzten die Christlichsozialen ihre Angriffe auf die „Grünen“ ungemindert fort. Letztere sahen sich vom politi- schen Kontrahenten „Religion, Christentum, Glauben, Sittlichkeit, Moral und Anstand“ abgespro- chen678. Auch im Wahlkampf zur Nationalratswahl im Oktober 1920 attackierten die „Schwarzen“ primär den VUBB679. Dabei zeichneten sie von ihrer bäuerlichen Konkurrenz ein Bild, das diese als

670 Im Gerichtsbezirk Bludenz waren dies Bludesch , Ludesch , Nüziders und St. Gerold , im Montafon die Ort- schaften Bartholomäberg , Gaschurn , Lorüns , St. Anton , St. Gallenkirch, Schruns , Silbertal und Tschagguns . 671 vgl. Vogel, Bernd, Die „Blauen“ der Zwischenkriegszeit, S. 140 672 vgl. Kern, Felix, Oberösterreichischer Bauern- und Kleinhäuslerbund 2. Band, Ried i. Innkreis 1956, S. 137 und 140 – 154, zit. nach: Bruckmüller, Ernst, Interessenvertretung der Bauern, S. 357 673 Im März 1920 gehörten dem Vorarlberger Bauernbund acht der neun in Vorarlberg existierenden Bauern- bünde bzw. -vereine an. Es waren dies der „Bregenzerwälder Bauernbund“, der „Unterländer Bauernverein“, der „Bauernbund Rheindelta “, der „Bauernverein Lustenau “, die „Bauernvereinigung Dornbirn “, der „Bund der Landwirte des Bezirkes Feldkirch “, der „Innerländer Bauernbund“ sowie der „Bauernbund Montafon “. Alleine der „Unabhängige Bauernbund“ war nicht Teil dieser Neugründung (vgl. Vorarlberger Bauern-Zeitung, 4. April 1920, S. 6). 674 vgl. Vorarlberger Volksblatt, 13. Dezember 1919, S. 1 675 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 25. Februar 1921, S. 1 676 vgl. Vorarlberger Bauern-Zeitung, 31. Jänner 1920, S. 6 677 Die weitere Entwicklung der katholischen Bauernbünde lässt die Einschätzung der „Grünen“ als richtig erscheinen: Die formal unabhängigen Bauernbünde wiesen in den einzelnen Bundesländern zwar ein unter- schiedlich ausgeprägtes Naheverhältnis zur CSP auf. Ihnen gemeinsam war allerdings, sich stets als Teilorgani- sationen der Partei zu verstehen (vgl. Bruckmüller, Ernst, Interessenvertretung der Bauern, S. 357 und 361). 678 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 24. Dezember 1920, S. 1 679 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 2 / ohne Signatur: Verhandlungsschrift über die gemeinsame Sitzung des Reichsvollzugsausschusses und der Abgeordneten der GDVP am 28. Oktober 1920 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 105 mit den Sozialdemokraten liebäugelnde, in Glaubensangelegenheiten fragwürdige Kleinpartei mit politisch kaum vorhandenem Durchsetzungs vermögen erscheinen ließ680. Die heftigen Angriffe der CSP zeitigten Wirkung: Die „Grünen“ blieben bei der Nationalratswahl 1920 hinter den Erwartungen zurück. Beim ihrem erstmaligen Antreten in allen Bezirken Vorarlbergs kamen sie auf 9,23 % der landesweit gültig abgegebenen Stimmen. In einer ersten Reaktion sprach das „schwarze“ Parteiblatt von einem mäßigen Abschneiden des VUBB681. Dennoch verstärkte der Ausgang dieser Wahl den Eindruck, der VUBB gewänne vor allem auf Kosten der Christlichsozialen. Im Bezirk Bludenz erhielten die „Grünen“ 25,08 % der Stimmen – gegenüber der Landtagswahl 1919 ein Plus von 6,46 %. Während Sozialdemokraten und Großdeutsche ihre Bezirksergebnisse vom April 1919 trotz erstarktem VUBB zu übertreffen vermochten682, hatten die „Schwarzen“ herbe Verluste hinzunehmen. Gegenüber dem letzten Urnengang war ihr Stimmenanteil im Wahlkreis Bludenz um 8,20 % auf nunmehr 51,54 % gesunken.

Obwohl die heftigen Wahlattacken seitens der Christlichsozialen erst wenige Wochen zurücklagen und das Naheverhältnis CSP – Vorarlberger Bauernbund nicht nach dem Geschmack des VUBB war, artikulierte dieser auf der Hauptversammlung im Jänner 1921 abermals seine Bereitschaft zum Zusammenschluss mit der „schwarzen“ Bauernorganisation. Hinsichtlich des Titels der neuen Orga- nisation gaben sich die „Grünen“ kulant, sprachen sich für die Bezeichnung „Vorarlberger Bauern- bund“ aus. Ihre Vorstellungen betreffs Ausgestaltung und Positionierung des Zusammenschlusses formulierten sie in mehreren Hauptbedingungen. Diese lauteten wie folgt:

• Die Parteipolitik muss vollständig ausgeschlossen sein. Der Bund darf sich an keinen Wahlen in gesetzgebende Körperschaften, Landes- und Gemeindewahlen beteiligen. • Das Programm der Neugründung verfolgt ebenso wie deren Presse rein wirtschaftliche Ziele. • Die Mitgliedschaft ist „tatsächliche(n) Bauern“ vorbehalten, gleich ob diese Viehbesitzer, Acker- bauern oder anderweitig in der Landwirtschaft Beschäftigte sind. • Vertreter politischer Parteien dürfen keine Führungsposition im Bund bekleiden. • Jedes Mitglied ist in seiner politischen Betätigung völlig frei.683

Obwohl diesem Vorstoß kein Widerhall beschieden war, trat das „grüne“ Parteiblatt wenige Wo- chen später abermals für die Vereinigung der beiden Bauernorganisationen ein. Dabei bekräftigte der VUBB seine Überzeugung, wonach sich der Zusammenschluss nicht einer politischen Partei entsprechend gerieren sollte. Einer angeblich von christlichsozialer Seite ange strebten Ausrichtung der Vereinigung als Kampfbündnis gegen die Sozialdemokratie erteilte er folglich eine Absage. Seine ablehnende Haltung zu Letzterem argumentierte das „Bauern-Blatt“ mit der Verbundenheit des Bauern – in diesem Zusammenhang mit dem Ehrentitel „Arbeiter“ dekoriert – zu Taglöhnern und Handwerkern. Obwohl die „Grünen“ meinten, beim „weitaus größte(n) Teil“ der Mitglieder beider Bauernbünde eine Zustimmung zu deren Verschmelzung ausmachen zu können, und den Widerstand gegen die-

680 vgl. Vorarlberger Bauern-Zeitung, 16. Oktober 1920, S. 1 681 vgl. Vorarlberger Volksblatt, 19. Oktober 1920, S. 1 682 Auf die Sozialdemokraten entfi elen 16,02 % der in Bludenz abgegebenen gültigen Stimmen. Dies entspricht einem Plus von 1,44 % im Vergleich zum Ergebnis der Landtagswahl 1919. Die „Blauen“ verbesserten ihr Resultat um 0,31 % auf 7,37 %. 683 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 28. Jänner 1921, S. 3 106 | Deutschnationalismus in Vorarlberg ses Unterfangen nur auf „politische Parteigänger“ beschränkt sahen, endete ihr erneuter Vorstoß ohne substantielle Annäherung684.

6.1.2 EIN VERBAND UND SEINE WIRKUNG

Knapp zwei Jahre sollten vergehen, bis in die Beziehung des Landbundes zur christlichsozialen Bauernorganisation wieder Bewegung kam. Den Anstoß hierzu lieferte das zwischen „Grünen“ und „Blauen“ auf Bundesebene abgeschlossene Verbandsverhältnis. Am 21. Dezember 1922 wurden die letzten Detailfragen zum „Verband der Großdeutschen und des Landbundes“ geklärt685. Am selben Tag wandten sich die „Grünen“ mit einem Schreiben686 an den christlichsozialen Reichsbau- ernbund. Darin wurde dieser gebeten, den Weg für eine, alle bäuerlichen Organisationen umfas- sende, Vereinigung zu ebnen. Der Landbund wollte hierfür eine einzige Voraussetzung erfüllt sehen: die Neuordnung der Beziehung des Reichsbauernbundes zu den „städtischen Christlichsozialen“. Vorbild dieser Neuordnung sollte das zwischen dem Landbund und den Großdeutschen abgeschlos- sene Verbandsverhältnis sein, das – laut weiteren Ausführungen im Brief – jedem Partner trotz Bindung weitgehende politische Freiheiten beließ687. Letztere Einschätzung teilte die „schwarze“ Bauernorganisation allerdings nicht. Das Presseorgan des Vorarlberger Bauernbundes rückte – statt der Freiheiten trotz Verbandsverhältnisses – die den „Grünen“ daraus erwachsene Nähe zur GDVP und die damit einhergehenden Verpfl ichtungen in den Mittelpunkt der Ausführungen. Für dieses Blatt war der Landbund mit Abschluss des Verbands- verhältnisses zur politischen Partei geworden688. Die Landbündler wiesen diese Einschätzung ka- tegorisch zurück. Ihren im Dezember 1922 unternommenen Anlauf in Richtung einer einheitlichen Bauernorganisation wollten sie als „besten Beweis“ für ihre ablehnende Haltung gegenüber einer einseitigen Bindung an nur eine politische Gruppierung verstanden wissen689. Am 2. März 1923 erfolgte die Antwort des Reichsbauernbundes auf den Dezember-Vorstoß des Landbundes – sie fi el abschlägig aus690. Damit war der von der „grü nen“ Bundespartei initiierte Versuch einer Annähe- rung gescheitert.

Einem Blick aufs „Ländle“ ist vorauszuschicken, dass die Vorarlberger „Grünen“ nicht Teil des „Verbandes der Großdeutschen und des Landbundes“ wurden. Statt einem Naheverhältnis zu den „Blauen“ schwebte ihnen die vollständige Einigung der gesamten österreichischen Bauernschaft vor. Nachdem die Bemühungen um eine Einigung der beiden Bauernorganisationen auf Bundesebe- ne nicht gefruchtet hatten, setzten Verhandlungen mit der gleichen Zielsetzung in Vorarlberg ein. Im Zeitraum vom 14. April 1923 bis 10. Juni desselben Jahres kam es zwischen dem Vorarlberger

684 vgl. ebenda, 25. Februar 1921, S. 1 f 685 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 14 (ohne Signatur), Wiener Parlaments-Korrespondenz 1933: Aussendung der GDVP vom 21. Dezember 1922 zum Thema „Die nationale Einheitsfront“ 686 Im Namen der „grünen“ Landesorganisationen unterfertigt war das Schriftstück von den Herren Schumy , Stocker , Ing. Winkler und Vas . Lanner sowie die Nationalratsabgeordneten Größbauer und DDr. Schönbauer unterzeichneten für die „Deutsche Bauernpartei“. 687 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 2. Februar 1923, S. 1 688 vgl. Der Vorarlberger, 25. Februar 1923, S. 6 689 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 2. März 1923, S. 5 690 vgl. ebenda, 13. April 1923, S. 1 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 107

Landbund und seinem christlichsozialen Pendant zu drei „Vereinigungssitzungen“691. Bereits bei der ersten Zusammenkunft konnte eine weitgehende Einigung erzielt werden. Beim letzten Tagungs- ordnungspunkt „Politische Fragen“ blieb jedoch Dissens: Während der Landbund sich für eine Stan- despartei aussprach, lehnten die „schwarzen“ Bauernvertreter eine solche grundsätzlich ab692. Sie wollten dem Gedanken daran nur für den Fall näher treten, sollte sich die Stärke des Vorarlberger Bauernbundes nicht in einer angemessenen Reihung seiner Kandidaten auf den christlichsozialen Wahlwerberlisten widerspiegeln. Die „Grünen“ zeigten sich daraufhin kompromissbereit, indem sie von ihrer Forderung nach einer Standespartei abrückten. Stattdessen brachten sie die Variante einer gemeinsamen Kandidatur mit der ihnen „am nächsten stehenden Partei“ ins Spiel. Für ihr Ent- gegenkommen wollten sie allerdings drei Voraussetzungen erfüllt wissen: Neben der Zusicherung, dass die von ihnen nominierten Kandidaten auf der Wahlwerberliste auch ihrem Wunsch entspre- chend gereiht würden, forderten die „Grünen“ für die gewählten Bauernvertreter einen eigenen und zudem autonomen Landtagsklub. Überdies sollten sich die Gewählten nach ihrem Willen im Nationalrat einem selbständigen bäuerlichen Klub anschließen. Seitens der christlichsozialen Bauernbündler kam hierzu Ablehnung. Insbesondere am Vorschlag eines autonomen Klubs im Landtag stießen sie sich. Die Gespräche endeten abermals ohne Über- einkunft. Minimalkonsens zwischen den beiden Verhandlungspartnern konnte nur insofern erzielt werden, als sie sich per Beschluss für die Wiederaufnahme von „Einigungsverhandlungen“ zu je- nem Zeitpunkt aussprachen, an dem die politischen Verhältnisse günstigere Aussichten für eine Übereinkunft böten.693

6.1.3 Ein zähes Ringen

Anfang 1925 zeigte sich in Vorarlberg neuerlich ein verstärktes Interesse an einem Zusammen- schluss der beiden bäuerlichen Organisationen.694 „Schwarzer“ Bauernbund und „Grüne“ ver- handelten zwecks einer gemeinsamen Liste für die erste Bauernkammerwahl. Darin erblickten viele „(...) das erste Morgenrot der kommenden Einigung der Vorarlberger Bauernschaft (...)“695. Die am 25. April 1925 erzielte Übereinkunft696 tat ein Übriges, diese Einschätzung zu festigen697.

691 In deren letzter, im Gasthaus „Löwen“ in Rankweil abgehaltenen Verhandlungsrunde, saßen sich jeweils sechs Vertreter beider Gruppierungen gegenüber. Für den Vorarlberger Landbund waren dies Christian Stooß, dem der Vorsitz zukam, und der als Schriftführer agierende Urban Nasahl, des Weiteren Josef Sohm aus Dornbirn , Luzius Huber , Göfi s , der Rankweiler Peter Ender und Adolf Peter, Weiler . 692 Bestätigung fand die von Bauernbund-Obmann Johann Müller und seinen Kollegen bei den Einigungsver- handlungen vertretene Position in der Folge durch einen einstimmigen Beschluss auf ihrem zweiten Bauern- tag. 693 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 22. Juni 1923, S. 2 694 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 20. Februar 1925, S. 1 f 695 ebenda, 5. Juni 1925, S. 1 696 Neben Vorarlberger Bauernbündlern und Landbündlern waren auch Mitglieder des Braunviehzüchterver- bandes auf der Einheitsliste vertreten. Die Sozialdemokraten ihrerseits verzichteten auf eine Kandidatur. Die Wahl wurde hierdurch überfl üssig. In der 16-köpfi gen Bauernkammer war der Landbund mit vier Mandataren vertreten (vgl. Schuler, Hans-Peter, Die Vorarlberger Landwirtschaft in der Ersten Republik (1918 – 1938), S. 162 f und 165). 697 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 5. Juni 1925, S. 1 108 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Der abermalige Versuch einer Vereinigung der Bauernbünde wurde von Mitgliedern beider Or- ganisationen angestoßen. Einige wenige von ihnen luden zu mehreren Versammlungen. Auch Ortsgruppenobmänner beider Bünde folgten diesen Einladungen. Der bei den Zusammenkünften vorherrschende Tenor: der Wunsch nach Zusammenschluss.

Zur Realisierung dieses Ziels bildete sich ein Komitee, das beide Gruppierungen vorerst mit je- weils zwei, in weiterer Folge mit drei Vertretern beschickten698. Auf den 17. Februar 1926 berief Kaspar Rohner, Obmann des Vereinigungskomitees, eine Sitzung ein. Neben den Gremiumsmitglie- dern waren weitere sechs Vertreter jeder Gruppierung hierzu geladen. In dieser Runde sollten die Bedingungen festgelegt werden, unter denen eine Vereinigung möglich sein würde. Die Vertreter des Vorarlberger Bauernbundes legten ihren Entwurf in schriftlicher Form vor. Die Landbündler blie- ben derartiges schuldig. Auch erklärten sie sich für nicht berechtigt, zum Konzept der Gegenseite verbindlich Stellung zu nehmen. Daraufhin wurden die „Grünen“ aufgefordert, Gegenvorschläge schriftlich zu unterbreiten.699 Am 7. März 1926 setzte sich das Spitzengremium des Landbundes eingehend mit der Einigungsfra- ge auseinander700. Den von der „schwarzen“ Bauernorganisation vorgelegten Entwurf wies es dabei als „indiskutabel“ zurück. Uneinigkeit zwischen Land- und Bauernbündlern herrschte insbesondere hinsichtlich der Frage, ob die neu zu schaffende Gruppierung politisch aktiv sein sollte: Der Vorarl- berger Bauernbund verneinte dies. Gleichzeitig sah sein Entwurf die Aufl ösung des Landbundes als politischer Partei vor701. Die „Grünen“ ihrerseits lehnten es ab, die neue Bauernorganisation in Form eines unpolitischen Bundes zu konstituieren. Für sie war die politische Betätigung der neuen Gruppierung insofern unabdingbar, als sie an der Gesetzgebung, insbesondere jener zu Wirtschafts- themen, mitwirken und auf diese Einfl uss nehmen sollte702. Darin erblickte der Landbund, der den – angeblich – schlechten Zustand des Agrarsektors auf eine mehrjährig bauernfeindliche Gesetzge- bung zurückführte703, ein probates Mittel, der Verelendung des Landvolkes Einhalt zu gebieten704.

698 Für den Vorarlberger Landbund gehörten zunächst Dornbirns Ortsgruppenobmann Josef Anton Bohle sowie Gebhard Niederer aus Gaißau dem Komitee an. Im Zuge dessen Erweiterung wurde auch der „grüne“ Lan- desparteisekretär Urban Nasahl Teil des Gremiums. Nasahls Mitgliedschaft im Komitee sorgte in weiterer Folge für Verstimmung auf Seiten des Vorarlberger Bauernbundes. Gegen Nasahl , der sich 1923 gegen eine Zusammenführung der beiden Bauernbünde ausgesprochen hatte (vgl. Weitensfelder, Hubert, Vom Stall in die Fabrik, S. 70), wurde der Vorwurf erhoben, im von ihm geleiteten „grünen“ Parteiblatt scharfe Angriffe ge- gen Mitglieder der christlichsozialen Bauernorganisation gefahren zu haben. Die Vorarlberger Bauernbündler sahen dadurch das Gesprächsklima verschlechtert und den aufgrund unterschiedlicher Standpunkte ohne- dies steinigen Weg zur Einigung weiter erschwert. Sollte Nasahls „persönlich gehäßige Stellung“ auch von anderen Mitgliedern des Vereinigungskomitees geteilt werden – so das Wochenblatt der christlichsozialen Bauernorganisation weiter –, wäre eine weitere Zusammenkunft des Gremiums sinnlos (vgl. Vorarlberger Bauern-Zeitung, 17. Jänner 1926, S. 1). Aufgrund dieser Vorhaltungen bot Nasahl seinen Rückzug aus dem Einigungsausschuss an (vgl. Vorarlberger Bauern-Zeitung, 17. Jänner 1926, S. 1). 699 vgl. Bauern-Zeitung, 2. Mai 1926, S. 1 700 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes und Vereinigten Bauern- und Land- volkpartei, 12. März 1926, S. 1 701 vgl. Bauern-Zeitung, 4. April 1926, S. 1 702 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes und Vereinigten Bauern- und Land- volkpartei, 14. Mai 1926, S. 1 703 vgl. ebenda, 12. März 1926, S. 2 704 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 20. Februar 1925, S. 1; Vorarl- berger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes und Vereinigten Bauern- und Landvolkpartei, 2. 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 109

Die Frage der politischen Betätigung blieb umstritten. Damit hatten die Gespräche auch nach mehr als einem Jahr zu keiner substantiellen Annäherung geführt. Ein Scheitern der Verhandlungen rück- te näher. Die offenkundig an der Basis weiterhin vorherrschende Stimmung pro Zusammenschluss ließ die beiden Bünde Vorkehrungen für den Fall des Scheiterns treffen. Öffentlich wiesen sie sich gegenseitig die Schuld an der verfahrenen Situation zu705. Für die eigene Gruppierung hob man da- gegen das uneingeschränkte Interesse an einer Einigung hervor, indem man den Willen zu weiteren Verhandlungen bekräftigte706.

Bereits einen Monat später, im Mai 1926, gingen die Verhandlungen in eine neue Runde. Die „Grü- nen“ wollten die Einigung nunmehr unter dem Motto „Kulturell katholisch – wirtschafts politisch landbündlerisch“ realisieren. In ihrem Vorschlag erklärten sie sich dezidiert bereit, das kulturelle Programm der Christlichsozialen zu übernehmen. An der Forderung nach wirtschaftspolitischer Be- tätigung hielten sie dagegen fest. Zudem erteilte der Landbund seiner eigenen Aufl ösung zuguns- ten einer neuen Organisation eine weitere Absage707. Nur wenige Monate später war letzterer Standpunkt Makulatur. Der angeblich bevorstehende fi - nanzielle Kollaps der „grünen“ Landespartei, hervorgerufen durch die pekuniäre Schiefl age ihrer Wirtschaftsunternehmung „Agraria“, ließ die Führungsriege des Vorarlberger Landbundes in ihrer Mehrheit davon abrücken. Am 30. Jänner 1927 stimmten die „Grünen“-Delegierten – wie bereits erwähnt – mehrheitlich für die Aufl ösung des Vereins „Vorarlberger Landbund“708. Am 16. März 1927 wurde die Einigung der beiden Bauernbünde besiegelt.709

6.1.4 EIN DEUTLICHER WANDEL

Die Ereignisse zu Beginn des Jahres 1927, die in der Spaltung des Landbundes gipfelten, ließen den Wunsch nach Zusammenarbeit bzw. Zusammenschluss aller bäuerlichen Kräfte deutlich abeb- ben. Der Wunsch nach Kooperation – in früheren Jahren in kurzen Abständen geäußert – war von Vorarlbergs neuformierten Landbund längere Zeit nicht zu vernehmen. Diese Veränderung lässt sich

April 1926, S. 1 f und 14. Mai 1926, S. 1 705 Die christlichsoziale Bauernorganisation erhob den Vorwurf, der Landbund habe, indem er seine am 7. März 1926 gefasste Resolution ihr erst 22 Tage später zukommen ließ, deren Behandlung auf dem am 25. März selben Jahres durchgeführten „schwarzen“ Bauerntag verhindert. Ein derartiges Verhalten wollten die Vorarlberger Bauernbündler als Desinteresse der Gegenseite an einem Zusammenschluss gewertet wissen (vgl. Bauern-Zeitung, 2. Mai 1926, S. 1). Der Landbund wiederum sprach der christlichsozialen Konkurrenz deren Hand schlagqualitäten ab. Der Vorwurf an den Bauernbund lautete, dass dieser mit seiner Forderung nach einem unpolitischen Zusammenschluss das Gegenteil von dem zuvor in den gemeinsamen Obmänner- konferenzen Ausgehandelten zur Linie des Bundes erklärt habe (vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes und Vereinigten Bauern- und Landvolkpartei, 2. April 1926, S. 1 f). Von Seiten der „schwarzen“ Bauernorganisation verwahrte man sich allerdings gegen diese Vorhaltung (vgl. Bauern-Zeitung, 2. Mai 1926, S. 1 f). 706 vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes und Vereinigten Bauern- und Land- volkpartei, 2. April 1926, S. 2 und Bauern-Zeitung, 4. April 1926, S. 1 707 vgl. ebenda, 14. Mai 1926, S. 2 708 In einem Schreiben vom 23. März 1927 bat Gebhard Niederer als Obmann des Vorarlberger Landbundes die Landesregierung um Kenntnisnahme dieser Aufl ösung (vgl. VLA, Vorarlberger Landesregierung, Abt. I a (1927), Zl.: 864). 709 vgl. Vorarlberger Landstimmen, 3. April 1927, S. 1 110 | Deutschnationalismus in Vorarlberg auf mehrere Faktoren zurückführen: So dürften insbesondere CSP-affi ne Landbund-Mitglieder für eine Zusammenarbeit mit deren Bauernorganisation eingetreten sein. Eben diese werden es auch gewesen sein, die den „Grünen“ zugunsten des neugegründeten Vorarlberger Landesbauernbundes den Rücken gekehrt hatten. Des Weiteren standen sich in den beiden Bauernorganisationen des Landes nunmehr ehemalige Parteikollegen gegenüber. Deren persönliche Beziehungen dürften zum Teil unter den durch die Spaltung des Landbundes ausgelösten Irritationen gelitten haben. Dem Wunsch nach Zusammenschluss war dies mit Sicherheit abträglich. Zudem galt es für Vorarlbergs Landbündler, den Wiederaufbau der eigenen Organisation voranzutreiben, diese zu etablieren so- wie deren Konturen zu schärfen. Insbesondere für Letzteres wäre der öffentlich artikulierte Wunsch nach Vereinigung mit einer anderen Organisation kontraproduktiv gewesen.

Obwohl die Weltagrarkrise, die sich zwischen 1925 und 1929 stetig verschärfte710, eine möglichst geschlossene und damit effi ziente Vertretung bäuerlicher Interessen für geboten erscheinen ließ, blieb der Zusammenschluss mit dem Vorarlberger Landesbauernbund für den neuformierten Land- bund über knapp drei Jahre hinweg kein Thema. Auch Initiativen anderer Landesorganisationen in diese Richtung stießen in Vorarlberg auf nur wenig Widerhall: Als Ernst Schönbauer, langjähriger Nationalratsabgeordneter des Landbundes aus Niederösterreich, im Februar 1929 eine Vereinigung der beiden agrarischen Organisationen für „verfolgenswert“ einstufte, war dies dem „grünen“ Par- teiorgan lediglich eine dürre Meldung wert711. Eine Diskussion dieser Thematik oder gar ein erneu- ter Anlauf in diese Richtung wurde hierdurch nicht angestoßen.

Es sollte Ende 1929 werden, ehe in das Verhältnis des Landbundes zum Vorarlberger Landesbauern- bund wieder ein wenig Bewegung kam. Auslöser hierfür war die Wahl in die Hauptversammlung der Landwirtschaftskrankenkasse. Im Vorfeld des Urnenganges traten die beiden Organisationen über Vermittlung von Josef Anton Hillbrand, Präsident der Vorarlberger Bauernkammer, in Ver- handlungen ein. Deren Ziel: eine gemeinsame Kandidatur. Die Gespräche endeten jedoch ohne Übereinkunft. Der Landbund machte zu hohe Forderungen des Landesbauernbundes dafür verant- wortlich712.

Im November 1931 erhob das „grüne“ Presseorgan die Forderung nach einer dauerhaften Verbin- dung mit dem Landesbauernbund. Die Ansicht, die von den Agrarvertretern der bürgerlichen Par- teien im Nationalrat gebildete „grüne Front“ würde schon längst nicht mehr den Erfordernissen der Zeit entsprechen, ließ die „Landpost“ für eine adäquatere Form der Problembewältigung plädieren. Diese glaubte sie in der „restlose(n) Zusammenfassung der gesamten Kräfte des Landvolkes auf das ständische Interesse“713 sowie deren Konzentration in einer einheitlichen Organisation gefun- den zu haben714. Der Vorstoß der Landbund-Presse ging einher mit dem 1931 angeblich im ganzen

710 Zu den Auswirkungen dieser Krise auf die österreichische Landwirtschaft vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrar- krise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 263 – 287 711 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 28. Februar 1929, S. 2 712 Letztlich sah der Landbund von einer Kandidatur bei dieser Wahl gänzlich ab. Als Grund nannte er die Kosten, die der Krankenkasse hierdurch entstanden wären und deren ohnedies defi zitären Haushalt weiter belastet hätten (vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg, 9. Jänner 1930, S. 6 f). 713 Landpost, 7. November 1931, S. 1 714 vgl. ebenda 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 111

Land zu vernehmenden Ruf nach Vereinigung der Bauernschaft715. Auch Vorarlbergs „Grünen“-Chef Adolf Peter stimmte in dieses Konzert ein – die von ihm vorgeschlagene Variante: eine Einigung der gesamten Bauernschaft inklusive Handels- und Gewerbetreibender. Dafür erklärte sich Peter bereit, auf den Namen „Landbund“ zu verzichten716. Als Beweggrund für diese Initiative nannte das „grüne“ Parteiblatt die schwierige Wirtschaftslage717. Daneben dürften auch die instabilen Polit- verhältnisse718 die „grüne“ Kooperationswilligkeit befördert haben. Selbst die Regierung gewann die Ansicht, Parlament und Parteien seien nicht die tauglichen Instrumente zur Krisenbewältigung, immer mehr an Boden719. In dieser politisch und wirtschaftlich schwierigen Situation forderte der Landbund vehement den Umbau des Parlaments in eine Ständevertretung. Der Vorstoß in Vorarlberg ist auch als Versuch einer ersten Vorleistung in Richtung des von den „Grünen“ angestrebten Aufbaus einer „rein be- rufsständischen Volksvertretung“ zu interpretieren. Hinzu kam die schwierige Lage, in der sich der Vorarlberger Landbund zu Beginn der 1930er Jahre befand: angespannte Finanzen und eng begrenz- te Handlungsspielräume. Unter diesen Umständen musste eine Kooperation attraktiv erscheinen, bot sie doch die Aussicht auf Stabilisierung der eigenen Organisation. Last but not least ist dem zeitlichen Abstand zur Spaltung des Landbundes Bedeutung beizumessen. Seit den Turbulenzen vom Jänner 1927 waren annähernd fünf Jahre vergangen. Die hohen Wellen, die durch dieses Ereignis hervorgerufen worden waren, hatten Zeit gehabt sich zu legen.

Für den Landbund gab es somit gleich mehrere Gründe, eine Kooperation anzustreben. Die Aus- sicht, dass sich eine solche mit dem Landesbauernbund realisieren ließe, schien günstiger als in den Jahren davor. Alleine: Die positive Reaktion der Gegenseite auf den Vorstoß des Landbundes blieb aus. Damit war auch der – wie sich später zeigen sollte – letzte Anlauf Vorarlbergs „Grüner“ in Richtung einheitlicher Vertretung der ländlichen Bevölkerung gescheitert.

715 vgl. ebenda, 5. Dezember 1931, S. 3 716 vgl. ebenda, 26. Dezember 1931, S. 4 717 Die ohnedies schwierige Wirtschaftslage, die sich in Österreich bereits in einer Budgetkrise niedergeschla- gen hatte, erfuhr mit dem Ausbruch der CA-Krise Anfang Mai 1931 eine beträchtliche Verschärfung. Da sich keine der anderen österreichischen Banken in der Lage sah, die CA zu übernehmen, galt es sowohl für Staat als auch Nationalbank, sich an deren Sanierung zu beteiligen. Die derart zum Einsatz gelangten Bundesmittel fehlten anderenorts. Quasi über Nacht sah sich die Staatsverwaltung zur Stornierung ihrer Bestellungen bei der österreichischen Industrie genötigt. Zudem hatte die fi nanzielle Schiefl age der CA den Ausbruch einer Währungskrise zur Folge (vgl. Kernbauer, Hans; Weber, Fritz, Von der Infl ation zur Depression, S. 16 – 18). 718 In den zwei Jahren vor dem im Mai 1932 erfolgten Regierungsantritt von Dollfuß gerieten die ohnedies labilen innenpolitischen Kräfteverhältnisse zunehmend aus dem Gleichgewicht: Auf Regierungsebene schien seit dem Rücktritt des Kabinetts Schober III – dieser erfolgte am 25. September 1930 – nur eine von parla- mentarischen „Gelegenheitsmajoritäten“ abhängende Minderheitsregierung schwarzer Couleur möglich (vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 332). Die zur Zeit der „grünen“ Kooperationsinitiative amtierende Regierung Buresch galt als „Regierung der schwachen Hand“ (vgl. Goldinger, Walter, Der geschichtliche Ablauf der Ereignisse in Österreich, S. 185). Hinzu kam der am 13. September 1931 erfolgte Putsch Pfrimers , eine – auch wenn bis zu dessen Zusammenbruch nur wenige Stunden vergingen – weitere Manifestation der tiefgreifenden Krise. 719 vgl. Talos, Emmerich; Manoschek, Walter, Zum Konstituierungsprozeß des Austrofaschismus, S. 38 f 112 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

6.2 DIE „GRÜNEN“ UND DIE GDVP

6.2.1 EIN ERSTES ABTASTEN

Bereits zu Beginn der Ersten Republik manifestierte sich auf parlamentarischer Ebene ein Nahe- verhältnis zwischen den national-freiheitlichen Gruppierungen und den ihnen weltanschaulich nahestehenden Bauernparteien: Bei der Wahl zur gesetzgebenden Nationalversammlung im Fe- bruar 1919 entfi elen auf die getrennt voneinander antretenden Bauernbünde zwölf Mandate. Im Parlament schloss sich dieses Dutzend Abgeordnete zu einer Fraktion zusammen720. Diese wiede- rum war Teil der „Großdeutschen Vereinigung“.721 Leopold Stocker, der unmittelbar nach der Wahl den Versuch unternommen hatte, aus dem Klub der bäuerlichen Abgeordneten eine österreichweit agierende Bauernpartei zu entwickeln, war damit fürs Erste gescheitert. Die großdeutsche Partei- und Klubführung hatte eine solche Abspaltung – vorerst – zu verhindern gewusst.722 Das Verhältnis der deutschnationalen Bauernbünde zueinander blieb damit ungeklärt, die Lösung dieser Problematik aufgrund divergierender Ansichten schwierig. Während sich Bauernbündler aus Kärnten, der Steiermark und Niederösterreich bei einem Treffen im September 1919 für die Kon- stituierung einer eigenen Partei aussprachen, konnten sich die oberösterreichischen Delegierten gleich jenen aus Salzburger hierfür nicht erwärmen.723 Die Zusammenkunft endete folglich mit ei- nem Kompromiss, nämlich dem „Verband der Unabhängigen Bauernbünde Deutschösterreichs“724. Trotz derartiger Übereinkunft diskutierten die Bauernbünde weiterhin über den Zusammenschluss zu einer einheitlichen Partei – andere Themen wurden darob „vernachlässigt“725. Hoffnung auf ein Ende dieser Situation stellte sich im März 1920 ein: „Grüne“ Spitzenfunktionäre aus mehreren Bundesländern verständigten sich darauf, den „Steirischen Bauernbund“ Stockers mit der Ausar- beitung eines einheitlichen Programmes sowie der Grundzüge zur Schaffung einer einheitlichen Bauernpartei zu betrauen.

Zur gleichen Zeit setzten andernorts Besprechungen zwischen allen deutschnationalen Parteien und Bünden ein. Erklärtes Ziel: die Konstituierung einer Einheitspartei. Hierdurch gewann die Frage, in welcher Form sich die deutschnationale Bauernschaft zu organisieren gedenke, zusätzlich an Aktualität.726 Am 12. Mai 1920 trat der vorbereitende Ausschuss727 der nachmaligen GDVP erstmals zusammen. Im Verlauf der Sitzung lehnte Stocker einen Eintritt der Unabhängigen Bauernbünde in die Einheits-

720 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – B: Die Entwicklung der nationalen Bauernbewegung in Österreich (nach einer Darstellung von Leopold Stocker) 721 Die „Großdeutsche Vereinigung“ war Anfang März 1919 gegründet worden. Ihre Grundausrichtung war national, freiheitlich und antisemitisch. Unter der Führung des langjährigen Linzer Bürgermeisters Franz Ding- hofer wurde der lose Zusammenschluss zum Ausgangspunkt von Versuchen, das zerstrittene deutschnationale Lager zu einen (vgl. Bauer, Kurt, „Heil Deutschösterreich!“, S. 270). 722 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 136 723 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – B: Die Entwicklung der nationalen Bauernbewegung in Österreich (nach einer Darstellung von Leopold Stocker) 724 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 136 725 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – B: Die Entwicklung der nationalen Bauernbewegung in Österreich (nach einer Darstellung von Leopold Stocker) 726 vgl. ebenda 727 Diesem Ausschuss, dem Dinghofer vorsaß, kam die Aufgabe zu, die programmatischen und organisatori- 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 113 partei ab. Seine Haltung begründete er damit, dass es insbesondere die reine Ständepolitik gewe- sen sei, die die Bauernbünde auf Kosten der Christlichsozialen hatte reüssieren lassen. Durch einen Beitritt würde – so Stockers Argumentation weiter – den Bauernbünden eine solche Positionierung verunmöglicht. Die Folge dieses Szenarios: der Verlust einer erklecklichen Zahl von Anhängern und Wählern. Um solches zu vermeiden, plädierte er für die Bildung eines Verbandes.728 Das Gros des Gründungskomitees – vor allem aber die darin tonangebenden Nationaldemokraten – hielt dessen ungeachtet an seinem Ziel, der Gründung einer Einheitspartei, fest. Anderen Formen der Kooperati- on erteilte es eine klare Absage. Die Verhandlungen endeten folglich ohne Übereinkunft.729

Am 10. Juni 1920 kündigte die CSP die große Koalition auf. Am darauf folgenden Tag demissio- nierte die Regierung Renner. Angesichts der hierdurch anstehenden Neuwahl zeigten sich die stei- rischen Bauernbündler kurzentschlossen. Zwar in Absprache, jedoch ohne ausführliche Vorbera- tungen mit den Bauernorganisationen Kärntens und Niederösterreichs, schritten sie zur Gründung der Deutschösterreichischen Bauernpartei. Der VUBB trat dieser – wie bereits erwähnt – sogleich bei730. Der „Oberösterreichische Bauernverein“ und Salzburgs Bauernbündler lehnten einen derar- tigen Beitritt dagegen ab.731 Stattdessen entschieden beide Landesgruppen, sich der Bundespartei- leitung der GDVP anzugliedern732 und gemeinsam mit den „Blauen“ in die Nationalratswahl am 17. Oktober 1920 zu ziehen.733

In Vorarlberg zeichnete sich eine solche gemeinsame Kandidatur nicht ab: Bereits am 25. August 1920 stufte Vorarlbergs großdeutscher Parteiobmann, Dr. Anton Zumtobel , eine gemeinsame Kan- didatur seiner Gruppierung mit dem VUBB als „unwahrscheinlich“ ein.734 Die „blaue“ Bundespar- teileitung schloss sich dieser Einschätzung an – langwierige Verhandlungen galten ihr daher als „überfl üssig“.735 Zumtobel begründete seine Ansicht mit programmatischen Differenzen. Insbe- sondere Auffassungsunterschiede in Fragen der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln fanden explizit Erwähnung.736 Darüber hinaus standen „grüne“ Klassenpolitik versus großdeutsche „Volksgemeinschafts“-Ideologie und differierende Standpunkte der beiden Gruppierungen in der Frage des Anschlusses Vorarlbergs an die Schweiz einer der artigen Kooperation entgegen. schen Grundlagen für die zu gründende Einheitspartei zu schaffen. 728 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – B: Schriftstück „Die Verhandlungen mit der d.ö. Bauernpartei bezüglich eines Wahlübereinkommens“ 729 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – B: Die Entwicklung der nationalen Bauernbewegung in Österreich (nach einer Darstellung von Leopold Stocker) 730 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 137 731 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – B: Die Entwicklung der nationalen Bauernbewegung in Österreich (nach einer Darstellung von Leopold Stocker) 732 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 29 / R I – 3: Die Geschichte der Bestrebungen nach Herstellung einer nationalen Einheitsfront (ein im Zuge eines großdeutschen Parteikurses 1926 in Wien gehaltenes Referat), S. 3 733 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – B: Die Entwicklung der nationalen Bauernbewegung in Österreich (nach einer Darstellung von Leopold Stocker) 734 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Brief vom 25. August 1920 von Zumtobel an die großdeutsche Reichsparteileitung 735 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Brief vom 28. August 1920 an die Landesparteileitung der GDVP Vorarlberg 736 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Brief vom 25. August 1920 von Zumtobel an die großdeutsche Reichsparteileitung 114 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Eine gemeinsame Kandidatur kam folglich nicht zustande. Vorarlbergs Unabhängige Bauern- bündler kandidierten – gleich ihren Kollegen in der Steiermark , Kärnten und Niederösterreich – als „Deutschösterreichische Bauernpartei“.

Bei der Nationalratswahl 1920 blieben sowohl GDVP als auch Bauernpartei hinter ihren Erwartun- gen zurück. Bundesweit fi elen ihnen 20 respektive sechs Mandate zu737. Der großdeutsche Bundes- parteiobmann Kandl machte hierfür die „Provinz“ verantwortlich – diese hätte „total versagt“738. Sein „grünes“ Pendant, Leopold Stocker, stufte das Ergebnis als „nicht befriedigend“ ein. Für Letz- teren beinhaltete das wenig erbauliche Abschneiden einen Fingerzeig für künftige Wahlen. Sein Plädoyer: der Rückgriff auf den Welser Beschluss. Diesem zufolge sollten die Unabhängigen Bau- ernbünde eine eigene Gruppierung bilden, sich darüber hinaus aber mit den anderen Parteien des Lagers zu einer deutschnationalen Wahlgemeinschaft zusammenfi nden. Soweit der Blick in die Zukunft. Vorerst galt es den Modus vivendi der beiden Gruppierungen auf Parlamentsebene zu klären. Die Deutschösterreichische Bauernpartei sprach sich unmittelbar nach dem Urnengang per Beschluss für die parlamentarische Zusammenarbeit der beiden Parteien in Form eines gemeinsamen Klubs aus. Einer weitergehenden Kooperation erteilten die „Grünen“ eine klare Absage. Die damit verbundene Gefahr, in der GDVP aufzugehen, ließ sie dagegen Stel- lung beziehen. Die „Blauen“ ihrerseits wandten sich nicht weniger deutlich gegen eben diese Idee eines gemeinsamen Klubs. Einem Beitritt einzelner „Grünen“-Abgeordneter zum großdeutschen Klub – so ihr Gegenvorschlag – würde allerdings nichts im Wege stehen, sofern von diesen sowohl Organisation als auch Programm der GDVP anerkannt würden. Ein Kompromiss auf dieser Grundla- ge konnte nicht gefunden werden. Die Verhandlungen scheiterten.739

6.2.2 „LÄNDLE“-ZUFRIEDENHEIT

Auch im „Ländle“ fi elen die Ergebnisse der Nationalratswahl 1920 für GDVP740 und VUBB mäßig aus. Auf Letzteren entfi elen 5.873 oder 9,23 % aller im „Ländle“ gültig abgegebenen Stimmen. Die politische Konkurrenz wertete dieses Abschneiden als deutliche Niederlage für die „Grünen“: Die Christlichsozialen meinten zu wissen, dass der VUBB damit nur in etwa die Hälfte der von ihm selbst erhofften Stimmen zu erzielen vermocht hatte741. Glaubt man dem großdeutschen Parteior-

737 Am 17. Oktober 1920 entfi elen auf die GDVP 19 Mandate, die Bauernpartei gewann deren vier. Bei der, infol- ge der Kärntner Volksabstimmung in diesem Bundesland auf den 19. Juni 1921 verschobenen, Wahl erzielten die Großdeutschen ein Mandat, die „Grünen“ zwei. 738 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 41 / R I – 14 b: Verhandlungsschrift über die Sitzung des Reichsvollzugs- ausschusses am 26. Oktober 1920 739 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – B: Die Entwicklung der nationalen Bauernbewegung in Österreich (nach einer Darstellung von Leopold Stocker) 740 Im Vorfeld der Wahl hatten sich die Vorarlberger Großdeutschen noch in Reichweite eines Direktmandates gewähnt. Insbesondere von den „Blauen“ erwartete Stimmenverluste der Sozialdemokraten in beträchtlichem Ausmaß hatten sie darauf hoffen lassen (vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Brief vom 25. August 1920 von Zumtobel an die großdeutsche Reichsparteileitung) – zu Unrecht, wie sich zeigte. Den Großdeutschen, auf die 7.887 oder 12,40 % der in Vorarlberg gültig abgegebenen Stimmen entfallen waren, fehlten letztlich 3.784 Stimmen zum Gewinn eines Grundmandates im „Ländle“ (vgl. Statistik der Nationalratswahlen des Jahres 1920, S. 19 und 21). 741 vgl. Vorarlberger Volksblatt, 19. Oktober 1920, S. 1 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 115 gan, sollen einzelne Vertreter des VUBB gar mit 15.000 Stimmen und einem sicheren Direktman- dat gerechnet haben.742 Vorarlbergs großdeutscher Landesparteiobmann sprach demzufolge davon, dass die Unabhängigen Bauernbündler „(...) ihre Hoffnung in keiner Weise erfüllt sahen.“743 Die „Grünen“ selbst wiesen darauf hin, mit diesem Ergebnis ihre Stimmenzahl in nur knapp eineinhalb Jahren beinahe verdreifacht zu haben, gestanden aber auch ein, sich von der Nationalratswahl einen „noch größeren Erfolg“ versprochen zu haben. Als Grund für ihren „Mißerfolg“ galt ihnen der aggressive Wahlkampf der politischen Konkurrenz. Dieser soll ihnen mehrere tausend – vermeint- lich sichere – Stimmen gekostet haben.744

Obwohl der Wahlausgang weder der GDVP noch dem VUBB den Rücken gestärkt hatte, blieben Initiativen Richtung intensiverer Zusammenarbeit aus. Die „Grünen“ ließen gleich mehrere Gründe von einer engeren Anbindung an die GDVP Abstand nehmen – unter ihnen ihre organisatorische Expansion. Die Zahl „grüner“ Ortsgruppen hatte bereits Mitte 1920 die Marke von 30 erreicht und war weiter im Steigen begriffen. Zudem ließ ein Blick auf den Wahlausgang die Interpretation zu, dass die Höhe des Zuspruchs, den der VUBB beim Urnengang 1920 erfahren hatte, in Korrelation zur Dichte der von ihm bis dahin geschaffenen Organisationsstruktur stand745. Damit konnte die Erwartung verbunden werden, dass mit der Konstituierung einer Bezirksorganisation in Bregenz – diese harrte noch ihrer Umsetzung – ein Zugewinn an Wählern einhergehen würde. Vor diesem Hintergrund war es den „Grünen“ möglich, den Wahlausgang lediglich als kleinen Dämpfer auf dem Weg in eine, für sie positive Zukunft zu interpretieren. Eine Kooperation mit den „Blauen“ zur Stützung der eigenen Organisation erschien daher nicht notwendig. Ferner sprachen programma- tische Differenzen gegen eine vertiefte Zusammenarbeit mit den Großdeutschen. Hinzu kam, dass sich die „Grünen“ bis wenige Monate vor der Wahl intensiv für eine Kooperation aller Vorarlberger Bauernbünde eingesetzt hatten. Auch nach dem Urnengang blieb eine solche Zusammenarbeit das vorrangige Ziel des VUBB.

Nach dem Wahlgang 1920 machten die Vorarlberger „Blauen“ insbesondere das Abschneiden der „Grünen“ für ihr schwaches Ergebnis verantwortlich. Die „Stockerleute“ hätten – so der großdeut- sche Landesparteiobmann Zumtobel in einer internen Sitzung – „(...) auch uns viele Stimmen weg- genommen, sodaß das Mandat nicht zu machen war.“746 Dennoch buhlte die GDVP daraufhin nicht verstärkt um eine Kooperation mit den „Grünen“. Initiativen der „Blauen“, welche diesen Zweck verfolgten, sind nicht belegt. Stattdessen glaubten die Großdeutschen beim VUBB auf Zeit setzen zu können: Zumtobel747 wie auch die großdeutsche Bundespartei zeigten sich unisono davon über- zeugt, dass – wie Letztere es formulierte – „(...) die derzeitige Anhängerschaft der unabhängigen

742 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 19. Oktober 1920, S. 1 743 ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 2 (ohne Signatur): Verhandlungsschrift über die gemeinsame Sitzung des groß- deutschen Reichsvollzugsausschusses und der Abgeordneten der GDVP am 28. Oktober 1920 744 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 22. Oktober 1920, S. 2 745 Während sich die „Grünen“ im Bezirk Bregenz, in dem sie zum Zeitpunkt der Nationalratswahl 1920 über keine Bezirksorganisation verfügten, mit einem Stimmenanteil von 1,97 % zu begnügen hatten, kamen sie in jenem von Feldkirch auf 8,07 % der Stimmen. Im Bezirk Bludenz, ihrem „Stammland“, brachten sie es auf einen Anteil von 25,08 %. 746 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 2 (ohne Signatur): Verhandlungsschrift über die gemeinsame Sitzung des groß- deutschen Reichsvollzugsausschusses und der Abgeordneten der GDVP am 28. Oktober 1920 747 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Brief vom 25. August 1920 von Zumtobel an die großdeutsche Reichsparteileitung 116 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Bauernbünde mit der Zeit zur Einsicht gelangt, sich von der Stocker‘schen Klassenpolitik abwen- det und den Weg zu uns fi ndet.“748 Karl Bösch , großdeutscher Nationalratsabgeordneter aus dem „Ländle“749, teilte auf längere Sicht diesen Optimismus. Kurzfristig sah er allerdings keine Basis für eine enge Kooperation. Als Grund hierfür nannte Bösch 1921 die führenden Köpfe der Vorarlberger „Grünen“750. Für ihn waren diese schlichtweg „unbrauchbar“. Diese könnten – so Bösch weiter – beinahe als „bäuerliche Spartakisten“ bezeichnet werden751, würden jedes Gesetz missachten und sich zudem ausgesprochen klassenpolitisch gerieren.752 Eine nach großdeutschem Dafürhalten positive Veränderung innerhalb der VUBB-Führungsriege stellte sich Mitte 1921 mit der Ablöse Jakob Moosbruggers als verantwortlichem Schriftleiter des „grünen“ Bauernblattes ein. Moosbrugger, der die Ausrichtung der Parteizeitung während zweier Jahre maßgebend geprägt hatte, galt den Großdeutschen als „sozialdemokratisch angehaucht“. Seine Versetzung auf eine ihrer Ansicht nach „völlig unschädliche Position“ begrüßten sie folg- lich753.

Neben der Erwartung, der VUBB würde sich auch ohne weiteres Zutun ihrer Gruppierung an- schließen, ließ Vorarlbergs Großdeutsche auch ihre Zufriedenheit mit der Anfang der 1920er Jah- re herrschenden Situation von verstärkten Bemühungen um eine Kooperation Abstand nehmen. Auch wenn die „Blauen“ ihr mäßiges Abschneiden bei der Nationalratswahl 1920 im Wesentlichen auf Stimmenverluste an den VUBB zurückführten – der Urnengang hatte ihre Wahlerwartungen754

748 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Brief vom 28. August 1920 an die Landesparteileitung der Groß- deutschen Volkspartei Vorarlberg 749 Die Vorarlberger Großdeutschen erzielten – wie oben erwähnt – bei der Nationalratswahl 1920 kein Direktmandat. Ihre intensiven Bemühungen um einen aussichtsreichen Platz auf der großdeutschen Reichs- reststimmenliste (vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 271 f) sollten sich aber be zahlt machen. Mit dem auf dieser Liste viertgereihten Karl Bösch zog doch noch einer der Ihren in den Nationalrat ein. 750 Laut Protokoll der großdeutschen Bundesparteileitungssitzung soll Bösch mit dem Führungspersonal des christlichsozialen Vorarlberger Bauernbundes hart ins Gericht gegangen sein. Sowohl die Bösch vorangegan- gene Wortmeldung als auch die generelle Einstellung Vorarlbergs Großdeutscher zu den Unabhängigen Bau- ernbündlern lassen allerdings keinen Zweifel daran, dass sich Bösch‘s – im Folgenden angeführtes – State- ment tatsächlich auf die Führungsriege der „Grünen“ bezog. 751 Wesentlich zu dieser Einschätzung von Bösch wird der vom VUBB im April 1921 gefasste Beschluss beige- tragen haben, zusammen mit der organisierten Arbeiterschaft eine Genossenschaft zu gründen. Der vorläufi ge Standort der „Gewah“ – so die Kurzbezeichnung für das gemeinsame Genossenschaftswarenhaus – war Dorn- birn. Die Genossenschaft sollte ähnlich jenen in Innsbruck, Salzburg, Linz und Wien aufgebaut sein. Zentraler Unterschied war allerdings, dass sich – wie es hieß – bei der Vorarlberger Neugründung „(...) zum erstenmal Bauern und Arbeiter .. auf unpolitischer Basis zu einer gemeinsamen, rein wirtschaftlichen Interessenvertre- tung zusammenfi nden.“ (Bauern-Blatt, Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes, 15. April 1921, S. 5) Diese Errichtung einer gemeinsamen Genossenschaft für Bauern und Arbeiter ließ allerdings nicht nur die politischen Kontrahenten kritische Töne anschlagen. In der am 24. April 1921 abgehaltenen Landesde- legiertenversammlung des VUBB kam es deswegen zu heftigen Debatten – viele erblickten in der „Gewah“ die Verschmelzung der Vorarlberger „Grünen“ mit den Sozialdemokraten. Erst mit der neuerlichen Bekräftigung, mit der Gründung der „Gewah“ seien keinerlei politische Implikationen verknüpft, gelang es der Landesleitung offenkundig, die Wogen zu glätten. Im Juli 1921 berichtete das Parteiblatt des VUBB von zufriedenstellenden Geschäften der „Gewah“ (vgl. ebenda, 29. April 1921, S. 5 und 15. Juli 1921, S. 2). 752 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 39 / R I – 13: Reichsparteileitungssitzung der GDVP im Jahre 1921 753 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Brief vom 14. Februar 1922 von Bachmann an die Hauptgeschäfts- stelle der GDVP 754 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Brief vom 25. August 1920 von Zumtobel an die großdeutsche 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 117 grundsätzlich bestätigt: Durch die Kandidatur der „Grünen“ dürfte tatsächlich vor allem die CSP an Wählerzuspruch eingebüßt haben.755 Diese Tendenz sahen die Großdeutschen sich in der Folge fortsetzen. Laut ihrer Einschätzung aus dem Jahr 1922 war die Unabhängige Bauernbewegung „(...) auf Kosten der Christlichsozialen im Wachsen begriffen.“756 Zudem sollen sich die „Grünen“ gegen- über der CSP „sehr reizbar“ gebärdet haben. Zur positiven Haltung der „Blauen“ zum VUBB trug ferner ihre Erwartung bei, in diesem einen Bündnispartner im Kampf gegen die christlichsoziale Vorherrschaft im „Ländle“ zu haben. Aufgrund dieses Konglomerats von Gründen begrüßte die großdeutsche Landespartei die Stärkung der „Grünen“ infolge deren organisatorisch rühriger Tätigkeit. Laut Bachmann, Landesgeschäfts- führer der „Blauen“ in Vorarlberg, sollen die Großdeutschen dem VUBB diesbezüglich gar Unter- stützung angedeihen haben lassen757. Bachmanns Einschätzung des Verhältnisses seiner Partei zu den „Grünen“ fi el dementsprechend positiv aus: Im Februar 1922 sah er die Vorarlberger Großdeut- schen mit dem VUBB „nicht schlecht fahren“.758

6.2.3 BUNDESFRUST

Offenkundig weniger Zufriedenheit mit dem Status quo als in Vorarlberg herrschte auf Bundes- ebene vor. Bereits ein Vierteljahr nach den erfolglosen Gesprächen vom Spätherbst 1920 äußerten sowohl „Grüne“ als auch Großdeutsche erneut den Wunsch, in Besprechungen mit dem Ziel einer künftigen Zusammenarbeit einzutreten. Die Deutschösterreichische Bauernpartei positionierte sich dabei gemäß ihrem Ideal von einer bäuerlichen Standespartei. Sie erachtete eine Kooperation nur für möglich, sofern sich die großdeutschen Bauernorganisationen der „grünen“ Bundesorganisati- on anschließen würden. „Blaue“ Bauernvertreter erhoben demgegenüber die Forderung nach dem Eintritt der Bauernpartei in die GDVP. Die Verhandlungen scheiterten abermals.759 Bei den Großdeutschen rief der ausbleibende Anschluss Unverständnis hervor – ihrer Ansicht nach war die Deutschösterreichische Bauernpartei stichhaltige Gründe, die gegen deren Bei tritt zur GDVP sprachen, schuldig geblieben. Zudem sahen sich die „Blauen“ über ein „völlig einwandfreies“ und „gut begründetes“ Bauernprogramm verfügen. Auch hatten sie eine bei der Hauptgeschäftsstelle in Wien angesiedelte agrarpolitische Beratungsstelle mit landwirtschaftlichem Ausschuss vorzu- weisen. Nichtsdestotrotz hatten sich die Großdeutschen im Juni 1921 einzugestehen, dass die Deutschösterreichische Bauernpartei den Anschluss an die GDVP wohl nicht so schnell fi nden wür-

Reichsparteileitung 755 vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 285 756 ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Brief vom 14. Februar 1922 von Bachmann an die Hauptgeschäftsstelle der GDVP 757 Die Großdeutschen sprachen davon, den Unabhängigen Bauernbündlern bei ihrer Ende 1921 abgehaltenen Werbewoche „gewissermaßen Schützenhilfe“ geleistet zu haben. Wie diese Unterstützung konkret aussah, war nicht zu eruieren. 758 ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Brief vom 14. Februar 1922 von Bachmann an die Hauptgeschäftsstelle der GDVP 759 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – B: Die Entwicklung der nationalen Bauernbewegung in Österreich (nach einer Darstellung von Leopold Stocker) 118 | Deutschnationalismus in Vorarlberg de. Als Grund hierfür galten ihnen die „ansehnliche(n) Organisationen“ der „Grünen“ in Kärnten und der Steiermark .760

6.2.4 DER „VERBAND DER GROSSDEUTSCHEN UND DES LANDBUNDES“

6.2.4.1 Die Übereinkunft Im Jänner 1922 erfolgten die – bereits erwähnte – Gründung des „Landbundes für Österreich“ sowie dessen körperschaftlicher Beitritt zum Deutschen Reichslandbund. Zur gleichen Zeit vollzog sich auch auf Seiten der von der GDVP organisierten Bauernschaft eine Änderung: Am 14. Jänner 1922 schlossen sich deutschnationale Gruppierungen aus Oberösterreich , Salzburg , Niederöster- reich und dem Burgenland zusammen. Der Titel der Neuorganisation: „Bund deutschösterreichi- scher Bauern“. Die „Blauen“ betonten im Zusammenhang mit dem neu geschaffenen Bund, dass es sich dabei um keinen Parteiverein der Großdeutschen, sondern um einen der Partei lediglich nahestehenden Verband handle. Damit glaubten sie jene Konstruktion gefunden zu haben, „(...) die es jedem nati- onal und freiheitlich gesinnten Bauer(n) in Deutschösterreich ermöglicht, sich wirtschaftlich zwar unabhängig, politisch aber doch in Anlehnung an die Großdeutsche Volkspartei organisieren zu können.“761 Mit der Wahl dieser Organisationsform signalisierten die „Blauen“ dem Landbund ihre Bereitschaft, ihm auf dem Weg zu Zusammenarbeit bzw. Zusammenschluss entgegenkommen zu wollen. Das Kalkül schien aufzugehen. Die Chance auf einen Zusammenschluss des Bundes deutschösterreichischer Bauern mit dem Landbund schien günstig. Die Gespräche gerieten aller- dings ins Stocken. Laut großdeutscher Lesart hierfür verantwortlich: der Landbund. Demnach soll sich manch „grüner“ Spitzenpolitiker nur unzureichend der Sinnhaftigkeit eines gemeinsamen Vor- gehens bewusst gewesen sein. Um dem Landbund sein Eigeninteresse an einer solchen Verbindung deutlich vor Augen zu führen, räumten die Großdeutschen auf ihrem Bundesparteitag 1922 der Darstellung ihres „unermüdli- chen“ und erfolgreichen Einsatzes für die Bauernschaft reichlich Platz ein762. Aber auch eine War- nung an die Adresse der „Grünen“ war enthalten: Sollte der Landbund weiterhin eine angemessene Bereitschaft zur Kooperation vermissen lassen, würde er in Hinkunft mit härterer großdeutscher Konkurrenz um die Gunst der national-freiheitlichen Bauernschaft zu rechnen haben763.

Ob es gerade diese Ausführungen waren, die beim Landbund wirkten, hat dahingestellt zu bleiben. Jedenfalls wandten sich die „Grünen“ im Spätsommer 1922 an den Bund deutschösterreichischer

760 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 32 / I – 12: Die Verhandlungen des zweiten Reichsparteitages der GDVP in Wien, 27. und 28. Juni 1921, S. 154 761 ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 33 / R I – 12: Geschäftsbericht der Großdeutschen Volkspartei für die Zeit vom 28. Juni 1921 bis zum 27. Mai 1922, in: Der dritte Reichsparteitag der Großdeutschen Volkspartei, 1922, S. 15 762 In diesem Zusammenhang fand auch das Schaffen von Vorarlbergs großdeutschem Nationalratsabgeordne- ten Karl Bösch positive Erwähnung. Ihm wie auch seinen Kollegen im bäuerlichen Unterverband der Großdeut- schen im Parlament – den Abgeordneten Bichl und Wimmer – attestierte die eigene Partei eine rege Tätigkeit im Inter esse des Bauernstandes. 763 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 33 / R I – 12: Geschäftsbericht der Großdeutschen Volkspartei für die Zeit vom 28. Juni 1921 bis zum 27. Mai 1922, in: Der dritte Reichsparteitag der Großdeutschen Volkspartei, 1922, S. 14 f 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 119

Bauern. Ihr Ansinnen: Verhandlungen zwecks Zusammenschluss. Am 2. September 1922 erfolgte die erste Besprechung in dieser Angelegenheit. Stocker erhob dabei abermals die Forderung nach dem Anschluss des großdeutschen Bauernbundes an seine Organisation. Hierfür offerierte er den „Blauen“ die gemeinsame Kandidatur bei Wahlen. Überdies signalisierte er Entgegenkommen in bestimmten Sachgebieten. Die Stocker‘schen Vorschläge lösten bei den Großdeutschen zwar zu- nächst „verschiedene Bedenken“ aus764, erwiesen sich in der Folge aber als brauchbare Verhand- lungsgrundlage. Auch die Einigung auf eine Mandatsverteilung für die nächste Nationalratswahl – von den „Grünen“ zur Voraussetzung für weitere konstruktive Gespräche erklärt – bildete keine nennenswerte Hürde. Die von Stocker übermittelte Mandatsverteilung765 fand auf großdeutscher Seite weitestgehend766 Zustimmung. Am 6. Dezember 1922 gipfelten die Verhandlungen in einer Einigung767. Diese enthielt zwei Kernpunkte. Zum einen war das der Zusammenschluss der „Grü- nen“ mit dem großdeutschen Bund deutschösterreichischer Bauern zum „Landbund für Österreich“. Zum anderen bildete Letztgenannter gemeinsam mit der GDVP den „Verband der Großdeutschen und des Landbundes“. Der Verband war gedacht als dauerhafte Zusammenfassung der beiden Ver- tragspartner. Er verfügte über ein je eigenes Grundgesetz768 und Programm769. Die Gewichtung der beiden zentralen Punkte fi el je nach Parteizugehörigkeit unterschiedlich aus: Stockers Hauptaugenmerk lag auf dem Zusammenschluss mit dem großdeutsch orientierten Bund deutschösterreichischer Bauern. Hierdurch wähnte er sich seinem Ziel einer alle Landwirte umfas- senden Bauernpartei einen Schritt näher.770 Die Großdeutschen hoben demgegenüber die Relevanz des „Verbandes der Großdeutschen und des Landbundes“ hervor. Dieser galt ihnen als Vorläufer einer Partei unter Einschluss der deutschnationalen Bauernschaft771, ein Ziel, das sie bereits mit der Gründung der GDVP zu erreichen gehofft hatten.

6.2.4.2 Das Zerwürfnis Der „Verband der Großdeutschen und des Landbundes“ war geschaffen. Über dreieinhalb Jahre des Abtastens, Annäherns und Zurückweichens hatten damit – vorläufi g – ein Ende ge funden. Die Zufriedenheit mit dem Erreichten hielt jedoch nicht lange vor. Die Ursache hierfür: geänderte

764 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 41 / R I – 14 d: Verhandlungsschrift über die Sitzung der großdeutschen Länder- konferenz am 3. September 1922 765 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – B: Brief vom 5. November 1922 von Stocker an die GDVP 766 Die Unterschiede zwischen dem Vorschlag Stockers und dem letztlich ausverhandelten Mandatsschlüssel (vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – B: Verhandlungsschrift über die Sitzung der bevollmächtigten Vertreter der GDVP bzw. des Bundes deutschösterreichischer Bauern und der Deutschen Bauernpartei bzw. des Land- bundes für Österreich am 6. Dezember 1922) sind marginal. 767 Die Verhandlungen zu Detailfragen liefen indes noch weiter. Am 21. Dezember 1922 wurden sie endgültig zum Abschluss gebracht (vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 14 (ohne Signatur), Wiener Parlaments-Korrespondenz 1933: Aussendung der GDVP vom 21. Dezember 1922 zum Thema „Die nationale Einheitsfront“). 768 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – B: Grundgesetz des „Verbandes der Großdeutschen und des Land- bundes“ 769 Das Programm des Verbandes umfasst lediglich vier Seiten. Die Handschrift der Großdeutschen ist dabei in- sofern unverkennbar, als dem Gedanken der „Volksgemeinschaft“ dort breiter Platz eingeräumt war (vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – B: Programm des „Verbandes der Großdeutschen und des Landbundes“). 770 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 148 f 771 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 29 / R I – 3: Die Geschichte der Bestrebungen nach Herstellung einer nationalen Einheitsfront (ein im Zuge eines großdeutschen Parteikurses 1926 in Wien gehaltenes Referat), S. 9 120 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Bestimmungen für das zweite Ermittlungsverfahren bei Nationalratswahlen. Infolgedessen fühlten sich die Landbündler bei der mit den Großdeutschen paktierten Mandatsaufteilung772 um drei Man- date benachteiligt. Im Juli 1923 ließen die „Grünen“ ihren Verbandspartner wissen, deshalb eine Änderung des Mandatsschlüssels anzustreben773. Der Landbund war dabei in einer günstigen Verhandlungsposition: Stocker sah die Regierungs- partei GDVP nicht mehr die Stärke des Wahljahres 1920 haben. Als Grund nannte er den Ver- handlungsverlauf zur im Oktober 1922 unterzeichneten Genfer Anleihe. Dabei seien die „Blauen“ mit Bundeskanzler Seipel „durch dick und dünn“ gegangen. Viele ehemalige großdeutsche Wähler würden daher statt dem Schmiedle gleich den Schmied – sprich die Christlichsozialen – wählen, so Stockers Einschätzung774. Zudem war zu erwarten, dass die Großdeutschen für mit der Genfer Anleihe verbundene Bestimmungen – hier vor allem der massive Abbau des Beamtenapparates775 und das für die Laufzeit der Anleihe von 20 Jahren gültige Anschlussverbot an Deutschland – von vielen Wählern abgestraft würden. Die „Grünen“ selbst wähnten sich dagegen im Aufwind. Alleine von einer Vereinbarung mit den Hausbesitzern versprachen sie sich bei der nächsten Wahl 30.000 zusätzliche Stimmen776. Vor diesem Hintergrund strebte der Landbund ab Juli 1923 mit großer Beharrlichkeit eine zu seinen Gunsten geänderte Mandatsaufteilung an. Bis Ende September 1923 verging kaum eine Woche, in der er nicht auf Änderung des ursprünglich Vereinbarten drängte777. Die großdeutsche Bundes- parteileitung zeigte sich in dieser Frage gesprächsbereit. Widerstand kam allerdings von mehreren „blauen“ Landesorganisationen. Zweifel, ob es sinnvoll sei, das Verbandsverhältnis aufrecht zu erhalten, wurden laut. Streitigkeiten wegen Listenbezeichnungen – in der zweiten Septemberhälf- te 1923 aufgekommen – führten zu weiteren Irritationen zwischen den Verbandspartnern. Am 27. September 1923 zog der Landbund schließlich die Konsequenz, indem er das Verbandsverhältnis, das keine zehn Monate Bestand gehabt hatte, einseitig aufkündigte778.

Am darauf folgenden Tag, dem 28. September 1923, fasste der großdeutsche Parteivorstand den Beschluss, den Bruch des Verbandsverhältnisses durch den Landbund nicht zur Kenntnis zu neh- men. Letztlich blieb den „Blauen“ aber nur, sich damit abzufi nden. Der „Verband der Großdeutschen

772 Zugleich mit dem Abschluss des „Verbandes der Großdeutschen und des Landbundes“ hatten sich die bei- den Parteien auf einen Verteilungsschlüssel für die Mandate bei der Nationalratswahl 1923 geeinigt. Hiermit wollte man allfälligen Mandatsstreitigkeiten im Vorfeld des nächsten Urnenganges und einer damit einherge- henden Bestandsgefährdung des Verbandes vorbeugen (vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – B: Verhandlungs- schrift über die Sitzung am 6. Dezember 1922). 773 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 41 / R I – 14 b: Verhandlungsschrift über die Sitzung des Reichsvollzugsaus- schusses des Verbandes der Großdeutschen und des Landbundes am 11. Juli 1923 774 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – V: Brief vom 23. August 1923 von Stocker an Ehrlich 775 Die GDVP, mit traditionell starkem Rückhalt in der Beamtenschaft, hatte mit der Genfer Anleihe einem Vertragswerk zugestimmt, das, um das Ziel eines ausgeglichenen Staatshaushalts zu erreichen, den Abbau von 100.000 Beamten vorsah. Diese Zahl entsprach rund 36 % der am 1. Oktober 1922 knapp 277.000 im öffentlichen Dienst Beschäftigten. Tatsächlich wurden 84.252 Beamte entlassen (vgl. Kienböck, Victor, Das öster reichische Sanierungswerk, S. 55). Der Beamtenabbau ging allerdings zum Teil „derart planlos“ vonstat- ten, dass man sich zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes vielfach zu Neueinstellungen genötigt sah (vgl. Kernbauer, Hans; März, Eduard; Weber, Fritz, Die wirtschaftliche Entwicklung, S. 357). 776 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – V: Brief vom 23. August 1923 von Stocker an Ehrlich 777 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 52 / R I – 93: Information der Reichsparteileitung der GDVP zu „Das Verhältnis der Großdeutschen Volkspartei zum Landbund f. Oesterreich“ 778 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – V: Schreiben vom 3. Oktober 1923 von Stocker an die GDVP 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 121 und des Landbundes“, der die Krönung ihrer mehrfachen Versuche, zu einer engeren Verbindung zu den Stocker‘schen Bauernbündler zu gelangen, dargestellt, die Gefahr einer absehbaren Schlappe der Großdeutschen bei der Nationalratswahl 1923 minimiert und bei ihnen die Hoffnung auf eine noch engere Verbindung mit der deutschnationalen Bauernschaft befördert hatte, war somit Ge- schichte.779

6.2.4.3 Die Ausnahme Vorarlberg Die Anfang September 1922 auf Bundesebene einsetzenden Verhandlungen, die im Zusammen- schluss der beiden deutschnationalen Bauernorganisationen sowie dem „Verband der Großdeut- schen und des Landbundes“ gipfelten, waren für Vorarlberg insofern von Bedeutung, als sie zu einer Klärung des dortigen Verhältnisses Landbund – GDVP beitrugen. Dabei wurde den „Ländle“- Großdeutschen vor Augen geführt, mit ihren Erwartungen von einem absehbaren Anschluss Vorarl- bergs Landbündler an ihre Partei falsch gelegen zu sein. Die „Grünen“ zeigten keinerlei Interesse an einem Naheverhältnis zur GDVP – vielmehr lehnten sie die Verhandlungen auf Bundesebene von Anbeginn weg ab. In weiterer Folge bekräftigte der Vorarlberger Landbund diese Haltung nochmals in einem Schreiben an seine Bundesparteileitung780. Aufgrund dieser Positionierung schien ein Verband ohne Vorarlberger Parteien zu entstehen. Die Konsequenz für die kommende Nationalratswahl war absehbar: Infolge uneinheitlicher Kandidatur drohten Mandatseinbußen im zweiten Ermittlungsverfahren. Um derartiges zu verhindern, setz- te die großdeutsche Bundespartei auf Kulanz gegenüber den Vorarlberger „Grünen“. Ihrer west- lichsten Parteiorganisation legte sie nahe, die Spitzenposition auf einer allfälligen gemeinsamen Kandidatenliste für die Nationalratswahl dem „Ländle“-Landbund zu überlassen781. Mit diesem Zu- geständnis sollten Vorarlbergs „Grüne“ zum einlenken bewegt und für den gemeinsamen Verband gewonnen werden. Ob sich solches Entgegenkommen bezahlt gemacht hätte, muss unbeantwortet bleiben – die Vorarlberger Großdeutschen selbst waren es, die den Plan ihrer Bundespartei durch- kreuzten. Die Bereitschaft, die Listenführung an den Landbund abzutreten, fehlte.

Die Bundesparteien wollten darin nur eine Momentaufnahme erblicken. Laut Schlussdoku ment der Verbandsverhandlungen handelte es sich lediglich um „derzeitig(e)“ Verhältnisse, die der Errich- tung einer Verbandsorganisation in Vorarlberg entgegenstanden. Den Bundes parteien war daran gelegen, diese Gegebenheiten zu ändern. Hierfür verpfl ichteten sie die Bundesleitung des „blau“- „grünen“ Verbandes zu fortwährendem Kontakt mit den Vorarlberger Landesparteien „im Sinne der Verbandsbeschlüsse“. Dass die Hoffnung der Bundesparteien auf einen baldigen Beitritt ihrer Vorarlberger Landesorganisationen zum Verband intakt war, spiegelt sich in den Vereinbarungen zur Reststimmenliste wider: Für den Fall einer Übereinkunft im „Ländle“ war bereits vorgesorgt, den dortigen Landesparteien die Stellen vier und fünf auf der Reststimmenliste zugesichert782.

779 Eine ausführlichere Darstellung der Auseinandersetzungen, welche die Bundesparteien von Großdeutschen und Landbündlern infolge der geänderten Bestimmungen für das zweite Ermittlungsverfahren führten, fi ndet sich in Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 299 – 303 780 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 24. November 1922, S. 1 781 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 52 / R I – 93: Informationsdienst vom 20. November 1922 an die großdeutschen Landesparteileitungen 782 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – B: Verhandlungsschrift über die Sitzung der bevollmächtigten Vertreter der GDVP bzw. des Bundes deutschösterreichischer Bauern und der Deutschen Bauernpartei bzw. des Land- 122 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Der Köder war ausgeworfen – allein, er wurde nicht geschluckt: Nur wenige Tage nach Abschluss des Verbandsverhältnisses verlieh der Vorarlberger Landbund seinem ausgeprägten Vorbehalt ge- genüber diesem Unterfangen ein weiteres Mal Ausdruck. Während die auf den 17. Dezember 1922 nach Rankweil einberufene Delegiertenversammlung den Zusammenschluss der „Grünen“ mit dem Bund deutschösterreichischer Bauern noch ausdrücklich begrüßte, nahm sie die Mitteilung vom Verbandsverhältnis mit der GDVP lediglich zur Kenntnis. An Zweites knüpfte sich die Klarstellung an, dass der Vertragsabschluss für Vorarlberg „keinerlei“ Änderungen mit sich brächte783.

Wenig später drängte die Frage, in welcher Konstellation die auf den 21. Oktober 1923 terminierten Nationalrats- und Landtagswahlen in Angriff genommen werden sollten, in den Focus des Inter- esses. Der Vorarlberger Landbund hatte sich diesbezüglich schon früh und deutlich positioniert: Bereits im Dezember 1922 sprach er sich für die „antimarxistische Einheitsliste“ – gebildet von „Schwarzen“, „Blauen“ und „Grünen“ – aus. Einer gemeinsamen Kandidatur mit nur einer Partei, einerlei ob CSP oder GDVP, erteilte er dagegen eine klare Absage784. Es gab „blaue“ Landesparteien, die der vom Landbund präferierten Einheitsliste positiv ge gen- überstanden785 – die GDVP Vorarlberg zählte nicht dazu. Für den Fall, dass eine solche trotz ihres Widerstandes Realität würde, prophezeite Landesparteiobmann Zumtobel massive Wählereinbu- ßen. Seiner Einschätzung zufolge wäre ein solches Bündnis am Wahltag von einem beträchtlichen Teil Vorarlbergs großdeutscher Anhängerschaft zumindest mit leeren Stimmzetteln, wenn nicht gar einem Votum zugunsten der Sozialdemokratie, quittiert worden786.

Mit dem 10. August 1923 war die Frage, ob es bei der nächsten Wahl zu einer „antimarxistischen Einheitsliste“ kommen würde, de facto entschieden. Vertreter des Landbundes und der GDVP aus dem westlichen Wahlkreisverband787 verlautbarten, dass eine solche Liste nur im gesamten Wahl- kreisverband hätte durchgeführt werden können, seit der ablehnenden Stellungnahme der Tiroler CSP aber keine Aussicht hierauf mehr bestünde788. Dessen ungeachtet unternahmen Vorarlbergs Landbündler nochmals einen Versuch, das von ih- nen favorisierte Wahlbündnis zu realisieren. Dafür luden sie sowohl Christlichsoziale als auch Großdeutsche für den 30. August 1923 zu einem Treffen. Obwohl die „Blauen“ die Ein heitsliste ablehnten, folgten auch sie der Einladung. Die Sorge um ihre Wahlkampffi nanzen789 wie auch die bundes für Österreich am 6. Dezember 1922 783 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 22. Dezember 1922, S. 3 784 vgl. ebenda 785 Die großdeutschen Landesorganisationen von Kärnten, der Steiermark und dem Burgenland zeigten sich einer Einheitsliste gegenüber sehr aufgeschlossen (vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 41 / R I – 14b: Verhandlungs- schrift über die erweiterte Sitzung der Reichsverbandsleitung des Verbandes der Großdeutschen und des Landbundes am 21. August 1923). Auch in Salzburg und Oberösterreich gab es Stimmen, die für eine derartige Wahlgemeinschaft eintraten (vgl. Voithofer, Richard, Deutschnationale Parteien in der Ersten Republik, S. 224 – 227). 786 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 51 / R I – 80: Brief von Anfang August 1923 von Zumtobel an die GDVP Ober- österreich 787 Dieser Wahlkreisverband umfasste die Bundesländer Vorarlberg, Tirol , Salzburg und Oberösterreich. 788 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 51 / R I – 80: Parteiamtliche Verlautbarung der Wahlkreisverbandsleitung der GDVP und des Landbundes für Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg 789 Laut dem großdeutschen Bundesgeschäftsführer waren insbesondere die bemittelten Kreise Anhän- ger der Einheitsliste (vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 40 / R I – 14: Verhandlungsschrift über die Sitzung des 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 123

Überzeugung, dass diese Zusammenkunft ohnehin keine Übereinkunft bringen würde790, dürften sie hierzu bewogen haben. Die Verhandlungen nahmen schließlich tatsächlich den von großdeutscher Seite prognostizierten wenig konstruktiven Verlauf: Der Landbund wie vermutlich auch die GDVP beanspruchten den dritten Platz auf einer gemeinsamen Liste für sich. Für Vorarlbergs Christlichso- ziale, die bei der letzten Nationalratswahl drei Direktmandate erzielt hatten, stand dieser dritte Listenplatz wiederum nicht zur Disposition. Die Standpunkte blieben unversöhnlich. Das Treffen endete ohne Ergebnis.791

Im Scheitern dieser Verhandlungen wollten die Vorarlberger Großdeutschen einen letzten Hoff- nungsschimmer für das von ihnen angestrebte Wahlbündnis mit den „Grünen“ erblicken. Insbe- sondere die „glatte Absage“ der Christlichsozialen erschien ihnen als günstige Voraussetzung für einen letzten Einigungsversuch792. Auch die „blaue“ Wahrnehmung, wonach Landbundvertreter des Unterlandes Bereitschaft zu einer gemeinsamen Kandidatur signalisiert hätten, nährte deren Zuver- sicht. Die Widerstände sahen sie somit auf das Vorarlberger Oberland beschränkt793. Und tatsächlich: Das Treffen vom 30. August 1923 ist zumindest insofern als Zäsur anzusehen, als sich die Art der Kommunikation änderte. Davor hatten Vorarlbergs „Grüne“ nur wenig Interesse an direkten Gesprächen mit Vertretern der deutschnationalen Konkurrenz gezeigt794. Die Kontaktnah- me erfolgte zu einem Gutteil über die jeweiligen Bundesparteien. Auf diesem Umweg wurde der gegnerischen Landesorganisation beharrlich ausgerichtet, bei einer allfälligen Wahlgemeinschaft die Listenführung für sich zu beanspruchen795. Auch mit Konzessionen796 konnte die Gegenseite nicht zum Einlenken bewegt werden. Nach dem 30. August 1923 kam es zumindest zu einem direkten Meinungsaustausch zwischen den beiden Landesorganisationen. Grundsätzliches änderte sich aber nicht. So berief der Vorarl-

Partei vorstandes am 29. Oktober 1923). Die Großdeutschen mussten folglich fürchten, bei einer Gesprächs- verweigerung von diesen fi nanziell sanktioniert zu werden. 790 Für Vorarlbergs großdeutschen Landesparteiobmann stand fest, dass den Christlichsozialen jegliches Ver- ständnis für die Einheitsliste fehlte. Diese Überzeugung manifestiert sich in der für das Treffen ins Auge gefassten Verhandlungsstrategie: Laut Zumtobel konnte seine Gruppierung mit bescheidenen Forderungen in die Gespräche gehen, ohne dadurch die Bildung der Einheitsliste zu riskieren (vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Bericht über die Landesparteileitungssitzung am 29. August 1923). 791 vgl. Vogel, Bernd, Die „Blauen“ der Zwischenkriegszeit, S. 219 792 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Brief vom 31. August 1923 von Grahammer an die großdeutsche Reichsparteileitung 793 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 51 / R I – 80: Brief von Anfang August 1923 von Zumtobel an die GDVP Ober- österreich 794 Zumtobel wandte sich in seiner Funktion als großdeutscher Landesparteiobmann am 20. Juli 1923 mit der Bitte um eine Aussprache an sein Gegenüber vom Vorarlberger Landbund. Rund zwei Wochen später hatte er noch immer keine Antwort, geschweige denn einen Gesprächstermin, erhalten (vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 51 / R I – 80: Brief von Anfang August 1923 von Zumtobel an die GDVP Oberösterreich). 795 vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 304 f 796 Die Großdeutschen erklärten sich für die Listenführung dazu bereit, das bei entsprechendem Ausgang der gleichzeitig stattfi ndenden Landtagswahl erzielte Bundesratsmandat dem Landbund zu überlassen. Zudem wollten sie den Kandidaten der Vorarlberger „Grünen“ über die Reststimmenliste sichern (vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 39 / R I – 13: Verhandlungsschrift über die Sitzung der Reichsparteileitung am 5. September 1923). Die Landbündler ihrerseits boten den „Blauen“ für die Listenführung das Bundesrats- und das bei gemeinsa- men Vorgehen „zweifellos“ erreichbare Landesratsmandat an (vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – V: Brief vom 23. August von Stocker an Ehrlich). 124 | Deutschnationalismus in Vorarlberg berger Landbund für den 2. September 1923 eine außerordentliche Hauptversammlung ein. Auch an die GDVP erging eine Einladung. Die „Blauen“ entsandten zu diesem Treffen vier Unterhändler. Ausgestattet waren diese mit unbeschränktem Handlungsspielraum797 – Gebrauch machten sie davon allerdings keinen. Die Hauptversammlung brachte nur einen weiteren Abtausch hinlänglich bekannter Positionen. Daraufhin beschloß der Vorarlberger Landbund endgültig, die anstehenden Wahlen ohne politischen Bündnispartner in Angriff zu nehmen798.

Die Vorarlberger Landesparteien von „Grünen“ und „Blauen“ schlossen sich demzufolge weder dem „Verband der Großdeutschen und des Landbundes“ an, noch konnten sie sich auf eine gemein- same Kandidatur für die Nationalrats- und Landtagswahlen 1923 einigen. Die beiden traten dazu getrennt – die „Blauen“ alleine, die „Grünen“ unterstützt von der Hausbesitzerorganisation – an. Gründe für das Scheitern der Verhandlungen gibt es mehrere: Allen voran ist die Grund ausrichtung des Vorarlberger Landbundes zu nennen. Dessen – bereits erwähnte – Position ierung als Interes- senvertretung der gesamten ländlichen Bevölkerung war zentral für seine Ablehnung einer einsei- tigen Bindung an die GDVP. Auch Widerstand von jenem Flügel innerhalb des Vorarlberger Land- bundes, der den Christlichsozialen sehr nahe stand799, wird eine Übereinkunft mit den „Blauen“ mitvereitelt haben. Für Vorarlbergs „Grüne“ ist deshalb davon auszugehen, dass diese lediglich Scheinverhandlungen führten – nicht zuletzt sanfter Druck von Seiten ihrer Bundespartei wird sie hierzu bewogen haben. Zudem drohte ihnen bei Gesprächsverweigerung das Szenario, potentielle Wähler mit deutschnationalem Hintergrund zu verprellen. Den Vorarlberger „Blauen“ ist ein ehrliches Interesse an einer Einigung dagegen grundsätzlich nicht abzusprechen. Mit ihrer Haltung – vom großdeutschen Bundesgeschäftsführer despektierlich als „Prestigepolitik“ bezeichnet800 – trugen aber auch sie zum Scheitern der Verhandlungen bei. Stolz und Überzeugung der Vorarlberger Großdeutschen, den Landbund an Bedeutung zu übertreffen, werden sie an ihrer Forderung nach der Spitzenkandidatur festhalten haben lassen. Zudem stießen sich die „Blauen“ an der ihrer Ansicht nach ausgeprägten Affi nität des Vorarlberger Landbundes zur CSP. Der großdeutsche Landesparteiobmann wollte im Vorfeld der Nationalrats- und Landtagswah- len 1923 nicht ausschließen, dass, sollte die Wahlgemeinschaft zwischen „Blauen“ und „Grünen“ in Vorarlberg Realität und damit ein Bundesratsmandat erzielt werden, hierfür von Seiten der Land- bündler ein „noch halb Klerikaler“ nominiert würde801.

Obwohl dem „Verband der Großdeutschen und des Landbundes“ nicht beigetreten, blieb dieser für Vorarlbergs „Blaue“ und „Grüne“ nicht folgenlos. Insbesondere die bei der Verbands gründung vor- genommene Festlegung, dass die Vorarlberger GDVP, obwohl nicht Teil des Verbandes, auf dessen Liste kandidieren sollte, ließ die Wellen hoch gehen: Durch diese Bestimmung legitimiert, zeigten sich die „Ländle“-Großdeutschen fest entschlossen, mit dem Titel „Verband der Großdeutschen

797 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Bericht über die Sitzung der großdeutschen Landesparteileitung Vorarlberg am 29. August 1923 798 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 7. September 1923, S. 1 799 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 32 / I – 12: Die Verhandlungen des zweiten Reichsparteitages der GDVP in Wien, 27. und 28. Juni 1921, S. 154 800 ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 39 / R I – 13: Verhandlungsschrift über die Sitzung der großdeutschen Reichspartei- leitung am 5. September 1923 801 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Verhandlungsschrift über die Landesparteileitungssitzung der GDVP Vorarlberg am 29. August 1923 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 125 und des Landbundes“ in die Nationalratswahl 1923802 zu ziehen. Vorarlbergs „Grüne“ ihrerseits ver- wahrten sich mit aller Vehemenz gegen dieses großdeutsche Vorhaben. Gegenüber den „Blauen“ äußerten sie die Befürchtung, die durch die Bezeichnung ausgelöste Verwirrung unter der Wähler- schaft könnte für ihre Organisation existenzbedrohende Ausmaße annehmen803. Daher schloss sich der Vorarlberger Landbund dem, von fast allen „grünen“ Landesorganisationen804 mitgetragenen und bei den Wahlbehörden eingebrachten, Protest an. Der Erfolg blieb dem Landbund damit jedoch verwehrt – die Hauptwahlbehörde entschied zugunsten der GDVP. Somit kam dieser das Recht zu, mit der Listenbezeichnung „Verband der Großdeutschen und des Landbundes“ zur Nationalrats- wahl 1923 anzutreten805. Und sie tat es.

6.2.5 EIN WAHLERGEBNIS UND SEINE WIRKUNG

6.2.5.1 Bundespolitische Zurückhaltung Der Wahltag 21. Oktober 1923 bescherte dem Landbund ein schlechtes, der GDVP gar ein katastro- phales Bundesergebnis. Die „Blauen“ hatten eine Halbierung ihres Mandatsstandes auf nunmehr zehn Abgeordnete806 hinzunehmen. Der Ruf nach einem Wiederaufbau der Partei wurde laut807. Mehrere Gründe trugen zu den eklatanten Verlusten der Großdeutschen bei: Obwohl die „Blauen“ einen Gutteil ihres Wahlkampfes darauf verwendet hatten, ihre Zustimmung zur Genfer Anleihe als sinnvollen und staatspolitisch notwendigen Akt darzustellen808, blieb Genf für sie ein „Handicap“809. Ihre Regierungsbeteiligung als Juniorpartner der CSP sowie die desaströsen Verhältnisse in Deutschland mit Ruhrbesetzung, militärischem Ausnahmezustand, Hungerunruhen und Hyperin- fl ation, galten den Großdeutschen als weitere Ursachen für ihre erdrutschartigen Verluste810. Mit der in weiten Teilen Österreichs getrennten Kandidatur von Landbund und GDVP – Resultat des in die Brüche gegangenen Verbandsverhältnisses – hatte sich zudem die Chance auf einen bei gemeinsamem Antreten deutlich wirkmächtigeren Wahlkampf zerschlagen. Als nachteilig für das großdeutsche Abschneiden erwies sich ferner das zwischen den „Grünen“ und der organisierten Hausbesitzerschaft in Vorarlberg, Tirol, Salzburg und der Steiermark abgeschlossene Wahlbünd-

802 Bei der gleichzeitig stattfi ndenden Landtagswahl kandidierten Vorarlbergs „Blaue“ dagegen unter der Be- zeichnung „Großdeutsche Volkspartei“. 803 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – V: Brief vom 25. September 1923 von Stocker an die GDVP 804 Lediglich die „grüne“ Landesorganisation von Oberösterreich verzichtete auf einen Protest gegen die von der GDVP beabsichtigte Listenbezeichnung. 805 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 55 / R – V: Schreiben vom 8. Oktober 1923 der großdeutschen Hauptge- schäftsstelle an alle Landesparteileitungen (außer Kärnten) 806 Um das Mandat von Clessin in Salzburg hatten die Großdeutschen nach der Wahl noch mehrere Monate zu bangen. Der Grund hierfür waren die in Tirol und Salzburg mit verschiedenen Untertiteln versehenen Stimm- zettel des Landbundes. Die „Roten“ forderten deswegen, die Salzburger Stimmen für ungültig zu erklären, und wandten sich mit einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Für den Fall, dass dieser stattgegeben worden wäre, hätte die GDVP ihr dem Abgeordneten Clessin zufallendes Mandat an die Christlichsozialen verloren. Die Beschwerde wurde jedoch abgewiesen (vgl. Bauernbote, 1. Februar 1924, S. 1). 807 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 27. Oktober 1923, S. 1 f 808 vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 315 – 318 809 vgl. Ackerl, Isabella, Die Groszdeutsche Volkspartei 1920 – 1934, S. 161 810 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 30. Oktober 1923, S. 1, sowie: ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 40 / R I – 14: Verhand- lungsschrift über die Sitzung des großdeutschen Parteivorstandes am 29. Oktober 1923 126 | Deutschnationalismus in Vorarlberg nis. Laut Schätzung der Hausbesitzerorganisation sollen in diesen Bundesländern rund 50 % der Hausbesitzer für den Landbund votiert haben. Der andere Teil der Hausbesitzerstimmen soll den Regierungsparteien zugefallen sein811. Für die „Blauen“ hatte das schmerzliche Einbußen zur Folge. Die Vorarlberger GDVP, deren Anhänger zum „Großteil“ Hausbesitzer waren812, sah sich bei den Wahlen von diesen nichts weniger als „im Stich gelassen“813.

Obwohl unterstützt von der Hausbesitzerorganisation, stellte sich auch für den Landbund ein „recht enttäuschende(r) Ausgang der Nationalratswahlen“814 ein. Überdies ließ der Urnengang den kurz davor noch als „vereinigt“ gefeierten Landbund wieder als heterogene Gruppe erscheinen. Des- sen nach zähem und langwierigem Ringen erzielte Einigkeit war noch vor den Wahlen zerbrochen. In Ober- und Niederösterreich kandidierten die „Grünen“ gemeinsam mit der GDVP. Anders die Situation in Kärnten, wo sie zusammen mit Christlichsozialen und Großdeutschen eine bürgerli- che Einheitsfront bildeten. In Salzburg , dem Burgenland und der Steiermark schließlich trat der Landbund – gleich wie in Vorarlberg – ohne Bindung an eine andere Partei zum Urnengang an815. Zusätzlich gingen die „Grünen“ mit unterschiedlichen Bezeichnungen in die Wahl: Während sich die Landbündler der Steiermark mit der Listenbezeichnung „Landbund für Österreich“ begnügten, fügte deren östlichste Landesorganisation dieser den Untertitel „Burgenländischer Bauernbund“ hinzu. Laut Verfassungsgerichtshof reichte dies aus, um sie im zweiten Ermittlungsverfahren des südlichen Wahlkreisverbandes816 als nicht einheitliche Partei zu behandeln817. Hierdurch kamen sie um drei steirische Reststimmenmandate. Der „Grünen“ karge Ausbeute bei der Nationalratswahl 1923: fünf Parlamentssitze.

Das schlechte Abschneiden bei der Nationalratswahl 1923 bescherte beiden Parteien über den Wahltag hinausreichende Erschütterungen. Die GDVP hatte noch im selben Jahr die Ab spaltung des radikalnationalen Vereins der Deutschnationalen hinzunehmen818. 1924 erfolgte der Rücktritt Hermann Kandls als großdeutscher Bundesparteiobmann819. Ihre Regierungsbeteiligung blieb vom ernüchternden Wahlausgang dagegen unberührt. Die im Mai 1922 formell besiegelte Koalition zwischen der CSP und GDVP fand – notgedrungen820 – ihre Fortsetzung. Entlohnung fand die groß-

811 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 48 / R I – 52: Brief vom 17. Juni 1926 vom Niederösterreichischen Verband des Alpenländischen Haus- und Grundbesitzer-Bundes an die Reichsparteileitungen der Christlichsozialen und Großdeutschen 812 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 3 / ohne Signatur: Verhandlungsschrift über die Sitzung des Verbandes der Abge ordneten der GDVP am 13. Oktober 1922 813 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 47 / R I – 38: Verhandlungsschrift über die Sitzung der großdeutschen Landes- parteileitung Vorarlberg am 10. September 1924 814 Wandruszka, Adam, Der „Landbund für Österreich“, S. 593 815 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 151 und 153 816 Diesen Wahlkreisverband bildeten die Steiermark , Kärnten und das Burgenland . 817 vgl. Gasselich, Anton, Landbund für Oesterreich, S. 229, sowie: Feldmann, Angela, Landbund für Österreich, S. 69 f 818 vgl. Ackerl, Isabella, Die Groszdeutsche Volkspartei 1920 – 1934, S. 168 – 176 819 Zum Nachfolger Kandls wurde Dr. August Wotawa gekürt. Dieser stand der GDVP bis 1930 vor. 820 Den Großdeutschen fehlte es an wirklichen Alternativen zur Regierungsbeteiligung. Ein Regierungsaustritt barg aus deren Sicht die Gefahr einer Neuaufl age der großen Koalition. Auch eine Minderheitsregierung der „Schwarzen“, die womöglich den von der Außenpolitik eingeschlagenen „deutschen Kurs“ verlassen hätte, wäre nicht in deren Interesse gelegen (vgl. Dostal, Thomas, Die Großdeutsche Volkspartei, S. 205). Zudem 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 127

deutsche Koalitionstreue in christlichsozialer Kulanz: Trotz einer Halbierung der Mandatszahl verblieben den „Blauen“ zwei Ministerposten821.

Den Landbund erschütterte der Wahlausgang nicht minder heftig. Auch bei ihm kam es zum Wechsel an der Spitze der Partei. Ein Konglomerat von Gründen – unter ihnen der nur geringe Zuspruch für den Land- bund am Wahltag822 – veranlasste Leopold Stocker , seine Funktion als Obmann des Österreichischen Landbundes zurückzulegen. Vinzenz Schumy trat des- sen Nachfolge an823. Auch die Entwicklung der fol- genden Jahre stand im kausalen Zusammenhang mit dem für die „Grünen“ enttäuschenden Ergebnis der Nationalratswahl 1923: Der Landbund kam nicht zur Ruhe. Die „Jungen“ innerhalb des Landbundes äu- ßerten in wachsendem Maße Kritik an der ihrer An- sicht nach zu „weichen“ Haltung der Parteiführung. In Reaktion darauf sprachen sich die „Grünen“ auf ih- Abb. 9: Vinzenz Schumy, Obmann des Landbun- rem ersten Bundesparteitag Anfang Februar 1925 für des für Österreich 1924 bis 1931 (Copyright Par- eine straffere Organisation der Partei aus. Die hierfür lamentsdirektion) notwenige Annahme programmatischer Grundsätze und eines Organisationsstatuts erfolgte einstimmig. Mit den programmatischen Grundsätzen bekannte man sich zum Land bund als einer „ständischen Partei“ und betonte zugleich dessen Selbständigkeit gegenüber den „überkommenen Parteien“824.

Diese Positionierung galt es von den „Grünen“ in der Folge zu leben. Solches sprach deutlich gegen eine erneute Annäherung der Bundesparteien von Landbund und GDVP. Bereits davor hatten die Erschütterungen infolge des Wahlausgangs 1923 und die hieraus erwachsende Not wendigkeit, das Hauptaugenmerk auf die Konsolidierung der eigenen Partei zu werfen, einem neuerlichen Koopera- tionsversuch entgegengestanden. Gleiches hat für die Erfahrungen zu gelten, die beide Parteien mit dem „Verband der Großdeutschen und des Landbundes“, insbesondere aber dessen von heftigem traten jene industriellen Kreise, die sich mit fi nanziellen Zuwendungen an die GDVP ihren Einfl uss auf die Partei gesichert hatten, für einen Fortbestand der Koalition ein. Anderweitige politische Experimente, welche den Interessen der Unternehmer zuwiderlaufen hätten können, waren nicht erwünscht. Unter diesen Umstän- den war an eine Beendigung der Koalition mit den Christlichsozialen nicht zu denken (vgl. Ackerl, Isabella, Thesen zu Demokratieverständnis, parlamentarischer Haltung und nationaler Frage bei der Großdeutschen Volkspartei, S. 155). 821 Den Großdeutschen fi elen wiederum die Ressorts Handel und Justiz zu. In der Nachfolge von Emil Kraft trat Hans Schürff an die Spitze des Handelsministeriums. Zum neuen Justizminister wurde Felix Frank bestellt. In dieser Funktion beerbte er seinen Parteikollegen Leopold Waber . 822 Zu diesen Gründen zu zählen sind des Weiteren die vor der Wahl zerbrochene Einigkeit des Landbundes, die drei den „Grünen“ nicht zugestandenen Reststimmenmandate sowie die mangelnde Solidarität führender Mitarbeiter. 823 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 153 und 165 824 vgl. Wandruszka, Adam, Der „Landbund für Österreich“, S. 593 128 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Streit begleitenden Ende, gemacht hatten. Auch die Gegensätze, die sich aus der großdeutschen Regierungsbeteiligung und der vom Landbund betriebenen Oppositionspolitik ergaben, waren dem Wunsch nach Zusammenarbeit abträglich. Der Gründe damit genug, kam es nach der Nationalrats- wahl 1923 über drei Jahre hinweg zu keinem essentiellen Versuch einer Annäherung von „Grün“ und „Blau“ auf Bundesebene.

6.2.5.2 Vorarlberger Hartnäckigkeit Die GDVP und der Landbund fuhren beim Urnengang 1923 schlechte Bundesergebnisse ein. Nicht anders die Situation in Vorarlberg: Auf die „Blauen“ entfi elen bei der Nationalratswahl 1923 nur noch 8,88 % der gültigen Stimmen – im Vergleich zur letzten Bundeswahl im Oktober 1920 ein Verlust von 3,52 %. Die Zustimmung, welche sie bei der gleichzeitig abgehaltenen Landtagswahl erfuhren, war mit 9,12 % nur unwesentlich höher. Vorarlbergs Großdeutsche errangen damit zwei Landtagsmandate. Der Vorarlberger Landbund verzeichnete die gleiche Ausbeute: Einem verfehlten Direktmandat für den Nationalrat stand der Gewinn von zwei Landtagssitzen gegenüber. Die Ergebnisse des Vorarl- berger Landbundes lagen – wie bereits erwähnt825 – nur geringfügig unter jenen vorangegangener Wahlen. Die ungleich höheren Erwartungen ließen dieses Abschneiden dennoch zu einer schweren Enttäuschung für die „Grünen“ werden.

Ungeachtet des erst wenige Wochen zurückliegenden Streits wegen der Listenbezeichnung, ent- schloss sich die Vorarlberger GDVP unmittelbar nach den Wahlen, einen erneuten Anlauf in Rich- tung Zusammenarbeit mit dem Landbund zu nehmen. Bereits sechs Tage nach den Wahlen konnte Zumtobel seinen Gesinnungsfreunden von einem ersten Treffen mit den „Grünen“ berichten. Thema der Unterredung war eine mögliche Kooperation der beiden Parteien im Landtag gewesen. Der, der großdeutschen Landesparteileitung im Anschluss daran vorgelegte Antrag auf Fortführung dieser Verhandlungen fand einstimmige Annahme826. Die folgende Woche brachte weitere Gespräche. Dabei signalisierten Vorarlbergs Landbündler, sich die von den Großdeutschen gewünschte Zu- sammenarbeit im Landtag grundsätzlich vorstellen zu können – den Zeitpunkt für eine derartige Kooperation erachteten sie aber für noch nicht gekommen. Als Grund nannten sie den erst kurze Zeit zurückliegenden Wahlkampf. In Reaktion auf diese Hinhaltetaktik sprach sich Zumtobel gegen weitere Kooperationsangebote seiner Partei an die Adresse der „Grünen“ aus. Für den großdeut- schen Landesparteiobmann war es nun am Landbund, den nächsten Schritt in Richtung einer mög- lichen Zusammenarbeit der beiden Gruppen zu setzen827 – nur, er tat ihn nicht.

Was auf Landesebene wiederholt gescheitert war, gelang es auf Gemeindeebene in bescheidenem Umfang zu realisieren: Im Vorfeld der am 10. Februar 1924 abgehaltenen Gemeinde ratswahlen kam es zumindest in Hohenems, Götzis, Dornbirn und Höchst zu Gesprächen zwischen „Blauen“

825 Zum Abschneiden des Vorarlberger Landbundes bei den Nationalrats- und Landtagswahlen 1923 vgl. in dieser Arbeit, S. 126 826 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Verhandlungsschrift über die Sitzung der großdeutschen Landespar- teileitung Vorarlberg am 27. Oktober 1923 827 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Verhandlungsschrift über die Sitzung der großdeutschen Landespar- teileitung Vorarlberg am 3. November 1923 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 129 und „Grünen“. In den beiden erstgenannten Orten gipfelten diese in Übereinkünften. In Hohenems beschränkte sich die Verbindung der beiden Gruppierungen auf eine gemeinsame Kandidatur bei der Gemeinderatswahl. Die Liste, die sich unter der Bezeichnung der großdeutschen Ortsgruppe von Hohenems zur Wahl stellte, umfasste neben 27 „Blauen“ auch drei Kandidaten828 des Land- bundes829. In Götzis traten Großdeutsche und Landbündler gemeinsam unter der Bezeichnung „Vereinigte Gemeinde-Wirtschaftspartei“ zur Wahl an. Die Initiative zu dieser Kooperation dürfte von den Großdeutschen ausgegangen sein – der prekäre Zustand ihrer Ortsgruppe wird sie hier- zu veranlasst haben830. Im Gegensatz zu Hohenems existierte die Verbindung von „Blauen“ und „Grünen“ in Götzis über den Wahltag hinaus. Sie bestand in einem losen Verbandsverhältnis ohne „besondere Verpfl ichtungen“. Deren Führung sahen die Götzner Großdeutschen von Anbeginn weg in den eigenen Händen liegen831. Der vom großdeutschen Landesparteiobmann im Dezember 1924 an die „blaue“ Ortsgruppe Götzis adressierten Forderung, wonach die Kooperation in Hinkunft dazu genützt werden sollte, um „(...) Landbündler immer mehr zu sich heran(zu)ziehen“832, gelang es aber offenkundig nicht nachzukommen833. Dessen ungeachtet betonten die Großdeutschen in weiterer Folge die Vorteile des gemeinsamen Vorgehens von „Blau“ und „Grün“. Zwar waren sie – gleich dem Vorarlberger Land bund834 – mit dem Ausgang der Gemeinderatswahlen 1924 generell sehr zufrieden835. Die im Verbund mit den

828 In diesem zahlenmäßigen Ungleichgewicht spiegeln sich die vor Ort herrschenden Kräfteverhältnisse wi- der. Die großdeutsche Männerortsgruppe Hohenems hatte zwar über die Jahre hinweg nur geringen Zulauf. Eine wesentliche Stärkung erfuhr die dortige großdeutsche Organisation allerdings im April 1923 durch die Gründung des „Deutschen Frauenvereins“. Bei der im Oktober 1923 abgehaltenen Landtagswahl kamen die „Blauen“ in Hohenems auf knapp 11 % der Stimmen. Der Landbund hatte sich in Wahlgemeinschaft mit den Hausbesitzern mit weniger als einem Viertel – rund 2,5 % – zu begnügen. Überdies lässt die fehlende Präsenz der „grünen“ Ortsgruppe in der parteieigenen Presse vermuten, dass der Landbund in Hohenems organisato- risch nur sehr schwach verankert war. 829 vgl. Vorarlberger Volksblatt, 1. Februar 1924, S. 1 830 Im Zuge einer Zusammenkunft großdeutscher Vertreter wurde Bedauern über die eingegangene Zusammen- arbeit mit den Landbündlern geäußert, zugleich aber auch betont, dass die Umstände nichts anderes zugelas- sen hätten (vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Verhandlungsschrift über die gründende Versammlung des großdeutschen Gemeindevertreterverbandes für Vorarlberg am 14. Dezember 1924). 831 Aufgrund des Ausgangs der Landtagswahl 1923 – den „Blauen“ kam in Götzis beinahe die doppelte Stim- menanzahl des Landbundes zu – erscheint die großdeutsche Einschätzung glaubwürdig. 832 ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Verhandlungsschrift über die gründende Versammlung des groß- deutschen Gemeindevertreterverbandes für Vorarlberg am 14. Dezember 1924 833 Der Mitgliederstand des „Deutschen Volksvereins Götzis “ gibt beredtes Zeugnis davon: Im Jahre 1927 gehörten ihm gerade einmal 13 Personen an. Damit war er der Großdeutschen kleinste Ortsgruppe in Vorarl- berg. 834 Die „Grünen“, von den Christlichsozialen wegen ihres schlechten Abschneidens bei den Nationalrats- und Landtagswahlen 1923 bereits davor für politisch tot erklärt, zeigten sich mit den Gemeinderatswahlen sehr zufrieden. Die dort erzielten Ergebnisse zeigten laut deren Presse, dass es dem Landbund einen „Platz an der Sonne“ zu erobern gelungen und er damit zu einem Faktor geworden sei, mit dem man auf Landes- und Gemeindeebene rechnen müsse (vgl. Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 15. Februar 1924, S. 2). 835 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 34 / R I – 12: Berichte der Landesparteileitungen, in: Protokolle zum 6. Reichs- parteitag der Großdeutschen Volkspartei, 1925 130 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

„Grünen“ erzielten Ergebnisse836 erschienen es ihnen aber Wert zu sein, als besonders positiv her- vorgehoben zu werden837.

Damit hatten die Großdeutschen dem Landbund ein weiteres Mal den Vorteil einer engeren Ver- bindung beider Gruppen vor Augen geführt – die gewünschte Wirkung stellte sich dennoch nicht ein. Auch schwerwiegende Probleme veranlassten die Vorarlberger „Grünen“ vorerst nicht, auf die GDVP zuzugehen: Während sich Oberösterreichs Landbündler aufgrund gravierender fi nanzieller Schwierigkeiten für einen Anschluss an die Großdeutschen entschieden838, sah der „Ländle“-Land- bund trotz pekuniärer Engpässe und organisatorischer Probleme von einem solchen Schritt ab. Der infolge der Schwierigkeiten gesteigerte Kooperationswille ließ Vorarlbergs „Grüne“ stattdessen einen erneuten Anlauf in Richtung Zusammenschluss mit dem christlichsozialen Bauernbund neh- men. Rückendeckung für diese Entscheidung war ihnen bereits davor durch die Beschlüsse des „grünen“ Bundesparteitages 1925 zuteil geworden. Mit den dort gutgeheißenen „Programmati- schen Grundsätzen“ hatte sich der Landbund als selbständige Standespartei positioniert. Der von Vorarlbergs „Grünen“ seit Jahren angestrebten Standeslösung war damit der Sanctus erteilt.

Das altbekannte Bild war damit prolongiert. Die Großdeutschen verfolgten weiter ihr Ziel einer Kooperation mit dem Landbund, kamen dem allerdings trotz mehrmaligem Anlauf nicht entschei- dend näher. Zugleich damit platzte der Großdeutschen Hoffnung, eine enge Verbin dung mit den „Grünen“ zur dringend benötigten839 Stärkung der eigenen Partei nützen und sich derart zusätzlich eines Konkurrenten entledigen zu können. Auch die aus Sicht der GDVP drohende Gefahr, dass sich der Vorarlberger Landbund, geleitet von der Affi nität eines Teils der Partei zur CSP, dieser zu- wenden könnte, bestand fort. Einer engen Zusammenarbeit beider Gruppen standen in Vorarlberg Landbündler entgegen, die sich nicht vereinnahmen lassen wollten und stattdessen – wenn auch mit unterschiedlicher Intensität – ihr Ziel einer Standespartei verfolgten.

6.2.6 DIE ZÄSUR 1927

Im Laufe des Jahres 1927 traten sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene Verän derungen ein, die nicht ohne Auswirkungen auf die Beziehung zwischen GDVP und Landbund blieben. Auf Bun- desebene bedingte der Ausgang der Nationalratswahl im April 1927 diese Veränderung: Veranlasst

836 Aus der Götzner Gemeinderatswahl 1919 waren die „Blauen“ mit dem Gewinn von sieben Mandaten her- vorgegangen. Fünf Jahre später kam die „Vereinigte Gemeinde-Wirtschaftspartei“ auf elf Sitze. In Hohenems gelang es den Deutschnationalen, die Zahl ihrer Gemeindevertreter von fünf auf sieben zu erhöhen (vgl. Vor- arlberger Tagblatt, 11. Februar 1924, S. 2). 837 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 4. Mai 1925, S. 1 838 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 168 839 Vorarlbergs GDVP hatte Mitte der 1920er Jahre einen deutlichen Aderlass zu verzeichnen. Sie, die 1921 in 13 Vorarlberger Gemeinden mit einer Männerortsgruppe vertreten war, verfügte sechs Jahre später noch über elf Gemeindeorganisationen. Überdies präsentierten sich nicht alle davon in bestem Zustand (vgl. Vogel, Bernd, Die „Blauen“ der Zwischenkriegszeit, S. 48 – 51). Eine noch eklatantere Negativentwicklung hatte sie bei der Mitgliederentwicklung hinzunehmen: Laut Angabe der „blauen“ Hauptgeschäftsstelle hatte die west- lichste Landesorganisation der Großdeutschen im Frühjahr 1922 4.700 Mitglieder gezählt. Bis Mitte 1927 sank deren Zahl auf 2.429 Personen. In der Mehrzahl waren diese in Vorarlbergs großdeutschen Frauenvereinen or- ganisiert. Den Männerortsgruppen gehörten landesweit nur noch 974 Mitglieder an (vgl. ebenda, S. 76 – 78). 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 131 durch das schlechte Abschneiden der von Christlichsozialen und Großdeutschen gemeinsam gebil- deten „Einheitsliste“, warb Bundeskanzler Seipel für den Eintritt der „Grünen“ in die Regierung. Verschiedene Zugeständnisse ließen den Landbund diesen Schritt machen. Über Jahre hinweg in zum Teil scharfer Opposition zu der von der GDVP mitgetragenen Regierungspolitik, war er nun deren Koalitionspartner. Die von den beiden Parteien auf Bundesebene gepfl egte Beziehung erwies sich in der Folge als korrekt, ja mehr noch: Während der großdeutsche Bundesparteivorstand 1929 zur CSP deutlich auf Distanz ging840, stufte er das zu den „Grünen“ auf parlamentarischer Ebene unterhaltene Verhältnis als „freundschaftlich“ ein. Die in den Bundesländern von GDVP und Landbund gemeinsam bestrit- tenen Wahlen ließen die „Blauen“ gar der Erwartung von einer hinkünftig „weiteren Vertiefung“ der Beziehung Ausdruck verleihen841. Auch im Folgejahr wurde dem Landbund von großdeutscher Seite attestiert, auf Parlamentsebene auf die amikalen Beziehungen zur GDVP Wert gelegt zu haben. Bei der Agitation – so der „blaue“ Bundesparteivorstand weiter – seien die Großdeut- schen nur selten Ziel seiner Angriffe gewesen. Stattdessen hätte er hauptsächlich gegen die CSP, aber auch gegen die Heimwehren agitiert. Trotz Vorbehalten gegenüber der Berichterstattung der Landbund-Presse attestierte die GDVP den „Grünen“, eine ihr gegenüber „im allgemeinen nicht unfreundliche Einstellung“ an den Tag zu legen. Laut Großdeutschen trug die Einigkeit bei der Beur- teilung von „Schwarz“ und „Rot“ wesentlich zu diesem guten Verhältnis bei: So soll der Landbund gleich der GDVP die Auffassung vertreten haben, dass die Großparteien mit ihrer Politik auf ein Zwei parteiensystem hinarbeiten würden. Dieser Konsens ließ sie näher zusammenrücken, gar zu „Kampfgenossen“ werden842.

Die Großdeutschen stuften ihr Verhältnis zum Landbund Ende der 1920er Jahre als „gut“ ein – frikti- onsfrei war es aber nicht. Insbesondere die strittige Frage rund um die Dispens- oder „Sever-Ehe“843 löste langwierige Dissonanzen zwischen den beiden Parteien aus: Bis 1927 hatte der von der GDVP gestellte Vizekanzler in einer Art „Gewohnheitsrecht“ die Ehedispense erteilt844. Mit dem Eintritt des Landbundes in die Regierung ging den „Blauen“ dieser Posten verloren. Die Erteilung von Ehe- dispensen oblag fortan dem „grünen“ Vizekanzler Karl Hartleb. Insbesondere die christlichsozialen

840 Den „Schwarzen“ gegenüber wurde der Vorwurf erhoben, eine Politik „(...) mit besonders scharfe(r) Be- tonung ihrer parteiegoistischen Ziele (...)“ zu betreiben (ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 37 / R I – 12: Bericht des Par- teivorstandes, in: Tätigkeitsbericht, 10. Ordentlicher Reichsparteitag der Großdeutschen Volkspartei in Wien, 3. bis 5. Mai 1929, S. 4). Auch inhaltliche Differenzen trübten das Klima zwischen den beiden Parteien. Ins- besondere die Bundespräsidentenwahl am 10. Dezember 1928, im Vorfeld derer sich die „Blauen“ – letztlich ohne sich damit durchsetzen zu können – für die Wahl eines Nichtpolitikers zum Staatsoberhaupt ausgespro- chen hatten, und die Beamtenforderungen nach einem 13. Monatsgehalt führten zu deutlichen Dissonanzen zwischen Christlichsozialen und Großdeutschen. Die von Bundeskanzler Seipel aufgeworfene Frage nach einer katholischen Universität für Salzburg trug ein Übriges dazu bei (vgl. ebenda, S. 2 – 4). 841 vgl. ebenda, S. 8 842 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 37 / R I – 12: Bericht des Parteivorstandes, in: Tätigkeitsbericht, 11. Ordentlicher Reichsparteitag der Großdeutschen Volkspartei in Salzburg, 20. bis 22. April 1930, S. 1 843 Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs gingen eine Vielzahl hastig geschlossener Kriegsehen in die Brüche Laut österreichischer Ehegesetzgebung waren katholische Ehen jedoch unaufl öslich, erhebliche soziale Prob- leme die Folge. Diesen versuchte Niederösterreichs sozialdemokratischer Landeshauptmann Albert Sever mit einem Trick beizukommen: Gestützt auf die, den politischen Behörden vom ABGB eingeräumten Dispensati- onsbefugnisse, ermöglichte er ab Mitte 1919 auf dem Weg des Dispenses die nach ihm benannten „Sever- Ehen“ (vgl. Weigl, Andreas, Katholische Bastionen, S. 385). 844 vgl. Harmat, Ulrike, „Ehe auf Widerruf?“, S. 330 132 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Landesparteien von Oberösterreich und der Steiermark nahmen das zum Anlass, den Landbund zu kritisieren845. Wohl geleitet von der Überlegung, derart Schaden von seiner Partei abzuwenden, weigerte sich Hartleb in der Folge, diese Praxis fortzusetzen. Die Haltung des Vizekanzlers führte Ende 1928 zur vollständigen Einstellung von Ehedispensationen846. Für die Großdeutschen verstieß Hartleb damit gegen während der Regierungsverhandlungen getroffene Vereinbarungen847. Der großdeutsche Bundesobmann unternahm daraufhin vermutlich wiederholt den Versuch, den Vize- kanzler von seinem Standpunkt abzubringen – ohne Erfolg. Im Vorfeld der Anfang Mai 1929 erfolgten Regierungsumbildung war dieses Thema daher erneut Gegenstand von Verhandlungen. Im Zuge derer bekräftigte der Abgeordnete Schönbauer die Po- sition des Landbundes, auch in Hinkunft Ehedispensationen nicht unter der Verantwortung des Vizekanzlers erledigt sehen zu wollen848. Nach Abschluss der Verhandlungen mussten die Groß- deutschen feststellen, mit ihren Vorstellungen nicht ganz durchgedrungen zu sein849. Aus deren Sicht dafür verantwortlich: der Landbund850.

In Vorarlberg war es insbesondere die Anfang 1927 erfolgte Spaltung der „Grünen“, die gegen Ende der 1920er Jahre das Verhältnis Landbund – GDVP bestimmte. Nach der Spaltung musste es zunächst vorrangiges Ziel der „neuen“ Landbündler sein, ihr politisches Profi l zu schärfen. Eine selbständige Kandidatur bei Wahlen bot hierfür eine günstige Gelegenheit. Die „Grünen“ ließen sich diese nicht entgehen: Sowohl zur Nationalratswahl 1927 als auch Landtagswahl 1928 traten sie alleine an – zu Zweiterem, obwohl Vorarlbergs „Blaue“ bis zuletzt versucht hatten, sie für eine gemeinsame Kandidatur zu gewinnen851.

Für die „Ländle“-Großdeutschen standen die Vorzeichen, zu der von ihnen seit Jahren angestrebten Kooperation mit den „Grünen“ zu gelangen, dennoch besser denn je. Die koalitionäre Zusammenar- beit der beiden Parteien auf Bundesebene begünstigte derartiges. Zudem dürften sich im Zuge der 1927 erfolgten Spaltung der Vorarlberger „Grünen“ insbesondere jene mit ausgeprägter Affi nität zu den Christlichsozialen dem neuformierten „Landesbauernbund für Vorarlberg“ angeschlossen haben. Hierdurch erfuhr der „neue“ Landbund ein stärker deutschnationales Gepräge. Nicht außer Acht zu lassen ist ferner die fi nanziell angespannte Lage der Vorarlberger „Grünen“: Diese ver- anlasste sie Ende 1928, ihr Landessekretariat aufzulösen. Ihre organisatorischen Möglichkeiten erfuhren dadurch eine wesentliche Beschränkung. Das wiederum dürfte die Kooperationsbereit- schaft der Vorarlberger Landbündler befördert haben, bot dieser Weg doch die Aussicht, eigene

845 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 15 / ohne Signatur: Pressemitteilung der GDVP vom 11. Juli 1929 846 vgl. Harmat, Ulrike, „Ehe auf Widerruf?“, S. 335 847 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 15 / ohne Signatur: Pressemitteilung der GDVP vom 28. Jänner 1929 848 vgl. Harmat, Ulrike, „Ehe auf Widerruf?“, S. 338 849 Die Kompromisslösung sah vor, dass Ehedispensgesuche von einem Sektionschef behandelt wurden, in weiterer Folge aber weder vom Bundes- noch Vizekanzler, sondern vom großdeutschen Handelsminister zu unterzeichnen waren. Damit gelang es der GDVP, sowohl die Möglichkeit zur Dispenserteilung wiederherzu- stellen als auch die Kompetenz hierfür zurückzugewinnen. Zwei Mankos blieben aber: Die Bewilligung des Ehedispens blieb weiterhin von geeigneten Fürsprechern und Protektion abhängig sowie die Ehe aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen vom „Damoklesschwert“ der Anfechtung bedroht (vgl. Harmat, Ulrike, „Ehe auf Widerruf?“, S. 339 – 342). 850 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 6. Mai 1929, S. 2 851 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 40 / R I – 14: Verhandlungsschrift über die Sitzung des großdeutschen Partei- vorstandes am 22. März 1928 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 133 organisatorische Unzulänglichkeiten mit der Unter stützung anderer zu kompensieren. Insbesondere für Wahlgänge tat dies dringend Not. Diesem Konglomerat von Gründen, gepaart mit einer für Kleinparteien ungünstigen Wahlordnung 852, ist es zuzuschreiben, dass sich anlässlich der Gemeinderatswahlen am 3. Februar 1929 „grün“- „blaue“ Wahlgemeinschaften bis dahin ungekannter Zahl bildeten. Auf eine gemeinsame Kandida- tur einigten sich die beiden Parteien in Dornbirn, Höchst, Götzis und Schruns. Darüber hinaus traten Landbund und Großdeutsche auch in Bregenz, hier unter Einschluss der „Schulz-Nationalsozialis- ten“, und Hard – hier mit im Boot die Wirtschaftspartei – zusammen zur Wahl an853.

Nach dem Urnengang 1929 kommentierte der Vorarlberger Landbund seine Ergebnisse mit Zurück- haltung, sprach lediglich davon, dass die Gemeindewahlen keine „besondere(n) Ueberraschungen“ gebracht hätten. Zu den von ihnen in Wahlgemeinschaft erzielten Ergebnissen deuteten sie an, im Allgemeinen nicht restlos überzeugt zu sein854. In zwei Fällen – Dornbirn und Bregenz – überwogen aber offenkundig die positiven Aspekte: In Dornbirn gelang es der Opposition, die christlichsozia- le Mandatsmehrheit zu brechen855. Darin wollten die Landbündler einen „(...) erste(n) Schritt vom Diktat der Mehrheit zur Demokratie (...)“ sehen856. Zudem gingen die „Grünen“ selbst gestärkt aus dieser Wahl hervor. Sie, die beim Urnengang 1924 in Wahlgemeinschaft mit den Hausbesitzern zwei Mandate erzielt hatten857, stellten nunmehr drei Gemeindevertreter858. Ein für den Landbund positives Ergebnis stellte sich ferner in Bregenz ein. Zu verdanken hatte er jenes im Wesentlichen den schlechten Wahlaussichten der GDVP859, gepaart mit deren Willen, das seit Jahrzehnten von ihren Parteigängern bekleidete Amt des Bürgermeisters zu verteidigen. Um Letzteres abermals für sich zu gewinnen, strebten die „Blauen“ eine Wahlgemeinschaft mit Landbündlern und „Schulz-Nationalsozialisten“ an. Den Preis, den sie den beiden Gruppierungen

852 Mit der 3. Novelle LGBl. Nr. 45/1928 änderte sich vor allem das Verfahren bei der Einbringung der Wahl- vorschläge. Die Novelle brachte für die Parteien ein Anmeldeverfahren mit sich. Damit waren sowohl für die Anmeldung als auch den Wahlvorschlag Unterschriften beizubringen (vgl. Häusler, Elmar, Bemerkungen zur Entwicklung des Gemeindewahlrechts in Vorarlberg von 1864 bis 2008, S. 65). Der Landbund beklagte, dass sich infolge der Novelle die Zahl der für einen Wahlvorschlag benötigten Stimmen mehr als verdoppelt habe. Hierdurch würde es speziell kleineren Parteien sehr erschwert, in mittleren und kleineren Orten selbständig zu kandidieren (vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg, 15. Dezember 1928, S. 1). 853 vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 156 f 854 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg, 7. Februar 1929, S. 8 f 855 Die Gemeinderatswahlen 1924 hatten den „Schwarzen“ noch 19 der 36 Dornbirner Gemeinderatsmandate eingebracht. In der neugewählten Gemeindevertretung bestand dagegen eine Pattsituation. Den 18 Christlich- sozialen standen zehn „Rote“ und acht Gemeindevertreter der deutschnationalen Wahlgemeinschaft gegen- über (vgl. Bundschuh, Werner, Bestandsaufnahme: Heimat Dornbirn, S. 167 f). 856 Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg, 14. Februar 1929, S, 6 f 857 vgl. Vorarlbergische Statistik, S. 37 und 43 858 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg, 14. Februar 1929, S, 6 859 Insbesondere zwei Gründe ließen ein für sie schlechtes Ergebnis erwarten: Zum einen hatte ihr Spitzen- kandidat, Bürgermeister Kinz , nicht mehr die Zugkraft früherer Wahlgänge. Zum anderen ging ein Riss durch den Deutsche Volksverein Bregenz , der seine Schlagkraft für die Wahlauseinandersetzung schwächte. Dieser Spaltung lagen Querelen um die Kandidatenreihung für die Landtagswahl 1928, insbesondere jener von Franz Natter , zugrunde. Unter dem Druck von Landesparteiobmann Zumtobel – dem größten Gegner einer Wieder- kandidatur Natters – sprach sich eine knappe Mehrheit der Vertrauensmänner gegen dessen abermaliges Antreten aus. Ein früheres Votum zugunsten von Franz Natter war damit obsolet geworden. Diese Causa teilte die Bregenzer Ortsgruppe in zwei Lager (vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 161 f und 207). 134 | Deutschnationalismus in Vorarlberg für deren Einwilligung in die Wahlgemeinschaft zu zahlen bereit waren, war hoch860. Der Wahlaus- gang ließ offenkundig werden, dass die „Blauen“ mit dieser Kooperation ein für sie selbst „sehr schlechtes Geschäft“861 abgeschlossen hatten. Das Ziel, den Bürgermeister zu halten, wurde ver- fehlt. Zudem avancierten die Christlichsozialen mit 14 Sitzen zur stärksten Fraktion in der Bregen- zer Stadtvertretung. Die deutschnationale Wahlgemeinschaft erzielte zehn Mandate. Sechs davon fi elen den Großdeutschen – bis dahin mit 15 Personen in der Bregenzer Gemeindestube vertreten – zu, eines den „Schulz-Nationalsozialisten“. Als größter Nutznießer der im Vorfeld der Wahl aus- gehandelten Kandidatenreihung erwies sich der Landbund: Davor ohne Mandatar, zog er nun mit dreien in die Bregenzer Stadtvertretung ein.

6.2.7 DER „SCHOBERBLOCK“

Im Vorfeld der Nationalratswahl am 9. November 1930 wurde offenkundig, dass das Verhältnis zwischen der GDVP und dem Landbund weniger von Freundschaft als vielmehr von Konkurrenz ge- prägt war. Nach dem Sturz des Kabinetts Schober noch geeint im Wille, den Gang in die Opposition einer Regierungsbeteiligung unter einem Bundeskanzler Vaugoin vorzuziehen862, bestimmten als- bald taktische Überlegungen das Verhalten der beiden deutschnationalen Parteien. Der Landbund hatte hierfür die günstigere Position inne – er profi tierte von der Schwäche der GDVP und deren Wissen um die eigene missliche Lage. Schon bei Gesprächen im Sommer 1930 waren sich Vertreter aller großdeutschen Landesorganisationen darin einig, dass, sollte ihre Partei zur nächsten Wahl eine Solokandidatur wagen, sie ohne Grundmandat bleiben und damit den Wiedereinzug in den Nationalrat verfehlen würde. Aufgrund derart ernüchternder Aussichten wurde es erklärtes Ziel der „Blauen“, den nächsten Urnengang in einer Wahlgemeinschaft zu bestreiten863. Als ungünstig für die großdeutsche Verhandlungsposition erwies sich auch die Haltung Schober s: Zwar war dieser grundsätzlich bereit, die ihm angetragene Spitzenkandidatur der Wahlplattform anzunehmen. Dafür forderte er aber – quasi als Vorleistung – „(...) eine Vereinbarung zwischen den bürgerlichen Parteien der Mitte zur Schaffung eines gemeinsamen Blocks (...)“864 ein. Die davor in großdeutschen Kreisen vorherrschende Ansicht, Schober würde sich auch einer Wahlgemeinschaft ohne Einbindung des Landbundes als Galionsfi gur zur Verfügung stellen865, hatte sich damit als falsch erwiesen.

860 Beiden Parteien wurden – gemessen an den bisherigen Kräfteverhältnissen in Bregenz – überproportional viele Plätze auf der gemeinsamen Wahlwerberliste eingeräumt: Dem Landbund kamen auf der insgesamt 40 Personen umfassenden Kandidatenliste die Plätze 3, 6, 9, 13, 16, 21, 26, 33, 35 und 37 zu (vgl. Vorarlberger Tagblatt, 19. Jänner 1929, S. 3 und 22. Jänner 1929, S. 6). 861 Bilgeri, Benedikt, Bregenz, S. 567 862 Während sich die Großdeutschen sogleich mit Schober solidarisch erklärten und die Mitwirkung an der Regierung Vaugoin ablehnten, war der Landbund ob seiner weiteren Vorgehensweise vorerst unentschlossen. Letztlich folgte er den „Blauen“ auf ihrem Weg in die Opposition (vgl. Feldmann, Angela, Landbund für Öster- reich, S. 164). 863 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 41 / R I – 14 d: Verhandlungsschrift über die Sitzung der Länderkonferenz am 15. November 1930 864 Vorarlberger Tagblatt, 6. Oktober 1930, S. 1 865 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 41 / R I – 14 d: Verhandlungsschrift über die Sitzung der Länderkonferenz am 15. November 1930 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 135

Der Landbund hatte damit alle Trümpfe auf seiner Seite, die GDVP im Gegensatz dazu ohne „grüne“ Bereitschaft zur Kooperation weder Aussicht auf einen zugkräftigen Spitzenkandidaten noch den Wiedereinzug in den Nationalrat. Wie die Verhandlungen zeigen, waren die Landbündler durchaus gewillt, ihre vorteilhafte Position auszunutzen: Anfang Oktober 1930 gaben sie sich bezüglich Wahl- plattform ostentativ desinteressiert866. Die zwischen Zurückhaltung und Ablehnung changierende Positionierung bot dem Landbund die Aussicht, seinen Preis für den Eintritt in die Wahlgemein- schaft noch weiter in die Höhe zu treiben. Diesem „grünen“ Taktieren ist es mit zuzuschreiben, dass die Verhandlungen nicht den von großdeutscher Seite gewünschten Verlauf nahmen. Im Rückblick sah die GDVP ihren deutschnationalen Konkurrenten auch vor „außerordentlich hinterhältige(n)“ Verhandlungsmethoden nicht zurückschrecken867. Zu allem Überfl uss für die „Blauen“ erwiesen sich auch die Vertreter der Wirtschaft nicht als die erwünscht einfachen Gesprächspartner – die GDVP bemühte sich zwar um die Führungsrolle im Verhandlungspoker, musste sich aber letztlich einge- stehen, das Kommando an die Vertreter der Ökonomie verloren zu haben868. Die Kräfteverhältnisse der verschiedenen Gruppierungen spiegeln sich letztlich im Titel der neuen Wahlplattform wider: Nachdem die GDVP ihren Widerstand gegen den Namen notgedrungen auf- gegeben hatte869, buhlte der Zusammenschluss unter der Bezeichnung „Natio naler Wirtschaftsblock und Landbund“870 um die Gunst der Wähler. Damit fanden sowohl Wirtschaft als auch „Grüne“871 – obwohl nicht einmal mit sämtlichen Landesorganisationen im Wahlbündnis vertreten872 – im Titel explizit Erwähnung. Auch der herausragenden Bedeutung Schobers für den Zusammenschluss wur- de Rechnung getragen: Der Wahlkampf war in bis dahin nicht bekanntem Ausmaß auf seine Person

866 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg, 2. Oktober 1930, S. 5 867 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 41 / R I – 14 d: Verhandlungsschrift über die Sitzung der Länderkonferenz am 15. November 1930 868 vgl. ebenda 869 Der Landbund verlangte, dass sein Name im Titel der Wahlgemeinschaft aufscheinen müsse. Von groß- deutscher Seite war es insbesondere Otto Wagner , der dieser Forderung vehement entgegentrat. In der ent- scheidenden Sitzung stimmte letztlich eine Mehrheit der großdeutschen Parteispitze für die Bezeichnung „Na- tionaler Wirtschaftblock und Landbund“. Dies geschah unter dem Druck der Wirtschaft. Vor der Abstimmung kündigte sie an, sich bei deren negativem Ausgang von der Wahlgemeinschaft zurückzuziehen. Für diesen Fall ohne ausreichend Geld und mit keinerlei Aussicht, solches anderweitig zu lukrieren, konnte sich die GDVP kein anderes Abstimmungsergebnis erlauben (vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 41 / R I – 14 d: Verhandlungsschrift über die Sitzung der Länderkonferenz am 15. November 1930). 870 Populär geworden unter dem Namen „Schober-Block“, gehörten der Wahlgemeinschaft die GDVP, der Landbund und der Reichsverband der öffentlichen Angestellten an. Des Weiteren dort vertreten waren der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Unabhängige Arbeitspartei, der Ständebund, die Ude-Partei sowie eine Anzahl wirtschaftlicher Verbände und Berufsvereinigungen. Auf Bundesebene ebenfalls mit dabei war der Schulz-Flügel der NSDAP (vgl. Vorarlberger Tagblatt, 13. Oktober 1930, S. 2). 871 Von diesen war besonderer Wert darauf gelegt worden, mit eigener Parteibezeichnung in die Wahllisten aufgenommen zu werden. Organisatorische und wahltaktische Überlegungen waren die Gründe hierfür (vgl. Berch told, Klaus, Verfassungsgeschichte der Republik Österreich, S. 594). 872 Neben jener von Salzburg (vgl. Voithofer, Richard, Deutschnationale Parteien in der Ersten Republik, S. 314 f) gehörte auch die „grüne“ Landesorganisation Oberösterreichs nicht dem „Schoberblock“ an. Im Land ob der Enns war es im Vorfeld dieser Entscheidung zu schweren parteiinternen Auseinandersetzungen gekommen. Deren Protagonisten waren Felix Bichl und Franz Bachinger. Während sich Bichl für eine Beteiligung an der Wahlgemeinschaft einsetzte, präferierte Bachinger mit dem Alleingang den schließlich von der Partei tatsäch- lich eingeschlagenen Weg (vgl. Strobl, Hans Helge, Der Landbundpolitiker Franz Bachinger, S. 51). 136 | Deutschnationalismus in Vorarlberg zentriert873. Zudem führte die Wahlplattform den Untertitel „Führung: Dr. Johannes Schober“. Die GDVP blieb dagegen unerwähnt. Alleine diese Listenbezeichnung rief bei den „Blauen“ „grosse Verstimmung“ hervor. Des Weite- ren haderte ein Teil von ihnen mit der inhaltlichen Ausrichtung der Wahlgemeinschaft 874. Georg Dietrich , einen der wesentlichen Repräsentanten großdeutscher Politik in Vorarlberg, veranlasste dies zur Klage, „(...) dass uns aus unserem Wahlaufruf alle Dinge, auf die wir vom nationalen und kulturellen Standpunkt Wert legten, gestrichen worden sind.“875 Zudem sprach sich eine nicht unerhebliche Zahl großdeutscher Politiker gegen eine Zusammenarbeit mit dem Landbund aus. Niederösterreichs „blauer“ Landtagsklub verfasste gar eine Denkschrift gegen eine derartige Ko- operation876. Die Kritiker am Beitritt zum sogenannten „Schoberblock“ blieben allerdings in der Minderzahl, die Großdeutschen folglich Teil der Wahlplattform.

In Vorarlberg standen anfänglich die GDVP877 und der Landbund der Idee einer breitangelegten Wahlgemeinschaft distanziert gegenüber. Die „Grünen“ präsentierten sich – wohl verhandlungs- taktischer Überlegungen wegen – selbstbewusst. Früh erklärte deren parteieigene Presse die Solo- kandidatur zur besten Variante. Diese böte die Möglichkeit, ohne Beschränkung der Handlungsfrei- heit in die Wahl zu ziehen878. Trotz solcher Positionierung stellte eine vom Vorarlberger Landbund auf den 12. Oktober 1930 nach Feldkirch einberufene außerordentliche Landesdelegiertentagung die Weichen in Richtung Beteiligung an der Wahlgemeinschaft. Die Ausgangsposition für die Ver- handlungen zwischen „Blauen“ und „Grünen“ glich dabei jener von vor der Nationalratswahl 1923: Wie damals beanspruchten auch sieben Jahre später sowohl Großdeutsche als auch Landbündler die Spitzenposition auf der gemeinsamen Wahlwerberliste für sich. Die „Blauen“ argumentierten damit, als Vertreter der Intelligenz und der Städte den Vorrang in dieser Angelegenheit zu besitzen. Der Landbund wiederum leitete den Anspruch auf die Listenführung von seiner – angeblich – im Vergleich zur GDVP größeren Wählerschaft ab. Auf dieser Forderung soll er „bockbeinig“ beharrt haben879.

Obwohl mit Blick auf das Jahr 1923 Skepsis am Erfolg der Bemühungen um eine gemeinsame Kandidatur angebracht war, nahmen die Gespräche einen produktiven Verlauf. Nach sieben Ver- handlungsrunden880 stand die Einigung – damit war der „Schoberblock“ auch in Vorarlberg Realität. Was den Großdeutschen sieben Jahre davor noch unannehmbar gewesen war, hatten sie nunmehr

873 vgl. Denscher, Bernhard, Wahlkämpfe in der ersten Republik, S. 292 874 Am kaum thematisierten Anschluss an das Deutsche Reich stießen sie sich ebenso wie an der untergeord- neten Rolle, die dem Antisemitismus im Wahlkampf zukam. Nicht nach dem Geschmack der Großdeutschen war ferner die sich im Wahlprogramm deutlich widerspiegelnde Handschrift der Wirtschaft (vgl. Vogel, Bernd, Die „Blauen“ der Zwischenkriegszeit, S. 267 f). 875 ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 41 / R I – 14 d: Verhandlungsschrift über die Sitzung der Länderkonferenz am 15. November 1930 876 vgl. Ackerl, Isabella, Die Groszdeutsche Volkspartei 1920 – 1934, S. 262 877 Zu den großdeutschen Vorbehalten einem solchen Unterfangen gegenüber vgl. Vogel, Bernd, Die „Blauen“ der Zwischenkriegszeit, S. 259 878 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg, 9. Oktober 1930, S. 2 879 vgl. Vorarlberger Volksblatt, 15. November 1930, S. 9 880 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 30. März 1931, S. 1 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 137 akzeptiert: einen Vertreter des Landbundes als de facto Spitzenkandi daten881 der gemeinsamen Liste. Dabei handelte es sich um Adolf Peter , Landesparteiobmann der Vorarlberger „Grünen“. Die Großdeutschen dürften vor allem zwei Gründe zu dieser Kulanz bewogen haben. Zum einen werden die am Zustandekommen der Wahlplattform interessierten Wirtschaftskreise den „Ländle“- Großdeutschen Nachgiebigkeit im Hinblick auf die Spitzenkandidatur nahe gelegt haben. Die Groß- deutschen, da auf fi nanzielle Unterstützung von Seiten der Wirtschaft angewiesen, konnten sich diesem Ansinnen kaum entziehen. Zum anderen wird der von der GDVP erwartete Wahlausgang ihr den Verzicht auf die Spitzenposition erleichtert haben: Spätere Aussagen großdeutscher Spit- zenrepräsentanten lassen darauf schließen, dass sie der Wahlplattform den Gewinn eines Direkt- mandats in Vorarlberg kaum zugetraut hatten882. Mit der Spitzenkandidatur war somit ein gewisses Renommee verbunden, nicht aber die Hoffnung, ins Haus am Ring gewählt zu werden. Die dritte Stelle auf der Reststimmenliste des westlichen Wahlkreisverbandes, die den „Blauen“ für ihren Verzicht auf die Spitzenkandidatur angeboten worden war, bot – sofern sich ihre Wahlprognose bewahrheiten würde – ungleich bessere Aussichten auf einen Einzug in den Nationalrat. Neben Vorarlbergs Großdeutschen trugen auch die „Grünen“ zur Übereinkunft bei. 1923 noch ohne wirkliches Interesse an einer Wahlgemeinschaft, ist ihnen ein solches im Vorfeld der Nationalrats- wahl 1930 nicht abzusprechen. Der wesentliche Grund für diesen Einstellungswechsel: der deutlich veränderte Zustand der Partei. Im Vorfeld der Nationalrats- und Land tagswahlen 1923 hatte es sich bei den Vorarlberger „Grünen“ um eine prosperierende Organi sation gehandelt. Deren Selbst- vertrauen war dementsprechend, ein Soloantritt bei einer Wahl damit eine Herausforderung, der sie sich gewachsen fühlten. 1930 waren die Vorzeichen völlig andere. Der kurzzeitige Elan nach der Neugründung des Vorarlberger Landbundes, der im Erfolg bei der Landtagswahl 1928 seinen sichtbarsten Ausdruck gefunden hatte, war längst verfl ogen, ihr Landessekretariat aufgelöst. Das Hilfskonstrukt, seine Geschäfte vom Landes parteiobmann fortführen zu lassen, erwies sich als un- zureichend. Eine organisatorische Mammutaufgabe wie ein Nationalratswahlkampf war von Vorarlbergs Land- bündlern damit alleine kaum zu stemmen. Organisatorische Hilfe von außen tat Not. Die logische Konsequenz: deren Beitritt zum „Schoberblock“. Eine solche Vereinigung war dabei sowohl für Großdeutsche als auch Landbündler so gut wie alternativlos. Helmut Lanzl , seines Zeichens Ge- schäftführer der großdeutschen Ortsgruppe von Bregenz, führte dazu aus, dass die von den beiden Landesorganisationen unterhaltene Beziehung mehr von der Einsicht in die Notwendigkeit als ei- nem Gefühl der Zusammengehörigkeit geprägt war. Und weiter: „Die beiden Parteien sind in kei- nem schlechten Verhältnis zu einander, schon darum nicht, weil sie sich bei Wahlen brauchen.“883

Der Beitritt zum „Schoberblock“ machte sich letztlich insbesondere für die Vorarlberger Land- bündler bezahlt. Die erwartete Kompensation eigener organisatorischer Unzulänglich keiten trat ein. Egal ob auf Bundes884- oder Landesebene: Die GDVP verrichtete das Gros der im Wahlkampf anfallenden Organisationsarbeit. In Vorarlberg war es die Geschäftsstelle des „Deutschen Volks- vereins Bregenz“, die sich in dieser Hinsicht besonders hervortat. Im Wahlkampf versandte sie

881 Die Kandidatenliste der Wahlgemeinschaft wurde in Vorarlberg – gleich wie in allen anderen 24 Wahlkrei- sen – von Schober angeführt. Dieser Kandidatur kam allerdings nur symbolische Bedeutung zu. Mit ihr sollte die Zugkraft der Liste „Nationaler Wirtschaftsblock und Landbund“ gesteigert werden. 882 vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 372 f 883 ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Bericht aus Vorarlberg vom 16. Dezember 1930 von Lanzl 884 vgl. Vogel, Bernd, Die „Blauen“ der Zwischenkriegszeit, S. 262 138 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Abb. 10: Wahlwerbung des Landbundes zur Nationalratswahl 1930 (Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg, 6. November 1930, S. 1) 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 139

28.300 Schreiben per Post. Weitere 7.000 wurden durch Austräger unter das Wahlvolk gebracht. Zudem bewältigte sie in der Vorwahlzeit 800 Telefongespräche885. Derart gelang es, einen sehr gut organisierten und von drei Auftritten Schobers886 gekrönten Wahlkampf auf die Beine zu stellen. Den fi nanziellen Aufwand, den die GDVP hierfür betrieb, war allerdings groß, gar zu groß. Schulden waren die Folge. Noch über ein Jahr nach der Wahl hatte Vorarlbergs großdeutsche Landesorga- nisation zu konstatieren, derentwegen dringend notwendige Arbeiten nach wie vor in nur stark eingeschränkter Form verrichten zu können887.

Der Erfolg blieb nicht aus – in Vorarlberg kam der „Nationale Wirtschaftsblock und Landbund“ auf 20,94 %. Damit erzielte er eines der vier im „Ländle“ zur Vergabe gelangten Direktmandate888. Große Nutznießer dieses Wahlausgangs waren die Vorarlberger Landbündler: Mit Adolf Peter zog erstmals einer der ihren in den Nationalrat ein. Die „grüne“ Reaktion auf das Abschneiden fi el dementsprechend positiv aus889. Der Vorarlberger Landbund war sich bewusst, den Erfolg zu einem Gutteil den „Blauen“ zu verdanken. Noch ein knappes Vierteljahr nach dem Urnengang wies Natio- nalratsabgeordneter Peter ausdrücklich auf die „große Schützenhilfe“ hin, welche die GDVP und ihr Presseorgan den „Grünen“ anlässlich der Nationalratswahl zuteil werden hatten lassen890. Wie eine Analyse des Wahlergebnisses zeigt, hatte dem Vorarlberger Landbund nicht nur das großdeutsche Engagement im Vorfeld der Wahl zum Gewinn des Nationalratsmandats verholfen. Darüber hinaus dürfte es insbesondere der große Zuspruch von Stimmbürgern mit Affi nität zur Wirtschaft und der GDVP gewesen sein, der dem „Schoberblock“ das Direktmandat bescherte. Seine überproportionalen Zugewinne in Vorarlbergs Ballungszentren las sen darauf schließen891. Vorarlbergs christlichsoziales Parteiblatt stellte hierzu fest, Peter sei „(...) mit den Stimmen der Städte, mit den Stimmen der Unternehmer, der Gewerbetreibenden, kurz und gut, mit den Stimmen von nichtbäuerlichen Kreisen“892, in den Nationalrat gewählt worden.

Der Gewinn des Direktmandats ließ alle von Vorarlbergs „Blauen“ im Vorfeld der Wahl angestell- ten Überlegungen Makulatur werden. Aufgrund des Grundmandats kamen dem „Nationalen Wirt- schaftsblock und Landbund“ für das zweite Ermittlungsverfahren nur 726 Stimmen aus Vorarlberg

885 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 14. März 1931, S. 5 886 Die deutschnationale Galionsfi gur trat im Feldkircher „Saalbau“, in der „Mohrenhalle“ in Dornbirn sowie im „Deutschen Haus“ in Bregenz als Redner auf (vgl. Vorarlberger Tagblatt, 8. November 1930, S. 1 f). 887 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 38 / R I – 12: Bericht der Landesparteileitungen, in: Tätigkeitsbericht. 12. Or- dentlicher Reichsparteitag der Großdeutschen Volkspartei in Wien, 4. bis 6. Dezember 1931, S. 12 888 Die weiteren Direktmandate gingen an die CSP – beim Verlust eines Grundmandats kam sie nunmehr auf deren zwei – sowie die Sozialdemokraten. Letzteren gelang trotz Stimmenverlusten der Wiedergewinn eines Direktmandats. 889 Von der landbündlerischen Presse wurde das Abschneiden des „Schoberblocks“ in Vorarlberg als „beson- ders erfreulich“ eingestuft. Die bundesweit 19 vom „Nationalen Wirtschaftsblock und Landbund“ erzielten Mandate wertete sie als guten und erfreulichen Erfolg (vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg, 13. November 1930, S. 1). 890 vgl. Landpost, 24. Jänner 1931, S. 4 891 In den Ballungszentren – Vorarlbergs Städten und Marktgemeinden – kam der „Schoberblock“ auf 24,88 %. Bei der Landtagswahl 1928 hatten sich Großdeutsche und Landbündler, damals getrennt angetreten, dort mit 20,59 % zu begnügen gehabt. Auf keine vergleichbaren Gewinne brachte es der „Nationale Wirtschaftsblock und Landbund“ dagegen im übrigen Vorarlberg. Die 16,34 % von 1928 wurden vom „Schoberblock“ mit 16,90 % nur geringfügig übertroffen (vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 374). 892 Vorarlberger Volksblatt, 15. November 1930, S. 9 140 | Deutschnationalismus in Vorarlberg zu. Die Konsequenz hieraus: nur zwei Reststimmenmandate für den „Schoberblock“ im westlichen Wahlkreisverband893. Für den Vorarlberger Großdeutschen Bruno Karrer – den Drittgereihten auf der Reststimmenliste – reichte es folglich nicht zum Einzug in den Nationalrat. Die Erwartung der GDVP Vorarlberg, sieben Jahre nach Karl Bösch894 abermals einen der ihren ins Haus am Ring ent- senden zu können, hatte sich damit zerschlagen. Unter den Vorarlberger Großdeutschen machte sich darob Ernüchterung breit895. Sie, die über Jahre eine Zusammenarbeit mit dem Landbund angestrebt hatten, mußten erkennen, nun, da es geklappt hatte, zwar großen Arbeitsaufwand betrieben und bedeutende Geldmittel investiert zu haben, hierfür aber nicht entlohnt worden zu sein. Profi teur des großdeutschen Engagements war der deutschnationale Konkurrent und dessen führender Repräsentant Adolf Peter Neo-National- ratsabgeordneter.

6.2.8 EIN UMSTRITTENER PARLAMENTSKLUB

Auch nach der Wahl 1930 blieb die Zusammenarbeit mit dem Landbund respektive die Positio- nierung gegenüber dem „Nationalen Wirtschaftsblock“ bei der GDVP ein kontrovers diskutiertes Thema. Die Geister schieden sich insbesondere an der Frage nach der für die Großdeutschen güns- tigsten Form parlamentarischer Vertretung. Die Debatte wurde heftig geführt. Zurückzuführen ist das auf den schlechten Zustand der Partei zu Beginn der 1930er Jahre: Vom guten Abschneiden des „Schoberblocks“ hieß es sich nicht blenden zu lassen. Den Versuch, die für den Wahlerfolg verantwortlichen „Mitläufer“ zu organisierten Anhängern der GDVP zu machen, hielten die Groß- deutschen selbst für zum Scheitern verurteil. Daneben waren die „Blauen“ seit Jahren mit rückläu- fi gen Mitgliederzahlen konfrontiert. Parteiintern waren Stimmen zu vernehmen, die von einer nur mehr „verschwindend geringe(n)“ Zahl großdeutscher Anhänger sprachen. Die Frage nach einer Nachfolgeorganisation für die GDVP wurde bereits gestellt896. Trotz derart prekärer Situation trat offenkundig die Mehrheit für Maßnahmen zum Erhalt der GDVP ein. Vielen Großdeutschen schien eine stärker betonte Selbständigkeit der Partei der einzig geeignete Weg hierfür. Das kam einer Strategie-Abkehr gleich, hatten sie doch bis dahin über ein Jahrzehnt auf eine möglichst enge Kooperation mit den anderen deutschnationalen Gruppierungen hingearbeitet. Dieser Wille zu mehr Selbständigkeit manifestierte sich erstmals deutlich in der Länder konferenz der GDVP am 15. November 1930: Die dortige Diskussion kreiste um die Frage nach der für die Par- tei vorteilhaftesten Vertretung auf parlamentarischer Ebene. Mit dem langjährigen Bundespartei- obmann Wotawa stand ein politisches Schwergewicht innerhalb der GDVP einem Nationalratsklub unter der Bezeichnung „Nationaler Wirtschaftsblock“ aufgeschlossen gegenüber. Beim Gros der „blauen“ Ländervertreter stieß diese Variante allerdings auf Ablehnung. Dietrich , neben Landespar- teiobmann Wehner Vorarlbergs zweiter Vertreter auf der großdeutschen Länderkonferenz, forderte die Partei zur Gründung eines eigenen Parlamentsklubs auf. Seiner Ansicht nach war es nur billig,

893 Hätte Vorarlbergs deutschnationale Wahlgemeinschaft das Direktmandat verfehlt, sie zwischen knapp über 10.400 und 15.502 Stimmen erreicht, wären dem „Schoberblock“ im westlichen Wahlkreisverband drei Rest- stimmenmandate zugefallen. 894 Bösch gehörte dem Nationalrat vom 10. November 1920 bis 20. November 1923 an. 895 vgl. Vorarlberger Volksblatt, 15. November 1930, S. 10 896 Einige Großdeutsche glaubten diese in den nationalen Heimwehren sehen zu können, andere plädierten für eine Neuorganisation der Partei unter Führung Schobers . 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 141 wenn die „Blauen“ damit für sich das gleiche Recht wie der Landbund in Anspruch nähmen. Für den Fall des Verzichts auf eine eigene Fraktion prophezeite er der GDVP ihr nahes Ende897. Schober – mit der in der großdeutschen Länderkonferenz vorherrschenden Stimmungslage konfrontiert – machte sogleich klar, die Forderung nach einem namentlich „großdeutschen Klub“ für verfehlt zu erachten. Seiner Einschätzung zufolge würden sich jene Wirtschaftskreise, die sich in der Wahlgemeinschaft engagiert hatten, nicht mit einer „Hospitantenrolle“ im großdeutschen Klub abfi nden. Für den Fall, dass sich die „Blauen“ trotz seines Einspruchs für einen eigenen Klub entscheiden würden, drohte Schober mit Rückzug. Mit der von ihm vorgeschlagenen Variante orientierte sich der Altkanzler an der von den „Schoberblock“-Gruppen im Vorfeld der Wahl unterfertigten Verpfl ichtungserklä- rung898 – er wollte zwei Parlamentsklubs. Neben jenem des Landbundes sollte sich seiner Auffas- sung zufolge ein zweiter, in der Hauptsache aus Vertretern der GDVP gebildeter Klub konstituieren. Letzterer sollte zwar nicht deren Namen führen, aber die großdeutsche Tradition pfl egen. Darüber hinaus trat Schober für eine Arbeitsgemeinschaft der beiden Parlamentsklubs ein, nach außen repräsentiert durch ihn selbst sowie die beiden Klubobmänner.899 Keine drei Wochen später – es war der 5. Dezember 1930, der Tag des ersten Zusammentretens des neugewählten Nationalrates – zeigte sich die von Schobers Rückzugsdrohung ausgehende Wir- kung: Die Großdeutschen waren den Vorstellungen des Altkanzlers ohne Abstriche gefolgt. Ihre Mandatare bildeten zusammen mit Schober und dem Abgeordneten Josef Vinzl den Parlamentsklub „Nationaler Wirtschaftsblock“. Nebst diesem bestand der „grüne“ Parlamentsklub. Eines seiner zehn Mitglieder: der Obmann des Vorarlberger Landbundes, Adolf Peter . Die lockere Arbeitsge- meinschaft zwischen den beiden sollte sich in der Folge nicht friktionsfrei entwickeln. Stattdes- sen prägten innere Spannungen das parlamentarische Verhältnis zwischen dem Landbund und der GDVP900.

Damit blieb es den Großdeutschen verwehrt, ihrem erklärten Ziel, die Partei der Öffentlichkeit in verstärktem Maße als eigenständige politische Kraft zu präsentieren, auf dem Weg „Eigener Par- lamentsklub“ näher zu kommen. Knapp vier Monate später manifestierte sich diese Absicht in anderer Form. Am 25. April 1931 konstituierte sich der „Gesamtklub der großdeutschen Abgeord- neten“ – diesem gehörten unter dem Vorsitz von Ernst Hampel sämtliche großdeutsche Mandatare des National- und Bundesrates sowie der Landtage an.901

897 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 41 / R I – 14 d: Verhandlungsschrift über die Sitzung der Länderkonferenz am 15. November 1930 898 Im vierten Punkt dieser Verpfl ichtungserklärung war die parlamentarische Vertretung geregelt: Die gewähl- ten Kandidaten der „Grünen“ hatten sich demzufolge dem Klub des Landbundes anzuschließen, die Übri- gen einem Klub des „Nationalen Wirtschaftsblocks“ (vgl. Verpfl ichtungserklärung der zu dem „Nationalen Wirtschaftsblock und Landbund, Führung: Dr. Schober“ zusammengeschlossenen Gruppen, Wien, 15. Oktober 1930 (Verwaltungsarchiv), zit. nach: Feldmann, Angela, Landbund für Österreich, S. 164 f). 899 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 41 / R I – 14 d: Verhandlungsschrift über die Sitzung der Länderkonferenz am 15. November 1930 900 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 341 901 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 38 / R I – 12: Bericht des Parteivorstandes, in: Tätigkeitsbericht, 12. Ordentlicher Reichsparteitag der Großdeutschen Volkspartei in Wien, 4. bis 6. Dezember 1931, S. 7 und 9 142 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

6.2.9 KLIMAVERÄNDERUNGEN

Der großdeutsche Wille zu einer kantigeren und pointierter vorgebrachten Politik bestand in der Folge ungemindert fort. In deren Kreisen wurden Stimmen laut, welche die von der Partei betriebe- ne Politik für antiquiert und eine Revision folglich für notwendig erachteten. Die Befürchtung, die GDVP könnte – ausgelöst durch das Engagement wirtschaftlicher Kreise im „Schoberblock“ – in li- berales Fahrwasser geraten, verstärkte den Ruf nach einer Neupositionierung weiter. Zudem wurde die mit der Wirtschaftskrise einhergehende Radikalisierung als Argument für eine Neuausrichtung der Partei verwandt. Namentlich Dr. Kraut mann forderte die Partei zu einem „(...) radikalen, natio- nalen, antisemitischen Kurs (...)“902 auf. Auch die eigene Regierungsbeteiligung blieb nicht unhinterfragt: Obwohl der GDVP als Juniorpart- ner der CSP über die Jahre hinweg ein „überproportionales“ Maß an Einfl uss und Ministerposten zugekommen war, lockte der Austritt aus der Regierung. Dieser bot die Aussicht, sich der „unpo- pulären“ Last der Mitverantwortung zu entledigen903. Auch die Perspektive, sich nach dem Gang in die Opposition, da frei von Koalitionszwängen, prononcierter artikulieren zu können, machte den Regierungsaustritt zu einer reizvollen Option. Vor diesem Hinter grund konnte es kaum ausbleiben, dass sich das Klima zwischen den Koalitionspartnern GDVP und CSP im Laufe des Jahres 1931 merklich abkühlte. Die Christlichsozialen trugen mit dazu bei. In Reaktion auf das Erstarken der NSDAP im Deutschen Reich hatten die anschlussfeindlichen Kräfte in der CSP an Einfl uss gewon- nen. Der von Außenminister Schober und seinem deutschen Amtskollegen Curtius über Monate im Stillen geplante, im März 1931 der Öffentlichkeit präsentierte, letztlich aber verworfene Plan einer deutsch-österreichischen Zollunion, ließ diese in die Offensive gehen. Die Zollunionspolitik Scho- bers und der „Blauen“ wurde deren bevorzugtes Angriffsziel – ihr gaben sie die Schuld an der ka- tastrophalen Verschlechterung der Wirtschaftslage904. Den Großdeutschen war der Zollunionsplan dagegen „(...) eine nationale Tat von historischer Bedeutung (...)“905. Dessen Scheitern werteten sie als „nationales Unglück“906.

Eine weitere Störung erfuhr die koalitionäre Atmosphäre infolge des CA-Zusammenbruchs im Mai 1931. Dass Sparmaßnahmen hierauf erforderlich sein würden, stand außer Streit, nicht aber, wie diese aussehen sollten: Der christlichsoziale Vorschlag, den öffentlich Angestellten die Bezüge zu kürzen, stieß auf Kritik seitens der GDVP. Am 22. Mai 1931 lehnte deren Bundesparteileitung die dahin gehenden Pläne wegen ihrer Ansicht nach übermäßiger Belastungen für die Beamtenschaft – und damit ihrer eigenen Klientel – ab. Trotz „blauer“ Ablehnung nahm der Ministerrat – in Abwe- senheit des erkrankten großdeutschen Ministers Dr. Schürff – die Vorlage an. Im Weiteren brachte die Regierung das Gesetz im Parlament ein. Am darauf folgenden Tag, dem 29. Mai 1931, trat Schürff zurück907. Nach dem Rücktritt des großdeutschen Ministers hielt sich die Regierung noch etwas über zwei Wochen. Letztlich war es der bei den „Grünen“ parteiintern heftig umstrittene

902 ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 41 / R I – 14 d: Verhandlungsschrift über die Sitzung der Länderkonferenz am 15. November 1930 903 vgl. Dachs, Herbert, Das Parteiensystem, S. 156 f 904 vgl. Wandruszka, Adam, Das nationale Lager, S. 304 905 ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 38 / R I – 12: Bericht des Parteivorstandes, in: Tätigkeitsbericht, 12. Ordentlicher Reichsparteitag der Großdeutschen Volkspartei in Wien, 4. bis 6. Dezember 1931, S. 20 906 vgl. ebenda 907 vgl. ebenda, S. 11 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 143

Rücktritt „ihres“ Ministers Winkler908 , an den sich die Demission des Kabinetts Ender anschloss909. Dennoch wurden die „Blauen“ zum Ziel von Angriffen, mit Klientelpolitik den Sturz der Regierung verschuldet zu haben910. Die Großdeutschen warben um Verständnis für ihre Entscheidung, indem sie das Gehaltskürzungsgesetz nur als letzten Anstoß für ihren Austritt aus der Regierung darstell- ten911. Trotz derartigen Bemühens blieb die Optik für die Großdeutschen unvorteilhaft.

Die Koalition war damit fürs Erste in die Brüche gegangen. Gleichzeitig stand es auch um das Verhältnis GDVP – Landbund nicht zum Besten. Das Unbehagen, welches der Landbund mit seiner Verhandlungsstrategie anlässlich der Bildung des „Schoberblocks“ bei den Großdeutschen aus- gelöst hatte, bestand fort. Die Zusammenarbeit mit dem Landbund wurde kritisch beurteilt, dem „Schoberblock“ mangelnde Geschlossenheit konstatiert. Laut dem „GDVP-Schwergewicht“ Foppa hatte seine Partei alsbald wahrzunehmen, dass der Landbund seine eigenen Wege ging. Dabei soll er den „Blauen“ mehrfach beinahe in den Rücken gefallen sein. Insbesondere die Regierungsbil- dung nach der Wahl 1930 sahen die Großdeutschen durch die Haltung des Landbundes „außeror- dentlich erschwert“. Die „Blauen“ warfen ihrem politischen Konkurrenten in diesem Zusammen- hang vor, sich einzig des Erhaltes der eigenen Ministerposten wegen übermäßig konzessionsbereit gezeigt zu haben. Diesem Umstand schrieb es die GDVP zu, ihr Ziel, „(..) alle Schlacken (Strafella und Vaugoin , Anm. d. Verf.), die aus dem Wahlkabinett noch übrig waren, zu entfernen (...)“912, nicht erreicht zu haben. Daneben ließ eine Beobachtung der Vorarlberger Großdeutschen ihr Verhältnis zum Landbund ab- kühlen: Demnach soll – ihr Landtagsabgeordneter Zumtobel sprach im März 1931 davon – ein großer Teil vormals „blauer“ Handels- und Gewerbetreibender seit geraumer Zeit dem Landbund nachgelaufen sein913. Da Angehörige dieser Berufsgruppen bei der GDVP stark vertreten waren914, musste diese Abwanderungstendenz die „Blauen“ äußerst beunruhigen. Dadurch war der Land- bund für die Großdeutschen vollends zur Konkurrenz und ernsthaften Bedrohung für deren ohnedies gefährdete Existenz geworden.

6.2.10 DAS ENDE EINER ÄRA

Nachdem Seipel sowohl mit seinem Projekt einer sozialistischen Regierungsbeteiligung als auch dem Anlauf in Richtung Neuaufl age der bürgerlichen Koalition gescheitert war, fasste Bundes-

908 Winkler zog sich den Zorn eines Teils seiner Partei zu, da er es vor seinem Rücktritt unterlassen hatte, die „grüne“ Parteileitung von diesem Schritt zu unterrichten (vgl. Feldmann, Angela, Landbund für Österreich, S. 169). 909 vgl. Wandruszka, Adam, Der „Landbund für Österreich“, S. 598 910 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Brief vom 24. Juni 1931 von Zumtobel an die großdeutsche Reichs- parteileitung 911 An weiteren Gründen für diesen Entscheid nannten die Großdeutschen die Wahl Vaugoins zum Obmann der CSP. So soll der unter seiner Führung von den Christlichsozialen eingeschlagene „scharfe, parteiegoistisch abgestellte Kurs“ die Zusammenarbeit der Mehrheitsparteien auf das „schwerste gefährdet“ haben. Zudem stuften sie den Umgang der „Schwarzen“ mit der Personalie „Strafella“ als kontraproduktiv für den Erhalt des Vertrauens zwischen den Parteien ein (vgl. Vorarlberger Tagblatt, 6. Juni 1931, S. 2). 912 ebenda, 31. März 1931, S. 1 913 vgl. ebenda, 30. März 1931, S. 3 914 vgl. Vogel, Bernd, Die „Blauen“ der Zwischenkriegszeit, S. 89 f 144 | Deutschnationalismus in Vorarlberg präsident Miklas die Bildung eines Beamtenkabinetts ins Auge. Über die Initiative des Landbun- des schaltete sich schließlich der christlichsoziale Landeshauptmann von Niederösterreich, , in die Regierungsverhandlungen ein – wenig später war er mit der Regierungsbildung betraut915. Buresch gelang es, den Konfl ikt, der sich an der Kürzung der Beamtengehälter entzündet hatte, mühsam zu überbrücken916. Damit kam nochmals eine Koalitionsregierung der bürgerlichen Parteien zustande. Die Spannungen zwischen den langjährigen Koalitionspartnern CSP und GDVP nahmen allerdings weiter zu. Der großdeutsche Parlamentarier Straffner machte den Christlichso- zialen den Vorwurf, mit ihrer Koalitionspolitik der „freiheitlichen Mitte“ Schaden zuzufügen und zur „Zersplitterung des bürgerlichen Lagers“ beizutragen. Den Bundeskanzler beschuldigte er, sich nur mangelhaft zum „deutschen Kurs“ zu bekennen917. Im Dezember 1931 zeichnete sich ab, dass dieser Regierung keine lange Lebensdauer beschieden sein würde: Am 4. des Monats manifestierte sich der großdeutsche Wille zur Kurskorrektur im Wechsel an der Parteispitze. Schürff trat nach nur eineinhalb Jahren als Bundesparteiobmann zu- rück. Er galt als prononcierter Gegner einer Parteiradikalisierung. Sein Nachfolger wurde Hermann Foppa, Vertreter jenes Flügels innerhalb der GDVP, der für einen schärferen deutschnationalen Kurs eintrat. Seiner Meinung nach stellte die Regierungsbeteiligung für die Großdeutschen eine „äu- ßerste Belastung“ dar. Mit dieser Ansicht befand er sich im Einklang mit den Vorarlberger „Blau- en“ – deren Landesparteiobmann Wehner hatte bereits im November 1931 den Regierungsaustritt sowie eine scharfe Abgrenzung von den Christlichsozialen verlangt. Für den Fall, dass die Bundes- partei dieser Forderung nicht in „absehbarer Zeit“ nachkommen würde, hatte er mit der Abspaltung der „blauen“ Landesorganisation von der GDVP gedroht918.

Im Jänner 1932 – nur einen Monat nach Foppas Kür zum Bundesparteiobmann – sprachen die Großdeutschen beim Bundeskanzler vor. Ihre Forderung: die Zusicherung von Buresch, den deut- schen Kurs in der Außenpolitik beizubehalten. Die Antwort des Bundeskanzlers fi el nicht zu deren Zufriedenheit aus919, ja konnte dies gar nicht. Buresch waren aufgrund des Zusammenbruchs der CA und der infolgedessen dringend benötigten ausländischen Finanzhilfe die Hände gebunden. Er wusste, dass von Frankreich als „einzigem ernstzunehmendem Kreditgeber“920 nur im Fall eines Wechsels im Außenamt fi nanzielle Unterstützung zu erwarten sein würde. Konfrontiert mit der großdeutschen Forderung und bedrängt von der eigenen Partei, sich vom Druck des kleinen Koa- litionspartners zu befreien, entschloss sich Buresch zur Demission. Bei dieser Gelegenheit sollte Außenminister Schober 921, wenn schon nicht ausgebootet, so zumindest auf ein weniger zentrales Ressort abgeschoben werden. Die „Blauen“, die ohnedies schon seit Monaten mit einem Austritt aus der Koalition geliebäugelt hatten, ergriffen die Chance: Nach einem Jahrzehnt fast ununter-

915 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 235 916 vgl. Wandruszka, Adam, Das nationale Lager, S. 304 917 vgl. Kluge, Ulrich, Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit, S. 347 918 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 39 / R I – 13a: Verhandlungsschrift über die Sitzung der Reichsparteileitung am 14. November 1931 919 vgl. Goldinger, Walter, Der geschichtliche Ablauf der Ereignisse in Österreich von 1918 bis 1945, S. 187 920 vgl. Berchtold, Klaus, Verfassungsgeschichte der Republik Österreich, S. 627 921 Der Personalie Schober kam insofern besondere Bedeutung zu, als dessen Name zum Programm geworden war. Schober stand wie kein anderer für die Zurückweisung der französischen Versuche, in Österreich an Einfl uss zu gewinnen. Er galt als Garant einer Fortführung der deutschen Orientierung (vgl. Gulick, Charles A., Österreich von Habsburg zu Hitler , S. 374). 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 145 brochener Regierungsbeteiligung traten sie den Weg in die Opposition an922. Die Schuld an dieser Entwicklung trugen nach großdeutscher Lesart die „(...) in sich uneinigen, ihrem Regierungspartner gegenüber unehrlichen und unaufrichtigen (...)“923 Christlichsozialen.

6.2.11 EIN ABGEKÜHLTES VERHÄLTNIS

Die Entscheidung der Großdeutschen für den Gang in die Opposition war deren Verhältnis zum Land- bund weiter abträglich. Viereinhalb Jahre gemeinsame Regierungsarbeit fanden damit ein Ende. Im Gegensatz zur GDVP entschlossen sich die „Grünen“ für die weitere Teilhabe an der Macht. Dabei betonten sie, dass aus parteipolitischer Sicht der Gang in die Opposition zweckmäßiger und beque- mer gewesen wäre. Opferbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein hätten aber den Ausschlag zugunsten einer neuerlichen Regierungs beteiligung gegeben. Zentral sei dabei die Sorge um die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs gewesen924. Darüber hinaus gab der Landbund Anfang Feb- ruar 1932 zu bedenken, dass, wäre er nicht zur abermaligen Übernahme von Regierungsverantwor- tung bereit gewesen, Koalitionen unter Einbindung der Sozialdemokratie oder des Heimatblocks – dreieinhalb Monate später einer seiner Koalitionspartner – „gedroht“ hätten925. Die Christlichsozialen, nunmehr dessen einziger Koalitionspartner in einer Minderheitsregierung, wussten diese Bereitschaft des Landbundes zu honorieren: Seine personelle Präsenz innerhalb der Regierungsmannschaft verstärkte sich. Seitens des Landbundes gehörte wiederum Winkler dem Kabinett an. In der am 29. Jänner 1932 gebildeten Regierung Buresch II avancierte er zum Vize- kanzler, war zusätzlich mit dem Handelsressort des Außenamtes betraut. Neu zu Ministerehren kam Franz Bachinger . Der Obmann des oberösterreichischen Landbundes übernahm das bisher von seinem Parteikollegen verwaltete Innenressort mit den Sicherheitsagenden926. Auch der anschlie- ßenden ersten Regierung Dollfuß gehörten die beiden Landbündler in diesen Funktionen an927.

In der neuen Konstellation standen sich der Landbund und die GDVP nunmehr als Regierungs- bzw. Oppositionspartei gegenüber. Während den „Grünen“ weiterhin das Wohl des Staatsganzen Richt- schnur ihrer politischen Entscheidungen sein sollte, war die GDVP jetzt frei, ihre Politik auf den größtmöglichen Nutzen für die eigene Organisation hin auszurichten. Bei der Positionierung gegenüber der Lausanner Anleihe kam der unterschiedlichen Rollenvertei- lung wesentliche Bedeutung zu: Beim Landbund gab es bezüglich der Anleihe differierende An- sichten – heftige interne Diskussionen waren die Folge. Insbesondere die mit der Annahme des Lausanner Vertragswerkes verbundene Bedingung, der zufolge Österreich das im Genfer Protokoll festgeschriebene Anschlussverbot an Deutschland weitere 20 Jahre anerkennen sollte, stieß bei Teilen des Landbundes auf Widerstand. Andererseits mussten die „Grünen“ befürchten, mit einem „Nein“ zur Lausanner Anleihe eine Regierungskrise heraufzubeschwören. Womöglich hätte sogar ein Wahlgang – aufgrund des Erstarkens der Nationalsozialisten tunlichst zu vermeiden – gedroht.

922 vgl. Goldinger, Walter, Der geschichtliche Ablauf der Ereignisse in Österreich von 1918 bis 1945, S. 187 923 Vorarlberger Tagblatt, 20. Februar 1932, S. 6 924 vgl. Landpost, 13. Februar 1932, S. 3 925 vgl. ebenda, 6. Februar 1932, S. 1 926 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 237 927 vgl. Wandruszka, Adam, Das „nationale“ Lager, S. 306 146 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Von der Parteispitze wurden Querelen im eigenen Lager schließlich offenkundig als das geringere der beiden Übel gewertet. Der Landbund, welcher sich noch für seinen Eintritt in die Regierung Dollfuss eine vom Nationalgefühl getragene Außenpolitik, die jede mitteleuropäische Lösung ohne Einbeziehung Deutschlands ausschließt, ausbedungen hatte928, stimmte im Nationalrat für die neue Völkerbundanleihe. Damit trug er mit zu deren Annahme mit knapper Mehrheit – die Abstimmung endete mit 81 : 80 Stimmen zugunsten der Lausanner Anleihe – bei929. Die oppositionellen Großdeutschen, nicht wie der Landbund der Staatsräson unterworfen, gerierten sich indessen als vehemente Gegner dieses Vertragswerkes. Dessen Annahme galt ihnen aufgrund der damit zu erfüllenden Bedingungen als „nationaler Verrat“930. Daher lehnte die GDVP die Haltung des Landbundes zur Lausanner Anleihe dezidiert ab. Sie ließ wissen, das „Ja“ des Landbundes zur Völkerbundanleihe würde von ihr „aufs schärfste mißbilligt“931. In der Folge war der Landbund wegen dieser Angelegenheit mehrfach Angriffen der „Blauen“ ausgesetzt. Die Lausanner Anleihe veranlasste die GDVP ferner, einen Misstrauensantrag gegen die erste, von Dollfuß gebildete Regierung einzubringen. Am 3. August 1932 gelangte dieser zur Abstimmung, erhielt aber keine Mehrheit. Dem von großdeutscher Seite erhobenen Vorwurf, in der Annahme der Anleihe würde sich die kontinuierlich steigernde Affi nität der österreichischen Außenpolitik zu Frankreich widerspiegeln, trat der Landbund entschieden entgegen. Dabei betonte er, niemals den Weg der „Donauföderation“932 zu gehen. Sowohl nationale als auch wirtschaftliche Gründe würden ihn davon Abstand nehmen lassen933.

Am 15. Mai 1933 schloss sich die großdeutsche Bundespartei dem sogenannten „Kampfbündnis“ der NSDAP (Hitlerbewegung) mit dem steirischen Heimatschutz an. Dieser Schritt kam einer Selbst- aufgabe gleich. Die deutliche Entfremdung, die das Verhältnis zwischen „Grünen“ und „Blauen“ zu dieser Zeit prägte, fand in den nicht eben hämefreien Kommentaren Ersterer ihren Niederschlag: Der Einschätzung des Landbundes zufolge war die großdeutsche Parteiführung damit lediglich ihren vormaligen Wählern gefolgt. Für die – realiter nicht zu haltende – Feststellung der großdeutschen Parteispitze, wonach der Anschluss an das Bündnis unter „Wahrung der eigenen Selbständigkeit“ erfolgt sei, hätten die ehemaligen Anhänger der „Blauen“ bestenfalls ein mitleidiges Lächeln übrig, so die Ansicht der Landbündler. Daneben merkten sie allerdings auch an, dass die großdeutsche Selbstaufgabe vom innenpolitischen Standpunkt aus betrachtet „bedauerlich“ sei, da mit ihr eine Partei der Mitte wegfalle, die bei zielbewusster Führung zu Großem berufen gewesen wäre934.

928 vgl. Feldmann, Angela, Landbund für Österreich, S. 170 – 172 929 vgl. Gulick, Charles A., Österreich von Habsburg zu Hitler , S. 386 – 388 930 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 246 931 Vorarlberger Tagblatt, 10. November 1932, S. 1 932 Im Februar 1932 hatte Frankreichs Ministerpräsident Tardieu die Idee einer „Donauföderation“ ins Spiel ge- bracht. Nach seinen Vorstellungen, in die Geschichte eingegangen als „Tardieu-Plan“, sollten die Donaustaa- ten Österreich, Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien und Rumänien sich gegenseitig Vorzugszölle gewäh- ren. Zudem stellte dessen Plan diesen Ländern langfristige Anleihen von Seiten des Völkerbundes in Aussicht. Die Überlegungen Tardieus stießen alsbald auf Ablehnung. Im März 1932 erteilen Italien und Deutschland dessen Plan eine klare Absage (vgl. Verosta, Stephan, Die österreichische Außenpolitik 1918 – 1938 im euro- päischen Staatensystem 1914 – 1955, S. 130). 933 vgl. Landpost, 19. November 1932, S. 1 934 vgl. ebenda, 18. Mai 1933, S. 1 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 147

Im „Ländle“ war Tierarzt Moosbrugger auf dem Parteitag der GDVP Vorarlberg im März 1931 für eine engere Zusammenarbeit mit dem Landbund eingetreten. Dafür bedürfe es aber Geduld, da die Bauern, so Moosbrugger „(...) nur langsam und allmählich aufgeklärt und für die weiterschauenden Ziele der Großdeutschen Volkspartei gewonnen werden könnten.“935 Am 17. August 1932 erfuhr diese Zuversicht, wohl ohnehin nur von einem kleinen Teil Vorarlbergs „blauer“ Mitglieder geteilt, einen herben Dämpfer: Das an diesem Tag erfolgte „Ja“-Votum der landbündlerischen Parlamenta- rier – unter ihnen Adolf Peter – zur Lausanner Anleihe zeitigte auch in Vorarlberg Wirkung. Am 1. Oktober 1932, zwei Tage, nachdem der Vorarlberger Landtag seine vorzeitige Aufl ösung beschlossen hatte, trat die Landesparteileitung der GDVP für Vorarlberg zusammen. In dieser Sitzung – allgemein die Wahlvorbereitungen zum Thema – wurde die Frage erörtert, in welcher Konstellation die Landtagswahl in Angriff genommen werden sollte. Einer gemeinsamen Kandida- tur mit dem Landbund erteilten die „Blauen“ eine Absage. Die Ablehnung erfolgte einstimmig. In einem internen Schreiben nannte Ernst Vogel, Vorarlbergs großdeutscher Landesgeschäftsführer, den Grund für diese Entscheidung: die Haltung der „Grünen“ zur Lausanner Anleihe – diese hätte eine Wahlgemeinschaft mit ihnen „untragbar“ gemacht936. Die schlechte Erfahrung, die ihnen die gemeinsame Kandidatur mit dem Landbund bei der Bundeswahl 1930 eingetragen hätte937 – von den „Blauen“ während des Landtagswahlkampfes 1932 ebenfalls als Grund genannt, von einem weiteren Bündnis mit den „Grünen“ abzusehen938 –, dürfte bei dieser Entscheidung dagegen kaum Bedeutung zugekommen sein939.

Hatten die Großdeutschen eine Kooperation mit dem Landbund vor dem Urnengang noch kate- gorisch ausgeschlossen – danach taten sie solches nicht mehr. Zwar erklärten sie sich auch nach erfolgter Wahl mit den Landbündlern in „nationaler Hinsicht“ nicht „vollständig zufrieden“, kriti- sierten besonders deren Haltung zu Lausanne weiter scharf. Dies hielt sie aber nicht davon ab, nunmehr für eine Kooperation der drei deutschnationalen Parteien in Form einer gemeinsamen Landtagsfraktion einzutreten940. Für den Fall deren Zustandekommens sprachen die „Blauen“ vom Anspruch auf einen Sitz in der Landesregierung941 sowie die Vertretung in sämtlichen Ausschüs- sen. Zudem warben sie für ihre Idee mit dem Hinweis, dass dem allfälligen Klub aufgrund seiner

935 Vorarlberger Tagblatt, 30. März 1931, S. 3 936 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Brief vom 4. Oktober 1932 von Vogel an den Bundesgeschäftsführer der GDVP 937 Damit spielten die Großdeutschen wohl darauf an, dass sie es waren, die die Hauptlast der Wahlkampf- arbeit geschultert hatten, der Vorarlberger Landbund aber die Früchte dieser Anstrengungen in Form eines Direkt mandates für den Nationalrat erntete. 938 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 17. Oktober 1932, S. 1 939 Der Umstand, vom eigenen Engagement nicht selbst profi tiert zu haben, war für Vorarlbergs „Blaue“ un- zweifelhaft bitter. Dennoch sprach Alfred Wehner , großdeutscher Landesparteiobmann von Vorarlberg, nur knapp eineinhalb Monate nach der Nationalratswahl 1930 bereits von der Zusammenarbeit mit dem Landbund bei der nächsten Landtagswahl (vgl. Vorarlberger Tagblatt, 23. Dezember 1930, S. 1). 940 vgl. ebenda, 10. November 1932, S. 1 941 Einen Anspruch des von den „Blauen“ angestrebten Klubs auf einen Sitz in der Landesregierung hätte es – entgegen deren Behauptung – nicht gegeben. Die Umstellung der Wahl der Landesregierung vom Ver- hältnis- auf das Mehrheitswahlrecht erfolgte bereits 1923. Demzufolge konnten von den Christlichsozialen 1932 alle fünf Landesratsstellen besetzt werden. Lediglich aufgrund der von den Christlichsozialen in den vorangegangenen zwei Legislaturperioden gepfl egten Usance, der zweitstärksten Gruppierung auf freiwilliger Basis einen Sitz in der Landesregierung anzubieten, hätten die Deutschnationalen bei erfolgter Klubgründung auf einen solchen hof fen dürfen. 148 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Stärke von vier Abgeordneten das Recht zustünde, Initiativanträge einzubringen942. Obwohl derart schmackhaft gemacht, verhallte der Vorschlag bei den Umworbenen ohne positive Resonanz. Die „Braunen“ qualifi zierten das Angebot als eine „Art Anbiederung“, die selbst bei Teilen der GDVP „Ekel“ erregt habe943. In der Landbund-Presse fehlt es an Reaktionen auf diesen großdeutschen Vorstoß gänzlich. Der Klub kam folglich nicht zustande.

Ähnlich stellt sich die Situation im Hinblick auf die ein knappes halbes Jahr später erfolgte Selbst- aufgabe der GDVP in Form ihres Beitritts zum „Kampfbündnis“ dar: In diesem Fall blieben State- ments von Seiten des Landbundes zwar nicht gänzlich aus, stammten aber von „grünen“ Medien und Politikern jenseits des Arlbergs. Stellungnahmen Vorarlbergs „grüner“ Landesorganisation oder einzelner ihrer Vertreter zum Exodus der Großdeutschen, die deren Verhältnis zum – nunmehr gewesenen – Konkurrenten nochmals beleuchtet hätten, fehlen.

6.3 DIE „GRÜNEN“ UND DIE NSDAP

Der Landbund beschäftigte sich über weite Strecken der Ersten Republik hinweg kaum bis gar nicht mit den Nationalsozialisten – erst in den letzten Jahren sollte sich das gravierend ändern. Um dieses Verhalten besser einordnen zu können, erscheint es angezeigt, vorweg einen Abriss über die Entwicklung der NSDAP auf Bundesebene wie auch in Vorarlberg zu bieten.

6.3.1 DIE 1920ER JAHRE

6.3.1.1 Eine österreichische Kleinstpartei – Farbe „Braun“ Zu Beginn der Ersten Republik gelang es der NSDAP – deren Vorläufer war die am 15. November 1903 in der nordböhmischen Stadt Aussig an der Elbe gegründete Deutsche Arbeiterpartei944 – bei Urnengängen nicht zu reüssieren. Zur Wahl zur konstituierenden Nationalversammlung im Februar 1919 trat sie unter der Bezeichnung „Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei“945 in großen Teilen Niederösterreichs, Teilen von Wien und der Steiermark sowie den Bundesländern Salzburg und Kärnten , nicht aber in Vorarlberg, an. Ihre Ausbeute: 23.334 Stimmen. Dies entspricht 0,78 % der österreichweit gültig abgegebenen Stimmen946. Ein ähnliches Bild bot sich für die Nationalso- zialisten bei der Nationalratswahl im Oktober 1920. Ihr Votum belief sich auf 24.015 Stimmen oder 0,89 %947. In beiden Fällen blieben sie ohne Mandatsgewinn. Bis 1923 erfuhr die Partei einen deutlichen Aufschwung. Deren Kontakte zur im Jänner 1919 in München gegründeten NSDAP verstärkten sich. In dessen Folge kam es zu einer Angleichung des

942 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 11. November 1932, S. 1 943 vgl. Roter Adler, 9. April 1933, S. 1 944 vgl. Pauley, Bruce F. Der Weg in den Nationalsozialismus, S. 35 945 Auf ihrem letzten in der Monarchie abgehaltenen Parteitag im Mai 1918 fasste die Deutsche Arbeiterpartei den Beschluss, ihren Namen in Analogie zu ihrem tschechischen Gegenpart, den Volks- oder Nationalsozia- listen, in Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei zu ändern (vgl. Wandruszka, Adam, Das „nationale“ Lager, S. 309). 946 vgl. Die Wahlen für die konstituierende Nationalversammlung, S. 12 f 947 vgl. Statistik der Nationalratswahlen des Jahres 1920, S. 19 – 21 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 149

Parteinamens – nunmehr NSDAP – und des Programms948. Führende deutsche Nationalsozialisten, unter ihnen Adolf Hitler und der Gauleiter von Nürnberg , Julius Streicher , traten auf Veranstaltun- gen der österreichischen NS-Organisation auf. Zudem beförderten wirtschaftliche Krise, Infl ation und Sparmaßnahmen deren Entwicklung. Binnen eines Jahres, bis zum August 1923, hatte sich die Zahl der eingeschriebenen NS-Mitglieder auf 34.000 verdreifacht. Im gleichen Zeitraum verdoppel- te sich deren Ortsgruppenzahl auf österreichweit 118949. Damit einher gingen nationalsozialistische Wahlerfolge bei den Gemeinderatswahlen in Linz und Innsbruck sowie der Landtagswahl in Kärn- ten. 950 Dieser erste Höhenfl ug der Nationalsozialisten war beachtlich, fand 1923 aber ein Ende. Einen ersten Einschnitt stellten Streitigkeiten im Vorfeld der im Oktober 1923 stattfi ndenden Natio- nalratswahl dar: Die Auseinandersetzung entzündete sich an der Frage, ob die National sozialisten das ihnen vom „Verband der Großdeutschen und des Landbundes“ unterbreitete Angebot zur Wahl- gemeinschaft annehmen oder ausschlagen sollten. Eine Übereinkunft zwischen dem Verband und den Nationalsozialisten – in dieser waren die Modalitäten der Wahlgemeinschaft geregelt951 – kam zustande. Bei den Nationalsozialisten sollte die Entscheidung aber einem auf Mitte August 1923 nach Salzburg einberufenen Parteitag obliegen. Walter Riehl, zu Beginn dieses Treffens erneut zum Vorsitzenden der österreichischen Nationalsozialisten gewählt, war Verfechter eines Beitritts zur Wahlgemeinschaft. Alleine: die Mehrheit der Delegierten verweigerte ihm bei dieser Frage die Gefolgschaft952. Hierauf einem sogenannten „Führerausschuss“ zur endgültigen Entscheidung vorgelegt, zog Riehl abermals den Kürzeren. Das Gremium – den Vorsitz führte Hitler – fasste den Beschluss, dass sich die Nationalsozialisten bei der anstehenden Nationalratswahl in Wahlenthal- tung üben würden. In weiterer Folge versuchte Riehl , den Entschluss zur Wahlenthaltung mit Hilfe des Voll zugs auschusses seiner Partei zu kippen. Nachdem er auch damit gescheitert war, legte er sein Amt als Parteiobmann der österreichischen Nationalsozialisten nieder953. 1924 gründete Riehl den „Deutschsozialen Verein“. Dieser blieb zwar politisch völlig unbedeutend, stellte aber – bis Riehl mit seinem Verein am 26. September 1930 der NSDAP-Österreich (Hitlerbewegung) beitrat954 – weitere Konkurrenz für die Nationalsozialisten dar.

Als im Vergleich zur Abspaltung des „Deutschsozialen Vereins“ ungleich größeres Hemmnis für die Entwicklung der österreichischen NSDAP erwies sich der, im November 1923 von den National- sozialisten in München unternommene Putschversuch. Nach seinem kläglichen Scheitern wurde Hitler verhaftet, die Partei in Deutschland verboten. Österreichs NSDAP erlebte in den folgenden knapp eineinhalb Jahren einen veritablen Abschwung: Die allmähliche Erholung der wirtschaftli- chen Lage des Landes, die enorme Verschuldung der Partei und deren daniederliegende Parteiar-

948 vgl. Bauer, Kurt, Elementar-Ereignis, S. 16 949 vgl. Pauley, Bruce F. Der Weg in den Nationalsozialismus, S. 42 950 vgl. Hänisch, Dirk, Die österreichischen NSDAP-Wähler, S. 71 951 Laut Vereinbarung sollten den Nationalsozialisten bei gemeinsamem Vorgehen vier Mandate zufallen. Des Weiteren waren die NS-Abgeordneten laut dieser verpfl ichtet, mit den übrigen deutschnationalen Parla- mentariern einen gemeinsamen Klub zu bilden und in „grossen nationalpolitischen Fragen“ die Verbandspolitik zu vertreten (vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 41 / R I – 14 d: Verhandlungsschrift über die Länderkonferenz der GDVP am 21. August 1923). 952 vgl. Pauley, Bruce F. Der Weg in den Nationalsozialismus, S. 46 953 vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 295 f 954 vgl. Handlechner, Siegfried, Die Entwicklung des Nationalsozialismus in Vorarlberg bis zum März 1938, S. 43 150 | Deutschnationalismus in Vorarlberg beit bescherten Österreichs „Braunen“ einen Mitgliederrückgang955. Zudem erging sich die Partei in langwierigen Führungsdiskussionen und eigennützigen Streitigkeiten, die in einem „Kampf aller gegen alle“ mündeten956.

Erst mit der Neukonstituierung der deutschen NSDAP, erfolgt am 27. Februar 1925, nahmen die öf- fentlichen Versammlungen in Österreich wieder zu. Dort abermals mehrfach als Redner im Einsatz: Nationalsozialisten aus Deutschland . Daneben waren es allerdings bereits länger währende Un- stimmigkeiten, die das Bild der Partei prägten. Eine Bruchlinie durchzog die Partei. Die eine Gruppe um Parteiobmann Karl Schulz wurde im Wesentlichen von Gewerkschaftern gebildet. Deren führen- de Männer waren in den 1880er Jahren geboren. Da ab zirka 1922 der gewerkschaftliche Einfl uss in der Partei abnahm, mussten diese verstärkt um ihre Vormachtstellung kämpfen. Verursacht hatte diese Entwicklung nicht zuletzt ein starker Zu strom von Universitätsstudenten957. Daher war dieser Gruppe Hitlers Versuch, die NSDAP gegenüber Adel, Bürgertum und Industriellen zu öffnen, ein Dorn im Auge958. Diesem Flügel gegenüber standen jüngere Mitglieder – durchschnittlich in etwa 15 Jahre jünger als ihre Kontrahenten –, die zumeist in mittelgroßen Landeshauptstädten wie Graz, Linz , Salzburg und Klagenfurt beheimatet waren. Sie, Bewunderer Hitlers diktatorischer Führung, seiner radikalen Rhetorik und von häufi gen Massenkundgebungen, brandmarkten die demokrati- sche Struktur der eigenen Partei. Mit ihr glaubten sie die Ursache für den nur langsamen Fortschritt der Partei ausgemacht zu haben. Im Oktober 1925 erfuhren die parteiinternen Spannungen einen ersten Höhepunkt: In Wien fassten mehrere Ortsgruppenleiter den Beschluss, einen Anschluss an den Nationalsozialismus Hitler’scher Prägung vorzubereiten. Auf einem außerordentlichen Parteitag im Februar 1926 gelang es, die Ein- heit der Partei nochmals notdürftig zu kitten. Wenig später war sie Geschichte. Im Mai 1926 wur- den die Ortsgruppen der Wiener Bezirke Josefstadt, Hernals und Währing, nachdem sie sich davor geweigert hatten, die Landesführung anzuerkennen, aufgelöst. Zudem schloss die Partei mehrere „Verschwörer“ aus, unter ihnen Ernst Graber, vormals Generalsekretär der Partei, Josef Leopold, Haupt der niederösterreichischen SA und in weiterer Folge – von 1935 bis 1938 – Führer der illega- len österreichischen NSDAP, sowie Richard Suchenwirth959 . Unter Führung von Letzterem spaltete sich die Hitler-loyale Opposition – bestehend aus überwiegend jüngeren und radikaleren Mitglie- dern – von der Parteileitung unter Schulz ab. Am 4. Mai 1926 gründeten diese Oppositionellen in den Wiener Sophiensälen den „Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterverein (Hitlerbewegung)“960. Seine Vereinsstatuten stimmten mit jenen der Münchner Partei überein, ebenso dessen Programm, das von Hitlers „25 Punkten“ gebildet wurde. Mit der Intention, die Spaltung doch noch zu vermeiden, traf Schulz am 12. August 1926 in Passau mit Hitler zusammen. Der Schulz’sche Vorstoß scheiterte allerdings. Gleich erging es auch zwei 1927 und 1929 erfolgten Wiedervereinigungsversuchen. Die Spaltung der österreichischen NSDAP in „NS-Verein für Österreich“ – auch bekannt unter der Bezeichnung „Schulz-Nationalsozialisten“ – und „Hitlerbewegung“ blieb somit bis zur Aufl ösung von Ersterem im Jahr 1934 aufrecht961. Die

955 vgl. Hänisch, Dirk, Die österreichischen NSDAP-Wähler, S. 71 956 vgl. Bauer, Kurt, Elementar-Ereignis, S. 16 957 vgl. Pauley, Bruce F. Der Weg in den Nationalsozialismus, S. 50 958 vgl. Klösch, Christian, Das „nationale Lager“ in Niederösterreich 1918 – 1938 und 1945 – 1996, S. 579 959 vgl. Pauley, Bruce F. Der Weg in den Nationalsozialismus, S. 50 – 52 960 vgl. Hänisch, Dirk, Die österreichischen NSDAP-Wähler, S. 71 961 vgl. Pauley, Bruce F. Der Weg in den Nationalsozialismus, S. 52 und 54 f 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 151 beiden Gruppierungen standen sich bis zum Abgleiten der „Schulz-Gruppe“ in völlige Bedeutungs- losigkeit – zu datieren auf Ende der 1920er962, Anfang der 1930er Jahre – als erbitterte Kontrahen- ten gegenüber963.

Die Nationalsozialisten um Schulz verzichteten in den ihnen verbleibenden Jahren auf eine Allein- kandidatur bei Bundeswahlen. Stattdessen traten sie sowohl zur Nationalratswahl 1927 als auch zu jener drei Jahre später in Wahlgemeinschaften an964. Als Hauptgründe hierfür sind deren organi- satorische Schwäche sowie die Wahlaussichten zu nennen. Im November 1928 wies der NS-Verein 6.274 zahlende Mitglieder aus965. Der Konkurrenz „Hitlerbewegung“, zum Zeitpunkt der Spaltung rund 200 Anhänger stark966, gehör- ten im Juni 1928 österreichweit 4.466 Mitglieder an. Bis zum Mai 1929 hatte sich deren Zahl nur unwesentlich auf 5.002 erhöht967. Gründe für diese bescheidene Fortentwicklung gab es mehrere: Das auffallende Desinteresse Hitlers an „seinem“ österreichischen Ableger968 ging mit einer relati- ven Selbständigkeit der Partei von München einher969. Auch fehlte den „Hitlerianern“ zuweilen eine einheitliche, geschweige denn streng zentralistische Führung970. Aus dieser Melange resultierten Rivalitäten zwischen den sechs Gauleitern Österreichs, infolge derer sich jeder von ihnen wie ein „reichsdeutscher Kleinmonarch der Vorkriegszeit“971 gebärdet haben soll. Des Weiteren standen in den 1920er Jahren ähnlich geartete Kontrahenten – allen voran die Heimwehren – sowie eine kurzfristige Erholung der österreichischen Wirtschaft der schnelleren Entwicklung der Nationalso- zialisten Hitler ’schem Gepräge entgegen. Zudem kämpften die Hitler -Getreuen, denen es in dieser Zeit noch an gewichtigen Spendern fehlte, mit fi nanziellen Schwierigkeiten972. Deren unbedeutende Stellung im österreichischen Parteiengefüge manifestierte sich auch im Aus- gang der Nationalratswahl 1927: Sie, die gemeinsam mit dem „Bund der Freien“ von Hans Kipper unter der Bezeichnung „Völkisch-sozialer Block“ zur Wahl angetreten waren, kamen bundesweit auf 26.991 Stimmen oder 0,74 %973.

Damit bleibt festzuhalten, dass beide österreichischen NS-Gruppen in den 1920er Jahren nicht über den Status von Kleinstparteien hinauskamen. Erst die 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise schuf der „Hitlerbewegung“ jenes Klima, in dem ihre Propaganda verfi ng und ihnen Zulauf bescher-

962 vgl. Jagschitz, Gerhard, Die Nationalsozialistische Partei, S. 235 963 vgl. Pauley, Bruce F. Der Weg in den Nationalsozialismus, S. 55 964 Im März 1927 waren sie Teil der sogenannten „Einheitsliste“ (zu ihrer Zusammensetzung vgl. in dieser Arbeit, S. 56), im November 1930 eine Gruppe von vielen innerhalb des „Schoberblocks“ (dessen Zusammen- setzung fi ndet sich in dieser Arbeit, Fußnote 870). 965 vgl. Carsten, Francis L., Faschismus in Österreich, S. 144 966 vgl. Pauley, Bruce F. Der Weg in den Nationalsozialismus, S. 52 967 vgl. Carsten, Francis L., Faschismus in Österreich, S. 144 968 vgl. Jagschitz, Gerhard, Die Nationalsozialistische Partei, S. 235 969 vgl. Jagschitz, Gerhard, Von der „Bewegung“ zum Apparat, S. 89 970 vgl. Pauley, Bruce F. Der Weg in den Nationalsozialismus, S. 61 971 Expose von Leo Haubenberger, 30. März 1930, Slg. Sch., 305 2:2 – 3, zit. nach: Pauley, Bruce F. Der Weg in den Nationalsozialismus, S. 63 972 vgl. Pauley, Bruce F. Der Weg in den Nationalsozialismus, S. 66 und 68 973 vgl. Statistische Nachrichten. Sonderheft, S. 8 f 152 | Deutschnationalismus in Vorarlberg te. Für die „Schulz-Gruppe“ der Nationalsozialisten, bis dahin bereits marginalisiert, kam diese Entwicklung dagegen zu spät.

6.3.1.2 Vorarlbergs kleine Grüppchen „Brauner“ Dem Blick auf die Entwicklung der Nationalsozialisten in Vorarlberg ist der Hinweis voranzustellen, dass das „Ländle“ für sie ein grundsätzlich schwieriges Terrain darstellte. Wie anhand der späte- ren bundesweiten Entwicklung der NSDAP ersichtlich, bildete die katholisch-konservative Tradition eines Landes einen für ihr Fortkommen hemmenden Faktor. In Vorarl berg war dieser sehr ausge- prägt: 1910 gehörten 98,5 % der Vorarlberger Bevölkerung der römisch-katholischen Kirche an974. Die 1934 für das westlichste Bundesland erhobenen 98,1 % stellten den österreichweit höchsten Wert dar975. Ausdruck fand diese katholisch-konservative Tradition in Vorarlberg u.a. in der Domi- nanz der CSP. Diese verfügte während der ganzen demokratischen Periode der Zwischenkriegszeit über mehr als Zweidrittel der Vorarlberger Landtagsmandate. Auch erwiesen sich Bundesländer – insbesondere Vorarlberg und Kärnten –, in denen der Landbund respektive eine entsprechende Vorläuferpartei Anfang der 1920er Jahre regionale Hochburgen auszubilden vermocht hatte, als für die nationalsozialistische Entwicklung weniger günstig976.

Seinen organisatorischen Anfang nahm der Nationalsozialismus in Vorarlberg mit der Gründung der Ortsgruppe Bregenz am 21. Oktober 1922. Im Jahr 1923 folgten NS-Ortsgruppen in Rankweil , Feldkirch und Bludenz .977 Damit fand der bundesweite Aufschwung, den die Partei bis November 1923 zu verzeichnen hatte, auch im „Ländle” seinen Niederschlag. Eine Expansion wie in anderen Bundesländern stellte sich für die Nationalsozialisten in Vorarlberg allerdings nicht ein. In die im Spätherbst 1923 einsetzende Abschwungphase hinein gelang es den Nationalsozi al isten mit Dornbirn noch eine neue Ortsgruppe zu konstituieren. Deren Gründung erfolgte am 18. Jänner 1924978. Hatten die Nationalsozialisten bei den National- und Landtagswahlen im Herbst 1923 noch von einer Kandidatur abgesehen, so traten sie zu den Gemeinderatswahlen im Februar 1924 in vier Vorarlberger Gemeinden an – in zwei davon, Feldkirch und Rankweil, in Wahlgemeinschaft mit der GDVP979, in zweien, Bludenz und Bregenz, mit eigener Liste. Die beiden Solokandidaturen bescherten ihnen jeweils ein Mandat980. Die Reaktion der Vorarlberger Großdeutschen auf diese Mandatsgewinne fi el sehr unterschiedlich aus: In Bludenz, wo die „Blauen“ mit den – ihrer Diktion nach – „(...) aus rein persönlichen Gründen gewaltsam abgesplitterten Nationalsozialisten“981 keine Wahlgemeinschaft zu bilden versucht hatten, haderten sie insofern mit dem von Gläser für die Na-

974 vgl. Weigl, Andreas, Katholische Bastionen, S. 383 975 Ganz Österreich betrachtet bekannten sich zu diesem Zeitpunkt 90,5 % der Bevölkerung zum römisch- katholischen Glauben. Der Wert Österreichs ohne Wien – in der Bundeshauptstadt gehörten „nur“ 78,8 % der römisch-katholischen Kirche an – betrug 94,9 % (vgl. Hänisch, Dirk, Die österreichischen NSDAP-Wähler, S. 254). 976 vgl. ebenda, S. 168 977 vgl. Vogel, Bernd, Zwischen Konkurrenz und Kooperation, S. 263 978 vgl. Weber, Wolfgang, Von Jahn zu Hitler , S. 138 979 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Verhandlungsschrift über die Landesparteileitungssitzung der GDVP Vorarlberg am 21. Februar 1924 980 vgl. Albrich, Thomas, Die „alten Kämpfer”, S. 71 981 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 19. Februar 1924, S. 3 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 153 tionalsozialisten errungenen Mandat, als dieser bei der vorangegangenen Gemeinderatswahl noch auf der Wahlliste der „Blauen“ – wenn auch an nicht wählbarer Stelle982 – aufgeschienen war983. Ob dem Abschneiden der Nationalsozialisten in der Landeshauptstadt zeigten sich die Großdeut- schen dagegen erleichtert: Sie, die die Nationalsozialisten vor dem Wahlgang mit dem Angebot von zwei sicheren Mandaten von einem eigenständigen Antreten abzubringen versucht hatten, mussten sich danach eingestehen, diese „viel zu sehr gefürchtet“ zu haben984. Offenkundig hatten die Großdeutschen den Aderlass, welcher der fehlgeschlagene Hitlerputsch im November 1923 den Nationalsozialisten verursacht hatte, unterschätzt. Der NS-Ortsgruppe Bregenz, die zu Beginn ihres Bestehens 58 Mitglieder gezählt hatte985, gehörten – von den „Braunen“ selbst im Rückblick primär auf den Putsch zurückgeführt986 – 1924 nur noch 38 Personen an987.

Wohl mit der Intention, der fast das ganze Jahr 1924 währenden Talfahrt ihrer Partei mit Hilfe organisatorischer Maßnahmen entgegenzuwirken, beschlossen die Vorarlberger Nationalsozi- alisten am 15. August 1924, eine eigene Landesleitung zu bestellen988. Die Wahl zum Leiter der Landespartei fi el auf den Obmann der nationalsozialistischen Ortsgruppe Bregenz, Ignaz Rüscher. Im darauf folgenden Jahr kam es zur Gründung einer NS-Ortsgruppe in Hohenems989 . Die 1926 erfolgte Spaltung der Partei blieb auch in Vorarlberg nicht ohne Folgen: Während sich Kärnten , die Steiermark , Oberösterreich und das Waldviertel sogleich für die Hitler ’sche Variante des Na- tionalsozialismus entschieden, ließ die Entscheidung im „Ländle“ aufgrund eines Kommunikati- onsproblems ein wenig auf sich warten. Schließlich bekannten sich die Ortsgruppen Rankweil990 , Feldkirch und Hohenems geschlossen sowie die Mitglieder des Bregenzer Ortsvereins in ihrem Gros zur „Hitlerbewegung“991. Der kleinere Teil der Bregenzer Nationalsozialisten wie auch die NS-Ortsgruppen Bludenz und Dornbirn blieben dagegen – vorerst – der österreichischen Variante des Nationalsozialismus treu. Auch die am 23. März 1927 gegründete Ortsgruppe Hard bildete eine Teilorganisation der „Schulz-Nationalsozialisten“992

Die Nationalsozialisten waren zu dieser Zeit in Vorarlberg – gleich wie im restlichen Österreich – von nur marginaler Bedeutung. Anhand der Nationalratswahl 1927 wird dies offenkundig: Wäh- rend die Nationalsozialisten um Schulz von einer eigenständigen Kandidatur absahen und in einer Wahlgemeinschaft unter Führung der Mehrheitsparteien von Christlichsozialen und Großdeutschen

982 Gläser hatte auf der Wahlwerberliste der Deutschen Volkspartei Bludenz an 17. Stelle kandidiert. Bei dieser Gemeinderatswahl kamen die „Blauen“ auf acht Mandate (vgl. Bludenzer Anzeiger, 10. Mai 1919, S. 2 und 31. Mai 1919, S 4). 983 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 22. Februar 1924, S. 3 984 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Verhandlungsschrift über die Landesparteileitungssitzung der GDVP Vorarlberg am 21. Februar 1924 985 vgl. Bundesarchiv Koblenz, „Sammlung Schumacher“, 305/I, zit. nach: Walser, Harald, Geschichte der Vor- arlberger NSDAP, S. 50 986 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 10. Juni 1939, S. 5 987 vgl. Weber, Wolfgang, Von Jahn zu Hitler , S. 118 988 vgl. Bilgeri, Benedikt, Geschichte Vorarlbergs, S. 173 989 vgl. Weber, Wolfgang, Von Jahn zu Hitler , S. 276 990 vgl. ebenda, S. 251 991 vgl. Bilgeri, Benedikt, Geschichte Vorarlbergs, S. 175 992 vgl. Weber, Wolfgang, Zur Sozialstruktur der NSDAP im Klostertal 1938 – 1945, S. 11 154 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Zufl ucht nahmen, stellten sich die „Hitlerianer“ gemeinsam mit dem „Bund der Freien“ zur Wahl. Im „Ländle“ gaben 411 Personen – 258 Männer und 153 Frauen – ihre Stimme zugunsten der, unter der Bezeichnung „Völkisch-sozialer Block“ fi rmierenden, Wahlgemeinschaft ab. Den von dieser öster- reichweit erzielten Stimmenanteil von 0,74 % vermochte sie damit nicht zu erreichen – ihr Wert in Vorarlberg: 0,54 %993. Diesem bescheidenen Ergebnis der NSDAP (Hitlerbewegung) ist es mit zuzu- schreiben, dass sie sich sowohl an der Landtagswahl 1928 als auch den Gemeinderatswahlen des darauf folgenden Jahres „desinteressiert“ zeigten und von einer neuerlichen Kandidatur absahen. Statt ihrer wagten die Schulz’schen Nationalsozialisten eine Alleinkandidatur bei der Vor arlberger Landtagswahl 1928. Die 765 Stimmen ließen sie zwar das Vorjahresresultat der „Hitlerianer“ über- treffen, mit einem Stimmanteil von 1 % aber nicht über den Status einer Kleinstpartei hinaus- kommen. Der Schulz-Flügel der NSDAP zeigte sich mit seinem Abschneiden dennoch weitgehend zufrieden. Die von ihm gehegte Hoffnung, der in die Defensive geratenen Partei mit Hilfe der Solo- kandidatur einen Impuls weit über den Wahltermin hinaus verleihen zu können994, erfüllte sich al- lerdings nicht: Der 1926 einsetzende sukzessive Wechsel Vorarlberger NS-Ortsgruppen von Schulz zu Hitler fand seine Fortsetzung. Die Ortsgruppen des NS-Vereins für Österreich wurden weiter unterwandert und derart für die Partei Hitlers „umgedreht“995.

6.3.1.3 „Grüne“ Zurückhaltung 6.3.1.3.1 „Grünes“ Desinteresse und „blaue“ Ambitionen auf Bundesebene Beim Umgang, den die deutschnationalen Parteien in den 1920er Jahre zueinander unterhielten, zeigen sich gravierende Unterschiede. Während sich der Landbund in dieser Dekade kaum mit den Nationalsozialisten – unabhängig von deren Ausprägung – auseinandersetzte, geschweige denn deren Kontakt suchte, bekundeten die Großdeutschen reges Interesse an einer Zusammenarbeit. Eine Erklärung für Zweiteres: die Entstehungsgeschichte der GDVP. Deren Gründung im Septem- ber 1920 ging die Absicht voraus, der Zersplitterung des deutschnationalen Lagers in Österreich ein Ende zu bereiten. Letztlich schlossen sich 17 von 19 deutschnationalen Gruppen zur GDVP zu- sammen – nicht dabei waren „Grüne“ und Nationalsozialisten. Bei den Großdeutschen lebte der Wunsch nach vollständiger Zusammenfassung aller Deutschnationalen in einer Einheitspartei die ganzen 1920er Jahre hinweg fort996. Daneben wird auch das differierende Selbstverständnis von „Grünen“ und „Blauen“ zum unter- schiedlichen Umgang mit den Nationalsozialisten beigetragen haben: Der Landbund war eine Standespartei, seine vorrangige Aufgabe die Interessenvertretung der Bauernschaft. Vielfache und enge Kooperationen hätten den „Grünen“ eine dezidierte Parteinahme zugunsten der Landwirte erschwert und damit ihr Selbstverständnis unterminiert – dementsprechend selten gingen sie sol- che ein. Die Großdeutschen wiederum erhoben mit ihrer Ideologie der „Volksgemeinschaft“ den Anspruch auf Vertretung des gesamten Volkes997, konkreter, des „deutschen Volkes“ respektive

993 vgl. Statistische Nachrichten. Sonderheft, S. 8 f 994 vgl. Vogel, Bernd, Zwischen Konkurrenz und Kooperation, S. 269 995 vgl. Weber, Wolfgang, Die Alpenstadt und die Nazi, S. 42 f 996 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 36 / R I – 12: Bericht des Parteivorstandes, in: Tätigkeitsbericht, 9. Ordentlicher Reichsparteitag der Großdeutschen Volkspartei in Bregenz, 8. bis 10. Juni 1928, S. 5 997 vgl. Gehmacher, Johanna, „Völkische Frauenbewegung“, S. 66 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 155

Personen „deutscher Rasse“998. Diesem Anspruch wurde die Honoratiorenpartei GDVP in der Reali- tät jedoch zu keinem Zeitpunkt gerecht. Kooperationen boten ihr die Aussicht, dieses Manko, wenn schon nicht zu beheben, so doch temporär zu mildern. Schließlich sei auf die unterschiedliche Gefahr verwiesen, welche die deutschnationale Kon kurrenz in einem allfälligen Erstarken der Nationalsozialisten erblicken musste. Der Land bund konnte die- sem Szenario deutlich gelassener als die Großdeutschen entgegensehen. Bei zwei für die „Grünen“ essentiellen Gruppen wie Bauern und Großgrundbesitzern gelang es den Nationalsozialisten – de- ren Entwicklung in den 1920er Jahren in Deutschland offenbart das999 – nicht zu reüssieren. Ein wesentlicher Grund dafür: die Sozialstruktur der Nationalsozialisten. Weder die in den Anfängen Österreichs nationalsozialistischer Bewegung dominierenden Gewerkschafter noch die in weiterer Folge zur Partei stoßenden Studenten waren geeignet, diese Gruppierung zu einer für Bauern at- traktiven politischen Option zu machen. Gleiches gilt für die frühen NS-Bewegungen in Westöster- reich. Bei diesen dominierten Bundesbedienstete – insbesondere solche aus den Sektoren Bahn, Post und Zoll1000. Dass sich der Landbund auch in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre nicht zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit den Nationalsozialisten genötigt fühlte, ist daneben dem Programm der österreichischen „Hitlerbewegung“ geschuldet: Dieses, bei ihrer Gründung 1926 von den deutschen Nationalsozialisten übernommen, bediente im Wesentlichen den bürgerlichen Mittelstand1001. Speziell für Bauern bot es dagegen nur wenig. Die im Punkt 17 des NS-Pro gramms enthaltene Enteignungsklausel1002 dürfte auf Landwirte gar abschreckend gewirkt haben1003. Der GDVP musste das Szenario eines Aufstiegs der Nationalsozialisten aufgrund ihrer mit den „Braunen“ ähnlicheren Sozialstruktur im Vergleich dazu deutlich bedrohlicher erscheinen. Von der „blauen“ Landesorganisation Vorarlberg war knapp ein Sechstel der Mitglieder im öffentlichen Dienst und Verkehrsbereich tätig1004. Damit lag es auf der Hand, dass ein Anwachsen der National- sozialisten Einbußen für die Großdeutschen zur Folge haben würde.

Für die GDVP gab es somit reichlich Gründe, die Nationalsozialisten für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. Einen ersten Vorstoß, mit den Nationalsozialisten zu einer Wahlübereinkunft zu gelan- gen, startete die großdeutsche Bundespartei im Vorfeld der Nationalratswahl 1920. Im Zuge der „Wiener Tagung“ vom 8. August 1920, auf der sich die vorläufi ge Bundesparteileitung sowie der Bundesvollzugsausschuss der GDVP konstituierten, wurde, nachdem davor weder Nationalsozialis- ten noch Unabhängige Bauernbündler für einen Beitritt zu den „Blauen“ hatten gewonnen werden

998 vgl. Ackerl, Isabella, Thesen zu Demokratieverständnis, parlamentarischer Haltung und nationaler Frage bei der Großdeutschen Volkspartei, S. 153 999 Bei der deutschen NSDAP war die Bauernschaft deutlich unterrepräsentiert. Laut „Partei-Statistik“ der NSDAP stellten selbständige Bauern und ihre mithelfenden Familienangehörigen im September 1930 14,2 % ihrer Mitglieder dar. Die Volkszählung 1933 weist für diese dagegen einen Anteil von 20,7 % unter den Erwerb- spersonen aus (vgl. Manstein, Peter, Die Mitglieder und Wähler der NSDAP 1919 – 1933, S. 64). 1000 vgl. Weber,, Wolfgang, Die Nazi in der Landeshauptstadt, S. 247 1001 Zurückzuführen ist diese Ausrichtung auf die soziale Zusammensetzung der bayerischen NSDAP zu Beginn der 1920er Jahre. Das unter maßgeblicher Beteiligung von Hitler entstandene und im Februar 1920 vorge- stellte Programm richtete sich vorwiegend nach den Wünschen und Nöten dieser Klientel (vgl. Adam, Uwe Dietrich, Judenpolitik im Dritten Reich, S. 21). 1002 Dieser Programmpunkt beinhaltete die Forderung nach „Schaffung eines Gesetzes zur unentgeltlichen Ent eignung von Boden für gemeinnützige Zwecke“. 1003 vgl. Manstein, Peter, Die Mitglieder und Wähler der NSDAP 1919 – 1933, S. 61 1004 vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 117 156 | Deutschnationalismus in Vorarlberg können, der Wunsch laut, es möge zumindest zu einer Zusammenfassung aller deutschnationalen Parteien zur Bundeswahl kommen1005. Die Verhandlungen mit den Nationalsozialisten zogen sich über mehrere Wochen hin, zerschlugen sich letztlich aber fast überall. Lediglich in Salzburg und Oberösterreich konnten die Nationalsozialisten von eigenständigen Kandidaturen abgebracht wer- den1006. Im darauf folgenden Jahr gab sich die GDVP ob der Nationalsozialisten entspannt: Einen NS-Auf- schwung schloss sie aus. Für den großdeutschen Hauptgeschäftsführer Ehrlich standen sowohl das Programm der Nationalsozialisten, ihre „ganze Aufmachung“ als auch deren Führungscrew in Österreich einem solchen Szenario entgegen. Als Ziel der Großdeutschen gab er aus, die „Gut- gesinnten“ unter den Nationalsozialisten für die GDVP zu gewinnen. Bei vielen habe dies schon geklappt, nicht ohne Auswirkungen auf die Parteiorganisation der Nationalsozialisten, so Ehrlich weiter1007. Nur in Salzburg und Oberösterreich schienen sie ihm „(...) noch in der Lage zu sein, ihren Besitzstand etwas zu behaupten, aber auch das dürfte nur eine Frage der Zeit sein.“1008

Die Erwartungen Ehrlichs erfüllten sich nicht: Stattdessen erlebte Österreichs NS-Organisation vor der Nationalratswahl 1923 eine Blütephase. Aus wahltaktischer Sicht gewann eine Kooperation mit dieser für die GDVP damit weiter an Attraktivität. Vor diesem Hintergrund verhallten Bedenken einzelner Mitglieder der „blauen“ Bundesparteileitung gegen über einer gemeinsamen Kandidatur mit den Nationalsozialisten1009 ohne Resonanz. Der vom großdeutschen Spitzengremium gefasste Beschluss, die Nationalsozialisten mit diesem Ansinnen zu kontaktieren, erfolgte einstimmig1010. Zwar brachten die Verhandlungen für die GDVP ermutigende Signale mit sich, nicht aber eine Über- einkunft. Wie bereits erwähnt,1011 entschlossen sich die Nationalsozialisten schließlich auf Zuruf aus München und wider den Willen von Parteiobmann Riehl zur Wahlenthaltung. Um dennoch Stimmen NS-affi ner Personen zu erhalten, gingen die Großdeutschen hierauf eine Wahlgemein- schaft mit den deutschnationalen, den Nationalsozialisten nahe stehendenden Gewerkschaften1012 ein. Ferner rief Walter Riehl – nunmehr vormaliger Obmann der österreichischen NS-Organisation – alle Nationalsozialisten zu einer Stimmabgabe zugunsten der Großdeutschen auf1013.

1005 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 27. September 1921, S. 1 1006 In Salzburg sah die zwischen den beiden Parteien getroffene Vereinbarung eine Kandidatur des national- sozialistischen Landtagsabgeordneten Hans Prodinger an dritter Stelle auf der großdeutschen Wahlliste vor. In Oberösterreich sollten die Nationalsozialisten, statt selbst zur Wahl anzutreten, die „blaue“ Kandidatur unterstützen (vgl. Vogel, Bernd, Die „Blauen“ der Zwischenkriegszeit, S. 203). 1007 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 32 / R I – 12: Geschäftsbericht, in: Die Verhandlungen des zweiten Reichs- parteitages der Großdeutschen Volkspartei in Wien, 27. und 28. Juni 1921, S. 153 f 1008 ebenda, S. 154 1009 Ehart wie Mittermann sprachen von einer „schwere(n) Belastung“, die ihrer Partei bei einer Zusammenar- beit mit den Nationalsozialisten aufgebürdet würde. Zweiterer stufte die deutschnationale Konkurrenz zudem als „nahezu (..) unerziehbar“ ein. In eben diesem Sinn äußerte sich auch Ursin . 1010 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 39 / R I – 13: Verhandlungsschrift über die Sitzung der großdeutschen Reichs- parteileitung am 12. Juli 1923 1011 vgl. dazu in dieser Arbeit, S. 149 1012 Die 1918 beschlossenen Leitsätze der deutschnationalen Gewerkschaften stammten mit Rudolf Jung und Walter Gattermayer von zwei in späteren Jahren bedeutenden Nationalsozialisten (vgl. Haubenberger, Leo, Völkisches Gewerkschaftsleben, S. 327). Dementsprechend spiegelte sich in diesen eine nationalsozialisti- sche Auffassung hinsichtlich Wirtschafts-, Staats- und Volksleben wider (vgl. Klenner, Fritz, Die österreichi- schen Gewerkschaften, S. 126). 1013 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 20. Oktober 1923, S. 2 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 157

Der Nutzen, der der GDVP aus dem Kooperationsvertrag mit den deutschnationalen Gewerkschaf- ten und der Wahlempfehlung Riehls erwuchs, fi el letztlich gering aus. Bei den Großdeutschen war man sich einig, vom Stimmverhalten nationalsozialistischer Anhänger nicht profi tiert zu haben1014.

Riehls Wahlempfehlung zugunsten der „Blauen“ sollte nicht der einzige Moment bleiben, in dem er seiner Affi nität zu den Großdeutschen Ausdruck verlieh. Auch das gute Verhältnis GDVP – „Deutschsozialer Verein“, von Riehl 1924 gegründet, zeugt davon. Im Februar 1925 besiegelten die beiden Organisationen ihre enge Beziehung mit einem Freundschaftsvertrag. Unter organisatori- scher Aufrechterhaltung des „Deutschsozialen Vereins“1015 kam diesem fortan auf großdeutschen Bundesparteitagen das Stimmrecht zu1016. Da der „Deutschsoziale Verein“ eine nur kleine1017 und – Stand Juni 1926 – in ihrer Arbeit auf Wien und Niederösterreich beschränkte Gruppe war1018, profi tierten die „Blauen“ allerdings nur in geringem Maße von dieser Verbindung.

Nach der 1926 erfolgten Spaltung der Nationalsozialisten in Österreich bemühte sich die GDVP um Kooperationen mit beiden NS-Organisationen. Die „Hitlerbewegung“ war hierfür aber nicht zu gewinnen1019. Diese nationalsozialistische Abwehrhaltung gegenüber großdeutschen Vereinnah- mungsversuchen ließ die GDVP alsbald auf Distanz zu den „Hitler -Jüngern“ gehen. 1928 stuften die „Blauen“ diese als Partei mit „rein demagogische(r) Lärmpolitik“ ein, womit sie für eine Wahl- gemeinschaft nicht in Frage kämen1020. Ganz anders stellte sich die Situation für die Großdeutschen im Hinblick auf die Schulz-Gruppe dar – diese war kooperationsbereit. Sowohl 1927 als auch 1930 zogen die beiden Parteien gemeinsam in die Nationalratswahlen. Darüber hinaus kamen Großdeutsche und „Schulz-Nationalsozialisten“ im Frühjahr 1928 überein, Wahlen hinkünftig „unter allen Umständen“ gemeinsam bestreiten zu wollen1021. Die Bindung der „Schulz-Nationalsozialisten“ an die GDVP erwies sich als so eng, dass Erstere in der Folge öffentlich kaum noch wahrzunehmen waren. Es ist evident, dass dies mit zu deren Schwä- chung beitrug. Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre versank der NS-Verein für Österreich in

1014 vgl. Vogel, Bernd, Die „Blauen“ der Zwischenkriegszeit, S. 240 1015 vgl. Dostal, Thomas, Aspekte deutschnationaler Politik in Österreich, S. 76 1016 Auf dem 8. Bundesparteitag der GDVP im Juni 1927 wären 495 Personen stimmberechtigt gewesen, darunter zehn vom „Deutschsozialen Verein“. Tatsächlich meldeten sich aber nur 260 Vertreter an. Von der Riehl ’schen Organisation waren deren vier angemeldet (vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 35 / R I – 12: Bericht der Mandatsprüfungskommission anlässlich des 8. Ordentlichen Reichsparteitages der GDVP in Wien, 17. bis 19. Juni 1927). 1017 vgl. Dostal, Thomas, Aspekte deutschnationaler Politik in Österreich, S. 76 1018 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 35 / R I – 12: Geschäftsbericht des Parteivorstandes 1925/1926 anlässlich des 7. Ordentlichen Reichsparteitages der GDVP in Innsbruck, 4. bis 6. Juni 1926, S. 6 f 1019 Zwei Sitzungen im November 1926, mit denen der Weg für eine „nationale Einheitsfront“ bei der nächsten Bundeswahl geebnet werden sollte, blieben die Hitler nahestehenden Nationalsozialisten mit der Begründung fern, dass sie nicht gewillt seien, mit auf privatkapitalistischer Grundlage fußenden Parteien zwecks einer Einheitsfront zu verhandeln (vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 330). 1020 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 36 / R I – 12: Bericht des Parteivorstandes, in: Tätigkeitsbericht, 9. Ordentlicher Reichsparteitag der Großdeutschen Volkspartei in Bregenz, 8. bis 10. Juni 1928, S. 6 1021 vgl. ebenda , S. 5 f 158 | Deutschnationalismus in Vorarlberg völliger Bedeutungslosigkeit. Die Großdeutschen profi tierten von dieser Entwicklung, indem sie vormalige Parteigänger von Schulz in ihren Reihen begrüßen konnten1022.

6.3.1.3.2 „Blaue“ Initiativen und „grüne“ Einsilbigkeit auf Landesebene Auch im „Ländle“ folgten die Großdeutschen der von ihrer Bundespartei vorgegebenen Linie, sich um eine Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten zu bemühen. Neben Bundeswahlen machte sich ihr Wunsch nach Kooperation auch im Vorfeld von Landtags- und Ge meinderatswahlen be- merkbar: Mitte Juni 1923 – drei Monate vor der gleichzeitig mit der Nationalrats- abgehaltenen Landtagswahl – zeigte sich mit Hermann Schmid ein wesentlicher Vertreter der Vorarlberger GDVP zuversichtlich, dass eine gemeinsame Kandidatur mit den Nationalsozialisten zustande käme. De- ren Salzburger Parteitagsbeschluss machte diese Hoffnung auch für Vorarlberg zunichte. Daraufhin bemühten sich die „Ländle“-Großdeutschen um eine NS-Wahlempfehlung zu ihren Gunsten. Die Nationalsozialisten signalisierten hierzu Bereitschaft, forderten dafür aber die Kür des Lustenauer Handelsschuldirektors Alfred Wehner zum großdeutschen Spitzenkandidaten für die Nationalrats- wahl. Wehner selbst war es, der dieses Ansinnen zurückwies1023. Folglich sahen die Nationalsozi- alisten im „Ländle“ von einer Wahlempfehlung zugunsten der „Blauen“ ab. Als Trostpfl aster blieb der Vorarlberger GDVP, dass die von ihr goutierten1024 Verhandlungen mit den deutschnationalen Gewerkschaften in einer Übereinkunft mündeten.

Aufgrund der schlechten Resultate bei den Urnengängen im Oktober 1923 hatten die Großdeut- schen zu befürchten, aus den nur dreieinhalb Monate später anstehenden Ge meinderatswahlen als Verlierer hervorzugehen. Diese Aussicht befeuerte ihr Interesse an Wahlgemeinschaften wei- ter. Bestrebungen von Seiten der „Blauen“, die Nationalsozialisten für solche zu gewinnen, gab es in Bregenz, Rankweil und Feldkirch. Während die Verhandlungen in der Landeshauptstadt an überzogenen NS-Forderungen1025 scheiterten, kamen die beiden Parteien in Rankweil und Feldkirch überein, geeint die Gemeinderatswahl zu bestreiten. Die deutschnationale Ausbeute in den zwei Orten: Mandatsverluste1026.

Anlässlich der Landtagswahl 1928 versuchten die „Ländle“-Großdeutschen, einer „völkischen Ein- heitsfront“ zumindest nahe zu kommen. Die „Hitlerbewegung“ hatte bereits frühzeitig erklärt, am Wahlgang desinteressiert zu sein. Deshalb legten die „Blauen“ ihr Augenmerk darauf, mit dem Landbund und dem NS-Verein für Österreich zu einer Einigung zu gelangen. Die „Schulz-National- sozialisten“ waren in dieser Angelegenheit gespalten: In Bludenz standen sie einer gemeinsamen Kandidatur aufgeschlossen gegenüber. Deren Bregenzer Parteifreunde präferierten dagegen ein eigenständiges Antreten. Von einer Alleinkandidatur versprachen sie sich die so dringend benötig- ten Impulse für ihre politische Heimat. Schließlich erwies sich die vom Bregenzer Flügel vertretene Auffassung als mehrheitsfähig – die von Vorarlbergs großdeutschem Parteiobmann Zumtobel mit dem NS-Verein für Österreich „bis zum letzten Augenblick“ geführten Verhandlungen zwecks Wahl-

1022 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 26. März 1932, S. 4 1023 vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 296 f 1024 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 17. August 1923, S. 1 1025 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: Verhandlungsschrift über die Sitzung der großdeutschen Landes- parteileitung von Vorarlberg am 21. Februar 1924 1026 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 11. Februar 1924, S. 2 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 159 gemeinschaft scheiterten. Gleich dem Landbund traten damit auch die „Schulz-Nationalsozialisten“ mit eigener Liste zur Vorarlberger Landtagswahl 1928 an1027.

Wie schon beim Urnengang 1928 praktiziert, sahen die Nationalsozialisten Hitler‘scher Prägung auch bei den Vorarlberger Gemeinderatswahlen 1929 von einer Kandidatur ab. Einer Wahlempfeh- lung zugunsten einer anderen Partei enthielten sie sich1028. Die Aussicht der GDVP, mit den „Schulz- Nationalsozialisten“ zu Wahlgemeinschaften zu kommen, hatte sich im Vergleich zum Vorjahr da- gegen deutlich verbessert: Zum einen war im „Ländle“ die Negativentwicklung des NS-Vereins weiter fortgeschritten, ihm eine Solokandidatur daher kaum mehr möglich. Zum anderen hatten „Blaue“ und „Schulz-Nationalsozialisten“ nach der Vorarlberger Landtagswahl 1928 die Überein- kunft getroffen, Urnengänge wo und wann immer möglich gemeinsam in Angriff zu nehmen. Tatsächlich empfahl das Spitzengremium des Vorarlberger NS-Vereins den ihm verbleibenden Orts- gruppen, sich mit den Großdeutschen auf Wahlgemeinschaften zu verständigen. Die Verhandlun- gen auf Gemeindeebene erwiesen sich trotz derart klarer Vorgabe als schwierig. In Dornbirn, Hard und Bludenz konnten sich die beiden deutschnationalen Gruppierungen auf keine Wahlgemein- schaft verständigen. In Feldkirch und Bregenz kamen Großdeutsche und „Schulz-Gruppe“ dagegen überein, gemeinsam die Wahl zu bestreiten1029. Für die Landeshauptstadt war überdies geplant, die Kooperation nach dem Urnengang in Form einer Arbeitsgemeinschaft fortzusetzen1030. In Bregenz profi tierten sowohl „Schulz-Nationalsozialisten“ als auch „Grüne“ – wie bereits er- wähnt – von der großdeutschen Absicht, ihrer in die Defensive geratenen Partei mit Hilfe einer Wahlgemeinschaft noch einmal den Bürgermeistersessel zu sichern. Vermochte die Wahlgemein- schaft solches auch nicht zu bewerkstelligen – der neue Bürgermeister Mathias Wachter stammte aus den Reihen der Christlichsozialen –, für die Nationalsozialisten zahlte sie sich aus: Sie, bei einem Alleingang ohne Aussicht auf einen Mandatsgewinn1031, gewannen deren eines. Für den NS-Verein zog Ignaz Rüscher in die Bregenzer Stadtvertretung ein. Nur ein Jahr nach der Gemeinderatswahl entzündeten sich an diesem Mandat erste Unstimmig- keiten. Vorarlbergs Großdeutsche baten gar ihre Bundespartei, wegen des „strittigen Bregenzer Gemeinderatsmandates“ einen Vermittlungsversuch bei den „Schulz-National sozialisten“ zu un- ternehmen1032. Am 25. August 1931 trat Rüscher der NSDAP Hitlers1033 bei – und weigerte sich, das Mandat niederzulegen. Aufforderungen von Großdeutschen und Landbündlern, solches zu tun, meinte er nicht nachkommen zu müssen1034. Bestärkt wurde Rüscher in seiner Haltung vom Orts- gruppenführer der Bregenzer „Hitlerbewegung“, Neidlinger . Dieser ersuchte Rüscher Ende Oktober

1027 vgl. Vogel, Bernd, Zwischen Konkurrenz und Kooperation, S. 268 f 1028 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 15 / ohne Signatur: Pressemitteilungen der GDVP, 24. Jänner 1929, S. 3 1029 vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 156 1030 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 1. Februar 1929, S. 6 1031 Der Ausgang der Landtagswahl im März 1928 verdeutlicht deren Chancenlosigkeit: Nur elf Monate vor der Gemeinderatswahl hatte sich die „Schulz-Gruppe“ bei ihrer Solokandidatur in der Landeshauptstadt mit 16 Stimmen zu begnügen gehabt. 1032 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 29 / R I – 2: Brief vom 3.April 1930 von der großdeutschen Landespartei leitung von Vorarlberg an die Hauptgeschäftsstelle der GDVP 1033 vgl. Weber, Wolfgang, Die Alpenstadt und die Nazi, S. 42 1034 Einen Brief der Bregenzer Wahlgemeinschaft vom 27. September 1931, in dem er eindringlich zur Nie- derlegung seines Mandats aufgefordert wurde, ließ er unbeantwortet. In Reaktion darauf entschied sich die Wahlgemeinschaft, diesen Brief mit Hilfe des „Vorarlberger Tagblattes“ publik zu machen (vgl. Vorarlberger Tagblatt, 24. Oktober 1931, S. 7). 160 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

1931, sein Mandat weiter auszuüben, da – wie Neidlinger meinte – ihrem Ortsverein aufgrund seiner Stärke ohnehin zumindest ein Mandat gebühre1035.

Die Versuche der „Ländle“-Großdeutschen, mit nationalsozialistischen Gruppierungen zu Ko- operationen und einer engeren Bindung zu gelangen, waren damit nicht sonderlich erfolgreich: Auf der Habenseite hatten sie eine Wahlgemeinschaft mit den „Schulz-National sozialisten“ bei der Bundeswahl 1927 zu verzeichnen. Aus ihrer Sicht ebenso den Positiva zuzurechnen sind die vier anlässlich der Gemeinderatswahlen 1924 und 1929 abgeschlossenen Übereinkünfte auf Ortse- bene – hier allerdings getrübt durch den Umstand, dass diese, mit Ausnahme jener von Feldkirch 19291036, mit Mandatseinbußen endeten. Zudem profi tierten sie – wie bereits erwähnt – von der Aufl ösung des „NS-Vereins“. Aufgrund der geringen Zahl von Anhängern, die der NS-Verein Anfang der 1930er Jahre in Vorarlberg aufwies, kann der Nutzen für die „Blauen“ allerdings nur spärlich ausgefallen sein. Geschmälert wurde er ferner dadurch, dass sich die ehemaligen „Schulz-Natio- nalsozialisten“ stärker den „Hitlerianern“ als der GDVP zuwandten1037. Dem gegenüber standen alleine in Vorwahlzeiten rund zehn großdeutsche Vorstöße, die ohne Übereinkunft endeten. Hinzu kamen ein gescheiterter Versuch, die Nationalsozialisten zu einer Wahlempfehlung zu Gunsten der Großdeutschen zu bewegen, sowie die Kalamitäten in Dornbirn und Bregenz , die sich im Umfeld der Gemeinderatswahlen 1929 ergaben – für die Anstrengungen mehrerer Jahre eine dürftige Bilanz.

Im Gegensatz zur GDVP zeigte sich der Landbund während der 1920er Jahre an den National- sozialisten weitgehend desinteressiert. Informationen über von den „Grünen“ angestoßene Ver- handlungen mit den Nationalsozialisten liegen nicht vor. Alleine Initiativen von Großdeutschen oder anderen deutschnationalen Gruppen1038 brachten Landbund und NSDAP in die Nähe einer gemeinsamen Kandidatur – so geschehen anlässlich der Nationalratswahl 1923. Die Großdeut- schen waren es, die ihre Fühler sowohl Richtung der Nationalsozialisten als auch Landbündler ausstreckten. Auf Seiten der Nationalsozialisten trat mit Riehl ein gewichtiger Vertreter für eine Zusammenarbeit mit der GDVP ein. Erste Schritte auf dem Weg dahin waren bereits gesetzt. Die Vorarlberger „Grünen“ wiederum hatten schon Ende 1922 ihrer Präferenz für eine „antimarxistische

1035 vgl. VLA, Vorarlberger Landesregierung, Abt. Präsidium (1932), Zl.: 232 1036 Bei der nach der Vereinigung von Feldkirch mit Levis, Altenstadt, Gisingen, Nofels, Tosters und Tisis für den 28. Juni 1925 angesetzten Gemeinderatswahl traten Großdeutsche und Nationalsozialisten getrennt von einander an. Die „Blauen“ kamen dabei auf drei Mandate, die Nationalsozialisten auf deren eines. 1929 zogen die Nationalsozialisten, da sie sich für eine selbständige Kandidatur zu schwach fühlten, gemeinsam mit den Großdeutschen in die Gemeinderatswahl (vgl. Wanner, Gerhard, Zur Geschichte der Feldkircher NSDAP (1923 – 1939), S. 6 f). Deren gemeinsame Ausbeute belief sich auf vier Mandate, womit sie ihren bisherigen Besitz- stand verteidigten (vgl. Vorarlberger Tagblatt, 4. Februar 1929, S. 1). 1037 vgl. ebenda, 24. Oktober 1931, S. 7 1038 Neben der GDVP waren es vor allem der „Deutsche Turnerbund“ und der „Alldeutsche Verband“, die ver- suchten, eine Einigung der deutschnationalen Parteien in einer „völkischen Einheitsfront“ herbeizuführen. Des Weiteren sprachen sich auch der „Verband deutschvölkischer Vereine“, deutschnationale Burschenschaften sowie der „Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband“, kurz DHV, für den Zusammenschluss aller „Völki- schen“ aus (vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 35 / R I – 12: Bericht des Parteivorstandes, in: Geschäftsbericht des Parteivorstandes 1926/1927, 8. Ordentlicher Reichsparteitag der Großdeutschen Volkspartei in Wien, 17. bis 19. Juni 1927, S. 5; Vorarlberger Tagblatt, 6. Mai 1929, S. 2 und Hesse, Robert, Die Zukunft der nationalen Bewegung in Oesterreich, S. 5). 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 161

Einheitsliste“ Ausdruck verliehen1039. Vor diesem Hintergrund schien eine Wahlgemeinschaft unter Einschluss von „Braunen“ und „Grünen“ möglich. Die weitere Entwicklung war jedoch eine andere: Ein gestörtes Gesprächsklima zwischen Vorarlbergs „Blauen“ und „Grünen“, deren beiderseitiges Beharren auf ihren Maximalforderungen, sowie der für Letztere anzuzweifelnde Wille, tatsächlich eine Wahlgemeinschaft abschließen zu wollen, standen einer solchen Übereinkunft entgegen. Der vom NS-Parteitag im August 1923 gefasste Beschluss auf Wahlverzicht brachte diese Variante endgültig zu Fall. Auch zur Landtagswahl 1928 wurde die Idee einer gemeinsamen Kandidatur von Groß deutschen, Landbündlern und „Schulz-Nationalsozialisten“ ventiliert. Erstere hatten diese Variante ins Spiel gebracht und „bis zuletzt“ verfolgt – allerdings erfolglos. Die drei deutsch nationalen Gruppierun- gen traten letztlich getrennt voneinander zu diesem Urnengang an1040. Bei den Gemeinderatswahlen im darauf folgenden Jahr ging die Initiative zu Wahlgemeinschaften abermals von der GDVP aus. In Dornbirn gab es Pläne, wonach Landbündler, Großdeutsche und „Schulz-Nationalsozialisten“ den Urnengang vereint in Angriff nehmen sollten. Am 6. Jänner 1929 sprach sich die „grüne“ Ortsgruppe der Gartenstadt einstimmig für eine solche Wahlgemeinschaft aus1041. Eben dieser Tag war es aber auch, an dem Dornbirns NS-Verein die Verhandlungen abbrach. Statt einer gemeinsamen Kandidatur der drei deutschnationalen Gruppierungen kam es zu einem groben Zerwürfnis zwischen „Schulz“-Gruppe und „Blauen“: Erstere machten den Großdeutschen zum Vorwurf, die Gespräche verzögert zu haben. Nachdem diese gescheitert waren, sahen sie sich infolge dieser Taktik um die Chance gebracht, eine eigene Kandidatenliste einzureichen. Obwohl diese Darstellung von großdeutscher Seite nicht unwidersprochen blieb1042, rief Johann Brodmann, Obmann des Dornbirner NS-Vereins für Österreich, mit einem Plakat zur Wahl der Christlichsozialen auf1043. In Bregenz kam es dagegen – wie bereits erwähnt – zur gemeinsamen Kandidatur der drei deutsch- nationalen Parteien. Diese stellt zugleich die einzig bekannte Kooperation des Landbundes mit den Nationalsozialisten dar. Daneben setzte sich der Landbund so gut wie gar nicht mit den Nationalsozialisten – egal welcher Façon – auseinander. Der Sager von 1925, wonach die „Judengegnerschaft“, auch wenn nicht immer klug und sympathisch vorgetragen, das unzweifelhaft Beste an den „Brau nen“ sei1044, stellt eine der wenigen Ausnahmen hierzu dar.

1039 vgl. Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes, 22. Dezember 1922, S. 3 1040 vgl. Vogel, Bernd, Die Großdeutsche Volkspartei in Vorarlberg, S. 205 f 1041 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg, 24. Jänner 1929, S. 7 1042 In einem offenen, an Brodmann adressierten Brief bezog Stadtrat Hans Martin, Obmann der großdeut- schen Ortsgruppe Dornbirn sowie deren Spitzenkandidat für die Gemeinderatswahl 1929, zu den von natio- nalsozialistischer Seite erhobenen Vorwürfen Stellung. Er hob hervor, dass die Nationalsozialisten nach dem Abbruch der Verhandlungen noch annähernd zwei Wochen Zeit gehabt hätten, eine eigene Wahlwerberliste aufzustellen. Die Einreichfrist für die Kandidatenlisten zur Gemeinderatswahl endete am 19. Jänner 1929 (vgl. Vorarlberger Tagblatt, 2. Februar 1929, S. 6). 1043 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 37 / R I – 12: Berichte der Landesparteileitungen, in: Tätigkeitsbericht, 10. Ordentlicher Reichsparteitag der Großdeutschen Volkspartei in Wien, 3. bis 5. Mai 1929, S. 14 1044 vgl. Vorarlberger Landbund, 7. August 1925, S. 2 162 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

6.3.2 DIE 1930ER JAHRE

6.3.2.1 Österreichs Krisengewinnler – die „Braunen“ Die NSDAP erwies sich als großer Profi teur der 1929 einsetzenden Weltwirtschaftskrise. Zunächst zeichnete sich solches nur für Deutschland ab: Bei der am 27. Oktober 1929 abgehaltenen Land- tagswahl in Baden zogen die Nationalsozialisten mit 7 % der Stimmen auf Anhieb ins Landespar- lament ein. In Thüringen gelang es ihnen, ihren Anteil von Anfang 1927 beinahe zu verdreifachen. Am 8. Dezember 1929 erhielten sie 11,3 % der Stimmen. In Sachsen wiederum stieg der natio- nalsozialistische Anteil in nur einem Jahr um knapp 10 % – bei der Landtagswahl im Juni 1930 kamen sie so auf 14,4 %. Der bundesweite Durchbruch gelang der NSDAP mit der Reichstagswahl vom 14. September 1930. Sie, bis dahin mit zwölf von 491 Abgeordneten eine Randerscheinung im politischen Getriebe der Weimarer Republik, avancierte mit 18,33 % und 107 von 577 Mandataren zur zweitstärksten Kraft im Deutschen Reichstag.

In Österreich war den Nationalsozialisten Hitler’schem Gepräge in dieser Phase kein annähernd gleiches Wahlergebnis beschieden. Der „braune“ Erdrutschsieg bei der Reichstagswahl 1930, der weit über die Grenzen Deutschlands Aufmerksamkeit erweckt hatte, ließ zwar für die knapp zwei Monate später anstehende Nationalratswahl in Österreich ein gutes Ergebnis erwarten1045 – allei- ne, es trat nicht ein. Bundesweit votierten 111.627 Personen oder 3,07 % für die „Hitlerbewegung“. Da sie in keinem der 25 Wahlkreise ein Grundmandat erzielte, blieb sie weiterhin ohne Vertretung im Haus am Ring. Bereits erwähnte organisatorische Unzulänglichkeiten gepaart mit fi nanziellen Schwierigkeiten und starker Konkurrenz in Form der Heimwehren standen deren Durchbruch ent- gegen. 1931 ging die deutsche Mutterpartei daran, Ersteres zu beheben: Im Juli dieses Jahres wurde hierfür die Organisationseinheit „Land Österreich“ geschaffen. Die Gauleitungen waren fortan der ebenfalls zu diesem Zeitpunkt installierten Landesleitung unterstellt, diese wiederum der Reichs- leitung – der relativen Selbständigkeit der österreichischen „Hitlerbewegung“ war damit ein Ende gesetzt. Zum Landesleiter der neuen Organisationseinheit ernannte Gregor Strasser, seines Zei- chens Reichsorganisationsleiter der NSDAP, den oberösterreichischen Gauleiter Alfred Proksch . Da man es Proksch nicht zutraute, die nach wie vor mit aller Vehemenz ausgetragenen Querelen nachhaltig zu beenden, wurde ihm der Kreisleiter der NSDAP in Wiesbaden , Theo Habicht , als Landesgeschäftsführer zur Seite gestellt1046. Aufgrund der ihm zuerkannten Vollmachten war es Habicht, der die Geschicke der Partei maßgeblich lenkte. Ihm, de facto Führer der österreichischen Nationalsozialisten, war es auch vorbehalten, der Partei eine straffe Führung zu geben und sie nach deutschen Richtlinien zu reorganisieren1047. Die organisatorischen Neuerungen zeitigten alsbald Erfolge – die Mitgliederzahlen stiegen. Poli- zeischätzungen zufolge gehörten den „Braunen“ im September 1931 österreichweit in etwa 15.000 Mitglieder an1048. Schenkt man dieser Schätzung Glauben, war es der „Hitlerbewegung“ in knapp zweieinhalb Jahren gelungen, ihren Mitgliederstand zu verdreifachen. Daneben ließen insbesonde- re die Resultate der Landtagswahlen in Wien, Niederösterreich und Salzburg den Aufstieg der Na-

1045 vgl. Hänisch, Dirk, Die österreichischen NSDAP-Wähler, S. 85 1046 vgl. Kriechbaumer, Robert, Die großen Erzählungen der Politik, S. 683 1047 vgl. Schausberger, Franz, Ins Parlament, um es zu zerstören, S. 76 f 1048 vgl. Hänisch, Dirk, Die österreichischen NSDAP-Wähler, S. 73 f 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 163 tionalsozialisten von einer Kleinpartei zur Massenbewegung offenkundig werden. Der Urnengang, am 24. April 1932 unter dem Eindruck von Massenarbeitslosigkeit1049 und einem nur zwei Wochen davor erzielten Erfolg Hitlers bei der Reichspräsidentenwahl1050 vonstatten gegangen, bescherte den „Braunen“ in den drei Bundesländern im Durchschnitt 16,35 %. Im Vergleich dazu: Bei der Nationalratswahl im November 1930 hatten sie sich in Wien , Niederösterreich und Salzburg noch mit 3,13 % der gültigen Stimmen zu begnügen gehabt. Im Ausgang der im Frühjahr 1933 abgehaltenen Gemeinderats- bzw. – wie im Falle von Innsbruck – Gemeinderats-Ergänzungswahlen1051 spiegelt sich der weiter ungeminderte Trend hin zu den Na- tionalsozialisten wider. Sowohl aus den Wahlen in Landeck als auch Innsbruck ging die NSDAP als stimmenstärkste Partei hervor. In den niederösterreichischen Gemeinden Gmünd und Stein an der Donau kam sie jeweils nur knapp hinter den Sozialdemokraten zu liegen. Und auch in Heiden- reichstein und Stockerau stellten sich für die „Braunen“ Ergebnisse ein, die deutlich über jenen der Landtagswahl vom April 1932 lagen1052. Den Wahlerfolgen waren nationalsozialistische Mitgliederzuwächse vorangegangen. Im Zeitraum von September 1931 bis Jänner 1933 hatte sich ihr Mitgliederstand beinahe verdreifacht. Am 31. Jänner 1933 gehörten der NSDAP österreichweit – dabei mit deutlichen Schwerpunkten in Wien und Niederösterreich – 43.129 Personen an. Bis Mitte Juni desselben Jahres traten ihr weitere 25.336 Personen bei1053.

Dieser Mitgliederzuwachs, noch mehr aber die Erfolge der Nationalsozialisten bei den Lokalwahlen im Frühjahr 1933, ließen deren politische Konkurrenten neuerliche Wahlen verstärkt als Bedro- hung wahrnahmen – und dementsprechend reagieren: In Tirol nahm die Landesregierung einen Formfehler zum Anlass, die bereits ausgeschriebene Landtagswahl – angesetzt auf den 9. April 1933 – zu widerrufen. Um der „Gefahr“ einer alsbaldigen Neuwahl vorzubeugen, beschloss der Tiroler Landtag am 9. Mai 1933, die laufende Legislaturperiode zu verlängern1054. Einen Tag spä- ter, am 10. Mai 1933, erließ die österreichische Bundesregierung eine Notverordnung, der zufolge alle weiteren Wahlgänge auszusetzen waren. Des Weiteren schränkte die Bundesregierung den Handlungsspielraum ihrer politischen Gegner durch ein Verbot öffentlicher Versammlungen und Aufmärsche sowie die Zensur der Presse ein. Ebenfalls im Mai 1933 gab Bundeskanzler Dollfuß eine Verordnung heraus, die es regierungsfeindlichen Gruppen untersagte, in der Öffentlichkeit

1049 1932 waren in Österreich im Jahresdurchschnitt 468.000 Personen arbeitslos. Dies entsprach einer Arbeits losenquote von 21,70 % (vgl. Stiefel, Dieter, Arbeitslosigkeit, S. 29). 1050 Der am 10. April 1932 erfolgte zweite Wahlgang der Reichspräsidentenwahl endete zwar mit der Wieder- wahl Hindenburgs, bescherte aber auch Hitler mit über 13,4 Millionen Stimmen und 36,7 % einen veritablen Wahlerfolg. 1051 In Innsbruck fanden alle zwei Jahre Ergänzungswahlen statt. Bei diesen wurden jeweils die Hälfte der insgesamt 40 Mandate neu vergeben. 1052 vgl. Schausberger, Franz, Ins Parlament, um es zu zerstören, S. 182 – 189 1053 vgl. Pauley, Bruce F., Hahnenschwanz und Hakenkreuz, S. 164 1054 Getragen wurde dieser Gesetzesbeschluss von der „Tiroler Volkspartei“. Die Christlichsozialen, mit 26 von 40 Mandataren Mehrheitspartei im Tiroler Landtag, argumentierten damit, dass eine Neuwahl aufgrund der damit einhergehenden Wahlagitation eine unnötige Beunruhigung der Bevölkerung samt Beeinträchtigung der Fremdenverkehrssaison mit sich brächte und somit vermieden werden müsse. Sowohl Sozialdemokraten als auch Großdeutsche drängten dagegen auf sofortige Neuwahlen, vermochten mit dieser Forderung, da im Landtag lediglich mit neun bzw. zwei Abgeordneten vertreten, allerdings nicht durchzudringen (vgl. Schausber- ger, Franz, Ins Parlament, um es zu zerstören, S. 180). 164 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Uniformen und Abzeichen zu tragen. Letzteres gelang es den Nationalsozialisten zu umgehen1055. Am 10. Juni 1933 verhängte die Bundesregierung ein Verkaufsverbot für das „braune“ Parteiorgan, den „Völkischen Beobachter“1056. Spätestens mit dem am nächsten Tag erfolgten Mordanschlag auf den Führer der Tiroler Heimwehr, Richard Steidle1057 , trat der nationalsozialistische Terror in eine neue Phase ein. Die allem Anschein nach zentral gesteuerte Terrorwelle nahm bis dahin ungekannte Ausmaße an. Zudem richtete sie sich nicht mehr alleine gegen Objekte, sondern bewusst gegen Menschenleben1058. In Reaktion auf diese Entwicklung veranlasste die österreichische Bundesregierung die Verhaftung bekannter Nationalsozialisten. Binnen nur weniger Tage saßen 2.500 „braune“ Funktionäre ein1059. Die Ge- walt gelang es der Regierung damit allerdings nicht zu unterbinden: Am 19. Juni 1933 wurde eine Gruppe christlich-deutscher Turner – als Hilfspolizei trupp im Einsatz – in der Nähe von Krems zum Ziel eines von Nationalsozialisten verübten Handgranatenangriffs. Die Bilanz: 30 Verletzte. Von diesen mussten 17 ins Spital eingeliefert werden, davon drei mit lebensgefährlichen Verletzungen, denen einer nach zwei Wochen erlag. Noch am Tag des Anschlags beschloss der Ministerrat das Verbot der NSDAP einschließlich aller ihrer Unterorganisationen. Auf diese Weise gelang es der Bundesregierung zwar, die wichtigsten NS-Führer zu einer Emigration nach Deutschland zu ver- anlassen, nicht aber den „braunen“ Terror auf Dauer einzudämmen. Nachdem die „Landesleitung Österreich“ sowie die meisten Gauleitungen in München eingerichtet waren, fand der nunmehr von der bayerischen Landeshauptstadt aus gesteuerte Kampf der „Braunen“ gegen das österrei- chische Regime zwischen Oktober 1933 und Juli 1934 seine ungeminderte Fortsetzung1060. Erst das Scheitern des nationalsozialistischen Putschversuchs vom 25. Juli 1934 ließ die Terrorwelle abeb- ben. Von Seiten der Regierung erfolgte eine entschlossene Reaktion: Vermutlich mehrere Tausend Bundesheersoldaten kamen gegen die „Juliputschisten“ zum Einsatz. Zwischen 13.000 und 15.000 Personen wurden im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Umsturzversuch – zumindest kurzfristig – verhaftet, weitere 2.000 bis 3.000 fl ohen ins Ausland1061.

6.3.2.2 Vorarlbergs „Braune“ – einen Schritt hinterher In Vorarlberg endete die rund vier Jahre währende Spaltung des nationalsozialistischen Lagers 1930, indem mit Hard die letzte Ortsgruppe des NS-Vereins für Österreich zur NSDAP (Hitlerbe- wegung) übertrat1062. Allerdings: Erst im darauf folgenden Jahr vollzogen die Vorarlberger „Schulz- Nationalsozialisten“ ihren formalen Schlussstrich. In Bregenz etwa informierte deren zweiter Ortsgruppenobmann August Birkle die Behörden dahingehend, dass sich diese per Versammlungs- beschluss vom 5. September 1931 aufgelöst habe1063. Fortan gab es die Nationalsozialisten im

1055 Statt der verbotenen braunen Hemden bedienten sie sich anderer Dresscodes, die sie als Sympathisanten der NSDAP auswiesen. 1056 vgl. Pauley, Bruce F., Der Weg in den Nationalsozialismus, S. 105 f 1057 Für Steidle endete dieses Attentat mit einer schweren Verletzung des rechten Unterarmes. 1058 vgl. Bauer, Kurt, Elementar-Ereignis, 20 f 1059 vgl. Pauley, Bruce F., Der Weg in den Nationalsozialismus, S. 106 1060 vgl. Bauer, Kurt, Elementar-Ereignis, S. 21 1061 vgl. ebenda, S. 106 und 116 f 1062 vgl. Weber, Wolfgang, Zur Sozialstruktur der NSDAP im Klostertal 1938 – 1945, S. 11 1063 vgl. VLA, Vorarlberger Landesregierung, Abt. I a (1931), Zl.: 1.811 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 165

„Ländle“ nur mehr in der Ausprägung „Hitlerbewegung“. Einen ersten Anhaltspunkt bezüglich de- ren „Stärke“ bot der Ausgang der Nationalratswahl 1930. Obwohl die NSDAP entsprechend der Bedeutung, die Hitler diesem Urnengang beimaß1064, eifrig Wahlkampf betrieben hatte, erzielte sie am 9. November 1930 in Vorarlberg nur 881 Stimmen oder 1,14 % und damit ihr österreichweit zweitschlechtestes Landesergebnis1065. Dennoch zeigten die Vorarlberger Großdeutschen Respekt vor den Nationalsozialisten: Ein im Dezember 1930 verfasster Bericht sprach zwar von einer nur geringen Anhängerschaft der „Hit- lerbewegung“, betonte aber zugleich, dass sich diese nun zu „verbreitern“ trachte und folglich nicht unterschätzt werden dürfe. Zugleich attestierten die „Blauen“ ihren politischen Konkurrenten eine Kämpfermentalität. Diese halte die Nationalsozialisten „stets regsam“ und ließe für sie einen „beträchtlichen Aufschwung“ erwarten1066. Zudem sah Vorarlbergs großdeutscher Landesparteiob- mann Wehner die Jugend sich „in größerem Maße“ der NSDAP zuwenden1067. Deren Lage punkto eigener Redner und Führer stuften die Großdeutschen dagegen als schlecht ein, würde es den Vorarlberger Nationalsozialisten mit Ausnahme eines in seiner Heimatstadt Dornbirn angesehenen Bankbeamten – Anton Plankensteiner – doch gänzlich an solchen fehlen1068. Plankensteiner war es auch, der, nachdem sich die Tiroler Parteizentrale der NSDAP im Herbst 1930 für die Errichtung eines eigenen Vorarlberger Bezirksverbandes entschieden hatte, gemeinsam mit Hugo Elsensohn mit dem Aufbau der Partei im „Ländle“ betraut wurde1069. Deren Bemühungen – ab Herbst 1931 von einem insgesamt im „Westgau“1070 einsetzenden Auf- schwung begünstigt – blieben nicht wirkungslos: Hatte die nationalsozialistische Organisation in Vorarlberg Anfang 1931 lediglich 183 Personen umfasst, gehörten dieser im Mai/Juni 1932 deren 550 an. Trotz dieser Verdreifachung der Mitgliederzahl blieb die west lich ste NS-Landesorganisati- on eine im bundesweiten Vergleich marginale Größe. Mit 550 Personen stellte Vorarlberg zu dieser Zeit nur 2,12 % der österreichweit organisierten NS-Mitglieder1071. Im Jänner 1933 veröffentlichte das „braune“ Presseorgan eine Liste, die 111 Bezirke ihrer NS-Präsenz entsprechend reihte. Bre- genz scheint dort auf Position 81, Feldkirch an 86. Stelle und Bludenz auf Platz 104 auf1072. Im April/ Mai 1933 schrieb der „Rote Adler“ von großen Erfolgen, die Vorarlbergs „Braune“ bei der Erweite-

1064 Hitler soll dieser Wahl größte Bedeutung beigemessen haben, da er sich vom allfälligen Gewinn eines Nationalratsmandats eine propagandistische Wirkung und einen Prestigegewinn erwartete. Von beidem ver- sprach er sich eine Förderung der Entwicklung seiner Partei in Deutschland (vgl. Starhemberg, Ernst Rüdiger, Die Erinnerungen, S. 93 f). 1065 vgl. Vogel, Bernd, Zwischen Konkurrenz und Kooperation, S. 273 1066 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: „Bericht aus Vorarlberg“ vom 16. Dezember 1930 1067 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 23. Dezember 1930, S. 2 1068 vgl. ÖStA, A.d.R., GDVP, Kt. 31 / R I – 8: „Bericht aus Vorarlberg“ vom 16. Dezember 1930 1069 vgl. Weber, Wolfgang, Die Alpenstadt und die Nazi, S. 43 1070 Salzburg, Tirol und Vorarlberg wiesen noch Ende der 1920er Jahre nur wenige NS-Parteimitglieder auf. Daher fassten die Nationalsozialisten die drei Bundesländer organisatorisch im sogenannten „Westgau“ zu- sammen. Der parteiinterne Verwaltungsbezirk der „Braunen“ bestand von 1928 bis 1932 (vgl. Pauley, Bruce F., Der Weg in den Nationalsozialismus, S. 56). Mit Anordnung vom 27. April 1932 schied Salzburg aus dem „Westgau“ aus. Das „Ländle“ bildete fortan zusammen mit Tirol den „Gau Tirol-Vorarlberg der NSDAP Hitler- bewegung“ (vgl. Handlechner, Siegfried, Die Entwicklung des Nationalsozialismus in Vorarlberg bis zum März 1938, S. 68). 1071 vgl. Vogel, Bernd, Zwischen Konkurrenz und Kooperation, S. 274 1072 vgl. Roter Adler,, 28. Jänner 1933, S. 12 166 | Deutschnationalismus in Vorarlberg rung ihres Stützpunkt1073- und Ortsgruppennetzes zu erzielen vermocht hätten. So sollen im „Ländle“ in nur vier Wochen 18 neue NS-Ortsgruppen entstanden sein, davon zehn im Bezirk Bregenz, fünf in Bludenz und drei in Feldkirch1074 . Im Mai 1933 war im nationalsozialistischen Presseorgan von weiteren Stützpunktgründungen in Nenzing , Schlins , Frastanz und Fußach zu lesen1075. Zudem sol- len die bereits bestehenden Ortsgruppen des Unter- und Oberlandes durch Neuanmeldungen ihre Mitgliederzahlen in kurzer Zeit verdoppelt haben1076. Diese Darstellung dürfte allerdings weniger dem Faktischen als vielmehr dem Wunsch entsprungen sein. Die Intention, über die Darstellung der NSDAP als unwiderstehliche Massenbewegung deren Attraktivität zu steigern und so weite- ren Mitgliederzuwachs zu generieren, wird ein Übriges zum Erscheinen dieser Erfolgsmeldungen beigetragen haben. Ob ihnen daraus tatsächlich ein positiver Mitgliedereffekt erwuchs, muss da- hingestellt bleiben. Dass die vom „Roten Adler“ publizierten Übertreibungen auf die Exekutive und deren im Juni 1933 vorgenommene Beurteilung der nationalsozialistischen Stärke einen gewissen Einfl uss hatten, liegt dagegen nahe – Berichte mehrerer Vorarlberger Gendarmerieposten mit un- glaubwürdig hohen NS-Mitgliederzahlen lassen darauf schließen. Diesen zufolge soll alleine der Bezirk Feldkirch exklusive Dornbirn zwischen 2.083 und 2.233 eingeschriebene NS-Parteimitglieder gezählt haben1077. Zu diesen hinzu kamen jene der Stadt Dornbirn, beziffert mit 4.000 bis 8.0001078. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass den Vorarlberger NS-Ortsvereinen im Juni 1933 zirka 1.000 Personen angehörten. Die Mitgliederentwicklung der „braunen“ Ortsgruppe Dornbirn – sie erfuhr im Zeitraum Juni 1932 bis Juni 1933 einen Zuwachs von 76 %1079 – lässt eine solche Größen- ordnung realistisch erscheinen, ebenso ein Blick auf die gesamtösterreichische Entwicklung der Nationalsozialisten: Hier belief sich deren Steigerungsrate zwischen Jänner 1933 und Juni 1933 auf 60 %1080.

6.3.2.3 Das Ende „grüner“ Zurückhaltung Gleich wie in den 1920er Jahren war die GDVP auch in den ersten Jahren des folgenden Jahrzehnts an Kooperationen mit den deutschnationalen Konkurrenzparteien interessiert. Die zunehmende Stärke der Nationalsozialisten, infolge derer sie zu einer Bedrohung für den Bestand der Groß- deutschen wurden, ließ die „Blauen“ aber auch kritische Töne gegenüber dem aufstrebenden Kon- trahenten anschlagen. Im Fokus der folgenden Ausführungen steht aller dings das Verhältnis des Landbundes zur NSDAP, dies insbesondere deshalb, da sich in dieser Hinsicht ein Wandel vollzog.

1073 Von „Stützpunkten“ sprachen die Nationalsozialisten im Zusammenhang mit Ortsgruppen, die nur einen ge ringen, zumeist einstelligen, Mitgliederstand aufwiesen. 1074 vgl. Roter Adler, 20. April 1933, S. 8 1075 vgl. ebenda, 21. Mai 1933, S. 12 1076 vgl. ebenda, 16. April 1933, S. 10 1077 In Lustenau sollen 800 bis 900 Personen Mitglieder der NSDAP gewesen sein, in Feldkirch 400, Götzis 300 und Rankweil zwischen 250 und 300. Des Weiteren spricht der Bericht der Exekutive von 180 NSDAP- Mitgliedern in Hohenems , 70 in Weiler , 40 in Sulz -Röthis , 30 in Klaus und 13 in Mäder. 1078 Die Gendarmerie vermerkte zu den Zahlen von Dornbirn, dass die Anzahl der eingeschriebenen Parteimit- glieder nicht eruiert werden konnte (vgl. VLA, BH Feldkirch, Abt. III – 12 (1937), Schachtel 1.221, Untermappe: Überwachung der NS). Bei der Schätzung dürften neben Mitgliedern damit auch Anhänger der NSDAP berück- sichtigt worden sein. 1079 vgl. Albrich, Thomas; Meixner, Wolfgang, Zwischen Legalität und Illegalität, S. 160 1080 vgl. Pauley, Bruce F., Hahnenschwanz und Hakenkreuz, S. 164 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 167

6.3.2.3.1 Raue Töne Während der Landbund die Nationalsozialisten in den 1920er Jahren noch weitgehend ignoriert hatte, wurden sie nunmehr vermehrt zum Thema „grüner“ Ausführungen. Der Zustand, in dem sich Österreichs nationalsozialistische Gruppierungen 1930 präsentierten, ließ die „Grünen“ ihre politi- schen Konkurrenten noch nicht als ernste Bedrohung für den eigenen Bestand wahrnehmen. Dem- entsprechend wohlwollend gestand der Landbund der „Hitlerbewegung“ nur wenige Tage vor der Nationalratswahl am 9. November 1930 zu, mit der Zusammenfassung der von gleichen Standesin- teressen beseelten Volksgenossen ein ähnliches Ziel zu verfolgen. Hierdurch glaubte der Landbund in den „Braunen“ keinen Feind sehen zu müssen. Stattdessen begrüßte er die „Hitlerbewegung“ als „sehr wünschenswerten Helfer“. Mit ihr würde es „endlich“ möglich, das national-freiheitliche städtische Bürgertum zusammenzufassen. Auch die Ausführungen der Nationalsozialisten zur Landwirtschaft und Bedeutung des Landvolkes beurteilten die „Grünen“ generell positiv – mit einer gravierenden Ausnahme: deren Einstellung zum Privateigentum1081.

Aus der Nationalratswahl 1930 gingen die Nationalsozialisten noch als Kleinpartei hervor. Die wei- ter schwierige Wirtschaftslage und die damit einhergehende Radikalisierung – von der NSDAP „besser“ bedient als von den etablierten Parteien –, die daraus resultierende Stärkung der „Brau- nen“ in Deutschland sowie die straffere Organisation und deren positive Mitgliederentwicklung in Österreich mussten dem Landbund die Nationalsozialisten zunehmend als Gefahr erscheinen lassen. Der merklich verschärfte Ton, den die „Grünen“ gegenüber dem deutschnationalen Kon- kurrenten ab Ende 1931 anschlugen, ist als Reaktion darauf zu verstehen. Wesentlich zu dieser Verschärfung trug auch bei, dass sich die Nationalsozialisten, nun anschickten, um die Gunst der Bauern zu buhlen. Hintergrund dessen war die nationalsozialistische Überzeugung, dass, sollte es ihnen gelingen, die Landwirte in ihrer Masse zu erfassen, sie den Staat in der Hand haben würden1082. In einem Artikel, betitelt mit „Die braunen Sozi als Bauernfänger entlarvt“, brachte das „grüne“ Parteiorgan dem Leser eine Vollzugsanweisung der Nationalsozialisten zur Kenntnis: Die- ser zufolge sollten Bauernversammlungen mit versierten NS-Rednern beschickt werden und diese sich dort in Szene setzen. Zudem sollten die bäuerlichen Zusammenkünfte mit Propagandamaterial überfl utet werden. Des Weiteren wurden die Nationalsozialisten dazu angehalten, insbesondere in Regionen mit derartigen Veranstaltungen eine rege Versammlungstätigkeit zu entfalten, um so Landwirte für die Partei oder die NS-Bauernschaft zu gewinnen1083. Eine Reaktion auf dieses Wil- dern im landbündlerischen Wähler-„Gehege“ blieb nicht aus: Keinen Monat später ritt Vorarlbergs „grüner“ Landesparteiobmann Peter eine heftige Attacke gegen die NSDAP. Peter warf ihr vor, Phrasen aufzutischen, die an „wilde Phantasien“ erinnerten. Auch versuchte er die Nationalsozia- listen zu diskreditieren, indem er ihnen vorwarf, fi nanziell von Hohenzollern sowie „schwerreiche(n) Industrielle(n)“ unterstützt zu werden1084. Damit war ein Konfl ikt aufgebrochen, der, da die Nationalsozialisten weiter um Zuspruch von bäu- erlicher Seite warben, fortbestand. Im Winter 1931/1932 sollen die „Braunen“ hierfür in ländlichen Gegenden mit einer Zeitung und einem Flugblatt „reichlich Propaganda“ betrieben haben1085. Die

1081 vgl. Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenblatt des Landbundes, 23. Oktober 1930, S. 2. f 1082 vgl. Pauley, Bruce F. Der Weg in den Nationalsozialismus, S. 98 1083 vgl. Landpost, 28. November 1931, S. 1 1084 vgl. ebenda, 26. Dezember 1931, S. 3 1085 vgl. ebenda, 27. Februar 1932, S. 1 168 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Landbündler ihrerseits attackierten den Konkurrenten mit dem Vorwurf, „sozialistisch“ zu sein. Des- sen Hauptaufgabe sei es, die Verbrauchermasse zu vertreten. Punkt 17 im Parteiprogramm würde dies zum Ausdruck bringen. Hitlers Ergänzung hierzu – eine deutliche Abmilderung der im NS- Programm enthaltenen Enteignungsklausel1086 – blieb im Vorfeld der Landtagswahlen im April 1932 in Wien , Niederösterreich und Salzburg zwar nicht unerwähnt, wurde von den „Grünen“ aber als ungenügend klassifi ziert. Sie schlossen hieraus, dass die NSDAP von Landwirten nicht gewählt werden könne1087.

Der Ausgang der Landtagswahlen im April 1932, zu denen die „Grünen“ in Niederösterreich und Salzburg, nicht aber in Wien antraten, legt nahe, dass mancher ihrer vormaligen Wähler diese Auf- fassung nicht teilte: In Niederösterreich kam der Landbund auf 1,28 %1088 – im Vergleich zur Land- tagswahl 1927 ein Minus von 1,61 %. In Salzburg blieb ein ähnlicher Aderlass für die Landbündler dagegen aus. Die Aprilwahl 1932 brachte ihnen 6,35 % und damit ein Ergebnis, das lediglich 0,68 % unter jenem der Landtagswahl 1927 lag. Im Vergleich zur Nationalratswahl 1930 hatten sie gar ein Plus von 0,86 % zu verzeichnen. Obwohl damit einigermaßen stabil, verloren sie – gleich wie in Niederösterreich – ihr einziges Landtagsmandat. Gleich dem Landbund nach dem Urnengang 1932 in keinem der beiden Landtage mehr vertreten: die GDVP. „Grüne“ und „Blaue“ darob in einen Topf zu werfen, für beide unisono festzustellen, sie wären „völlig aufgerieben“1089 worden, erscheint dennoch nicht angebracht. Dabei wird negiert, dass die „Fallhöhe“ der Großdeutschen eine un- gleich größere als für die Landbündler war. Die „Grünen“ büßten in Niederösterreich und Salzburg jeweils ein Mandat ein, die GDVP dagegen fünf1090 bzw. drei Sitze1091.

Während der Ausgang der Landtagswahlen im Frühjahr 1932 für die Großdeutschen einem schwe- ren Niederschlag gleichkam, von dem sie sich in der Folge nicht mehr erholten, war der Landbund mit einem blauen Auge davongekommen. Dessen ungeachtet: Auch den „Grünen“ war durch die nationalsozialistischen Erfolge, insbesondere in Niederösterreich und Salzburg, aber auch Wien 1092,

1086 Seine Ergänzung zum davor für unabänderlich erklärten Parteiprogramm erfolgte am 18. April 1928. Darin stellte er fest, dass die NSDAP sehr wohl auf dem Boden des Privateigentums stehe und der Passus der unent- geltlichen Enteignung sich „in erster Linie gegen die jüdischen Grundspekulationsgesellschaften“ richte (vgl. Klepsch, Thomas, Nationalsozialistische Ideologie, S. 151 f und Manstein, Peter, Die Mitglieder und Wähler der NSDAP 1919 – 1933, S. 63). 1087 vgl. ebenda, 5. März 1932, S. 2 1088 Diese wie auch die nachfolgenden Zahlen dieses Kapitels sind der Habilitationsschrift von Schausberger entnommen (vgl. Schausberger, Franz, Ins Parlament, um es zu zerstören, S. 151 und 159) oder das Ergebnis eigener, auf dem dortigen Zahlenmaterial basierenden Berechnungen. 1089 Schausberger kommentiert den Ausgang der Landtagswahlen im April 1932 auf diese Weise (vgl. Schaus- berger, Franz, Die Landtagswahlen des Jahres 1932 und ihre Folgen, S. 115). 1090 1927 waren die Großdeutschen zusammen mit den Christlichsozialen zur Landtagswahl angetreten. Die „blaue“ Ausbeute: besagte fünf Mandate. 1091 vgl. Schausberger, Franz, Ins Parlament, um es zu zerstören, S. 149 und 159 1092 Im Vergleich zur Nationalratswahl im November 1930 waren den Nationalsozialisten in allen drei Bundes- ländern erdrutschartige Stimmenzuwächse beschieden. In Niederösterreich, wo sie sich Ende 1930 mit 4,20 % der Stimmen zu begnügen gehabt hatten, votierten eineinhalb Jahre später 14,14 % für die „Braunen“. In Salzburg entfi elen statt 3,73 % nunmehr 20,81 % der Stimmen auf die Nationalsozialisten und in Wien konn- ten sie ihren Stimmenanteil binnen dieser knapp 18 Monate von 2,30 % auf 17,39 % steigern (vgl. ebenda, S. 133, 151 und 159). 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 169 deutlich vor Augen geführt, dass ihnen mit den „Braunen“ eine ernsthafte Bedrohung für den eige- nen Bestand erwachsen war.

6.3.2.3.2 Ein bedeutender Wahlgang Auf die Anfänge der Weltwirtschaftskrise hatte die österreichische Bundesregierung noch mit wirt- schafsstimulierenden Investitionen reagiert. In den folgenden Jahren nahm sie – auch auf Druck des Auslandes – hiervon Abstand. Stattdessen fuhr sie einen Defl ationskurs. Infolge der ausgaben- seitigen Sparmaßnahmen der Regierung verschärfte sich die Industriekrise. Damit einher ging ein drastischer Anstieg der Arbeitslosenrate1093. Hatte diese 1929 noch bei 8,8 % gelegen, war sie bis 1932 auf 21,7 % angestiegen. Alleine von 1931 auf 1932 erhöhte sich die Zahl der in Österreich Arbeitlosen von 334.000 auf 468.000 – ein Plus von 40.1 %1094. Obwohl die Zentren der Arbeitslo- sigkeit jenseits des Arlbergs, insbesondere in den Industrievierteln im Wiener Raum, in der Ober- steiermark und Kärnten, lagen1095 – die Krise hinterließ auch im „Ländle“ deutliche Spuren: Waren in wirtschaftlich guten Zeiten in Vorarlberg 32.000 bis 33.000 Vollbeschäftigte gezählt worden, so sank deren Zahl bis zum Jänner 1933 auf 18.571. Ihnen gegenüber standen 9.100 unterstützte Arbeitslose sowie einige Tausend, die keine Unterstützung erhielten. Vorarlbergweit verfügten zu dieser Zeit zirka 13.000 Personen über kein ge re geltes Einkommen1096.

Die Voraussetzungen für die Nationalsozialisten, auch in Vorarlberg bei Wahlen zu reüssieren, wa- ren damit günstig. Dennoch brachten 20 christlichsoziale Landtagsabgeordnete am 27. Septem- ber 1932 den Antrag auf vorzeitige Aufl ösung des XIII. Vorarlberger Landtages ein1097 – am darauf folgenden Tag war dieser beschlossen. Auch die Landbund-Abgeordneten Nachbaur und Rudigier hatten dem Antrag zugestimmt1098. Dies hielt die „Grünen“ in weiterer Folge jedoch nicht davon ab, der CSP wegen der von ihr initiierten Aufl ösung des Landtages Vorhaltungen zu machen1099. Diesem Urnengang kam für die „Grünen“ große, weit über die Vorarlberger Landesorganisation hinausreichende Bedeutung zu. Die Ergebnisse der im April 1932 abgehaltenen Landtagswahlen in Niederösterreich und Salzburg hatten es auch öffentlich wahrnehmbar werden lassen: Der Stern des Landbundes war im Sinken begriffen. Ein gutes Abschneiden bei der Vorarlberger Landtagswahl bot ihm die Aussicht, diesen Negativtrend, wenn schon nicht zu stoppen, so zumindest einzudämmen.

1093 vgl. Feurstein, Christian, Wirtschaftsgeschichte Vorarlbergs von 1870 bis zur Jahrtausendwende, S. 34 f 1094 vgl. Butschek, Felix, Die österreichische Wirtschaft im 20. Jahrhundert, S. 223 1095 vgl. Feurstein, Christian, Wirtschaftsgeschichte Vorarlbergs von 1870 bis zur Jahrtausendwende, S. 35 1096 vgl. Nägele, Hans, Das Textilland Vorarlberg, S. 180 1097 vgl. Vorarlberger Volksblatt, 28. September 1932, S. 1 1098 vgl. Vorarlberger Landtag, Stenographische Sitzungsberichte, 7. Sitzung am 28. September 1932, S. 113 und 128, sowie: Landpost, 1. Oktober 1932, S. 4 1099 Der reguläre Termin für die nächste Landtagswahl lag im Frühjahr 1933. Damit hätte diese genau oder annähernd zur gleichen Zeit wie die Bundeswahl stattgefunden. Um nicht Gefahr zu laufen, dass sich die schlechte Stimmung auf Bundesebene negativ auf ihr Abschneiden in Vorarlberg auswirke, hätten die Christ- lichsozialen die Landtagswahl vorverlegt – „deshalb, und nur deshalb“, so die Ansicht des Vorarlberger Land- bundes (vgl. Landpost, 15. Oktober 1932, S. 3). Dass ihnen nicht daran gelegen war, die beiden Wahlen gleich- zeitig oder in rascher Abfolge abzuhalten, gaben die Christlichsozialen unumwunden zu. Überdies begründeten sie ihren Vorstoß damit, dem Volk in Notzeiten einen langen Wahlkampf ersparen zu wollen (vgl. Vorarlberger Volksblatt, 1. Oktober 1932, Beilage „Am Webstuhl der Zeit“, o.S.). 170 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Andererseits drohte bei einem abermals schlechten Er- gebnis die Gefahr einer Beschleunigung der ungünstigen Entwicklung.

Am 2. Oktober 1932 traf sich Vorarlbergs „grüne“ Lan- desparteileitung in Feldkirch , um die Weichen für den an- stehenden Urnengang zu stellen. Der Beschluss für eine Alleinkandidatur erfolgte einstimmig. Die Kandidatenkür wurde Bezirksdelegiertentagen übertragen. Diese soll- ten am 16. Oktober 1932 vonstatten gehen. Als für den Wahlkampf zentrale Gremien richtete der Vorarlberger Landbund einen engeren und weiteren, mit den nötigen Vollmachten ausgestatteten Wahlausschuss ein1100. Die „grüne“ Bundespartei entsandte – damit der Bedeu- tung der Wahl entsprechend – eine größere Zahl von pro- minenten Wahlrednern ins „Ländle“: Vizekanzler Winkler trat im Hotel „Löwen“ in Schruns und im Feldkircher 1101 Abb. 11: Franz Winkler, „grüner“ Innenminis- „Saalbau“ auf . Auch Bundesminister Bachinger und ter 1930 bis 1932 und Vizekanzler 1932 bis etliche Nationalratsabgeordnete des Landbundes hielten 1933 (Copyright Parlamentsdirektion) Wahlkampfveranstaltungen ab1102.

Im Wahlkampf präsentierten sich die „Grünen“ als Wirtschaftspartei, ernannten sich selbst zur Partei der Sparsamkeit und Steuerzahler, zur „Partei des schaffenden Volkes“. Der Verwaltungsap- parat – ob im Bund oder auf Landesebene – galt ihnen als zu kompliziert und teuer. Der Landbund forderte, dem mit einer durchgreifenden Verwaltungs- und Steuerreform ein Ende zu setzen1103. Zudem trat er in der Wahlauseinandersetzung als Kämpfer gegen den Zinswucher auf: Obwohl die „Grünen“ diesbezüglich im Nationalrat Erfolge erzielt hätten, würden sowohl Landwirtschaft als auch Gewerbe weiterhin unter einem „die Wirtschaft erschlagenden hohen Zinsfl uß“ leiden. Die Hauptschuld an dieser Misere trug für die Landbündler der Nationalratspräsident und vormalige christlichsoziale Finanzminister Kienböck 1104. Der Landbund warf den „Schwarzen“ überdies vor, kaum Wirtschaftspolitik zu betreiben. Solche würde von ihnen nur gemacht, wenn andere sie dazu zwängen, oder die eigene, jedoch „lammfromme Wählerschaft“ aufzubegehren begänne. Stattdes- sen stelle die CSP bewusst die Religion in den Dienst der Politik und betreibe gehässige Parteipo- litik1105. Daneben sollten auch kritische Kommentare zur Zusammensetzung der christlichsozialen Wahlwerberliste potentielle Landbund-Wähler von einer Stimmabgabe zugunsten der Vorarlberger Mehrheitspartei abhalten. Landbündlerischen Ausführungen zufolge schienen Vertreter von Land- wirtschaft und Gewerbe auf den aussichtsreichen Listenplätzen der CSP nur unzureichend auf. Die beiden Wirtschaftszweige stuften sie als von dieser „stiefmütterlich“ behandelt ein1106. Diese

1100 vgl. Landpost, 15. Oktober 1932, S. 4 1101 vgl. ebenda, 29. Oktober 1932, S. 1f 1102 vgl. ebenda, 29. Oktober 1932, S. 2 und 5. November 1932, S. 2 1103 vgl. ebenda, 1. November 1932, S. 3 f 1104 vgl. ebenda, 29. Oktober 1932, S. 5 1105 vgl. ebenda, 22. Oktober 1932, S. 3 1106 vgl. ebenda 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 171

Einschätzung war allerdings vor allem der Vorwahlzeit geschuldet – die nackten Zahlen vermitteln einen anderen Eindruck 1107. Dessen ungeachtet betitelten die „Grünen“ die CSP mehrfach als Partei der Advokaten, Doktoren und Professoren1108. Besonders heftig fi el ihre Kritik an der „schwarzen“ Wahlwerberliste des Wahlkreises Bludenz aus. Die ersten vier Plätze1109 auf der christlichsozialen Wahlwerberliste würden von je einem Gewerbevertreter, Präsidenten, Doktor und Elektriker einge- nommen – an einem „richtigen“ Bauern mangle es dagegen. Den Zweitgereihten, den Präsidenten der Bauernkammer, Karl Zerlauth, wollte die Landbund-Presse nicht als Bauern gelten lassen, da dieser, von ihr als „Parteibuchbeamter“ tituliert1110, „(...) alles verpachtet und höchstens noch eine alte Ziege im Stall hat (...)“1111. Nebst der berufl ichen Zusammensetzung bot dem Landbund die regionale Herkunft der „schwarzen“ Kandidaten Anlass für Kritik. Einen Montafoner erst an dritter Stelle, überdies Frühmesner, wertete er als nicht adäquate Vertretung der dortigen Bergbauern. „Gerade dieses Tal hätte eines selbsttä- tigen Wirtschaftsvertreters bedurft, was aber anscheinend die schwarzen Hochkonjunkturpolitiker nicht zu wissen scheinen“1112, so das „grüne“ Fazit zum christlichsozialen Konkurrenzvorschlag. Der Landbund selbst zog mit dem im Bezirk Bludenz erstgereihten Schrunser Land- und Gastwirt sowie Sägewerksbesitzer Alwin Juen in den Kampf um seine Stammregion und Hochburg Monta- fon. Insgesamt kamen fünf der zehn „grünen“ Kandidaten jenes Bezirks aus Vorarlbergs südlichster Talschaft. Die Landbündler attestierten sich selbst sehr wohlwollend, damit die Missachtung der Christlichsozialen für die Montafoner Bauernschaft „gut gemacht“ zu haben1113.

Daneben brüstete sich der Landbund im Wahlkampf mit Verdiensten, die er im Zusammenhang mit der Lausanner Anleihe erworben habe. „Die große Partei der Christlichsozialen hätte Österreich der Geld- und Machtgier Frankreichs ausgeliefert, die Großdeutschen haben wie immer versagt, die Sozialdemokraten machen unehrliche Politik, die Nationalsozialisten schimpfen, kritisieren, bellen, ohne etwas zu leisten“1114. Alleine den von ihm erhobenen und durchgesetzten Forderungen sei es zu verdanken, dass Österreich vor schweren wirtschaftlichen und nationalen Schäden bewahrt worden sei. Neben dem erneuten Angriff auf die CSP versuchten die „Grünen“ auf diese Weise, sich gegenüber der deutschnationalen Konkurrenz, der das Thema „Lausanner Anleihe“ als Angriffsfl äche diente, schadlos zu halten. Ihr „spezieller Kampf“ – so die Diktion der Landbündler – galt den Nationalso- zialisten. Den „grünen“ Ausführungen zufolge handelte es sich bei der NSDAP um eine gewissen- lose, verleumderische und verlogene Partei. Auch die Bezeichnungen „braune Falschspieler“ und

1107 23 der insgesamt 43 christlichsozialen Wahlwerber, und damit 53,49 %, sind den Berufszeigen Land- wirtschaft und Handel/Gewerbe zuzuordnen. Von den sechs Parteien, die zur Vorarlberger Landtagswahl 1932 antraten, konnte nur der Landbund selbst mit in dieser Hinsicht höheren Zahlen aufwarten. Bei ihm waren 33 der 35 Kandidaten – dies entspricht 94,28 % – in den Bereichen Landwirtschaft, Handel und Gewerbe tätig (vgl. Schausberger, Franz, Ins Parlament, um es zu zerstören, S. 214). 1108 vgl. Landpost, 1. November 1932, S. 3 1109 Dabei handelte es sich um jene Zahl an Mandaten, die die Christlichsozialen bei der letzten Landtagswahl – jener vom 18. März 1928 – im Wahlbezirk Bludenz erreicht hatten. 1110 vgl. Landpost, 1. November 1932, S. 3 1111 ebenda, 22. Oktober 1932, S. 3 1112 ebenda 1113 vgl. ebenda 1114 ebenda, 1. November 1932, S. 6 172 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

„braune Volksbetrüger und Betörer“ verwandte der Landbund im Zusam- menhang mit den Nationalsozia- listen. Deren Nationalbewusstsein wurde in Frage gestellt, ihre Leistun- gen in Deutschland als „nichts als ein Haufen brauner Dreck“ bezeichnet.

Ferner griffen die Landbündler die NSDAP – wie in früheren Jahren – wegen ihrer angeblich zweifel- haften Einstellung zum Privatei- gentum an1115. Diese verspräche planmäßige Wirtschaft, ein klein wenig Sozialismus und ein bisschen Enteignung, so das „grüne“ Presse- organ1116. Widersprüchlichkeiten in der NS-Agitation wollten sie in den Bereichen Besoldung der Beamten, Parlamentarismus, Religion, Antise- Abb. 12: Wahlwerbung des Landbundes zur Landtagswahl 1932 mitismus, Frauen und Bekenntnis- (Landpost, 29. Oktober 1932, S. 3) schulen ausgemacht haben1117. Der Wahlkampf, den die Landbündler vorwiegend zu Angriffen auf Nationalsozialisten und Christlichsoziale nutzten, fand am 6. Novem- ber 1932 sein Ende.

Am Wahltag votierten 5.315 Vorarlberger für den Landbund. Damit erhielt er 6,96 % der gültigen Stimmen – gegenüber der letzten Landtagswahl ein Minus von 2,66 %. Die „Grünen“ wollten die- ses Ergebnis, gerade weil errungen nach einem „schweren Zweifrontenkampf“ und gegen heftige Angriffe von Christlichsozialen und Nationalsozialisten, als Beweis für ihre feste Verankerung im „Ländle“ verstanden wissen1118. Für die Großdeutschen war der Landbund dagegen lediglich mit einem „blauen Auge“ davon gekommen.1119 Von seinen zwei 1928 errungenen Mandaten vermoch- te er jenes des Wahlbezirks Feldkirch zu verteidigen – das Bludenzer Mandat ging ihm dagegen verloren. Die aus Sicht der „Grünen“ größten Kontrahenten um Wählerzuspruch, Christlichsoziale und Na- tionalsozialisten, erhielten 43.346 bzw. 8.033 Stimmen. Die CSP kam damit auf 56,75 % – im Ver- gleich zur letzten Landtagswahl ein Minus von 2,71 %. In einer ersten Reaktion meinten die Christ- lichsozialen, „keine Ursache“ zu haben, mit dem Wahlergebnis „unzufrieden“ zu sein – immerhin

1115 vgl. ebenda, 22. Oktober 1932, S. 3 1116 vgl. ebenda, 1. November 1932, S. 2 1117 vgl. ebenda, 5. November 1932, S. 3 1118 vgl. ebenda, 12. November 1932, S. 1 1119 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 7. November 1932, S. 1 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 173 sei es ihnen gelungen, ihre Zweidrittelmehrheit im Landtag zu verteidigen1120. Wenige Tage später fühlte sich das „schwarze“ Parteiblatt jedoch bemüßigt, den christlichsozialen Ortsparteileitungen die Ursachenforschung für die Verluste und die große Zahl an leeren Stimmzetteln zur Aufgabe zu machen: „Wenn auch nicht alles geändert werden kann, so wird sich vielleicht doch noch he- rausstellen, daß da und dort Fehler gemacht wurden.“1121 Insgesamt dürfte bei der CSP vor allem Erleichterung vorgeherrscht haben, Erleichterung darüber, dass ihre Verluste an die Nationalsozia- listen bescheiden ausgefallen waren. Laut Schätzungen verlor sie zwischen 2 %1122 und 4 %1123 ihrer vormaligen Wähler an die NSDAP. Den Gewinn von zwei Mandaten für die „Braunen“1124, statt „(...) 4, 5 oder 6, wie manche träumten und weissagten (...)1125, nannten die Christlichsozialen ein „klägliche(s) Resultat“1126. Ähnlich der Kommentar von Seiten des Landbundes: Für ihn blieben die Hoffnungen der „Hitler -Sozi“ unerfüllt. Trotz ungeheurem Aufwand an Geld und Mühen wäre es ihnen nicht gelungen, ihr Ziel auch nur annähernd zu erreichen1127. Tatsächlich blieben die Nationalsozialisten in Vorarlberg mit 10,52 % hinter ihren Ergebnissen von den Landtagswahlen im April 1932 zurück. In Wien , Niederösterreich und Salzburg waren sie – wie bereits erwähnt – auf einen durchschnittlichen Wähleranteil von 16,35 % gekommen. Dieser nationalsozialistische „Trendknick“ lässt sich darauf zurückführen, dass Vorarlberg – mit Tirol und dem Burgenland1128 – zu den strukturell schwierigsten Terrains für die NS- DAP zählte. Hierdurch setzte die Aufwärtsentwicklung bei den Vorarlberger „Braunen“, verglichen mit der anderer NS-Landesorganisationen, erst zeitlich verzögert ein1129. Zudem ist der kurzzeitige generelle Trend weg von den Nationalsozialisten, der sich auch im Resultat der deutschen Reichs- tagswahl – ebenfalls am 6. November 1932 abgehalten – niederschlug, mitzudenken. Und dennoch: Für die Vorarlberger NSDAP markierte die Landtagswahl 1932 den Durchbruch. Im Vergleich zur zwei Jahre zurückliegenden Nationalratswahl hatte sich ihr Stimmenanteil mehr als verneunfacht. In der Folge sei nochmals – und diesmal eingehender – das Abschneiden der Landbündler betrach- tet: Im Vergleich zur letzten Landtagswahl konnte der Landbund in einem Viertel der Vorarlberger Gemeinden an Stimmen zulegen, in 5 % die gleiche Stimmenzahl erreichen. Im Gros der Orte, näm- lich 70 %, hatte er einen Stimmenrückgang zu verzeichnen. Vorarlbergweit büßten die „Grünen“ 2.022 Stimmen ein. Die schwersten Verluste hatte der Landbund im Wahlkreis Bregenz zu verzeichnen. In seiner von jeher schwächsten Region verlor er nochmals 831 Wähler. Damit sank sein Stimmenanteil, der 1928 bei 7,23 % gelegen hatte, auf 4,34 %. Für die „Grünen“ ungleich positiver fi el das Ergebnis im Wahlbezirk Feldkirch aus. Für sie, auf die im März 1928 3.256 Stimmen entfallen waren, votierten

1120 vgl. Vorarlberger Volksblatt, 7. November 1932, S. 1 1121 ebenda, 11. November 1932, o.S. 1122 vgl. Hänisch, Dirk, Wahlentwicklung und Wahlverhalten in der Ersten Republik, S. 500 1123 vgl. Wanner, Gerhard, Vorarlberg, S. 1.024 1124 Die Nationalsozialisten erzielten in den Bezirken Bregenz und Feldkirch jeweils ein Mandat. Beide Man- date waren gut abgesichert. Im Bezirk Bregenz lagen sie mit ihrem Ergebnis 854 Stimmen über der Wahlzahl, im Bezirk Feldkirch 988 Stimmen. 1125 Vorarlberger Volksblatt, 7. November 1932, S. 1 1126 ebenda 1127 vgl. Landpost, 12. November 1932, S. 1 1128 vgl. Hänisch, Dirk, Die österreichischen NSDAP-Wähler, S. 107 1129 vgl. Hänisch, Dirk, Wahlentwicklung und Wahlverhalten in der Ersten Republik, S. 491 174 | Deutschnationalismus in Vorarlberg nunmehr 2.828 Personen. Damit kam der Landbund im Wahlbezirk Feldkirch auf 86,85 % der für ihn bei der letzten Landtagswahl abgegebenen Stimmen. In den beiden anderen Bezirken fi el dieser Wert für die Landbündler mit 58,82 % (Bregenz) respektive 63,01 % (Bludenz) ungleich schlechter aus. Im Bezirk Feldkirch sank ihr Stimmenanteil – 1928 hatte er bei 9,64 % gelegen – auf 8,30 %. Das vom Landbund dort erzielte Mandat war mit 341 Stimmen dennoch solide abgesichert, sein Listenerstgereihter Hermann Nachbaur damit erneut in den Landtag gewählt. Kein annähernd gleich günstiges Abschneiden war dem Landbund in seinem Stammbezirk Bludenz beschieden: Bei der letzten Landtagswahl hatten hier noch 2.063 Wähler für ihn votiert, vierein- halb Jahre später belief sich deren Zahl auf 1.300. Damit sank dessen Stimmenanteil, der bei der vorigen Landtagswahl 14,14 % betragen hatte, auf 8,68 %. Sein Bludenzer Mandat, das er seit 1919 innegehabt hatte, war so nicht zu verteidigen – auf die Wahlzahl fehlten ihm 888 Stimmen. Auch ohne Verkleinerung des Landtages, von den Landbündlern der Form ihrer Umsetzung wegen kritisiert1130, wären die „Grünen“ in Bludenz ohne Mandat geblieben1131. Die für sie herbsten Ver- luste innerhalb des Wahlkreises Bludenz stellten sich im Gerichtsbezirk Montafon ein. Dort, wo sie ihren Ursprung genommen und bei der letzten Landtagswahl noch 28,75 % der gültigen Stim- men erhalten hatten, kamen ihnen 1932 nur mehr 17,70 % zu. Die „Grünen“ selbst nannten keine Gründe für diesen Absturz. Die CSP sprach allgemein davon, dass der Landbund im Bezirk Bludenz in „schlechter Verfassung“ gewesen sei1132. Ungeachtet der Ursachen hierfür ist offenkundig: Die Entscheidung, in ihrer Wahlagitation besonderes Augenmerk auf das Montafon zu legen, mag zwar naheliegend gewesen sein1133 – ausgezahlt hatte sie sich aber nicht.

Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, an wen die Landbündler Wähler verloren: Laut Schätzung votierten 27 % jener Vorarlberger, die 1930 ihre Stimme zugunsten des „Schoberblocks“ abgegeben hatten, bei der Landtagswahl 1932 für die Nationalsozialisten. Von den ehemaligen „Schoberblock“-Wählern tendierten insbesondere die GDVP-Affi nen zu den Nationalsozialisten. Die Landbund-Wählerschaft war gegenüber einem solchen Wechsel deutlich resistenter1134. Der Grund hierfür: ähnlichere Wählerschwerpunkte von Nationalsozialisten und Großdeutschen als sie „Braune“ und „Grüne“ aufwiesen. Einen Eindruck hiervor vermittelt die folgende Tabelle. Diese

1130 Die Mandatszahl des Landtages wurde von 30 auf 26 verringert. Im Wahlbezirk Feldkirch kamen statt der bis dahin 14 nunmehr elf Mandate zur Verteilung, im Bezirk Bludenz fünf statt der bisherigen sechs. Die Mandatszahl im Bezirk Bregenz blieb unverändert bei zehn Sitzen. Die Landbündler veranlasste das zu der Kritik, dass die Christ lichsozialen in Wahlkreisen mit für sie starker Konkurrenz die Mandatszahl gesenkt, im Bezirk Bregenz mit der „schwarzen“ Domäne Bregenzerwald aber davon abgesehen hätten (vgl. Landpost, 15. Oktober 1932, S. 3). 1131 In diesem Fall wären die „Grünen“ 451 Stimmen unter der Wahlzahl gelegen. 1132 vgl. Vorarlberger Volksblatt, 7. November 1932, S. 1 1133 Die „Grünen“ waren zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich in die Defensive gedrängt. Das Montafon, Aus- gangspunkt ihrer Bewegung im „Ländle“ und die Region mit dem für sie traditionell stärksten Wählerrückhalt, bildete jene Bastion, die es in diesen stürmischen Zeiten zu halten galt, um in der Zukunft – die für ihre Partei so allerdings nie eintreten sollte – von einer soliden Basis aus agieren zu können. Auch die Ausgangslage ließ es ratsam erscheinen, sich auf den Wahlkreis Bludenz, dessen Teil der Gerichtsbezirk Montafon war, zu konzentrieren: Während der Wahlbezirk Bregenz keine Aussicht auf den Gewinn eines Mandats bot und der Feldkircher Landtagssitz trotz Mandatsreduktion gut abgesichert schien, war für den Wahlkreis Bludenz damit zu rechnen, dass die Entscheidung über den Wiedergewinn eines Mandats für den Landbund knapp ausfallen würde. Bei der Landtagswahl 1928 hätte er, vorausgesetzt, dass bereits nur mehr fünf statt der tatsächlich sechs Landtagssitze in Bludenz zur Vergabe gelangt wären, das Mandat um 37 Stimmen verpasst. 1134 vgl. Hänisch, Dirk, Die österreichischen NSDAP-Wähler, S. 217 f 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 175 gibt die Resultate der drei deutschnationalen Parteien bei der Vorarlberger Landtagswahl 1932 in Abhängigkeit von der Größe der Ortschaft – gegliedert nach der Zahl der dort gültig abgegeben Stimmen – wieder:

Landtagswahl 1932 Ortsgrößenklassen in V bis 499 500–749 750–999 1.000–1.499 1.500–4.999 über 5.000 insgesamt Landbund 11,06 % 11,52 % 3,71 % 7,58 % 3,52 % 5,08 % 6,96 % NSDAP 6,49 % 6,75 % 6,65 % 11,54 % 13,86 % 12,96 % 10,52 % GDVP 1,68 % 1,77 % 3,39 % 4,20 % 12,75 % 9,72 % 6,75 % deutschnationaler 19,23 % 20,04 % 13,75 % 23,32 % 30,13 % 27,76 % 24,23 % Stimmenanteil

Tabelle 4: Ergebnisse der Vorarlberger Landtagswahl 1932 nach Ortsgrößenklassen1135

Dem Landbund gelang es insbesondere in kleineren Gemeinden zu reüssieren. In Ortschaften mit weniger als 750 gültigen Stimmen kam er im Durchschnitt auf 11,24 %. In Orten, in denen 750 oder mehr Personen gültig votierten, betrug dieser Wert vergleichsweise bescheidene 4,84 %. Ein ganz anderes Bild bei den Nationalsozialisten: Deren Schwerpunkt lag vor allem in größeren Gemeinden und Städten. In diesen Orten – ab 1.000 gültige Stimmen aufwärts – erzielte die NSDAP durch- schnittlich 13,04 %. Gemeinden, die eine geringere Stimmenzahl aufwiesen, bescherten ihnen mit 6,60 % dagegen Ergebnisse, die weit unter ihrem Landesdurchschnitt von 10,52 % lagen. Ähn- lich, wenn auch mit einem noch ausgeprägteren Schwerpunkt auf Großgemeinden und Städten, die Situation für die GDVP: Gemessen an ihrem Landesergebnis überdurchschnittliche Resultate erzielte sie erst in Orten über 1.499 gültigen Voten. Dort kam sie auf 11,02 %. In Klein- und Kleinst- gemeinden fand die Partei dagegen – salopp formuliert – kaum statt: In Orten mit unter 750 gültig abgegebenen Stimmen erzielten die Großdeutschen 1,71 %.

Auch hinsichtlich des berufl ichen Status glich die Wählerschaft der Nationalsozialisten weit mehr jener der Großdeutschen als dem Anhang der Landbündler. Die folgende Tabelle – die Über- und Unterrepräsentanz der verschiedenen Berufsgruppen an der Wählerschaft der drei deutschnationa- len Gruppierungen zum Thema – verdeutlicht das:

Landtagswahlen 1932 Selbständige Mithelfende Beamte und Arbeiter Berufslose in NÖ, S und V Angestellte Landbund 192 201 20 61 38 NSDAP 43 33 258 82 164 GDVP 29 18 338 70 161

Tabelle 5: Über- und Unterrepräsentanz verschiedener Berufsgruppen1136

1135 Die Defi nition der Ortsgrößenklassen basiert auf der Anzahl der in einer Gemeinde abgegebenen gültigen Stimmen. Die Prozentwerte sind die Ergebnisse eigener Berechnungen. Ihnen zugrunde liegt das vom Vorarl- berger Tagblatt, 7. November 1932, S. 3 ausgewiesene Zahlenmaterial. 1136 Zahlen über 100 verweisen auf eine Überrepräsentanz der jeweiligen Berufsgruppe innerhalb der Wähler- schaft einer Partei, solche unter 100 zeigen deren Unterrepräsentanz an. Die in der Tabelle angeführten Zahlen stammen aus Hänisch, Dirk, Die österreichischen NSDAP-Wähler, S. 367 und stellen Schätzungen zu den 1932 abgehaltenen Landtagswahlen in Niederösterreich, Salzburg und Vorarlberg dar. Die Gewichtung erfolgte 176 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Selbständige und Mithelfende votierten demzufolge überproportional häufi g für den Land bund. Arbeiter, Berufslose sowie Beamte und Angestellte waren dagegen deutlich bis stark unterreprä- sentiert. Ein gänzlich anderes Bild bietet sich bei Nationalsozialisten und Großdeutschen – beide Gruppen weisen sehr ähnliche Werte auf: Sowohl „Braune“ als auch „Blaue“ wurden stark über- proportional von Beamten und Angestellten gewählt. Auch Berufslose votierten überdurchschnitt- lich häufi g für sie, während Selbständige, Mithelfende und Arbeiter innerhalb deren Wählerschaft unterrepräsentiert waren.

Unterstrichen wird dieses Bild von GDVP und NSDAP als Parteien mit ähnlichen Wählerschwer- punkten, betrachtet man sich das Elektorat der beiden deutschnationalen Gruppierungen aufge- schlüsselt nach Wirtschaftssektoren. Wie die nachfolgende Tabelle zeigt, setzte sich die groß- deutsche gleich der nationalsozialistischen Wählerschaft 1932 überwiegend aus Personen des Sekundär- und Tertiärsektors zusammen:

Landtagswahlen 1932 Land- und Forstwirt- Industrie und Gewerbe Dienstleistungen Berufslose in NÖ, S und V schaft NSDAP 12 % 32 % 38 % 18 % GDVP 6 % 30 % 48 % 16 %

Tabelle 6: Aufschlüsselung nach Wirtschaftssektoren1137

Bei den „Blauen“ stammten demzufolge 78 % der Wähler aus diesen beiden Sektoren – 48 % Dienstleistungen, 30 % Industrie und Gewerbe –, bei den „Braunen“ 70 %. Auch bei den Natio- nalsozialisten bildeten die im Dienstleistungssektor Tätigen – hier mit 38 % – die größte Gruppe, gefolgt von jenen aus Industrie und Gewerbe mit 32 %. Die im Sektor Land- und Forstwirtschaft Beschäftigten bildeten im Vergleich dazu sowohl bei Großdeutschen (6 %) als auch Nationalsozia- listen (12 %) kleine Gruppen1138. Die Nationalsozialisten wiesen demnach vor 1933 eine „chronisch starke Unterrepräsentanz“ von Wählern aus dem Land- und Forstwirtschaftsektor auf1139. Bei den 1932 abgehaltenen Landtags- wahlen in Niederösterreich , Salzburg und Vorarlberg sollen nur 4 % der im Primärsektor Beschäf- tigten für die „Braunen“1140 votiert haben. Die Wahlwerberliste der Vorarlberger Nationalsozialisten gibt keinen Anlass zu vermuten, dass dieser Wert im „Ländle“ deutlich höher ausfi el. Das Angebot, das sie den in der Landwirtschaft Beschäftigten damit unterbreiteten, war dürftig: Nur zwei ihrer 22 Wahlwerber – dies entspricht 9,09 % – sind dem landwirtschaftlichen Sektor zuzuordnen. Der Landbund wartete demgegenüber mit 30 Männern aus dem Primärsektor auf – bei ihren insgesamt 35 Kandidaten1141 nicht weniger als 85,71 %. In Gemeinden, die eine relative Mehrheit von im primären Sektor Beschäftigten aufwiesen, fi elen die Ergebnisse für die „Braunen“ dementsprechend bescheiden aus: Bei der Vorarl berger Landtags- durch das Mittel von Einwohnern und Wahlberechtigten. 1137 Die Zahlen in der Tabelle stellen wohlfundierte Schätzwerte dar. Sie fi nden sich in Hänisch, Dirk, Die öster- reichischen NSDAP-Wähler, S. 315 1138 vgl. ebenda 1139 vgl. ebenda, S. 323 1140 vgl. ebenda, S. 315 1141 vgl. Schausberger, Franz, Ins Parlament, um es zu zerstören, S. 214 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 177 wahl 1932 gaben dort 5,7 % der Wahlberechtigten ihre Stimme zugunsten der NSDAP ab, in Orten mit starkem Sekundär- und Tertiärsektor kamen sie dagegen auf 10,2 % respektive 10,5 %1142.

Damit ist festzuhalten, dass, einerseits, sich die Bauernschaft bis 1932 gegenüber der NSDAP re- lativ resistent zeigte, andererseits, es von den ehemaligen „Schoberblock“-Parteien insbesondere die GDVP war, die an die „Braunen“ verlor. Und dennoch: Die Vorarlberger Großdeutschen hatten beim Urnengang 1932 geringere Einbußen als ihre „grüne“ Konkurrenz hinzunehmen. Während der Vorarlberger Landbund gegenüber der letzten Landtagswahl bereits erwähnte 2.022 oder 27,55 % der ihnen 1928 zufallenden Stimmen verlor, lagen diese Werte bei den Großdeutschen mit 1.590 bzw. 23,59 % deutlich tiefer. Der Schluss, der daraus zu ziehen ist: Die Landbündler gaben – auch wenn in Orten wie Gaißau , Lauterach , Wolfurt , Meiningen , Röthis , Sankt Anton , Au und Bürs die Abwanderung von ehemaligen „Grünen“-Wählern vor allem zu den Nationalsozialisten evident ist – keineswegs nur an die NSDAP Stimmen ab. Zeitgenössischen Zeitungsmeldungen zufolge sollen die Landbündler im städtischen Bereich auch an die Großdeutschen verloren haben1143. Zudem ist von Wählerverschiebungen zwischen Landbündlern und Christlichsozialen – in der Mehrzahl zum Nachteil der „Grünen“ – auszugehen. Zugewinnen des Landbundes auf Kosten der CSP wie in Fra- xern , Satteins und Mellau standen ungleich größere Verluste im Montafon gegenüber. Dort, wo die „Grünen“ bei der Landtagwahl 1928 auf 1.255 Stimmen gekommen waren, gingen ihnen 544 Stim- men verloren. Nicht unerhebliche Teile davon werden den Christlichsozialen zugefallen sein. Am augenfälligsten dabei St. Gallenkirch: Die Landbündler verloren hier 145 Stimmen. Während die Nationalsozialisten mit 22 Stimmen oder 3,22 % auch beim Urnengang 1932 in St. Gallenkirch eine marginale Größe blieben, gelang es den Christlichsozialen in der Heimatgemeinde von Dr. Josef Feurstein , dem auf ihrer Bludenzer Wahlwerberliste Drittgereihten, das Ergebnis der vergangenen Landtagswahl um 130 auf 483 Stimmen zu steigern. Die im Wahlkampf von Seiten des Landbundes vorgebrachte Kritik, die CSP böte der Montafoner Bauernschaft mit Feurstein unpassender Weise einen Doktor als Vertreter an1144, hatte damit nicht verfangen.

6.3.2.3.3 Der Kampf geht weiter Die deutliche Abgrenzung des Landbundes gegenüber den und seine scharfen Angriffe auf die Na- tionalsozialisten, wie sie zur Landtagswahl im November 1932 stattgefunden hatten, fanden auch im Anschluss an diesen Urnengang ihre Fortsetzung. Gründe hierfür waren reichlich vorhanden: das intensive Werben der Nationalsozialisten um Bauern im Winter 1932/19331145, der massive Mitgliederzuwachs, den die NSDAP im Frühjahr 1933 zu verzeichnen hatte, der fortgesetzte Kampf der Nationalsozialisten gegen die Bundesregierung1146 sowie der im Mai 1933 erfolgte Vorstoß Ha-

1142 vgl. Hänisch, Dirk, Die österreichischen NSDAP-Wähler, S. 306 1143 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 7. November 1932, S. 1, und: Vorarlberger Volksblatt, 11. November 1932, o.S. 1144 vgl. Landpost, 22. Oktober 1932, S. 3 1145 vgl. Roter Adler, 10. Dezember 1932, S. 1, 24. Dezember 1932, S. 3 und 6 sowie 26. Februar 1933, S. 5 1146 Im März 1933 bekundete die NSDAP ihre Absicht, die Bundesregierung stürzen und hierfür alle Mittel zum Einsatz bringen zu wollen (vgl. ebenda, 19. März 1933, S. 2). Auch den Vorarlberger „Braunen“ diente die von Dollfuß geführte Regierung als Angriffsziel. Im Zuge einer nationalsozialistischen Großkundgebung – abgehalten am 7. März 1933 in Dornbirn – warf Eberl dieser vor, den „natürlichen Anschluß“ Österreichs an das Deutsche Reich bewusst zu verhindern und stattdessen frankophile Politik zu betreiben (vgl. ebenda, 26. März 1933, S. 11). 178 | Deutschnationalismus in Vorarlberg bichts , den Landbund aus der Regierung zu drängen1147. Hinzu kamen Verunglimpfungen ihrer Partei durch die Nationalsozialisten. Den Ausführungen der „Braunen“ zufolge handelte es sich beim Landbund um eine von jüdischen Geldgebern unterstützte1148 „(...) Systempartei ..., wie man sich eine schäbigere nicht vorstellen kann.“1149 Die Führer des Landbundes hätten ihre eigene Partei „(...) so zugerichtet, daß kein einziger wirklich deutschdenkender Bauer länger in ihr bleiben kann.“1150 Von Seiten der „Grünen“ wurde eine solche Darstellung zurückgewiesen. Früher wäre es die Heim- wehr gewesen, welche die ausschließliche Macht im Staat für sich beansprucht hätte und keine andere Partei als national gelten lassen habe, nun seien es die Nationalsozialisten, die selbiges für sich einforderten – der Landbund brandmarkte solches als anmaßend und wies es auf das schärfste zurück1151. Daneben operierten beide Parteien mit dem Sozialismusvorwurf. Die NSDAP titulierte den „grünen“ Bundesparteiobmann Winkler als „Bundesgenosse(n) der Roten“ – von ihm soll die Forderung nach einer Koalition mit den Sozialdemokraten erhoben worden sein. Dessen Hand- schrift schrieb es das „braune“ Presseorgan ferner zu, dass aus dem ursprünglich antimarxistisch- nationalen Landbund ein „willfähriger Helfer der roten Internationale“ geworden sei1152. Der Land- bund seinerseits hielt den „braunen Sozialisten“ vor, an der Landarbeiter- als Zwangsversicherung festzuhalten, obwohl viele Bauern außerstande wären, sich diese zu leisten. Laut landbündlerischer Presse wies dies die „braune Pest“ als sozialistische, in Städten und Industrieorten beheimatete Partei aus, der die Bauern nur als „Stimmvieh“ dienen würden1153. Daneben veranlasste den Landbund seine Situation beim Parteinachwuchs, die sich aufgrund des- sen Abdriftens zu den Nationalsozialisten seit dem Spätherbst 1932 zunehmend prekärer darstellte, die „Braunen“ zu attackieren. Die „Grünen“ wandten sich hierfür an die ältere Generation, fragten, wer von dieser seine Kinder in einem „Geiste des Hochmutes und gleichzeitig der tiefsten Niedrig- keit“ erziehen lassen wolle. „Nur wer Früchterln erziehen will, die sich Edelmenschen dünken, der gehe und stelle sich in die Reihen der Nationalsozialisten! Wer aber Ruhe und Ordnung will, hat dort nichts zu suchen“1154, so das Presseorgan des Landbundes abschließend.

Im Mai 1933 rückte neben dem direkten Kampf gegen die „Braunen“ kurzzeitig ein anderes Ereignis in den Fokus „grüner“ Aufmerksamkeit: das sogenannte „Kampfbündnis“ der GDVP mit der NSDAP. Diesem vorausgegangen war im März 1933 die Vereinigung des Steirischen Heimatschutzes mit den Nationalsozialisten1155. Im Folgemonat bekräftigten die beiden Organisationen ihre Partner-

1147 Im Mai 1933 kam es zwischen Dollfuß und den Nationalsozialisten zu Geheimverhandlungen. In diesen machte NS-Landesinspekteur Habicht – nebst anderem – das Ausscheiden des Landbundes aus der Regierung zu einer Bedingung für einen Eintritt der Nationalsozialisten in selbiges Gremium. Von Bundeskanzler Dollfuß wurde derartiges allerdings abgelehnt. Stattdessen nahm er bei seiner am 10. Mai 1933 erfolgten Regierungs- umbildung mit Schumy demonstrativ einen dritten Vertreter des Landbundes in die Regierung auf (vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 249 und 252). 1148 vgl. Roter Adler, 30. April 1933, S. 6 1149 ebenda, 9. April 1933, S. 5 1150 ebenda 1151 vgl. Landpost, 13. April 1933, S. 1 1152 vgl. Roter Adler, 26. Februar 1933, S. 5 1153 vgl. Landpost, 15. Juni 1933, S. 1 1154 ebenda, 10. Dezember 1932, S. 2 1155 Dieser Vereinigung der beiden Organisationen, der sogenannten „Großdeutschen Front“, schlossen sich im April 1933 des Weiteren der paramilitärische Bund Oberland aus Tirol, die Deutsche Angestelltengewer- kschaft sowie 30 Ortsgruppen der oberösterreichischen Heimwehr an (vgl. Pauley, Bruce F., Der Weg in den 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 179 schaft, indem sie in Liezen ein zweites „Kampfbündnis“ abschlossen. Am 3. Mai 1933 erklärte die Landesleitung der GDVP Vorarlberg nach einstimmigem Beschluss, die Mitgliedschaft bei ihrer Partei stelle kein Hindernis für die Zugehörigkeit zu den Nationalsozialisten dar. Vielmehr empfahl sie ihren Parteigängern, der NSDAP beizutreten, da diese „(...) die hauptsächlichen Forderungen der Großdeutschen Volkspartei, besonders den Anschlusswillen und den Antisemitismus, gleich- falls vertritt.“1156 Zwölf Tage später, am 15. Mai 1933, trat die „blaue“ Bundespartei – wie bereits erwähnt – dem zwischen den Nationalsozialisten und dem Steirischen Heimatschutz abgeschlos- senen „Kampfbündnis“ bei. Seine Führung oblag den „Braunen“. Die GDVP, in ihrer Existenz durch Mitgliederverluste und fi nanzielle Schiefl age bedroht, durfte sich von dieser Übereinkunft erwar- ten, ihren Weiterbestand – zumindest formal – vorerst abgesichert zu haben. Zudem mag den Großdeutschen, seit Anfang ihres Bestandes um eine deutschnationale Einigung – allerdings unter ihrer Führung – bemüht, die Aussicht, mit ihrem Beitritt zum „Kampfbündnis“ zu einem nationalen Lager in bis dahin nicht gekannter Geschlossenheit beizutragen, diesen Schritt erleichtert haben. Die Nationalsozialisten wiederum profi tierten von der Verbindung mit den „Blauen“, indem sie in bürgerlichen Kreisen „salonfähig“ wurden. Des Weiteren bot das Bündnis den Nationalsozialisten für den Fall ihres Verbots die Möglichkeit, sich mit den Großdeutschen einer legalen Basis zur Ver- breitung ihrer Radikalismen zu bedienen1157. Auch wenn der Landbund von den Nationalsozialisten nicht in gleichem Maße wie die GDVP in die Defensive gedrängt war: Der Abschluss des „Kampfbündnisses“ verstärkte den Druck auf ihn, sich gleich den Großdeutschen in diese deutschnationale Phalanx einzureihen. Seine Reaktion auf die „braun“-„blaue“ Übereinkunft erfolgte sowohl prompt als auch unmiss verständlich: Rekurrierend auf die Führungsrolle, die der NSDAP im „Kampfbündnis“ zukam, sprachen die „Grünen“ davon, dass sich die GDVP habe „gleichschalten .., auf gut deutsch ausschalten lassen.“1158 Solches hätte die Hoffnung der Nationalsozialisten genährt, dies in weiterer Folge auch bei der ständischen Front des unabhängigen Bauerntums so handhaben zu können. Dieser Hoffnung erteilten die „Grünen“ eine klare Absage1159. Schumy stellte hierzu in Rankweil fest, dass es für den Landbund „selbstver- ständlich“ nicht in Frage komme, seine politische Selbständigkeit aufzugeben1160.

6.3.2.3.4 Den „Braunen“ entgegen Nachdem die Nationalsozialisten das Land über Tage hinweg mit einer Terrorwelle überzogen hat- ten, beschloss der österreichische Ministerrat am 19. Juni 1933 das Verbot der NSDAP und aller ihrer Unterorganisationen. In gleicher Weise wurde auch mit dem Steirischen Heimatschutz verfah- ren1161. Damit war die GDVP nur knapp mehr als einen Monat nach ihrem Beitritt zum „Kampfbünd- nis“ die einzige dessen drei großer Gruppen, die nicht verboten war. Die Landtage von Wien, Niederösterreich und Kärnten entschlossen sich nach dem von bundes- politischer Seite verhängten NS-Verbot, die Mandate der nationalsozialistischen Landtagsabge- ordneten für erloschen zu erklären. Der Salzburger Landtag beschritt einen anderen Weg, indem

National sozialismus, S. 85). 1156 Vorarlberger Tagblatt, 8. Mai 1933, S. 3 1157 vgl. Schuster, Walter, Deutschnational · Nationalsozialistisch · Entnazifi ziert, S. 71 f 1158 Landpost, 25. Mai 1933, S. 4 1159 vgl. ebenda 1160 vgl. ebenda, S. 1 1161 vgl. Schausberger, Franz, Ins Parlament, um es zu zerstören, S. 369 180 | Deutschnationalismus in Vorarlberg er die NS-Mandate ruhend stellte1162. Während sich in Salzburg die Abgeordneten der NSDAP in der entscheidenden Sitzung selbst vehement gegen diesen Beschluss gestemmt hatten1163, war ihnen in Vorarlberg gleiches nicht möglich: Rudolf Gunz hatte mit Schreiben vom 9. Juli 1933 sein Abgeordnetenmandat niedergelegt. Seinem NS-Kollegen Hämmerle war es untersagt, im Landtag zu erscheinen1164. Damit war es an Karl Bösch, dem großdeutschen Bündnispartner beizuspringen. Einen erkennbaren Meinungsumschwung vermochte er mit seinen Ausführungen1165 im Landtag allerdings nicht zu bewirken – am 2. August 1933 nahm dieser den Antrag, wonach die NS-Mandate ruhend gestellt werden sollten, an1166. Während die Landbundvertreter im Ministerrat die Sanktionen gegen die NSDAP noch abzumildern versucht hatten, indem sie gegen deren Verbot auftraten1167 und ein solches nur gegen SA und SS verhängt sehen wollten1168, blieb den Nationalsozialisten die Parteinahme im Landtag von Seiten des einzigen „Grünen“-Abgeordneten, Hermann Nachbaur, verwehrt. In der diesbezüglich entschei- denden Sitzung meldete sich dieser erst gar nicht zu Wort1169. Im Anschluss an die Debatte votierte er gleich Christlichsozialen und Sozialdemokraten für die Annahme des Landesverfassungsgeset- zes betreffs Ruhens der NS-Mandate1170. Seine Haltung, sich dem Verbot der Nationalsozialisten nicht oder nur zurückhaltend entgegenzustellen, versuchte der Landbund in der Öffentlichkeit als alternativlos darzustellen: Mit ihren „Balkanmethoden“, durch welche Personen zum Teil getötet, zum Teil zu „Krüppeln“ gemacht wurden, hätten es die Nationalsozialisten denjenigen, die bis da- hin aus demokratischen und nationalen Gründen ein Verbot der NSDAP zu verhindern gewusst hatten, verunmöglicht, ihren Kampf gegen diese Maßnahme aufrecht zu erhalten. Dem „grünen“ Presseorgan zufolge gab es für den „nationalen und ernst denkenden Bürger“ daher nur mehr eine Option: die Nationale Ständefront unter Führung des Landbundes1171. Letzteres legt es nahe, dass der Landbund seine Positionierung zum Verbot der NSDAP auch mit Blick auf das Wohl der eigenen Gruppierung vorgenommen hatte.

1162 vgl. Vorarlberger Landtag, Stenographische Sitzungsberichte, 5. Sitzung am 24. Juli 1933, S. 149 1163 vgl. Schausberger, Franz, Ins Parlament, um es zu zerstören, S. 378 – 380 1164 vgl. Vorarlberger Landtag, Stenographische Sitzungsberichte, 5. Sitzung am 24. Juli 1933, S. 149 1165 Bösch trat dafür ein, die nationalsozialistischen Abgeordneten auch weiterhin zu den Sitzungen des Vor- arlberger Landtages einzuladen. Erst nach allfälligen Ausführungen, mit denen diese gegen das Verbot der NSDAP verstoßen würden, sollten Sanktionen ergriffen werden. Zudem forderte er in einem Gegenantrag, zur Causa „Ruhen der Mandate“ ein Gutachten der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät in Innsbruck einzuholen. Bis zu dessen Eintreffen sollte Bösch ’s Auffassung zufolge keine Entscheidung in dieser Angele- genheit getroffen werden. 1166 vgl. Vorarlberger Landtag, Stenographische Sitzungsberichte, 6. Sitzung am 2. August 1933, S. 180 – 182 und 189 1167 Winkler, seines Zeichens „grüner“ Vizekanzler, trat gegen ein Verbot der „Braunen“ auf. Er argumentierte damit, dass es unangebracht sei, eine Partei von der Größe der NSDAP für Exzesse einzelner ihrer Parteimit- glieder verantwortlich zu machen (vgl. Winkler, Franz, Die Diktatur in Oesterreich, S. 65). 1935 zählte er das dennoch über die NSDAP verhängte Parteiverbot „(...) zu den vielen kindlichen Maßnahmen, die dem inneren Frieden mehr Schaden als Nutzen zufügten.“ (ebenda, S. 66) 1168 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 249 1169 vgl. Vorarlberger Landtag, Stenographische Sitzungsberichte, 6. Sitzung am 2. August 1933, S. 153 – 195 1170 Einzig der Vertreter der GDVP, Karl Bösch, stimmte gegen das Verfassungsgesetz (vgl. Landpost, 10. August 1933, S. 1). 1171 vgl. ebenda, 6. Juli 1933, S. 1 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 181

Im Sommer 1933 gewann das Thema „Gewaltanwendung gegenüber politisch Andersgesinnten“ ein weiteres Mal an Aktualität. Grund hierfür war die Frage, ob in Österreich Anhaltelager ein- gerichtet werden sollten1172. Der „grüne“ Vizekanzler Winkler nahm die Debatte zum Anlass, sich erneut gegen Gewalt in der Politik auszusprechen. Hierfür ging er abermals auf Distanz zu den Gewaltmethoden der Nationalsozialisten. Weder bestünde die Aussicht, mit bloßen Versprechen und Putschen ein Volk vorwärts zu bringen, noch sei es möglich, durch Kampf bleibende Werte zu schaffen, so Winkler auf einer Versammlung. Ebendort äußerte er seine Ansicht, dass durch KZ1173 die Menschheit nicht glücklich werden könne1174. Dementsprechend nahm er im Zuge einer lebhaft geführten Diskussion im österreichischen Kabinett gegen die insbesondere von Heimwehrkreisen forcierte Idee der Errichtung von Anhaltelagern1175 Stellung1176. Winkler zeigte sich in dieser Frage – gleich seinen „grünen“ Regierungskollegen Schumy und Bachinger – unnachgiebig, sodass Sicher- heitsminister und Heimwehrführer mit seinen zwei Anfang September 1933 im Ministerrat einge brachten Anträgen auf Errichtung von Anhaltelagern für „sicherheitsgefährliche Personen“ nicht durchkam. Am 21. September 1933 waren die Minister des Landbundes nicht mehr Teil der Regierung – zwei Tage später war die Errichtung von Anhaltelagern1177 beschlossen1178.

Über die Entscheidung in der Frage der Anhaltelager hinaus dürfte die Ausbootung der Landbund- Minister mit1179 zur Annäherung der „Grünen“ an die Nationalsozialisten beigetragen haben. Der Grund dafür: Winkler , der – wie die Sozialdemokraten kritisierten – Dollfuß auf seinem Weg in einen autoritär-ständischen Staat in „unbegreifl icher Loyalität“ gefolgt war, musste erkennen, von diesem düpiert worden zu sein. Dass Fey am 8. Jänner 1934 erneut mit der Führung des Sicher- heitsministeriums betraut wurde, war ein weiterer Affront1180 gegen den Landbund. Diese Art der-

1172 Mit deren Planung beschäftigten sich Beamte auf Geheiß von Sicherheitsminister Emil Fey seit spätestens Ende Juli 1933 (vgl. Jagschitz, Gerhard, Die Anhaltelager in Österreich, S. 131). 1173 Zum Zeitpunkt dieser Auseinandersetzung existierten auf deutschem Boden seit einem knappen halben Jahr KZ. Die frühen Lager dienten den Nationalsozialisten primär zur Arretierung ihrer politischen Gegner. De- ren erstes wurde Anfang März 1933 in der Nähe von Weimar errichtet und bestand für rund zehn Wochen. Nur wenig später – am 21. März 1933 – ging das von Beginn an als dauerhafte Einrichtung geplante KZ Dachau „in Betrieb“. Dieses war als Modell-KZ konzipiert und stand außerhalb des staatlichen Zugriffs (vgl. Königs- eder, Angelika, Die Entwicklung des KZ-Systems, S. 30 f). Im Sommer 1933 saßen deutschlandweit mehr als 26.000 Personen in KZ ein (vgl. Herbert, Ulrich; Orth, Karin; Dieckmann, Christoph, Die nationalsozialistischen Konzentrationslager, S. 25). 1174 vgl. Landpost, 24. August 1933, S. 3 1175 vgl. Jagschitz, Gerhard, Die Anhaltelager in Österreich, S. 131 1176 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 255 1177 Die österreichischen Anhaltelager hatten die „(...) totale Ausschaltung des Individuums aus der politischen und gesellschaftlichen Wirksamkeit zum Ziel (...)“ (Jagschitz, Gerhard, Die Anhaltelager in Österreich, S. 129). Am 17. Oktober 1933 trafen die ersten Häftlinge in Wöllersdorf ein. Dieses war das österreichweit größte und zugleich einzige Anhaltelager, das von 1933 bis 1938 durchgehend betrieben wurde. In der Spitze – im September 1934 – gab es in Österreich 13.388 politische Häftlinge. Vorarlberg zählte zu diesem Zeitpunkt 269 politisch Inhaftierte, 261 davon mit nationalsozialistischem Hintergrund (vgl. ebenda, S. 133 f und 149). 1178 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 255 und 260 1179 Weitere Gründe, die den Landbund einen solchen Weg beschreiten ließen, fi nden sich in dieser Arbeit, S. 187. 1180 Als Affront musste den „Grünen“ die abermalige Ernennung Feys zum Sicherheitsminister deshalb erschei- nen, da es insbesondere dessen Entfernung aus diesem Amt gewesen war, die sich der Landbund bei seinem Abschied aus der Regierung als Erfolg auf die Fahne geschrieben hatte (vgl. Winkler, Franz, Die Diktatur in Oesterreich, S. 77 f). 182 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Behandlung traf Winkler tief1181. Damit war der Boden bereitet, der die deutliche NS-Affi nität ein- zelner „grüner“ Landesführer auf die politische Haltung der Bundespartei „überschwappen“ ließ1182 – die Parteispitze um Winkler und Bachinger näherte sich der NSDAP an. Der „Grünen“ trügerische Hoffnung, auch in der mit den „Braunen“ intendierten „Völkischen Front“ als Vertreterin agrarischer Interessen fungieren zu können, dürfte ihnen diese Annäherung erleichtert haben1183.

Alsbald nach dem Ausscheiden des Landbundes aus der Regierung wurde seine Annäherung an die NSDAP auch öffentlich wahrnehmbar: Die Landbündler enthielten sich zwar nicht gänzlich Kri- tik an den Nationalsozialisten, äußerten solche aber nur noch selten. Daneben war den „grünen“ Spitzenrepräsentanten daran gelegen, ihre vormals durch Ablehnung und Abgrenzung geprägte Haltung gegenüber den „Braunen“ in einem NS-freundlicheren Licht erscheinen zu lassen. Bachin- ger etwa wollte die Arbeit der Landbundminister in der Regierung nicht zuletzt als Kampf gegen das Verbot der NSDAP und für den Erhalt der – sehr eng mit den Nationalsozialisten verbunde- nen – deutschnationalen Turnvereine verstanden wissen. Die ablehnende Haltung des Landbundes gegenüber der Errichtung von KZ führte er nunmehr darauf zurück, dass diese der Internierung illegaler Nationalsozialisten dienen sollten1184. Des Weiteren verwehrte sich der Landbund gegen die Praxis, dass Menschen – bevor sich die Anhaltelager nach den Februarkämpfen 1934 mit einer Vielzahl von Sozialdemokarten füllten, waren dies vorwiegend Nationalsozialisten gewesen – nur wegen ihrer politischen Gesinnung und Zugehörigkeit zu einer zum damaligen Zeitpunkt noch nicht verbotenen Partei1185 „(...) hinter Stacheldrahtzäune gebracht und mit aufgepfl anzten Bajonetten bewacht werden.“1186.

Zeitgleich mit der Annäherung des Landbundes an die Nationalsozialisten fanden anderenorts Ver- handlungen statt, die auf eine Verständigung zwischen der Regierung und dem deutschnationalen Lager abzielten und in einer Regierungsbeteiligung von Letzterem münden sollten. Für die Regie- rung verhandelten Dollfuß und Gleißner1187 , ihnen gegenüber auf deutschnationaler Seite standen die beiden ehemaligen großdeutschen Spitzenpolitiker Foppa und Langoth , Letztere ausgestattet mit einem Verhandlungsmandat Habichts. Die Gespräche starteten im Oktober 1933, erstreckten sich über ein Vierteljahr, blieben aber den angestrebten Ausgleich zwischen den Lagern schuldig1188. Parallel dazu führten Dollfuß und die Heimwehr – jeweils verborgen vor dem Regierungspartner – Geheimverhandlungen mit den Nationalsozialisten, scheiterten damit jedoch gleichfalls1189. Auch

1181 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 363 1182 vgl. Stimmer, Gernot, Eliten in Österreich, S. 664 f 1183 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 283 1184 vgl. Stimmer, Gernot, Eliten in Österreich, S. 665 1185 Ab Ende Dezember 1933 wurden Nationalsozialisten, die vor dem Verbot der NSDAP als deren Funkti- onsträger agiert hatten, in KZ eingewiesen. Die Begründung dafür: der Verdacht, dass diese weiterhin ihre Parteitätigkeit ausüben würden. Daneben reichte den Machthabern oftmals die bloße Gesinnung aus, ihre politischen Gegner in Anhaltelager einzuweisen (vgl. Jagschitz, Gerhard, Die Anhaltelager in Österreich, S. 136). 1186 vgl. Landruf, 25. Jänner 1934, o.S. 1187 Der spätere oberösterreichische Landeshauptmann Dr. Heinrich Gleißner war zur Zeit dieser Verhandlun- gen Staatssekretär im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft. 1188 vgl. Schuster, Walter, Deutschnational · Nationalsozialistisch · Entnazifi ziert, S. 74 – 76 1189 vgl. Goldinger, Walter, Der geschichtliche Ablauf der Ereignisse in Österreich, S. 209 f 6. Verhältnisse der Parteien im Wandel | 183 eine Anfang Juli 1934 erfolgte Regierungsumbildung, im Zuge derer mit Tauschitz1190 und Berger- Waldenegg1191 zwei „Nationale“ – eine Etikettierung, welche die Nationalsozialisten nicht gelten lassen wollten1192 – zu Staatssekretärs- bzw. Ministerehren gelangten, vermochten den angestreb- ten Ausgleich zwischen den Lagern nicht zu bewerkstelligen.

Am 25. Juli 1934 fanden diese Ausgleichsversuche zwischen dem Regierungslager und der deutsch- nationalen, von den „Braunen“ dominierten Seite mit dem Überfall auf das Bundes kanzleramt, der Ermordung von Dollfuß sowie den anschließenden Aufständen in den Bundesländern ihr – vorläu- fi ges – Ende. Der sogenannte „Juliputsch“ wurde von Nationalsozialisten geplant und geleitet1193 sowie im Wesentlichen von der SA durchgeführt1194. Die Rolle, welche ehemalige Landbund-Reprä- sentanten – die Partei war zu diesem Zeitpunkt bereits aufgelöst – und die „grünen“ Wehrformatio- nen in diesem Zusammenhang spielten, war vergleichsweise gering. Dennoch kann sie als Indiz für die späte Annäherung des Landbundes an die NSDAP gelten. Vizekanzler a.D. Franz Winkler etwa dürfte in enger Verbindung zu den Verschwörern des 25. Juli 1934 gestanden haben. Einer Minister- liste1195 zufolge sollte er der, von den Nationalsozialisten für die Zeit nach dem Putsch vorgesehen, Übergangsregierung angehören. Mit Rintelen , der dieser Regierung als Bundeskanzler vorstehen sollte, hatte sich Winkler zwei Tage vor dem Putsch getroffen1196. Pepo Kleinszig wiederum, vor seinem Austritt aus dem Landbund im Frühjahr 1934 eines der führenden Mitglieder in Kärnten und

1190 Stephan Tauschitz war von 1927 – 1934 Nationalratsabgeordneter des Landbundes, 1932 – 1933 überdies Obmann des „grünen“ Parlamentsklubs. Ab Oktober 1931 hatte er für ein knappes Jahr die Stelle eines dritten Nationalratspräsidenten inne. Am 10. Juli 1934 wurde er als Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten in die Regierung berufen, gehörte dieser allerdings nur für einen knappen Monat – bis 3. August 1934 – an. 1191 Egon Berger-Waldenegg trat 1929 dem Steirischen Heimatschutz bei, um sich nach dem Pfrimer-Putsch Starhemberg anzuschließen. Am 10. Juli 1934 erfolgte seine Angelobung als Justizminister. Dieses Amt hatte er bis zum 17. Oktober 1935 inne. Überdies war Berger-Waldenegg vom 3. August 1934 bis 14. Mai 1936 Außenminister. Nach der Ermordung Dolluß’ gab er in seiner Funktion als stellvertretender Bundesführer des Heimatschutzes den Befehl, dass dieser sich in allen Bundesländern sogleich in Bereitschaft zu stellen habe (zu Letzterem vgl. Berger von Waldenegg, Egon; Berger von Waldenegg, Heinrich, Biographie im Spiegel, S. 394). 1192 Das „braune“ Presseorgan sprach Tauschitz ab, weiter Landbündler zu sein, „(...) denn er und sein politi- scher Geschäftsgenosse Schumy stellen ja nur einen Splitter der Partei des Landbundes dar, und zwar jenen verschwindenden Splitter ohne Anhang, der auf dem Wege einer freiwilligen Gleichschaltung die weitere Sicherung seiner Pfründen erhalten will und, wie man sieht, wirklich auch erreicht hat.“ (Roter Adler, 16. Juli 1934, S. 2). In Berger-Waldenegg wiederum sah das Blatt einen „(...) jener Heimatschützer von der schädlichen Art eines Starhemberg , der immer und jederzeit für das Schandsystem und gegen das Volk zu haben sein wird, wenn nur seine Haltung für ihn Profi t bedeutet.“ (ebenda) 1193 Die politische Leitung des gesamten Putschversuchs lag in den Händen Otto Gustav Wächters, seines Zeichens politischer Bevollmächtigter Habichts in Österreich und damit einer der führenden Funktionäre der NS-Landesleitung. Als militärischer Leiter des versuchten Staatsstreichs fungierte der Führer der Wiener SS- Standarte 89, Fridolin Glass. Zentrale Figur der Vorbereitung des Aufstandes außerhalb Wiens war mit Her- mann Reschny der Führer der österreichischen SA (vgl. Bauer, Kurt, Elementar-Ereignis, S. 29 und 35). 1194 Die Opferzahlen – knapp 70 % der etwas mehr als 150 auf Seiten der Putschisten Getöteten gehörten der SA an – weisen auf deren führende Rolle im Kampf gegen das austrofaschistische Regime hin (vgl. Steinböck, Erwin, Das österreichische Bundesheer 1920 – 1938, in: Feldgrau, 13. Jg., Heft 1, 1965, S. 31, zit. nach: Bauer, Kurt, Elementar-Ereignis, S. 326). 1195 Winkler selbst tat die Ministerliste als Erfi ndung des „Neuen Wiener Journals“ ab – die Liste würde „einer willkürlichen Namenskombination ohne Realität“ entsprechen (vgl. Winkler, Franz, Die Diktatur in Oesterreich, S. 194). 1196 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 363 184 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Gründer der dortigen Bauernwehr, wurde von den Putschisten als Bezirkshauptmann des Bezirks St. Veit an der Glan eingesetzt1197. An den Kämpfen im Anschluss an den versuchten NS-Staatsstreich waren auch Mitglieder der – zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgelösten – „grünen“ Organisatio- nen „Junglandbund“ und „Grüne Wehr“1198 beteiligt1199. Insbesondere in der Ost- und Südsteiermark stellten die Mitglieder Letzterer ein wesentliches Kontingent der Aufständischen1200. Neben der Steiermark beteiligten sich Bauernwehrler auch in Kärnten an den Juliunruhen. Für mehrere Kärnt- ner Ortschaften ist solches belegt. Jene Aufständischen, die sich in Waisenberg – einer kleinen Ortschaft nordwestlich von Völkermarkt – sammelten, standen gar unter der Leitung zweier Bau- ernwehrführer. Auch die Überfälle auf den Gendarmerieposten und das Zollhaus von Bleiburg wur- den unter Führung eines hochrangigen Angehörigen der „grünen“ Wehrformation, des Bleiburger Bauernwehr-Gauleiters Theodor Schimitz , verübt. Im Lavanttal bezahlten drei Bauernwehrler die Teilnahme am Aufstand mit ihrem Leben1201. In Oberösterreich – weit weniger als die Steiermark und Kärnten Brennpunkt der Juliunruhen – fand die Verstrickung von „Grünen“ in die Besetzung des Gendarmeriepostens und des Postamtes von Gaspoltshofen explizit Erwähnung1202. Zudem dürften sich Bauernwehrler noch in weiteren Orten an den Unruhen beteiligt haben, dort aber unter der Be- zeichnung „Nationalsozialisten“ subsumiert worden sein. Zumindest acht Mitglieder der „Grünen Wehr“ kamen dabei ums Leben1203.

Für Vorarlberg ist davon auszugehen, dass die Nationalsozialisten vom Aufstand ihrer Parteikol- legen in Wien überrascht wurden und sie folglich keine Putschvorbereitungen getroffen hatten. Zwar sollen Vorarlbergs SS-Formationen in diesen Tagen in „höchster Alarmbereitschaft“ gestan- den haben – ein Putschversuch blieb aber aus1204. Wesentlich zu deren Stillhalten wird beigetragen haben, dass sie von anderen Organisationen kaum substantielle Unterstützung erwarten durften: Die SA wird hierzu nicht gewillt gewesen sein1205, Vorarlbergs „Grüne Wehr“, kaum mehr als ein organisatorischer Torso, zu solcher nicht imstande.

1197 vgl. Bauer, Kurt, Elementar-Ereignis, S. 281 f 1198 Die vormals als „Bauernwehr“ bekannte Organisation fi rmierte nunmehr unter der Bezeichnung „Grüne Wehr“. 1199 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 265 1200 vgl. ÖStA, A.d.R., BKA-Inneres 22/gen., Kt. 4093, 223.257/34, zit. nach: Bauer, Kurt, Elementar-Ereignis, S. 68 1201 vgl. Bauer, Kurt, Elementar-Ereignis, S. 278 f, 285, 289 und 298 – 300 1202 vgl. ebenda, S. 301 1203 vgl. Steinböck, Erwin, Das österreichische Bundesheer 1920 – 1938, in: Feldgrau, 13. Jg., Heft 1, 1965, S. 31, zit. nach: Bauer, Kurt, Elementar-Ereignis, S. 326 1204 In Vorarlberg war „lediglich“ eine Häufung von Sprengstoffanschlägen zu verzeichnen. Personen kamen hierdurch nicht zu Schaden (vgl. Walser, Harald, Die illegale NSDAP in Tirol und Vorarlberg 1933 – 1938, S. 129 – 131). 1205 Die vom 30. Juni 1934 bis 2. Juli 1934 erfolgte Liquidierung Ernst Röhms – reichsdeutscher Stabchef der SA – und von weiteren ihrer Funktionäre führte insbesondere unter Vorarlbergs SA-Formationen zu erhebli- chen Irritationen. Deren Einsatzbereitschaft für die nationalsozialistische Sache wird darunter gelitten haben, ihr Wille, mit der an der „Säuberungswelle“, in die Geschichte eingegangen als „Röhm-Putsch“, maßgeblich beteiligten SS zu kooperieren, nicht eben ausgeprägt gewesen sein. 7. DAS ENDE DES LANDBUNDES

7.1 ÖSTERREICHS LANDBUND UND DER WEG INS POLITISCHE AUS

Der 4. März 1933 brachte im Parlament eine hitzige Debatte mit sich.1206 Daran schloss sich der Rück- tritt der drei Nationalratspräsidenten an – dieser wiederum führte zu einer Geschäfts ordnungskrise des Hohen Hauses und dessen Handlungsunfähigkeit. In dieser Situation nahm die CSP das Heft in die Hand. Schon am darauf folgenden Tag kamen mit Vaugoin, Buresch und Kunschak deren drei maßgebliche Politiker überein, „für einige Zeit“ einen autoritären Kurs einzuschlagen. Auch Bundeskanzler Dollfuß war auf dieser Linie. Der Landbund zeigte sich in dieser Phase bemüht, Opposition und Bundespräsidenten in die Ent- wicklung einzubeziehen – Verhandlungen, die darauf abzielten, scheiterten allerdings1207. Vorbehal- te gegenüber dem neuen, vor allem von ihrem Koalitionspartner CSP vorgegebenen Kurs äußerten die „Grünen“ zunächst nicht. Ganz im Gegenteil: Die Aussicht, derart ihr seit langem angestrebtes Ziel eines Ständestaats unerwartet rasch erreichen zu können, ließ sie auf Distanz zum „alten System“ gehen und die neue Entwicklung begrüßen. Auf dem Landesparteitag des Vorarlberger Landbundes am 2. April 1933 sprach der Obmann des „grünen“ Parlamentsklubs, Hubert Dewaty, zwar davon, dass seine Partei auf verfassungsmäßiger Grundlage stehen würde, prangerte aber schon im nächsten Satz die „schwere(n) Missbräuche und Übergriffe“ an, durch welche sich Demo- kratie und Parlamentarismus diskreditiert hätten1208. Die „vorübergehende Selbstausschaltung“ des Hohen Hauses müsse daher, so Dewaty in seinem Referat weiter, zu gravierenden und von einem Parlament kaum leistbaren Reformen1209 genützt werden. Nach einem Monat „neuer Kurs“ zog der Landbund zufrieden Bilanz: Das verhängte Versammlungs- und Aufmarschverbot rechtfertigte er als Schutz der Bevölkerung vor politischer Verhetzung durch „verantwortungslose Demagogen“, die Beschränkung der Pressefreiheit als Maßnahme gegen das gewissenlose Treiben einzelner Zeitungen. Von der Regierung angegangene Veränderungen in wirt- schaftspolitischer Hinsicht fanden ebenso seinen Beifall1210.

Im April 1933 verfestigte sich bei Bundeskanzler Dollfuß die Überzeugung, dass das Regierungsla- ger einer politischen Sammelbewegung bedürfe. Am 21. Mai 1933 war diese in Form der Vaterlän- dischen Front geschaffen. Deren Führer: Dollfuß1211 . Die Konstituierung der Vaterländischen Front ließ den Landbund innerhalb des Regierungs lagers in die Defensive geraten. Auch drohte ihm wegen der von den Nationalsozialisten ausgelösten Erosion in seinen Wählersegmenten ein Bedeutungsverlust. Für die „Grünen“ war ferner absehbar, alsbald

1206 Die Debatte hatte den drei Tage zuvor stattfi ndenden Eisenbahnerwarnstreik und die hierauf erfolgte Beset zung der Bahnhöfe durch das Bundesheer zum Thema. 1207 vgl. Staudinger, Anton, Christlichsoziale Partei und Errichtung des „Autoritären Ständestaates“ in Öster- reich, S. 69 f 1208 In seiner Presse erklärte der Landbund das Parteienparlament des Weiteren zur „Brutstätte alles Übels“, welche sich viel zu schwerfällig geriert und allzu sehr auf Parteibelange fokussiert hätte (vgl. Landpost, 16. März 1933, o.S. und 23. März 1933, S. 4). 1209 Nebst dem Ersatz des Bundesrates durch eine Ständekammer forderte Dewaty auch eine weitere Stärkung des Bundespräsidenten ein. 1210 vgl. Landpost, 6. April 1933, S. 1 f 1211 vgl. Kriechbaumer, Robert, Die großen Erzählungen der Politik, S. 611 186 | Deutschnationalismus in Vorarlberg ohne die Sicherheit einer großen Mutterorganisation – dem Deutschen Reichslandbund – auskom- men zu müssen. Ursächlich hierfür war das belastete Verhältnis des österreichischen Landbundes zur NSDAP, gepaart mit deren zunehmendem Einfl uss im Deutschen Reichslandbund. Mitte 1933 galt der Deutsche Reichslandbund den „Grünen“ – nachvollziehbarer Weise1212 – als Organisation, die „(...) immer mehr in ein radikales Fahrwasser geraten und schließlich in der nationalsozialisti- schen Partei aufgegangen (...)“1213 war. Offi zielle Aussendungen des Deutschen Reichslandbundes mit Angriffen auf den Landbund für Österreich brachten das Fass schließlich zum überlaufen. An- fang Juni 1933 traten die „Grünen“ aus ihrer Mutterorganisation aus1214.

Die Abspaltung von der „deutschen Mutter“ war absehbar, die Gefahr, zwischen den Fronten auf- gerieben zu werden, virulent – in dieser Situation bemühte sich Winkler , den Landbund auf breitere Basis zu stellen: Im Mai 1933 gingen die „Grünen“ hierfür mit dem „Ständebund für Handel und Gewerbe“ und dem „Nationalen Beamten- und Angestelltenbund“ eine Arbeitsgemeinschaft ein. Am 9. Juli desselben Jahres legte sich diese den Namen „Nationalständische Front“ zu1215. Ihre formelle Konstituierung erfolgte am 20. Juli 1933. Die mit großem organisatorischen Aufwand betriebene Gründungsfeier der Nationalständischen Front ging am 17. September 1933 auf dem Grazer Trabrennplatz über die Bühne. Winkler als „Führer“ der Neuorganisation hielt die Programm- rede. Die erwartete Ankündigung, die Nationalständische Front trete der Vaterländischen Front bei, blieb Winkler schuldig. Stattdessen wurde seine Rede zur Abrechnung mit der Heimwehr. Dem seinen Ausführungen zufolge von den „Hahnenschwanzlern“ erhobenen Anspruch auf Staat und Staatsführung erteilte Winkler eine unmissverständliche Absage1216. Der Konter der Heimwehr fi el nicht minder heftig aus: Starhemberg erhob coram publico die Forderung nach „Säuberung“ von jenen „(...) Vertretern der Korruptionsdemokratie, die heute auch vaterländisch sein wollen, die für ihre politischen Pfründen fürchten und auch in Zukunft ihre Geschäfte machen wollen“1217. Mit diesen Wortmeldungen erfuhr der zwischen den Koalitions„partnern“ Landbund und Heim- wehr seit längerem schwelende Konfl ikt eine dramatische Zuspitzung. Die Landbund-Presse sah hierdurch „(...) das Tischtuch zwischen den bisher gemeinsam am Regierungstische gesessenen Parteien zerschnitten.“1218 Zwischen Winkler und Starhemberg herrschte „offener Kriegszustand“. Für Dollfuß galt es hierauf zu handeln. Am 21. September 1933 tat er solches in Form einer Regie- rungsumbildung. Die Gruppierung, die dieser zum Opfer fi el: der Landbund. Seine drei Regierungs- mitglieder – Winkler , Schumy und Bachinger – demissionierten1219. Auch wenn mit Robert Kerber und Franz Glas noch zwei Mitglieder der Nationalständischen Front der Regierung angehörten, war

1212 Im März 1933 wurde der nationalsozialistische Parteigänger Wilhelm Meinberger zum geschäftsführenden Präsidenten des Reichslandbundes ernannt. Selbiger war in der Folge Mitbegründer und von Juni 1933 bis 1937 Reichsobmann des Reichsnährstandes. Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass der Reichslandbund die Machtübernahme Hitlers begrüßte und der Gleichschaltung der Landwirtschaft sowie seiner Erfassung im Reichsnährstand keinen Widerstand entgegen setzte. 1213 Landpost, 8. Juni 1933, S. 1 1214 vgl. ebenda 1215 vgl. Kriechbaumer, Robert, Die großen Erzählungen der Politik, S. 522 f 1216 Winkler hierzu wörtlich: „Ich erkläre hier vor vielen tausenden kampfentschlossenen, nationalen Republi- kanern, daß wir uns dieser Forderung niemals beugen werden.“ (vgl. Landruf, 21. September 1933, o.S.) 1217 Tagblatt, 18. September 1933, zit. nach: Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 257 1218 Landruf, 28. September 1933, o.S. 1219 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 253 – 257 und 293 7. Das Ende des Landbundes | 187 offenkundig: Dollfuß hatte die „grünen“ Regierungsmitglieder der Heimwehr1220, und damit ihren erbitterten Gegnern, geopfert1221.

Den Befreiungsschlag, den der Landbund mit der Gründung der Nationalständischen Front zu setzen gehofft hatte, blieb aus. Statt mit deren Hilfe zur führenden Kraft einer breiter angelegten und etablierten Bewegung zu werden, fanden sich die „Grünen“ alsbald nach Gründung dieser im poli- tischen Abseits wieder. Die Nationalständische Front selbst hätte – wie sich sogleich zeigte – für eine einigermaßen gedeihliche Entwicklung dringend starker Impulse bedurft. Aussicht auf solche bot die von Winkler für den November 1933 angestrebte Nationalratswahl. Die wenigen Listen, deren Antreten er bei der Wahl vorsah1222, hätten der Nationalständischen Front beste Chancen eröffnet, zu einer mehr als nur marginalen Größe in der österreichischen Innenpolitik zu werden. Alleine: Die Wahl blieb ein unerfüllter Wunsch Winklers, der Impuls folglich aus. So aber gelang es der Nationalständischen Front nicht, über den Status einer Fußnote in der politischen Geschichte Österreichs hinauszukommen. Der „grüne“ Glaube, den weiteren Weg eigenständig beschreiten zu können, war damit erschüttert. Eine weitere Beschränkung erfuhr der ohnedies bescheidene Handlungsspielraum des Landbundes durch dessen pekuniäre Situation. Infolge der Ausbootung der „Grünen“ aus der Regierung ver- siegte manche der bis dahin – wenn auch in nur bescheidenem Maße – sprudelnden Geldquellen. Hierdurch verschärfte sich ihre ohnehin seit langem prekäre Finanzlage. Parallel dazu wanderten immer mehr Mitglieder des Landbundes zu den Nationalsozialisten ab1223. Derart in die Defensive gedrängt, kam es zur Annäherung an die „Braunen“.

Gegen Ende 1933 suchte die Regierung den Ausgleich mit dem deutschnationalen Lager. Nebst den Nationalsozialisten signalisierte Bundeskanzler Dollfuß auch den „Grünen“, Interesse an ihrer erneuten Regierungsbeteiligung zu haben. Abfällige Bemerkungen im christlichsozialen Klub zu Landbund und Nationalständischer Front lassen allerdings Zweifel daran aufkommen, ob der Bun- deskanzler eine enge Zusammenarbeit mit den „Grünen“ tatsächlich erwog1224. Ein wesentliches Motiv für diesen Vorstoß dürfte Dollfuß dagegen sein Wunsch nach Befriedung der innerpartei- lichen Konkurrenz gewesen sein. Jenem Teil der Christlichsozialen, der nicht hinter seinem Kurs stand, sondern stattdessen für eine Revitalisierung der alten Seipelschen Koalition aus CSP, GDVP und Landbund eintrat, war damit ein gewisses Entgegenkommen signalisiert1225. Weiter gut denk- bar, dass Dollfuß’ Angebot an den Landbund als Signal an die „Hahnenschwanzler“ gedacht war. Damit hatte Dollfuß der Heimwehr vor Augen geführt, dass ihm, der zeitweilig Gefahr lief, als deren

1220 Die beiden „Hahnenschwanzler“ Fey und Neustädter-Stürmer blieben Teil der Regierungsriege. 1221 vgl. Wandruszka, Adam, Das „ nationale Lager“, S. 307 1222 Nach dem Willen Winklers wären die „Österreichische Front“, ein Zusammenschluss von Christlichsozia- len und Personen rund um Starhemberg, die Nationalständische Front sowie die Sozialdemokraten zur Wahl angetreten. Auch gegen eine Kandidatur der Großdeutschen hatte Winkler keine Einwände, fügte aber in deren Fall hinzu, dass diese den Anschein vermeiden müssten, als getarnte NS-Liste wahrgenommen zu wer- den. Die NSDAP selbst wäre seiner Vorstellung zufolge dagegen von der Wahl ausgeschlossen gewesen (vgl. Langoth, Franz, Kampf um Österreich, S. 109). 1223 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 283 1224 vgl. ebenda, S. 261 f 1225 vgl. Schuster, Walter, Deutschnational · Nationalsozialistisch · Entnazifi ziert, S. 48 188 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

„Gefangener“ jeglichen Handlungsspielraum zu verlieren1226, noch Alternativen zu ihr zur Verfügung standen. Sollte es sich tatsächlich um einen versuchten Befreiungsschlag des Bundeskanzlers ge- genüber seinem Regierungspartner gehandelt haben – er misslang. Von Seiten der Heimwehr war es ins besondere Fey , der diese Verhandlungen torpedierte. Letztlich mit Erfolg: Sie scheiterten.

Mitte Januar 1934 versuchte der Landbund eine gemeinsame Bauernfront zu schaffen. Dem ehe- maligen „grünen“ Vizekanzler Hartleb schwebte eine Vereinigung vor, deren Ausrichtung mit den Schlagworten „Gegen Habsburg und Faschismus, aber für die bäuerliche Selbstverwaltung sowie den Frieden mit dem Deutschen Reich“ charakterisiert sein sollte. Mit diesem Ziel vor Augen wand- te sich Hartleb an den Obmann des christlichsozialen Reichsbauernbundes, Josef Reither. Reither selbst – er sollte die Führung der Neuorganisation übernehmen – wie auch der Hauptausschuss des Reichsbauernbundes bekundeten sogleich lebhaftes Interesse an diesem Unterfangen, wollten dieses aber nicht ohne die Zustimmung von Dollfuß in Angriff nehmen. Aufgrund vorangegangener Unterredungen Winklers und Hartlebs mit Dollfuß glaubten sich die Landbündler seiner Einwilli- gung sicher sein zu können – die Realität belehrte sie eines Besseren: Dollfuß ’ „Segen“ für den angestrebten Zusammenschluss blieb aus. So kam zwar die Vereinbarung zustande, nicht aber de- ren Proklamation1227. Zum Scheitern dieses Vorstoßes resümierte Winkler: „Der Landbund hat alles getan, um Staat und Volk vor einer unglückseligen Entwicklung zu bewahren. Der Landbund hat für eine vernünftige Gestaltung der Dinge bis zur Selbstaufopferung gekämpft! Und das Ergebnis? Haß und Verleumdung, Verfolgung und Aufl ösung.“1228 Bis zu Letzterem sollten allerdings noch einige wenige Monate vergehen.

Diese letzten Monate des Landbundes waren geprägt von der Frage, wie die Verfassungs reform erledigt werden sollte. Die „Grünen“ setzten sich dabei für die Annahme der Ver fassung durch das Parlament ein. Schon früh, im August 1933, machte sich Winkler dafür stark, neue Volksvertreter – nach seinem Willen bei einem Urnengang im November 1933 zu wählen – mit der Einführung der neuen Verfassung zu betrauen1229. Im April 1934 stand die Entscheidung in dieser Frage unmittelbar bevor – die Diskussion nahm an Fahrt auf. Die Heimwehr sprach sich dezidiert dagegen aus, die autoritäre Verfassung dem Parlament zur Annahme vorzulegen. Sie ortete darin einen Widerspruch zum autoritären Staat. Dollfuß und mit ihm die Christlichsozialen setzten sich demgegenüber für ein solches Vorgehen ein. Dass die Verfassung im Parlament auf nennenswerten Widerstand stoßen würde, mussten sie, nachdem die Sozialdemokraten verboten und deren Abgeordnetenmandate erloschen waren, nicht befürchten1230. Der Kompromiss sah wie folgt aus: Der Heimwehr wurde entgegengekommen, indem die Bundesregierung, gestützt auf das Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz, die „Ver- fassung 1934“ am 24. April 1934 zunächst per Verordnung beschloss. In einem weiteren Schritt war vorgesehen, die Verfassung vom Parlament annehmen zu lassen. Um der autoritären Verfassung ein Höchstmaß an Legitimität zu verschaffen, bemühte sich die Regierung in Person von Finanzminister Buresch um Kontakt zur verbliebenen Opposition. Hierfür

1226 vgl. Goldinger, Walter, Der geschichtliche Ablauf der Ereignisse in Österreich, S. 209 1227 vgl. Winkler , Franz, Die Diktatur in Oesterreich, S. 91 1228 ebenda, S. 91 f 1229 vgl. Langoth, Franz, Kampf um Österreich, S. 109 1230 vgl. Goldinger, Walter, Der geschichtliche Ablauf der Ereignisse in Österreich, S. 221 7. Das Ende des Landbundes | 189 wurden GDVP und Landbund für den 24. und 25. April 1934 zu Gesprächen geladen. Die Erwartun- gen der Regierung an die beiden Oppositionsparteien waren unterschiedliche: Von den Großdeut- schen erhoffte sie sich eine Behandlung der Vorlagen „ohne lärmende Obstruktion“, vom Landbund dagegen die Zustimmung für die Verfassungsvorlage. Foppa , ehemals „blauer“ Spitzenpolitiker, und Winkler riefen die Regierung ihrerseits dazu auf, vom „würdelosen Schauspiel“ einer Sitzung des Rumpfparlaments Abstand zu nehmen und die in der neuen Verfassung enthaltenen Bestim- mungen zur Wahl des Bundespräsidenten1231 abzuändern. Zudem forderten sie von Dollfuß & Co. Verhandlungen mit der nationalen Opposition ein, um – wie von ihnen formuliert – „(...) dem zur Ka- tastrophe treibenden Regierungskurs einen versöhnlichen Charakter zu geben.“1232 Nebst Buresch bemühte sich auch Dollfuß bis zuletzt um ein „Ja“-Votum des Landbundes – erfolglos: Am 29. April 1934 entschloss sich der „grüne“ Klub, der neuen Verfassung seine Zustimmung zu verweigern und der für den folgenden Tag anberaumten Nationalratssitzung – der letzten der Ersten Republik – fernzubleiben1233. In einer Stellungnahme betonte der Abgeordnetenverband des Landbundes noch- mals, den Erlass der neuen Verfassung auf dem von der Regierung gewählten Weg für „unter allen Umständen“ verfassungswidrig zu halten. Auch äußerte er darin inhaltliche Vorbehalte gegenüber dem neuen Verfassungswerk. Die „Grünen“ ersuchten Nationalratspräsident Ramek, ihre Erklärung im Hohen Haus zur Verlesung zu bringen. Dieser Bitte wurde nicht nachgekommen. In Reaktion darauf trug der „grüne“ Bundesrat Felsinger die Stellungnahme am Nachmittag des 30. April 1934 im Bundesrat vor. Dieser Vorgang soll zwar das „besondere Mißfallen“ des Bundeskanzlers erregt haben1234, änderte aber nichts dar- an, dass die Verfassung am Vormittag desselben Tages im Parlament mit 74 : 2 Stimmen angenom- men worden war. Am 1. Mai 1934 wurde diese im Bundesgesetzblatt kundgetan. Mit dieser Prokla- mation erfuhr die Konstitution der ständisch-autoritären „Verfassung 1934“ ihren Abschluss1235.

Bereits zwei Tage zuvor, am 29. April 1934, hatte sich der Abgeordnetenverband des Landbundes zu einem ersten für die „Grünen“ tiefgreifenden organisatorischen Einschnitt entschieden: Ange- sichts der unmittelbar bevorstehenden Aufl ösung des National- und Bundesrates erklärte er seine Klubtätigkeit für beendet1236. Am 30. April 1934 – jenem Tag, an dem die Landbund-Abgeordneten der Nationalratssitzung fern- blieben und damit demonstrativ ihre Ablehnung der neuen Verfassung sowie der Art deren Inkraft- setzung bekundeten – wurden mit Kerber und Glas die beiden Mitglieder der Nationalständischen Front aus der Regierung expediert. Für Winkler war das im Rückblick „(...) ein sehr unkluger Schritt, der das Gefühl auslösen mußte, daß auch eine Mitwirkung streng konservativ eingestellter natio- naler Männer nicht mehr erwünscht sei.“1237 Knapp drei Wochen später – man schrieb den 18. Mai 1934 – entschloss sich auch die Bundes- parteileitung des Landbundes, ihre Arbeit zu beenden. Der Parteivorstand wurde ermächtigt, deren Liquidierung einzuleiten und alle hierfür notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Zugleich mit dieser

1231 Die neue Verfassung sah vor, den Bundespräsidenten von einer Versammlung sämtlicher Bürgermeister Österreichs wählen zu lassen. Landbund und GDVP traten dagegen für seine Wahl durch das Volk ein. 1232 Winkler , Franz, Die Diktatur in Oesterreich, S. 119 1233 vgl. ebenda S. 119 f 1234 vgl. ebenda, S. 125 – 128 1235 vgl. Voegelin, Erich, Der autoritäre Staat, S. 181 1236 vgl. Landpost, 24. Mai 1934, S. 1 1237 Winkler, Franz, Die Diktatur in Oesterreich, S. 150 190 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Selbstaufl ösung bekundeten die „Grünen“ jedoch ihre Absicht, die „landbündlerische Gesinnungs- gemeinschaft“ aufrechtzuerhalten – ein fünfgliedriges Exekutivkomitee übernahm deren Führung. Gebildet wurde es vom vormaligen Staatssekretär Bachinger und den Ex-Nationalratsabgeordneten Dewaty, Strießnig, Raser und Zangel. Keines dieser Mitglieder stammte aus Vorarlberg. Überdies erfuhren die Satzungen des Vereins „Österreichischer Landbund“ eine „den Erfordernissen we- sentlich geänderter Verhältnisse“ entsprechende Modifi kation. Auch personell kam es zu Verän- derungen. Mit Winkler und Schumy traten seine bisherigen Vorsitzenden zurück. Aus der Neuwahl ging Bachinger als Obmann, Dewaty als dessen erster und Sattlegger als zweiter Stellvertreter hervor1238. Die „landbündlerische Gesinnungsgemeinschaft“ ist gleich dem Verein „Österreichischer Land- bund“ als Versuch der „Grünen“ zu werten, mit Hilfe potenter Organisationen auch in autoritär- ständestaatlichen Zeiten Interessenspolitik zu betreiben. Der Versuch schlug fehl – beide Vereini- gungen traten in der Folge nicht nennenswert in Erscheinung. Interne Querelen mit anschließenden Ausschlüssen1239 sowie die nach dem Putschversuch im Juli 1934 erfolgte Inhaftierung oder Flucht von Vorstandsmitgliedern beider Organisationen1240 trugen wesentlich hierzu bei.

Da Mitglieder des „Junglandbundes“ und der „Grünen Wehr“ bei den Kämpfen im Anschluss an den „Juliputsch“ mitwirkten, erfuhren auch diese beiden „grünen“ Organisationen ihre Aufl ösung. Und schließlich: Am 24. August 34 fasste das Sicherheitsministerium in Wien den Beschluss, den Landbund samt seiner Unterorganisationen endgültig aufzulösen1241. Die regierungsnahe Presse brachte diese Entscheidung in Zusammenhang mit der – angeblichen – geistigen Urheberschaft Bachingers für die Vorkommnisse, die sich im Zuge des Putschversuchs im Juli 1934 in seiner Heimatgemeinde Gaspoltshofen ereignet hatten. Auch Meldungen, wonach sich die Landbund- Abgeordneten für ihre ablehnende Haltung gegenüber der „Verfassung 1934“ von den Nationalso- zialisten, namentlich Habicht , hatten kaufen lassen, sollen wesentlich zur fi nalen Liquidierung des Landbundes beigetragen haben. Winkler , der selbst ein Zehntel der insgesamt 340.000 Schilling erhalten haben soll, wies die Geldfl üsse allerdings kategorisch zurück1242. Mit dem Verbot des Landbundes schloss sich ein – von ihm selbst so mit Sicherheit nicht erwar- teter – Kreis: Er, der Anfang April 1933 die Aufl ösung des Republikanischen Schutzbundes zur be- deutendsten Notverordnung der letzten Woche gekürt1243 und bis zu seinem Ausscheiden aus der Regierung auch die gegen KPÖ1244 und NSDAP1245 verhängten Verbote mitgetragen hatte, war nun

1238 vgl. Landpost, 24. Mai 1934, S. 1 1239 Mitte Juli 1934 entschied sich der Vollzugsausschuss der „landbündlerischen Gesinnungsgemeinschaft“, sowohl Minister a.D. Schumy als auch den Kärntner Landesrat Sattlegger aus der Organisation auszuschlie- ßen. Eine Abmachung mit dem Kärntner Bauernbund, welche die beiden ohne Absprache mit der „grünen“ Führung getroffen hatten, war der Anlass hierfür (vgl. Landpost, 19. Juli 1934, S.11). 1240 Mit den Inhaftierungen Bachingers und Dewatys sowie der Flucht Zangels nach Deutschland waren dem Exekutivkomitee der „landbündlerischen Gesinnungsgemeinschaft“ drei seiner fünf Mitglieder abhanden ge- kommen, dem Vorstand des „Österreichischen Landbundes“ der Obmann, dessen erster Stellvertreter wie auch der Schriftführer. 1241 vgl. Haas, Alexander, Die vergessene Bauernpartei, S. 265 1242 vgl. Winkler Franz, Die Diktatur in Oesterreich, S. 128 und 188 1243 vgl. Landpost, 6. April 1933, S. 2 1244 Die KPÖ wurde am 26. Mai 1933 verboten. 1245 Das Verbot der NSDAP erfolgte – wie bereits erwähnt – am 20. Juni 1933. 7. Das Ende des Landbundes | 191 selbst zum „Opfer“ einer solchen Maßnahme geworden. Damit hatte – in Anlehnung an das Zitat von Pierre Vergniaud – der autoritäre Staat eines seiner eigenen Kinder gefressen.

7.2 DER VORARLBERGER LANDBUND TRITT AB

Der Vorarlberger Landbund bewegte sich mit seiner Haltung zu grundlegenden Fragen der Staats- form zwar nicht fern ab der von der „grünen“ Bundespartei vorgegebenen Parteilinie, gab seiner Auffassung aber eine andere Akzentuierung. Einig waren sich Adolf Peter und Hubert Dewaty, Obmann des „grünen“ Parlamentsklubs, darin, nach wie vor auf verfassungsmäßig-demokratischer Grundlage zu stehen. Zudem teilten sie die Überzeugung, dass Österreichs Parlament, um wieder „arbeitsfähig“ zu werden, dringend einer tiefgreifenden Verfassungs- und Geschäftsordnungsre- form bedürfe. Während aber Dewaty die „vorübergehende Selbstausschaltung“ des Hohen Hauses als Chance wertete und folglich begrüßte, enthielt sich Peter einer Beurteilung der neuen Lage. Auch verzichtete Peter – im Gegensatz zu Dewaty1246 – auf eine markig formulierte Abgrenzung ge- genüber dem bisherigen System. Stattdessen verwehrte sich der Vorarlberger Landesparteiobmann gegen eine allfällige Entwicklung Richtung Diktatur, stellte klar, dass die „Grünen“ eine solche Staatsform nie verantworten könnten und sie demzufolge mit allen Mitteln zu verhindern trach- ten würden1247. Der „Ländle“-Landbund enthielt sich in Person seines Parteiobmanns damit zwar expliziter Kritik am von seiner Bundespartei mitgetragenen Kurs, deutete aber zumindest Skepsis ob diesem an.

Vor diesem Hintergrund luden die Vorarlberger „Grünen“ zu ihrem – wie die Geschichte weisen sollte: letzten – Landesparteitag. Dieser, am 2. April 1933 in Dornbirn abgehalten, zielte primär darauf ab, die eigenen Funktionäre zumindest einigermaßen motiviert und bei der Stange zu halten. Hierfür zeichnete man ein positives Bild vom Ist-Zustand der Partei und gab sich auch bezüglich ih- rer Zukunft ostentativ optimistisch – die Basis sei „gesund“, der „schöne Aufschwung“ der letzten Zeit ließe erwarten, dass die Partei in Hinkunft „noch weitere Kreise ziehen“ würde1248. Die Realität sah indes anders aus: Die „Grünen“ waren, wie schon die Landtagswahl im November 1932 gezeigt hatte, in die Defensive gedrängt und dem Ende nahe.

Der anhaltende Aufstieg der NSDAP verschärfte die Situation des Landbundes weiter. Die „grüne“ Negativentwicklung erforderte dringend kraftvolle Gegenmaßnahmen– die bescheidene organisa- torische Potenz des Vorarlberger Landbundes bot aber nur wenig Aussicht, solche zu bewerkstelli- gen. Die gravierenden Beschränkungen, die das am 7. März 1933 in Kraft gesetzte Aufmarsch- und Versammlungsverbot für Ortsgruppen1249 mit sich brachte, ließen solches zu einem vollends aus- sichtslosen Unterfangen werden. Obwohl die Bundesregierung auch für Gründungsversammlungen spezielle Richtlinien erlas sen hatte1250, gelang den „Grünen“ 1933 vorarlbergweit die Konstituierung von einem Dutzend Ortsver-

1246 vgl. Landpost, 6. April 1933, S. 1 1247 vgl. ebenda, 27. April 1933, S. 2 1248 vgl. ebenda, 6. April 1933, S. 1 1249 Öffentliche Zusammenkünfte waren untersagt. Es durften nur noch solche für Mitglieder – sogenannte „§2-Versammlungen“ – abgehalten werden. 1250 vgl. Landpost, 16. März 1933, S. 8 192 | Deutschnationalismus in Vorarlberg einen. Dies war ein symbolischer Erfolg, mehr allerdings nicht. Ansonsten scheiterten sie mit ihren Bemühungen um Stärkung der Organisation – so auch im Bereich des Junglandbundes. Nach der Landtagswahl im November 1932 setzte die wachsende Popularität der Nationalsozialis- ten Vorarlbergs „grüner“ Jugendorganisation schwer zu: 1933 prägten Mitgliederverluste, Inaktivi- tät und interne Konfl ikte ihr Erscheinungsbild. Ab Mitte dieses Jahres kam ihre Versammlungstätig- keit fast gänzlich zum erliegen. Lediglich die Ortsgruppen Dornbirn und Feldkirch-Tisis boten ihren Mitgliedern noch Veranstaltungen an, dies allerdings in einem zu geringen Ausmaß, als dass sich für den Landbund hieraus ein Versprechen für die Zukunft hätte ableiten lassen. Da der Landbund seinem Nachwuchs eine wesentliche Rolle beim Aufbau „grüner“ Wehr formationen zudachte, stand der dahin darbende Junglandbund auch einer erfolgreichen Ent wicklung in diesem Bereich entgegen. Weder die zweifache Umbenennung der Wehrformation noch deren zweimalige Gründung in Vorarlberg vermochten dieses Manko entscheidend zu kompensieren. Der Versuch der „Ländle“-Landbündler, ihrer – vorgeblichen – Wehrhaftigkeit in organisierter Form Ausdruck zu verleihen, mündete daher in einer wenige Mitglieder zählenden Gruppierung, vorwiegend dazu verwendet, festlichen Anlässen Aufputz zu sein1251. Und die Nationalständische Front? Offenkundig wollte manch Vorarlberger Landbündler in ihr eine Zukunftsperspektive für seine in die Defensive gedrängte Partei sehen. Die Annahme einer Ent- schließung durch „grüne“ Vertrauensmänner des Landes, mit der sie die mit dem „Ständebund für Handel und Gewerbe“ abgeschlossene Interessensgemeinschaft ausdrücklich begrüßten, erfolgte einstimmig1252. Das Verbot der NSDAP nährte deren Zuversicht auf eine für die Nationalständische Front lichte Zukunft weiter: Die „bürgerlichen Elemente“ würden in Reaktion auf die von der Bun- desregierung verhängte Maßnahme den Nationalsozialisten den Rücken kehren, wodurch die Nati- onalständische Front als „einzige bürgerliche Partei“ mit weiteren großen Erfolgen rechnen könne, so Vorarlbergs „Grünen“-Chef Peter auf einer Versammlung Ende Juni 1933 in Lorüns1253 . Er irrte sich – die Gründungsfeier der Nationalständischen Front im September 1933 blieb deren einzige Großveranstaltung, ihre Bedeutung auf die einer politischen Eintagsfl iege beschränkt.

Den kleinen organisatorischen Erfolg, den die Konstituierung von zwölf neuen Ortsgruppen 1933 dargestellt hatte, vermochte der Vorarlberger Landbund 1934 nicht zu wiederholen. Obwohl seine Landesparteileitung für die Gründung weiterer Ortsvereine eintrat, blieben solche aus. Die eigene Schwäche, gepaart mit der von der Bundesregierung weiter getriebenen Abkehr vom parlamenta- rischen Parteienstaat, ließen 1934 auch für Vorarlbergs „Grüne“ zu einem Abschiedsjahr auf Raten werden. Dessen erster Akt vollzog sich in Reaktion auf den österreichischen Bürgerkrieg in Form der – be- reits erwähnten – Umbildung der Vorarlberger Landesregierung. Obwohl diese durch das Verbot der Sozialdemokraten keinen Aderlass hinzunehmen hatte und Landeshauptmann Ender den Landes- räten Anerkennung zollte, kam es zum „freiwilligen“ Rücktritt der Landesregierung1254. Am 5. März 1934 ging die Wahl der neuen Landesregierung vonstatten. Nachbaur, bis dahin etwas mehr als ein Jahr Vertreter der Vorarlberger „Grünen“ im politischen Spitzengremium des Landes, gehörte dieser nicht mehr an.

1251 vgl. dazu in dieser Arbeit, S. 91 1252 vgl. Landpost, 25. Mai 1933, S. 1 1253 vgl. ebenda, 6. Juli 1933, S. 1 1254 vgl. Vorarlberger Landtag, Stenographische Sitzungsberichte, 1. Sitzung am 3. März 1934, S. 6 7. Das Ende des Landbundes | 193

Für den 22. April 1934 lud der „Ländle“-Landbund zu sei- ner letzten Landesdelegiertentagung ein. Obwohl eine be- trächtliche Zahl von Delegierten keine Einladung erhalten hatte, soll die Zusammenkunft gut besucht gewesen sein. Den Anwesenden wurde ein Referat Peters zur wirtschaftli- chen und politischen Ausrichtung des Landbundes geboten. Zum Abschluss der Tagung nahmen die Delegierten einstim- mig eine Entschließung an, mit der sie bekräftigten, vollin- haltlich auf Parteilinie zu sein. Ferner gaben sie sich darin überzeugt, dass ihre „Führer“ auch weiterhin die richtigen Entscheidungen treffen würden1255.

Ein Teil Vorarlbergs „Grüner“ sah sich alsbald genötigt, letz- tere Ansicht zu revidieren: Anlass hierfür war der im Mai 1934 erfolgte Beitritt des Landbundes zum sogenannten „Kampfbündnis“ aus NSDAP (Hitler -Bewegung), Steiri- schem Heimatschutz und GDVP. Die „Grünen“-Ortsgruppe Abb. 13: Adolf Peter, Landesparteiob- Feldkirch-Tisis reagierte darauf mit einer Resolution, laut mann 1928 bis 1934 und Nationalrats- der die Vorarlberger Landbündler und Junglandbündler ob abgeordneter 1930 bis 1934 (Copyright dieses Schrittes entrüstet gewesen sein sollen. Statt der Parlamentsdirektion) engeren Verbindung zu „Braun“ und „Blau“ empfahlen de- ren Unterzeichner den Beitritt zur Vaterländischen Front1256. In der parteieigenen Presse fand diese partiell vorhandene Unzufriedenheit keinen Niederschlag. Daher kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die von den Gremien der Bundespartei eingelei- tete Selbstliquidierung ohne Kritik aus Vorarlberg vonstatten ging – das Presse organ des Landbun- des vermittelt jedoch diesen Eindruck.

Mit der ständisch-autoritären „Verfassung 1934“ schloss sich das Kapitel „Österreichischer Natio- nalrat in der Ersten Republik“. Dessen IV. Gesetzgebungsperiode erstreckte sich vom 2. Dezember 1930 bis zum 2. Mai 1934. Ebenso lang gehörte Peter dem Hohen Haus an. Im Zusammenhang mit Vorarlbergs „grünem“ Beitrag zum Parlamentarismus der Ersten Republik strich die Presse insbe- sondere seinen Einsatz für die „kleinen Leute“ hervor. Daneben wurde dem „spezielle(n) Vertreter des Kleinbauern“ attestiert, sich erfolgreich für Absatz und Zollerleichterungen zugunsten der Tex- tilindustrie eingesetzt sowie für den Fremdenverkehr stark gemacht zu haben1257.

Die Aufl ösung des Nationalrates bedeutete allerdings nicht Peters vollständigen Rückzug aus der Bundespolitik. Dem zwölfköpfi gen Vorstand des Vereins „Österreichischer Landbund“ gehörte er über diesen Zeitpunkt hinaus an – aus dessen Neuwahl am 18. Mai 1934 ging er als Beisitzer hervor1258.

1255 vgl. Landpost, 26. April 1934, S. 11 1256 vgl. VLA, Prs. 589/1934, zit. nach: Dreier, Werner, Vorarlberg und die Anschlussfrage, S. 207 1257 vgl. Landpost, 3. Mai 1934, S. 11 1258 vgl. ebenda, 24. Mai 1934, S. 1 194 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Ende Mai 1934 kam es bei der „grünen“ Presse zu Veränderungen. In Reaktion auf die Liquidation des Landbundes als politischer Partei änderte der „Landbund-Verlag“ seinen Namen in „Grüner Verlag“. Zugleich damit fand die Praxis, acht verschiedene Bauernblätter herauszugeben, ein Ende. Stattdessen erschien eine bundesweit überwiegend einheitliche Zeitung mit Lokalteil, die „Bauern- Zeitung“1259. Deren Lokalausgabe für Salzburg, Tirol und das „Ländle“ wartete mit einer Rubrik „Vorarlberger Nachrichten“ auf – diese war allerdings selten mehr als eine Spalte breit. Am 23. August 1934, einen Tag vor Aufl ösung sämtlicher Landbund-Organisationen, erschien die „Bauern- Zeitung“ zum letzten Mal.

Damit war dem Landbund eine weitere Möglichkeit abhanden gekommen, seine Positionen publik zu machen. Von einer anderen, dem Landtag, machten die Vorarlberger „Grünen“ respektive deren einziger Vertreter, Hermann Nachbaur , dagegen aus eigenen Stücken keinen Gebrauch. Nachbaur enthielt sich – wie bereits erwähnt – während der XIV. Legislaturperiode des Vorarlberger Land- tages jeglicher Wortmeldung. Am 11. Oktober 1934 wohnte der „Grünen“-Abgeordnete letztmals einer Landtagssitzung bei1260.

1259 vgl. ebenda, 31. Mai 1934, S. 1 1260 vgl. Vorarlberger Landtag, Stenographische Sitzungsberichte, 9. Sitzung am 11. Oktober 1934, S. 61 8. ZUSAMMENFASSUNG

Ein Blick zurück auf die Kriegsjahre hinterließ bei Teilen der Montafoner Bauern den Eindruck, dass mit den landwirtschaftlichen Produkten „unsinnig“ gewirtschaftet worden war. Für den Fall des Weiterso prophezeiten sie der gesamten Bauernschaft den nahen Ruin. Einer solchen Entwicklung galt es aus ihrer Sicht entgegenzuwirken – dies in organisierter Form zu tun bot die beste Aussicht auf Erfolg. Hinzu kam der Wunsch, den Bauern eine Interessenvertretung jenseits und frei von jeder Parteipolitik zu bieten. Von einer Gruppe Montafoner Landwirte wurde die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer eigenständigen politischen Vertretung der Bauernschaft daher alsbald mit „Ja“ beantwortet. Dieser Willensbekundung folgten sogleich Taten: Um die Jahreswende 1918/1919 entstand das Programm. Mit den darin enthaltenen Forderungen zielte der „Unabhängige Bauernbund des Vor- arlberger Oberlandes“ – so der Namen der neuen Organisation bis in den Juni 1920 – im Wesent- lichen auf eine Stärkung der bäuerlichen Einfl ussmöglichkeiten bei Agrarfragen ab. Sein erster Ortsverein entstand Anfang 1919 in Ludesch . Rund ein Vierteljahr später stellte sich der UBB mit der Vorarlberger Landtagswahl einer ersten Bewährungsprobe – und bestand sie. Die „Grünen“, zum Urnengang nur im Wahlkreis Bludenz angetreten, gewannen auf Anhieb ein Mandat. 1923 und 1928 bescherten ihnen die Landtagswahlen jeweils zwei Mandate, 1932 wiederum eines. Die Chance, sich der Bevölkerung mit akzentuierten Auftritten im Landtag als Wahloption für spätere Urnengänge zu präsentieren, ließen sie weitestgehend ungenützt verstreichen: In über 15 Jahren brachten es deren Abgeordnete im Plenum des Vorarlberger Landtages auf keine zwei Dutzend Wortmeldungen. Dennoch wurden einem ihrer Vertreter, Hermann Nachbaur , noch höhere Weihen zuteil, indem er Ende 1932 in die Vorarlberger Landesregierung gewählt wurde. Dieser gehörte Nachbaur bis zum März 1934 an.

Im ersten Halbjahr 1920 wollen die „Grünen“ wahrgenommen haben, dass sich bereits eine „be- trächtliche Anzahl“ von Ortsgruppen im Bezirk Feldkirch und „viele Bauern“ aus dem Bezirk Bregenz ihnen angeschlossen hätten. Ihr Wille zur organisatorischen Expansion auf das ganze Landesgebiet war derart befördert – den dahin gehenden Beschluss ließen sie am 6. Juni 1920 folgen. Zugleich damit ging deren Namensänderung einher. Die neue Bezeichnung lautete auf „Vorarlberger Unab- hängiger Bauernbund“. Am selben Tag stellten die „Grünen“ auch die Weichen in Richtung dreier Bezirksorganisationen. Die Impulse, die sie sich von dieser Untergliederung für die eigene Organisation erwarteten, stell- ten sich aber nicht in gewünschtem Maße ein. Daher fassten die „Grünen“ im Jänner 1923 den Beschluss, sieben Bezirksorganisationen zu schaffen – gänzlich umgesetzt wurde dieser Plan al- lerdings nicht. Zur Stärkung der Organisation entschied sich der VUBB des Weiteren dazu, ein Landessekretariat zu errichten. Nach einer Vorlaufzeit von rund einem halben Jahr eröffnete die- ses – zunächst in Sulz, nach nur einer Woche aber nach Feldkirch übersiedelt – am 1. September 1921 seine Pforten. Das Sekretariat verrichtete organisatorische Arbeiten und die Schriftleitung der parteieigenen Zeitung. Auch zeigte es sich serviceorientiert. Mit der Eröffnung eines parteiei- genen Unternehmens für landwirtschaftliche Bedarfsartikel im Mai 1922 kam dem Landessekretär eine weitere Aufgabe zu: Fortan war er maßgebend in dessen Geschäftsführung involviert. Dieser Wust an Aufgaben überforderte das Landessekretariat – seine Beurteilung durch die „Grünen“ fi el zwiespältig aus. 196 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Neben organisatorischem Engagement zeigten die Vorarlberger „Grünen“ auch Interesse an einer Verbindung zu einer größeren Organisation. Drei Wochen nach der Entscheidung, vorarlbergweit agieren zu wollen, war der VUBB – gleich Bauernbünden aus der Steiermark, Kärnten und Niederö- sterreich – Teil der von Leopold Stocker initiierten „Deutschösterreichischen Bauernpartei“. Dieser Vereinigung war jedoch nur eine kurze Lebensdauer beschieden. Eine neuerliche Zusammenfassung Österreichs „Grüner“ konstituierte sich am 20. Jänner 1922: der „Landbund für Österreich“. Diesem gehörten sogleich sieben körperschaftliche Mitglieder an – unter ihnen der VUBB. Für Letzteren ging damit eine abermalige Namensänderung einher. Sein neuer Titel „Vorarlberger Landbund“ erlangte am 20. April 1922 Rechtsgültigkeit. In den ersten Monaten 1921 hatte der VUBB überdies seine Fühler Richtung Norden ausgestreckt. Es kam zum Kontakt mit dem „Bund der Landwirte“ in Bayern . Am 10. Juli 1921 erklärte sich des- sen deutsche Bundesleitung bereit, Vorarlbergs „Grüne“ in ihre Vereinigung aufzunehmen. Anfang September 1921 war der Anschluss an den „Deutschen Reichslandbund“ – hervorgegangen aus der Fusion des „Bundes der Landwirte“ mit dem „Deutschen Landbund“ – vollzogen.

Obwohl die Vorarlberger „Grünen“ ihre organisatorischen Möglichkeiten durchaus skeptisch beur- teilten, erschienen sie Anfang der 1920er Jahre als vernetzte und prosperierende Partei. Ende 1921 soll der VUBB knapp 3.000 Mitglieder gezählt haben. Waren die von ihm unterhaltenen Ortsgruppen im Durchschnitt auch vergleichsweise klein – mit deren Zahl stellte er Vorarlbergs übrige Parteien in den Schatten: Mitte 1922 dürften die Landbündler in annähernd 50 Gemeinden des Landes mit einer Ortsgruppe vertreten gewesen sein. Die Erwartungen, die Vorarlbergs „Grüne“ an den Ausgang der im Oktober 1923 abgehaltenen Nationalrats- und Landtagswahlen knüpften, waren dementsprechend hoch – und wurden schwer enttäuscht. Den Einzug in den Nationalrat verfehlten sie klar. Überdies mussten sie, die insgeheim mit fünf Landtagsmandaten gerechnet hatten, sich mit deren zwei begnügen. Dies blieb nicht fol- genlos: Die Urnengänge 1923 läuteten bei Vorarlbergs Landbündlern Jahre des Niederganges ein. Der Elan früherer Jahre war verfl ogen, tatkräftige Unterstützung von Seiten der Bundespartei, da selbst in Turbulenzen geraten, nicht zu erwarten. Problemverschärfend kam hinzu, dass die von Vor- arlbergs „Grünen“ ursprünglich zur Stützung sowie für den Erhalt ihrer Landespartei gegründeten Wirtschaftsunternehmungen tiefrote Zahlen schrieben. Auch in dieser Hinsicht war mit Rettung von außerhalb nicht zu rechnen, hatte doch der Landbund 1925 und 1926 bundesweit mit fi nanziel- len Problemen zu kämpfen.

Infolge dieser Schwäche zeigten sich Vorarlbergs Landbündler zunehmend „anlehnungs bedürftig“, bemühten sich verstärkt um Kooperationen. Hierdurch traten ihre diesbezüglichen Präferenzen, die sich schon in früheren Jahren klar abgezeichnet hatten, nochmals deutlicher zu Tage – auch, dass die Großdeutschen nicht dazu zählten. Die Vorarlberger „Grünen“ ließen von Anbeginn weg keine Absicht erkennen, mit den „Blau en“ kooperieren zu wollen. Hierdurch gestaltete sich das Verhältnis der beiden Parteien im „Ländle“ distanzierter als auf Bundesebene. Dennoch war die GDVP Vorarlberg mit den „Grünen“ Anfang der 1920er Jahre zufrieden: Letztere kosteten zwar auch ihr selbst, vor allem aber den Christlichso- zialen Wählerstimmen. Zur positiven Haltung der „Blauen“ gegenüber dem UBB trug ferner ihre Erwartung bei, mit diesem einen Bündnispartner im Kampf gegen die christlichsoziale Vorherr- schaft im „Ländle“ zu haben. Die großdeutsche Landes partei soll den „Grünen“ gar Unterstützung bei ihrer Organisationsarbeit angedeihen haben lassen. Die „Blauen“ gaben sich davon überzeugt, 8. Zusammenfassung | 197 dass sich die „Grünen“ – ob bald oder erst auf längere Sicht, darüber war man sich uneins – der GDVP anschließen würden. Die Verhandlungen zwischen „blauer“ und „grüner“ Bundespartei, die im Dezember 1922 im Zu- sammenschluss der beiden deutschnationalen Bauernorganisationen sowie dem „Verband der Großdeutschen und des Landbundes“ gipfelten, sollten sie eines Besseren belehren: Vorarlbergs Landbündler machten klar, an einem Naheverhältnis zur GDVP desinteressiert zu sein. Auch waren sie – trotz langwieriger Verhandlungen in den folgenden Monaten – nicht bereit, mit den „Blauen“ alleine in die Nationalrats- und Landtagswahlen 1923 zu ziehen. Das „grüne“ Selbst- verständnis, Standespartei zu sein, sowie Widerstand von jenem Flügel innerhalb des Vorarlberger Landbundes mit deutlich ausgeprägter Affi nität zur CSP, standen der Annäherung an die Großdeut- schen entgegen. Die Präferenz Vorarlbergs Landbündler war anders gelagert: Ihr erklärtes Ziel bestand in der voll- ständigen Einigung der gesamten österreichischen Bauernschaft. Bereits vor der Gründung des Vorarlberger Bauernbundes – diese erfolgte am 10. Dezember 1919 – traten sie deswegen in Ver- handlungen mit den christlichsozialen Bauernvertretern, 1921 fanden diese ihre Fortsetzung. 1923, einer Zeit, in der in anderen Bundesländern der „Verband der Groß deutschen und des Landbun- des“ – noch – bestand, wurden sie in dieser Angelegenheit abermals aktiv: Im Zeitraum vom 14. April 1923 bis 10. Juni dieses Jahres kam es zwischen dem Vorarlberger Landbund und seinem christlichsozialen Pendant zu drei „Vereinigungssitzungen“. Die Verhandlungen brachten eine weit- gehende Einigung, scheiterten letztlich aber an „politischen Fragen“. Die beiden Gruppierungen kamen lediglich überein, die Gespräche zu jenem Zeitpunkt wiederaufnehmen zu wollen, an dem die politischen Verhältnisse günstigere Aussichten für eine Übereinkunft böten. Die politischen Verhältnisse sollten sich in der Folge zwar nicht gravierend ändern, sehr wohl aber jene beim Vorarlberger Landbund. Seine Situation gestaltete sich zunehmend schwieriger. Auf die- se Negativentwicklung ist es im Wesentlichen zurückzuführen, dass die Vereinigung der beiden Bauernbünde ab Anfang 1925 für zwei Jahre zum Dauerthema wurde, es in dieser Zeit immer wieder zu Verhandlungen in dieser Angelegenheit kam. Der Streitpunkt, inwieweit sich der künftige Zusammenschluss politisch betätigen sollte, konnte derart aber nicht ausgeräumt werden. Was Gespräche nicht zu bewirken vermocht hatten, brachte der angeblich bevorstehende fi nanzielle Kol- laps der landbundeigenen „Agraria“ mit sich: Die Befürchtung, mit dem Privatvermögen für deren Verluste aufkommen zu müssen, soll manch „grünen“ Spitzenfunktionär dazu bewogen haben, für eine Einigung mit dem christlichsozialen Bauernbund einzutreten. So votierte am 30. Jänner 1927 eine deutliche Mehrheit der „Grünen“-Delegierten für die Auslösung des Vereins „Vorarlberger Landbund“. Am 16. März 1927 wurde die Vereinigung der beiden Bauernbünde besiegelt, zwei Monate später der „Landesbauernbund für Vorarlberg“ gegründet.

Teilen Vorarlbergs „Grüner“ erschien ihre Organisation ob dieser Begleiterscheinungen an die Christlichsozialen verkauft. Die „gesinnungstreuen Landbündler“ – so die Eigenbezeich nung der- jenigen, die sich dem Zusammenschluss widersetzt hatten – entschlossen sich zur Fortführung einer eigenständigen „Grünen“-Politik in Vorarlberg. Im Mai 1927 übernahm der Landbund auf Bundesebene Regierungsverantwortung. Damit trat er, bis dahin als kleine Oppositionspartei von der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, in das Rampenlicht der großen Politik. Für die in Vorarlberg anstehende Aufgabe, den Neuaufbau einer Landesorganisation, bedeutete solches mit Sicherheit Rückenwind. 198 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Am 10. Juli 1927 fand der erste Landesparteitag statt. Dieser diente Vorarlbergs „Grünen“ zu- gleich als Gründungsversammlung. Des Weiteren galt es laut Organisationsstatut sechs Be- zirksorganisationen, den Gerichtsbezirken des Landes entsprechend, zu schaffen – tatsächlich wurden es deren fünf. Zwischen Mitte August und Anfang September 1927 konstituierten sich die Bezirksparteileitungen Bludenz, Montafon, Feldkirch und Dornbirn neu. Die Bezirksorganisation Bregenz , die den ganzen politischen Bezirk umfasste, kürte ihre Leitung zu einem späteren Zeit- punkt. Bis Ende 1927 sind ferner 22 Neugründungen von Ortsvereinen überliefert. Ein Jahr später war deren Zahl auf an die 30 angestiegen.

Gemessen an der Zahl – nicht aber am Zustand einzelner seiner Stützpunkte – war es dem Land- bund damit abermals gelungen, ein für Vorarlberger Verhältnisse beeindruckendes Orts gruppennetz aufzubauen. Das Ergebnis der Landbündler bei der Landtagswahl 1928, mit 9,62 % ihr bestes bei einem landesweit abgehaltenen Urnengang, deutet ebenfalls auf einen vollen Erfolg ihrer Reorga- nisation hin. Allerdings: Der Eindruck täuscht. Die über Jahre hinweg ange spannte Finanzlage der Vorarlberger „Grünen“ schränkte deren Handlungsspielraum stark ein. Der Finanzen wegen gaben sie im Dezember 1928 das Landessekretariat auf. In den folgenden rund zweieinhalb Jahren hielten sie sich mit Behelfskonstruktionen einigermaßen handlungsfähig. Auch dem Junglandbund – ihrem Versuch, der Partei in organisierter Form Nachwuchs zu sichern – war nur mäßiger Erfolg beschieden: Seine erste Ortsgruppe konstituierte sich am 11. Mai 1929 in Dornbirn. Nach der Gründung dreier weiterer Ortsvereine zählte die „grüne“ Jugendorganisation Anfang 1930 im „Ländle“ 124 Mitglieder. 1932 erlebte der Junglandbund eine bescheidene Blüte – Ende August des Jahres gehörten ihm in Vorarlberg zehn Ortsgruppen mit rund 300 Mitgliedern an. Mit der Landtagswahl im November 1932 fand diese „Hochphase“ ein Ende. Fortan prägten eine rückläufi ge Versammlungstätigkeit, angekündigte Kurse, die nicht abgehalten worden sein dürften, und Konfl ikte das Erscheinungsbild Vorarlbergs „grüner“ Jugendorganisation. Zudem kehrten Mit- glieder ihr den Rücken. Deren Ziel liegt nahe: die Nationalsozialisten. Den Nationalsozialisten ist es auch mit zuzuschreiben, dass der von Vorarlbergs „Grünen“ spät – Mitte 1932 – gestartete Versuch, sich mit der „Grünen Front“ eine eigene Wehrorganisation aufzu- bauen, im Sande verlief. Trotz zweimaliger Gründung und dem vielfachen Appell zur Mitwirkung in den Wehrgruppen kam die „Grüne Front“ im „Ländle“ nicht über den Sta tus einer mitgliederschwa- chen und inaktiven Kleingruppe hinaus.

Hinsichtlich Ausrichtung zeitigte die Spaltung des Landbundes Anfang 1927 Folgen: Der Wunsch nach Zusammenarbeit bzw. Zusammenschluss aller bäuerlichen Kräfte ebbte deutlich ab. Statt- dessen gaben sich die „Grünen“ – mehrere Gründe lagen dem zugrunde – gegenüber der GDVP aufgeschlossener. Eine Kooperation für die Landtagswahl 1928 kam zwar, obwohl von Zweiterer angestrebt, nicht zustande, sehr wohl aber solche zu den Gemeinderatswahlen im darauf folgenden Jahr. Dabei traten sie in sechs Gemeinden gemeinsam an. Auch zur Nationalratswahl 1930 konnten Landbündler und Großdeutsche – anders noch als 1923 – eine Übereinkunft erzielen. Die „Grünen“ wurden deren große Profi teure. Mit Adolf Peter zog einer der Ihren – er sollte deren einziger bleiben – in den Nationalrat ein. In der Folge kühlte sich das Verhältnis Landbund – GDVP wieder ab. Hierfür vorwiegend verant- wortlich: die „Blauen“. Die Großdeutschen, zunehmend in ihrer Existenz bedroht, versuchten dieser Gefahr mit profi lschärfenden Maßnahmen – unter ihnen eine klarere Abgrenzung gegenüber ande- ren Parteien – Herr zu werden. Hiermit schufen sie zwar Distanz zum Landbund, verfehlten aber ihr 8. Zusammenfassung | 199

Hauptziel. Die Reaktion der „Grünen“ auf den im Mai 1933 erfolgten Beitritt der GDVP zum soge- nannten „Kampfbündnis“, ein Schritt, der einer Selbst aufgabe gleichkam, fi el folglich kühl aus. Im Vergleich dazu deutlich temperamentvoller trat der Landbund in dieser Zeit gegenüber der NS- DAP auf. Dies war nicht immer so gewesen: Während die Großdeutschen in den 1920er Jahren um eine enge Verbindung zu den Nationalsozialisten buhlten, ignorierten die „Grünen“ Letztere weitestgehend. Lediglich einmal – anlässlich der Bregenzer Gemeinderatswahl 1929 – traten Landbündler und Nationalsozialisten, hier wiederum die Schulz’sche Variante davon, in Vorarlberg gemeinsam zu einem Urnengang an. Diese Ignoranz des Landbundes gegenüber den „Braunen“ fand mit deren Aufstieg im Zuge der Weltwirtschaftskrise ein Ende. Die NSDAP wurde – auch wenn es ihr bis 1933 nicht gelang, in die für die „Grünen“ zentrale Wählerschicht der Bauern entscheidend einzudringend – von den Landbündler zunehmend als Bedrohung wahrgenommen. Das Buhlen der „Braunen“ um die Gunst der Landwirte, in Vorarlberg ab 1931 wahrzunehmen, wird diesen Eindruck verstärkt haben. Die „Grünen“ reagierten hierauf mit heftigen Attacken auf die Nationalsozialisten. Wähler- und Mit- gliederverluste an die „Braunen“ gelang es ihnen dennoch nicht zu verhindern. Insbesondere im Parteinachwuchs machte sich – wie eben schon erwähnt – eine derartige Absetzbewegung be- merkbar. Im Herbst 1933 neigte sich der politische Kampf des Landbundes gegen die NSDAP dem Ende zu. Sein Versuch, sich mit Hilfe der Nationalständischen Front gegenüber der politischen Konkurrenz zu behaupten, scheiterte kläglich. Auch die Art, auf welche die Landbündler von Dollfuß aus der Regierung expediert wurden, sowie ihre hierauf verschärfte Finanzlage werden die „Grünen“ auf Bundesebene veranlasst haben, sich den „Braunen“ anzunähern. In welchem Maße sich diese An- näherung in Vorarlberg vollzog, ist kaum zu beantworten. Kritik am Beitritt des Landbundes zum „Kampfbündnis“ aus NSDAP, Steirischem Heimatschutz und GDVP, vorgebracht von der „Grünen“- Ortsgruppe Feldkirch -Tisis, ist ein Hinweis darauf, dass sich zumindest Teile der„Grünen“ dieser widersetzten.

1934 wurde für die landbündlerische Bundespartei wie auch deren westlichste Landesorganisation zu einem Jahr des etappenweisen Abschieds von der politischen Bühne: Bescheidene organisato- rische Erfolge, wie sie der Landbund 1933 im „Ländle“ noch errungen hatte, blieben nunmehr aus. Im April 1934 hielt er seine letzte Landesdelegiertentagung ab. Zwischen März und November gleichen Jahres wurden Vorarlbergs „Grünen“-Vertreter aus dem Landesrat, Land- und Nationalrat verabschiedet. Damit war der Landbund Geschichte, eine Geschichte, die nach dem zweiten Welt- krieg keine Fortsetzung erfuhr.

ANHANG

„GRÜNE“ ORTSGRUPPEN IN VORARLBERG1261 1262 1263 1264 1265 Jahr 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 Alber- besteht besteht besteht besteht schwende Altach be- besteht besteht besteht steht1262 Andelsbuch besteht Bartholo- besteht besteht besteht besteht besteht besteht gegr. besteht besteht mäberg (am 14. August 1927)1263 Batschuns gegr. (am 20. Novem- ber 1927) Bildstein gegr. besteht besteht besteht besteht besteht gegr. (am 11. Dezem- ber 1921) Beschling gegr. (am 7. Februar 1930) Bludesch besteht besteht Bludenz gegr. (und Umg.) Braz besteht Bregenz besteht (und Umg.) Bürs besteht besteht besteht gegr. Dalaas besteht besteht besteht besteht besteht Dornbirn gegr. besteht besteht besteht gegr. besteht besteht besteht besteht (am 9. Juli 1922) Eichenberg Grün- dung vorbe- reitet1264 Fluh gegr. Frastanz besteht besteht besteht Grün- gegr. dung (am 29. vorbe- Juni reitet1265 1933)

1261 Sämtliche Informationen dieser Liste sind den, über die Jahre unter verschiedenen Bezeichnungen fi rmie- renden, „grünen“ Parteiblättern entnommen. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 1262 Im Dezember 1923 sprachen die Landbündler von Altach als „junger Ortsgruppe“. 1263 Die Gründung erfolgte im Anschluss an den am 14. August 1927 abgehaltenen Bezirksparteitag in Blu- denz. 1264 Im Juli 1928 wurde davon berichtet, dass in Eichenberg die notwendigen Vorarbeiten zur Durchführung einer Ortsgruppengründung besprochen und Personen zu deren Umsetzung gefunden worden seien. 1265 Im Dezember 1927 berichtet die parteieigene Presse von einem vorbereitenden Ausschuss, dem die Grün- dung der Ortsgruppe Frastanz übertragen worden sei. 202 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

1266 1267 1268 1269 1270 1271 1272 1273

Jahr 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 Fraxern besteht Gaißau besteht besteht besteht Gaschurn besteht besteht besteht Gisingen gegr.1266 gegr. besteht gegr. (am 19. Jänner 1925)1267 Göfi s besteht besteht besteht besteht besteht besteht gegr. besteht besteht besteht besteht Götzis gegr. besteht besteht besteht besteht besteht (am 30. Oktober 1921) Hard Grün- dung in Aus- sicht1268 Hittisau gegr.1269 besteht Höchst besteht besteht Höchst- besteht besteht Fußach Hohenems besteht gegr. (am 2. Februar 1930) Hohen- gegr.1270 weiler Klaus besteht besteht besteht besteht gegr. Koblach besteht besteht Lauterach gegr. besteht besteht Be- (im Mai schluss 1928) zur aberma- ligen Grün- dung1271 Lorüns besteht Ludesch gegr.1272 be- besteht steht1273 Lustenau gegr. besteht gegr. (am 12. (am 2. Jänner Februar 1922) 1930) Mäder besteht besteht

1266 Am 18. Jänner 1924 wurde mitgeteilt, dass die Gründung der Ortsgruppe Gisingen jüngst erfolgt sei. 1267 Auf den Umstand, dass die Ortsgruppe Gisingen schon um die Jahreswende 1923/1924 gegründet worden sein soll, wurde nicht eingegangen. 1268 Im August 1933 wurde in Hard der Beschluss gefasst, die Ortsgruppe wieder zu gründen. Drei Monate später gab man der Hoffnung Ausdruck, dass es in naher Zukunft hierzu komme. 1269 Laut Parteiblatt soll der „grüne“ Ortsverein Hittisau am 27. November 1921 gegründet worden sein und sich am 8. Dezember selben Jahres konstituiert haben. 1270 Die Ortsgruppe Hohenweiler konstituierte sich vermutlich im Februar 1928. 1271 Der Beschluss, den Ortsverein Lauterach neuerlich zu konstituieren, erfolgte im August 1933. 1272 Der Ortsverein Ludesch wurde als „Gründungsortsgruppe“ bezeichnet. 1273 Die Ortsgruppe Ludesch umfasste auch Thüringen und das Walsertal. Anhang | 203

1274 1275 1276 1277 1278 1279

Jahr 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 Meiningen besteht besteht besteht besteht gegr. besteht besteht besteht (am 6. Juni 1927) Mellau gegr. (am 21. Jänner 1923) Mittelberg besteht besteht Nenzing besteht besteht besteht besteht Grün- besteht dung ange- kün- digt1274 Nofels besteht besteht besteht besteht besteht gegr. besteht Nüziders besteht gegr. besteht besteht (am 22. Dezem- ber 1921) Rankweil besteht besteht besteht besteht besteht gegr. (am 6. Juni 1927) Rheindelta besteht besteht gegr. (am 25. Novem- ber 1928)1275 Röns besteht besteht Röthis besteht Satteins besteht Schlins gegr. besteht be- besteht besteht besteht besteht gegr. besteht besteht besteht besteht (am 31. steht1277 Dezem- ber 1919)1276 Schnifi s besteht Schruns besteht besteht gegr. besteht (am 14. August 1927)1278 Schwar- gegr. besteht besteht besteht besteht gegr. Grün- zach (am 6. dung Novem- ange- ber kündigt; 1921) be- steht1279

1274 Im Dezember 1927 informierte das parteieigene Blatt darüber, dass die Gründung der Ortsgruppe Nenzing in einer späteren Versammlung erfolgen würde. 1275 Die Ortsgruppe Rheindelta sollte den Gemeinden Höchst, Gaißau und Fußach als „grüner“ Stützpunkt dienen. 1276 Dem „grünen“ Ortverein Schlins gehörten zu diesem Zeitpunkt auch bereits Personen aus Röns und Düns an. 1277 Schlins war gedacht als Ortsgruppe für die Gemeinden, Schlins, Schnifi s, Röns und Düns. 1278 Die Gründung erfolgte im Anschluss an den am 14. August 1927 abgehaltenen Bezirksparteitag in Blu- denz. 1279 Im Jänner 1933 wurde angekündigt, dass die Gründung der Ortsgruppe Schwarzach in Kürze erfolgen könne – im November 1933 bestand der Ortsverein. 204 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

1280 1281 1282

Jahr 1919 1920 1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 Silbertal besteht besteht besteht gegr. (am 28. Mai 1933) Stallehr gegr. St. Anton besteht besteht gegr. i.M. (Ende August 1927) St. Gallen- besteht besteht besteht besteht gegr. besteht kirch (Ende August 1927) St. Gerold besteht besteht besteht Sulz besteht besteht Sulz-Röthis gegr. be- steht1280 Thüringen gegr. Tisis Orts- gegr. besteht gruppe (am 15. ent- Mai stand1281 1927) Tosters besteht Tschagguns besteht besteht besteht Vandans besteht besteht besteht gegr. gegr. (Ende (am 17. August April 1927) 1933) Viktorsberg besteht besteht besteht besteht besteht Vorkloster- gegr. Rieden Weiler besteht besteht besteht besteht besteht gegr. besteht besteht (am 6. Juni 1927) Wolfurt besteht besteht besteht besteht besteht Grün- dung in Aus- sicht1282 Zwischen- besteht besteht besteht besteht besteht besteht gegr. wasser (am 18. (und Umge- Dezem- bung) ber 1927)

1280 Der Ortsgruppe Sulz-Röthis gehörten auch Personen aus Laterns an. 1281 Die Ortsgruppe Tisis soll entstand sein, indem Teile des dortigen Vorarlberger Bauernbundes zu den „Grü- nen“ überliefen. 1282 Am 13. November 1927 bildete sich in Wolfurt ein Ausschuss, der die Ortsgruppengründung vorbereiten sollte. Anhang | 205 206 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

VORARLBERGER LANDTAGSWAHLEN – ERGEBNISSE

Landbund GDVP CSP Nationalsozialisten Sozial- andere „Schulz“-NS „Hitler“-NS demokraten Parteien 19191283 2.1661284 6.5911285 39.476 ––– 11.662 1.9931286 (3,50 %) (10,65 %) (63,79 %) (18,84 %) (3,22 %) 19231287 6.0791288 6.223 43.473 ––– 12.284 1581289 (8,91 %) (9,12 %) (63,73 %) (18,01 %) (0,23 %) 19281290 7.337 6.749 45.350 765 ––– 16.073 ––– (9,62 %) (8,85 %) (59,46 %) (1,00 %) (21,07 %) 19321291 5.315 5.159 43.346 ––– 8.033 11.916 2.6141292 (6,96 %) (6,75 %) (56,75 %) (10,52 %) (15,60 %) (3,42 %) 1283 1284 1285 1286 1287 1288 1289 1290 1291 1292

1283 vgl. Gegenüberstellung der Wahlergebnisse für die konstituierende Nationalversammlung und die Landta- ge 1919 nach Gemeinden, S. 178 1284 Die „Grünen“ kandidierten unter der Bezeichnung „Unabhängige Bauernpartei“ und traten nur im Wahl- kreis Bludenz an. 1285 Die „Blauen“ traten mit dem Titel „Deutsche Volkspartei“ an. 1286 Demokratische Wirtschaftspartei 1287 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 20. März 1928, S. 3 1288 Der Landbund trat in Wahlgemeinschaft mit der Hausbesitzerorganisation zur Wahl an. 1289 KPÖ 1290 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 7. November 1932, S. 3 1291 vgl. ebenda 1292 KPÖ Anhang | 207

NATIONALRATSWAHLEN – ERGEBNISSE VORARLBERG

Landbund GDVP CSP Nationalsozialisten Sozial- andere „Schulz“-NS „Hitler“-NS demokraten Parteien 19191293 ––– 9.085 41.707 ––– 14.665 1.8221294 (13,50 %) (61,99 %) (21,80 %) (2,71 %) 19201295 5.8731296 7.887 38.172 ––– 11.671 ––– (9,23 %) (12,40 %) (60,02 %) (18,35 %) 19231297 5.8981298 6.1671299 44.634 ––– 12.593 1371300(0,20 (8,50 %) (8,88 %) (64,29 %) (18,14 %) %) 19271301 3.451 54.8621302 4111303 16.966 6421304 (4,52 %) (71,87 %) (0,54 %) (22,23 %) (0,84 %) 19301305 162291306 44.019 –––1307 881 16.218 1681308 (20,94 %) (56,79 %) (1,14 %) (20,92 %) (0,22 %) 1293 1294 1295 1296 1297 1298 1299 1300 1301 1302 1303 1304 1305 1306 1307 1308

1293 vgl. Gegenüberstellung der Wahlergebnisse für die konstituierende Nationalversammlung und die Landta- ge 1919 nach Gemeinden, S. 178 1294 Demokratische Wirtschaftspartei 1295 vgl. Statistik der Nationalratswahlen des Jahres 1920, S. 18 f 1296 Die Bezeichnung, mit welcher der VUBB zur Nationalratswahl 1920 antrat, lautete auf „Deutschösterrei- chische Bauernpartei“. 1297 vgl. Vorarlberger Tagblatt, 25. Oktober 1923, S. 1 1298 Der Landbund trat von der Hausbesitzerorganisation unterstützt an. 1299 Die „Blauen“ kandidierten unter der Bezeichnung „Verband der Großdeutschen und des Landbundes“. 1300 KPÖ 1301 vgl. Statistische Nachrichten. Sonderheft. Wahlstatistik. Nationalratswahlen vom 24. April 1927, S. 5 und 9 1302 Christlichsoziale, Großdeutsche und „Schulz-Nationalsozialisten“ traten zu diesem Urnengang gemeinsam unter der Bezeichnung „Einheitsliste“ an. 1303 Die „Hitler-Getreuen“ kandidierten bei dieser Wahl gemeinsam mit dem „Bund der Freien“ von Hans Kipper – deren Liste lautete auf „Völkisch-sozialer Block“. 1304 Udeverband 1305 vgl. Statistisches Handbuch für die Republik Österreich, S. 210 1306 Landbündler und Großdeutsche bildeten den Kern der Wahlgemeinschaft „Nationaler Wirtschaftsblock und Landbund“, besser bekannt unter der Bezeichnung „Schoberblock“. 1307 Der NS-Verein für Österreich – die „Schulz-Nationalsozialisten“ – war auf Bundesebene Teil des „Schober- blocks“. In Vorarlberg löste sich mit Hard dessen letzte Ortsgruppe 1930 auf – daher waren sie hier de facto nicht Teil der Wahlgemeinschaft „Nationaler Wirtschaftsblock und Landbund“. 1308 KPÖ

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

UNGEDRUCKTE QUELLEN a) Österreichisches Staatsarchiv (in Wien) Archiv der Republik: – Großdeutsche Volkspartei b) Vorarlberger Landesarchiv (in Bregenz) – Vorarlberger Landesregierung, Abt. Präsidium, Jg. 1918 – 1933; Abt. I, Jg. 1920 – 1925; Abt. Ia, Jg. 1925 – 1933; Abt. II, Jg. 1919 – 1921 – BH Feldkirch, Abt. III c) Vorarlberger Landesbibliothek (in Bregenz) – Biographisches Archiv. Vorarlberger Persönlichkeiten – Fotosammlungen

GEDRUCKTE QUELLEN

Hesse, Robert, Die Zukunft der nationalen Bewegung in Oesterreich. Nach einem Bericht auf dem Reichsparteitage der Großdeutschen Volkspartei zu Ostern 1930 in Salzburg, Wien 1930

Vorarlberger Landtag, Stenographische Sitzungsberichte

PERIODIKA

– Bauern-Blatt. Wochenschrift des Unabhängigen Bauernbundes des Vorarlberger Oberlandes – Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes – Bauern-Blatt. Wochenschrift des Vorarlberger Unabhängigen Bauernbundes – Bauernbote. Blatt der landwirtschaftlichen Sektion der Großdeutschen Volkspartei – Bludenzer Anzeiger – Der Abend – Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenschrift des Landbundes – Der Landbündler für Tirol und Vorarlberg. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich – Der Rote Adler. Kampfblatt der NSDAP für Tirol und Vorarlberg – Der Vorarlberger. Wochenblatt für das kath. Volk mit der Beilage „Die Bauern-Zeitung“ – Die Bauern-Zeitung. Organ des Vorarlberger Bauernbundes – Die deutsche Frau. Wochenbeilage zum „Vorarlberger Tagblatt“ – Landpost. Wochenblatt für das Landvolk – Landruf. Gemeinsame Beilage für die österreichische Landbundpresse – Münchner Zeitung – Vorarlberger Bauern-Zeitung. Organ des Vorarlberger Bauernbundes – Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich 210 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

– Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Landbundes für Oesterreich (Landesorganisation Vor- arlberg) – Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes – Vorarlberger Landbund. Wochenschrift des Vorarlberger Landbundes und Vereinigten Bauern- und Landvolk-Partei – Vorarlberger Landes-Zeitung. Organ für amtliche Kundmachungen – Vorarlberger Landstimmen. Organ der vereinigten Vorarlberger Bauernbünde – Vorarlberger Tagblatt – Vorarlberger Volksblatt – Wiener Neueste Nachrichten. Mit der illustrierten „Bühne, Welt und Mode“

STATISTIKEN

– Die Ergebnisse der österreichischen Volkszählung vom 22. März 1934, hg. vom Bundesamt für Statistik, Wien 1935 (= Statistik des Bundesstaates Österreich, Heft 10) – Die Wahlen für die konstituierende Nationalversammlung, 2. Statistische Ergebnisse in zergliederter Darstellung, Wien 1920 (= Beiträge zur Statistik der Republik Österreich, Heft 2) – Gegenüberstellung der Wahlergebnisse für die konstituierende Nationalversammlung und die Landtage 1919 nach Gemeinden (=Beiträge zur Statistik der Republik Österreich, Heft 4) – Statistik der Nationalratswahlen des Jahres 1920, 1. Hauptergebnisse, hg. von der Statis tischen Zentralkommission, Wien 1921 (= Beiträge zur Statistik der Republik Österreich, Heft 10) – Statistische Nachrichten. Sonderheft. Wahlstatistik. Nationalratswahlen vom 24. April 1927. Einzeldarstellung nach Gemeinden und Geschlecht, hg. vom Bundesamt für Statistik, Wien 1927 – Statistisches Handbuch für die Republik Österreich, XII. Jhrg., hg. vom Bundesamt für Statistik, Wien 1931 – Vorarlbergische Statistik, Heft 2, hg. vom Statistischen Amt der Vorarlberger Landesregierung, Bregenz 1924

LITERATUR

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REGISTER

Das Register umfasst sowohl ein Personen- als auch Ortsverzeichnis. In das Register wurden die im Text vorkommenden Personen- und Ortsnamen aufgenommen. Auch scheinen im Register jene Namen auf, die in den Fußnoten – sofern der Erweiterung des Textes dienend – vorkommen. Aus- genommen von einer Aufnahme sind dagegen Namen, die im Quellen- und Literaturverzeichnis sowie in den Quellen- und Literaturhinweisen der Fußnoten enthalten sind. Nicht erwähnt in die- sem Register sind ferner zeitgenössische Autoren. Schließlich wurde aufgrund deren besonderer Häufi gkeit von einer Aufnahme der Begriffe „Vorarlberg“ und „Österreich“ in das Ortsregister ab- gesehen.

PERSONENREGISTER

Ammann, Sepp 32, 58, 64, 65 Ehe, Johann 89 Ehrlich, Robert 156 Bachinger, Franz 78, 135, 145, 170, 181, 182, Elsensohn, Hugo 165 186, 190 Ender, Otto 9, 36, 55, 87, 88, 89, 92, 101, 143, Bachmann, Markus 117 192 Battlogg, Emil 74 Ender, Peter 51, 107 Berger-Waldenegg, Egon 183 Bertel, Otto 21 Feldkircher, Otto 65, 66, 72 Bertsch, Jakob 97, 100 Felsinger, Leonhard 189 Bichl, Felix 118, 135 Feuerstein, Josef 87 Birkle, August 164 Feurstein, Josef 177 Bohle, Josef Anton 108 Fey, Emil 35, 181, 187, 188 Bösch, Karl 39, 116, 118, 140, 180 Fink, Jodok 19, 29 Brodmann, Johann 161 Foppa, Hermann 143, 144, 182, 189 Brügel, Wolfgang 50 Frank, Felix 127 Buresch, Karl 111, 144, 145, 185, 188, 189 Fürholzer, Edmund 50

Calonder, Felix 38 Gasselich, Anton 9 Clessin, Heinrich 125 Gattermayer, Walter 156 Curtius, Julius 142 Glas, Franz 186, 189 Glass, Fridolin 183 Dewaty, Hubert 30, 33, 185, 190, 191 Gleißner, Heinrich 34, 182 Dietrich, Georg 96, 136, 140 Gmeiner, Johann Georg 75 Dinghofer, Franz 112 Graber, Ernst 150 Dollfuß, Engelbert 22, 35, 41, 111, 145, 146, Graßmair, Anny 78 163, 177, 178, 181, 182, 183, 185, 186, Größbauer, Philipp 106 187, 188, 189, 199 Gsteu, Lorenz 77 Dolluß, Engelbert 183 Gunz, Rudolf 180 Gürtner, Franz 41 Eberl, Harald 177 Gut, Stefan 71, 75, 91 Ehart (Bundesparteileitung GDVP) 156 220 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Habicht, Theodor „Theo“ 162, 178, 182, 183, Lehmann, Annagrete 41 190 Leopold, Josef 150 Hämmerle, Meinrad 180 Lins (Landbund-Delegierter Nofels) 62 Hampel, Ernst 141 Hanusch, Ferdinand 27 Martin, Hans 161 Hartleb, Karl 82, 131, 132, 188 Mathies, Josef 21 Heinrich, Walter Adolf Franz 34 Mathis, Josef 75 Heinzle, Annemarie 40 Matt, Moriz von 87, 90, 92 Hermann, Hermann 36 Mayer, Franz 83 Hillbrand, Josef Anton 110 Meinberger, Wilhelm 186 Hilpert, Hans 41 Miklas, Wilhelm 144 Himmer, Jakob 66, 77, 80 Mittelberger, Johann Josef 55, 97 Hindenburg, Paul 163 Mittermann, Viktor 156 Hitler, Adolf 41, 82, 84, 85, 144, 146, 149, 150, Mohr, Wilhelm 88, 89 151, 152, 153, 154, 155, 157, 159, 162, Moosbrugger, Jakob 20, 116 163, 165, 168, 173, 186, 193, 207 Moosbrugger (Tierarzt) 147 Hölscher, Walter 41 Müller, Johann 69, 107 Huber, Luzius 107 Mussolini, Benito 35

Ilg, Ulrich 69 Nachbaur, Hermann 94, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 169, 174, 180, 192, 194, 195 Janner, Erich 77 Nasahl, Urban 15, 31, 33, 55, 62, 63, 69, 107, Juen, Alwin 21, 171 108 Jung, Rudolf 156 Natter, Franz 133 Neidlinger, Anton 159, 160 Kandl, Hermann 114, 126 Neubner, Gustav 36 Karrer, Bruno 140 Neustädter-Stürmer, Odo 35, 187 Kerber, Robert 186, 189 Niederer, Gebhard 55, 69, 108, 109 Kienböck, Viktor 29, 170 Kinz, Ferdinand 133 Peter, Adolf 9, 20, 22, 26, 30, 35, 42, 59, 64, Kipper, Hans 151, 207 65, 72, 75, 79, 80, 107, 111, 137, 139, Kleinszig, Pepo 183 140, 141, 147, 167, 191, 192, 193, 198 Körner, Theodor 34 Peter, Hermann 21 Kraft, Emil 127 Pfrimer, Walter 82, 85, 90, 111 Kraus, Hans 64, 69, 70, 74 Pistor, Felix 22, 33, 57 Krautmann (Abgeordneter GDVP) 142 Plankensteiner, Anton 165 Kunschak, Leopold 185 Preiß, Fritz 36 Kunze, Karl 92 Prodinger, Hans 156 Kurzemann, Wilhelm 56, 59 Proksch, Alfred 162

Ladurner 80 Ramek, Rudolf 189 Langoth, Franz 182 Raser, Josef 190 Lanner (Obmann dt.-österr. Bauernpartei) 49, Rehrl, Franz 28 106 Reither, Josef 188 Lanzl, Helmut 76, 137 Renner, Karl 38, 48, 113 Register | 221

Resch, Josef 29, 30 Strasser, Gregor 162 Reschny, Hermann 183 Streeruwitz, Ernst (Streer von) 26, 33 Rhomberg, Bertram 92 Streicher, Julius 149 Rick, Johann 72 Strießnig, Karl 29, 190 Riedmann, Ferdinand 36 Suchenwirth, Richard 150 Riehl, Walter 149, 156, 157, 160 Summer, Alexander 73 Rintelen, Anton 83, 183 Summer, Ludwig 81 Röhm, Ernst 184 Rohner, Kaspar 108 Tardieu, André 146 Rudigier, Peter 96, 97, 98, 99, 169 Tauschitz, Stephan 183 Rüscher, Ignaz 153, 159 Thaler, Andreas 22, 25 Thaler, Ferdinand 48 Sattlegger (2. stellv. Obmann Österr. Landbund) 190 Ursin, Josef 156 Scheuermaier, Lothar 77 Schimitz, Theodor 184 Varga, Lucie 45, 214 Schmid, Hermann 158 Vas, Michael 106 Schmidt (Vorsitzender Deutschnationale Volks- Vaugoin, Carl 9, 134, 143, 185 partei Lindau) 41 Vergniaud, Pierre 191 Schmitz, Richard 28 Vinzl, Josef 141 Schober, Johannes 23, 32, 59, 84, 111, 134, Vogel, Ernst 147 135, 136, 137, 139, 140, 141, 142, 144 Schöch, Hans 77 Waber, Leopold 127 Schönbauer, Ernst 17, 33, 49, 106, 110, 132 Wachter, Franz Josef 93, 94 Schulz, Karl 150, 151, 153, 154, 158 Wachter, Heinrich 61, 62 Schumy, Vinzenz 9, 25, 33, 65, 82, 83, 85, 106, Wachter, Mathias 159 127, 178, 179, 181, 183, 186, 190 Wächter, Otto Gustav 183 Schürff, Hans 127, 142, 144 Wagner, Otto 135 Schwarz, Rudolf 40 Walter, R. (Landesparteisekretär) 61 Seipel, Ignaz 23, 26, 28, 29, 32, 56, 120, 131, Wehner, Alfred 140, 144, 147, 158, 165 143, 187 Wimmer 118 Sever, Albert 131 Winkler, Franz 9, 33, 35, 36, 41, 64, 82, 91, Siebert, Ludwig Georg 41 106, 143, 145, 170, 178, 180, 181, 182, Sinz, Adolf 47 183, 186, 187, 188, 189, 190 Sohm, Josef 107 Wohlgenannt, Franz Josef 75 Spann, Othmar 34 Wotawa, August 41, 126, 140 Starhemberg, Ernst Rüdiger 35, 90, 183, 186, 187, 213 Zangel, Josef 33, 64, 74, 190 Steidle, Richard 83, 84, 164 Zech, Christian 74 Stocker, Leopold 20, 32, 39, 40, 51, 106, 112, Zerlauth, Karl 171 113, 114, 116, 119, 120, 121, 127, 196 Zumtobel, Anton 55, 57, 97, 99, 113, 115, 122, Stöckler, Josef 18 123, 128, 133, 143, 158 Stooß, Christian 21, 48, 49, 69, 94, 96, 107 Strafella, Georg 143 Straffner, Josef 38, 144 222 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

ORTSREGISTER

Alberschwende 74, 201 145, 146, 149, 150, 154, 155, 162, 164, Altach 201 167, 172, 173, 181, 186, 190, 196 Andelsbuch 15, 201 Süddeutschland 86 Au 177 Doren 15 Aussig (an der Elbe) 148 Dornbirn 66, 69, 71, 72, 74, 75, 77, 78, 81, 87, 92, 104, 107, 108, 116, 128, 133, 139, Baden 162 152, 153, 159, 160, 161, 165, 166, 177, Bartholomäberg 69, 75, 96, 104, 201 191, 192, 198, 201 Batschuns 70, 201 - Hinterachmühle 75 Bayern 41, 49, 61, 86, 87, 155, 164, 196 Düns 64, 66 Berlin 51 Bildstein 67, 74, 201 Eichenberg 201 Bleiburg 184 Bludenz 49 Feldkirch Bludenz (Bezirk) 12, 13, 20, 47, 52, 72, 73, 74, - Altenstadt 160 75, 94, 96, 99, 103, 104, 105, 115, 165, - Gisingen 68, 160, 202 166, 171, 172, 174, 177, 198, 206 - Levis 160 Bludenz (Stadt) 12, 15, 21, 87, 93, 100, 152, - Nofels 62, 69, 80, 91, 160, 203 153, 158, 159, 201 - Tisis 68, 69, 75, 77, 78, 81, 160, 192, 193, Bludesch 96, 104, 201 199, 204 Böhmen 11 - Tosters 160, 204 Braz 201 Feldkirch (Bezirk) 20, 47, 48, 52, 71, 73, 74, Bregenz 75, 94, 96, 99, 103, 104, 115, 165, 166, - Fluh 70 172, 173, 174, 195, 198 - Rieden 70, 204 Feldkirch (Stadt) 56, 61, 64, 65, 79, 87, 136, - Vorkloster 70, 204 152, 153, 158, 159, 160, 166, 170, 195 Bregenz (Bezirk) 48, 69, 70, 73, 74, 75, 103, Fluh 201 115, 165, 166, 173, 174, 195, 198 Frankreich 144, 146, 171 Bregenz (Stadt) 37, 40, 41, 65, 71, 76, 86, 87, Frastanz 70, 166, 201 92, 133, 134, 137, 152, 153, 158, 159, Fraxern 80, 177, 202 160, 161, 199, 201 Fußach 70, 166, 202 Bregenzerwald 47, 74, 104, 174 Hinterwald 74 Gaißau 70, 108, 177, 202 Vorderwald 74 Gaschurn 70, 96, 99, 104, 202 Bukowina 11 Gmünd 163 Burgenland 22, 51, 83, 118, 122, 126, 173 Göfi s 70, 77, 81, 107, 202 Bürs 48, 69, 177, 201 Götzis 67, 128, 129, 130, 133, 166, 202 Graz 54, 58, 63, 150, 186 Dachau 181 Dalaas 201 Hard 71, 133, 153, 159, 164, 202 Deutschland 17, 22, 25, 32, 37, 38, 39, 40, 41, Heidenreichstein 163 43, 44, 49, 51, 58, 87, 120, 125, 144, Hittisau 67 Höchst 70, 128, 133, 202 Register | 223

Hohenems 43, 72, 74, 75, 128, 129, 130, 153, Nenzing 48, 70, 94, 166, 203 166, 202 - Beschling 72, 201 Hohenweiler 70, 202 Niederösterreich 22, 45, 48, 49, 51, 60, 64, 83, 90, 110, 112, 113, 114, 118, 126, 136, Innerösterreich 58 148, 157, 162, 163, 168, 169, 173, 175, Innsbruck 58, 116, 149, 163, 180 176, 179, 196 Italien 82, 146 Waldviertel 153 Nordböhmen 148 Jugoslawien 26, 146 Nürnberg 49, 149 Nüziders 20, 67, 104, 203 Kärnten 9, 11, 22, 48, 51, 58, 60, 65, 75, 78, 83, 88, 96, 112, 113, 114, 118, 122, Oberland (Vorarlberger -) 13, 47, 69, 73, 81, 126, 148, 149, 152, 153, 169, 179, 183, 123, 166 184, 190, 196 Oberösterreich 11, 22, 51, 75, 83, 88, 112, 113, Klagenfurt 17, 150 118, 122, 125, 126, 130, 132, 135, 153, Klaus 69, 73, 166, 202 156, 162, 178, 182, 184 Koblach 202 Korneuburg 84, 85 Polen 24, 25, 26, 31 Krain 11 Preußen 40 Krems 164 Rankweil 25, 49, 54, 69, 73, 107, 122, 152, Landeck 163 153, 158, 166, 179, 203 Laterns 204 Rheindelta 47, 70, 74, 104, 203 Lauterach 70, 71, 177, 202 Rheintal 47 Lavanttal 184 Roitham 83 Leoben 51 Röns 66, 96, 203 Liezen 179 Röthis 69, 80, 91, 166, 177, 203, 204 Lindau 40, 41, 86 Ruhrgebiet 40, 125 Linz 112, 116, 149, 150 Rumänien 11, 24, 26, 31, 146 Lorüns 96, 104, 192, 202 Ludesch 12, 15, 47, 66, 104, 195, 202 Sachsen 162 Lungau 51 Saint-Germain-en-Laye 38 Lustenau 36, 71, 74, 75, 87, 104, 158, 166, 202 Salzburg (Land) 11, 28, 39, 45, 51, 53, 60, 64, 83, 88, 90, 112, 113, 118, 122, 125, Mäder 166, 202 126, 135, 148, 156, 162, 163, 165, 168, Mähren 11 169, 173, 175, 176, 179, 180, 194 Meiningen 68, 69, 94, 95, 99, 177, 203 Salzburg (Stadt) 88, 116, 131, 149, 150, 156, Mellau 177, 203 158 Mittelberg 203 Satteins 177, 203 Mitteleuropa 146 Schlesien 11 Montafon 11, 12, 45, 47, 69, 74, 75, 104, 171, Schlins 66, 68, 69, 166, 203 174, 177, 195, 198 Schnifi s 203 München 49, 148, 149, 150, 151, 156, 164 Schruns 25, 61, 69, 75, 80, 91, 93, 96, 104, 133, 170, 171, 203 Schwarzach 67, 70, 71, 74, 203 224 | Deutschnationalismus in Vorarlberg

Schwarzenberg 15 Ungarn 24, 26, 31, 146 Schweiz 36, 37, 38, 39, 87, 113 Unterland (Vorarlberger -) 74, 104, 123, 166 Serbien 24 Silbertal 104, 204 Vandans 69, 71, 204 Slowenien 11, 58 Viktorsberg 204 St. Anton (im Montafon) 56, 69, 74, 95, 96, Völkermarkt 184 104, 177, 204 Vorau 30 St. Gallenkirch 69, 79, 104, 177, 204 Vorderland (Vorarlberger -) 74 St. Gerold 104, 204 St. Lorenzen 33, 82 Waisenberg 184 St. Veit an der Glan (Bezirk) 184 Walgau 74 Stallehr 204 Weiler 64, 69, 77, 78, 81, 107, 166, 204 Steiermark 9, 11, 18, 22, 48, 51, 53, 58, 64, 75, Weimar 181 78, 82, 83, 90, 96, 112, 113, 114, 118, Wels 58, 114 122, 125, 126, 132, 146, 148, 153, 178, Westösterreich 155 179, 184, 193, 196, 199 Wien 22, 42, 56, 83, 90, 116, 117, 148, 150, Steiermark (Ober-) 169 152, 157, 162, 163, 168, 169, 173, 179, Steiermark (Ost-) 30, 184 183, 184, 190 Steiermark (Süd-) 184 - Hernals 150 Stein (an der Donau) 163 - Josefstadt 150 Stockerau 163 - Währing 150 Sulz 61, 69, 80, 166, 195, 204 Wiesbaden 162 Wolfurt 70, 74, 177, 204 Thüringen 68, 162, 204 Wöllersdorf 181 Tirol 39, 53, 58, 64, 76, 88, 122, 125, 163, 164, Württemberg 86 165, 173, 178, 194 Tschagguns 104, 204 Zwischenwasser 70, 204 Tschechoslowakei 11, 26, 31, 146