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VolksVertreter Die Freiheitlichen und das Parlament

FREIHEITLICHER PARLAMENTSKLUB Freiheitlicher Parlamentsklub FPÖ-Bildungsinstitut

VolksVertreter Die Freiheitlichen und das Parlament

FREIHEITLICHER PARLAMENTSKLUB Vorwort von Heinz-Christian Strache 7 ... Norbert Hofer 9 ... Harald Vilimsky 11 ... Monika Mühlwerth 13 Inhaltsverzeichnis 2006 – 2016 I Als staatstragende Opposition­ im Parlament 17 Die Freiheitlichen unter ­Klubobmann H.-C. Strache Heinz-Christian Strache im Interview 22 Norbert Nemeth im Interview 46 Norbert Hofer im Interview 58 im Interview 63 Harald Stefan im Interview 68 Johannes Hübner im Interview 70 Manfred Haimbuchner im Interview 72 Walter Rosenkranz im Interview 75 1987 – 2016 II Weder Lehrwerkstatt noch Polit-Ausgedinge 77 Die Freiheitlichen im Bundesrat monika Mühlwerth im Interview 82 Gerd Klamt im Interview 87 Peter Kapral im Interview 88

1995 – 2016 III Für Österreichs Freiheit in Brüssel 91 Die Freiheitlichen im ­Europäischen Parlament harald Vilimsky im Interview 96 1986 – 2005 IV Nebenkriegsschauplatz für einen Volkstribun 109 Freiheitliche Parlamentsarbeit in der Ära Haider im Interview 116 Peter Westenthaler im Interview 128 1956 – 1986 V Zünglein an der Waage im Nationalrat 137 Die FPÖ und das Parlament in der Ära Peter/Steger im Interview 144 Gerulf Stix im Interview 154 1949 – 1956 VI Das Dritte Lager kehrt zurück 171 Der VdU im Parlament Lothar Höbelt im Interview 186 1918 – 1934 VII Gralshüter des Parlamentarismus­ 191 Großdeutsche Volkspartei und in der I. Republik ISBN 978-3-950435-00-9 © 2016 1867 – 1918 VIII Die Nationalliberalen: ­Wortgewaltig und streitbar 215 FREIHEITLICHER Freihtlicher Parlamentsklub PARLAMENTSKLUB Die Deutschfreiheitlichen im Reichsrat der Monarchie Dr. -Ring 3, 1017 Wien; Wilhelm Brauneder im Interview 232 in Zusammenarbeit mit dem FPÖ-Bildungsinstitut, Friedrich Schmidt Platz 4/3a, 1080 Wien; 1848 – 1849 Alle Rechte vorbehalten IX Das Urparlament – die Frankfurter Paulskirche 243 Österreicher im Kampf um die „Deutsche Freiheit“ Texterstellung, Layout und Herstellung: Edition K3-Gesellschaft für Sozialpolitische Studien, „Ein Auftrag für die Zukunft” 267 Verlags- und Beratungs-Ges.m.b.H. Nachwort von Norbert Nemeth

anhang 271 atürlich ist die Geschich- Nte des Freiheitlichen Parla- Zum Geleit mentsklubs eng verbunden mit der Geschichte der FPÖ. Nach von Heinz-Christian Strache, dem politischen Mordanschlag des Jahres 2005 kamen wir 2006 FPÖ-Bundesparteiobmann wieder in den Nationalrat. Und von Anfang an war es natürlich und Klubobmann Ziel des Klubs, freiheitliche Poli- tik im besten Sinne umzusetzen. Kein anderer Klub hat so viele Anfragen und Anträge gestellt. Her- vorheben möchte ich hier unsere Bemühungen um mehr direkte De- mokratie, etwa indem wir Volksabstimmungen über die EU-Verfassung, den Vertrag von Lissabon, den ESM oder die Aufnahme von EU-Bei- trittsverhandlungen mit der Türkei gefordert haben. Auch die Reform der Untersuchungsausschüsse ist ganz wesentlich auf unsere Initiati- ven zurückzuführen. Hatten wir Ende 2006 noch 21 Nationalratsabge- ordnete, ein Mitglied im Bundesrat und ein Mitglied im Europäischen Parlament, so verzeichnen wir zehn Jahre später 38 Nationalratsabge- ordnete, 13 Mitglieder im Bundesrat und 4 Mitglieder im Europäischen Parlament. Seit 2006 haben unsere Abgeordneten 15.964 Anfragen und 2.752 Anträge eingebracht. Es waren zehn oft harte Jahre, das kann niemand bestreiten. Man hat uns nicht nur Steine, sondern ganze Felsblöcke in den Weg geworfen. Die eine oder andere menschliche Enttäuschung ist uns auch nicht erspart geblieben. Aus persönlicher Sicht kann ich sagen, dass es zehn gute Jahre waren, an denen ich menschlich gewachsen bin und Erfahrungen sammeln konnte, die mir sonst verwehrt geblieben wären. Auch Hürden gehören zum Leben. Ohne Hürden ist es vielleicht bequemer. Aber man bleibt auch schwächer. Was den Umgang mit den anderen Fraktionen betrifft, erachte ich es als wichtig, dass man trotz aller inhaltlichen Unterschiede immer eine Gesprächsbasis hat und dass wir uns alle bewusst sind, dass wir aus genau einem Grund in dieses Parlament gewählt worden sind. Nämlich nicht, um zu streiten, auch wenn es sich manchmal nicht vermeiden lässt, sondern um für die Republik Österreich und für die Menschen in diesem Land tätig zu sein. Trotz aller Widersprüche müssen wir stets das Verbindende über das Trennende stellen. Das erwarten die Österreicherinnen und Österreicher von uns. Der berühmte russische Schriftsteller Leo Tolstoi, der Autor von „Krieg und Frieden", hat ein- mal gesagt: „Ausdauer und Entschlossenheit sind zwei Eigenschaften, die bei jedem Unternehmen den Erfolg sichern.” Und ich denke, dass wir über Ausdauer und Entschlossenheit verfügen, haben wir in den vergangenen zehn Jahren eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Im Parlament haben wir auf vielen Feldern die Themenführerschaft und das Alleinvertretungs- merkmal. EU, Zuwanderung, Islamisierung, Neutralität, Souveränität, Landesverteidigung, Mittel- stand, Steuerentlastung, Arbeitsmarkt, Verwaltungsreform, Senioren, Familien, Jugend – überall ver- fügen wir Freiheitliche über klare Positionen und scheuen uns auch nicht, die Dinge beim Namen zu nennen. Deshalb vertrauen uns die Menschen und wählen uns auch wieder. Wir haben, auch das muss gesagt werden, keine Protestwähler, wie immer behauptet wird. Wir haben Hoffnungswähler. Und diese werden immer zahlreicher. Natürlich ruhen wir uns nicht auf unseren Lorbeeren aus. Unser Parlamentsklub wird energisch weiterarbeiten. Und besonders wichtig wird der Klub natürlich auch bei einer immer wahrscheinlicher werdenden Regierungsbeteiligung sein.

Heinz-Christian Strache FPÖ-Bundesparteiobmann und Klubobmann 6 7 er Freiheitliche Parlaments- Dklub hat allen Grund, stolz Zum Geleit auf sein nunmehr zehnjähriges Jubiläum sein zu dürfen. Gerne von Norbert Hofer, denke ich an die Zeit der „Wieder- geburt“ unserer Parlamentsfrakti- Dritter Präsident des ­Nationalrates on zurück. Es war eine Zeit, die unserer Gesinnungsgemeinschaft im Vorfeld große Prüfungen an- gedeihen ließ. Prüfungen, die wir gemeinsam mit Hingabe, Hoffnung und Kameradschaft gemeistert und bestanden haben. Von Wahlgang zu Wahlgang erfreut sich die Freiheitliche Partei grö- ßerer Zustimmung. Dafür möchte ich an dieser Stelle unserem Bundes- parteiobmann und Klubobmann Heinz-Christian Strache, meinen Kol- legen in National- und Bundesrat sowie unseren Mitarbeitern danken. Auch unsere Funktionäre auf allen Ebenen haben großen Anteil an den Erfolgen der letzten zehn Jahre. Erfolge, die ihresgleichen in der innen- politischen Geschichte Österreichs suchen. Der Freiheitliche Parlamentsklub hat bis in das Jahr 2008 einen Weg der Konsolidierung durchlaufen, wie ihn nur treue Weggefährten ge- meinsam gehen können. Unsere von gegenseitigem Vertrauen und ge- meinsamen Zielen getragene Arbeit hat seither kontinuierlich Früchte getragen, auch weit über ebenso schönen wie beachtlichen Wahlerfolge hinaus: Im Zuge von Untersuchungsausschüssen leisteten freiheitliche Abgeordnete wertvolle Auf- klärungsarbeit. Parlamentarische Anfragen haben geholfen, Fehlentwicklungen zu dokumentieren und ihnen entgegenzuwirken. Das Plenum wird genutzt, um den Menschen eine hörbare Stimme zu geben: Problematische Vertragswerke wie TTIP und CETA wären wohl ohne eine starke Freiheit- liche Partei im Parlament bereits beschlossen und im Vorfeld wohl wesentlich weniger eingehend diskutiert worden. Hier zeigt sich, dass man auch in der Opposition Wertvolles erreichen kann. Aber auch auf eine immer wahrscheinlicher werdende Regierungsbeteiligung sind wir mittlerweile bestens vorbereitet: Im „Handbuch freiheitlicher Politik” finden sich Lösungsansätze, die ebenso pragmatisch orientiert wie an den Grundsätzen unserer Gemeinschaft ausgerichtet sind. Es ist gelungen, zeitlose Werte mit aktuellen Herausforderungen zu kombinieren. Die regen Kontakte unserer Mandatare in ihren Wahlkreisen und unserer engagierten Bürgerser- vicestelle zu unzähligen Menschen haben die österreichische Demokratie bereits direkter gemacht. Die Tür des Freiheitlichen Parlamentsklubs steht dem Souverän und seinen Anliegen offen. Die Früchte all dieser Bemühungen offenbaren sich deutlich: Die Zustimmung in der Bevöl- kerung gegenüber der FPÖ ist weiter im Steigen begriffen. Diese Welle ist von dem Wunsch nach positiver Veränderung und dem Anliegen um eine gedeihliche Zukunft unseres Landes getragen. Wir werden auch in den kommenden zehn Jahren den Erwartungen der Menschen gerecht werden und an Herausforderungen weiter wachsen. Unser Land braucht eine starke freiheitliche Gesinnungs- und Wertegemeinschaft heute mehr denn je.

Norbert Hofer Dritter Präsident des Nationalrates

8 9 as Verhältnis der FPÖ zum DEU-Parlament ist ein ambi- Zum Geleit valentes, und das aus mehreren Gründen. von Harald Vilimsky, Zunächst einmal aufgrund Delegationsleiter im EU-Parlament seiner Konstitution und seiner Be- fugnisse. Für eine Partei, die sich und Generalsekretär der FPÖ auf die Fahnen heften kann, dass ihre Vorläuferorganisationen maßgeblich zum Entstehen und Heraus- bilden des Parlamentarismus in Österreich beigetragen haben, sind die eingeschränkten Befugnisse dieses Hauses nicht wirklich zufriedenstel- lend. Obgleich im Laufe der Jahre seit den römischen Verträgen 1957 mehrere Reformen darauf abzielten, das EU-Parlament aufzuwerten und ihm mehr Rechte zu geben, fehlt bis heute ein Parlamenten sonst immanentes Initiativrecht. Dieses Recht der Gesetzgebung, selbst Ge- setze vorzuschlagen, ist auf EU-Ebene nicht vorgesehen. Auch dem Rat, d. h. die Versammlung der nationalen Regierungen, steht dieses Recht nicht zu. Nur die unter großem Einfluss der Lobbyisten stehende EU-Kommission kann neues Recht vorschlagen bzw. bestehendes abän- dern. Dem EU-Parlament steht es lediglich zu, gegenüber der Kommis- sion anzuregen, in diesem oder jenen Bereich einen Gesetzesvorschlag auszuarbeiten. Dass kann, muss sie aber nicht tun. Alles das ist nicht wirklich befriedigend und daher aus meiner Sicht kritisch zu betrachten. Anders als in nationalen Parlamenten, in denen man in der Regel zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen unterscheidet, kann man hier in Straßburg zwischen EU-Zentralisten bzw. -Fanatikern und jenen, die die Vielfalt der Kulturen und Identitäten der europäischen Nationalstaaten erhalten wollen, unterscheiden. Noch ist die erste Gruppe deutlich in der Mehrheit, was dazu führt, dass das Ziel der allermeisten Aktivitäten im Haus darauf ausgerichtet ist, den Einfluss und die Macht der Europäischen Union insgesamt auszubauen. Eine vernünftige und konsequente Vertretung der Interessen jenes Staates, der sie hierher entsandt hat, interessiert die überwiegende Anzahl der Abge- ordneten nicht. Erst mal vom nationalen Wähler hierher entsandt, verwandeln sie sich nach ein, zwei Jahren in brave Vertreter der EU-Nomenklatura, die stets betonen, wie wichtig noch mehr EU und noch mehr Zentralismus eigentlich sind. Ein besonderes auffälliges Phänomen, das man hier beobachten kann, ist die Vorliebe für Rand- gruppenpolitik und für die Einmischung in nationalstaatliche Angelegenheiten. Während Europa eine tiefe Wirtschafts- und Finanzkrise durchlebt, hat man z.B. stundenlang Zeit, sich mit den LGBT- Rechten im Kosovo auseinanderzusetzen oder mehrfach im Jahr über die Situation in Ungarn und Polen zu diskutieren, anstatt die Währungskrise und die Massenarbeitslosigkeit einer Lösung zuzufüh- ren. Das Schwingen der politisch-korrekten Moralkeule scheint wichtiger zu sein als das Lösen realer Probleme, die das tägliche Leben von Millionen Menschen betreffen. Wer soll das noch verstehen? Das EU-Parlament in seiner aktuellen Form ist daher auf vielen Ebenen dringend reformbedürf- tig. Das Erstarken der patriotischen Bewegungen gibt Hoffnung auf eine Veränderung zum Positiven.

Harald Vilimsky Delegationsleiter im Europäischen Parlament und Generalsekretär der FPÖ

10 11 ehn Jahre Freiheitlicher Parla- Zmentsklub unter der Führung Zum Geleit von H.-C. Strache sind unglaub- lich schnell vergangen. In die- von Monika Mühlwerth, ser Zeit ist auch die Fraktion der Bundesräte angewachsen. Im Jahr Fraktionsvorsitzende 2005 hatte die FPÖ mit Harald Vilimsky nur noch einen einzigen der freiheitlichen Bundesräte Bundesrat. Ende 2006 bin ich ihm dann nachgefolgt und war fast eineinhalb Jahre allein. Dann kam zuerst mit Werner Herbert und nach ihm mit Johann Ertl ein weiterer Kollege dazu. 2009 waren wir dann schon zu viert mit Elmar Podgorschek und dann mit Hermann Brückl aus OÖ und Cornelia Michalke aus Vorarl- berg. Normalerweise ist man ja erst ab fünf Mandataren eine Fraktion, aber wir bekamen den Fraktionsstatus zuerkannt, was vom Bundesrat einstimmig beschlossen wurde. Bei den Landtagswahlen in der Steier- mark, Oberösterreich und Wien konnten wir jedes Mal zulegen und sind jetzt 13 Bundesräte. Als wir noch keine Fraktion waren, konnten wir auf die desaströ- se Politik der rot-schwarzen Regierung nur mit unseren Redebeiträgen aufmerksam machen. Darüber hinaus haben wir auch mit Bundesräten der Grünen einige Dringliche Anfragen an die gestellt. Z.B. zum Glücksspielgesetz, zur ÖBB oder den Schulden der österreichi- schen Gemeinden. Das Arbeitsverhältnis im Bundesrat ist ja einigerma- ßen kollegial – auch wenn die Debatten mit aller Härte geführt werden – und daher ist es bei allen Unterschieden möglich, auch mit Kollegen einer anderen Partei Aktionen zu starten. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem EU-Ausschuss des Bundesrats. Dieser hat gegenüber Brüssel dieselben Rechte wie der Nationalrat, was Subsidiaritätsklagen oder Subsidiaritätsrügen be- trifft. Diese Rechte werden auch entsprechend genützt; innerhalb der Europäischen Union ist Öster- reich mit den zweitmeisten Mitteilungen an Brüssel tätig geworden. So konnte unter anderem die Pri- vatisierung unseres Wassers verhindert werden. Als EU-kritische Partei haben wir auch als erste und einzige Fraktion auf die Gefahren von CETA und TTIP hingewiesen. Mittlerweile sind auch andere Parteien auf diesen Zug aufgesprungen und versuchen, den Eindruck zu vermitteln, sie wären die Ersten gewesen, wie es z.B. die Grünen machen. Auch eine totale Verschärfung des Waffengesetzes durch die EU konnten die freiheitlichen Mandatare durch ihre Initiativen im Ausschuss verhindern. Trotzdem ist der Bundesrat immer wieder mit der Forderung nach seiner Abschaffung konfron- tiert. Das ist natürlich legitim, allerdings würde das einen Wegfall von Kontrolle der Regierung und damit ein Weniger an Demokratie bedeuten. Die meisten Länder weltweit haben ein Zwei-Kammern- System. Dänemark ist eines der wenigen Länder, das seine zweite Kammer abgeschafft hat. Seither wird dort aber immer wieder diskutiert, ob man sie nicht doch wieder einführen soll, weil ein entspre- chendes Regulativ fehlt. Derzeit haben SPÖ und ÖVP im Bundesrat noch dieselbe Mehrheit wie im Nationalrat und daher werden tatsächlich alle Gesetze durchgewunken. Das ist ein unerfreulicher Zustand, der sich aber mit weiteren Wahlsiegen der FPÖ bei den Landtagswahlen rasch ändern kann. Ad multos annos und eine herzliches Glück auf!

Monika Mühlwerth Fraktionsvorsitzende der freiheitlichen Bundesräte

12 13 Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

Die FPÖ profilierte sich in diesen Jahren neuer- 2006 – 2016 lich als Kontrollpartei – von ihr geleitete oder zumin- dest maßgeblich bestimmte parlamentarische Un- Die Freiheitlichen mit tersuchungsausschüsse machten dies deutlich. Kein anderer Klub hat so viele Anfragen und Anträge ge- ­Klubobmann H.-C. Strache stellt und ist überdies neben der parlamentarischen ­zurück im Parlament Demokratie auch für mehr direkte Demokratie ein- getreten. Von 21 Abgeordneten des Jahres 2006 sind ach den Nationalratswahlen des Jahres 2006 es zehn Jahre später 38 Nationalratsabgeordnete, 13 Nkehrten die Freiheitlichen unter ihrem Bun- Mitglieder des Bundesrates und vier Mitglieder des desparteiobmann und nunmehrigen Klubobmann Europäischen Parlaments, die diesen Freiheitlichen Heinz-Christian Strache mit 21 Mandaten zurück ins Parlamentsklub bilden. Sie sind Volksvertreter im VolksVertreter Parlament. Nach der Implosion der FPÖ in der Folge wahrsten Sinn des Wortes. der Ereignisse von Knittelfeld und der ­Haiderschen Wer das Wirken des heutigen Freiheitlichen Die Freiheitlichen Abspaltung des BZÖ hatte sich die totgesagte FPÖ ­Parlamentsklub beurteilen will, muss aber auch die wieder beeindruckend erholt, um ihr langjähriges parlamentarische Arbeit der Jahrzehnte davor be- parlamentarisches Wirken im Hohen Hause am Ring leuchten: Die Ära Jörg Haider, die Zeit Norbert Steg- und das Parlament fortzusetzen. Nach dem Neubeginn des Jahres 2006 ers und die Ära sind für den österrei- kamen die Nationalratswahlen von 2008 und schließ- chischen Parlamentarismus von großer Bedeutung. lich jene von 2013, wobei die Freiheitlichen mit gut Das parlamentarische Wirken des nationalliberalen 20 Prozent der Wählerstimmen und einem Parla- Lagers in der Zwischenkriegszeit stellt eine stolze mentsklub von 40 Mitgliedern zur stärksten Oppo- Tradition dieses Lagers dar. Und auch die Entwick- sitionspartei der Republik aufstiegen. lung des Rechts- und Verfassungsstaates sowie des Klubobmann und Bundesparteiobmann Parlamentarismus in der Habsburger Monarchie sind Heinz-Christian Strache und seine beiden General- Verdienste dieses nationalliberalen Lagers. Und be- sekretäre und Harald Vilimsky, unter- gonnen hat all dies in der Frankfurter Paulskirche, stützt von Klubdirektor Norbert Nemeth, die beiden der Mutter aller deutschen Parlamente. Nationalratspräsidenten Martin Graf und in der Fol- Die vorliegende Festschrift blickt mit Stolz auf ge Norbert Hofer sowie viele prägende parlamenta- diese große Geschichte nationalliberalen und frei- rische Persönlichkeiten machten die FPÖ und den heitlichen Parlamentarismus zurück und mit Zuver- Freiheitlichen Parlamentsklub in diesem Jahrzehnt sicht in die Zukunft der österreichischen Demokra- zur treibenden politischen Kraft des Landes. tie. ◆

14 15 I Als staatstragende ­Opposition im Parlament Die Freiheitlichen unter ­Klubobmann H.-C. Strache

16 17 Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

unmehr die dritte Gesetz- Abspaltung, das BZÖ, mit kaum vier Prozent und sieben Mandaten Ngebungsperiode in Folge gerade noch den Einzug in den Nationalrat schaffte. treiben die Freiheitlichen un- 2006 – 2016 ter Heinz-Christian Strache als Die Nationalratswahl am 1. Oktober 2006 war die 23. in der Ge- Bundesparteiobmann und im schichte der Republik Österreich. Stimmenstärkste Partei wurde die Parlament als Klubobmann die SPÖ mit , die leichte Stimmenverluste gegenüber der regierenden Parteien SPÖ und vorhergehenden Nationalratswahl 2002 hinnehmen musste und in wei- Auf den politischen Neustart ÖVP vor sich her. Und das mit terer Folge nach den Koalitionsverhandlungen den Bundeskanzler stell- historischen Wahlergebnissen, te. Mit starken Verlusten belegte die ÖVP mit ihrem Spitzenkandidaten, die auf einer konsequenten Li- dem vorigen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, den zweiten Platz. SPÖ folgte der parlamentarische nie und auch sehr harter Arbeit und ÖVP vereinbarten im Rahmen von Koalitionsverhandlungen nach im österreichischen Nationalrat der Wahl eine große Koalition. beruhen. Dabei sah es vor dem Herbst 2006 – zumindest in der öffent- lichen Wahrnehmung – nicht unbedingt so aus, als ob die Freiheit- Totgesagte leben länger lichen nach der Ära Jörg Haider überhaupt als Partei und in Folge auch im Parlament überleben konnten. Die Nationalratswahl am Unter dem Motto „Totgesagte leben länger“ zog man also wieder 1. Oktober 2006 machte es aber vollends deutlich, dass die FPÖ un- in den Nationalrat ein und legte vom ersten Tag an als führende und ter der Führung von Heinz-Christian Strache ein großes Zukunfts- treibende Oppositionskraft los. Was nach außen so locker wirkte, war potenzial hat. Man erreichte einen Stimmenanteil von 11 Prozent in den ersten Wochen und Monaten aber ein überaus bemerkenswerter und einen Mandatsstand von 21 Abgeordneten, während Haiders Kraftakt, den die FPÖ zu vollziehen hatte.

Bei der ­Angelobung 2013: Nach ­sieben Jahren von 21 auf 40 Mandate

18 19 Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

War man nach der Abspaltung Haiders im Frühjahr 2005 ohne Par- Zwei Untersuchungsausschüsse­ lamentsklub zurückgelassen worden, galt es im Herbst 2006, nach er- folgreicher Nationalratswahl, diesen Freiheitlichen Parlamentsklub neu als Bewährungsprobe … zu gründen. Dies erfolgte mit Beginn der XXIII. Gesetzgebungsperio- de, konkret am 30. Oktober 2006. Während die beiden Altparteien SPÖ und ÖVP nach der Ära Schüs- sel noch mit Regierungsverhandlungen beschäftigt waren, konnte man Jedoch wurde man seitens der parlamentarischen Bürokratie und im so genannten „Spiel der freien Kräfte“ im Nationalrat zwei Un- Verwaltung keineswegs mit wehenden Fahnen empfangen, sondern tersuchungsausschüsse installieren – einmal den „Eurofighter-Unter­

Nationalratswahl 2006

Mandatsverteilung SPÖ ÖVP 35,3 % 34,3 % SPÖ: 68 ÖVP: 66 FPÖ: 21 BZÖ: 7 GRÜNE: 21

FPÖ Grüne 11,0 % 11,0 % BZÖ MARTIN 4,1 % 2,7 % suchungsausschuss“ und einmal den „Banken-Untersuchungsaus- Herausforderung schuss“. Beide waren von den künftigen Koalitionspartnern SPÖ und Hohes Haus: Für ÖVP wohl als gegenseitiges Faustpfand gedacht, boten aber vor allem die junge Führungs- für die Opposition – dabei führend die FPÖ – reichlich Gelegenheit, mannschaft unter Aufklärung über Missstände der Republik zu finden und gleichzeitig H.-C. Strache 2006 aufzuzeigen, dass man als wiedererstarkte Oppositionspartei den poli- kein Hindernis Totgesagte leben tischen Gegnern ebenso keine Schonfrist gewähren wollte. länger: Bei der Nationalratswahl musste sich sprichwörtlich alles hart erkämpfen: angefangen vom sim- Dass diese beiden Untersuchungsausschüsse, die ab Jänner 2007 2006 konnte die plen Computer über jeden Schreibtisch und den dazu gehörigen Sessel, ihre Arbeit voll aufnahmen, für die immer noch um parlamentarische FPÖ unter H.-C. gar nicht zu reden von geeigneten Büroräumlichkeiten oder, wohl am Ressourcen ringende FPÖ eine zusätzliche Bewährungsprobe waren, Strache mit 21 wesentlichsten, finanziellen Mitteln, um überhaupt Mitarbeiter einstel- versteht sich dabei von selbst, sind doch Untersuchungsausschüsse auch Mandaten klar den len zu können. unter normalen Umständen für jeden Parlamentsklub eine besondere Wiedereinzug in den Kraftanstrengung. Doch auch diese Probe wurde mit Bravour gemei- Nationalrat fixieren Der neu gewählte Klubobmann Heinz-Christian Strache und sein stert, ohne dabei das parlamentarische „Alltagsgeschäft“ einer Opposi- Klubdirektor Norbert Nemeth ließen sich mit ihrer Mannschaft jedoch tionspartei zu vernachlässigen. nicht beirren und kämpften im Hintergrund mit harten Bandagen – und letztlich hoch erfolgreich, wie die Geschichte zeigt. Den Vorsitz im so genannten Banken-Untersuchungsausschuss führte dabei der später Dritte Nationalratspräsident Dr. Martin Graf, Dass neben den organisatorischen Herausforderungen sofort auch im Eurofighter-Untersuchungsausschuss war der spätere Landesob- die parlamentarischen und politischen keine Sekunde auf sich warten mann der FPÖ Oberösterreich, Dr. Manfred Haimbuchner, maßgeblich ließen, interessierte die mediale Öffentlichkeit nicht, schon gar nicht den beteiligt. politischen Gegner. Einhundert Tage Schonfrist, wie es etwa bei einer Regierung nach Neuantritt üblich ist, gönnte man den Freiheitlichen In weiterer Folge gab es in dieser Gesetzgebungsperiode im Jahr nicht, und eine solche wollten auch die Freiheitlichen sich selbst nicht 2008 noch einen weiteren, dritten Untersuchungsausschuss unter frei- 20 gönnen. heitlichem Vorsitz. So leitete der spätere Volksanwalt Dr. Peter Fich- 21 Fortsetzung auf Seite 23 ▶ Die Freiheitlichen„ und das Parlament 2006 – 2016 Ich war zwar schon zehn Jahre im Wiener Landtag tenbauer für die FPÖ den Untersuchungsausschuss hinsichtlich der Vertuschung von Polizeiaffären und des Missbrauchs der politischen Macht insbesondere im Innen- und Außenministe- und war dort auch Klub­ rium. obmann, aber man kommt natürlich mit einer Ehr- Neue Regierung – alter Proporz furcht ins Hohe Haus. Anfang des Jahres 2007 wurde dann auch eine neue Re- gierung angelobt – Bundeskanzler wurde SPÖ-Vorsitzender „ Alfred Gusenbauer, sein Vize wurde der ÖVP-Obmann Wil- helm Molterer. Mit deren Koalition wurde dann auch die Tra- dition der so genannten „Großen Koalition“ wiederbelebt, die damals noch ein letztes Mal über eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Natio- Unter SPÖ-Gusen- nalrat verfügte. bauer und ÖVP-Mol- terer feiert die Auch diese Neuauflage von Rot-Schwarz nach fast siebenjähriger „Große Koalition“ Unterbrechung machte die Notwendigkeit einer starken frei- fröhliche Urständ heitlichen Oppositionskraft offenbar. Denn ohne ein solches Korrektiv wäre die Republik dem Proporz und der starren Poli- tik von SPÖ und ÖVP vollends ausgeliefert, wie die folgenden Jahre bis zum heutigen Tage beweisen sollten.

„Der Parlamentsklub ist das Herz der Partei“ Von null auf hundert(e) … Dass die Freiheitlichen auch schon in dieser ersten Gesetz- gebungsperiode nach ihrem Wiedereinzug in den Nationalrat Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache voll loslegten, bewiesen auch die Zahlen und Statistiken der XXIII. Gesetzgebungsperiode. Hunderte Anfragen beschäf- über ein Jahrzehnt seines Wirkens als Klub­ tigten die roten und schwarzen Ministerien von Anfang an, und obmann des Freiheitlichen Parlamentsklubs.

erst die NR-Wahl im Herbst 2006 Politik fortgesetzt wird, kön- nicht mehr, sie haben in der die Wiederauferstehung … nen wir Euch nicht wählen!“ FPÖ wieder ihre Zukunft ge- Strache: In Wahrheit ha- Das Interessante war allerdings, sehen. Egal, ob Steirer, Ober- ben wir bereits mit der Wiener nachdem dieser politische An- österreicher oder Vorarlberger: Die FPÖ war mit der Abspal- Vereinbarung mit Jörg Haider, Wir haben auf jeden Fall mit Wahl im Herbst 2005 allen, die schlag auf die FPÖ verübt wor- Spätestens ab diesem Herbst tung des BZÖ quasi als Auslaufmo- ausgemacht war, dass wir ge- dem Wiederaufbau der FPÖ be- uns quasi schon abgeschrieben den war, als wir dann in den 2005 war die FPÖ – abseits des dell vorgesehen, auch parlamentarisch. meinsam am Wiederaufbau der gonnen – obwohl wir zunächst und totgesagt hatten, das Ge- Wiener Wahlkampf gingen, Sonderfalles Kärnten – geeint. Nur zwei Abgeordnete sind verblie- FPÖ arbeiten, Jörg Haider als ja nicht einmal wussten, welche genteil bewiesen. Von dieser hat sich die Stimmung gedreht: Mit dem Ergebnis der Land- ben, es gab keinen Klub, nichts. Und Obmann, ich als geschäftsfüh- Abgeordneten im Parlament Phase der Spaltung weg bis zur Die Menschen haben die per- tagswahl in Wien haben wir die dann, bei der Neuwahl im Jahr 2006, render Obmann. Aber nach ei- wirklich zu uns stehen würden. Wiener Wahl: Das war harte Ar- sonelle Änderung an der Spitze Basis für den Erfolg bei der Na- der erste Erfolg der FPÖ mit ungefähr ner Reise Haiders nach Kanada Letztlich waren es nur Reinhard beit. Ich kann mich zum Beispiel der FPÖ positiv aufgenommen, tionalratswahl 2006 geschaffen: elf Prozent und dem Wiedereinzug war plötzlich alles anders, er gab Bösch und Barbara Rosenkranz. noch gut daran erinnern, dass sie haben uns nun wieder ver- Mit diesen elf Prozent ist es uns ins Parlament. Wie haben Sie das da- – für uns völlig überraschend Das heißt, wir hatten den Klub- 2004, bevor ich Landesobmann traut. Mit soliden 15 Prozent gelungen, die Partei endgültig mals empfunden? – die Gründung des BZÖ be- status verloren, dazu braucht geworden bin, anfangs teilweise spiegelte unser Wahlergebnis in zu konsolidieren, wir sind mit Heinz-Christian Strache: kannt. Ich kann mich noch gut man mindestens fünf Manda- nur ein Handvoll Menschen zu Wien diesen neuen Zuspruch, 21 Abgeordneten ins Parlament Wenn ich die Ereignisse des erinnern, dass Hilmar Kabas tare, den FPÖ-Parlamentsklub den Veranstaltungen in Wien das Vertrauen, das nun in uns eingezogen und hatten wieder Jahres 2005 Revue passieren und ich eigentlich einen Termin gab es de facto zu diesem Zeit- kam, bis es dann im Laufe der gesetzt wurde, auch wider. Das den Klubstatus. lasse, kann ich das nicht anders mit ihm gehabt hätten und dann punkt nicht. Eine Katastrophe, Zeit 100, 200 und immer mehr war auch ein Hoffnungsschim- bezeichnen als einen massiven von einem Journalisten über wenn man so will. wurden. Und ich habe damals mer für die Freiheitlichen in Wie haben Sie das empfunden? politischen Anschlag auf die die BZÖ-Gründung informiert immer wieder gehört „Was Sie allen anderen Bundesländern, Sie haben auf Bundesebene keine Freiheitliche Partei – mit dem wurden. Haider kam später doch Bis hin zur Wiener Wahl wuss- sagen, ist ja richtig, aber so lan- ein Orientierungspunkt: Denn parlamentarische Erfahrung gehabt, 22 Ziel, uns zu vernichten. Denn noch und hat sich verabschiedet, te man nicht, „Geht’s weiter, geht’s ge es den Jörg Haider gibt, und ab diesem Zeitpunkt wackelten waren aber auf einmal Klubobmann 23 wir hatten ja eigentlich eine klare er meinte, er könne nicht anders. nicht?“, und parlamentarisch war ja so lange diese unglaubwürdige viele „Wackler“ in der Partei im Nationalrat. Wie war das am Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

ebensoviele Anträge mit zentralen freiheitlichen Forderungen machten Vorzeitige Auflösung des Nationalrates von der ersten Nationalratsitzung an klar, welchen Anspruch die FPÖ

stellte. Nachdem das Klima in der Wiederauflage der letzten echten „ „Großen Koalition“ allerdings von vorneherein vergiftet war, kam es Wesentlich zu erwähnen ist wohl auch, dass bereits nach nicht einmal zwei Jahren zur vorzeitigen Beendigung der gegen den vehementen Widerstand der Freiheit- Gesetzgebungsperiode bzw. Auflösung des Nationalrates – dies mit lichen im Jahr 2007 die Briefwahl auf Bundese- den bekannten Worten Wilhelm Molterers „Es reicht!“ im Juni 2008. Nur die FPÖ steht einer bene eingeführt wurde. Wie man nun weiß, war Es folgte ein interessanter Wahlkampf, der auch parlamentarisch ge- 17 Prozent und das wohl eine hochberechtigte Kritik, denkt man führt wurde. Denn nach Auflösung der Koalition herrschte im Ho- 34 Mandate: weiteren EU-Zentralisie- an die jüngsten Geschehnisse rund um die Bun- hen Haus das sogenannte „Spiel der freien Kräfte“, und in mehreren Die FPÖ wurde despräsidentenwahl des Jahres 2016. Ebenfalls Nationalratssitzungen wurden – auch mit entsprechendem Zutun zur stärksten rung nicht nur kritisch, setzen ÖVP und SPÖ mit ihrer noch vorhan- der Freiheitlichen – verschiedenste Gesetzesbeschlüsse gefasst. Oppositions- denen Zwei-Drittel-Mehrheit eine Verlängerung kraft im Land sondern ablehnend ge- der Nationalrats-Gesetzgebungsperiode von vier genüber. auf fünf Jahre durch sowie die Senkung des Wahl- alters auf 16 Jahre – Letzteres mit freiheitlicher „ Zustimmung. Nationalratswahl 2008 Mandatsverteilung Vorboten des EU-Zentralisierungswahns SPÖ SPÖ: 57 29,3 % ÖVP ÖVP: 51 Auch in diese Gesetzgebungsperiode fiel die Beschlussfassung über FPÖ: 34 den „Vertrag von Lissabon“ – gegen den sich die Freiheitlichen vehe- 26,0 % BZÖ: 21 ment und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zur Wehr setzten, GRÜNE: 20 zumal dieser eine weitere Zentralisierung der EU bedeutete und schon aus damaliger Sicht klar war, dass mit diesem Vertrag Europa in die FPÖ falsche Richtung geht. Wenn auch alle freiheitlichen Versuche zu dessen 17,5 % Verhinderung mit politischen Mehrheiten abgeschmettert wurden, so war spätestens damit klar, dass einzig die FPÖ kritisch und ablehnend einer weiteren Zentralisierung der EU gegenüber steht und alle ande- BZÖ Grüne ren maßgeblichen politischen Kräfte dieser – im Gegenteil – das Wort 10,7 % 10,4 % reden.

Anfang, das Verhältnis zu den ande- kämpfen und dann auch noch Strache: Das war eine un- ren Parteien, das Verhältnis zur eige- als Parlamentsklub. Das war gute Situation. Denn die Damen nen Wählerschaft … eine schwierige Situation. Wir und Herren in Orange hatten ja Strache: Ich war zwar sind natürlich mit Ehrfurcht nichts Besseres zu tun, als per- schon zehn Jahre im Wiener und einer gewissen Demut an manent gegen uns vorzugehen, Landtag und war auch Klu- die parlamentarische Arbeit he- jede auch noch so kleine Mög- bobmann, aber man kommt rangegangen, haben aber relativ lichkeit wurde dafür genutzt. natürlich mit einer gewissen rasch gemerkt: Die kochen auch Unsere Strategie war eine andere, Ein gewisses innerparteiliches legenheit gibt es dann nur den Nationalratspräsidenten, als auch den Ehrfurcht ins Hohe Haus. Und nur mit Wasser wie im Wiener wir haben uns auf unsere Stär- Problem war damals auch die Affäre Schritt nach vorne: Es sich nicht Volksanwalt gestellt haben. Wie war zu Beginn war alles etwas chao- Landtag oder anderswo. Und ken konzentriert. Wir waren wie- um die Fotos und die Versuche Ewald gefallen zu lassen, es aufzude- das zu bewerten, zumal die Freiheit- tisch: Denn es gab für uns keine ebenso rasch haben wir erkannt, der das Original, die FPÖ, die Stadlers querzuschießen. Wie sehen cken und aufzuzeigen, die Krise lichen immer mit dem historischen An- Klubräumlichkeiten, man hat dass die große „Qualität“ bei sich wieder auf ihre eigentlichen Sie das im Nachhinein? zu bewältigen und zu bereinigen, spruch ins politische Rennen gegangen uns nur Ersatzräumlichkeiten den anderen Fraktionen nicht da Stärken und Wurzeln besonnen Strache: Das war auf jeden das ist der einzig richtige Weg. sind, die dritte Kraft zu sein … zugewiesen, mit diversen Kisten ist – zumindest nicht so, wie ich hat. Fall eine unangenehme Situation. Das haben wir durchgezogen, Strache: In der Tat, wir sind wir dort eingezogen. Dieser es mir damals von Abgeordne- Man könnte das am Beispiel Denn wenn du von Personen, auch wenn es gedauert hat. Das wurden damals mit elf Prozent Zustand dauerte mehr als ein ten, die oft jahrelang im Hohen Coca Cola festmachen: Die FPÖ von denen du eigentlich geglaubt war ein Prozess, der zwar mit knapp nicht mehr drittstärkste halbes Jahr an, erst dann hatten Haus saßen, erwartet hätte. als „Coca Cola“ und das BZÖ hast, sie ziehen mit dir an einem medial-öffentlicher Begleitung Kraft, auf die Grünen fehlten wir ordentliche Büroräumlich- war nur „Cola Light“. Da war Strang, plötzlich mit einem Er- stattgefunden hat, der aber auch uns nur 400 Stimmen. Wir hat- keiten. Zusätzlich mussten wir Das BZÖ hat es 2006 ja auch der Widerspruch in Wahrheit pressungsszenario konfrontiert heilsam und wichtig war. ten aber auch die Größe, das, uns davor auch noch mit Na- knapp in den Nationalrat geschafft. sehr stark, aber wir haben nach wirst, ist das natürlich eine ganz was Usus in der Zweiten Repu- mensstreitigkeiten herumschla- Man hat also am Anfang im Dritten der Spaltung unseren urfreiheit- unangenehme Sache. Ich lassen Ein Problem war ja auch, dass die blik war, auch einzuhalten, näm- 24 gen. Wir mussten zunächst als Lager noch einen Konkurrenten geha- lichen Weg befreit umsetzen mich aber grundsätzlich nicht Grünen damals knapp vor der FPÖ lich, dass die drittstärkste Partei 25 Partei um den Namen „FPÖ“ bt. Wie war das? können. erpressen und in so einer Ange- gelegen sind und sowohl den Dritten auch den Dritten Präsidenten Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

Dass diese Beschlüsse den Steuerzahler schlechtestes Ergebnis in der Zweiten Republik – und verloren, ganz rund eine Milliarde Euro kosteten, wirkte wesentlich für das weitere Geschehen, ihre Zwei-Drittel-Mehrheit im allerdings nur wenig nach, geschah doch Nationalrat. noch vor der eigentlichen Wahl zum neu- en Nationalrat die Lehman Brother-Pleite, Nachdem die SPÖ bei der Nationalratswahl also den ersten Platz die auch in Österreich den Nationalrat noch verteidigen konnte, fiel ihr gemäß der parlamentarischen Tradition der vor Neukonstituierung zur Rettung der hei- Anspruch auf den Ersten Nationalratspräsidenten zu. Die SPÖ nomi- mischen Banken in Abermilliarden-Höhe nierte in der Folge erneut , die diese Funktion seit dem nötigte und den Beginn der noch andau- 30. Oktober 2006 innehatte. Bei der Wahl der Nationalratspräsidenten ernden Weltfinanz- und Wirtschaftskrise wurde Prammer am 28. Oktober 2008 mit 140 von 182 Stimmen ge- bedeutete. Ein Umstand, der nicht nur in wählt. Die ÖVP nominierte für das Amt des Zweiten Nationalratspräsi- die darauffolgende Gesetzgebungsperiode denten erneut , dem 142 von 170 gültigen Stimmen nachwirkte. zufielen. Die Nominierung von Martin Graf zum Dritten Nationalrats- präsidenten durch die FPÖ war von den Grünen und Teilen der SPÖ im Vorfeld auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Burschenschaft Olympia heftig kritisiert worden. Die Grünen nominierten mit dem ehemaligen Die stärkste Klubobmann auch einen Gegenkandidaten.

Graf wurde schließlich mit „nur“ 109 Stimmen gewählt, während Van

­Opposition im Land der Bellen 27 Stimmen erhielt und 20 Stimmen 2008 konnten die auf andere Kandidaten entfielen. Graf dürfte bei „ Freiheitlichen Plus sieben Prozent lautete das Ergebnis für die Freiheitlichen bei seiner Wahl nur wenige Stimmen von der SPÖ dank des klaren der Nationalratswahl 2008, 17 Prozent und 34 Mandate konnte man erhalten haben – nachdem ÖVP, FPÖ und BZÖ, dritten Platzes bei erobern, klar und deutlich die stärkste Oppositionskraft im Land wer- welche die Wahl Grafs unterstützten, zusammen Das Gespräch mit Hai- der Wahl mit den – und auch den direkten Konkurrenten Jörg Haider deutlich auf 105 Stimmen auf sich vereinten. Nachdem zwi- Martin Graf auch die Plätze verweisen. Und man konnte den Dritten Präsidenten des Na- schen 2006 und 2008 die Grünen den Dritten Na- der drei Tage vor seinem das Amt des Drit- tionalrates wiedererobern, nachdem man dieses Amt um nur wenige tionalratspräsidenten gestellt hatten, kam durch ten Präsidenten Stimmen im Jahr 2006 an die Grünen verloren hatte. die Wahl Grafs die Funktion wieder in die Hände Tod war mir menschlich des Nationalra- der FPÖ, zumal diese ja nun auch wieder klar an tes erlangen Stimmenstärkste Partei wurde die Sozialdemokratische Partei Öster- der dritten Stelle zu liegen kam. wichtig. Er wollte aber in reichs (SPÖ) mit , die große Stimmenverluste gegen- über der Wahl 2006 hinnehmen musste. Mit noch schwereren Verlusten Die Kampagne gegen Martin Graf setzte sich Wahrheit wohl vor allem wurde die Österreichische Volkspartei (ÖVP) mit die gesamte Gesetzgebungsperiode über fünf Jah- uns Freiheitliche unter Zweitplatzierte. Beide Parteien erreichten bei dieser Wahl ihr bis dahin re fort. Hintergrund dabei ist, dass die Grünen – Druck setzen, in eine Dreier-Koalition mit dem stellt. Wir haben damals daher riante – entweder für Rot-Grün jeweiligen Ausschüsse durch die – auch noch mit einer Zwei-Drit- bin ich natürlich keinen Kandidaten für das Amt oder Schwarz-Grün – zu posi- Oppositionsparteien besetzt tel-Mehrheit ausgestattet. Was war da nachgekommen, BZÖ und der ÖVP zu ge- des Dritten Präsidenten aufge- tionieren, oder sich notfalls für werden sollte – einmal durch die dann die freiheitliche Rolle? zumal es in ei- stellt, weil wir uns an die Usan- eine Dreiervariante anzubiedern. Grünen, einmal durch uns Frei- Strache: Da muss ich et- ner Demokratie hen. cen gehalten haben. Das haben Das war unübersehbar. Wir Frei- heitliche. Wobei ich mich ent- was weiter aushohlen: Von der selbstverständlich die Grünen in Folge umgekehrt heitliche haben im Gegensatz sinne, dass für uns an sich klar Spaltung weg, 2005, als wir kei- sein sollte, dass „ und zwei Jahre später aber nicht dazu echte Oppositionsarbeit war, dass wir den Grünen Peter nen Klubstatus im Parlament Parteichefs mit- akzeptiert, als sie deutlich(!) gemacht. Wir haben die meisten Pilz als Eurofighter-Untersu- hatten, habe ich als neuer Ob- einander reden. Das Gespräch beginnen, empfand ich als anma- Vierte wurden. Das zeigt einmal Anträge und Anfragen gestellt, chungsausschuss-Vorsitzenden mann zweimal versucht, einen selbst war für mich ein ganz in- ßend und unangemessen. mehr den demokratiepolitischen waren also eine sehr aktive Op- akzeptieren. Jedoch hat dann Termin bei Wolfgang Schüssel teressantes Erlebnis: Es begann Dass man Vertrauen wieder Unterschied zwischen uns Frei- position, wir waren definitiv von Ewald Stadler begonnen querzu- zu bekommen. Er hat es aller- sinngemäß damit, dass Schüssel aufbaut, die Gräben zuschüt- heitlichen und den Grünen auf. Anfang an der Stachel im Fleisch schießen und damit das gesamte dings nicht einmal für notwendig meinte, wir hätten jetzt die Chan- tet, und wenn das gelungen ist, der Regierung. Und wir konn- Verhandlungsergebnis riskiert. befunden, auf mein Schreiben ce einer Regierungsbeteiligung, inhaltliche Debatten führt, bei Trotz des Umstandes, dass die ten auch realpolitisch einiges Zum Glück ging dennoch al- zu reagieren, sondern er ließ je- wir könnten so und so viel Mi- denen man vielleicht Gemein- Grünen eben die knapp stärkere, zwar umsetzen. Die beiden Untersu- les gut und Martin Graf führte manden aus seinem Sekretariat nister und Staatssekretäre stellen samkeiten findet, und wenn es mandatsgleiche Oppositionspartei wa- chungsausschüsse zum Euro- im Banken-Untersuchungsaus- anrufen und ließ mir mitteilen, und wie ich denn dazu stünde. diese tatsächlich gibt, am Ende ren, war trotzdem relativ schnell klar, fighter-Kauf und zu den Banken schuss den Vorsitz ganz hervor- dass er keine Notwendigkeit für Ich saß dort und dachte mir nur: vielleicht als mögliches Ergeb- dass die FPÖ die eigentliche Oppositi- beispielsweise wurden aufgrund ragend. einen Termin mit mir sieht. 2006 Ich bin im falschen Film, das nis eine Zusammenarbeit stehen onskraft ist. Wie hat sich das ergeben? meiner Verhandlungen mit dem aber, kaum waren wir mit 21 Ab- kann ja wohl wirklich nicht sein könnte: Das ist doch die einzig Strache: Die Grünen haben damaligen SPÖ-Klubobmann Nach dem gescheiterten Versuch geordneten ins Parlament einge- Ernst sein. Nach so vielen Grä- richtige Reihenfolge. Aber spä- damals schon versucht, sich stra- Cap erst möglich. Ganz wesent- der Wende-Regierung Schüssel I und zogen, kam sofort ein Anruf aus ben, die aufgerissen wurden, wo testens zu dem Zeitpunkt war 26 tegisch als möglicher Mehrheits- lich dabei war, dass ich durchge- II ist ja die große Koalition im Jahr dem Büro Schüssel mit der Bitte es keinerlei Vertrauensbasis gab, mir klar: Halt, wenn das früher 27 beschaffer für eine Koalitionsva- setzt habe, dass der Vorsitz der 2006 wieder ins Amt gekommen um ein rasches Gespräch. Dem ein Gespräch in dieser Form zu auch so funktioniert hat, na dann Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

wie aus einem der Öffentlichkeit zugespielten Papier im Jahr 2009 her- vorging – gezielt so genanntes „Dirty Campaigning“ vor allem gegen freiheitliche Spitzenfunktionäre planten und auch durchzogen. Nachdem Michael Spindelegger sein Amt am 2. Dezember 2008 nach seiner Wahl zum Außenminister zurückgelegt hatte, wurde Fritz Neugebauer (ÖVP) zu seinem Nachfolger gewählt. Er wurde am 3. De- zember 2008 mit 124 von 162 abgegebenen Stimmen gewählt. 38 Stim- men entfielen auf andere Abgeordnete. Das Amt des Klubobmanns in der SPÖ übernahm Josef Cap, der bereits zuvor das Amt innegehabt hatte. In der ÖVP war zunächst Josef Pröll Klubobmann. Nach seiner erneuten Wahl in die Bundesregie- rung wurde er von abgelöst. In der FPÖ übernahm Heinz-Christian Strache die Funktion erneut, während das BZÖ Josef Bucher zum Klubobmann wählte. Zuvor hatte lange Zeit Stefan Petz- ner als Favorit für das Amt des BZÖ-Klubobmanns gegolten. Bei den Grünen löste Eva Glawischnig-Piesczek den langjährigen Klubobmann

Alexander Van der Bellen an der Klubspitze ab. Klubobmann des Team

Stronach, das im November 2012 als Klub anerkannt wurde, war Robert „ Lugar.

den Anfang vom Ende des BZÖ. Am 16. Dezember 2009 wurde von Dezember 2009: Für uns waren diese fünf Uwe Scheuch und Heinz-Christian Strache in Wien bekannt gegeben, Uwe Scheuch Nach dem Tod Haiders – der dass sich die Führung der Kärntner Landesgruppe mehrheitlich aus und H.-C. Strache Jahre – 2008 bis 2013 – dem BZÖ herauslösen und in Zukunft unter der Bezeichnung „Die besiegeln den Weg in die Wiedervereinigung Freiheitlichen in Kärnten (FPK)“ als selbstständige Partei in eine Ko- ­Kooperationsvertrag auf jeden Fall wichtig, operation mit der FPÖ eingehen werde, da sie den neo-liberalen Kurs zwischen FPÖ und Nachdem unmittelbar nach der Nationalrats- von BZÖ-Obmann Josef Bucher nicht mehr mittragen könne. Diese dem Kärntner BZÖ, um unsere Glaubwürdig- wahl der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider Kooperation wurde von Strache, Scheuch und dem neuen geschäftsfüh- welches wieder in keit weiter auszubauen, tödlich verunglückte, wurde der Weg zur Wieder- renden Kärntner FPÖ-Landesparteiobmann Christian Leyroutz am 22. die freiheitliche vereinigung der Kärntner Freiheitlichen mit der Juni 2010 verkündet. Ziel dieser Kooperation war es, das „freiheitliche Familie heimkehrt um das Vertrauen der Bundes-FPÖ frei, gleichzeitig bedeutete das auch Lager“ wieder zu vereinen und auf allen Ebenen zusammenzuarbeiten, Menschen in unsere frei- heitlichen Werte weiter pel-Stadion tra- menarbeit vorstellen könnten. von der Wiener SPÖ fallen gelassen zählung war nicht klar, ob das wie ich meine, indem er die ältere fen wir aufeinan- Ich habe ihm mitgeteilt, dass wir wurde. Faymann hat ihn ersetzt, und BZÖ es ins Parlament schafft Generation und sehr stark auch zu stärken und dann den der und er sprach immer reden können, was wie Molterer hat gleichzeitig eine Neuwahl oder nicht. Sie haben es knapp das wirtschaftspolitisch interes- mich an. Dazu gesagt meines Erachtens wesent- ausgerufen. Wir erleben dann einen geschafft, das BZÖ hätte aber sierte Klientel angesprochen hat. nächsten Schritt zu set- muss man wissen: lich ist. Es kam nur nicht mehr Wahlkampf im Sommer, wo die ÖVP damals schon sein Ende finden Diese Zielgruppen anzuspre- Zu Alfred Gusen- zu dem Gespräch, da Gusenbau- sich definitiv mehr ausgerechnet hat – können, es stand an der Kippe. chen, war gut und wichtig, etwas, zen. bauer hatte ich er diese Woche politisch nicht wie wir wissen, ist das für sie schief Das war auch Jörg Haider klar. was wir in der derzeitigen Phase „ immer ein sehr „überlebte“ und bekanntlich von gegangen. Aber für die Freiheitlichen Also hat er die Wahl 2008 noch der Partei auch versuchen, weiter korrektes Ver- Werner Faymann abgesetzt wur- kam es einerseits zu einer Auseinan- einmal selbst als Spitzenkandi- auszubauen. „Gute Nacht“. Da verstand ich hältnis. Wenn er etwas gesagt hat, de. Aber es ist eine interessante dersetzung mit SPÖ und ÖVP, und – dat in Angriff genommen und Aber – und das ist das Ent- gewisse Mechanismen, ja, und dann hatte das Hand und Fuß, er Anekdote, die zeigt, dass doch da wenn man so will – einem direkt aus- hat sich dafür quasi neu erfun- scheidende –, das einzige wirk- mir war klar: So sicher nicht. Das hat sich immer fair und hochan- und dort, sowohl von der einen gerichteten Wahlkampf im Vergleich den. liche Wahlduell fand zwischen habe ihm damals auch klar kom- ständig verhalten. Daher gab es als auch von der anderen Seite – mit dem BZÖ, zumal ja Jörg Haider Denn er war sich dessen Haider und mir statt. Wir konn- muniziert und ihm mitgeteilt, er zwischen uns auch eine Vertrau- je nach Situation, wie sehr man im Jahr 2008 noch einmal angetreten bewusst, dass wir Freiheitliche ten uns bei den Wählern durch- könne doch wohl nicht ernsthaft ensebene, die von gegenseitiger an der Wand steht – der Bedarf ist. Wie hat sich das in der parlamen- – wenn man so will – die klas- setzen und haben gut sieben annehmen, ich sei mit einem Wertschätzung getragen war. da ist, absurde Ausgrenzungsen- tarischen Auseinandersetzung gezeigt, sischen, traditionellen Werte des Prozent auf mehr als 17 Prozent derartigen „Bauernfänger-Ge- Gusenbauer kam also während twicklungen gegenüber der FPÖ dass dieses BZÖ noch einmal versucht Dritten Lager mit einer gewissen der Stimmen zugelegt. Auch das spräch“ zu locken. Aber: Es war dieses Fußballspiels auf mich zu aufzubrechen und abzuändern. hat, der FPÖ beizukommen? Modernität verkörpert haben. BZÖ hat fast sieben Prozent ein „interessantes“ Erlebnis. und fragte, ob ich Zeit hätte, er Strache: 2006 haben sie es So wusste er also auch, dass es zugelegt, so gesehen waren wir Später kam auch einmal Alfred würde mich in den nächsten Ta- Da sind wir dann eigentlich schon ja nur mit viel Glück geschafft, keinen Sinn gemacht hätte, uns beide die großen Wahlsieger, Gusenbauer auf mich zu, als er gen um ein Gespräch bitten und beim Ende dieser Gesetzgebungsperio- Spitzenkandidat war Peter We- zu kopieren. Er musste sich also aber im direkten Duell haben wir 28 Kanzler wurde. Im Rahmen der zumindest einmal darüber reden de, die nur kurz gedauert hat. Sie ha- stenthaler, und bis ganz knapp neu erfinden, was er dann auch Freiheitliche uns behauptet. Das 29 Fußball-EM 2008 im Ernst-Hap- wollen, ob wir uns eine Zusam- ben schon erwähnt, dass Gusenbauer zum Ende der Briefwahlaus- gemacht hat – sehr, sehr clever, war psychologisch und auch für Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

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Impressum: Freiheitliche Partei Österreichs, Friedrich-Schmidt-Platz 4/3a, 1080 Wien wobei die FPK ihre Eigenständigkeit auf Landes- und Gemeindeebene nannten „Fiskalpakt“ durch, der dazu führte, dass Österreich weitere behielt. Verluste seiner Eigenständigkeit und staatlichen Hoheit – gegenständ- lich im Bereich der Budgethoheit – hinnehmen musste. Auch hier wa- Für den Parlamentsklub bedeutete das auch gleichzeitig, dass drei ren die Freiheitlichen die einzige maßgebliche Kraft, die alle Mittel aus- Kärntner Mandatare im Nationalrat zur FPÖ wechselten und man so- schöpfte, um den ESM, aber auch den Fiskalpakt zu verhindern. mit über nunmehr 37, in weiterer Folge 38 Abgeordnete verfügte.

Parlamentarische Kontrolle unter Eine Gesetzgebungsperiode im Zeichen­ ­wesentlicher freiheitlicher Beteiligung des europäischen Zentralismus Auch in dieser Gesetzgebungsperiode wurden zwei Untersuchungs- Wesentliche Hauptaufgabe der Freiheitlichen war es unter ihrem ausschüsse eingesetzt. Einmal im Sommer 2009 der so genannte „Spit- Bundespartei- und Klubobmann H.-C. Strache, den Kampf gegen zel-U-Ausschuss“, der Abhör- und Beeinflussungsmaßnahmen im Be- stärkste Zentralisierungstendenzen seitens der Europäischen Union reich des Parlaments aufklären sollte und in der für die Freiheitlichen zu führen. Die Brüsseler Eliten nutzten nämlich die Finanz- und Wirt- Dr. Martin Graf, Dr. Walter Rosenkranz und Werner Neubauer für Auf- schaftskrise vehement dazu, die bisher gescheiterten Versuche, Natio- klärung sorgten. nalstaatlichkeit einzuschränken, auszumerzen. Des weiteren gab es ab Herbst 2011 einen Untersuchungsausschuss Anlassfall war zunächst die dro- zur Aufklärung von Korruptions- hende Staatspleite Griechenlands, vorwürfen, der sich rund ein Jahr mit aufgrund derer man erste „Rettungs- verschiedensten fragwürdigen Vor- pakete“ schnürte, die sich bereits in gängen rund um Vergaben und Ge- Milliardenhöhe bewegten, weiter über barung der Bundesregierung in der den Euro-Rettungsschirm, der die Vergangenheit drehte – unter anderem Kraft aller Vorstellungen sprengte und mit der BUWOG- und Telekom-Af- mit rund 700 Milliarden Haftungen färe sowie etwa der Behördenfunk- ausgestattet wurde, bis hin zur Einset- vergabe (Tetron). Vorsitz führte auch zung des Europäischen Stabilitätsme- hier wieder ein Freiheitlicher, konkret chanismus (ESM), ebenfalls mit rund Dr. Walter Rosenkranz, später Landes- 700 Milliarden Euro ausgestattet. Da- parteiobmann der FPÖ Niederöster- mit einhergehend zog man den soge- reich.

die nachhaltige Entwicklung der Mit dem Tod Haiders war aber Mit NEOS und bewegt, bei Nationalratswahlen starkte FPÖ erleben, die sich als FPÖ wichtig. So kam es dann schnell klar, dass das BZÖ, das Team Stronach konnten wir das etwas kompen- dritte Kraft nachhaltig positio- relativ rasch nach dieser Wahl öffentlich von den beiden anderen zwei neue Par- sieren und besser abschneiden. niert, dann ist das natürlich auch zu dieser Aussprache mit Jörg Systemparteien gestützt wurde, als teien im Parla- eine große Genugtuung. Haider in meinem heutigen Par- Faktor gegen die Freiheitlichen eigent- ment: Strache Aber trotzdem war nach der Und natürlich ist es schön, lamentsbüro, das ja zuvor einmal lich keiner mehr sein wird, weil das mit Strolz und Wahl 2008 klar, dass die FPÖ die wenn man wieder den Dritten sein Büro gewesen war. Diese ganze ohne Jörg Haider nicht wirklich Nachbaur. große Oppositionspartei ist, das BZÖ Präsidenten und den Volksan- Aussprache war mir menschlich was wert war. Wie hat sich das dann war nach Haiders Tod führungslos, walt stellt, nachdem wir beide wichtig, aber es war schon auch im Jahr 2009 gestaltet? und die Grünen waren klar abge- Positionen ja verloren hatten, klar, worauf er hinauswollte: Er Strache: Haider meinte ein- schlagen. Man hat wieder den Dritten wenn man auch da oder dort wollte uns damals nach Möglich- mal in einem Interview, dass die Präsidenten des Nationalrates be- wieder in eine Ebene kommt, keit so unter Druck setzen, dass FPÖ und das BZÖ, solange er kommen, man hat den Volksanwalt wo man tatsächlich gesehen hat, wir in eine mögliche Dreier-Ko- und ich an der Spitze dieser bei- bekommen und wieder wirklich als dass es möglich ist, das System alition gehen. Das war seine den Bewegungen sein würden, und sich mit der Erneuerung der Wahl außerhalb Kärntens nicht starke dritte Kraft agiert. Wie haben aufzubrechen. Aber wir haben Strategie. Er hat damals gesagt, nicht mehr zusammenfinden FPÖ identifiziert. Da waren also behaupten wird können und es Sie diese Periode in Erinnerung? uns damit nicht zufrieden gege- er habe brisante Unterlagen, die würden, zumal eine Partei nicht acht Bundesländer, in denen klar nur mit einer großen Kraftan- Strache: Das war natürlich ben, sondern waren der Über- die Republik erschüttern wür- zwei Alphatiere vertragen würde. war, dass die FPÖ die politische strengung Haiders bei einer Bun- schön. Wenn man eine Partei bei zeugung, dass unser Anspruch den. Ich habe das interessiert zur Im Grunde aber war für Haider Heimat ist, und in denen es das deswahl über die Landesgrenzen drei Prozent übernimmt, wenn ein wesentlich höherer ist, dass Kenntnis genommen, aber keine ohnehin nur Kärnten relevant. BZÖ im Wesentlichen nicht gab. Kärntens hinaus überhaupt das gesamte System versucht, wir zur stärksten politischen Details erfahren. Aber er dürfte Das „restliche“ Österreich, die Bei der Wiener Landtagswahl eine Wirkung erzielen kann. In diese Partei „loszuwerden“, dann Kraft werden wollen. einiges vorgehabt haben. Das al- anderen acht Bundesländer ha- etwa hat das BZÖ 0,7 oder 0.9 Kärnten war es aber spiegelver- gelingt in relativ kurzer Zeit die Für uns waren diese fünf 30 les geschah drei Tage vor seinem ben von der Abspaltung weg den Prozent erreicht. Da war schon kehrt, als FPÖ haben wir uns um Konsolidierung und der Neuauf- Jahre auf jeden Fall wichtig, um 31 tödlichen Unfall. Neuaufbau der FPÖ mitgetragen klar, dass das BZÖ sich bei einer die drei bis fünf Prozent herum bau und man darf eine wiederer- unsere Glaubwürdigkeit weiter Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

Nationalratswahl 2013 Geschuldet ist das vor allem der Stärke der FPÖ un- Mandatsverteilung ter Heinz-Christian Strache, SPÖ die in vielen Umfragen vor der SPÖ: 52 Wahl im Herbst 2013 so gut 26,8 % ÖVP ÖVP: 47 lag, dass man offensichtlich 24,0 % FPÖ: 40 danach trachtete, diesen Er- FPÖ BZÖ: -- folg mit allen Mitteln zu ver- 20,5 % GRÜNE: 24 hindern. Eines dieser Mittel Frank: 11 war die Gründung einer neuen NEOS: 9 „Bewegung“, einer neuen Par- tei also, die im Wählerteich der Grüne Freiheitlichen fischen und die- 12,4 % sen möglichst viele Stimmen wegnehmen sollte. In der Per- son des Austrokanadiers Frank Stronach fand sich dann auch FRANK NEOS 5,7 % ein Mäzen, der mit seinem Na- BZÖ 5,0 % men gleich eine Partei grün- 3,5 % dete. Dieses „Team Stronach“ wurde von den Medien ent- sprechend gefördert und groß geschrieben und zog tatsächlich in den Nationalrat ein – dies mit rund FPÖ-General­ 5,7 Prozent der Stimmen und elf Mandaten. sekretär Herbert Kickl: Er gilt als Ebenso neu im Parlament sind 2013 die NEOS, eine eher linkslibe- maßgeblicher 2013 kann die Am Sprung an die Spitze rale Gruppierung, die weniger bei den Freiheitlichen, sondern vielmehr Garant für freiheit- FPÖ trotz harten in ÖVP-Kreisen ihre Wähler fand, sie erreichten 4,9 Prozent und konn- liche Wahlerfolge Gegenwinds weiter Es sollte eine bemerkenswerte Gesetzgebungsperiode werden, nicht ten neun Mandate ergattern. deutlich zulegen nur, weil es sich um die XXV. handelt, sondern weil in dieser verschie- denste Faktoren als historisch zu bezeichnen sind. Zunächst das Wahl- Trotz dieses Gegenwindes und eines künstlichen Gegners – das ergebnis: Zum ersten Mal in der Geschichte des Nationalrates zogen Team Stronach zerbröselte unmittelbar nach der Wahl Stück für Stück – sechs Parteien ins Parlament ein. konnten Heinz-Christian Strache und die Freiheitlichen dennoch or-

auszubauen, um das Vertrauen lität. Bis man zu Vereinbarungen liche Abneigung uns gegenüber Strache: Eines vorweg: Es de – was man uns dann später eine Blase, die weiter künstlich der Menschen in unsere freiheit- kam, hat es zwar oft lange gedau- nicht verstecken. Es ist zwar war offensichtlich, dass in die- vorgeworfen hat. Aber das war aufrecht erhalten und irgend- lichen Werte weiter zu stärken ert – oder manchmal hat es gar schade, aber wenn man spürt sen Themenfeldern die Grünen notwendig und wichtig. Aber ab- wann platzen wird. und dann den nächsten Schritt nicht funktioniert. Aber wenn und merkt, mit wie viel Abnei- auch jederzeit bereit waren, die seits des Bankenrettungspaketes Vor dieser Entwicklung ha- zu setzen. es eine Vereinbarung gab, dann gung man uns gegenübertritt, große Koalition zu unterstützen. haben wir zum Beispiel gegen ben wir von Beginn an eindring- hat die auch gehalten. Das war dann bleibt es eben bei einer Heute brauchen die Regierungs- den ESM und andere Euro-Ret- lich gewarnt, wurden und wer- Sie waren dann schon das zwei- etwas, das ich für die ÖVP in sachlichen Ebene. fraktionen entweder uns oder die tungsmaßnahmen vehement den dafür aber gern verhöhnt. te Mal Klubobmann und schon ein dieser Form leider nicht bestä- Politisch inhaltlich ist in der Grünen für eine Verfassungs- Druck aufgebaut. Heute wis- Allerdings wird jeder Ökonom Routinier. Wie war das Verhältnis zu tigen kann, wobei ich zu Karl- Periode von 2008–2013 auf der mehrheit. Es wäre daher wichtig, sen nicht nur wir, dass der ESM wohl eingestehen müssen, dass Ihrem Gegenüber bei den Sozialisten, heinz Kopf auch ein sehr gutes einen Seite innenpolitisch im wenn wir so stark wären, dass es schlicht eine Katastrophe ist. das auf Dauer nicht so funk- zur ÖVP und auch zu den anderen Verhältnis hatte und auch heute Grunde genommen nichts wei- ohne uns überhaupt keine Ver- Den Maastricht-Vertrag, in dem tionieren kann, wenn die EZB Oppositionsparteien im Parlament? noch habe. tergegangen – da war Stillstand fassungsmehrheit mehr geben verankert ist, dass die EU kei- Ramsch-Anleihen kauft und Strache: Es ist ja fast ab- bei den beiden schrumpfenden kann. Das ist das nächste Ziel, ne Schuldenunion werden darf, wenn man Ländern wie Grie- surd, aber wenn ich sage, dass Zu den Grünen und zum Rest des Parteien SPÖ und ÖVP. Auf das wir haben. zu brechen, das haben wir klar chenland oder auch anderen, die ich eine gute Gesprächsebene BZÖ? der anderen Seite steht die gan- Aber um auf ihre Frage zu- abgelehnt. Dennoch ging man sich nicht an die Euro-Kriterien zu SPÖ-Klubobmann Cap hat- Strache: Das war auf die ze Thematik auf europäischer rückzukommen: Ja, das waren dann her und brach die eigenen halten, das Geld nachzuwirft. te, schade ich dem Kollegen Cap sachlichen Notwendigkeiten be- Ebene, mit der weltweiten Kri- natürlich ganz entscheidende Verträge. Und wir erleben dem- Das wird irgendwann nicht mehr damit vermutlich. Aber ja, ich schränkt. Seitens des BZÖ war se, die auch Europa mitgerissen Fragen und selbstverständlich nächst das nächste Rettungspa- finanzierbar sein und die Blase hatte zu ihm immer eine ehrliche, immer eine gewisse Form von hat, Stichwort Stabilitätsmecha- haben wir mitgeholfen, dass in ket, das für Griechenland ge- wird zwangsläufig platzen. vertrauliche Gesprächsbasis, und Neid uns gegenüber spürbar, nismus ESM und Co. Wie hat dieser schwierigen Situation für schnürt werden soll. Das zeigt Und auch in Zusammenhang man wusste, woran man ist. Und insbesondere bei Seppi Bucher. man das aus freiheitlicher Sicht unsere österreichischen Bank- doch einmal mehr, dass die EU mit dem Brexit hat man nicht den 32 wenn etwas vereinbart wurde, Und Grünen-Chefin Eva Glawi- gesehen, um da gegenzusteu- kunden die Sicherheit ihrer die Krise bis heute nicht bewäl- Eindruck, dass das EU-Establis- 33 dann hatte das Handschlagsqua- schnig kann ihre nahezu körper- ern? Spareinlagen gewährleistet wur- tigt hat, im Gegenteil. Das ist hment dazu lernt. Man gewinnt Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

dentlich zulegen, waren also einmal mehr in den letzten zehn Jahren der einzig echte Wahlsieger. Mit 20,5 Prozent erreichte man 40 Mandate Norbert Hofer und konnte ein weiteres Mal die beiden ehemaligen „Großparteien“ er- wird zum Drit- heblich schwächen. ten Präsidenten des National- Denn SPÖ und ÖVP mussten einmal mehr ein dickes Minus in der rats gewählt Wählergunst hinnehmen: Die Sozialisten verloren fast drei Prozent- punkte und kamen bei 26,8 Prozent und 52 Mandaten zu liegen, die Schwarzen errangen gerade noch 23,9 Prozent und 47 Mandate – abso- luter Tiefststand für eine „Große Koalition“ seit 1945. Auch erwähnenswert: Nur acht Jahre nach Gründung schaffte es die Kunstgeburt BZÖ nicht mehr, in den Nationalrat einzuziehen, womit für die FPÖ unter H.-C. Strache wieder die Alleinvertretung im freiheit- lichen Lager klargestellt war. Nachdem die SPÖ bei der Nationalratswahl den ersten Platz noch verteidigen konnte, fiel ihr gemäß der parlamentarischen Tradition der Anspruch auf den Ersten Nationalratspräsidenten zu. Die SPÖ nominierte in der Folge erneut Barbara Prammer, die diese Funktion seit dem 30. Oktober 2006 innehatte. Bei der Wahl der Nationalrats- präsidenten wurde Prammer am 29. Oktober 2013 mit 147 von 176 Stimmen bzw. 83,5 Prozent im Amt bestätigt. Nach dem Rückzug von Fritz Neugebauer nominierte die ÖVP den bisherigen Klubobmann Karlheinz Kopf für das Amt des Zweiten Nationalratspräsidenten, wobei Kopf 140 von 182 Stimmen und damit genau 82 Prozent er- hielt. Die FPÖ nominierte Norbert Hofer für das Amt des Dritten Nationalratspräsidenten, nachdem sich der bisherige Dritte National- ratspräsident Martin Graf nach andauernder Kampagnisierung gegen seine Person bereits vor der Nationalratswahl zurückgezogen hatte. Hofer wurde mit 118 von 178 abgegebenen Stimmen bzw. 66,3 Pro- zent gewählt.

viel eher den Eindruck, dass System schon mitgeholfen, wie darum ging es. Diese Strategie sen kann und bei der man auf was nach dem Wiederaufbau Wien oder Kärnten, überall, wo Brüssel jetzt erst recht den Um- auch schon vorher beim BZÖ geht aber immer weniger auf: Dauer weiß, dass seine Stimme und der Konsolidierungsphase engagierte Menschen aller Ge- bau der EU zu einem zentralis- selbst, als Schüssel seine Finger Die Menschen sind von diesen nicht verlorengeht. ein wichtiger Schritt war. Es war nerationen sich einbringen und tischen Bundesstaat so schnell im Spiel hatte. Das BZÖ war taktischen Spielereien übersät- aber auch ein sehr harter Weg. mit Herzblut für Veränderungen wie möglich durchsetzen will, sozusagen eine Erfindung des tigt, sie durchschauen sie und Kommen wir zur laufenden Le- Und das liegt natürlich nicht in ihrer Heimat eintreten. Das ist auch gegen den Willen der Be- Systems, um die FPÖ kaputt zu spüren, dass Parteien, die künst- gislaturperiode: 2013 hat die FPÖ nur an der Schwäche der ande- uns sogar sehr gut gelungen. völkerung. machen. Und als man gesehen lich aufgebaut werden, auf Dau- bei der Nationalratswahl die 20-Pro- ren, wie gern behauptet wird. Natürlich wäre bei der Wahl hat, es gelingt nicht, dann wollte er nicht erfolgreich sein können. zent-Marke geknackt und ist seitdem Dieser Erfolg ist das Ergebnis 2013 wesentlich mehr drin gewe- In dieser Phase hat sich immer man uns zumindest in Schach Beim Team Stronach hat sich auf Augenhöhe mit den beiden Re- harter Arbeit. Wir haben echte sen. Ich würde sagen, das Antre- stärker herauskristallisiert, dass die halten, damit die freiheitliche das ja sehr rasch gezeigt, genau gierungsparteien – so etwas wie eine Aufbauarbeit geleistet, wir ha- ten des Team Stronach hat uns FPÖ unter Ihrer Führung auf der Partei ja nicht so stark wird, um genommen ist diese Truppe oh- staatstragende Oppositionskraft. Das ben uns in den Ländern und in Platz zwei gekostet – oder viel- Überholspur ist – das BZÖ ist eben den Führungsanspruch im Land nehin am Implodieren. Bei den BZÖ ist aus der Geschichte verschwun- den Gemeinden neu strukturiert leicht sogar Platz eins. Unsere weggebrochen, und SPÖ und ÖVP stellen zu können. Und als man NEOS sieht man auch, dass da den, die Grünen stagnierten und es gab und wir haben auch die jungen Gegner haben allerdings gehofft, mussten fürchten, bald ihre gemein- schließlich erkennen musste, kaum Kraft dahinter ist. Und – mit knappen Ergebnissen – den Menschen im Land „abgeholt“. dass wir ob des Team Stronach same Mehrheit zu verlieren. Und ju- dass das mit dem BZÖ dauerhaft so erkennen die Menschen, Einzug der NEOS und des Team Es ist uns gelungen, de facto in stagnieren, vielleicht sogar ver- stament damals gab es die Gründung nicht funktioniert, hat man dann dass nur eine Oppositionspartei Stronach. Es existiert nun zwar auf jeder Region, in jeder Gemeinde lieren. Diese Hoffnungen haben des „Team Stronach“ … begonnen, andere politische Par- nachhaltig konsequent und auch dem Papier ein Sechs-Parteien-Parla- im Land präsent zu sein und dass wir ihnen nicht erfüllt, im Ge- Strache: Laut gut infor- teien zu forcieren, wie eben das verlässlich agiert, und nur eine ment, aber ernstzunehmende Oppositi- – und ihnen sei an dieser Stelle genteil. Nach dem Duell mit dem mierten Kreisen sollen maßgeb- Team Stronach, aber natürlich Kraft bis in die Gemeinden hi- on ist nur die FPÖ. Wie sehen Sie die ganz besonders gedankt – zahl- BZÖ und Haider war die Nati- liche Personen aus dem BZÖ auch NEOS und bei der Präsi- nein eine starke Basis hat. Das Funktion der FPÖ im Parlament in lose Menschen sich ehrenamtlich onalratswahl 2013 das nächste daran beteiligt gewesen sein. Es dentschaftswahl . ist eben die FPÖ. Da geht man dieser Periode? für unsere freiheitliche Sache en- Duell, bei dem wir uns behaup- 34 soll sogar ein Strategiepapier ent- „Halt, da können wir viel- dann eben doch lieber zu einer Strache: Wir sind wieder zu gagieren. Sei es etwa in der Stei- ten konnten. Natürlich war die 35 wickelt worden sein. Da hat das leicht die FPÖ aufhalten“ – Partei, auf die man sich verlas- einer Mittelpartei aufgestiegen, ermark, in Niederösterreich, in Zielvorgabe eine etwas andere. Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

Nach Prammers Tod wurde am 2. September 2014 , • Nach einem antisemitischen Facebook-Posting wurde Susanne ebenfalls von der SPÖ, mit 78 Prozent zur neuen Ersten Nationalrats- Winter aus der FPÖ und damit auch aus dem FPÖ-Parlamentsklub aus- präsidentin gewählt. geschlossen. Seitdem ist sie „wilde“ Abgeordnete. Der Nationalrat Ob der zahlreichen Parteien, die nunmehr im Nationalrat vertreten • Infolge einer Aussage, die Angela Merkel und ihre Flüchtlings- bei seiner Ange- waren, gab es auch umso mehr Veränderungen der Klubzugehörigkeit politik auf einer stark persönlichen Ebene angriff und die zu auch par- lobung 2013: Das im Laufe der bisherigen Legislaturperiode (Stand: Herbst 2016). Abge- teiinterner Kritik führte, trat Marcus Franz am 1. März 2016 aus dem Team Stronach sehen von den nachfolgenden Ausnahmen schlossen sich die im Rah- ÖVP-Klub, zu dem er erst etwas mehr als ein halbes Jahr zuvor gewech- ist seit damals de men einer Wahlpartei gewählten Abgeordneten jeweils zu einem ent- selt war, aus und wurde parteiloser Abgeordneter. facto zerbröselt sprechenden Klub zusammen. • Monika Lindner, welche für das Team Stronach kandidiert hat- te, trat nicht dem Klub bei und war für wenige Tage als „wilde“ Abge- ordnete tätig, bevor sie aus dem Nationalrat ausschied. Im Juni 2015 wurde der Wechsel der beiden Abgeordneten des Team Stronach, Ge- org Vetter und Marcus Franz, in den Parlamentsklub der ÖVP bekannt- gegeben. Am 1. August 2015 wurde verlautbart, dass Kathrin Nachbaur

und Rouven Ertlschweiger vom Team Stronach in den Parlamentsklub

der ÖVP wechseln, jedoch blieben beide parteiunabhängig. „ • Jessi Lintl, ebenfalls vom Team Stronach, trat am 11. August 2015 aus dem Parlamentsklub des Team Mit SPÖ-Klubob- Stronach aus, ohne einem anderen Klub beizutreten, und wurde damit „wilde“ Abgeordnete. Nach vier Monaten trat mann Cap hatte ich sie am 23. Dezember 2015 als Abgeordnete dem FPÖ-Par- lamentsklub bei. immer eine ehrliche • Am 17. Juni 2015 wurden die beiden Abge- und vertrauenswür- ordneten Gerhard Schmid und Rupert Doppler aus dem FPÖ-Nationalratsklub ausgeschlossen, weil sie sich der dige Gesprächsba- Freien Partei Salzburg von Karl Schnell angeschlossen und sis. Wenn wir etwas damit von der FPÖ-Bundespartei abgewandt hatten. vereinbarten, hielt das. Traurig nur, kt weiter fortsetzen konn- desparteiobmann. Auf der anderen dass dies festzuhal- ten. Man hat auch gese- Seite erlebte man bei ÖVP und SPÖ hen, wie unglaubwürdig sage und schreibe 17 Ministerwechsel ten, Cap wohl eher die handelnden Personen inklusive Kanzlerwechsel, verschiedene schadet. in der Regierung sind. Klubobleute in den anderen Klubs, etc. Werner Faymann zum Ist diese Konstanz in der Freiheitlichen „ Beispiel: Da oder dort hat Partei auch ein Erfolgsbringer? er auf der Seite Volksab- Strache: Ich bin davon Aber so gesehen sind das dann stimmungen versprochen und überzeugt, dass es auch die Kon- die Siege, die doppelt zählen. das wieder nicht umgesetzt. Aus tinuität ist, die diesen Erfolg Man hat auch In Folge gemerkt, lauter Angst vor der FPÖ wer- bringt. Bundesparteiobmann wie sehr die Dynamik in unsere den immer wieder auch da oder bin ich seit elf Jahren und Klu- wie wir Freiheitliche sie haben, lebt. Das ist uns glaubwürdig Neu-Dekoration des Schaufen- Richtung gelaufen ist. Man denke dort unsere Themen und Forde- bobmann seit zehn Jahren. Ich nicht gegeben ist. Aber trotz gelungen und ich bin überzeugt, sters, bei der dann mit den glei- nur an die Landtagswahlen im rungen übernommen, aber wenn habe – wenn ich es richtig im der personellen Veränderungen dass diese Erneuerung spürbar chen Inhalten weitergemacht Jahr 2015. Die Glaubwürdigkeit es dann drauf ankommt, ist die Kopf habe – in meiner Amtszeit ändert sich bei SPÖ und ÖVP und sichtbar ist und dass die wird. ist bei uns zuhause, und nicht Regierung nicht, diese Themen vier ÖVP-Obleute erlebt, erlebe nichts. Denn wenn immer nur Menschen das auch angenom- Wir Freiheitliche haben uns beim Team Stronach oder die- umzusetzen. jetzt den dritten SPÖ-Obmann, neue Köpfe ohne neue Inhalte men haben. wirklich erneuert und das macht sen anderen Gruppierungen. So ebenso gab es bei den Grünen kommen, dann erneuert man Bei unseren politischen auch den Unterschied aus zwi- gesehen war das ein wichtiger Vielleicht auch ein entscheidender entsprechende Veränderungen. sich nicht in Wahrheit nicht. Wir Gegnern aber werden nur per- schen uns und den politischen Effekt, wir konnten uns behaup- Punkt: Sie sind seit nunmehr zehn Das allein zeigt schon, dass bei haben uns damals, im Jahr 2005, manent Personalrochaden ohne Mitbewerbern. Dazu kommt, 36 ten und haben unseren Weg im Jahren Klubobmann, damit ein kon- den anderen Parteien die Ge- erneuert und unsere Inhalte und Wertewandel durchgeführt, in dass ich relativ jung bin. Ich bin 37 Parlament als Opposition gestär- stanter Faktor, seit elf Jahren Bun- schlossenheit, die Kontinuität, traditionellen Werte wiederbe- Wahrheit ist das also nur eine zwar aktuell der längst dienende Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

Unter dem Linkschaoten Nach den Verlusten der Motho „Stra- de auf Wunsch von Parteigründer und Anarchos SPÖ-ÖVP-Regierung bei che vertreiben, Frank Stronach zunächst Kathrin gegen die FPÖ der Nationalratswahl tausch- Flüchtlinge blei- Nachbaur zur Klubchefin gekürt, ten beide Koalitionspartner ben!“ Demons- diese bestellte jedoch in der Folge ihre Klubführung aus. Nach trieren linke die ehemalige FPÖ-Mandatarin zwölf Jahren musste Josef Gutmenschen Waltraud Dietrich „zumindest für Cap als SPÖ-Klubobmann gegen die FPÖ eine gewisse Zeit“ zur geschäfts- auf Wunsch von Parteichef führenden Klub­obfrau. Werner Faymann zurücktre- ten, woraufhin der bisherige Nachdem Dietrich am 6. Fe- Finanzstaatssekretär Andreas bruar gewählte Klubobfrau des Schieder von 87,8 Prozent der Team Stronach geworden war, SPÖ-Abgeordneten zum neu- wurde sie ihrerseits am 3. Au- en Klubobmann gewählt wur- gust 2015 von Robert Lugar, der de. Cap übernahm in der Folge bereits in der vorangegangenen die Funktion des Vize-Klub­ Legislaturperiode Klubobmann obmanns. Auch in der ÖVP des Team Stronach gewesen war, wurde der bisherige Klubob- in dieser Funktion abgelöst. Den mann abgelöst, jedoch wur- erstmals im Parlament vertretenen de Karlheinz Kopf für das Amt des Zweiten Nationalratspräsidenten NEOS stand Parteichef Matthias Strolz auch als Klubobmann vor. nominiert. Als neuer Klubobmann folgte ihm zunächst Parteiobmann Michael Spindelegger nach, der mit 93,2 Prozent zum interimistischen Klubchef gewählt wurde. Nach der Regierungsbildung folgte diesem wiederum Reinhold Lopatka als ­Klubobmann der ÖVP nach. Blau gegen den Rest Im Gegensatz zu den bisherigen Regierungsparteien wurden die Chaos pur also bei Team Stronach, Personalrochaden ohne Ende ­Klubobleute der FPÖ und der Grünen im Amt bestätigt. Dabei ist bei SPÖ und ÖVP. Konstant blieb somit nur die FPÖ, die damit auch der seit 2006 amtierende FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache weiter ihrem Erfolgskurs treu blieb. In dieser Periode war von Anfang der nun längstdienende Klubobmann im Nationalrat. Eva Glawisch- an klar, dass es die Freiheitlichen sind, die den Ton angeben, zum einen, nig-Piesczek, Klubobfrau der Grünen, hat die Funktion seit 2008 inne. weil sie eben nach der Fortsetzung der rot-schwarzen Koalition unter SPÖ-Kanzler Werner Faymann die stärkste Gruppierung neben den Re- Beim Team Stronach war der bisherige Klubobmann Robert Lugar gierungsparteien waren, zum anderen, weil die Grünen sich schon seit bereits im Vorfeld für eine Wiederwahl ausgeschieden. In der Folge wur- 2008, als SPÖ und ÖVP die Zwei-Drittel-Mehrheit verloren hätten, ja als

Parteichef in Österreich, aber erreicht haben wollen, in Wahr- litische Kraft in diesem Land auf Länderebene – in Oberö- on haben wir halt einen guten formen in Österreich besteht. immer noch einer der jüngsten. heit über zwanzig, vielleicht so- werden müssen, sonst werden sterreich, im –auf- Job gemacht. Es war aber auch Und ich bin davon überzeugt, So gesehen habe ich noch viel gar dreißig Jahre denken muss. wir dieses rot-schwarze Pro- zubrechen. Als wir 2005 mit der wichtig, im Burgenland und in dass sich die Menschen des- vor mir – wenn mir die Men- porzsystem, das je nach Bedarf Erneuerung der FPÖ gestartet Oberösterreich zu zeigen: Wir sen auch bewusst sind. Wenn schen das zutrauen und uns Es ist kein Geheimnis, dass die einen willigen grünen Mehr- sind, hat man erlebt, dass wir, haben Regierungsverantwor- man heute in manchen Zirkeln Freiheitliche bei den kommen- parlamentarische Demokratie, die wir heitsbeschaffer hat, nicht auf- nachdem wir in Kärnten raus- tung, sowohl mit den Sozialde- lauscht, dann sagen viele: Ei- den Wahlen entsprechend stär- zwar am Papier in Österreich haben, brechen. Und nur, wenn wir gefallen sind, in keiner Landes- mokraten, als auch mit der ÖVP, gentlich müsstet Ihr so stark ken. die de facto nicht real existent ist bezie- die stärkste bestimmende Kraft regierung mehr waren und dass und nicht nur, dass die Welt werden, dass keiner an Euch hungsweise immer mehr eingeschränkt sind bzw. eine Stärke haben, mit man überall gehört hat, wir nicht untergeht, nein, es funk- vorbei kommt, dann müsstet Ist es nicht so, dass eben auch eine wird, durch verschiedene Kompetenz- der wir eine Verfassungssperr- seien ja nirgends in Regierungs- tioniert sogar besser als vorher. Ihr eigentlich eine Periode mit fundamentale Reformpolitik auch ei- abgaben in Richtung Brüssel, in Rich- minorität im Parlament haben, verantwortung, eine Stimme für Da gibt es Reformen, die grei- der SPÖ regieren und die Hin- nen langen harten Weg bedeutet, dass tung EU einerseits, auf der anderen haben wir bundespolitisch im die Freiheitlichen sei daher eine fen, und das zeigt, dass hier mit dernisse der ÖVP abbauen, und man das nicht in zwei Jahren machen Seite sehr stark durch die Regierungs- Parlamentarismus die Möglich- wertlose Stimme sei, weil wir uns im Land etwas weiter geht. in der nächsten Periode mit der kann? büros und die Ministerien geprägt keit, die Ausgrenzung zu been- angeblich ohnehin nichts än- So gesehen ist das ein ganz ÖVP. Dann hätte man die Er- Strache: Ja, das auf jeden ist. Wie kann man in die Zukunft den. Dann werden die anderen dern könnten. wichtiger Prozess auf unter- neuerung der Republik Öster- Fall. Also unser Projekt, das gedacht mit einer starken freiheit- Fraktionen mit der Ausgren- Natürlich ist das völliger schiedlichen Ebenen, der aber reich, die so dringend notwen- wir in Wahrheit 2005 begon- lichen Kraft dafür Sorge tragen, dass zung in unsere Richtung nicht Unsinn, denn gerade in der auch sichtbar macht: Bei den dig wäre, vermutlich erfolgreich nen haben, ist eines, bei dem der Parlamentarismus wieder stärker mehr durchkommt und unsere Demokratie ist es besonders nächsten Wahlen zum National- umgesetzt. man vom Beginn bis zu einer wird, aber dass auch des Volkes Wil- politischen Gegnern, werden wichtig, eine starke Opposition rat braucht es diese starke frei- realpolitischen Umsetzung, wo len mehr Gehör findet? sich unseren Forderungen da zu haben. Beides, Regierungs- heitliche Partei, nach Möglich- Die FPÖ bzw. das „Dritte La- man dann auch nachhaltig spü- Strache: Das ist unser oder dort öffnen müssen. verantwortung und Oppositi- keit als stärkste politische Kraft, ger“ hat ja eine besondere historische 38 ren soll, was wir später einmal in Hauptziel. Wir stellen den An- Deshalb war es ja auch stra- onsarbeit, ist gleich wichtig und damit überhaupt eine Chance Tradition und stand nicht nur an der 39 einer Regierungsverantwortung spruch, dass wir stärkste po- tegisch so wichtig, das System notwendig, und als Oppositi- auf Erneuerung und auf Re- Wiege des Parlamentarismus, sondern Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

fast dauerhafter Steigbügelhalter für ebendiese Parteien erwiesen hatten und daran auch in der neuen Gesetzgebungsperiode nichts änderten. Im Gegenteil: Die rot-schwarz-grüne Allianz – manchmal noch mit Zutun der NEOS – verfestigte sich zusehends, was dem Umstand geschuldet war, dass wohl weder die SPÖ noch die ÖVP darauf hoffen konnten, nach dem nächsten Wahlgang für den Nationalrat noch gemeinsam eine Mehrheit zustande zu bringen, und gemeinsam mit Grünen und NEOS vorbauten, um im Fall der Fälle gegen die FPÖ regieren zu können.

Der Hypo-Skandal – warum es auch etwas Gutes dabei gibt

In der laufenden Gesetzgebungsperiode gab es bis dato zwar nur ei- nen einzigen Untersuchungsausschuss, dieser aber hatte es – vor allem in seiner Vorgeschichte – in sich. Der so genannte „Hypo-Untersuchungs- ausschuss“, der im Februar 2015 eingesetzt wurde, hatte zur Aufgabe, das wohl größte Milliarden-Grab der Republik und die entsprechende politische Verantwortung zu klären. Ob des Umstandes, dass man sei- tens SPÖ, ÖVP und auch der Grünen im Hypo-Skandal die Chance wit- terte, eigene Verantwortung abzuschieben und die Freiheitlichen samt ließen und sich auch nicht mit dem „Griss-Bericht“ abspeisen ließen – Der Hypo-Untersu- Kärnten für hauptverantwortlich zu erklären, indem man einfach die so der im Übrigen ebenfalls Rot und Schwarz ein „Systemversagen“ nach- chungsausschuss: genannte „Verstaatlichung ohne Not“ aus dem Jahr 2009 ausklammerte, wies. Christian Hafene- war es offensichtlich im Interesse der beiden Regierungsparteien SPÖ cker, Axel Kasseg- und ÖVP, nach Beginn der neuen, XXV. Gesetzgebungsperiode einen Die Folge von zig abgelehnten Anträgen auf Einsetzung eines Hy- ger, Roland Dietrich, entsprechenden Untersuchungsausschuss mit allen Mitteln zu blockie- po-Untersuchungsausschusses war dann im Sommer 2014 die Einigung Erwin Angerer und ren. auf ein Minderheitenrecht zur Einsetzung eines Untersuchungsaus- Walter Rauch

schusses. Dies geschah auf Druck der medialen Öffentlichkeit, aber vor

Allerdings hatten die beiden Koalitionspartner nicht allem von zigtausenden Unterschriften von Bürgern, die einen solchen „ mit der Hartnäckigkeit der Freiheitlichen, aber auch der an- Untersuchungsausschuss einforderten. Auch an der Aushandlung und sonsten wohlgesinnten Medien gerechnet, die nicht locker letztlich Einführung waren die Freiheitlichen maßgeblich beteiligt, na- Der von uns gefor-

derte Ausbau der repräsentiert ja die repräsenta- gang zur direkten Demokratie, Entscheidungen treffen, die rein Detail ihren inhaltlichen Stand- das Herz oder der Motor der gesamten tive Demokratie. Wie lösen die also je weniger Unterschriften gar nichts mit dem Willen des punkt darlegen und die Bürger Gesinnungsgemeinschaft? direkten Demokra- Freiheitlichen diesen Gegensatz man bei einer Initiative für eine Volkes zu tun haben. sich entsprechend informieren Strache: Absolut. Der Par- auf, zumal Ihnen ja viele vor- verbindliche Volksabstimmung Nur mit der direkten Demo- können. Damit würde letztlich lamentsklub ist sicherlich das tie steht in keinem werfen, mit dieser direkten De- benötigt, die Kantone desto bes- kratie würde man dem entgegen nicht nur die Politikverdrossen- Herz unserer bundespolitischen Widerspruch zum mokratie würde man die parla- ser und umso sparsamer auch mit wirken können. Denn dann wür- heit abgebaut, sondern auch die Arbeit, weil dort sichtbar wird, mentarische Demokratie infrage öffentlichen Steuergeldern um- den sich Parteisekretariate gar Arroganz der Macht der Parteien wie aus unseren Inhalten, die im Parlamentarismus stellen? gehen. So gesehen ist die direkte nicht mehr trauen so zu agieren zurückgedrängt. Dennoch ist die Parteiprogramm und im freiheit- Strache: Nein, im Demokratie eine ganz wichtige, und würden sie es trotzdem tun, direkte Demokratie eine Ergän- lichen Handbuch festgelegt sind, – im Gegenteil, er Gegenteil. Wir stehen notwendige und die einzige könnte das Volk als Regulativ zung und macht das Parlament bundespolitisch etwas Reales natürlich zur repräsenta- Möglichkeit sozusagen unserer eingreifen. In der Schweiz tritt nicht obsolet, sondern im Ge- und Konkretes entsteht. Dort würde diesen sogar tiven parlamentarischen Verfassung auch zu entsprechen, nur bei 0,2–0,3 Prozent der Ge- genteil: Sie stärkt die Volksver- im Parlament zeigen wir, mit Demokratie, sie wird von wo ja klar und deutlich verankert setze, die im Parlament beschlos- treter in ihrer Arbeit. welchen Initiativen, mit welchen ­stärken.“ uns nicht in Frage gestellt. ist, dass das Recht vom Volk aus sen werden, der Fall auf, dass Vorstößen und Ideen wir versu- Aber sie braucht eine de- geht. Wir haben heute eine un- eine Volksabstimmung darüber Noch eine letzte Frage zur Rolle chen, nachhaltig etwas zum Bes- „ mokratische Vertiefung, glaublich große Politikverdros- erzwungen wird. Dann gibt es des Parlamentsklubs, der ja nicht nur seren zu verändern und durch- eine demokratische Ergän- senheit im Lande. Viele Bürger halt einmal im Jahr zu zwei oder eine formelle Institution ist, sondern zusetzen. Der Parlamentsklub ist war wirklich dessen Spitzenvertreter zung und eine Kontrolle durch sagen zu Recht, dass sie nur alle drei Materien an einem Tag eine mit über vierzig Abgeordneten, zahl- das Herz dieser Weiterentwick- und Hüter ebendieses in der Ersten direkte Demokratie. Am Beispiel fünf Jahre ein „Kreuzerl“ ma- Abstimmung und zuvor auch – reichen wissenschaftlichen Mitarbei- lung, auch was die Experten und Republik. Im vermeintlichen Gegen- der Schweiz sehen wir ja – über chen dürfen, man sie dann ver- so wie in der Schweiz, die unser tern und Referenten auch wesentliche Expertisen betrifft, die der Par- satz plädieren die Freiheitlichen jetzt in 100 Jahre evaluiert –, dass das ex- gisst, und die Parteisekretariate Vorbild sein sollte –ein Infor- inhaltliche Arbeit leistet und das po- lamentsklub da oder dort sicher- 40 den letzten Jahren für die Stärkung der zellent funktioniert. Mehr noch, hinter verschlossenen Türen ir- mationsheft an alle Wahlberech- litische Alltagsgeschäft umsetzt: Ist stellt, und mit den exzellenten 41 direkten Demokratie – das Parlament wir sehen, dass je leichter der Zu- gendwelche Dinge machen und tigten, in dem alle Parteien im dieser Parlamentsklub so etwas wie Referenten, die dort tätig sind. ◆ Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

erst“-Volksbegehren der FPÖ aus dem Jah- re 1993 ist klar, dass die FPÖ leider die einzig nennenswerte politische Kraft im Land ist, die versucht, einerseits die seit Jahrzehnten laufen- de Massenzuwanderung zu stoppen, andererseits deren negative Folgen zu bekämpfen – sei es im Bereich der inneren Sicherheit, des Bildungswe- sens oder des Sozial- und Gesundheitswesens. Was sich aber im Jahr 2015 an den Gren- zen Europas und dann in weiterer Folge an den Grenzen Österreichs abspielte, sprengte wohl jede Vorstellungskraft und gibt der laufenden Gesetzgebungsperiode des Nationalrates eine weitere traurige historische Dimension. Nach der Einladung der deutschen Bundeskanzlerin an alle Welt, nach Europa zu kommen, stürm- ten Millionen angeblicher und ein – geringerer – Teil tatsächlicher Kriegsflüchtlinge als Illegale ungehindert unsere Grenzen. Einzig der öster- reichische Nachbarstaat Ungarn verhielt sich regelkonform und machte – unter großer Kritik – seine Grenzen dicht. Nicht so in Österreich, wo der mittlerweile geschiedene SPÖ-Bundes- kanzler Werner Faymann in blinder Gefolgschaft zu seiner deutschen Amtskollegin gegen jedes Recht die Grenzen öffnete.

Die Folgen dieser – immer noch laufenden – Massenzuwanderung wird nicht nur Österreich noch auf Jahrzehnte be- „ schäftigen – und leider auch verändern. Die einzige poli- tische Kraft aber, die nicht nur im Vorfeld vor solchen Die einzige politische Zuständen gewarnt hat, sondern auch derzeit mit al- Kraft, die mit allen Mit- Die Flüchtlings- mentlich erwähnt sei hier Mag. Gernot Darmann, der gemeinsam mit len Mitteln versucht, diese Massenzuwanderung krise von 2015 dem freiheitlichen Klubdirektor Mag. Norbert Nemeth die Maßstäbe zu stoppen und deren Folgen entsprechend zu teln versucht, diese Mas- war für Österreich für ein solchen Minderheitenrecht zur Ausübung parlamentarischer bekämpfen, ist eben die FPÖ. eine Katastrophe Kontrolle setzte. senzuwanderung zu stop- So ist es nicht verwunderlich, dass man sei- Im Ausschuss selbst waren es als Fraktionsführer zunächst Elmar tens der Freiheitlichen mit zahlreichen Dring- pen, ist eben die FPÖ. Podgorschek, nach seinem Ausscheiden aus dem Nationalrat Mag. Ger- lichen Anfragen und Anträgen, mit konsequenter not Darmann und zuletzt Erwin Angerer, die für die FPÖ wesentlich Arbeit im Hohen Haus versucht, die Regierung „ zur Aufklärung der politischen Verantwortung rund um die Hypo bei- unter Druck zu setzen. Zumindest in kleinen Be- trugen und einmal mehr klar machen konnten, dass diese letztlich vor reichen mit Erfolg, wenngleich die Regierenden (noch) nur mit Place- allem bei SPÖ und ÖVP liegt. bos und Worten reagieren und viel zu wenig mit Taten glänzen.

Das Asylchaos – ein ­Rechtsbruch Historische freiheitliche Erfolge bleibt (noch) ungesühnt dank konsequenter­ Arbeit

Schon seit Jahr und Tag weisen die Freiheitlichen – nicht nur Die Jahre 2015 und 2016 haben aber nicht nur eine negative hi- im Parlament – auf die großen Probleme im Zusammenhang mit storische Konnotation dank der Zuwanderung, sondern in Sachen 42 der Massenzuwanderung hin. Spätestens seit dem „Österreich zu- Wahlen aus freiheitlicher Sicht auch eine positive Seite. Nicht nur 43 Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

– wie es blinde oder einsei- Trotz aller Konstanz – tige Schönschreiber meinen –­ aufgrund der besagten Zuwan- ein Kommen und Gehen derungswelle, sondern vor allem ob der konsequenten Arbeit der Zehn Jahre freiheitlicher Parlamentarismus bedeuten einerseits FPÖ auf allen Ebenen, im be- Konstanz in Sachen Arbeit und Inhalt, andererseits auch Konstanz hin- sonderen im Parlament einerseits sichtlich der Persönlichkeiten, die eben diese Arbeit leisten – man denke und dem andauernden Totalver- an Bundesparteiobmann Heinz-Chris­tian Strache, der nunmehr schon sagen des rot-schwarzen Proporz ein Jahrzehnt als Klubobmann ein Garant für ebendiese Konstanz ist. andererseits, konnte die FPÖ Dabei gibt es aber auch ein natürliches Kommen und Gehen, meistens und Heinz-Christian Strache im im Guten, manchmal im Bösen. Dies gehört zu einer Demokratie dazu Jahr 2015 bei allen geschlagenen und hat beim Freiheitlichen Parlamentsklub in den letzten zehn Jahren Der Klub 2008– Wahlgängen in den Bundeslän- aber meistens einen positiven Grund. 2013: Abgänge dern Burgenland, der Steiermark, von Mandataren Oberösterreich und Wien jeweils War man im Jahr 2006 dabei, die FPÖ wieder zu stabilisieren, war erfolgten meist die historischen Höchststände in seit damals auch der Freiheitliche Parlamentsklub so etwas wie das im Guten und zu der Wählergunst erzielen. Herzstück der FPÖ. So fanden sich in diesen Jahren auch zahlreiche höheren Weihen freiheitliche Landesparteiobleute im Hohen Damit aber nicht genug: Bei Haus – solche, die dies damals bereits waren, der Wahl zum Bundespräsidenten aber auch solche, die es in weiterer Folge wer- konnte der freiheitlichen Drit- den sollten. te Präsident des Nationalrates, Ing. Norber Hofer, im ersten Nicht nur Klubobmann Heinz-Christian Wahlgang stolze 37 Prozent der Strache, seines Zeichens eben Bundespartei- Wähler auf sich vereinen, in der obmann, ist auch Landesparteiobmann der darauffolgenden Stichwahl ist er Wiener FPÖ. Da war etwa der oberösterrei- nur knapp seinem grünen Kon- chische Landesparteiobmann Lutz Weinzinger, trahenten, der von allen anderen der maßgeblich zur Rettung der FPÖ beitrug. politischen und medialen Kräften Ebenso sein Tiroler Kollege Gerald Hauser des Landes in Stellung gebracht war lange Zeit Obmann der FPÖ Tirol. Dazu wurde, unterlegen. Diese Stich- kamen Gerhard Kurzmann, seines Zeichens wahl wurde bekanntermaßen we- steirischer FPÖ-Landesobmann, und Barbara gen zahlreicher Gesetzesverstöße Rosenkranz, die der FPÖ Niederösterreich vor- durch den VfGH aufgehoben. stand. Ihre beiden Nachfolger waren und sind Dass bei Redaktionsschluss dieses ebenfalls Angehörige des Freiheitlichen Parla- Buches noch kein Ergebnis vor- mentsklubs: einmal in Niederösterreich Walter liegt, ist dem offensichtlichen Dil- Rosenkranz, der immer noch im Nationalrat letantismus der österreichischen wirkt, sowie Mario Kunasek, der nunmehr H.-C. Strache Bundesregierung geschuldet, die die Wahlwiederholung verschieben steirischer FPÖ-Obmann ist und vor seinem führt die FPÖ als musste. Wechsel in den steirischen Landtag ebenfalls „staatstragende im Hohen Haus wirkte. Oppositionspartei“ Nicht zu vergessen natürlich Manfred Ein Ausblick Haimbuchner, der ober­österreichische Nach- folger von Lutz Weinzinger, mittlerweile Lan- Im letzten Jahrzehnt war die FPÖ zweifelsohne die staatstragende deshauptmann-Stellverter in , und Gernot Oppositionskraft im Lande, die nicht – wie es ihre Gegner unterstellen – Darmann, der 2016 aus dem Nationalrat in die polternden Populismus betreibt, sondern mit ihrem Handeln und Tun Kärntner Landesregierung wechselte und die zunehmend in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist und auch Obmannschaft der Kärntner Freiheitlichen schon aus der Opposition heraus die Politik der Regierung durch ent- übernahm. Und ebenfalls 2016 wurde Rein- sprechenden Druck mitbestimmt. Dabei spielen die freiheitlichen Parla- hard Bösch, langjähriger und erfahrener frei- mentarier eine entscheidende Rolle – ihr Freiheitlicher Parlamentsklub heitlicher Parlamentarier, Obmann der Vorar- ist so etwas wie das Herz und der Motor der freiheitlichen Bewegung lberger FPÖ. geworden. Gemeinsam mit den Bundesländer-Organistionen und der Partei als solches sind sie diejenigen, die maßgeblich dafür verantwort- Ebenfalls im Guten ausgeschieden aus der freiheitlichen Natio- lich sein werden, auch in Zukunft freiheitliche Politik für das Land zu nalratsmannschaft sind Elmar Podgorschek, nunmehr Landesrat in gestalten. Damit die FPÖ nicht nur in der Opposition staatstragend Oberösterreich, und Generalsekretär Harald Vilimsky, seit 2014 De- 44 bleibt … legationsleiter der FPÖ im EU-Parlament. 45 Fortsetzung auf Seite 54 ▶

Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016 „ damals versucht, uns mit einer abenteuerlichen In- – das war damals Spindelegger – vorsitzt. Dort wird terpretation des Klubförderungsgesetzes die Klub- genau berechnet, welcher Klub auf wie viele Qua- Es ist eine Sehnsucht der förderung vorzuenthalten. dratmeter Anspruch hat. Ein Prozedere das ein- Konkret mussten wir uns die Tranchen für schließlich der Besiedelung einige Monate dauern Menschen nach solchen November und Dezember 2006 erst vor dem Ver- kann. Das wesentliche Ergebnis dieser Verhand- fassungsgerichtshof erstreiten. Also sind wir ohne lungen war, dass wir die traditionell von der FPÖ Räume, Geld und Personal dagestanden und ha- besiedelten Flächen wieder erlangten. Der Versuch Werten vorhanden, wes- ben begonnen den Klub aufzubauen. Viel wurde des BZÖ dort zu bleiben wurde abgewehrt. improvisiert. Unter dem Strich haben wir diese be- Unmittelbar nach der Konstituierung des Na- halb wir ja auch aus dieser sondere Herausforderung aber sehr gut gelöst. tionalrates war die parlamentarische Arbeit sehr herausfordernd, weil wir damals gleich zwei Unter- schwierigen materiellen Aber die Situation war ja trotzdem von großem Opti- suchungsausschüsse parallel eingesetzt hatten. Das mismus geprägt, weil man ja aus dem Stand mehr als 11 war zum einen der Eurofighter-Untersuchungsaus- Situation heraus diesen % erringen konnte, 21 Abgeordnete, einen Klubobman H.- schuss, an dem Manfred Haimbuchner maßgeblich C. Strache, der Parteiobmann war, und eben auch einen beteiligt war. Daneben tagte der Finanzmarktauf- guten Erfolg einfahren neuen Klubdirektor Norbert Nemeth. Natürlich wurden sicht-Untersuchungsschuss mit Martin Graf als einem alle mögliche Knüppel zwischen die Füße geworfen, es Vorsitzenden. Jeder, der schon einmal in einem konnten. hat das BZÖ mit 4,1 % ja auch ganz knapp den Einzug Untersuchungsausschuss mitgearbeitet hat weiß, geschafft, eine Partei, die also gegründet wurde, um die FPÖ was das für eine Heidenarbeit ist. Es ist keine Sel- zu zerstören, und trotzdem hat man es geschafft und eben tenheit, dass ein Untersuchungsausschuss mehr als „ diesen Klub konstituiert. Wie war jetzt die Stimmung, also eine Million A4-Seiten an Akten zum Analysieren von der Klubführung? nach sich zieht. Wir haben aber auch diese Heraus- Nemeth: Vordergründig war die Stimmung forderung exzellent gemeistert. ausgezeichnet, zumal die historische Hürde, wie- der ins Parlament einzuziehen, genommen wurde. Von außen hat man den Eindruck gehabt, die FPÖ Einen Mandatsgleichstand mit den Grünen hätte ist wirklich am besten Wege. Vor allem als 2008 dann „Die Situation war damals uns vor der Wahl niemand zugetraut. Leider lagen noch der entsprechende Erfolg dazu gekommen ist, hat sich wir um etwas mehr als 400 Stimmen hinter ihnen, das bestätigt. Vielleicht eine Nachfrage zu dieser parlamen- von historischer Relevanz“ weswegen der dritte Präsident und das Mitglied tarischen Tätigkeit und Arbeit, die von außen betrachtet der Volksanwaltschaft für uns verloren waren. Ein wie am Schnürchen funktioniert hat. Wie weit war da Im- Wermutstropfen war auch der Umstand, dass es provisation und dergleichen nötig, um das, was von außen so Klubdirektor Norbert Nemeth über die Wiedergründung des das BZÖ ganz knapp ins Hohe Haus geschafft gut gewirkt hat, hinzubekommen? hatte. Nemeth: Eine ganze Menge, zumal bis auf ­Freiheitlichen Parlamentsklubs im Jahr 2006 und ein Jahrzehnt zwei Mitarbeiter kaum parlamentarische Erfah- Das war also die parlamentarische Geburtsstunde der rung vorhanden war. Ich selbst hatte vom Parla- konstanter Arbeit der freiheitlichen Parlamentarier FPÖ unter H.-C. Strache, nach der Abspaltung im April ment eigentlich keine Ahnung und musste mich in 2005, dem ersten Wiener Wahlerfolg, der psychologisch sehr der einen oder anderen schwierigen Situation auf wichtig war – eben dieser Oktober 2006 … meinen juristischen Hausverstand und auf meine Nemeth: Stimmt. Für mich war immer klar Intuition verlassen. Es dauert ein Parlamentsjahr gewesen, dass die Sehnsucht nach einer rechts der bis man den Betrieb samt seinen unzähligen Hin- err Klubdirektor, am 4. April 2005 hat sich das ausgebootet.Mit der Wahl 2006 sind wir wieder ins Mitte positionierten Partei, die bewusst abendlän- tergrundschleifen einigermaßen begreift. HBZÖ abgespaltet, damals die große Mehrheit des bis Parlament eingezogen und haben damit sicherge- dische Werte vertritt, groß ist. Entscheidend für dahin Freiheitlichen Parlamentsklubs mitgenommen, übrig stellt, dass dieser Mordanschlag vereitelt wurde. unseren Erfolg war, dass wir einen klaren Kurs ge- Noch während der Phase des Neuaufbaus des Klubs geblieben ist noch eine bzw. sind dann zwei Abgeordnete, Diese Wahl war für den weiteren Fortbestand der fahren sind und endlich wieder wählbar wurden. kam dann Ende 2006 Anfang 2007 die sogenannte „Fo- kein Klub also. Das hat sich erst im Herbst des Jahres FPÖ daher von ganz zentraler Bedeutung. Es ist eine Sehnsucht der Menschen nach solchen to-Affäre“, die im Grunde genommen ein versuchter Macht- 2006 geändert, als es zu Neuwahlen kam und die FPÖ Die Arbeitsumstände waren anfangs allerdings Werten vorhanden, weshalb wir ja auch aus dieser kampf von Ewald Stadler gegen den Parteiobmann war. wieder mit einer stattlichen Anzahl von Abgeordneten ins sehr schlecht. Ich kann mich gut erinnern, dass ich schwierigen materiellen Situation heraus diesen gu- Was waren die Auswirkungen bzw. wie hat man das in Parlament einzog und einen neuen Parlamentsklug gestalte- damals leitender Beamter der Volksanwaltschaft ten Erfolg einfahren konnten. der parlamentarischen Arbeit gemerkt und was waren die te. Wie war die Situation damals? war und mich in die Parlamentsdirektion versetzen Lehren, die man dann daraus gezogen hat? Norbert Nemeth: Die Situation war damals ließ. Ich bin von der Volksanwaltschaft los spa- Wie waren die ersten Schritte im Parlament? Sie haben Nemeth: Der medial transportierte Grund für von historischer Relevanz – in mehrfacher Hin- ziert, habe mir auf eigene Kosten eine Geschäfts- schon geschildert, wie man die Mittel beim VfGHerkämpft diese sogenannte Foto-Affäre war ja der Streit um sicht. Die Gründung des BZÖ war ja realpolitisch ordnung gekauft, bin zum Parlamentsdirektor hat. Wie war es dann mit den Klubräumlichkeiten? Wie die Akademie-Förderung. Seit Stadler Präsident der nichts anderes als ein Mordanschlag wider die FPÖ. gegangen und habe mich vorgestellt. In weiterer hat die neue Positionierung der FPÖ-Parlamentsmann- Akademie war, kam es dort zu Streitigkeiten, dem- Maßgeblich initiiert auch vom damaligen Koaliti- Folge haben wir dann zwei Ausschusslokale zuge- schaft ausgesehen? zufolge dann die Partei festgehalten hat, dass man onspartner ÖVP unter Schüssel, um die aus seiner wiesen bekommen, zumal die traditionell der FPÖ Nemeth: Die Klubräumlichkeiten bekamen jetzt ein anderes Institut unterstützt. Infolgedessen Sicht lästigen Kräfte ein für allemal parteipolitisch zugewiesenen Räumlichkeiten alle vom BZÖ in wir dann Schritt für Schritt – das ist ein eigenes soll es zu diesem politischen Erpressungsmanöver wegzubekommen. Das BZÖ war demnach – ohne Beschlag genommen waren und auch der damalige Prozedere im Hohen Haus. gekommen sein, das mittlerweile auch strafgericht- 46 je zu einer Wahl angetreten zu sein – mit Klub- Nationalratspräsident Khol alles gemacht hat, um Nach jeder Wahl konstituiert sich das soge- lich abgearbeitet ist – Ewald Stadler und Robert 47 stärke im Nationalrat vertreten, und wir de facto uns das Leben schwer zu machen. Man hat auch nannte „Raumkomitee“, dem der zweite Präsident Stelzl sind rechtskräftig wegen Nötigung verurteilt. Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

Ein weiterer Grund, der allerdings medial lung haben alle Klubs gelitten, weswegen man das Einsetzung ein Minderheitenrecht. 46 Abgeord- sehen und für durchaus plausibel erachtet. Letzt- nie so richtig ausgeleuchtet worden ist, war, dass Gesetz auch geändert hat. nete sind dafür erforderlich. Schwärzungen sind endlich hat man sich dafür ausgesprochen. Die die Fotoaffäre in die Zeit der Regierungsbildung nicht mehr erlaubt – dafür gibt es eine sehr strenge Verlängerung der Legislaturperiode ist erstaunli- gefallen war. Da gab es eine Gruppe um Ewald Die Bereinigung der „Foto-Affäre“ und des Problem Informationsordnung. Der Hypo-Untersuchungs- cherweise von allen Klubs sang- und klanglos ak- Stadler die eine Regierungsbeteiligung mit der Stadler, war das die Basis dafür, dass man dann richtig ausschuss ist vor wenigen Wochen zu Ende gegan- zeptiert worden. ÖVP und dem BZÖ wollte. Auf der anderen Stärke entwickeln konnte? gen. Er war der erste nach dem neuen Modell und Seite war die Parteiführung für eine Konsolidie- Nemeth: Das war sicherlich ein reinigendes ich bin überzeugt davon, dass sich die neue Verfah- Nach der Wahl im Herbst 2008 konnte die FPÖ ih- rung der Partei in der Opposition. Strache war Gewitter. Die Atmosphäre war schlagartig gut und rensordnung im Wesentlichen bewährt hat. ren Klub auf 34 Mandate vergrößern. Wie war das Klima den selbsternannten Ministeraspiranten daher im die politische Arbeit war deutlich verbessert. Ein in dem neuen, großen Klub?

Vorteil für uns war sicherlich, dass die Gesetzge- Haben die Freiheitlichen zu diesem neuen Prozedere Nemeth: Grundsätzlich sehr gut. Und bedeu-

bungsperiode nur von kurzer Dauer war. wesentlich beigetragen? tend besser als 2006. Erstens gab’s keine Foto-Af- „ Nemeth: Ja, absolut! Gernot Darmann und ich färe und zweitens war der Klub 2006 – aufgrund Stichwort „kurze Periode“: Am Ende der Gesetz- haben die neue Verfahrensordnung über ein Jahr der sehr turbulenten Vorgeschichte dieser Wahl – gebungsperiode meinte Wilhelm Molterer, „Es reicht!“, lang verhandelt. Letztlich konnte ein sehr breiter auch ein personalpolitisches Zufallsprodukt. Bei Werner Faymann schrieb der „Krone“ einen Brief bezüg- parlamentarischer Konsens gefunden werden. der Wahl 2008 hat man dann die Listen im Vor- Dieses „Spiel der freien lich EU-Volksabstimmungen und putschte Gusenbauer feld schon genauer und besser organisieren kön- weg. Was folgte, war ein turbulenter Sommer 2008 mit Im Jahr 2007 wurde dann auch eine tiefgreifende Wahl- nen. Das war ausgewogener und professioneller als Kräfte“ war etwas, das es entsprechendem Wahlkampf und einigen kuriosen Sonder- rechtsreform beschlossen. Konkret die Briefwahl. Wählen noch zwei Jahre zuvor. so in der Zweiten Repu­ sitzungen des Nationalrates im „Spiel der freien Kräfte“. ab 16 und die Verlängerung der Legislaturperiode auf Welche Rolle spielten die Freiheitlichen dabei? fünf Jahre. Wie standen die Freiheitlichen damals dazu? Diese 24. Legislaturperiode ist dann die erste fünfjäh- blik vermutlich noch Nemeth: Dieses„Spiel der freien Kräfte“war Nemeth: Wir haben diese Wahlrechtsreform rige gewesen, die dann ja auch gehalten hat. Wir erlebten die etwas, das es so in der Zweiten Republik vermut- abgelehnt. Maßgeblich war dafür die Briefwahl, – wenn man so will – zweite Neuauflage von rot-schwarz, nicht gegeben hat. lich noch nicht gegeben hat. Es war eine Gesetzge- die das persönliche und geheime Wahlrecht nicht und den Beginn der Ära Faymann. Eine Ära, die ja mitt- bung ohne Regierungsvorlagen – ein Umstand der gewährleistet. Überall wo zwischen Menschen ein lerweile auch abgelaufen ist. Wodurch war diese doch lange dem Parlament seine Grenzen aufgezeigt hat und Über- und Unterordnungsverhältnis besteht, kann Periode parlamentarisch geprägt? „ sicherlich einmal von Politikwissenschaftern und es zu unzulässigen Beeinflussungen kommen. Die Nemeth: Wesentlich war, dass Rot und Historikern durchleuchtet werden wird. Typisch Manipulationsgefahr ist leider evident. Die un- Schwarz gemeinsam keine Zwei-Drittel-Mehrheit für diese Phase war auch, dass die Mehrheiten in glaublichen Ereignisse, die im Zuge der Bundes- im Parlament hatten, das hat die schwarz-roten Wege. Auf die Atmosphäre in der Partei und im jeder Frage wechselten. Seinen Ursprung hatte die- präsidentenwahl hervorgekommen sind, haben Möglichkeiten wesentlich eingeengt. Klub hat sich diese Affäre natürlich nicht gut aus- ses freie Spiel der Kräfte in dem Umstand, dass und recht gegeben. Herausragend in dieser Periode war sicherlich gewirkt. Es war ein Klima des Misstrauens, und Faymann der ÖVP den Koalitionspakt aufgekün- Beim Wählen mit 16 war es divergierend, da der Beschluss des Europäischen Stabilitätsmecha- man ist medial nicht gut weg gekommen. Es war digt hatte und gleich darauf mit der „Krone“ eine waren manche Landesgrup- nismus (ESM). Das war sicherlich ein parlamenta- nach dem schönen Erfolg nach der Nationalrats- Kampagne wider Studiengebühren und für die pen dafür, andere dagegen – rischer Tiefpunkt, zumal alle Usancen von SPÖ, wahl leider doch sehr schnell eine erste Bewäh- „Hacklerregelung“ begonnen hatte. Die Politik hat wir sind jetzt in dieser Wäh- ÖVP und Grünen gebrochen wurden und diese rungsprobe, die aber dann damit geendet hat, sich damals davon sehr stark beeindrucken lassen lergruppe die stärkste Partei, Vorlage überfallsartig, ohne Vorbesprechung auf dass man sich vom Ewald Stadler getrennt hat. – vielleicht wäre es klüger gewesen in der zu Ende Der erstarkte also so gesehen hat es sich der Klubdirektorenebene, ohne Koordination in Die Lösung war ja damals, dass er aus der Partei gehenden Gesetzgebungsperiode gar nichts mehr FPÖ-Klub nach für uns gelohnt. Ich habe der Präsidiale, ohne Vereinbarung über die Rede- ausgetreten ist, im Klub selbst aber Mitglied ge- zu beschließen und den Souverän entscheiden zu der National- aber auch die Argumente zeit und die Tagesordnung, durchgepeitscht wur- blieben ist – eine rein technische Mitgliedschaft. lassen. Auf der anderen Seite muss man anerken- ratswahl 2008 gegen das Wählen mit 16 ge- de. Das Argument für die Grünen war übrigens Am Ende des Tages hat er für das BZÖ kandi- nen, dass der Wahlerfolg die Entscheidung, sich diert, womit sich seine Klubmitgliedschaft von auf das freie Spiel der Kräfte einzulassen, recht- selbst aufgelöst hat. fertigt.

Warum war diese technische Mitgliedschaft im Klub Wie sind die parlamentarischen Untersuchungsaus- notwendig? schüsse in dieser Periode gelaufen? Nemeth: Hätten wir uns nicht geeinigt, hätte es Nemeth: Jeder Untersuchungsausschuss nur einen Sieger gegeben, nämlich die Parlamentsdi- nimmt sämtliche Ressourcen eines Klubs völlig in rektion, die sich eine Menge an Klubförderung ein- Beschlag und das politische Muster läuft immer behalten hätte. Damals gab es noch die sogenann- gleich ab: zunächst gibt es eine sehr starke öffent- ten „Zehnersprünge“ beim Klubförderungsgesetz liche Erregung über das zu untersuchende Thema. – und Stadler war der Einundzwanzigste. Durch die Dann wird der Ausschuss medienwirksam einge- technische Klubmitgliedschaft hat er eine akzeptable setzt. Nachdem die ersten Akten einlangen gibt es Infrastruktur zur Verfügung erhalten. einen Streit über „Schwärzungen“ und die Behin- derung der Opposition durch die Regierung. Her- Im Zusammenhang mit der 21er-Regelung die Frage: nach ebbt die öffentliche Aufmerksamkeit ab – bis Gab es da auch noch eine andere Phase, wo jeder Abgeord- zu dem Zeitpunkt zu dem die Regierungsparteien nete geglaubt hat, er ist der Einundzwanzigste? den Ausschuss „abdrehen“. Aus diesem Grund 48 Nemeth: Es hat da keine politischen Erpres- haben wir in der laufenden Gesetzgebungsperiode 49 sungsmanöver gegeben. Aber unter dieser Rege- die Verfahrensordnung neu erfunden. Jetzt ist die Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

die „beste parlamentarische Kontrolle des ESM Ist das letztlich auch der Grund, wenn man das so diesem Hintergrund ist deren Einsickern in poli- aus Partei und Klub zur Folge hatte, konkret ging es da- in Europa“ – die sie angeblich ausverhandelt hat- beobachtet über die letzten zehn Jahre, dass die Qualität tische Entscheidungsprozesse, bei gleichzeitigem bei um den Abgeordneten Werner Königshofer. Wie ist das ten. Diese Kontrollmöglichkeiten gibt es bis heute – nicht bei der FPÖ, sondern bei SPÖ und ÖVP – der Verlust parlamentarischer Kompetenzen, besorgni- gelaufen? nicht, zumal jener Ausschuss der die sekundär- Parlamentarier gesunken ist? serregend. Spannend ist freilich die Frage wer die- Nemeth: Königshofer ist insofern interessant, marktrelevanten Maßnahmen des ESM kontrollie- Nemeth: Wir Freiheitlichen sind mit der Qua- se NGOs finanziert und wer überhaupt entscheidet weil er der erste war, der über die sogenannten so- ren soll, bis heute nicht konstituiert wurde. lität unserer Abgeordneten sehr gut bedient, weil wer als NGO anerkannt wird und wer nicht. Das zialen Medien gestolpert ist. Diese sozialen Medi- die FPÖ traditionell viele Freiberufler hat – und die entscheiden nämlich nicht die Wähler sondern poli- en – Facebook und wie das alles heißt – haben na- Die europäischen Fragen haben die ganze Periode be- bürgen einfach für Qualität. Das ist etwas anderes, tische Eliten wie zum Beispiel die EU-Kommission. türlich die politische Arbeit grundlegend geändert. stimmt. Daneben war die Koalition in erster Linie mit dem als wenn irgendwelche karrenzierten ÖGB-Sekre- Wenn sich früher ein Abgeordneter artikulieren eigenen Machterhalt beschäftigt. Hat man das im parla- täre oder Beamte im Hohen Haus tätig sind. Das Zurück zur Historie: Nach dem Tod Haiders war das wollte, hat er entweder einen Journalisten finden mentarischen Alltag auch entsprechend gespürt? Niveau ist vor allem bei den Großparteien dra- BZÖ schnell Geschichte und ist – wenn man so will – müssen, der ihn interviewt, was immer nur einem für das politische Establishment als Waffe gegen die erstar- erlauchten Kreis vorbehalten ist, oder er hat eine

kende FPÖ unbrauchbar geworden. Dann tritt ganz plötz- APA-Meldung abgesetzt. Und so eine Apa-Mel-

lich der Herr Stronach auf den Plan, der sich da kräftig dung wird von mindestens einem Mitarbeiter an diesem Resthaufen des BZÖ bedient, um einen eigenen durchgesehen. Im Bereich der sozialen Medien ist Parlamentsklub zu gründen. Was hatte das für parlamen- „ tarischeAuswirkungen? Nemeth: Als klar war, dass das BZÖ seine eigentliche Funktion, nämlich die Spaltung des dritten Lagers, nicht mehr erfüllen konnte, über- Man hat gelernt zu im- nahm Stronach die Aufgabe. Freilich mit völlig untauglichen Mitteln. Der Kardinalsfehler war provisieren, das war eine die Übernahme des Rest-BZÖ und die Gründung des Parlamentsklubs. Eine erfolgreiche politische außerordentliche Heraus- Bewegung kann man nie und nimmer auf einer Leiche aufbauen. Damals war die Rechtslage noch forderung. Aber wir ha- so, dass fünf Abgeordnete jederzeit einen Klub gründen konnten. Mittlerweile haben wir das ge- ben sie gut bewältigt. ändert. Nach der neuen Rechtslage kann ein Klub nur mehr als Ausfluss einer einzigen Wahlpartei „ zu Beginn einer Gesetzgebungsperiode konstitu- iert werden. Das ist eine sehr wesentliche Neue- diese Kontrolle nicht mehr möglich. Königsberger rung, zumal dadurch sichergestellt ist, dass es kei- war der erste, dem das auf den Kopf gefallen ist. ne Klubs ohne vorangegangene Wahl geben kann. Beispielsweise sei auf das Unverständnis verwie- Die Wahl 2013 brachte dann einen spektakulären sen, dass die Gründung des Liberalen Forums her- Erfolg, über zwanzig Prozent. Das BZÖ ist aus der Poli- vorgerufen hatte. tik oder zumindest aus dem Parlament geschieden, man hat die Grünen klar deklassiert, und auch die Neugründungen Nachdem man 2008 den Dritten Präsidenten des Na- Stronach und NEOS haben keine Chance gehabt, die FPÖ tionalrates wieder erobern konnte, war die Stimmung bei der als größte Oppositionspartei des Landes zu verdrängen. Ist Nemeth: Der Kom- matisch gesunken. Das hat sicherlich auch seinen Kurzzeit-Präsidentin Eva Glawischning und ihren grünen dies eine Periode, in der die FPÖ als die staatstragende und Am Bundes­ petenztransfer vom Grund in der Abschaffung der Politiker-Pensionen. Kohorten nicht allzu rosig, was die Wahl von Martin Graf wirklich starke Opposition das Parlament geprägt hat? parteitag 2013: nationalen Parlament Ein Mandat interessiert einfach keinen mehr, der zum freiheitlichen Präsidenten betraf. War das der Grund Nemeth: Das kann man bejahen, und der Die Freiheitlichen hin zum Europäischen einigermaßen im Berufsleben steht und erfolgreich für die darauf folgende Schmutzkübelkampagne gegen Erfolg bei der Bundespräsidentenwahl hat das stellen nach dem Parlament oder auf an- ist. Dafür war natürlich Jörg Haider maßgeblich– Graf und seine Mitarbeiter? eindrucksvoll bestätigt. Nicht nur dieser überra- Wahlerfolg 2013 dere völkerrechtliche aber im Grunde hat er da der Politik nichts Gutes Nemeth: Ja, das mit Sicherheit. Es gibt ja kein gende Erfolg im ersten Wahlgang und dann bei die Weichen wei- internationale Organi- getan, das muss man auch einmal klar sagen, auch gesetzliches Recht auf den Dritten Präsidenten – der Stichwahl mit über zwei Millionen Stimmen ist ter auf Erfolg sationen wird immer wenn das nicht populär ist. lediglich eine parlamentarische Usance. Der Na- staatstragend, sondern auch, wie wir uns hier im umfangreicher. Dem- tionalrat kann zu seinen Präsidenten wählen, wen Nationalratspräsidium und in der Präsidialkonfe- entsprechend wird das Angela Merkel hat einmal gemeint, dass wir markt- er will, das könnten auch drei wilde Abgeordnete renz präsentieren - das ist ausgewogen und ver- Parlament inhaltlich ausgedünnt. Im normativen konforme Parlamente brauchen. Wird das Parlament der sein.Das Kalkül der Grünen war eine Wahl Alexan- nünftig. Dazu zählt auch, dass wir bei Zwei-Drit- Bereich ist die Kompetenz spürbar ausgedünnt. Zukunft nur mehr das absegnen, was der Markt braucht? der Van der Bellens, der zu Beginn der Gesetzge- tel-Mehrheiten immer gesprächsbereit sind.Ich bin Das schlägt sich mit Gewissheit auf das parlamen- Nemeth: Man muss sich im Klaren darüber bungsperiode die Klubobmannschaft zu Gunsten überzeugt, dass die Partei und der Klub gereift sind tarische Selbstbewusstsein und das Selbstbewusst- sein, dass man sich auf die Füße stellen muss, um von Glawischnig nieder gelegt hatte. Dazu musste und unsere Spitzenrepräsentanten zu ministrablen sein jedes einzelnen Parlamentariers nieder. Die die Idee des Parlamentarismus zu verteidigen. Ne- man aber Martin Graf als unwählbar darstellen – Persönlichkeiten gewachsen sind. Stimmung bei den Mandataren, nicht in unserem ben dem Zugriff der Märkte ist die Entdemokra- ein Plan, der zum Glück nicht aufgegangen ist. Klub, sondern insgesamt, ist nicht gut. Das ist tisierungim Wege der NGOs zu beachten. Diese 2013 sind Team Stronach und NEOS ins Parlament 50 mein Eindruck. Statt Gestaltungswillen spürt man Organisationen haben jegliche mediale Unterstüt- Das ist zum Glück schiefgegangen, wie wir wissen. Es eingezogen, womit auch ein gewähltes Sechs-Parteien-Parla- 51 Resignation und Fatalismus. zung – aber keine demokratische Legitimation. Vor gibt dann einen Fall in dieser Phase, der einen Ausschluss ment Fakt wurde. Wie schnell ist es gegangen, dass dieses Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

Parlament ins Laufen gekommen ist und wie schnell hat es ten gibt, der seinem Klub angehört. Obwohl der war, waren das profilierte Persönlichkeiten. Haben Sie den sich herausgestellt, dass es vielleicht nur eine Seifenblase ist? Nationalratspräsident natürlich ein unabhängiges Eindruck, dass diese Rolle als Träger des Parlamentaris- Nemeth: Das wichtigste war auf jeden Fall, Amt ausführt und kein Klub-Repräsentant ist, ist mus auch von der heutigen FPÖ wahrgenommen wird? dass das BZÖ aus dem Parlament geflogen ist. es natürlich immer noch ein Klub-Kollege, der Nemeth: Ja, davon bin ich überzeugt. Unse-

Wir sind seitdem die einzige Vertreterin des Drit- dort sitzt. Zu zweit ist man in so einem Gremium re Klubmitglieder sind nicht ein gleichgeschalteter

ten Lagers. Mit so kleinen, neuen Fraktionen ist natürlich doppelt so stark. Dann geht es um die Teil des Systems sondern Anwälte des Volkes es immer ein bisschen schwierig, weil die immer Handhabung der Geschäftsordnung im Plenum – – und zwar des Staatsvolkes wie es unsere Ver- eine gewisse Zeit brauchen bis sie begreifen wie das ist eine Prestige-Frage, aber auch eine Sache „ das Parlament funktioniert. Die Neos hatten da von inhaltlicher Relevanz, weil es ja doch da oder genauso ihre Anlaufschwierigkeiten wie alle ande- dort Situationen gibt, wie zum Beispiel zuletzt bei ren auch, haben sich mittlerweile aber zurecht ge- der Wahl der Rechnungshof-Präsidentin, in denen Und genauso war’s auch funden. Das Team Stronach ist freilich ein eigenes es Geschäftsordnungsstreitigkeiten gibt. Da kann Kapitel. Ein guter Teil der Abgeordneten hat sich die Gültigkeit der Wahl davon abhängen, wie man beim Team Stronach, bereits anderen Klubs zugewandt. das handhabt. Dann hat er natürlich im neuen Un- tersuchungsausschuss-Regime gemeinsam mit den weil das die personelle Inwieweit hat sich das Klima der Koalition, die ja beiden anderen Nationalratspräsidenten den Vor- recht bald wieder gestanden ist, dann auch wieder weiter sitz im Ausschuss inne, was also auch eine wich- ­Sondermülldeponie des verschlechtert – auch in der parlamentarischen Zusammen- tige, permanent auszuübende Arbeit ist. Das hat arbeit? entsprechende politische Wirkung und aufgrund BZÖ war. Nemeth: Die Fortführung dieser Koaliti- der derzeitigen Situation – Aufhebung der Stich- „ on auch in dieser Gesetzgebungsperiode war ei- wahl – sind die drei Präsidenten des Nationalrates gentlich nichts anderes als eine Verlängerung des formell auch das Staatsoberhaupt. fassung definiert. Durch sie wird die Verbindung Elends der vorherigen. Man tauscht halt hin und zwischen dem Parlament und dem Souverän best- wieder – bei der ÖVP öfter als bei der SPÖ – die Es haben nationalliberale, freiheitliche Parlamentarier möglich gewährleistet, zumal es ein Unterschied Köpfe aus, verkündet dann einen „newdeal“, aber den Parlamentarismus in Österreich historisch ganz stark ist, ob Leute im Hohen Haus aktiv sind, die tat- das sind alles Zeitungsüberschriften. In der Sub- mitgeprägt. Sie waren dominant, führend, bahnbrechend. sächlich wirtschaftlich arbeiten müssen und am stanz hat sich ja nie etwas geändert. Auch nicht Von der Monarchie über die Erste Republik, bei der Aus- eigenen Leib spüren was sie beschließen, oder ob an der Atmosphäre des tiefsten Misstrauens. Nach rufung der Republik, bis hin zum Kampf um die Erhal- dort Abgesandte von Organisationen oder Institu- 100 Tagen Kern gab es auf der Tagesordnung tung des Parlaments gegen den Austrofaschismus. Und auch tionen sitzen, die letztlich von diesem Staat, aber lediglich einen Gesetzesbeschluss, nämlich die in der Zweiten Republik waren Parlamentarier des VdU nicht für diesen Staat leben. Das ist der wesentliche Verschiebung der Bundespräsidentenwahl. Das und dann der FPÖ tragende Kräfte für das Parlament. Unterschied. Und da sind unsere Abgeordneten sagt eigentlich alles.Eine Reform – von was auch Auch in der Zeit Friedrich Peters, als die FPÖ sehr klein absolut respektierte Persönlichkeiten. ◆ immer – habe ich im Hohen Haus noch nicht ge- sehen.

Mit Ausnahme des Untersuchungsausschusses als Minderheitenrecht, das aber nicht von der Regierung aus- H.-C. Strache bei gegangen ist. Wie bewerten Sie den Hypo-Ausschuss poli- der Wahlkonfron- tisch? tation 2008 mit Nemeth: Von der ganzen Hypo-Geschichte Faymann und Van wird über bleiben, dass die ÖVP ohne Not die po- der Bellen: Einziger litische Existenz der Frau Griss hochgezogen hat Gewinner ist der frei- und sich somit eine echte Konkurrenz im eigenen heitliche Frontmann Lager geschaffen hat, und zwar eine nachhaltige. In der Sache selbst konnte herausgearbeitet wer- den, dass es zwischen dem Debakel und der FPÖ keine Kausalität gibt.Man muss als ganz wesent- liches Ergebnis festmachen, dass alle Vorwürfe, die gegen Freiheitliche im weitesten oder im en- 2013 wurde die geren Sinn erhoben wurden, dort nicht bestätigt kleinste „Große worden sind. Koalition“ an- gelobt, die es Weil Sie eingangs gemeint haben, dass 2006 der Ver- je gab: Dass es lust des Dritten Präsidenten um rund 400 Stimmen recht bei der näch- schmerzlich war: Wie hoch ist die Bedeutung des Dritten sten Wahl noch Nationalratspräsidenten parlamentarisch einzuschätzen? reichen wird, ist Nemeth: Sehr hoch. Es ist ein Unterschied, 52 unwahrscheinlich ob unser Klubobmann in die Präsidiale geht, und 53 dort alleine sitzt, oder ob es dort noch einen zwei- Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

Dass nicht nur im Guten gegangen wird, beweisen wenige andere: Ignoranz der beiden Regierungspartner SPÖ und ÖVP hat bisher dazu 2015 musste man Rupert Doppler, damals Landesparteiobmann in geführt, dass all die dringend notwendigen Maßnahmen und freiheitlichen Salzburg, aus der FPÖ ausschließen, mit ihm seinen Salzburger Kol- Lösungsvorschläge entweder kategorisch abgelehnt oder auf die lange legen Gerhard Schmied. Am unrühmlichsten verließ aber wohl Ewald Bank geschoben wurden – in jedem Fall aber nicht umgesetzt wurden. Stadler die FPÖ und damit auch den Parlamentsklub: Er versuchte mittels „Fotoaffäre“, seinen Klubobmann Heinz-Christian Strache zu nötigen, weswegen er auch gerichtlich belangt wurde. Die freiheitliche Außen- und Als erste Folge des falschem Umgangs mit sozialen Medien ist ein weiterer Ausschluss aus Partei und Klub zu betrachten: Im Som- ­Europapolitik 2006–2016 mer 2011 wurde Werner Königshofer aufgrund fragwürdigster Äu- ßerungen auf Facebook seitens der Partei mit entsprechenden Kon- Wesentliche Stoßrichtung freiheitlicher Außen- und Europapolitik sequenzen belegt. Aus ähnlichen Gründen folgte ihm 2015 Susanne war und ist der Einsatz für ein föderales Europa der Vaterländer mit Winter, ihre antisemitischen Äußerungen waren für die Partei untrag- eigenständigen, souveränen Nationalstaaten, bei gleichzeitigem Kampf bar. gegen die überbordende, undemokratische Brüsseler Zentralisierung der Europäischen Union und die Währungsunion, deren Weg Dass es im Freiheitlichen Parlamentsklub viele Abgänge im Guten sich als grundfalsch erwiesen hat, wie man anhand der letzten gab, belegt in jedem Fall, dass man nicht nur Kaderschmiede, sondern Entwicklungen etwa in Griechenland, Portugal, Spanien oder Ita- eben zentrale Stelle der freiheitlichen Bewegung geworden ist. Dass lien erkennen konnte und musste. es ebenso auch den einen oder anderen Abgang im Schlechten gab, gilt als Beweis dafür, dass man mit entsprechender Konsequenz eine Weiter stehen der Einsatz und das Bemühen um eine neutrale kameradschaftliche und moralisch-ethisch vertretbare Politik lebt. Rolle Österreichs in der Welt im Vordergrund, dabei vor allem eine äquidistante Haltung zu den Supermächten USA und Russland. Im kleinen Bereich sehen die Freiheitlichen Österreich als Schutz- macht für die altösterreichischen Minderheiten im benachbarten Die freiheitliche Politik für Ausland, insbesondere Südtirol ist den Freiheitlichen dabei ein ­Inneres 2006–2016 Herzensanliegen. Federführend unter den freiheitlichen Parlamentariern war Im Zentrum freiheitlicher Innen- und Sicherheitspolitik steht die zunächst von 2006 bis 2008 Reinhard Bösch als außen- und euro- letzten zehn Jahre die brennende Frage der Zuwanderung, aber auch papolitischer Sprecher, ihm folgte 2008 Johannes Hübner in die- die – mit eben dieser Zuwanderung in direktem Zusammenhang ste- ser Funktion nach. Als Südtirol-Sprecher der FPÖ wirkt seit 2006 Harald Vilimsky: hende – Bekämpfung der stetig steigenden Kriminalität. Maßgeblich der Oberösterreicher Werner Neubauer im FPÖ-Klub. Langjähriger Sprecher für zahlreiche freiheitliche Initiativen verantwortlich zeichnete in den für innere Sicherheit vergangenen zehn Jahren zunächst von 2006 bis 2008 Barbara Rosen- Wesentliche Anträge und parlamentarische Aktionen galten Johannes Hüb- kranz als freiheitlicher Sprecher für innere Sicherheit, ihr folgte dem Kampf gegen den Vertrag von Lissabon, gegen den Europäischen ner: Gestaltet Generalsekretär Harald Vilimsky von 2008 bis 2014, sowie der Stabilitätsmechanismus (ESM) sowie den Fiskalpakt, für den Austritt die freiheitliche Bundesparteiobmann und Klubobmann Heinz-Christian Stra- aus der Eurozone, bzw. die Schaffung einer Hartwährungszone und ge- Außen­politik maß- che persönlich, Gernot Darmann und Walter Rosenkranz. gen den Beitritt der Türkei zu Europäischen Union. Im Bereich der geblich mit Entwicklungshilfe trat man für eine Reduzierung der Mittel bzw. für Zentrale Forderungen in diesem Bereich waren vor allem eine effizientere Verwendung der Mittel ein. Einsparungen im Asyl- und Fremdenwesen zu Gunsten eines höheren Budgets für die Exekutive, des Weiteren die Schaf- Ebenfalls bemerkenswert sind der Einsatz für das Selbstbestim- fung eines eigenen Exekutivdienstgesetzes. Im Zentrum stand mungsrecht der Südtiroler, die Forderung nach Doppelstaatsbürger- auch die Forderung nach der Aufstockung der Exekutive um schaften für Südtiroler sowie der Kampf um die Anerkennung der mindes­tens 3.000 Planstellen und die Forderung nach der Er- deutschsprachigen Minderheit in Slowenien, aber auch Wiedergutma- höhung des Grundgehalts für Polizisten. chung für die Vertriebenen in Tschechien. Von höchster Priorität sind aber derzeit verschiedene Maß- nahmen im Bereich des Schutzes unserer Grenzen vor illegaler Zuwanderung sowie der konsequenten Abschiebung von Men- Die freiheitliche Landes­ schen, die entweder keinen Aufenthaltstitel in Österreich haben, oder von kriminell gewordenen Zuwanderern. Um diese Maß- verteidigungspolitik 2006–2016 nahmen und Forderungen umzusetzen, wurden im Nationalrat in den vergangenen Jahren einerseits tausende Anfragen an das Die Freiheitlichen bekennen sich zur umfassenden Landesverteidi- Innenministerium gestellt, um per parlamentarischer Kontrolle gung sowie zur allgemeinen Dienstpflicht aller mannlichen Staatsburger Druck auf die Regierung auszuüben, andererseits haben sich in Form des Wehrdienstes oder eines Wehrersatzdienstes als personliche 54 zahlreiche Anträge mit diesen Forderungen beschäftigt. Nur die Leistung fur die Sicherheit und Unabhangigkeit Osterreichs und den 55 Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

sozialen Frieden. Fur weibliche Die freiheitliche ­Sozialpolitik Staatsburger soll aus Sicht der FPÖ die Moglichkeit zum freiwil- 2006–2016 ligen Wehr- und Wehrersatzdienst sowie zum Sozial­dienst offen ste- In Österreich beträgt die Zahl der Armuts- oder Ausgrenzungsge- hen. fährdeten etwa 1,4 Millionen Personen. Das entspricht 17 Prozent der Bevölkerung. Die FPÖ bekennt sich daher zu einer liberalen und hu- Konkrete Maßnahmen, die die manen Gesellschaft und zum Sozialstaat Österreich. Unsere Solidarge- Freiheitlichen auch entsprechend meinschaft hat sich verpflichtet, Risken, bedingt durch Alter, Behinde- im Nationalrat für die Landes- rung, Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit und schwere Schicksalsschläge, verteidigung in den letzten zehn zu mildern. Soziale Gerechtigkeit bedingt auch eine wirksame Bekämp- Jahren einforderten, waren unter fung von Sozialmissbrauch und von Privilegien. anderem das Festhalten an der allgemeinen Wehrpflicht und als Eine Mindestsicherung für alle in Österreich lebenden Personen, die Folge an der Neutralität sowie die unabhängig von der Leistungsbereitschaft des Einzelnen finanzielle Mit- ausreichende finanzielle Versor- tel zusichert, wird von den Freiheitlichen abgelehnt. Dies stellt aus ihrer gung des Österreichischen Bun- Sicht eine grob ungerechte Form von Umverteilung dar, die aufgrund des desheeres. Lenkungseffektes den Fortbestand unseres Heimatlandes gefährdet und Zuwanderung von Personen provoziert, die nicht an den reichen Chancen Des weiteren trat man für dieses Landes für ehrliche und leistungsbereite Persönlichkeiten interes- Reduzierung der Zentralstelle, siert sind, sondern vor allem an Sozialleistungen, die über Generationen die Fokussierung auf die Bri- erwirtschaftet wurden. Reinhard Bösch: gadestruktur und die Stärkung der Truppe ein. Wesentlich erschien Herbert Kickl: FPÖ-Verteidigungs­ der FPÖ auch die Attraktivierung des Grundwehrdienstes und die Ab- Seit 2006 ist Generalsekretär Herbert Kickl als freiheitlicher Sozial- Maßgeblich für sprecher und schaffung der sogenannten Systemerhalter bei gleichzeitigem Ausbau sprecher in diesem Bereich maßgeblich verantwortlich. Parlamentarisch die freiheitliche Obmann des Lan- konkreter Anreizsysteme für die Miliz und der leichteren Einberuf- brachte er in den letzten zehn Jahren hunderte Anträge ein und trieb die Sozialpolitik desverteidigungs- barkeit derselben. Ebenfalls trat man für die Schaffung eines eigenen Fortsetzung auf Seite 60 ▶ verantwortlich ausschusses Soldatenanstellungsgesetzes bzw. eines Militärdienstrechtes ein. Als freiheitlicher Wehrspre- cher fungierte zunächst Reinhard Bösch, in weiterer Folge Peter Fichtenbauer und Mario Kun- asek. Alle drei hatten auch die Obmannschaft des Landesvertei- digungsausschusses des National- rates inne, nach dem Ausscheiden von Kuna­sek übernahm Reinhard Bösch wieder diese Funktion. Da der Kurs der Regierung aus SPÖ und ÖVP vor allem im Abbau und der Demontage des Heeres besteht, man im Jahr 2013 sogar eine Volksbefragung über die Wehrpflicht durchführte (bei der die FPÖ maßgeblich dazu bei- trug, dass diese erhalten bleibt), haben die Freiheitlichen mit ihren Forderungen im Parlament keinen leichten Stand. Umso wesentlicher erscheint es, dass die FPÖ in ihrer Linie hart und konsequent bleibt, bzw. – wie auch schon in der Ver- gangenheit – mit zahlreichen par- lamentarischen Initiativen am Ball 56 bleibt. 57 „

Wir sindDie F reiheitlichenin den letzten und das zehn Parlament 2006 – 2016 Jahren an den Herausfor- die nicht nur anhält, sondern sich immer weiter verstärkt. derungen gewachsen und Wir haben konsequent auf diesem Bedürf- nis nach Kontrolle und Sicherheit – auch in der immer reifer geworden. Zukunft – aufgebaut. Auf Themen, die bis heute Heute sind wir bestens mehr Aktualität denn je genießen. Trotz starken Gegenwindes seitens aller politischen darauf vorbereitet, breite Mitbewerber, trotz geballter Medienmacht gegen die FPÖ und der Erfindung einer neuen politischen Partei konnte Verantwortung zu über- man bei der Nationalratswahl 2013 wieder zulegen. Wo sehen Sie die Gründe dafür? nehmen. Hofer: Hier spielt die Glaubwürdigkeit der FPÖ und ihrer Vertreter sicherlich die größte Rol- le. Wir konnten das Vertrauen der Menschen – wie es sich schon anlässlich des vorangegangenen „ Wahlganges abgezeichnet hatte – weiter ausbau- en. Von den Ränkespielen der Regierungsparteien enttäuschte Wähler gelangten zu der Überzeu- gung, dass unser Land beginnen muss, einen neu- en Weg zu gehen. Auch neue Parteien und der ver- einte Gegenwind des Establishments haben ihre Wirkung letztlich verfehlt.

Sie sind nun seit 2013 Dritter Präsident des Natio- nalrates. Wo sehen Sie die wesentlichen Eckpunkte Ihrer bisherigen Amtszeit, wie bewerten Sie den Stellenwert der FPÖ ein Jahrzehnt nach „Klubwiedergründung“? Hofer: Ich schätze mich sehr glücklich, unsere Partei in dieser Funktion repräsentieren zu dürfen. Zentral war und ist für mich der Kontakt zu den Bürgern. Es erfüllt meine Mitarbeiter und mich je- „Unser Bemühen ist von Erfolg gekrönt“ des Mal mit Freude, wenn wir Menschen helfen und ihre Anliegen im Parlament wirksam anspre- chen können. Der Dritte Präsident des Nationalrates Norbert Hofer Und es macht mich auch ein wenig stolz, wenn es möglich ist, Menschen mit Beeinträchtigungen über ­freiheitliche Bewährungsproben und Verantwortung zu unterstützen und auf politischer Ebene verstär- kt Bewusstsein zu bilden. Die hektische Tagespo- litik lässt diesem Bereich leider oftmals nicht den erforderlichen Raum. Im Dialog und in der Zu- sammenarbeit mit sachorientierten Kollegen aus err Präsident, zehn Jahre ist es nunmehr her, dass Was waren nach dieser harten Phase der Konsolidie- Grundsätze mit neuem Leben erfüllt – sie unver- anderen Fraktionen kann hier vieles bewirkt wer- Hdie FPÖ unter der Führung von Heinz-Christian rung die wesentlichen Hausaufgaben, nicht nur parlamen- ändert und zeitgemäß in die Gegenwart getragen. den. Strache im Herbst 2006 ihr parlamentarisches Überleben tarisch, auch darüber hinaus betrachtet, die die Partei zu Es war mir damals wie heute eine ebenso große sichern und den Freiheitlichen Parlamentsklub neu gründen erfüllen hatte – Stichwort Parteiprogramm etc.? Ehre, daran beteiligt sein zu dürfen. Wir haben da- Abschließend: Was waren denn aus Ihrer persönlichen konnte – nach dem Motto „Totgesagte leben länger“. Hofer: Die FPÖ wurde durch die Gescheh- mit ein Fundament für unsere tägliche politische Sicht die politischen Höhepunkte, aber vielleicht auch Tief- Wie haben Sie diese Phase damals wahrgenommen? nisse rund um die Gründung des BZÖ in eine um- Arbeit auf allen Ebenen geschaffen: vom Natio- punkte im parlamentarischen Wirken der Freiheitlichen in Norbert Hofer: Der unmittelbare Eindruck fassende Existenzkrise gestürzt. Es galt, die Orga- nalrat bis hinein in die Länder und Gemeinden. den letzten zehn Jahren? der damaligen Phase war natürlich sehr dra- nisationen in den Bundesländern wieder unter dem Hofer: Das Wirken der FPÖ kannte in den matisch. Gleichzeitig war es rückblickend eine gemeinsamen Dach der Partei zu vereinen und die Im Herbst 2008 konnte man bei der Nationalrats- letzten zehn Jahren viele Höhepunkte. In entschei- ebenso bewegte wie schöne Zeitspanne, weil un- politische Arbeit so auf eine dauerhafte Grundlage wahl ein beachtliches Plus einfahren, die FPÖ verfügte un- denden Fragen haben wir den Menschen eine hör- ser aller Bemühen von großem Erfolg gekrönt zu stellen. Es ist der verbindenden Persönlichkeit ter anderem wieder über einen Präsidenten im Nationalrat. bare Stimme gegeben. In Untersuchungsausschüs- war. von Heinz-Christian Strache zu verdanken, dass Welche Rolle spielten Ihrer Meinung nach die Freiheitlichen sen leisteten freiheitliche Abgeordnete großartige Es war zunächst eine harte Bewährungsprobe diese entscheidende Phase schließlich in eine Er- im parlamentarischen Geschehen der damaligen Gesetzge- Arbeit, die unsere Demokratie gestärkt hat. Wir und anschließend eine große Bereicherung für un- folgsgeschichte mündete. bungsperiode? sind in den letzten zehn Jahren an den Herausfor- sere Gesinnungsgemeinschaft. Damals wurde das Zusätzlich zu strukturellen Herausforderungen Hofer: Der Wahlerfolg verdeutlichte, dass die derungen gewachsen und immer reifer geworden. 58 Fundament für die heutigen Erfolge der FPÖ ge- spielte die Erarbeitung des ‚Handbuches freiheit- Menschen dieses Landes sich auch damals schon Heute sind wir bestens darauf vorbereitet, breite 59 legt. licher Politik’ eine zentrale Rolle. Wir haben unsere nach Veränderung gesehnt haben. Eine Bewegung, Verantwortung zu übernehmen. ◆ Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

roten Sozialminister vor sich her. Zentrale Forderungen waren unter an- Schulern mit nichtdeutscher Muttersprache sowie nach der Beibehal- derem eine grundlegende Anderung des Auslanderbeschaftigungsgesetzes, tung des differenzierten Schulsystems. die Streichung von Leistungen des Sozialstaates an Drittstaatsangehorige sowie die Schaffung eines Straftatbestandes „Sozialmissbrauch“. Nicht Die FPÖ tritt für den freien Universitatszugang ein und forderte neu in freiheitlicher Politik, aber umso wesentlicher ist die Forderung nach mit verschiedenen Anträgen die Umsetzung eines osterreichischen For- einer weiteren Zusammenlegung von Sozialversicherungsanstalten. schungskonzepts sowie die Budgethoheit fur Universitaten und For- schungseinrichtungen. Letztlich geht es in der parlamentarischen Arbeit der Freiheitlichen um die Sicherstellung der Einheit von Forschung und Lehre und deren Freiheit. Die freiheitliche Wirtschafts- und Finanzpolitik 2006–2016

Die soziale Überzeugung der FPÖ bringt scheinbar gegensätzliche Prinzipien in Einklang. Auch wenn aus freiheitlicher Sicht dem Ein- Axel Kassegger: zelnen größtmöglicher Spielraum zur selbständigen Lebensgestaltung Seit 2015 FPÖ-Wirt- überlassen werden soll, so muss jedem Individuum doch klar sein, dass schaftssprecher der Mensch als „Zoon Politikon” in Interaktion mit der Gemeinschaft lebt und für das Fortkommen dieser Gemeinschaft mitverantwortlich ist. Die FPÖ bekennt sich zu einer nach Leistungsfähigkeit und Ge- meinschaftlichkeit abgestuften Mitwirkung aller bei Erhalt und Finan- zierung des Staates und der öffentlichen Leistungen, um jedem Mitglied des Staates und des Volkes ein menschenwürdiges und gemeinschaftlich behütetes Leben zu ermöglichen. Konkret setzt man sich für ein – über den Konjunkturzyklus – ausgeglichenes Budget, ein Spekulationsverbot für Bund, Länder und Gemeinden, die verfassungsrechtliche Verankerung einer Höchststeu- erquote sowie für ein einfacheres, gerechteres, transparenteres Steuer- system mit der Beseitigung der kalten Progression, mehr Geld für die Familien, einer begrenzten Abgabenhoheit der Länder, einer Entlastung für KMUs sowie der Streichung von Bagatellsteuern und –abgaben ein. Maßgeblich voran trieben diese Politik die freiheitlichen Wirt- schafts-, Finanz- und Budgetsprecher, angefangen bei Lutz Weinzinger Prägend für die über Alois Gradauer, Bernhard Themessl, Elmar Podgorschek, Hubert Die freiheitliche Familienpolitik­ freiheitliche Fuchs und Roman Haider bis hin zu Axel Kassegger. ­Familienpoltik:­ 2006–2016 Anneliese Kitzmüller Für die FPÖ ist die Familie als Gemeinschaft von Mann und Frau Die freiheitliche Bildungs- und mit gemeinsamen Kindern die naturliche Keimzelle und Klammer fur eine funktionierende Gesellschaft und garantiert gemeinsam mit der So- ­Wissenschaftspolitik 2006–2016 lidaritat der Generationen unsere Zukunftsfahigkeit.

Walter Rosenkranz: Der Staat hat aus freiheitlicher Sicht sicherzustellen, dass dem Grund- In den letzten zehn Jahren setzte man unterschiedlichste Initiativen Als FPÖ-Unterrichts- recht auf Bildung durch ein breit gefachertes Angebot an qualifizierten für die Stärkung der Familien, aber im Rahmen dessen auch der Frauen – sprecher auch Vor- und hochstehenden Bildungseinrichtungen entsprochen wird. Dabei sol- dies abseits vom linken Feminismus. Maßgeblich wirkten in diesem Be- sitzender des Unter- len auch private Einrichtungen unterstutzt werden, um mit den offent- reich die freiheitlichen Familiensprecherin Anneliese Kitzmüller und die richtsausschusses lichen Unterrichtsanstalten in einen qualitatsfordernden Wettbewerb zu freiheitliche Frauensprecherin Carmen Schimanek. So trat man für die treten. Umsetzung aller politischen und rechtlichen Maßnahmen zur Schaffung echter Chancengleichheit fur Frau und Mann ein, stellte Anträge zur Der freiheitliche Unterrichtssprecher Walter Rosenkranz und zu- Schaffung von echter Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung und for- nächst der freiheitliche Wissenschaftssprecher Martin Graf sowie sein derte eine bessere pensionsrechtliche Absicherung von erziehenden El- Nachfolger Andreas Karlsböck setzten sich im Bereich der Bildung tern. Dazu forcierte man den Ausbau bundesweiter flachendeckender und Wissenschaft unter anderem für ein verpflichtendes Vorschuljahr Maßnahmen zur Entlastung pflegender Angehoriger. fur Kinder mit mangelhaften Sprachkenntnissen ein und forderten die durchgängige Klassenschulerhochstzahl von 25 Kindern. Von großer Zentral in der freiheitlichen Familienpolitik ist die Forderung nach 60 Bedeutung ist die Forderung nach maximal 30-prozentigem Anteil von der Umsetzung des Steuersplittings fur Familien und nach dem Ausbau 61 Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

des Kinderbetreuungsgeldes zu einem Elterngehalt bis zum 6. Geburts- tag des Kindes. Ebenso gab es zahlreiche Anträge auf eine jahrliche Inflationsanpassung der Familienleistungen sowie einer gerechten Be- rucksichtigung von Kindererziehungszeiten im Pensionsrecht. „Von Null auf Hundert lautete die Devise“ Die freiheitliche Verfassungspolitik­ 2006–2016 Der Dritte Präsident des Nationalrates a. D. Martin Graf über fünf

Jahre als Präsident des Hohen Hauses, die freiheitlichen Stärken Freiheitliche Verfassungspolitik verfolgt in erster Linie eines: die

Aufrechterhaltung bzw., wo es notwendig erscheint, den Ausbau des und warum es eine neue 1848er-Bewegung braucht. freiheitlichen Rechtsstaates. Um Österreich voranzubringen, setzte man daher in Vergangenheit eine Reihe von Initiativen im Nationalrat – „ am wesentlichsten erscheint in diesem Zusammenhang der von der FPÖ gewünschte Ausbau der direkten Demokratie in Österreich. Von Bedeutung ist für die Freiheitlichen die Schaffung eines ge- Es braucht wieder eine mo- schlossenen und umfassenden Grundrechts- und Burgerrechtskatalogs sowie die klare Definierung der Staatsaufgaben. Ob der überbordenden derne 1848er-Bewegung, um Verfassungsgesetze in Österreich fordert man ein Verfassungsrecht in Form einer geschlossenen Verfassungsurkunde. mehr direkte Demokratie, um Nicht nur aus aktuellem Anlass trat man immer schon für die Ab- einen stärkeren Parlamen- schaffung der Briefwahl und eben für die Starkung der direkten Demo- kratie nach Schweizer Vorbild ein. Dabei erhöhten nicht nur die freiheit- tarismus zu Tage zu fördern. Harald Stefan: lichen Verfassungssprecher Robert Aspöck und seit 2008 Harald Stefan Der FPÖ-Verfas- den Druck auf die Regierung, um endlich ein „Demokratiepaket“ um- Ansonsten sehe ich relativ sungsprecher als zusetzen. Bis dato schieben SPÖ und ÖVP solche Maßnahmen aber Verfechter der immer wieder auf die lange Bank – Hauptgrund ist letztlich die Angst schwarz für die politische direkten Demokratie vor einer weiteren Stärkung der Freiheitlichen. Entwicklung in den nächsten Konkret soll aus freiheitlicher Sicht die Einfuhrung einer „Volks­ initiative zur Gesetzgebung“ erfolgen sowie die Einfuhrung einer Veto- zehn bis fünfzehn Jahren. volksabstimmung unter folgenden Voraussetzungen: • Eine Volksabstimmung uber einen Gesetzesbeschluss des Na- „ tionalrates soll nicht nur vom Nationalrat beschlossen werden (bei ein- fachen Bundesgesetzen) oder von einem Drittel der Nationalratsabge- ordneten verlangt werden (bei Bundesverfassungsgesetzen), sondern auch von 100.000 Wahlberechtigten gefordert werden konnen. • Eine solche Vetovolksabstimmung soll auch hinsichtlich der Genehmigung von Staatsvertragen moglich sein. Eine obligatorische Im Jahr 2006 wurde der Freiheitliche Parlamentsklub Einzug sehr deutlich zu schaffen, war ein Hoch Volksabstimmung wäre aus FPÖ-Sicht uber jede Anderung der Grund- wiedergegründet, zumal sich nach der Spaltungsphase der für uns. Für die anderen Parteien war das natürlich lagen der EU abzufuhren. Darüber hinaus tritt die FPÖ für eine Volksi- alte Klub abgesetzt hatte und die FPÖ nach einem Überle- anders und das hat man auch gespürt im täglichen nitiative nach schweizer Vorbild ein. benskampf als knapp Vierter oder de facto ex aequo mit Zusammenleben, weil wir uns auch erst zusam- den Grünen mit gut 10% wieder in den Nationalrat ein- menraufen mussten als neue, zusätzliche Fraktion Aber auch im Wahlrecht sieht man aus freiheitlicher Sicht Ände- gezogen ist. Man konnte nach dem Motto „Totgesagte le- im Parlament. rungsbedarf und tritt daher im Nationalrat für die Starkung des freien, ben länger“wider allen Vorhersagen einen doch sehr soliden unmittelbaren, personlichen und geheimen Wahlrechts ein. Das Brief- Einzug in das Parlament schaffen. Wie war aus Ihrer Sicht Bekannterweise war es ja so, dass keine Strukturen wahlrecht soll auf Auslandsosterreicher und nicht mobile Wahlberech- damals die Stimmung in dieser Phase im Herbst 2006? mehr da waren, man alles neu aufbauen musste, wo waren tigte beschränkt werden, wobei die Ausgabe einer Wahlkarte nur nach Martin Graf: Die Freiheitliche Partei und da die größten Hindernisse? strenger Uberprufung der Identitat erfolgen sollte. Strikt lehnt man die deren Repräsentanten waren natürlich in einer Graf: Von null auf hundert lautete die Devise. Einführung eines„E-Votings“ ab. ◆ Hochstimmung – keine Frage. Nach einigen Jah- Im Vorfeld – bei dieser Wahl 2006– waren wir die ren Abstinenz und Wiedergründung oder de facto Herausforderer, und man ist uns freiwillig natürlich 62 Neugründung nach der kompletten Abspaltung nirgends entgegen gekommen. Letztlich mussten 63 der Führungsspitze der freiheitlichen Partei den wir uns sehr viel erarbeiten und uns den Stellen- Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

wert erkämpfen. Für uns gab es in der Opposition setzeslage, die Unternehmen betrifft. Aber das der jeweiligen Vorsitzenden und der Ausschüsse nalratswahl verkalkuliert haben. Im Endeffekt ist es aber keine 100-tägige Schonfrist, das haben wir sofort war der Alltag, die Herausforderung vom Logis- gemeinsam mit den Klubobleuten, aber auch mit natürlich dann der FPÖ zugute gekommen, weil man es gemerkt, und es war auch klar. Und es war eigent- tischen: eben EDV aufbauen, zusehen, dass man den Parteiobleuten, hier ein Klima der Zusam- schaffen konnte, auf ziemlich genau 17 Prozent zu kom-

lich auch hervorragend anzusehen, wie diese neue von der Büro-Infrastruktur wieder arbeiten konn- menarbeit herbei zu führen, das einen Ausschuss men und seine Mandate dementsprechend auszubauen und

Mannschaft – und letztlich nicht nur anzusehen te, dass man auch Mitarbeiter wieder auswählte auch zum Erfolg führt. Und das ist sicher gelun- somit wieder die klar stärkste Position in der Opposition „ und vieles andere mehr. Und auch zusehen, dass gen, wenn alle einen entsprechenden Willen haben. eingenommen hat und natürlich auch – das ist ganz we- man sich inhaltlich wieder ausrichtet und auch im Sicher jeder aus einer unterschiedlichen Motivation sentlich auch für Ihre Person gewesen, weil Sie ja persönlich tagespolitischen und langzeitpolitischen Gesche- heraus, die politischen Mitbewerber etwa alle aus betroffen waren – den Dritten Präsidenten wieder erlangen Die Grünen haben ge- hen. Die Regierung und auch unsere Mitbewerber dem Willen heraus, der FPÖ ans Zeug zu flicken. konnte. Jetzt wissen wir historisch, dass einerseits viel Ge- in der Opposition – es war ja Regierungsfindung Zumal die FPÖ die neue herausfordernde Kraft genwind gekommen ist, nicht nur gegen Ihre Wahl und in meinsam mit dem linken zu dieser Zeit – haben uns keine einzige Sekunde im Land wurde, was auch jeder gespürt hat, wollte Ihrer Amtszeit, auf der anderen Seite aber, dass man in der Einarbeitung gegeben. Ganz im Gegenteil: es man natürlich uns möglichst großen Schaden zufü- diesen fünf Jahren ein weiteres Erstarken der FPÖ erleben Flügel der SPÖ an der De- wurden sofort zwei Untersuchungsausschüsse ein- gen . Wir hatten immer das Interesse an größtmög- konnte. Wie haben Sie selbst diesen Stellenwert des Frei- gesetzt, auch mit unserem Zutun – sehr proaktiv licher Aufklärung und daher steht montage der FPÖ gear- durch H.-C. Strache als Klubobmann verhandelt. dann am Ende, dass es sehr erfolg- beitet, das ist ja bekannt Also ein Plus X an die normale parlamentarische reiche Ausschüsse geworden sind. Arbeit, und ich bin überzeugt, heute sagen zu kön- Untersuchungsausschüsse sind durch das Strategie-Pa- nen: Es hat kein Bürger und keine Bürgerin in Ös- auf jeden Fall ein wesentlicher Bei- terreich auch nur eine Minute gemerkt, dass wir ei- trag zur demokratiepolitischen Hy- pier der Grünen, das im gentlich keine Infrastruktur gehabt haben. Das hat giene und Selbstreinigungskraft der der politischen Arbeit überhaupt keinen Abbruch politischen Eliten. Das darf man Jahr 2009 aufgetaucht gebracht und das war eine herausragende Leistung. nicht wie ein Gericht sehen, wenn auch die eine oder andere juristische ist, in dem sich ihre Dif- Zwar hat die Legislaturperiode nur kurz gedauert, Weiterfolge oder Aktion nicht ins aber über Weihnachten 2006 hat nach sechs Jahren Aus- Rollen kommt. Aber in der Regel famierungs-Strategie – in zeit die rot-schwarze Koalition fröhliche Urständ gefeiert. erwischt es die politischen Trä- Wie hat man es geschafft, trotz der Mehrbelastung durch ger, die Dreck am Stecken haben, dem Fall gegen einen der gleich zwei Untersuchungsausschüsse – im Banken-Unter- und ist auch generalpräventiv ganz suchungsausschuss haben Sie ja den Vorsitz geführt – dieser eine wichtige Maßnahme. Sie wa- Spitzen-Repräsentanten neuen Regierung entgegen zu halten? ren letztendlich ein Erfolg und das Graf: Durch geschicktes, maßvolles und ziel­ haben ja auch alle attestiert. Es ist der FPÖ – so nach dem orientiertes Handeln ist es uns gelungen, im Par- dann zunehmend schwieriger ge- lament per sofort einen Status zu erwirken als worden, so nach einem Jahr in etwa, Motto „Und denen hän- anerkannter Gesprächspartner und auch Aktions- weil natürlich sich dann schon die gen wir alles um, damit partner. In einer Phase der Regierungsbildung mit kleinste große Koalition, die es je unterschiedlichen Mehrheiten zu operieren, ist an gegeben hat, entsprechend vor wei- wir größtmögliche Wir- und für sich eine Sternstunde des österreichischen teren Ergebnissen gefürchtet hat Parlamentarismus, und man hat gesehen, dass zu- und Rot und Schwarz in alte Denk- kung erlangen“ offenbar- mindest auf Parlamentsebene die Zusammenar- muster verfallen sind. Das hat be- beit hervorragend funktioniert hat. In Zusammen- kanntermaßen im ganz bewussten te. arbeit mit all den anderen Klubs – letztlich auch in Abdrehen des Banken-Untersu- „ Zusammenarbeit mit dem BZÖ – hat es viele Initi- chungsausschuss kurz vor der Ziel- ativen gegeben, die auf unserem Mist – wenn man linie geendet. Im Übrigen war jede aus meiner Sicht, sondern aber mitzuwirken – in so will – gewachsen sind. Es war eine sehr schöne große Koalition seit 2006 kleiner als den Parlamentarismus und in den Prozess wieder parlamentarische Zeit, die wir auch genutzt haben die kleinste kleine Koalition davor. eingetaucht ist, ohne dass die Außenwelt auch nur und wo auch Zusammenarbeit über die Fraktions- Der Eurofighter-Ausschuss hat auf wahrgenommen hat, dass wir längere Zeit nicht im grenzen hinweg als reine Parlamentspartei — und jeden Fall das, was zu Tage zu för- Parlament gewesen sind und ja über keine Struk- das war von Anfang an klar, dass wir Oppositions- dern war, hervorgehoben und auch turen, über nichts verfügt haben. Beispiel: im Par- partei sein werden – funktioniert hat. hervor gebracht und hat auch ein lament selber gab es natürlich keine vorgesehenen Ende gefunden. Räumlichkeiten für den Freiheitlichen National- Inwieweit waren diese beiden Untersuchungsausschüsse rats- und Bundesratsklub, wir haben ein Provisori- erfolgreich? Sie waren ja die ersten Ausschüsse dieser Art Wie Sie ganz richtig gesagt haben, hat um zugewiesen bekommen, wo nicht einmal jeder seit längerer Zeit. War das damals schon abzusehen, dass sich in diesen zwei Jahren die rot-schwar- Abgeordnete, geschweige denn jeder Mitarbeiter man zehn Jahre später ein neues Verfahren für die parla- ze Koalition wieder zusammengerauft und oder jeder parlamentarische Mitarbeiter auch nur mentarische Kontrolle braucht? zur alten Stärke hinaufgeschwungen – im einen Sessel hatte. Das heißt, wir sind wochen- Graf: Dass die gesetzliche Grundlage oder die negativen Sinne natürlich. Wir haben lang unter Arbeitsbedingungen hier im Parlament Geschäftsordnung nicht optimal war, hat jeder ge- aber dann 2008 das vorzeitige Ende die- 64 gesessen, die es in der freien Wildbahn gar nicht wusst, aber das ist immer auch eine Frage des Ge- ser Periode erleben dürfen, wobei sich die 65 geben dürfte, aufgrund der österreichischen Ge- schicks der handelnden Parteien und letztlich auch Schwarzen in Hinblick auf die Natio- Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

beiterkämmerer fröhliche Urständ. Die Führung loren hat, um sich sozusagen gegen solche Mechanismen zur raum gehabt und letztlich mir auch die Mittel von Gusenbauer hat da einen anderen Stil gepflo- Wehr zu setzen? Oder ist das nur eine falsche Beobachtung? genommen, mit der Plattform unzensuriert.at et- gen. Insofern kann man sagen: Das Wiedererstar- Graf: Das ist sicherlich richtig. Wer sich gerne was Nachhaltiges zu schaffen, oder auch mit dem ken der Sozialpartner im negativen Sinn hat diese ORF3 ansieht, wo immer wieder herausragende Franz-Dinghofer-Institut eine Einrichtung ge- Republik der ÖVP der Jahre 2006, 2007, 2008 zu Persönlichkeiten der Vergangenheit aus dem schaffen, die nachhaltig an die freiheitlichen Leis- verdanken. Das ist ein negativer Punkt, wie ich roten und schwarzem Lager dargestellt werden, tungen der ersten Republik anknüpft. Das waren meine. Und es hat den linken Flügel der SPÖ wie- in Portraits und man schaut sich dann die heute schon ganz schöne Sachen. Und zuletzt hab ich der nachhaltig an die Spitze gebracht, den linken, handelnden Personen an, dann ist es eigentlich durchaus mit meinen Aktivitäten – auch außenpo- nicht konstruktiven Flügel. Also diejenigen, die in verwunderlich, warum nicht beide Parteien weit litisch – für die FPÖ, aber auch für Österreich, am ideologischen Denkweisen Abgrenzungen vor- unter zwanzig Prozent liegen, weil das ist 100 zu lateinamerikanischen Kontinent bis zum heutigen nehmen, sind wieder nach vorn gerückt, und der 1 zu den heute handelnden Personen. Zusammen- Tag sehr viel bewirken können. Parlamentarismus hat darunter stark gelitten. fassend: Die politischen Repräsentanten der ÖVP Die Grünen haben gemeinsam mit dem linken und auch der SPÖ hatten in den Jahren vor dem Ein Ausblick noch: Die Freiheitlichen und der Par- Flügel der SPÖ an der Demontage der FPÖ ge- EU-Beitritt noch die nötige Portion Patriotismus. lamentarismus, das ist ja eine Geschichte, die nicht nur die arbeitet, das ist ja bekannt durch das Strategie-Pa- Das ist verloren gegangen, und es ist nur mehr letzten 10 Jahre angedauert hat, sondern weit über 100 pier der Grünen, das im Jahr 2009 aufgetaucht Selbstgeißelung, Selbstaufgabe zu erkennen und Jahre. Wenn man es genau nimmt über 150 Jahre, wenn ist, in dem sich ihre Diffamierungsstrategie – in am Ende die Frage „Wie überdauere ich Wahlperi- man von der Paulskirche 1848ausgeht. Wie werden sich die

dem Fall gegen einen der Spitzen-Repräsentanten oden mit einem attraktiven Job in der Politik?“ Das Freiheitlichen und der Parlamentarismus in Zukunft tun?

der FPÖ so nach dem Motto „Und denen hän- ist die Gemengelage und der Fensterkitt, der diese Graf: Es hat mich ja gefreut, dass ich im gen wir alles um, damit wir größtmögliche Wir- Koalition noch zusammenhält. „ kung erlangen“– offenbarte. Da war ich, so gese- hen, ein Opfer dieser grün-linken Strategie, und Wenn Sie zurückblicken auf fünf Jahre Präsident- es hat natürlich auch durchaus Erfolge gebracht, schaft, was waren da aus Ihrer Sicht die Höhepunkte? Durch das Erstarken der weil ich natürlich in meinem Aktionsradius etwas Graf: Ich muss schon sagen, der Präsident al- eingeschränkter war – um es einmal so zu sagen. leine kann relativ wenig machen. Da ist der Klub Freiheitlichen und auch Wenn man dann viele Verfahren umgehängt be- der FPÖ bei weitem wesentlicher als Motor bei kommt, muss man sich natürlich wehren und hat Demokratiereformen – wenn sie auch langsam der patriotischen Kräfte weniger Zeit, in die Aktion zu gehen. Das war gehen und immer nur Teilbereiche betreffen, aber sozusagen ein Doppelspiel. Auf der einen Seite man muss schon wissen, Demokratie- oder Ver- in Europa wird es sicher- die FPÖ insgesamt zu schwächen, Repräsentan- waltungsreformen ohne den freiheitlichen Motor lich zu einer Abkehr vom ten rauszuschießen – strategisch vorzugehen beim in der Opposition würde es überhaupt nicht geben. Rausschießen. Das ist das politisch Verwerfliche, Dass man überhaupt nachdenkt, etwas zu verän- falschen Weg kommen. finde ich, das wurde angestrebt, und dazu braucht dern, ist, weil es eine starke freiheitliche Partei gibt es immer Partner in der Politik und in den Medi- und man oft auch als Regierung im vorauseilenden „ en, und dazu waren sich am Ende der linke Flügel Gehorsam etwas regeln muss, damit die FPÖ nicht der SPÖ und die Grünen eins, und nachdem der noch mehr Oberwasser bekommt. Insofern glaube 48. Lebensjahr Präsident dieses Hohen Hauses linke Flügel das Sagen hat, war es klar, dass ich ich, kann man das nicht auf eine Person herunter werden durfte (lacht). Als politisches Kind der Graf am Redner- heitlichen Parlamentsklubs als Person abgelehnt wurde, was aber im parlamen- brechen. 1848er-Bewegung ist die Zahl 48 immer etwas Be- pult: Mit Ecken in Ihrer Position erleben tarischen Alltagsleben überhaupt nicht zu Buche In der Position des Dritten Präsidenten hab ich deutungsvolles. Und so lange spannt sich auch die und Kanten gegen dürfen? Sei es in der Präsi- geschlagen hat. im Europarat sicher sehr viel weiter gebracht. Ich demokratiepolitische Historie der freiheitlichen den rot-schwar- diale oder, wie vorhin schon Wenn ich heute sehe, wie Norbert Hofer bei erinnere nur an die bisher am größten unterstützte Bewegung insgesamt, mit sehr viel Erfahrungen,so zen Proporz erwähnt, in der Zusammen- Auslandsreisen von Vertretern des Parlaments be- Entschließung, die ich dort untergebracht habe, etwa, als die Partei und deren politischen Vertreter­ arbeit im Parlamentarismus handelt wird, so nach dem Motto „Der reist ja nur zur Aufwertung der deutschen Sprache, als Ver- überhaupt erst Grund- und Freiheitsrechten zum … privat“ und ähnliches, so verfallen sie wieder in die handlungs- und Amtssprache, bis hin zu den vielen Durchbruch verholfen haben, wenn auch mit Zeit- Graf: Erstmal muss alten Denkmuster zurück. Das haben sie bei mir Auslandsreisen. Um ein Beispiel zu nennen: Un- verzögerung – Gottes Mühlen mahlen langsam ich sagen, hat es mich natürlich auch gemacht. Das ist international ein sere österreichischeAußenpolitik unter Faymann aber gewiss. gefreut, gegen Van der Bellen eine Abstimmung absolutes Schwächezeichen der Regierenden – das aber auch Fischer hat nach dem Empfang des Da- Das ist die Tradition, der wir verpflichtet sind, oder Wahl zu gewinnen, mit 109 zu 28 Stimmen. ist ganz klar. Aber da sieht man natürlich, welch lai Lama großen Schaden in China genommen. Da und es geht bis in die heutige Zeit, wo wir in einen Es war erstmalig auch von den Medien eine hoch- Geistes Kinder in Positionen gehievt wurden – ist es auch sehr stark an mir gelegen, dass wir für Demokratie-Moloch von außen hinein gedrückt stilisierte Wahl zum Nationalratspräsidenten mit auch im Parlament. Österreich, deren politische Spitzenrepräsentanten werden, wo wir in Wirklichkeit sagen müssen: Es einem echten Gegenkandidaten, und die ist sehr unter politischer Quarantäne gelegen haben sei- braucht wieder eine moderne 48er-Bewegung, eindeutig ausgegangen – das muss man schon sa- Zum parlamentarischen Geschehen dieser fünf Jahre, tens Chinas, diese Situation durchbrochen haben. um mehr direkte Demokratie, um einen stärkeren gen. in denen die FPÖ ihren konstruktiven, aber auch kritischen Das zeigt auch der de facto-Staatsbesuch, den ich Parlamentarismus zu Tage zu fördern. Ansonsten Weiters muss ich festhalten, dass das Handeln Kurs fortsetzen konnte: Sie haben vorhin schon gemeint, Anfang 2013 erleben durfte, wo ich als Eisbrecher sehe ich relativ schwarz in der politischen Ent- der ÖVP hinsichtlich der Duldung Faymanns dazu dass der Parlamentarismus unter dem Wiedererstarken des für die Republik Österreich tätig war. Das war si- wicklung in den nächsten zehn bis fünfzehn Jah- geführt hat, dass die alten Strukturen der Sozial- linken Flügels in der SPÖ gelitten hat. Ist es aber nicht cher einer der größten Erfolge. ren, aber durch das Erstarken der Freiheitlichen partner wieder erstarkt sind und das Land wieder auch so, dass man die letzten zehn Jahre beobachten konnte, Und dann hat mir die Position natürlich Mög- und auch der patriotischen Kräfte in Europa wird 66 übernommen haben. Vor allem unter Werner Fay- dass die Qualität des Personals bei SPÖ und ÖVP geringer lichkeiten verliehen, etwas zu initiieren, was es bis es sicherlich zu einer Umkehr vom falschen Weg 67 mann feierten in der SPÖ Gewerkschafter und Ar- geworden ist? Dass der Parlamentarismus an Qualität ver- zum heutigen Tage noch gibt. Ich hab den Frei- kommen. ◆

„ Die Freiheitlichen und das Parlament „ 2006 – 2016 Ich bin aber überzeugt, muss die Bevölkerung von sich heraus die Möglichkeit haben, Gesetze dass sich wirklich nur dann zu initiieren und allenfalls auch bereits bestehende Beschlüsse zu Fall zu bringen. Natürlich alles mit entsprechenden Vorgaben, mit entspre- chenden Mehrheitserfordernissen unter allen Umständen, aber es muss etwas ändern wird, wenn eben diese Möglichkeit geben, um hier ergänzend zur repräsentativen Demokratie auch die direkte Demokratie zu haben. wir in eine Regierungsbe- Wir haben niemals gesagt, dass wir die repräsentative Demokratie aufgeben sollten oder dass das Parlament beschnitten werden soll. Im teiligung kommen. Gegenteil. Das Parlament sollte sogar stärker werden als jetzt, zumal momentan weitgehend die Ministerien regieren. So gesehen wäre diese „ direkte Demokratie auf der anderen Seite eine wesentliche Ergänzung. Wie weit kann man sagen, dass man hier in der Umsetzung fortgeschritten ist? Wir wissen ja alle, dass bestimmte Kräfte – vor allem von der SPÖ und ÖVP – die verschiedensten Demokratie-Pakete immer wieder hinaus schieben, immer wieder nur ankündigen … Stefan: Man muss ehrlich sagen: Hier wird auf Zeit gespielt. Es gab einmal einen Vorstoß, von damals – ich weiß nicht, ob er schon „Nur mit der FPÖ gibt es Minister war – Kurz, der das einmal zum Thema gemacht hat. Dann sind alle drauf angesprungen. Es gab dann eine umfangreiche Enquete mehr direkte Demokratie“ und Gespräche und weiß Gott was alles, mit dem Ergebnis, man mache lieber gar nichts. Also es wird hier ganz massiv abgeblockt. Nicht ein- mal ein Minimal-Konsens, dass man zumindest mit einem erfolgreichen Der freiheitliche Verfassungssprecher Harald Stefan über die Volksbegehren eine Volksbefragung erreichen könnte. Etwas Verbind- liches will man offensichtlich seitens SPÖ und ÖPV nicht umsetzen. Es ­freiheitliche Forderung nach mehr direkter Demokratie und ­ wird hier ganz massiv abgeblockt, und je stärker die FPÖ wird, umso mehr Angst hat man davor, dass man vielleicht über diesen „Umweg“ ­notwendige Änderungen bei der Briefwahl der direkten Demokratie tatsächlich Themen behandeln müsste, die im Parlament immer noch irgendwie abgebogen werden können. err Abgeordneter, wie sehen Sie die Rolle der Freiheitlichen im Hohen Haus Hin den letzten zehn Jahren, zumal ja 2006 sozusagen eine Neugründung des Ein Ausblick in die Zukunft: Wenn die FPÖ noch stärker wird, wird sich Freiheitlichen Klubs unter der Führung von H.-C. Strache stattgefunden hat? dann da etwas bewegen? Stichwort Koalitionsbedingungen, direkte Demokratie? Harald Stefan: Es hat sich gezeigt, dass die FPÖ schon mit der Stefan: Das halte ich tatsächlich für möglich. Da hat es ja etwa bei Übernahme durch H.-C. Strache die wesentlichen Themen, die die der Regierungsbeteiligung im Burgenland schon gewisse Ansätze gegeben, Menschen ernsthaft, emotional berühren, erkannt hat. Und wir haben dass dort auch die FPÖ-Vertreter gesagt haben, „ja, wir gehen in eine Re- auch sehr schnell erkannt, dass wir in der Republik als Oppositionspar- gierung, aber dann muss es auch in diese Richtung Akzente geben“. tei sehr viel bewegen können, wenn wir dort den Druck erzeugen. Man Also für mich ist klar, dass es auch zu den Bedingungen zählen wird, sieht das in vielen Bereichen, wo wir die Themen dann letztendlich be- unter denen wir Freiheitliche in eine Regierung gehen werden. Wie weit stimmt haben, bis zu einem gewissen Grad – es ist natürlich nicht alles man dann im Konkreten gehen kann, kann man jetzt natürlich noch so umgesetzt worden, wie wir es uns gewünscht hätten, aber immerhin nicht ganz abschätzen. Ich bin aber überzeugt, dass sich wirklich nur ist gezeigt worden, dass eine Opposition, die eben die Gefühle erwischt, dann etwas ändern wird, wenn wir in eine Regierungsbeteiligung kom- daher die Menschen überzeugt und an Wählerstimmen stetig zunimmt, men. Vorher wird man das immer abblocken, weil man Angst hat, dass Druck ausüben kann. Das war der wesentliche Punkt. über heikle Themen die Bevölkerung schlicht und einfach ganz anders denkt, als die derzeit herrschenden Parteien. Sie selbst, ob Ihrer Profession als Jurist, waren für den Klub als Justizsprecher und vor allem als Verfassungssprecher tätig in den letzten Jahren. Wo sehen Sie in Stichwort Koalitionsbedingungen: Die Briefwahl ist ein großes Thema und zu- diesem Bereich – vor allem Verfassung – die wesentlichen Punkte, die die FPÖ recht in Verruf geraten. Inwieweit ist eine Änderung des Briefwahlrechts auch eine thematisiert und versucht, auch umzusetzen? Koalitionsbedingung? Stefan: Es gab natürlich im juristischen Bereich viele Themen, die Stefan: Nach dieser Entscheidung des VfGH muss jetzt auf jeden nicht die große Öffentlichkeit finden, und wir waren da auch in vielen Fall das Wahlrecht reformiert werden.Und nach den Mängeln, die man Bereichen sehr konstruktiv. Wir haben etwa die Verwaltungsgerichtsbar- wiederum mit dieser neuerlichen Verschiebung des Wahltermins festge- keit ganz wesentlich mit gefordert und mit umgesetzt. Das heißt, dass es stellt hat, ist glaub ich allen klar, dass man darüber zumindest diskutie- jetzt wirklich auch im Verwaltungsbereich eine echte Gerichtsbarkeit gibt ren muss. Ich fürchte, dass die Regierungsparteien hier wieder auf Zeit Zu den politischen Fragen: Da ist die direkte Demokratie ein ganz spielen. Alles liegt aber schon jetzt am Tisch, alle haben sich jetzt schon wesentlicher Punkt für uns. Das ist schon eine alte freiheitliche For- Gedanken gemacht. Das Innenministerium weiß letztendlich auch,wo derung, dass wir einfordern, dass die Bevölkerung stärker in den Ent- die Fehler liegen. Wir könnten sofort beginnen – aber sie spielen auf scheidungsprozess eingebunden werden muss – nach dem Schlagwort Zeit. Ich bin aber überzeugt, dass sich aufgrund unseres Drucks wesent- 68 „Was das Parlament darf, muss auch die Bevölkerung dürfen“. Deshalb liche Dinge im Bereich des Wahlrechtes ändern werden. ◆ 69 Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016

err Abgeordneter, wie sehen Sie die Rolle der Freiheitlichen im Hohen Haus? HSie haben im letzten Jahrzehnt maßgeblich die Europa- und Außenpolitik „Unsere Stärke ist unsere der Freiheitlichen im Hohen Haus und auch innerhalb der Partei mitgeprägt und mitbestimmt. Wo sehen Sie denn die Stärken der Freiheitlichen in diesem Bereich? konsequente Linie“ Johannes Hübner: Die Stärken liegen sicherlich in der Konsequenz unserer Linie. Die Konsequenz, die darin besteht, dass wir auf dem Be- halten der österreichischen Rest-Souveränität im Kontext der Europä- Der außen- und europapolitische Sprecher Johannes ischen Union bestanden haben. Zweitens das Erhalten der österreichi- schen Unabhängigkeit im außenpolitischen Bereich – das ist sicherlich Hübner über die freiheitlichen Akzente in Fragen nicht gelungen weil es von der Bundesregierung nicht verfolgt und durch- gesetzt worden ist. Hier sind wir auf der einen Seite zu einem Anhängsel ­Europas und der Welt der EU geworden und auf der anderen Seite indirekt über die EU zu

einem Anhängsel der USA. Nachdem die EU keine eigenständige Politik verfolgt, sondern Vorgaben oder sogar Befehle aus Washington befolgt

hängen wir hier dran. Es wäre also trotz gemeinsamer Außen- und Si- cherheitspolitik in der EU genug Raum für eigenständige österreichische „ Initiativen. Wo wir sehr konsequent gewesen sind, ist das Ablehnen eines neuen Kalten Krieges, das Hineingezogen werden Seite an Seite mit den anderen EU-Mitgliedsländern in die amerikanische Sanktions- und Boy- kottpolitik und die neue Spaltung Europas entlang einer fiktiven europä- Es ist der Druck der von isch-russischen Linie. Zuletzt, wo wir auch sehr konsequent gewesen sind und wo wir uns in Österreich zumindest auch weitgehend durchgesetzt uns vertretenen Bevölke- haben, das ist die Angelegenheit CETA und TTIP, also die zwei transat- lantischen Handels­abkommen, wo jetzt auch die SPÖ umgeschwenkt ist, die Schädlichkeit dieser Abkommen erkannt hat, und zuletzt natürlich die rung so groß geworden, Einwanderungspolitik, wo wir der EU-Politik der schrankenlosen Mas- seneinwanderung aus der Dritten Welt unter dem rechtlichen Scheinman- dass sich die ‚Volkspar- tel des Asylwesens immer klar entgegen getreten sind.

teien‘ teilweise unserer Wie sehen Sie die generelle Rolle der Freiheitlichen im österreichischen Parlamentaris- mus in den letzten zehn Jahren? Ist man da stärker geworden als in der Zeit davor? Linie annähern mussten Hübner: Wir sind aus zwei Gründen stärker geworden. Auf der einen Seite haben wir von Wahl zu Wahl mehr Mandatare gehabt und und wir indirekt durch das daher einfach mehr Gewicht, mehr Redezeit, mehr gute Leute, die die Positionen darstellen konnten. Auf der anderen Seite ist der Druck der Umfallen der politischen Bevölkerung, die ja von uns fast alleine vertreten wird, die meisten an- deren Parteien verfolgen ja eine Politik, die gegen die Interessen eines Großteils der Bevölkerung gerichtet ist, also es ist der Druck der von Vertreter – vor allem in der uns vertretenen Bevölkerung so groß geworden, dass sich die „Volks- parteien“ teilweise unserer Linie annähern mussten und wir indirekt ÖVP – unseren Zielen nä- durch das Umfallen der politischen Vertreter – vor allem in der ÖVP – unseren Zielen näher gekommen sind. Das beste Beispiel sind sicherlich her gekommen sind. die ÖVP und , der in den letzten 12–15 Monaten einen Großteil unserer Positionen übernommen hat und jetzt nicht nur ös- „ terreich- sondern auch europaweit ein Vorkämpfer für das Einbremsen der Masseneinwanderung ist. Und der die Sachen ja auch anspricht. Der Fakten, die bis jetzt ja entweder geleugnet oder unter den Tisch gekehrt wurden, anspricht. Der beispielsweise jetzt auch einräumt, dass das Hereinnehmen dieser Masseneinwanderer nichts mit sozialer Wärme oder Menschlichkeit zu tun hat, der klarstellt, in welchem gigantischen Ausmaß hier Ressourcen zur Hilfe verwendet werden, verschwendet werden, um Asylanten hier in irgendeiner Weise unterzubringen, zu be- schäftigen, zu (unter „“, das möchte ich verdoppeln das „“) „integrie- ren“ und dergleichen mehr. Und man sieht auch in der SPÖ eine Bewe- gung oder ein Abbröckeln der bisherigen Positionen in unsere Richtung. Anders wäre die West-Balkan-Konferenz und das Schließen der Gren- zen in Mazedonien mit österreichischer Unterstützung im Jänner 2016 70 nicht möglich gewesen. ◆ 71

Die Freiheitlichen und das Parlament 2006 – 2016 „ orin sehen Sie die Ursachen – politisch, aber auch im Inhalt –, warum es da- Wmals, Anfang 2007, die Einsetzung des Untersuchungsausschusses in Sachen Eurofighter-Ankauf gab? Manfred Haimbuchner: Die Ursachen lagen schlicht darin, dass eine politische Entscheidung gefällt wurde und nicht eine Entscheidung Die Vorgänge rund um die im Sinne der Souveränität und der militärischen Landesverteidigung und deren Bedürfnisse. Es gab viele Ungereimtheiten im Prozess der Typen- Typenentscheidung und entscheidung einerseits und der stückweisen Reduktion der Stückzahl und der technischen Konfiguration andererseits. Eine besondere Rolle hat damals das Finanzministerium gespielt, das über budgetäre Vorga- die Beschaffung waren ei- ben das Verteidigungsministerium sozusagen vor sich hergetrieben hat. Ganz offensichtlich war der Saab Gripen die (ursprünglich) bevorzugte nige der Gründe, die zum Variante, was Lebensdauer, laufende Kosten und typenunabhängige In- frastruktur betrifft. Saab und Lockheed haben im Gegensatz zu EADS Bruch in Knittelfeld ge- auch eine Übergangslösung für die Zeit zwischen dem Auslaufen der Draken-Flotte und dem Zulauf neuer Kampfflugzeuge angeboten – führt haben. Wir Freiheit- EADS war dazu nicht in der Lage. Auch war die Verschiebung der Liefertermine von beiden Seiten, lichen hatten also auch also EADS und der Bundesregierung, speziell dem BMF, gewünscht. EADS konnte faktisch nicht liefern und das BMF wollte die budgetäre deswegen ein vitales Inte- Belastung möglichst weit hinausschieben. Um doch zur Lösung Eurofighter zu gelangen, wurden im militä- rischen Pflichtenheft viele Muss-Bestimmungen zu Soll-Bestimmungen resse an einer lückenlosen gemacht und, anstatt eine ordentliche Übergangslösung abzurufen, wurde mit der Variante der geleasten F-5 der Schweizer Luftwaffe eine Aufklärung der Causa. Entscheidung getroffen, die klar zu Lasten der Unabhängigkeit und Souveränität Österreichs ging. Ziel des Untersuchungsausschusses war es also, all diese Ungereimt- „ heiten und die Rollen des BMF, des BMLV, diverser Lobbyisten und Einzelpersonen aufzuklären und zu erheben, ob es eine Grundlage für einen Ausstieg aus dem Vertrag gebe.

Für die Freiheitlichen war es eine besonders harte Aufgabe, parallel zum Wie- deraufbau des Parlamentsklubs mit viel Gegenwind auch noch zwei U-Ausschüsse zu betreiben. Wie konnte diess Aufgabe damals bewerkstelligt werden? Haimbuchner: Ja, es war damals eine schwierige Zeit. Die Vorgän- ge rund um die Typenentscheidung und die Beschaffung waren einige der Gründe, die zum Bruch in Knittelfeld geführt haben. Wir Freiheit- lichen hatten also auch deswegen ein vitales Interesse an einer lücken- losen Aufklärung der Causa. Wir hatten den Parlamentsklub komplett neu aufzubauen, das Team war frisch zusammengestellt und de facto fehlte es auch an Räumlich- keiten – es stand uns anfangs gerade ein Sitzungssaal zu Verfügung. Aber die Arbeit konnte durch den hohen Einsatz aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – besonders zu nennen ist hier Mag. Norbert Nemeth „Was am Ende zählt, ist die Arbeitsleistung“ – erledigt werden. Das hat uns immer schon ausgezeichnet. Es braucht nicht immer die volle Infrastruktur – was am Ende zählt, ist die Arbeits- leistung. Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner über seine Wie bewerten Sie die damalige Arbeit des Eurofighter-U-Ausschusses im Ge- Mitgliedschaft im parlamentarischen Eurofighter-Unter­suchungs­ samten und die Rolle der Freiheitlichen im Speziellen? Haimbuchner: Der Ausschuss hat gute Arbeit geleistet bzw. dies ausschuss im Jahr 2007 versucht. Aber wie es eben so ist: Wenn man nicht will, dass ein Aus- schuss reüssiert, dann ziert man sich halt, alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Dazu ein Auszug aus dem Bericht der FPÖ und Grünen: „Zur Bei- schaffung aller notwendiger Akten hat der Untersuchungsausschuss 72 eine Vielzahl von Beweisbeschlüssen gefasst. Die damit einhergehenden 73 „

Die Freiheitlichen und das Parlament Die Tatsache,2006 dass – es2016 noch keine Minderheitenrechte Aktenanforderungen wurden von den beiden hauptbetroffenen Mini- sterien auf unterschiedliche Art und Weise umgesetzt. In Umsetzung des ersten Beweisbeschlusses des Untersuchungs- für die Fraktionen gab, war ausschusses wies der damalige Verteidigungsminister seine Beamten an, dem Ausschuss alle Dokumente mit Geschäftszahlen zu übermitteln. mehr als hinderlich. Dadurch wurde eine Reihe wichtiger Unterlagen von der Übermittlung ausgenommen. Der Ausschuss stellte fest, dass zahlreiche Dokumente „ und persönliche Aufzeichnungen, die für die Untersuchung von Rele- vanz waren, nicht übermittelt wurden. Dabei fand der Ausschuss mit den ‚Sprechzetteln‘ eine bisher nur wenig bekannte Form BMLV-inter- ner Dokumente. Die größten Lücken in der Dokumentation durch Akten, Doku- mente und Aufzeichnungen weist die Bewertungskommission auf. Der Ausschuss hat den Eindruck gewonnen, dass einzelne Dokumente wie Ausschuss wurde „abgedreht“

• die Gesamtaufwandsbetrachtung,

• die Berechnung und Bewertung der Betriebskosten, „ • die Entscheidung, die Betriebskosten nicht zu Landesparteiobmann Walter Rosenkranz über ­ berücksichtigen, • die Beschreibung der Entscheidung durch den den Korruptions-Untersuchungsausschuss Es wurde im Ausschuss Projektleiter gezielt der Untersuchung vorenthal- ten worden sind. klar, sachlich und über Darüber hinaus ist der Verteidigungsminister dem einstimmigen Beschluss des Ausschusses die Parteigrenzen hinaus vom 18. April 2007 zur Übermittlung des Koziol-­­ orin sehen Sie die Ursachen – politisch, aber auch im Inhalt –, warum es Gutachtens bis zum 26. Juni 2007 nicht nachge- Wdamals im Herbst 2011 die Einsetzung des Untersuchungsausschusses zur gearbeitet und alle Betei- kommen. Klärung von Korruptionsvorwürfen gab? Im BMF wurde die aktenmäßige Dokumen- Walter Rosenkranz: Im Jahr 2011 gab es an allen Ecken und En- ligten haben dazu beige- tation wesentlicher Bereiche der Vertragsverhand- den der staatlichen Verwaltung mediale Aufdeckungen, Anzeigen etc. lungen und der Tätigkeit der Bundesfinanzierungs­ von Vorkommnissen, die auf illegale Parteienfinanzierung schließen lie- tragen. agentur durch Weisung untersagt. ßen – exemplarisch BUWOG, Telekom, Casinos , Behördenfunk „ Das zweimalige Verschwinden eines Aktes Tetron, Inserate, Staatsbürgerschaftskauf etc. Da bei den inkriminierten (Manching-Besuch des damaligen Finanzmini- Personen etliche (schon damals) Ex-FPÖ-ler waren, freute sich Rot- sters) ist auf Grund der Vorsicht der Beamten der Abt. II/14 gut doku- Schwarz–Grün mit glänzenden Augen auf ein Tribunal gegen die FPÖ. mentiert. Der Ausschuss erachtet es als erwiesen, dass der Originalakt Als sich die Ergebnisse in Richtung SPÖ und vor allem ÖVP drehten – im Büro des Finanzministers in Verstoß geraten ist. Darüber hinaus gab da gibt es ja auch die ersten Verurteilungen –, war die Aufklärungslust es mit dem BMF einen lang andauernden Disput über die Übermittlung zu Ende und der Ausschuss wurde „abgedreht“. einzelner Steuerakten. Die verzögerte Übermittlung dieser Akten, deren Inhalt überdies auch noch durch Schwärzungen großteils unkenntlich Wie bewerten Sie die damalige Arbeit des Untersuchungsausschusses im Ge- gemacht worden war, behinderte die Arbeit des Untersuchungsaus- samten und die Rolle der Freiheitlichen im Speziellen? schusses nachhaltig.“ Rosenkranz: Insgesamt war es ein komplexer Ausschuss mit vielen Es wurde im Ausschuss klar, sachlich und über die Parteigrenzen Themen und Akten. Die freiheitliche Fraktion war sachlich und kom- hinaus gearbeitet, und alle Beteiligten haben dazu beigetragen. Eine petent, was auch von dritter Seite anerkannt wurde, etwa von Monika besondere Rolle einzelner Parteien würde ich nicht hervorheben. Alle Langthaler. Das verdanken wir neben den Abgeordneten vor allem den haben gleichermaßen gearbeitet und alle wurden gleichermaßen torpe- Mitarbeitern. Interessant war meine Erfahrung mit einem Medium, das diert. eine Aufklärungsgeschichte, die die FPÖ ausrecherchierte, über Wei- sung des Chefredakteurs nicht bringen durfte, weil es in seinem Medium Rückblickend betrachtet: War damals schon Handlungsbedarf gegeben, die über die FPÖ keine positive Berichterstattung geben dürfe ... Verfahrensweise und auch die Rahmenbedingungen für Untersuchungsausschüsse zu ändern? Rückblickend betrachtet: War damals schon Handlungsbedarf gegeben, die Haimbuchner: Handlungsbedarf wurde damals klar erkannt und Verfahrensweise und auch die Rahmenbedingungen für Untersuchungsausschüsse zu wurde auch angesprochen. In einer ergänzenden Stellungnahme habe ändern? ich kritisiert, dass nicht alle geladenen Personen erschienen sind und Rosenkranz: Natürlich gab es Handlungsbedarf. Alleine die Tat- dass Akten unvollständig und geschwärzt vorgelegt wurden. Zusätz- sache, dass es noch keine Minderheitenrechte für die Fraktionen gab, lich habe ich moniert, dass dem Ausschuss eine politische Fristsetzung war mehr als hinderlich. Alle Zeugen und Ladungen brauchten zähe auferlegt wurde, was eine gründliche und restlose Aufklärung natürlich Verhandlungen. Auch die Frage der Vorsitzführung wurde durch das behindert. unkorrekte Verhalten der deshalb zurückgetretenen Grün-Abgeordne- So kann ein Ausschuss nicht arbeiten, es sei denn, es ist nicht ge- ten Moser stark in Frage gestellt. Und auch die Frage der Öffentlichkeit 74 wollt, dass er etwas Brauchbares zu Tage fördert. ◆ war damals unbefriedigend. ◆ 75 76 II Weder Lehrwerkstatt noch Polit-Ausgedinge

Die Freiheitlichen im Bundesrat

77 Die Freiheitlichen und das Parlament 1987 – 2016

ie freiheitliche Handschrift und Hans Steinwender, ebenfalls Bauern, sowie durch den Vorarlberger Dim Bundesrat findet sich nun- DDr. Ferdinand Ulmer. 1987 – 2016 mehr seit gut drei Jahrzehnten im Hohen Hause wieder, dies – mit Blickt man in die Erste Republik zurück, so war das Dritte Lager einer kurzen Ausnahme – stetig von 1920 bis 1934 ebenfalls konstant in der Länderkammer vertreten, wachsend. Davor, um genau zu wobei man seitens der Großdeutschen Volkspartei (GdP) von 1920 bis FPÖ-Ländervertreter sein, von 1956 bis 1987, konnte die 1921 drei Mitglieder stellen konnte, danach bis 1925 zwei, und ab dann FPÖ ob ihres Status als Kleinpar- bis 1934 jeweils eines. tei keine Mitglieder in die zweite für den Föderalismus Kammer des Parlaments entsen- Prominent war in jedem Fall der langjährige Reichsratsabgeordnete den, es fehlten die entsprechenden Dr. Otto Steinwender, der Kärnten im Bundesrat von Dezember 1920 Wahlergebnisse in den Bundeslän- bis zu seinem Tod im März 1921 für die GdP vertrat. Langjährigstes dern. Somit konnten SPÖ und ÖVP ihre Dominanz, die sie in den Bun- Mitglied des Bundesrates für die GdP war der Niederösterreicher Leh- desländern hatten, auch in der Länderkammer entsprechend ausleben. rer Rudolf Birbaumer, konkret von 1920 bis 1927. Er wechselte da- nach in den Niederösterreichischen Landtag, wo er das Amt des Dritten Landtagspräsidenten ausübte. Am Anfang nur Minimalpräsenz In der Zweiten Republik konnte vorher jedoch die Vorgängerpartei Rot-schwarze Dominanz der Freiheitlichen, der Verband der Unabhängigen (VdU) nämlich, von 1949 bis 1953 immerhin vier Bundesräte stellen, 1953 bis 1954 drei, Während in der Ersten Republik der Bundesrat nur rund 50 Mit- danach noch zwei, beziehungsweise ein Mitglied in der Länderkammer. glieder hatte, wuchs er in der Zweiten Republik kontinuierlich an, wobei Vertreten war der VdU damals durch den Leobner Richter Dr. Karl Kle- er 1982 mit 65 Mitgliedern den Höchststand erreichte. Die Anzahl der menz, seinen steirischen Landsmann Dr. Josef Lauritsch, den Welser Mitglieder pro Bundesland wird gemäß Art. 34 Bundes-Verfassungs- Landwirt Dipl.-Ing. Max Rabl, die beiden Kärntner Anton Supersberg gesetz durch Entschließung des Bundespräsidenten nach jeder allge-

Schwarz und Rot sind im Bundesrat dominant – die FPÖ kann aber immer mehr zulegen

78 79 Die Freiheitlichen und das Parlament 1987 – 2016

meinen Volkszählung nach dem Verhältnis der Einwohnerzahlen der men, sondern gehören gemeinsam mit den Nationalratsabgeordneten Bundesländer zueinander festgelegt; dem einwohnerstärksten Land ihrer Partei den entsprechenden Parlamentsklubs an. Das hat zur Folge, kommen zwölf Sitze zu, jedem Land aber mindestens drei. 1993 wur- dass die Bundesräte einer Partei dem Abstimmungsverhalten ihrer Kol- den insgesamt 65 Mitglieder festgelegt, 2002 waren es 62, aktuell besteht legen im Nationalrat für gewöhnlich folgen, womit das Abstimmungs- der Bundesrat seit dem 12. August 2013 aus 61 Mitgliedern. verhalten der Bundesräte in der Regel nicht von den Interessen ihres jeweiligen Landes, sondern von Parteiinteressen geleitet wird. Konstant dabei waren die Mehrheiten, über die SPÖ und ÖVP ver- fügten, wobei bis auf wenige Jahre immer die ÖVP über die stärkste Bundesratsfraktion verfügte. Nur 1970 und von 2005 bis 2008 verfügte die SPÖ kurzzeitig, für jeweils drei Jahre, über die stärkere Fraktion in Mit Beginn der Ära Haider der Länderkammer. auch stark im Bundesrat

Die einzelnen Bundesräte werden von den jeweiligen Landtagen in

den Bundesrat entsandt und spiegeln in etwa die Zusammensetzung Bevor 1986 Jörg Haider in Innsbruck die Obmannschaft der FPÖ des jeweiligen Landtages wider. Dabei kommt der zweitstärksten Partei übernahm, lag diese in Umfragen so schlecht, dass ein Ausscheiden aus „ im jeweiligen Landtag zumindest ein Mitglied zu. dem Nationalrat drohte. Solche Gedanken brauchte man sich damals Ansonsten erfolgt die Bestellung durch Verhält- über den Bundesrat aus freiheit- niswahl. Die Mitglieder des Bundesrates werden licher Sicht nicht zu machen: Seit Konstant dabei waren die für die Dauer der Gesetzgebungsperiode des je- Gründung der Partei, im Jahr weiligen Landtages gewählt. Sie müssen nicht Mit- 1956 also, schaffte man es nicht, Mehrheiten, uber die SPO glieder des jeweiligen Landtages sein, müssen zu ein freiheitliches Mitglied des diesem jedoch wählbar sein. Bundesrates zu erlangen. Das und OVP verfugten, wo- sollte sich in der Ära Haider je- Die Mitglieder des Bundesrates sind – anders doch rasch ändern. Nicht nur im bei bis auf wenige Jahre als im deutschen Bundesrat – nicht an Weisungen rasanten Wachstum bei National- des jeweiligen Landtages oder der jeweiligen Lan- ratswahlen machte sich der Erfolg immer die OVP über die desregierung gebunden und haben theoretisch ein der FPÖ unter dem „Volkstri- freies Mandat. Sie genießen die Immunität, die bun“ Haider bemerkbar – auch starkste Bundesratsfrak- ihnen durch den jeweiligen Landtag zukommt. in den Bundesländern ging es für Den Bundesratspräsidenten stellt, im halbjähr- die FPÖ nach oben. So kam es tion verfugte. lichen Wechsel der Länder, jeweils die stärkste zunächst, dass die FPÖ bei der „ Fraktion eines Bundeslandes. Dabei erfolgt der Landtagswahl in Wien im No- Vorsitzwechsel alphabetisch nach Bundesland und vember 1987 von fünf auf neun korreliert mit jenem in der Landeshauptleutekonferenz. Prozent zulegen konnte, statt nur mehr zwei nun gleich über acht Sitzeüber im Wiener Landtag verfügte sowie auch ein Mitglied Umstrittener Sinn der zweiten Kammer des Bundesrates entsenden konn- te – mit Heide Schmidt eine Re- Die Sinnhaftigkeit des Bundesrates ist umstritten. Verschiedene po- präsentantin der FPÖ, die später litische Stimmen (vor allem der Länder) wollen eine Aufwertung des nicht als Präsidentin des Nationalrates oder Bundespräsidentschafts- Der Kärntner Bundesrates, andere im Gegenteil seine Abschaffung. Kritiker meinen, kandidatin der Freiheitlichen traurige Berühmtheit erhalten sollte, son- ­Freiheitliche Peter der Bundesrat werde von den Parteien als politische Kaderschmiede dern durch die Abspaltung des Liberalen Forms. Mitterer: Er war missbraucht, um Jungpolitikern den ersten Kontakt mit der Bundespo- zweimal Bundesrats- litik oder Altpolitikern ein Ausgedinge zu ermöglichen. Aber auch andere prominente Vertreter – manche mit später frag- präsident – wenn würdigem Leumund – vertraten die FPÖ in dieser Aufbruchsphase im auch später nicht In seiner momentanen Form, in der er Gesetzesbeschlüsse des Na- Bundesrat: Für Tirol war das bis zu seinem Einzug in den Nationalrat für die FPÖ, son- tionalrates in der Regel nicht verhindern, sondern bloß verzögern kann, Walter Meischberger, für Kärnten Gernot Rumpold. Letzterer zog 1989 dern für das BZÖ wird er dem Anspruch, Vertretung der Bundesländer bei der Gesetzge- in den Bundesrat ein, nachdem die Freiheitlichen in Kärnten mit Jörg bung des Bundes zu sein, aus mehreren Gründen nicht gerecht. Zum Haider die ÖVP überholen konnten und auch den Landeshauptmann einen spiegelt er die Fraktionsstärken der jeweiligen Landtage wider, so- stellten. dass insgesamt die Stärken der Parteien in Nationalrat und Bundesrat in etwa gleich sind. Das hat zur Folge, dass das Kräfteverhältnis der In jedem Fall war der Bundesrat für die Freiheitlichen Anfang der Parteien in den beiden Kammern sich kaum unterscheidet. Die Sitzord- 1990er-Jahre keineswegs das Abstellgleis für Altpolitiker oder nur etwa nung der Bundesräte im Plenarsaal ist auch nicht – im Unterschied zum für die dritte Reihe, sondern vielmehr ebenso eine Aufgabe, mit der deutschen Bundesrat – nach Bundesländern gegliedert, sondern nach zahlreiche wesentliche Persönlichkeiten der FPÖ betraut wurden – ge- der Parteizugehörigkeit. Des Weiteren schließen sich die Bundesräte der nannt seien an dieser Stelle etwa -Passer, später Vizekanz- 80 jeweiligen Parteien meist nicht zu eigenständigen Fraktionen zusam- lerin, Siegfried Dillersberger, John Gudenus, Reinhard Bösch, nunmehr 81 Fortsetzung auf Seite 84 ▶ Der Bundesrat„ hat aus un- 1987 – 2016 serer freiheitlichen Sicht Wie schätzen Sie Ihr Verhältnis zu den anderen Frak- Der Bundesrat gerät in der Öffentlichkeit immer wieder tionen im Bundesrat ein? Ist das ein freundschaftliches oder in Kritik. Wie bewerten Sie diese Kritik, oder besser gesagt, das Pech, dass die Mehr- eher feindschaftliches Klima, das da herrscht? welche Schrauben müsste man Ihrer Meinung nach drehen, Mühlwerth: Also grundsätzlich kann man sa- um den Bundesrat als wesentliches Merkmal des österreichi- heiten im Bundesrat die gen, dass es schon ein sehr freundliches Klima ist. schen Föderalismus zu stärken? Das unterscheidet uns schon vom Nationalrat, was Mühlwerth: Die Diskussion über die Ab- gleichen sind wie im Na- aber nicht heißt, dass wir eine Debatte nicht auch schaffung des Bundesrates geben uns ja vor allem in aller Härte führen: verbindlich in der Art, aber Journalisten und Politologen vor. Und die die Be- tionalrat. Also Rot und hart im Standpunkt. völkerung wenig über den Bundesrat weiß, wird das natürlich nachgeplappert. Schwarz, sie nicken das Inwieweit kommt es vor, dass man innerhalb der frei- Ich bin allerdings schon der Überzeugung, heitlichen Fraktion unter Umständen variierende Stand- dass ein föderales Instrument wichtig ist. Was ab, was ihnen die Regie- punkte hat, beziehungsweise auch mit anderen Fraktionen könnte man tun? Also die Landeshauptleute- gemeinsame Sache macht? konferenz würde ich einmal auflösen, weil diese Mühlwerth: Also am ehesten findet das noch genau genommen illegal ist. Das ist ein Alther- rung vorgibt. zwischen den Vorarlberger Bundesräten statt. Es renklub, der sich irgendwas ausmacht, um es gibt schon ab und zu Anfragen von ÖVP und dann gegenüber der Regierung zu vertreten. Da- „ FPÖ, die die Vorarlberger Bundesräte gemeinsam mit wäre der Bundesrat automatisch aufgewer- stellen, weil sie auch ein gemeinsames Interesse tet. haben – vor allem in Hinblick darauf, dass ja die Zwei Länder Europas haben ja ihre zweiten Schweiz sehr nahe ist, wo es immer wieder Pro- Kammern abgeschafft, das eine war Dänemark, bleme mit Arbeitnehmern gibt. das andere Schweden. Dänemark diskutiert seit der Abschaffung der zweiten Kammer, ob diese nicht Inwieweit machten sich da die beiden Koalitionen im doch wieder eingeführt werden soll, weil ihnen das Burgenland und in Oberösterreich bemerkbar, wo ja ein- Regulativ fehlt. mal Rot und Blau gemeinsam regieren, beziehungsweise Die Schweden diskutieren das nicht, haben Schwarz und Blau in Oberösterreich? aber dafür ihren Reichstag auf 320 Abgeordne- Mühlwerth: Da merken wir leider über- te aufgestockt. Also da stellt sich dann auch die „Föderales Instrument ist wichtig“ haupt nichts. Aus dem Burgenland kommt eine Kosten­frage, ob das tatsächlich etwas gebracht hat. SPÖ-Bundesrätin, die dem linkslinken Flügel zuzu- Der Bundesrat ist eben ein Teil der Demokratie, rechnen ist, uns Freiheitliche also ablehnt, genauso und Demokratie kostet einfach etwas. Die Vorsitzende der freiheitlichen Bundesratsfraktion Monika wie unsere Koalition mit der SPÖ in . Der Bundesrat hat eben aus unserer freiheit- Ir wollten einen Antrag von Landeshauptmann lichen Sicht das Pech, dass die Mehrheiten im Mühlwerth über das Erstarken der Freiheitlichen im Bundesrat Niessl betreffend Arbeitnehmerfreizügigkeit im Bundesrat die gleichen sind wie im Nationalrat. Bundesrat unterstützen und haben einen entspre- Also Rot und Schwarz nicken das ab, was ihnen die und die Glaubwürdigkeit der Strache-FPÖ chenden Entschließungsantrag eingebracht. Der Regierung vorgibt. wurde auch von der burgenländischen SPÖ-Ver- Das war zu Zeiten der blau-schwarzen Koali- treterin abgelehnt. Also von Zusammenarbeit tion völlig anders. Da gab es die meisten Einsprü- kann man da im Bundesrat nicht sprechen. che seit dem Bestehen des Bundesrates, weil da- mals eine rot-grüne Mehrheit herrschte. Das heißt rau Fraktionsvorsitzende, wie hat sich die freiheitliche Jahren – auch mit dem Anwachsen der Fraktion – setzen, Sie waren ja schon in den 1990er-Jahren im Bundes- also, wenn die Freiheitlichen im Bundesrat stärker FBundesratsfraktion in den letzten zehn Jahren entwi- beziehungsweise welche Initiativen ergreifen? rat. Wie sehen Sie den Vergleich zwischen der Ära Strache werden, dann sehen dort auch die Mehrheitsver- ckelt? Sie waren ja im Jahr 2006 die einzige freiheitliche Mühlwerth: Unser wichtigstes Instrument sind in den letzten zehn Jahren und dieser ausklingenden Ära hältnisse anders aus, und dann werden auch unsere Bundesrätin ... natürlich Dringliche Anfragen. Und damit haben Haider? Einsprüche, die wir ja auch regelmäßig machen, Monika Mühlwerth: Wir stehen heute bei wir die Regierung ziemlich in Bedrängnis gebracht, Mühlwerth: Was die Arbeit angeht, ist es durchdringen. dreizehn freiheitlichen Bundesräten, und das hat etwa damals bei der Alpine-Pleite, wo wir die Woche, deutlich besser geworden. Vor allem gegen 2001 sich über die Landtagswahlen verbessert. Es ist so nachdem das bekannt wurde, Plenum hatten. Damals war es ja nicht immer einheitlich in der Partei, Wenn man an den Erfolgslauf der Freiheitlichen mit wie im alten Häschen-Spiel: erst eins, dann zwei, haben wir sowohl den Sozialminister als auch den und das hat sich seit Strache völlig geändert. Es historischen Höchstständen in Bundesländern wie Ober­ dann drei, dann vier … Ja, ich war zuerst alleine, Wirtschaftsminister zu uns ins Parlament zitiert – da ist so, dass eine Einigkeit in der Partei herrscht – österreich oder Wien und auch einen hohen Stand an Bun- dann waren wir zu zweit, dann sind wir auf vier ist auch etwas weitergegangen. Ein weiterer Schwer- auch was die Meinungen anbelangt. Das ist wirk- desräten denkt – inwieweit kann man diese Mehrheiten angewachsen und haben im November 2009 Frak- punkt war die Sache mit den Pensionsrückkäufen von lich großartig, man kann jeden zu jedem Thema et- ausbauen? tionsstatus bekommen. Und sind dann bei jeder der Bank Austria. Dazu haben wir eine Dringliche was fragen und man kann sich einigermaßen sicher Mühlwerth: Selbstverständlich ist es wichtig, Landtagswahl weiter gewachsen, bis auf jetzt drei- Anfrage eingebracht, die einiges in Bewegung ge- sein, dass das eine Meinung ist, für die auch die je- bei jeder Landtagswahl zuzulegen, damit wir die zehn. bracht hat – es wurde sogar das Gesetz geändert. Ein weiligen Bereichtsvertreter stehen. Wir haben eine Anzahl der Bundesräte noch einmal erhöhen kön- anderes Beispiel ist eine Dringliche Anfrage zur ent- stringente Linie, die wir, seitdem H.-C. Strache Ob- nen. Das ist, wie ich finde, machbar. SPÖ und ÖVP haben ob ihrer Stärke in den Län- setzlich hohen Arbeitslosigkeit in Österreich, zu der mann ist, vertreten, und schlagen nicht jeden Tag Wenn man sich die SPÖ anschaut, die schon dern natürlich auch eine bestimme Übermacht im Bundes- allerdings Sozialminister Stöger ein sehr jämmerliches einen Purzelbaum und ändern unsere Meinung, ziemlich dezimiert ist, schon mehr als die ÖVP: 82 rat, was die Mehrheitsverhältnisse betrifft. Welche Schwer- Bild abgegeben hat, weil er keine Antwort darauf hat- was natürlich auch für die Glaubwürdigkeit gegen- Da sind wir schon auf einem ganz guten Weg und 83 punkte konnten die Freiheitlichen in den letzten zehn te. Also wir sind da sehr rege unterwegs. über der Bevölkerung entsprechend wichtig ist. könnten sie auch überholen. ◆ Die Freiheitlichen und das Parlament 1987 – 2016

Landesobmann in , Haider-FPÖ auch wieder kontinuierlich bergab, bis man im Jahr 2005, oder Andreas Mölzer. als sich Jörg Haider und das BZÖ abspalteten, nur mehr mit einem Mit- glied, nämlich Harald Vilimsky, damals bereits FP-Generalsekretär unter Letzterer sorgte als FPÖ-Bun- Heinz-Christian Strache, nunmehr freiheitlicher EU-Delegationsleiter, desrat und „Grundsatzreferent“ im Bundesrat vertreten war. Jörg Haiders mit seiner prophe- tischen Ansage in Sachen der Trotz des kontinuierlichen Abstiegs Anfang der 2000er-Jahre konnte „Umvolkung“ Österreichs für man ob der freiheitlichen Stärke in Kärnten mit Gerd Klamt im Jahr 2001 Aufregung und entsprechende das erste Mal einen Präsidenten des Bundesrates stellen, formell genau Aufmerksamkeit für die freiheit- genommen bis heute den einzigen FPÖ-Vertreter, der das dritthöchste liche Bundesratsfraktion. Amt im Staate ausführen durfte. Zwei weitere Male hatte danach noch ein Freiheitlicher dieses Amt inne, und zwar der Kärntner Peter Mitterer: einmal 2005 und danach 2010, aber diesmal nicht als FPÖ-, sondern als BZÖ-Vertreter. Er kehrte im Zuge der Wiedervereinigung erst nach seiner Von null auf zweiten Amtszeit wieder in den FPÖ-Parlamentsklub zurück. fünfzehn Seiner Präsidentschaft voraus ging ein Skandal um seinen Fraktions- kollegen Siegfried Kampl, der ursprünglich das Amt des Bundesrats- Von 1991 bis 1994 In nur elf Jahren – von 1987 bis 1998 – konnten die Freiheitlichen präsidenten übernehmen sollte. Für Aufsehen sorgte eine Rede Kampls vertrat Andreas Mölzer ihre Bundesratsfraktion auf fünfzehn Mitglieder ausbauen. Der – bis im Bundesrat im Frühjahr 2005, in der er sich gegen die Rehabilitierung Kärnten im Bundesrat dato – Höchststand konnte im Frühjahr 1998 nach der Landtagswahl von Wehrmachtsdeserteuren aussprach. Was folgte, war große Empö- in Niederösterreich erreicht werden, danach ging es mit dem Zerfall der rung bei SPÖ und Grünen, in weiterer Folge auch bei der ÖVP.

1987 bis 2016 vertraten 79 Personen die FPÖ im Bundesrat:

Burgenland Herbert Werner XXIII, XXV - Hrubesch Christian XVIII Rockenschaub Michael XVIII, XIX, XX Meischberger Walter XVII Kärnten Königsberger Erich XXV Scherb Walter XX Trattner Gilbert XVIII Harring Peter XVIII, XIX, XX Lindinger Bernd XXI, XXII Schererbauer Thomas XXV Vorarlberg Kampl Siegfried XXII, XXIII, XXIV Ram Thomas XX, XXI Salzburg Bösch Reinhard Eugen XVIII, XIX, XX Kanovsky-Wintermann Renate XXI, XXII Schwab Karl XVII, XVIII, XIX Aspöck Robert XXI, XXII Hagen Christoph XX, XXI, XXII Klamt Gerd XXI, XXII Sulzberger Benno XXI, XXII Eisl Andreas XVIII, XIX, XX Längle Christoph XXV Krenn Matthias XVII, XVIII Tauchner Edmund XXIV Lakner Georg XVII, XVIII Michalke Cornelia XXIV, XXV Mitterer Peter FPÖ/BZÖ XXII, XXIII, XXIV Waldhäusl Gottfried XIX, XX Mainoni Eduard XX Wien Mölzer Andreas XVIII Weiss Helmuth XVII Schmittner Dietmar XXIV, XXV Böhm Peter XX, XXI, XXII Neuner Christof XX, XXI Windholz Ernest XX Steiermark d‘Aron André XX, XXI Pirolt Franz XXIV Oberösterreich Gauster Bernhard XVIII Gudenus John XVIII, XX, XXI, XXII Prasch Helmut XVIII, XIX, XX Brückl Hermann XXIV, XXV Koller Franz XXI Jenewein Hans-Jörg XXIV, XXV Ramsbacher Helena XIX, XX Ecker Rosa XXV Krusche Gerd XXIV, XXV Kapral Peter XVIII, XIX, XX Rumpold Gernot XVII Haubner Ursula XVIII, XIX, XX Meißl Arnd XXV Langer Dieter XVIII, XIX, XX Scheuch Kurt XX, XXI Haunschmid Ulrike XX, XXI, XXII Samt Peter XXV Madejski Herbert XXIV Schiffrer Rupert XVII Moser Helga XX Tremmel Paul XVIII, XIX, XX, XXI Mühlwerth Monika XX, XXI, XXIII, XXIV, XXV Zellot Roland XXII Nittmann Klaus Peter XX, XXI, XXII Weilharter Engelbert XX, XXI, XXII Pisec Reinhard XXIV, XXV Niederösterreich Nußbaumer Horst XVIII Tirol Riess-Passer Susanne XVIII, XIX, XX Buchinger Ludwig XXI Podgorschek Elmar XXIV Dillersberger Siegfried XVIII Rösch Bernhard XXV 84 Ertl Johann XXIV Pumberger Alois XVIII Grissemann Wilhelm XX, XXI, XXII Schmidt Heide XVII 85 Hafenecker Christian XXIV Raml Michael XXV Königshofer Werner XVIII, XIX, XX Vilimsky Harald XXII „

Die Freiheitlichen und das Parlament Dieses föderale Element ist für mich sehr wichtig – Nach der damals geltenden Gesetzeslage hätte Kampl das Amt des Bundesratspräsidenten übernehmen sollen, ohne dass dies vom Bun- desrat oder vom Kärntner Landtag beeinflussbar gewesen wäre. Auf so gesehen sollte der Bun- Drängen der Opposition erarbeitete die Regierung eine Verfassungs- änderung („Lex Kampl“, in Kraft getreten am 25. Juni 2005), die es desrat auch entsprechend ermöglichte, dass jemand anders an Stelle Kampls Bundesratspräsident werden konnte, was letztlich Peter Mitterer war. aufgewertet„ werden. Wiedererstarken im ­Bundesrat unter Strache „Gerne hätte man einen freiheitlichen Nachdem 2005 nur Harald Vilimsky als Wiener FPÖ-Bundesrat ver- ­Präsidenten verhindert“ blieben war und dieser im Herbst 2006 in den Nationalrat wechselte, war, folgte ihm Monika Mühlwerth nach. Sie ist auch seit November 2009 Vorsitzende der FPÖ-Bundesratsfraktion, die es seit ebendiesem Gerd Klamt, der erste und formell einzige Bundesratspräsident November 2009 wieder im Hohen Hause gibt. Damals konnte die FPÖ nach den großen Wahlerfolgen in Vorarlberg und Oberösterreich mit der FPÖ, über seine Amtszeit Cornelia Michalke und Elmar Podgorschek zwei neue Mitglieder in den Bundesrat entsenden und verfügte damit wieder über vier Mitglieder in err Präsident, Sie waren 2000 bis 2004 im Bun- Die Pension müsse also das widerspiegeln, was man der Länderkammer. Hdesrat und im Jahr 2001 Präsident des Bundesrates. eingezahlt hat. Das ist ja – wenn ich Beamten- oder Wie war damals die Stimmung im Parlament? Politikerpensionen hernehme – bis heute nicht der Die weiteren nachfolgenden historischen Erfolge führten zu einem Gerd Klamt: Die Stimmung im Parlament, in Fall. Und da haben wir damals dagegen gestimmt, weiteren Erstarken der freiheitlichen Bundesratsfraktion, die eigentlich den eigenen Kreisen, war eine sehr positive, weil ich gegen die Stimmen der ÖVP eben – das war viel- über 14 Mitglieder verfügen würde, hätte man nicht aus innerpartei- der erste freiheitliche Präsident des Bundesrates war. leicht überhaupt der Höhepunkt meiner Zeit. lichen Gründen einen Salzburger Bundesrat aus der Fraktion ausschlie- Die Stimmung der politischen Mitbewerber hinge- Elmar ­Podgorschek: ßen müssen. gen war natürlich nicht unbedingt eine gute, weil am Wie hat sich das dann in der Partei abgespielt? Was Vom ­Bundesrat liebsten hätten sie natürlich einen Präsidenten, der hat Haider dazu gesagt? zog er in den Und auch wenn die schwarz-rote Dominanz im Bundesrat – ver­ aus den Reihen der FPÖ kommt, verhindert. Klamt: Haider war mit dieser Pensionsreform ­Nationalrat ein und glichen zum Nationalrat und zu den tatsächlichen Mehrheitsverhältnissen auch nicht einverstanden und wollte eigentlich, ist nunmehr frei- im Lande – noch relativ groß ist, so ist diese auf jeden Fall im Schrumpfen Die FPÖ befand sich in der Wende-Regierung mit Schüs- dass der Bundesrat ein Zeichen setzt – und das heitlicher Landesrat begriffen. Konnte ÖVP und SPÖ vor dreißig Jahren noch 63 von 63 Mit- sel, sie war zweitstärkste Kraft im Nationalrat. 2001 war Zeichen haben wir dann auch gesetzt. in Oberösterreich gliedern stellen, so sind es im Jahr 2016 nur mehr 42 von 61. Ein weiteres man also auf der Überholspur, man ahnte noch nicht, was Erstarken der FPÖ auch im Bundesrat ist mit Blick auf die kommenden 2002 geschehen würde. Wie hat sich das bemerkbar gemacht? Wie sind Sie als Bundesratspräsident von den anderen Landtagswahlen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. ◆ Klamt: Für mich war klar, dass natürlich Re- Parteien wahrgenommen worden? gierungsverantwortung etwas anderes ist als Oppo- Klamt: Nach einer gewissen Zeit der Skepsis sitionsarbeit. Dass wir Stimmen verlieren werden, bin ich relativ positiv aufgenommen worden, weil wenn wir vernünftige Politik machen, im Sinne der sie gesehen haben, dass ich mich der Würde des Österreicher, war auch klar. Wenn man in Regie- Amtes entsprechend verhalte. Es gab aber schon rungsverantwortung ist, kann man verschiedene gezielte Aktionen, nicht gegen meine Person, je- Stimmen nicht mitnehmen, man würde zumindest doch gegen einen Freiheitlichen in dieser Position. die Proteststimmen verlieren, wenn man unange- Einmal etwa, als ich – so wie vorher immer üblich nehme Dinge, die aber notwendig sind, umsetzt. – gemeinsam mit , der damals Natio- nalratspräsident war, bei der alljährlichen Gedenk- Phasenweise gab es damals im Bundesrat eine rot-grüne veranstaltung für die Opfer des Nationalsozialis- Mehrheit gegen die Regierungsmehrheit von FPÖ und ÖVP mus sprechen wollte: Um das zu verhindern, hat im Nationalrat. Wie spielte sich das im Bundesrat ab? die Veranstaltung letztlich nicht mehr in der alten Klamt: Der wesentlichste Punkt war eigentlich Form stattgefunden, und es hat nur der Bundes- etwas anderes. Wir Freiheitlichen haben im Bun- präsident, nämlich, gesprochen. desrat gegen die Pensionsreform gestimmt, haben, gegen den Regierungspartner ÖVP. Davon war ich Wie sehen Sie die Bedeutung des Bundesrates? überzeugt, weil diese Pensionsreform für mich nicht Klamt: Die zweite Kammer ist aus meiner in Ordnung war, zumal ich immer gesagt habe, man Sicht eine sehr wichtige Kammer, weil sie das fö- müsse zuerst einmal die Privilegien kappen, und derale Element in unserer Republik widerspiegelt. wenn das erledigt ist, könne man über eine Reform Und dieses föderale Element ist für mich sehr 86 der Pensionen sprechen. Mein Ziel dabei war immer, wichtig – so gesehen sollte derBundesrat auch ent- 87 die Pensionsleistungen aller vergleichbar zu machen. sprechend aufgewertet werden. ◆ „

Die Freiheitlichen und das Parlament Grundsätzlich ist das so, 1987 – 2016 dass man mit der jewei- ligen Nationalratsfraktion stimmt und indirekt natür- lich damit den Interessen der eigenen Partei dient. Von Länderinteressen war „Gehschule für fast nichts„ zu bemerken. Mandatare“

Peter Kapral, Vorsitzender der Bundesratsfraktion der ­ Freiheit- lichen von 1995 bis 96 über die Bedeutung des Bundesrates

ie waren Mitte der 11990-Jahre Vorsitzender der freiheitlichen Bundesratsfrak- Stion, bei einer stetig wachsenden Fraktionsstärke. Wie wurde man als Freiheit- licher im Bundesrat wahrgenommen? Peter Kapral: Zur besten Zeit waren 15 oder 16 Freiheitliche im Bundesrat. Es war natürlich die Akzeptanz von den anderen Parteien etwas unterschiedlich. Auch innerhalb der SPÖ-Fraktion hat es durch- aus Entgegenkommen gegeben, siehe Gusenbauer. Aber es war ja der Bundesrat nie im Blickpunkt der Öffentlichkeit und es sind daher auch nie Attacken der einzelnen Parteien untereinander erfolgt.

Das heißt, der Gegenwind in der zweiten Kammer war also nicht sehr groß. Welche Bedeutung würden Sie dem Bundesrat grundsätzlich beimessen, aus Ihrer Erfahrung heraus? Kapral: Wie er derzeit gestaltet ist, ist seine Bedeutung gering. Man könnte durchaus überlegen, den Bundesrat aufzuwerten, ohne ihn als solche Institution und Vertretung der Bundesländer gegenüber dem Zentralorgan in Frage zu stellen. Mir gefällt etwa die Überlegung, die Landeshauptleutekonferenz als Nucleus für einen neuen Bundesrat he- ranzuziehen, durchaus.

Inwieweit haben Sie damals bemerkt, dass Länderinteressen der jeweiligen Bun- desländer vor Parteiinteressen gestellt wurden? Kapral: Grundsätzlich ist das so, dass man mit der jeweiligen Nati- onalratsfraktion stimmt und indirekt natürlich damit den Interessen der eigenen Partei dient. Von Länderinteressen war fast nichts zu bemerken. Ich könnte mich jetzt nicht an ein Beispiel erinnern, wo ein solches The- ma Gegenstand der Diskussion gewesen wäre.

Wie könnte man denn dieses Problem in den Griff bekommen, dass die Par- teiinteressen hintangestellt werden und eben dieses föderale Element in den Vorder- grund gerückt wird? Kapral: Wären Landeshauptleute mit im Boot, würden diese viel stärker auf ihre regionalen Dinge ausgerichtet sein und wären den regi- onalen Interessen mehr verpflichtet, als es der Bundesrat heute ist, der ja 88 entweder ein Abstellgleis oder die Gehschule für Mandatare ist. ◆ 89 90 III Für Österreichs Freiheit in Brüssel Die Freiheitlichen im ­Europäischen Parlament

91 Die Freiheitlichen und das Parlament 1995 – 2016

ekanntlich hat Österreich mit sondere nach dem Abschluss des Freihandelsabkommen vom 1. Jänner 1995 – 2016 Bdem Staatsvertrag 1955 seine 1973 zum wichtigsten Handels- und Wirtschaftspartner Österreich, wo- staatliche Souveränität einigerma- bei wiederum die Bundesrepublik Deutschland den Löwenanteil dieser ßen wiedererlangt, wobei in Artikel Beziehungen ausmachte. 4 dieses Staatsvertrages Österreich Die FPÖ-Delegation sich gegenüber den Garantiemäch- ten, also den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs, der So- Die FPÖ als erste Europapartei und die demokratische­ wjetunion, den USA, Großbritan- nien und Frankreich, verpflichtet, Erst nach der Auflösung der Sowjetunion in den Jahren 1989 bis Fassade in Straßburg „keine wie immer geartete poli- 1991 erschien die Möglichkeit eines EU-Beitritts nunmehr gegeben. tische oder wirtschaftliche Ver- Während bis dahin nur die oppositionellen Freiheitlichen für die Teil- einigung mit Deutschland einzu- habe Österreichs an der europäischen Integration eingetreten waren, gehen“. Dieses Anschlussverbot wurde nunmehr ein Beitritt von den meisten führenden Exponenten wurde in den folgenden Jahrzehnten weitgehend so interpretiert, dass der politischen Parteien in Österreich befürwortet. So auch von dem seit damit auch ein Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft un- 1986 amtierenden Bundeskanzler und SPÖ-Chef . Am möglich sei. Dieser gehörte nämlich als Gründungsmitglied die Bun- 29. Juli 1989 kam es schließlich zu einer Entschließung des Nationalra- desrepublik Deutschland an. Auch wenn man im Gegensatz dazu argu- tes, in der die Regierung aufgefordert wurde, die Mitgliedschaft Öster- mentierte, dass der westdeutsche Staat nur ein Teil der multinationalen reichs bei der europäischen Gemeinschaft zu beantragen. Dieser Antrag Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sei, beharrte man insbesondere wurde offiziell am 17. Juli 1989 gestellt, und am 1. Februar 1993 wurden von sowjetischer Seite bis zuletzt auf dem Standpunkt, dass Österreichs die Beitrittsverhandlungen der Europäischen Gemeinschaft mit Öster- Beitritt unmöglich wäre. reich, gleichzeitig mit Schweden, Finnland und Norwegen, auch begon- nen. Diese konnten am 12. April 1994 abgeschlossen werden, daraufhin Allerdings gab es dennoch eine Vielzahl von Abkommen zwischen stimmte am 5. Mai 1994 der Nationalrat mit 140 gegen 35 Stimmen dem der EWG und Österreich. Die EWG-Staaten entwickelten sich insbe- Beitritt zu, und am 7. Mai 1994 erfolgte die Zustimmung des Bundesra- Das EU-Parlament in Straßburg

92 93 Die Freiheitlichen und das Parlament 1995 – 2016

tes mit 51 gegen 11 Stimmen. Am 9. Mai 1994 ordnete daraufhin Bun- despräsident Thomas Klestil die Durchführung einer Volksabstimmung am 12. Juni 1994 über den EU-Beitritt an. Gegen diesen Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft sprach sich primär die Freiheitliche Partei unter der Führung Jörg Hai- ders aus. Ebenso die Grünen und kleinere Gruppierungen im linken Spektrum. Die Freiheitlichen hatten ursprünglich den EWG-Beitritt bekanntlich befürwortet und sich immer als die erste Europapartei im Lande gefühlt. Erst zu Beginn der 1990er-Jahre unter der Führung Jörg Haiders änderte sich diese Einschätzung, wobei das primäre Argument der Freiheitlichen der Bürokratismus und Zentralismus der Brüsseler

EU-Gremien war, von dem man fürchtete, dass er einen Verlust der

österreichischen Identität und Souveränität bedeuten würde. „ Die Fragestellung der Volksabstimmung lau- tete dann im Juni 1994 folgendermaßen: „Soll der Gesetzesbeschluss des Nationalrates vom 5. Mai 1994 über das Bundes-Verfassungsgesetz Bereits von Anbeginn über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union Gesetzeskraft erlangen?“ Diese Frage des ihrer Existenz hatten sich Referendums wurde in allen Stimmbezirken und Bundesländern mit klarer Mehrheit befürwortet. die Freiheitlichen als Eu- Die Wahlbeteiligung war mit durchschnittlich Wahlen zum Europäischen Parlament 1996 82 Prozent relativ hoch, höher als bei der Bundes- ropapartei verstanden. präsidentenwahl des Jahres 1992 und bei den vor- „ hergegangenen Nationalratswahl von 1990. Dies bewies, dass die Wählerschaft der Frage durchaus Partei Stimmen Prozent Mandate Fraktion eine hohe Bedeutung beigemessen hat. ÖVP 1.124.921 29,65 % 7 EVP Eine Klage, die die Beitrittsgegner noch im Juli 1994 beim Verfas- SPÖ 1.105.910 29,15 % 6 SPE sungsgerichtshof einreichten, wurde von diesem als unbegründet ab- gewiesen. Am 1. Jänner 1995 trat Österreich offiziell der Europäischen FPÖ 1.044.604 27,53 % 6 Fraktionslos Union bei. GRÜNE 258.250 6,81 % 1 Grüne LIF 161.583 4,26 % 1 LDR N 48.600 1,28 % Die Freiheitlichen und Forum Handicap 32.621 0,86 % der Europagedanke

Bereits von Anbeginn ihrer Existenz hatten sich die Freiheitlichen als Europapartei verstanden. Kritiker meinten damals, man hätte den alten nationalen Traum vom Anschluss an Deutschland nunmehr so- Die Freiheitlichen lösten sich bis Ende der 1980er-Jahre niemals von zusagen auf Europa hin erweitert. Bereits Ende der 1950er-Jahre kriti- dieser pro-europäischen Position und waren somit über drei Jahrzehnte sierte die FPÖ im Nationalrat den Beitritt Österreichs zur europäischen die einzige österreichische Parlamentspartei, die sich eindeutig für ei- Freihandelszone EFTA auf das Heftigste. Der damalige Klubobmann nen Beitritt des Landes zur Europäischen Gemeinschaft ausgesprochen Willfried Gredler bezeichnete diesen Beitritt als kurzsichtig und für hatte. Noch am 27. November 1987, also bereits unter der Obmann- Österreich schädlich, da bereits damals die EWG der wichtigste Han- schaft Jörg Haiders, brachten die Freiheitlichen im Nationalrat einen delspartner Österreichs war und die EFTA nicht mehr als ein kleiner Entschließungsantrag ein, in dem es hieß, „zum frühestmöglichen Zeit- zusätzlicher Markt. Bereits Ende 1959 stellte die FPÖ einen Antrag im punkt Verhandlungen mit der EG mit dem Ziel des Beitritts Österreichs Nationalrat auf Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft, im darauffol- aufzunehmen“. genden Jahr auf Kündigung des Übereinkommens zur Errichtung der EFTA für den Fall, dass es „nicht gelingen sollte, den Brückenschlag in Auch in den frühen Parteiprogrammen der FPÖ und in anderen Form vertragsmäßiger Beziehungen der EFTA zur Europäischen Wirt- programmatischen Texten war dieses Europabekenntnis ein integraler schaftsgemeinschaft herzustellen“. Da es diesbezüglich keine weiteren Bestandteil des freiheitlichen Freiheitsbekenntnisses. Bereits in ihrem Fortschritte gab, forderte die FPÖ im Jahre 1961 die Kündigung der ersten Programm trat die FPÖ für einen „engen Zusammenschluss der 94 Mitgliedschaft der EFTA. freien Völker und Staaten Europas auf der Grundlage völliger Gleich- 95 Fortsetzung auf Seite 97 ▶ Die Freiheitlichen„ und das Parlament 1995 – 2016 Selbst das Europäische berechtigung und Selbstbestimmung“ ein. Im Ischler Parteiprogramm Parlament ist überdimen- aus dem Jahre 1968 wird das Ziel der FPÖ-Europapolitik als „die Schaf- fung eines europäischen Bundesstaats unter Wahrung der Eigenart sei- ner Völker“ definiert. Im Parteiprogramm des Jahres 1985, das in der sioniert und ermöglicht Ära der Parteiobmannschaft von entstand, hieß es: „Im Streben nach einer größtmöglichen Teilnahme unseres Landes an der keine demokratische europäischen Integration halten wir auch eine Mitgliedschaft Österrei- chs in der EG – selbstverständlich unter dem Neutralitätsvorbehalt – Debattenkultur.­ „ für möglich und notwendig“. Der Beginn der freiheitlichen EU-Kritik Diese integrationsfreundliche Haltung der FPÖ wurde zu Beginn der 90er-Jahre von zunehmend kritischen Tönen abgelöst. Als mit der Unterzeichnung des Vertrages von Maastricht im Februar 1992 der Weg der EU hin zu einem immer zentralistischer werdenden Staatenver- bund eingeschlagen wurde, änderte sich die freiheitliche Haltung zum EU-Beitritt. Auch die Art und Weise, wie SPÖ und ÖVP die Beitritts- verhandlungen führten und in wie geringem Maße sie die österreichi- schen Interessen dabei durchzusetzen vermochten, mag Ursache für den Wandel der freiheitlichen Europapolitik gewesen sein. In der Kampagne zur Volksabstimmung im Juni 1994 plakatierten die Freiheitlichen dann jedenfalls Slogans wie „Nein … zur grenzen- losen Kriminalität“ oder „Nein … zur Transit-Hölle Österreich. Ja zum Schweizer Modell“. Ihre Ablehnungskampagne stand im Wesentlichen „Die EU redimensionieren!“ unter dem Motto „Österreich zuerst“, allerdings postulierte man: „Nein ….zu 15 Milliarden jährlich in dunkle Kanäle“ oder „Nein … zur Ab- schaffung des Schillings“ oder „Nein …zum Abbau der direkten De- Harald Vilimsky, Delegationsleiter der FPÖ mokratie in Österreich“ und Ähnliches mehr. In der Folge hielt man im EU-Parlament den Freiheitlichen vor, sie hätten damals mit künstlicher Panikmache

soziale Netzwerke und andere Wählern haben, nicht diskutiert tionalstaatlichen Kompetenzen Kanäle öffentliche Debatten zu und beantwortet. auf. Die Stimmenzuwächse quer erzwingen. Es ist ein Forum, Daneben wäre zu erwähnen, durch Europa scheinen uns da err Vilimsky, Sie waren ja lang- dadurch nicht wirklich gegeben. Ist das Europaparlament in Ihren um sichGehör zu verschaffen, dass dem Europäischen Parla- Recht zu geben. Und damit zei- Hjähriger Nationalratsabgeordne- Des Weiteren ist die Unmög- Augen ein echtes Parlament oder nur auch für diejenigen, die sonst ment immer noch bedeutende gen und geben wir vor, wohin ter, bevor Sie als Delegationsleiter ins lichkeit für ein Land wie Öster- so etwas wie eine demokratiepolitische vielleicht nicht die Möglichkeit parlamentarische Rechte, wie sich die etablierten Parteien in- EU-Parlament gewechselt sind. Was reich, hier namhaft in Entschei- Fassade, um der Europäischen Union haben, sich entsprechend zu ar- das Recht, Gesetzesinitiativen zu haltlich bewegen müssen, wenn sind die gravierendsten Unterschiede dungsprozesse eingebunden zu den Anstrich einer parlamentarischen tikulieren. lancieren, vorenthalten werden. sie überhaupt überleben wollen. zwischen der parlamentarischen Ar- werden bzw. mitzumachen, zu Demokratie zu geben? Manchmal habe ich auch den Weil zur Zeit orte ich es so, dass beit im nationalen Parlament und der nennen. Weil selbst die den Re- Vilimsky: Das Europäische Eindruck, dass hier Gremien, Welche konkrete parlamenta- eben jene Parteien, die für ein im Europaparlament? gierungsfraktionen angehörigen Parlament ist aus meiner Sicht seien es bestimmte Ausschüsse, rische Arbeit leistet die freiheitliche Europa der Nationalstaaten ein- Harald Vilimsky: Im na- Sozialdemokraten und Christ- überdimensioniert und ermögli- Arbeits- oder Interessensgrup- Delegation im EU-Parlament und treten, die bestimmenden Par- tionalen Parlament herrscht demokraten nicht das Gewicht cht – wie erwähnt – keine einem pen, geschaffen werden, um sich welche konkrete Arbeit leistet die neue teien der Zukunft sein werden eine klassische, parlamenta- haben, Allianzen, die zwischen Parlament normalerweise im- selbst mit Arbeit zu versorgen Fraktion der Freiheitsparteien im und jene ablösen, die den ver- rische Debattenkultur, die es in Deutschland, Frankeich und manente Debattenkultur. Aber und so den EU-Apparat noch EU-Parlament? fehlten Zentralisierungskurs von einem Gremium von 751 Ab- England ausgemacht werden, ein Parlament ohne Debatte weiter aufzublähen. Eine Ten- Vilimsky: Wir sind jene, die jetzt einzementieren. geordneten nicht geben kann. irgendwie beeinflussen zu kön- und ohne Streitgespräch ist kein denz, die man in der Verwaltung parlamentarisch und politisch Die Möglichkeit zu parlamen- nen. Also die Big-Player ma- Parlament. Immerhin gibt es die öfter beobachten kann. Die we- einen Kontrapunkt zur euro- Welche weiteren Parteien aus an- tarischen Kulissengesprächen chen es sich untereinander aus, Möglichkeit, seine politischen sentlichen Fragen, die den Men- päischen Nomenklatura bieten. deren EU-Staaten könnten in näch- über Rechtsmaterien wird im und der Rest schwingt mit. Mein Standpunkte einer breiteren schen jedoch unter der Fingern Wir sind quasi das Salz in der eu- ster Zeit in die Fraktion der patrio- EU-Parlament von den Links- Ziel ist es, dass wir in Österreich Öffentlichkeit darzulegen, in- brennen, werden von der Mehr- ropäischen Suppe und treten ge- tischen Partei aufgenommen werden? 96 parteien, zu denen auch die wieder selbst über rot-weiß-rote dem man die parlamentarischen heit der Abgeordneten, die oft gen weitere Zentralisierung und Vilimsky: Ich sehe großes 97 ÖVP zählt, dominiert und ist Ziele entscheiden können. Möglichkeiten nutzt, um über keine Verbindung mehr zu ihren den weiteren Diebstahl von na- Potenzial im Bereich der Vi- Die Freiheitlichen und das Parlament 1995 – 2016

den EU-Beitritt verhindern wollen und Horrorgeschichten „Marke Wahlen zum Europäischen Parlament 1999 Schildläuse“ und Ähnliches verbreitet. Dass sie mit ihrer Warnung vor der Abschaffung des Schillings durchaus Recht behalten sollten, wurde da eher verschwiegen. Partei Stimmen Prozent Mandate Fraktion SPÖ 888.338 31,71 % (+2,56) 7 (+1) SPE ÖVP 859.175 30,67 % (+1,02) 7 (±0) EVP/ED Die freiheitlichen FPÖ 655.519 23,40 % (−4,13) 5 (−1) Fraktionslos EU-Delegationen GRÜNE 260.273 9,29 % (+2,48) 2 (+1) Grüne in der Ära Haider LIF 74.467 2,66 % (−1,60) 0 (−1) LDR Nach dem offiziellen Bei- CSA 43.084 1,54 % (+1,54) 0 (±0) tritt Österreichs am 1. Jänner des KPÖ 20.497 0,73 % (+0,26) 0 (±0) Jahres 1995 wurden die ersten EU-Abgeordneten zunächst von den Parlamentsklubs aus dem Nationalrat nach deren Stärkever- hältnis nominiert. Nahezu einein- halb Jahre war die FPÖ im Eu- Legislaturperiode des Europäischen Parlaments eigens nur für die Al- ropäischen Parlament somit von penrepublik statt, dabei erreichten die Freiheitlichen 27,53 Prozent und Susanne Riess-Passer, Wolfgang 6 Mandate. Gewählt wurde die Oberösterreicherin Daniela Raschhofer, Nussbaumer und Erich Schreiner die in der Folge auch Delegationsleiterin war und dies bis zu ihrem Aus- Die FPÖ unter vertreten. Matthias Reichhold, der zu Beginn auch entsandt wurde, war scheiden im Jahre 2004 blieb. Weitere Abgeordnete waren der Tiroler Jörg Haider und nur bis 15. Jänner 1996 im Europaparlament, worauf der Klagenfurter Sportwissenschafter Franz Linser, dann der Klagenfurter Klaus Lukas, ­Susanne­ Riess-­ Klaus Lukas nachfolgte. Karl Schweitzer war ebenfalls EU-Abgeord- ehemaliger Leiter Österreich-Werbung, dann der Höchstrichter Ger- Passer wandte sich neter bis 24. April 1996, worauf Franz Linser nachfolgte. Ebenfalls am hard Hager sowie die beiden Journalisten Peter Sichrovsky und Hans gegen den EU-Bei- 24. April 1996 schied Susanne Riess-Passer aus, worauf Wolfgang Jung Kronberger. Letzterer war bis zu seiner Kandidatur für die Freiheit- tritt und die Ein- nachfolgte. lichen in einer bekannten ORF-Sendung tätig gewesen. Die Volkspartei führung des Euro war mit 29,65 Prozent knapp stärkste Partei bei dieser Wahl geworden, Die erste Wahl zum Europäischen Parlament, an der Österreich gefolgt von den Sozialisten mit 29,15 Prozent. Kaum ein Prozent weni- offiziell teilnahm, fand am 13. Oktober 1996 während der laufenden ger hatten die Freiheitlichen, womit drei etwa gleich starke Parteien für

segrad-Staaten, deren patrio- ziehungsweise die dortigen sten EU-Wahl Früchte tragen (4), FPÖ (4), Kongreß der Neu- mittelbar demokratisch legiti- missare werden schlicht nicht tische Parteien derzeit noch EU-kritischen Parteien eben könnten. en Rechten – KNP (2), Vlaams miert ist. gebraucht. in anderen Fraktionen orga- der linken Reichshälfte oder Aber, wie schon erwähnt, Belang (1), Janice Atkinson. Die Kommission, die in Wichtig ist uns auch die Stär- nisiert sind. Es gibt da aber den linken Gruppierungen an- durch den Brexit könnte es zu Später stießen am 15. Juli Wahrheit den Ton angibt, ist kung der direkten Demokratie bereits einen Annäherungs- gehören. Gemeint sind Län- einer Konsolidierung und einer 2015 Laurentiu Rebega (Forta nicht unmittelbar demokratisch und die Einbindung der Bevöl- prozess auf bilateraler Ebene der wie Portugal, Spanien, Reduktion von den derzeit drei Nationala – FN) aus Rumänien legitimiert, maximal mittelbar kerung in Entscheidungspro- zwischen Österreich, also der aber auch Zypern und Malta. EU-kritischen auf zwei EU-kri- und am 01. Mai 2016 Marcus demokratisch legitimiert. Das zesse. Das erlaubt europäische Freiheitlichen Partei, und Re- Im Norden sehe ich aufgrund tische Fraktionen kommen, wo- Pretzell (AfD) aus der BRD hin- System der Lobbyisten, die um Kooperation in einem europä- präsentanten von Parteien aus eines extremen Drucks linker von wir naturgemäß auch profi- zu. ein Dreißigfaches die Zahl der ischen Parlament aber nicht eine den Visegrad-Staaten und eine Medien und der generellen poli- tieren würden. Mandatare überschreitet, ist et- europäische De-facto-Regierung aufkeimende Freundschaft, die tisch-korrekten Tendenz in der Welche inhaltlichen Stoßrich- was, das aufstößt und auch nicht durch die EU-Kommission. vielleicht in eine Partnerschaft Gesellschaft eine gewisse Scheu Es ist Ihnen geglückt, zusammen tungen hat die Arbeit der patriotischen einer gedeihlichen politischen übergehen kann. Und auf der zur Zusammenarbeit mit medi- mit anderen patriotischen Freiheitspar- EU-Fraktion? Entwicklung zuträglich ist. Un- Wie würden Sie das EU-Par- anderen Seite, durch einen aus al als rechts oder rechtspopulis- teien aus EU-Mitgliedsländern eine Vilimsky: Die Hauptstoß- sere Ziele sind somit: Re-Dimen- lament reformieren, wenn Ihre Vor- meiner Sicht unausweichlichen tisch stigmatisierten Parteien. Fraktion im EU-Parlament zu bil- richtung ist die Rückübertragung sionierung der EU-Institutionen stellungen und die Ihrer politischen Kollaps der EFDD-Fraktion Diese Erfahrung mussten wir den, wie sieht diese Fraktion aus? von Kompetenzen an die Mit- und Halbierung der Kompe- Freunde aus den anderen europäischen oder der ECR-Fraktion, viele in Schweden und in Dänemark Vilimsky: Die Fraktion gliedstaaten, bei Anerkenntnis tenzen der EU bei gleichzei- Freiheitsparteien umgesetzt werden neue politisch Suchende am machen. Es gilt aber wohl auch „Europa der Nationen und der dessen, dass sich alle für Koo- tiger Rückverantwortung von könnten? Feld. für Finnland. Freiheit - ENF“ wurde am 15. peration in Europa aussprechen. Kompetenzen an die nationalen Vilimsky: Wie schon er- In Südeuropa ist es ge- Chancen sehe ich allerdings Juni 2015 gegründet. Die Grün- Keiner will die überbordende Parlamente, damit einhergehend wähnt treten wir sowohl für eine nerell schwieriger, da es dort im Baltikum. Dort sind wir gera- dungsmitglieder waren: Front Abtretung von Kompetenzen an auch die Halbierung der Kom- Reduktion der Kompetenzen als 98 derzeit weniger EU-kritische de dabei, sehr gute Kontakte zu National (20 Abg.), ein nebuloses Brüsseler System, mission und die Halbierung des auch der Abgeordneten und Mit- 99 oder rechte Parteien gibt, be- entwickeln, die nach der näch- (5), Partijvoor de Frijheid – PVV das zudem aus unserer Sicht nur EU-Parlaments.Die 28 Kom- arbeiter ein. Das EU-Parlament Die Freiheitlichen und das Parlament 1995 – 2016

Im Spätherbst des Jahres 1997 konnten sie 253.000 Österreicher motivieren, gegen die Einführung des Euro und für die Erhaltung des Schillings ihre Stim- me abzugeben. Dabei verlangte man insbesondere, vor der Einführung des Euros zwingend eine Volksabstim- mung durchzuführen. In der darauffolgenden Debatte im österreichischen Nationalrat erläuterte der freiheit- liche Abgeordnete Krüger, dass dieses Volksbegehren nicht von vornherein auf die Verhinderung des Euro gerichtet wäre, sondern eben auf die Durchführung einer Volksabstimmung, was schon allein deshalb ge- boten gewesen sei, weil „der Schilling ein wichtiger Be- standteil des Gesamtgefüges der österreichischen Ver- fassung“ darstelle. Die FPÖ sei nicht gegen den Euro schlechthin, vertrete aber die Auffassung, dass die Währungsunion zu früh komme, denn die historische Erfahrung lehre, dass eine gemeinsame Währung nicht den Anfang, sondern die Krönung eines Integrations- prozesses darstellen solle. Dies umso mehr – so der freiheitliche Abgeordnete –, als Zweifel daran bestün- den, dass die Konvergenzkriterien von allen 11 Mitglie- dern der Währungsunion nicht nur monetär, sondern tatsächlich wirtschaftlich erfüllt würden. Der damalige Finanzminister Rudolf Edlinger von der SPÖ und der sozialdemokratische Abgeordnete Freiheitliche Österreich im Europäischen Parlament vertreten waren. Auch die Grü- Nowotny, immerhin später der Nationalbankpräsident, Plakate für nen vermochten mit 6,8 Prozent einen Abgeordneten zu entsenden. Die erläuterten hingegen in der einschlägigen Parlaments- den EU-Wahl- Freiheitlichen blieben im Europäischen Parlament von Anbeginn vor- debatte, dass sich Europa und der Euro als ein Hort kampf 2009 läufig einmal fraktionslos. der Stabilität erweisen würden. Wie sehr die freiheit- lichen Warnungen zutreffend waren und wie illusionär An besonderen Aktivitäten setzten die Freiheitlichen in diesen Jah- die Argumente der Sozialdemokraten, sollte sich dann ren in der Europapolitik ein Volksbegehren zur Erhaltung des Schilling. nahezu ein Jahrzehnt später in der Eurokrise drama- tisch zeigen. Die zweite Wahl in Österreich zum Europäischen muss ein Forum des Diskurses Welche Perspektiven haben die liche Mentalitäten unterschied- Parlament fand am 13. Juni 1999 im Rahmen der re- der verschiedenen europäischen europäischen Freiheitsparteien in den liche Systeme notwendig ma- gulären gesamteuropäischen Parlamentswahl statt und Nationen sein. Ein Ort, an dem nächsten Jahren – sowohl was ihre chen bzw. ermöglichen müssen brachten für die Freiheitlichen einen gewissen Rück- man sich trifft, sich kennenlernt, Wirksamkeit in den jeweiligen Na- und nicht der Weg zu „United gang auf 23,4 Prozent der Stimmen und 5 Mandate. sich austauscht und die unter- tionalstaaten betrifft als auch auf ge- States of Europe“ eingeschlagen Diesmal konnten die Sozialdemokraten mit 31,71 Pro- schiedlichen nationalen Posi- samteuropäischer Ebene? werden sollte. zent knapp zur stärksten österreichischen Partei im tionen debattiert und darlegt. Vilimsky: Diese Parteien Und dann gibt es da natürlich Europäischen Parlament aufrücken. Ihnen folgte die Volkspartei mit Bei der EU-Wahl Der direkte Meinungsaustausch sind in den Heimatländern ent- noch den Kampf gegen die Mas- 30,67 Prozent, auch die Grünen konnten mit 9,29 Prozent zulegen. 2004 erlangte schafft Verständnis für die ge- weder schon die Nummer eins senzuwanderung als besonders Die Verteilung der österreichischen Sitze im Europaparlament sah nun- Andreas Mölzer genseitigen Positionen und dient oder am Sprung zur Nummer dringendes und wichtiges The- mehr sieben SPÖ-Abgeordnete, sieben ÖVP-Abgeordnete und eben mit einem Vorzugs- als Basis einer fruchtvollen Koo- eins. Und das ist gerade Aus- ma. Die Sicherung der Außen- fünf FPÖ-Abgeordnete sowie zwei grüne Abgeordnete vor. stimmenwahlkampf peration zwischen den EU-Mit- druck dafür, dass das politische grenzen und der Grenzschutz das einzige frei- gliedstaaten. Pendel, welches in den vergange- sind ein weiteres Thema, das wir Neben der Delegationsleiterin Daniela Raschhofer zogen wiederum heitliche Mandat In einzelnen Fragen, die auch nen Jahren zu weit nach links ganz oben auf der Agenda ha- Gerhard Hager, Peter Sichrovsky und Hans Kronberger ins EU-Parla- nach einer sinnvollen Reform ausgeschwenkt ist, sich jetzt ben. Es muss klar sein, wer über- ment ein, neu dazu kam der Kärntner Steuerberater Wolfgang Ilgenfritz. noch auf EU-Ebene entschieden normalisiert und sich in einer haupt in die EU hereinkommt, Die Freiheitlichen im Europaparlament blieben weiterhin fraktionslos werden, soll das EU-Parlament, Gegenbewegung manifestiert. und bis das funktioniert, brau- und scheuten jeden Kontakt zu anderen patriotischen und rechtsdemo- das ja direkt von den Bürgern Uns verbindet die Forderung der chen wir wieder Grenzkontrol- kratischen Parteien wie etwa dem damaligen Vlaams Block und dem der jeweiligen Staaten gewählt Rückholung von Kompetenzen len unter Führung der National- Front National unter Jean-Marie Le Pen. Geprägt waren die fünf Jahre wird, mitentscheiden und so ein aus Brüssel, die Betonung des staaten, und das flächendeckend. dieser Legislaturperiode im Europäischen Parlament für die österreichi- Korrektiv zum Rat, also der Ver- europäischen Pluralismus und Was mir auch gefiele, wäre schen Freiheitlichen durch die Turbulenzen, in die die Partei im Umfeld 100 sammlung der nationalen Regie- der Vielfalt der Kulturen, die eine temporäre Sistierung der der Ereignisse von Knittelfeld im Herbst 2002 geriet. 101 rungen, bilden. Anerkenntnis, dass unterschied- Arbeitnehmer-Freizügigkeit in Fortsetzung auf Seite 102 ▶ EU-WahlDie F2004reiheitlichen und das Parlament 1995 – 2016

SPÖ ÖVP 33,3 % 32,7 % Die EU-Abgeordneten Gerhard Ha- der einzige Vertreter der FPÖ im ger und Peter Sichrovsky schieden über- EU-Parlament in der Periode 2004 haupt aus der freiheitlichen Delegation bis 2009. und aus der FPÖ aus und Daniela Rasch- hofer zeigte deutliche Präferenzen für Bis 2007 war Andreas Mölzer das Verhalten von Susanne Riess-Passer, im EU-Parlament fraktionslos. Al- Grüne MARTIN 13,9 % Peter Westenthaler und Karl-Heinz Gras- lerdings arbeitete er auf der Basis 12,8 % ser, die ja in der Folge von Knittelfeld die seiner publizistischen Kontakte an FPÖ Partei auch verlassen sollten. der Errichtung eines Netzwerks 6,3 % patriotisch gesinnter Abgeordne- ter im EU-Parlament, insbesonde- re zu jenen des belgischen Vlaams Die EU-Wahl 2004 – Belang, des französischen Front National, der italienischen Lega Neubeginn in Brüssel Nord, der griechischen LA.O.S. und der Dänischen Volkspartei. Am Andreas Mölzer 15. Jänner 2007 gelang es schließlich, die österreichischen Freiheit- betrieb die Annä- Der Absturz der FPÖ in der Wählergunst, der sich bei der National- lichen erstmals in eine europäische Fraktion einzubinden. Unter dem herung zum Front ratswahl Ende 2002 manifestierte, sollte sich naturgemäß auch auf die Namen „Identität, Tradition, Souveränität (ITS)“ schloss man sich National (im Bild drauffolgenden Europawahlen im Juni 2004 auswirken. Zwar rechneten unter der Führung des französischen Front National zu einer eigenen ­Bruno Gollnisch und die Freiheitlichen mit der Erlangung von drei Mandaten, sie positio- Fraktion zusammen. Jean-Marie LePen) nierten als Listenersten den bewährten EU-Abgeordneten Hans Kron- berger, als zweiten den aus der SPÖ kommenden Klagenfurter Rechts- Deren Ziele waren unter anderem die Verhinderung des EU-Bei- anwalt Franz Großmann und als dritten den freiheitlichen Publizisten tritts der Türkei und die Verhinderung einer eigenen EU-Verfassung Andreas Mölzer. sowie die Erhaltung einer europäischen Leitkultur, der nationalen Souveränität und der Traditionen der europäischen Völker. Grundla- Tatsächlich sollte das Wahlergebnis mit 6,31 Prozent der Wähler- ge für die Bildung der neuen Fraktion bildete „die Wiener Erklärung stimmen einen katastrophalen Absturz darstellen. Die FPÖ konnte nur der europäischen, patriotischen und nationalen Parteien und Bewe- noch ein Mandat erlangen, wobei Andreas Mölzer mit einem Vorzugs- gungen“, die bei einem Treffen im Jahr 2005 auf Anregung von Möl- stimmenwahlkampf die beiden Erstgereihten zu überholen vermochte. zer verabschiedet worden war. Die ITS-Fraktion löste sich allerdings Nahezu 22.000 Vorzugsstimmen-Wähler aus dem wohl eher nationalen Ende 2007 wieder auf, da es zu politischen Differenzen zwischen den Bereich der FPÖ-Wählerschaft hatten sich für Mölzer ausgesprochen. rumänischen Mitgliedern und dem italienischen Mitglied Alessandra Hans Kronbergers Versuch, mittels einer Verfassungsklage das Wahler- Mussolini gekommen war. Bei der EU-Wahl gebnis doch noch umzudrehen, scheiterte letztlich. Mölzer war somit 2009 gelang Im Frühjahr 2006 organisierten die Freiheitlichen ein Volksbegeh- eine Verdoppe- ren unter dem Titel „Österreich bleibt frei“, das von den Medien ver- lung des Ergeb- einfachend „Anti-EU-Volksbegehren“ bezeichnet wurde. Es war dies nisses von 2004 Zeiten der Rekordarbeitslosig- lichen politischen Zugangs dient man macht einen Zentralisie- ein starkes bundesweites Lebenszeichen keit. uns als Klammer der Wunsch, rungsschub mit einer gemein- der erneuerten FPÖ unter Heinz-Chris­ den Pluralismus der Kulturen in samen Steuer-, Wirtschafts- und tian Strache, die damals im österrei- In Ihrer EU-Fraktion sind doch Europa zu erhalten. Sozialpolitik – das wollen z. B. chischen Parlament noch nicht einmal recht unterschiedliche Parteien, da sind Außerdem eint uns der Karas und Co –, oder es gibt eine durch eine eigene Nationalratsfraktion etatistische und zentralistische Par- Kampf gegen Massenzuwan- Neuordnung, in der nur mehr vertreten war. Mit 258.000 Unterstüt- teien, wie etwa der französische Front derung, um die gewachsenen jene Staaten im Euro verbleiben, zungserklärungen konnte man immer- National, da sind separatistische Par- Kulturen und Identitäten inner- die eine ähnliche Wirtschafts- hin das Ergebnis des Schilling-Volksbe- teien wie der Vlaams Belang oder halb der EU zu erhalten. Das kraft aufweisen, wie z. B. Öster- gehrens von 1997 übertreffen. regionalistische Gruppierungen wie die ist der zentrale Punkt, von dem reich, Deutschland und Holland Lega Nord, wie bringt man diese un- alles ausgeht. Andere technische und andere nördliche Staaten. terschiedlichen Positionen unter einen Fragen sind da nachrangig. Die Die südlichen Staaten könnten Hut? Frage der Währungsunion zum sich dann zu einer eigenen Wäh- EU-Wahlen 2009 und Vilimsky: Indem wir als Beispiel. Sie ist in der Tat auch rungszone zusammenschließen Klammer unseres politischen wichtig. Da kann man argumen- oder zu ihren eigenen nationalen 2014 – der unauf- Handelns das Ziel definieren, tieren, dass eine gemeinsame Währungen zurückkehren. Kompetenzen aus Brüssel zu- Währung, wenn sie denn funk- Wenn wir aber nicht in der haltsame Aufstieg rück in unsere Heimatregionen tionieren würde, am Weltmarkt Lage sind, die Masseneinwan- Bei der Wahl zum Europäischen Par- und Staaten zu bringen. Das ist durchaus sinnvoll wäre. Da sie derung und die damit einherge- lament am 7. Juni 2009 konnten die Frei- der zentrale Punkt. Wir wollen, nicht funktioniert bzw. zu groß- hende Transformation unseres heitlichen ihr Ergebnis von 2004 auf 12,7 dass die direkte Demokratie wie- en Verwerfungen innerhalb der Kontinents zu stoppen, verlieren Prozent verdoppeln, und neben dem De- 102 der über dem EU-Recht steht. EU führt, gibt es wohl nur noch solche Fragen zunehmend an legationsleiter Andreas Mölzer zog mit 103 Denn trotz eines unterschied- zwei Möglichkeiten: Entweder Bedeutung. ◆ EUD-Wahlie Freiheitlichen 2009 und das Parlament EU-Wahl 2014 1995 – 2016

ÖVP ÖVP 27,0 % 30,0 % dem Oberösterreicher Europäischen Parla- SPÖ Franz Obermayr ein ments teilzunehmen und SPÖ zweiter freiheitlicher profilierten sich als jene 24,1 % FPÖ 23,7 % Abgeordneter ins Parlamentarier, die die EU-Parlament ein. meisten Wortmeldungen 19,7 % MARTIN und schriftlichen Erklä- Grüne 17,7 % In dieser Periode rungen aufzuweisen hat- 14,5 % FPÖ kam es zu einer wei- ten. teren Verdichtung des 12,7 % Grüne von den Freiheitlichen Im Zuge des Wahl- NEOS 9,9 % initiierten Netzwerks kampfes zur EU-Wahl 8,1 % BZÖ zwischen den rechts- im Frühjahr 2014 waren demokratischen, patri- ursprünglich Andreas 4,6 % otischen Freiheitspar- Mölzer und der frei- teien in Europa, wobei heitliche Generalsekre- man auch Kontakte tär Harald Vilimsky als zur PVV des Geert „Doppelspitze“ vorge- Wilders aus den Nie- sehen, nach einer heftigen Medienkampagne gegen Mölzer wegen sei- Nach der EU-Wahl derlanden zu knüpfen vermochte. ner kritischen Aussagen zur Überregulierung in der EU und der Mas- 2014 gelang senzuwanderung aus Schwarzafrika verzichtete dieser schließlich nach FPÖ-Delegationslei- Den Kern der neuen Kooperation, die sich allerdings erst in der zehn Jahren auf seine Wiederkandidatur. Harald Vilimsky erreichte als ter Harald Vilimsky darauffolgenden Parlamentsperiode als parlamentarische Fraktion bil- Spitzenkandidat bei der Wahl am 25. Mai des Jahres 2014 schließlich mit die Bildung einer den sollte, bildeten somit die österreichischen Freiheitlichen, der bel- 19,72 Prozent vier Mandate und eine Verdoppelung der freiheitlichen EU-Fraktion ge- gische Vlaams Belang, der französische Front National, die italienische Präsenz im Europaparlament. Neben Delegationsleiter Harald Vilimsky meinsam mit Ma- Lega Nord und die Holländische Partei für die Freiheit. Zu zahlreichen zog Franz Obermayr neuerlich ins Parlament ein sowie die Wiener Juris­ rine Le Pen, Geert anderen europäischen Freiheitsparteien wurden weitere Kontakte ent- tin Barbara Kappel und der steirische Jurist Georg Mayer. Wilders und Lega wickelt. Trotz ihrer Fraktionslosigkeit vermochten die beiden FPÖ-Ab- Nord-Chef Salvini geordneten in dieser Wahlperiode überaus aktiv an den Debatten des Freiheitliche Abgeordnete zum Europäischen Parlament seit 1995

Name Amtszeit Riess Susanne 01. Jänner 1995 – 24. April 1996 Schweitzer Karl 01. Jänner 1995 – 24. April 1996 Reichhold Mathias 01. Jänner 1995 – 15. Jänner 1996 Nußbaumer Wolfgang 01. Jänner 1995 – 11. November 1996 Schreiner Erich L. 01. Jänner 1995 – 11. November 1996 Jung Wolfgang 26. April 1996 – 11. November 1996 Linser Franz 26. April 1996 – 20. Juli 1999 Lukas Klaus 16. Jänner 1996 – 20. Juli 1999 Raschhofer Daniela 11. November 1996 – 19. Juli 2004 Sichrovsky Peter 11. November 1996 – 19. Juli 2004 Kronberger Johann 11. November 1996 – 19. Juli 2004 Hager Gerhard 11. November 1996 – 19. Juli 2004 Ilgenfritz Wolfgang 20. Juli 1999 – 19. Juli 2004 Mölzer Andreas 20. Juli 2004 – 30. Juni 2014 Obermayr Franz 14. Juli 2009 Vilimsky Harald 01. Juli 2014 Kappel Barbara 01. Juli 2014 104 105 Mayer Georg 01. Juli 2014 Die Freiheitlichen und das Parlament 1995 – 2016

Mit diesen vier Abgeordneten gelang es schließlich am 15. Juni des Jahres 2015, die neue rechts- demokratische Fraktion im Eu- ropaparlament „Europa der Na- tionen und der Freiheit“ – ENF zu bilden. Gründungsmitglieder waren der Front National mit 20 Abgeordneten, die Lega Nord mit fünf Abgeordneten, die Partei für die Freiheit aus Holland mit vier Abgeordneten, die FPÖ mit vier Abgeordneten, der Kongress der neuen Rechten aus Polen mit zwei Abgeordneten, der Vlaams Belang miteinem Abgeordneten und ei- ner britischen Abgeordneten. Im darauffolgenden Jahr sollte noch ein weiterer Abgeordne- ter aus Rumänien und mit Mar- cus Pretzell ein bundesdeutscher Abgeordneter von der AfD dazu stoßen. Die rechtsdemokratische Fraktion im Europäischen Parla- ment hat sich somit zu einer nicht mehr zu übergehenden Kraft entwickelt, wobei die österreichischen Delegationsleiter Freiheitlichen in den beiden Perioden davor unter Andreas Mölzer und Harald Vilimsky nunmehr unter der Federführung von Harald Vilimsky stets eine trei- (Bild Mitte) und Ab- bende und integrierende Kraft darstellen konnten. geordneter Georg Mayer (Bild links) Insgesamt beweisen die Freiheitlichen mit ihrer parlamentarischen mit dem Stabschef Arbeit in Brüssel und Straßburg, dass sie eine der bedeutendsten EU-kri- der freiheitlichen tischen Parteien sind, die konstruktive Reformen der Union einfordern. Delegation Diet- Die freiheitlichen EU-Abgeordneten waren und sind dabei niemals mar Holzfeindt „Feinde Europas“, wohl aber konsequente Warner vor den Irrwegen (im Bild rechts) der real existierenden EU. ◆

Die FPÖ-Delegation im EU-Parlament: Harald Vilimsky, Georg Mayer, Barbara Kap- 106 pel und Franz Obermayr (v. l. n. r.) 107 108 IV Nebenkriegsschauplatz füR einen Volkstribun

Freiheitliche Parlaments­ arbeit­ in der Ära Haider 1986 bis 2005

109 Die Freiheitlichen und das Parlament 1986 – 2005

ie Regierungsbeteiligung der wahlen im Herbst 1984 erlangte man mit 16 Prozent ein für damalige 1986 – 2005 DFreiheitlichen unter Nor- Verhältnisse überraschend gutes Ergebnis. Jörg Haider selbst, der sich bert Steger zwischen 1983 und zwischen 1979 und 1983 im Nationalrat als Sozialsprecher und dyna- 1986 zeitigte einen dramatischen mischer Jungabgeordneter zu profilieren vermochte, überraschte seine Abstieg in der Wählergunst. Die Kritiker mit hoher Sachkompetenz und ausgezeichneter Regierungs- Der Aufstieg Parteibasis und potentielle Wähler arbeit. der FPÖ nahmen die freiheitlichen Parlamentarier nur als Mehrheits- einer freiheitlichen beschaffer für die Sozialisten im Parlament wahr, und auch die frei- Haider setzt sich durch ­Erneuerungsbewegung heitlichen Regierungsmitglieder – immerhin drei Minister und drei Speziell im Jahre 1986 spitzte sich der Konflikt zwischen der Staatssekretäre – vermochten die FPÖ-Bundesparteispitze mit Norbert Steger und einzelnen Bundeslän- blaue Handschrift im politischen dern, insbesondere Kärnten, dramatisch zu. Zeitweise sah es sogar so Geschehen der Republik nicht wirklich durchzusetzen. aus, als würden sich Jörg Haider und die Kärntner Landesgruppe zu einer CSU-Lösung, zu einer gewissen Abkoppelung von der Bundespar- Daher versuchten regionale Gliederungen der FPÖ, ihre jewei- tei entschließen. Die treibenden Kräfte hinsichtlich einer radikalen Um­ ligen Kommunal- und Landtagswahlkämpfe zunehmend eigenständig orientierung der FPÖ-Politik waren die Kärntner, die Oberösterreicher und ohne Unterstützung der Bundesparteispitze, die als Hypothek und die Grazer Freiheitlichen. Dabei stand der erfolgreiche Kärntner verstanden werden musste, zu führen. Am erfolgreichsten war man Parteichef, der immer populärer wurde, im Mittelpunkt vieler Spekula- diesbezüglich wohl in Kärnten, wo Jörg Haider nach dem Abgang von tionen. Mario Ferrari-Brunnenfeld als Staatssekretär nach Wien die Funktion des Landesrates für Tourismus und Gewerbe und in der Folge auch Eine Landesobmännerkonferenz in Salzburg versuchte noch ein- die Führung der Landespartei übernommen hatte. Bei den Landtags- mal, einen Kompromiss zustande zu bringen. Nachdem sich aber in der Bundespartei nichts besserte, ergriffen die oberösterreichischen Frei- heitlichen die Initiative, um eine Reform der Parteispitze zu bewerkstel- ligen. Insbesondere der oberösterreichische Partei-Aufsteiger Norbert

Jörg Haider gab sich von Anbe- Nationalratswahl 1986 ginn seiner Ob- mannschaft als SPÖ Volkstribun ÖVP 43,1 % 41,3 % Mit 18 Abgeord- neten bildeten die Freiheitlichen ihren bislang stärksten Parlamentsklub

FPÖ 9,7 % Grüne 4,8 %

Die XVII. Gesetzgebungsperiode begann am 17. Dezember 1986 und endete am 4. November 1990. Nach der Nationalratswahl vom 23. November 1986 entfielen von 183 Mandaten 80 auf die SPÖ, 77 auf die ÖVP, 18 auf die FPÖ und 8 auf die Grünen. Während der Legislaturperiode waren 231 Mandata- re Mitglied des Nationalrates. 110 111 Die Freiheitlichen und das Parlament 1986 – 2005

Gugerbauer sollte in der Folge beim Obmannwechsel am Innsbrucker Mit Helene Partik-Pablé, Klara Motter und Karin Praxmarer arbei- Parteitag eine wesentliche Rolle spielen. Parteiobmann und Vizekanzler teten auch drei engagierte Damen in der blauen Parlamentsriege. Der Norbert Steger ging in den Bundesparteitag der FPÖ im September Kärntner Alois Huber, der Niederösterreicher Hintermayer und der 1986 mit der Devise, „Garant für eine Fortsetzung der fruchtbaren Re- Steirer Gerulf Murer vertraten das bäuerliche Element. Mit Helmut gierungskoalition“ mit der SPÖ zu sein. Sein Gegenspieler Jörg Haider Krünes, der in der Folge aus der Politik ausschied, Harald Ofner und sei hingegen die Garantie für den Gang der Partei in die Opposition. Holger Bauer (Chef des Ringes Freiheitlicher Wirtschaftstreibender), Dies erschien ihm genug, um die Mehrheit der Parteidelegierten auf aber auch mit dem Salzburger seine Seite zu bringen. Helmut Haigermoser und dem Kärntner Herbert Haupt gab Am 13. September 1986 war es dann in Innsbruck soweit. Ver- es weitere Stützen des freiheit- suche, einen Kompromisskandidaten zwischen Steger und Haider in lichen Nationalratsklubs in der den Kampf zu schicken, scheiterten. Mit nahezu 58 Prozent der Dele- Legislaturperiode zwischen giertenstimmen gewann Jörg Haider die Wahl gegen den amtierenden 1986 und 1990. Parteiobmann, der noch dazu Vizekanzler und Minister war. Damit hat-

te sich in der österreichischen Parteienlandschaft ein Umbruch vollzo- Insbesondere die Unter-

gen. Österreichs Dritte Kraft, die sich seit Jahren, zumindest außerhalb suchungsausschüsse um die „ Kärntens, von Wahlschlappe zu Wahlschlappe ge- Lucona-Affäre, den Noricum– schleppt hatte und von politischen Beobachtern Skandal und den Milchwirt- bereits totgesagt worden war, hatte einen neuen schaftsfonds boten den frei- Die Neuauflage der gro- Anfang gesetzt. Nicht das von Steger-­Anhängern heitlichen Parlamentariern prophezeite Auseinanderbrechen der FPÖ war das Gelegenheit, sich zu profilie- ßen Koalition gab den Ergebnis dieses Innsbrucker Parteitages, sondern ren. Freiheitlichen die Gele- ein starker Neubeginn unter Jörg Haider. Mit der Erschließung neu- genheit, wieder die Rolle er Wählerschichten vermochte Haider das Stimmenpotential der starken Opposition zu Der erste Durchbruch­ der FPÖ dramatisch zu stei- gern. In den späten 1980er-Jah- übernehmen. bei Wahlen ren und frühen 1990er-Jahren „ ergaben soziologische Untersuchungen, dass die FPÖ-Sympathisanten Jörg Haider wech- Die Nationalratswahl vom 23. November immer jünger wurden und die Gruppe der 20- bis 30-Jährigen in der selte vom Parla- 1986 bewies schließlich mit dem Erdrutschsieg der FPÖ unter Jörg neuen FPÖ-Klientel überdurchschnittlich vertreten war. Der Bereich mentsklub in das Haider, dass die österreichische Innenpolitik im Begriffe war, sich der leistungswilligen Aufsteiger, vom Facharbeiter bis zum Jungakade- Amt des Kärntner dramatisch zu verändern. Nahezu zehn Prozent und 18 Mandate miker, wurde im Wählerspektrum der FPÖ immer wichtiger. Überdies Landeshaupt- vermochten die Freiheitlichen zu gewinnen. Die Reaktion der alten vermochte Haider natürlich auch, eine breite Schicht von Protestwäh- manns: hier bei Parteien bestand in einer Neubildung der bereits in den 1960er-Jah- lern anzusprechen, die als kritische Bürger für eine Erneuerung des ös- der Angelobung ren gescheiterten großen Koalition. Dies bedeutete naturgemäß eine terreichischen politischen Systems eintraten. Erneuerung des rot-schwarzen Parteienproporzes und der Partei- buchwirtschaft, und das gab den Freiheitlichen in ihrer wiederum Abgesehen davon aber vermochte die FPÖ seit 1986 auch ihre neuen Rolle als Oppositionspartei Gelegenheit, dagegen medien- Stammwähler aus dem traditionellen nationalliberalen Lager wieder ver- wirksam Sturm zu laufen. Tatsächlich vermochte sich Jörg Haider stärkt an sich zu binden. Haiders Anstöße zum Privilegienabbau und mit den Freiheitlichen nach 1986 als durchschlagskräftiger Vertreter sein Kampf gegen die Parteibuchwirtschaft waren und sind diesem des Bürgerprotestes gegen politischen Filz und Korruption zu pro- Dritten Lager ein zentrales Anliegen. Überdies bewirkte jene Debatte, filieren. die sich rund um das „Gedenkjahr 1988“ – 50 Jahre Anschluss an Hit- ler-Deutschland – entspann, dass die Haider-FPÖ anfangs auch die tra- Mit der Verdoppelung der freiheitlichen Stimmen auf nahezu ditionelle nationale Identität Österreichs als Teil der „deutschen Volks- 500.000 begann die erneuerte FPÖ ihren Weg zur Mittelpartei. und Kulturgemeinschaft“ wiederum stark betonte. Den Nationalratsklub führte Jörg Haider bis zum Sommer 1989 selbst, bis er in der Folge seiner Berufung zum Kärntner Landeshaupt- mann aus dem Parlament ausschied. Ihm zur Seite stand als eine Art 1990 – ein weiterer Wahlerfolg „Klubdirektor“ der parlamentarische Routinier Friedhelm Frischen­ schlager. Gerulf Stix war auch nach der Nationalratswahl vom Die Nationalratswahl vom 7. Oktober 1990 brachte schließlich den 23. Oktober 1986 wiederum zum Dritten Nationalratspräsidenten Beweis, dass die Freiheitliche Partei unter ihrem Parteiobmann Jörg Hai- gewählt worden. Norbert Gugerbauer, der in den ersten Jahren der der zur Mittelpartei geworden war. Mit nahezu 17 Prozent der Wähler- Legislaturperiode die Funktion des Generalsekretärs ausgeübt hatte, stimmen und 33 Mandaten waren die Freiheitlichen nun eine politische übernahm nach Haiders Wechsel in die Landesregierung überaus er- Gruppierung, die sowohl ein ernstzunehmender Koalitionspartner für 112 folgreich die Funktion des Klubobmanns im Nationalrat. jegliche Regierungszusammenarbeit gewesen wäre als auch als Opposi- 113 Die Freiheitlichen und das Parlament 1986 – 2005

tionspartei über alle Möglichkeiten im Nationalrat verfügte. In Kärnten „Das sind Methoden wie im Dritten Reich.“ Im folgenden Wortwechsel gelang es den Freiheitlichen sogar, über 30 Prozent der Wählerstim- zwischen Regierungsbank und Abgeordneten fiel die vielzitierte Aus- men zu erlangen, in Salzburg immerhin nahezu 21 Prozent, relativ am sage des Landeshauptmannes. Der sozialistische Klubobmann erklärte, schwächsten blieb man in Niederösterreich und im Burgenland, wo man Originalzitat: „Was Sie fordern, hat es schon gegeben, aber im Dritten 12 bzw. 11 Prozent der Wählerstimmen erhielt. Reich.“ Darauf Jörg Haider: „Das hat es im Dritten Reich nicht gege- ben, weil im Dritten Reich haben sie ordentliche Beschäftigungspolitik Die Nationalratswahl vom Oktober 1990 zeitigte im Grunde be- gemacht, was nicht einmal Ihre Regierung in Wien zusammenbringt, das reits das Ende des seit 1945 existierenden Zwei-Parteien-Systems. Die muss man auch einmal sagen.“ bipolare einander in rot-schwarzer Proporzpartnerschaft verbundene Parteienlandschaft der Zweiten Republik und die „Geheimregierung“ Obwohl der freiheitliche Landeshauptmann unmittelbar darauf die- der Sozialpartnerschaft in ihrer bisherigen Form waren damit deutlich in se Äußerung mit dem Ausdruck des Bedauerns zurücknahm und die Frage gestellt. Wenn man die starke freiheitliche Opposition, die Wäh- Kärntner Volkspartei als Koalitionspartner der Freiheitlichen am dar- ler der Grünalternativen und die Verweigerer, also Nichtwähler, zusam- auffolgenden Tag erklärte, dass für sie die Angelegenheit erledigt sei, hatten die Parteistrategen in Wien die Möglichkeit erkannt, dem frei- heitlichen Experiment in Kärnten ein Ende zu bereiten. Bereits am 15. Der Aufstieg der FPÖ setzte Juni bot die SPÖ der Volkspartei als schwächster Partei im Kärntner Nationalratswahl 1990 Landtag den Landeshauptmann ohne Bedingungen an. Innerhalb der sich bei der Nationalratswahl SPÖ 1990 ungebremst fort 42,8 % Die XVIII. Gesetzgebungsperiode begann am ÖVP 5. November 1990 und endete am 6. November 32,1 % 1994. Nach der Nationalratswahl vom 7. Oktober 1990 entfielen von den 183 Mandaten 80 auf FPÖ die SPÖ, 60 auf die ÖVP, 33 auf die FPÖ und 10 16,6 % auf die Grünen. Während der Legislaturperiode Grüne VGÖ waren 233 Mandatare Mitglied des Nationalra- 4,8 % 2,0 % tes. 1993 spalteten sich fünf Nationalratsab- geordnete von der FPÖ ab und gründeten das Liberale Forum.

menzählte, konnte man erkennen, dass die große Koaliton kaum mehr die Zweit-Drittel-Mehrheit der österreichischen Bevölkerung hinter sich hatte. Diese Tatsache dürfte für die Strategen in den roten und schwarzen Parteisekretariaten wohl auch der Anlass gewesen sein, den erfolgreichen Oppositionsführer Jörg Haider, der gleichzeitig Regierungsverantwor- Kärntner Bevölkerung sorgte die darauffolgende Abwahl Jörg Haiders Mit Heide Schmidt tung in Kärnten zeigte, wie die Erneuerungspolitik der FPÖ konkret für große Unruhe. als Dritter National- aussehen sollte, politisch zu „liquidieren“. Spätestens im Frühjahr des ratspräsidentin und Jahres 1991 scheint sich das politische und mediale Establishment Ös- Jörg Haider selbst arbeitete damals eine kürzere Zeit noch als stell- Norbert Gugerbauer terreichs darauf geeinigt zu haben, einen Anlass zu suchen, um Jörg vertretender Landeshauptmann in Kärnten weiter, um dann wieder in als ­Klub­obmann bil- Haider vom Stuhl des Kärntner Landeshauptmannes zu stoßen, um – den Nationalrat nach Wien zu wechseln, wo er Norbert Gugerbauer als dete Landeshaupt- so glaubte man zumindest – seine politische Karriere damit insgesamt Klubobmann ablöste. Dies führte in der Folge dazu, dass der überaus mann Haider eine zu beenden. kompetente Parlamentarier Gugerbauer binnen Jahresfrist aus dem Par- Art Triumvirat an lament und der Politik überhaupt ausschied. der Spitze der FPÖ Erste Anzeichen für diese Strategie gab es bereits im Herbst 1990 in Kärnten selbst, wo die ÖVP hinter dem Rücken des freiheitlichen Koali- Die vormalige Generalsekretärin der Partei Heide Schmidt war seit tionspartners mit den Sozialisten über eine Änderung der Referatsauftei- 1990 Dritte Nationalratspräsidentin. Nach grundlegenden Meinungs- lung in der Landesregierung verhandelte. Am 13. Juni 1991 war es dann verschiedenheiten mit Haider um die inhaltliche Ausrichtung der Partei soweit: Während einer kritischen Betrachtung von Landeshauptmann verließ sie mit vier weiteren, sich als liberal definierenden FPÖ-Abge- Jörg Haider im Kärntner Landtag zu den Zumutbarkeitsbestimmungen ordneten im Jahre 1993 den Klub und gründete eine eigene Partei. Aus- im Arbeitslosenversicherungsgesetz provozierte der sozialistische löser der Trennung war wohl das von Jörg Haider initiierte Volksbegeh- 114 ­Klubobmann den FPÖ-Obmann mit der unglaublichen Unterstellung: ren „Österreich zuerst“. 115 Fortsetzung auf Seite 117 ▶ Die Freiheitlichen und das Parlament „ 1986 – 2005 In vielen Dingen haben wir in der Präsidiale durchaus Die Nationalratswahlen gut zusammengearbeitet, von 1994 und 1995 Der Aufstieg der FPÖ unter Jörg Haider schritt dessen ungeachtet intern im Klub hatte ich voran. Bei der Nationalratswahl des Jahres 1994 steigerte sich die FPÖ weiter auf 22,9 Prozent und konnte mit 42 Abgeordneten in den Na- ­einiges an Schwierigkeiten. tionalrat einziehen. Ein Jahr später, nach der vorgezogenen Neuwahl des Jahres 1995, hatte sie zwar einen geringfügigen Rückgang auf 21,9 Prozent zu verbuchen und den Verlust eines Abgeordneten hinzuneh- „ men, dafür aber konnte sie vier Jahr später bei der Nationalratswahl im Oktober 1999 mit knapp 27 Prozent zweitstärkste Partei hinter den So- zialdemokraten werden und 52 Abgeordnetenmandate gewinnen. Der Aufstieg der Haider-Partei zur Mittelpartei mit Themenführerschaft im Lande verlief also im Zuge der 1990er-Jahre völlig ungebremst. Ihre parlamentarische Bedeutung erhöhte sich dementsprechend in gleicher Weise. Naturgemäß konnten die immer stärker werdenden Freiheitlichen im Nationalrat zunehmend Aufmerksamkeit erregen und politische Er- folge erzielen. Sie knüpften damit an die parlamentarische Arbeit ihrer Vorgänger an, die seit 1956 hervorragende Abgeordnete gestellt hat- ten. Insbesondere die Klubobleute – zuerst Norbert Gugerbauer, dann Jörg Haider – lieferten immer wieder rhetorische Glanzleistungen im „Die Sozialdemokratie konnte Plenum des Nationalrates. Aber auch in den Ausschüssen leisteten die damals in Fundamentalopposition stehenden FPÖ-Abgeordneten be- unsere Stärke nicht anerkennen“ merkenswerte Arbeit. Beispielsweise in der Person des späteren Verteidigungsministers Vizekanzler a. D. Herbert Haupt über Herbert Scheibner, der lange Zeit den Obmann im Landesverteidi- gungsausschuss innehatte und dabei wesentliche Akzente setzen konn- seine Zeit als Dritter Präsident des te. Oder etwa in Person des späteren Dritten Nationalratspräsidenten Nationalrates 1994 bis 1996 Willi Brauneder, der als Fraktionsführer der Freiheitlichen im Wissen-

ie waren von 1994 bis 1999 Drit- sche und auch die Wünsche des die Quadriga. Dann hätte man er sich damals geweigert hat, ei- der hatte. Ich war der unbezahl- aufgrund der sachlichen Nähe in Ster Präsident des Nationalrates für Personals der einzelnen Klubs sich auch einiges an Steuergeld nen Stadtratssitz aufgrund inne- te Klubobmann­ und Stadler war vielen Punkten – die Arbeitneh- die Freiheitlichen. Wie war damals die dementsprechend unterzubrin- für den österreichischen Steuer- rer Querelen in Baden abzuge- der honorierte. Stadler hat eben- merrechte, Konsumentenschutz, Rolle des Freiheitlichen Parlaments- gen. Und damals ist bereits die zahler ersparen können. ben, was ihm von den Wählern falls diese Position angestrebt, aber auch Tierschutz – lieber mit klubs im Parlament, wie war man da Diskussion aufgekommen, das in Baden übel angerechnet wor- was er dann schlussendlich auch uns zusammenarbeiten als mit aufgestellt? Parlament zu renovieren und Wie ging es für Sie persönlich wei- den ist. geworden ist, woraufhin es in- der ÖVP. Aber schlussendlich Herbert Haupt: Wir waren barrierefrei zu gestalten. Die da- ter? tern im Klub einiges an Reibe- hat die Ausgrenzung auch über damals drittstärkste Fraktion maligen Kosten waren in Schil- Haupt: Ich bin ja dann in Sie haben schon kurz erwähnt, dass reien gegeben hat. die Zeit Vranitzkys hinaus – also im Parlament, hatten damit den ling deutlich geringer als die der Wahl zum Dritten Präsi- es im Parlament 1994, als Sie Präsi- dem freiheitlichen, dem Dritten Dritten Nationalratspräsident heutigen Kosten in Euro, aber denten 1996 im ersten Wahlgang dent geworden sind, durch die Abspal- Die FPÖ war in den 1990er-Jah- Lager gegenüber – in der Sozi- und einen Sitz in der Volks- letztendlich ist es auch durch das offensichtlich von einem Teil tung des Liberalen Forums Probleme ren am Weg von der Kleinstpartei be- aldemokratie gehalten, und erst anwaltschaft bekommen. Als Verhalten des damaligen Ersten meiner Partei nicht mehr un- mit den Räumlichkeiten gegeben hat. reits zur Mittelpartei. Inwieweit haben in den letzten Tagen scheint es Dritter Nationalratspräsident Präsidenten und späteren Bun- terstützt worden, weil ich mich Wie war aber politisch die Stimmung, das die anderen Parteien, insbesondere wieder zu vernünftigen Gesprä- war ich damals intern für die despräsidenten nicht dazu ge- damals eben für das weitaus abseits dieser Raum-Frage? SPÖ und ÖVP, akzeptiert, oder wie- chen zu kommen. Wir haben ja Raumaustattung zuständig, was kommen, dass man sich hier mit ­kostengünstigere Sanierungsmo- Haupt: In vielen Dingen ha- weit hat man da im parlamentarischen 1991 Gespräche mit der Sozial- im Zusammenhang mit dem Li- einem Beschluss durchsetzen dell des Parlaments eingesetzt ben wir in der Präsidiale durch- Betrieb zu kämpfen gehabt? demokratie wegen einer Regie- beralen Forum, Wünschen von konnte. Man hat lieber einmal habe, und dann ist nach dem aus gut zusammengearbeitet, Haupt: Es war damals so, rungsbildung gehabt, aber das den Grünen und der damaligen die vor entsprechender Zeit an- zweiten Wahlgang der Dritte intern im Klub hatte ich einiges dass die Ausgrenzung von Vra- Entgegenkommen seitens der Situation, dass es auch einige gebrachten Quadrigas am Dach Nationalratspräsident an Willi an Schwierigkeiten mit Ewald nitzky gegen uns immer noch voll Sozialdemokratie, uns und unse- wilde Abgeordnete gegeben renoviert, anstatt das zu machen, Brauneder gegangen, der damals Stadler, mit dem ich – bevor ich wirksam war, und daher inner- re Stärke als zweitstärkste Partei hat, einiges an Arbeit in diesem was man sinnvollerweise hätte neu im Parlament war. Er hat am Dritter Präsident geworden bin – halb der Sozialdemokraten eine im Parlament anzuerkennen, hat 116 Bereich erfordert hat. Mit Fin- machen müssen, nämlich zuerst Ende der Legislaturperiode 1999 eine gemeinsame Klubführung gespaltene Situation herrschte es damals noch nicht gegeben, 117 gerspitzengefühl, um alle Wün- das Dach zu sanieren und dann seinen Sitz wieder verloren, weil als Stellvertreter vom Dr. Hai- Viele Gewerkschafter wollten war noch nicht vorhanden. ◆ Die Freiheitlichen und das Parlament 1986 – 2005

schaftsausschuss ebenso wie Michael Krüger und später Martin Graf wesentlichen Einfluss auf universitätspolitische Entscheidungen zu nehmen vermochte. Nationalratswahl 1994

Als echte Sternstunden des Parlamentarismus kann man die letzten SPÖ Sitzungen der XIX. Gesetzgebungsperiode im Jahre 1995 bezeichnen: 34,9 % Die XIX. Gesetzgebungsperiode begann am Nachdem das Arbeitsklima innerhalb der großen Koalition damals ei- ÖVP 7. November 1994 und endete am 14. Jänner nen vorläufigen Tiefpunkt erreicht hatte, sah sich Vizekanzler Wolfgang 27,9 % 1996. Nach der Nationalratswahl am 9. Oktober FPÖ Schüssel, der gleichzeitig ÖVP-Obmann war, genötigt, ein vermeint- 1994 entfielen von 183 Mandaten 65 auf die liches Hoch für die ÖVP in den Meinungsumfragen auszunutzen und 22,5 % Neuwahlen zu provozieren. Dabei glaubte man von Seiten der Volkspar- SPÖ, 52 auf die ÖVP, 42 auf die FPÖ, 13 auf die tei keine Rücksicht mehr nehmen zu müssen, weshalb es innerhalb die- Grünen und 11 auf das LIF. Während der Legis- ses Zeitraums zur weitgehenden Aufhebung des jeweiligen Klubzwangs laturperiode waren 218 Mandatare Mitglied des Grüne LIF und zu wirklich freien Abstimmungen seitens der sozialdemokratischen 7,3 % Nationalrats. und christkonservativen Abgeordneten kam. Die ansonsten immer wie- 6,0 % der geführten Scheindebatten, die durch Klubzwang und Koalitionsdis- ziplin geprägt waren, wichen in dieser kurzen Zeit der sachlichen Argu- mentation, und es ergaben sich die ungewöhnlichsten Kooperationen in den verschiedensten Bereichen, was zu wechselnden Mehrheiten im Plenum führte. Auch die freiheitliche Opposition profitierte von dieser Situation, weil ihre Vorschläge nicht von vornherein aus taktisch-po- litischem Kalkül niedergeschmettert wurden, sondern nach Maßgabe ihrer sachlichen Vertretbarkeit diskutiert werden konnten. Nationalratswahl 1995 Haider bei einer Diese Abstimmungspraxis führte beispielsweise im November TV-Konfrontation 1995, also wenige Wochen vor der vorverlegten Nationalratswahl, mit SPÖ Die XX. Gesetzgebungsperiode begann am vor der National- den Stimmen der ÖVP, der Freiheitlichen und der Grünen zu einer No- 38,1 % ratswahl 1994 vellierung des Bundesfinanzgesetzes 1995, mit dem nicht unerhebliche 15. Jänner 1996 und endete am 29. Oktober ÖVP 1999. Nach der Nationalratswahl am 17. De- 28,3 % FPÖ zember 1995 entfielen von 183 Mandaten 71 21,9 % auf die SPÖ, 52 auf die ÖVP, 41 auf die FPÖ, 10 auf das LIF und 9 auf die Grünen. Während der Legislaturperiode waren 227 verschiedene Man- Grüne LIF datare Mitglied des Nationalrats. 4,8 % 5,5 %

Budgetüberschreitungen bewilligt wurden. Insgesamt wurden damals drei Gesetze mit wechselnder Mehrheit gegen den jeweiligen Koali- tionspartner beschlossen – das war ein wirkliches Novum im Hohen Haus und sollte sich dann nicht mehr so bald wiederholen.

Die freiheitliche Parlamentsriege ­während der schwarz-blauen Koalition

Bei den Nationalratswahlen vom 3. Oktober 1999 verloren sowohl die Sozialdemokraten als auch die Volkspartei. Fast 5 Prozent büßte die SPÖ ein, 1,4 Prozent die ÖVP, deren Obmann Wolfgang Schüssel 118 vor der Wahl erklärt hatte, im Falle von Stimmenverlusten würde er aus 119 Fortsetzung auf Seite 126 ▶ Die Freiheitlichen und das Parlament 1986 – 2005

als Träger von Privatrechten. den. Die befragten Regierungsmitglieder sind unter gleichzeitiger Bekanntgabe des The- Kontrollrechte bestehen ge- selbstverständlich zur wahrheitsgetreuen Be- mas verlangt wird. In der Aktuellen Stunde, genüber der Bundesregie- antwortung der an sie gerichteten Anfragen die einer Aussprache über Themen von allge- Fundamentalopposition und rung und ihren Mitgliedern verpflichtet. meinem aktuellen Interesse aus dem Bereich auch in Bezug auf Unterneh- Die Themen freiheitlicher Anfragetätigkeit der Vollziehung dient, können weder Anträge mungen, an denen der Bund sind inhaltlich vielfältig und in ihrer politischen gestellt noch Beschlüsse gefasst werden. In parlamentarische Kontrolle mit mindestens 50 Prozent Grundtendenz vielfach mit den Schwerpunkten Sitzungen, die mit einer Aktuellen Stunde be- des Stamm-, Grund- oder Ei- der Antragsaktivität vergleichbar, die in einem ginnen, findet auch keine Fragestunde statt. genkapitals beteiligt ist und eigenen Abschnitt ausführlich analysiert wer- Als erster Redner gelangt in der Regel der in der Ära Haider 1986–1999 die der Kontrolle des Rech- den soll. Mehr als die Entschließungen und ­Erstunterzeichner des Vorschlags mit einer Re- nungshofes unterliegen. Gesetzesvorschläge aber sind vor allem die dezeit von zehn Minuten zu Wort. Das zustän- schriftlichen Anfragen regional bzw. lokal aus- dige Mitglied der Bundesregierung oder der zu Die schriftliche Anfrage: gerichtet. Wort gemeldete Staatssekretär muss jeden- Anfragen, die ein Abgeord- falls eine einleitende Stellungnahme abgeben. m erfolgreich Oppositionspolitik betreiben neter innerhalb einer Tagung an die Bundes- Die Fragestunde: Sofern keine „Aktuelle Die Redezeit aller weiteren Teilnehmer darf Uzu können, müssen entsprechend wirk- regierung oder eines ihrer Mitglieder richten Stunde“ stattfindet, beginnt in der Regel jede nicht länger als fünf Minuten betragen, wobei same Instrumente zur Verfügung stehen. Tat- will, sind dem Präsidenten schriftlich mit min- sächlich sieht die österreichische Bundesver- destens vier Abschriften zu übergeben. Sie fassung Kontrollfunktionen des Nationalrates müssen mit den eigenhändig beigesetzten vor, die sich auf den Bereich der Verwaltung Unterschriften von wenigstens fünf Abgeord- des Bundes erstrecken. Die Kontrolle der Ver- neten, den Fragesteller eingeschlossen, ver- waltung durch das Parlament basiert dabei sehen sein und sind dem Befragten durch die auf dem Prinzip der Trennung der Staatsfunk- Parlamentsdirektion mitzuteilen. Fragesteller tionen, das neben dem demokratischen, repu- können ihre Anfragen schriftlich bis zum Ein- blikanischen, bundesstaatlichen und rechts- langen der Beantwortung beim Präsidenten staatlichen Prinzip zu jenen fünf Baugesetzen zurückziehen. Der Befragte hat innerhalb von der Verfassung gehört, die gleichsam die Fun- zwei Monaten nach Übergabe der Anfrage an damente des staatlichen Handelns bilden, auf den Präsidenten mündlich oder schriftlich zu denen alle anderen Rechtsnormen aufbauen antworten. Ist dem Befragten eine Erteilung und deren Abänderung oder Aufhebung einer der gewünschten Auskunft nicht möglich, so Totaländerung der Verfassung gleichkäme. hat er dies in der Beantwortung zu begründen. Hier die Bundesregierung an der Spitze der Fragen, die vornehmlich die Haushaltsfüh- Verwaltung, dort das Parlament, welches die rung des Bundes betreffen, können auch an Verwaltung begleitend überwacht. Da hier nur den Präsidenten des Rechnungshofs gestellt die vom Nationalrat selbst ausgeübte Kontrol- werden. le interessiert – und hier vornehmlich die der FPÖ –, werden die Aufsichtsfunktionen, welche Die Dringliche Anfrage: Es kann auch auf der Bundesrat oder andere dem Parlament zu- der dringlichen Beantwortung einer schrift- geordnete Einrichtungen wie der Rechnungs- lichen Anfrage bestanden werden. Dazu müs- hof oder die Volksanwaltschaft wahrnehmen, sen fünf Abgeordnete vor Eingang in die Ta- nicht weiter behandelt. gesordnung verlangen, dass eine zum selben Sitzung des Nationalrates mit einer Fragestun- in der Regel von jedem Klub zwei Redner zu Zeitpunkt einzubringende schriftliche Anfrage de. Sie soll 60 Minuten nicht überschreiten, Wort gelangen sollen. an ein Mitglied der Bundesregierung vom Fra- kann aber vom Präsidenten verlängert wer- gesteller nach Erledigung der Tagesordnung, den. Häufen sich die Anfragen, so kann zu de- Die Sondersitzung: Ein besonders schar- Die Opposition als spätestens um 15 Uhr, frühestens aber drei ren Behandlung eine eigene Sitzung des Nati- fes Instrument, um auf Missstände in der Stunden nach Eingang in die Tagesordnung, onalrates angesetzt werden. Vollziehung oder auf vermeintliche Fehlent- Fragestellerin mündlich begründet wird und hierauf eine Zusammenfassend kann festgestellt wer- wicklungen im Bereich politischer Grund- Debatte über den Gegenstand stattfindet. Pro den: Wenngleich die Interpellation als Recht satzentscheidungen hinzuweisen, ist die Ein ausgezeichnetes Mittel, Regierung und Jahr und Abgeordneten darf aber nur ein sol- der parlamentarischen Minderheit konzipiert Sondersitzung, die in der Diktion der Parla- Bürokratie begleitend zu kontrollieren, ist für ches Verlangen gestellt werden. ist, wird sie auch von Vertretern der Regie- mentsdirektion etwas holprig als „eine auf jede Opposition das Frage- oder Interpellati- rungsmehrheit als Instrument in Anspruch ge- Verlangen einer Minderheit von Abgeordne- onsrecht. Der Nationalrat ist befugt, die Ge- Die mündliche Anfrage: Jeder Abgeord- nommen. ten einberufene Sitzung des Nationalrats“ be- schäftsführung der Bundesregierung zu über- nete kann in den Sitzungen des Nationalrates zeichnet wird. Sie bietet eine ausgezeichnete prüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände kurze mündliche Anfragen an die Mitglieder Die Aktuelle Stunde: Die Plenarbera- Möglichkeit, die Regierung unter Ausnutzung der Vollziehung zu befragen und alle einschlä- der Bundesregierung richten, wobei das be- tungen einer Sitzungswoche werden mit einer aller rhetorischen Kniffe an den medialen gigen Auskünfte zu verlangen. Diesem Frage- fragte Mitglied verpflichtet ist, die Anfragen Aktuellen Stunde eingeleitet, wenn dies von Pranger zu stellen. recht unterliegen insbesondere Regierungs- mündlich in derselben Sitzung, in der sie auf- fünf Abgeordneten schriftlich bis spätestens Ob gerechtfertigt oder übertrieben, das 120 akte sowie Angelegenheiten der behördlichen gerufen werden, zu beantworten. Eine etwaige 48 Stunden vorher – Samstage, Sonntage und Fernsehen ist dabei, und die Zeitungen brin- 121 Verwaltung oder der Verwaltung des Bundes Nichtbeantwortung ist jedenfalls zu begrün- gesetzliche Feiertage nicht eingerechnet – gen Schlagzeilen – und das zählt. Die Freiheitlichen und das Parlament 1986 – 2005

Sondersitzungen finden außerhalb des FPÖ Privilegienabbau und Be- Das Entschließungsrecht: Der Nationalrat zu formulieren und die Gesetzeskonformität normalen Parlamentsalltags statt – „außer lastungspaket (19. 2. 1996) kann seinen Wünschen über die Ausübung der der an sie herangetragenen Ministerwünsche Konkurrenz“ sozusagen – und unterliegen Vollziehung gegenüber der Bundesregierung zu überprüfen, sind die Möglichkeiten der Ab- einer strengen Kontingentierung. Der Präsi- FPÖ Arbeit für Öster- und ihren Mitgliedern durch Entschließungen, geordneten, selbständige Gesetzesanträge zu dent des Nationalrates ist verpflichtet, unter reich (19. 4. 1996) auch Resolutionen genannt, Ausdruck geben. stellen, beschränkt. Neben der mühsamen For- Einhaltung von Fristen eine Sondersitzung Inhalt einer solchen Entschließung ist zumeist mulierung komplizierter Gesetzestexte in kor- einzuberufen, wenn dies unter Angabe eines FPÖ Arbeitsplätze und Aus- der Wunsch des Nationalrates an die Bundes- rektem Juristendeutsch in einem sogenannten Themas 20 Abgeordnete verlangen, wobei länderpolitik (14. 6. 1996) regierung, sie möge ein bestimmtes Gesetzes- Initiativantrag bleibt ihnen nur der als Wunsch jeder Abgeordnete ein solches Verlangen nur vorhaben vorbereiten und dem Nationalrat als formulierte Entschließungsantrag. Sie können einmal im Jahr unterstützen darf. Gehören FPÖ Umfassender Privi- Regierungsvorlage zuleiten. Entschließungsan- auf keinen Beamtenapparat zurückgreifen, einem Klub weniger als 20 Abgeordnete an legienabbau (1. 7. 1996) träge sind, wenn sie von mindestens fünf Ab- ihre Ressourcen sind beschränkt. Sie werden – was etwa bei den Grünen oder beim Libe- geordneten einschließlich des Antragstellers gewöhnlich bloß von den jeweiligen Fachrefe- ralen Forum im Untersuchungszeitraum der ÖVP Privatisierung von Bank unterstützt werden, in die Verhandlung einzu- renten ihrer parlamentarischen Klubs sowie Fall war –, so kann ein solches Verlangen ein- Austria und CA (31. 12. 1996) beziehen. Die Unterstützung erfolgt, wenn die von ihren persönlichen Mitarbeitern unter- mal pro Jahr dennoch gültig gestellt werden, Anträge nicht von fünf Abgeordneten unterfer- stützt. Zudem bleiben den Abgeordneten der wenn dieses von allen Abgeordneten, die FPÖ Stopp dem Ausverkauf tigt sind, auf die Unterstützungsfrage des Prä- Opposition auch die informellen Kanäle in jene einem solchen Klub angehören, unterstützt der österr. Wirtschaft (7. 2. 1997) sidenten durch Erheben von den Sitzen. Die Ministerien versperrt, die etwa Abgeordnete wird. Auch in diesem Fall darf aber kein Ab- Verabschiedung von Entschließungen erfolgt der Regierungsparteien aus naheliegenden geordneter mehr als ein solches Verlangen Grüne Reg. zu Gentechnik- u. in Form eines Beschlusses des Nationalrates. Gründen in Anspruch nehmen können. unterstützen. Wie bei der Aktuellen Stunde Frauenvolksbegehren (1. 4. 1997) Für diesen Beschluss – der keinen Gesetzes- Die Bundesverfassung und die Geschäfts- spielt auch bei der Sondersitzung die Präsi- beschluss darstellt! – ist in der Regel die An- ordnung des Nationalrates sehen vor, dass dialkonferenz eine wichtige Rolle. Der Präsi- LiF Pol. Verantwortung f. Kurden- wesenheit von mindestens einem Drittel der die in den Ministerien formulierten Gesetzes- dent des Nationalrates legt dort Termin und morde 1989 (25. 4. 1997) Mitglieder und die unbedingte Mehrheit der ab- vorhaben als Ministerialentwürfe bzw. – nach Tagesordnung der Sitzung fest, wobei er das gegebenen Stimmen erforderlich. Es handelt dem vorgesehenen Begutachtungsverfahren verlangte Thema zu berücksichtigen hat. FPÖ Roter und schwarzer sich also um einen Mehrheitsbeschluss. – als Regierungsvorlagen dem Parlament ­Postenschacher (26. 5. 1997) Während die Bundesregierung und die zugeleitet werden. Während die Abgeordne- Themen und Daten der Sondersitzungen Bundesministerien über eigene legistische ten der Regierungsparteien zumeist bestens in der „Ära Haider“ FPÖ Arbeitsplätze und Abteilungen verfügen, die ausschließlich da- informiert sind, ist die Opposition auch hier Pensionen (23. 9. 1997) mit beschäftigt sind, komplexe Gesetzestexte im Nachteil. So hat man nicht nur die freiheit- XVII. Gesetzgebungsperiode Keine Sondersitzungen Grüne Grenznahe Atomanla- gen, EU-Atompolitik (6. 3. 1998) Selbständige Anträge von Entschließungs­ XVIII. Gesetzgebungsperiode Abgeordneten der FPÖ in der Initiativanträge anträge Grüne, FPÖ, LiF Wirtschaftskrise und FPÖ Stopp den Einkom- XX. Gesetzgebungsperiode Arbeitsplatzverluste (31. 5. 1993) menskürzungen (6. 2. 1999) Wirtschaft (Privatisierung, Privilegien, 65 14 Grüne, FPÖ, LiF Nationalbank-An- Grüne Tod des Flüchtlings Mar- teile der SPÖ an AK (13. 5. 1993) cus Omofuma (4. 5. 1999) Steuern) Soziales (Gesundheit, Konsumenten- 48 20 XIX. Gesetzgebungsperiode FPÖ Vorsorge im Katastro- schutz, ASVG, Beamte) FPÖ Missstände im Sozial- u. phen- u. Zivilschutz (31. 5. 1999) Gesundheitswesen (15. 11. 1994) Infrastruktur (Verkehr, ÖBB, Wohnbau) 35 6 LiF Umsetzung des Frauenvolks- Landwirtschaft (Forst-, Bergwesen, 27 16 FPÖ Österr. Landwirtschaft begehrens (29. 6. 1999) Umwelt, Tierschutz) nach EU-Beitritt (12. 1. 1995) In den letzten Jahren dieser Periode war Bildung (Wissenschaft, Forschung, 27 8 FPÖ Steuerlüge und Korrup- ein exponentielles Ansteigen der Zahl von Schule, Kultur) tion in Bundesreg. (26. 1. 1995) Sondersitzungen zu verzeichnen. Ob die infla- Verfassung (Justiz, innere & äußere 25 22 tionäre Inanspruchnahme der Sondersitzung – FPÖ Konsum-Pleite (16. 3. 1995) mitunter durch besonders geschickte Ausle- Sicherheit) gung der Nationalrats-Geschäftsordnung – Familie (inklusive Frauenthemen) 13 4 FPÖ Gefährdung des Rechts- demokratiepolitisch bedenklich war, weil sie Sport 8 2 staats durch Bundesreg. (28. 4. 1995) möglicherweise zu einer Abstumpfung und Entwertung dieses Instruments führte, bleibe Europa (EU, Außenpolitik, Entschädi- 6 3 FPÖ Ausverkauf der österr. ­ dahingestellt. Im „Wettbewerb“ mit den konkur- gungsfragen) Wirtschaft (25. 9. 1995) rierenden Oppositionsparteien schnitt die FPÖ Randthemen jedenfalls am besten ab. Allein in der XIX. Ge- (Migration, Minderheiten, 6 5 122 FPÖ Kampf um Arbeits- setzgebungsperiode wurden alle sieben Son- Sekten) 123 plätze (22. 1. 1996) dersitzungen von den Freiheitlichen beantragt. Gesamtsumme 260 100 Die Freiheitlichen und das Parlament 1986 – 2005

liche Opposition des Öfteren mangelhaft, viel ebenso hierher wie Anträge zur Reform des formulierten Gesetzesvorschlägen, ist zum reich der Bundesverwaltung. Aus verfassungs- zu spät oder gar nicht in das Begutachtungs- Beamtendienstrechts. Beispiel eine einschneidende Reform des Fa- rechtlicher Sicht ist jedoch ein Anlass dieser verfahren eingebunden. Infrastruktur: Die verkehrspolitischen For- milienlastenausgleichsgesetzes. oder ähnlicher Art nicht erforderlich, um vom Da die XX. Gesetzgebungsperiode für die derungen reichen vom „Schutz Gesamtöster- Europa: Die Anträge konzentrieren sich auf Untersuchungsrecht Gebrauch zu machen. Ära Haider in den 1990er-Jahren am besten reichs vor dem Transitverkehr“ über die die Umsetzung des EU-Rechts, auf die vertrag- Der Beschluss des Plenums des Nationalrates dokumentiert ist und für den gesamten Zeit- Schaffung strengerer Abgasvorschriften bis liche Ausgestaltung des Subsidiaritätsprinzips über die Einsetzung eines Untersuchungsaus- raum von 1987 bis 1999 repräsentativ ist, zur Auflösung der beiden noch bestehenden sowie auf die Senkung der Beitragszahlungen. schusses und über dessen korrekte Aufgaben- soll sie hier pars pro toto näher beleuchtet Straßenbausondergesellschaften. Zahlreiche Auch die Entschädigung von Opfern des Na- stellung ist ein Mehrheitsbeschluss. werden. Es ergibt sich – quantitativ wie qua- Anträge befassen sich mit punktuellen Verbes- tionalsozialismus, eine Allparteienforderung, Die einzigen Untersuchungsausschüsse litativ – ein vielschichtiges Bild. Um es eini- serungen der Infrastruktur, andere etwa mit wird wegen ihrer internationalen Relevanz die- innerhalb der freiheitlichen Oppositionsphase germaßen adäquat wiederzugeben, ist eine der kompletten Neuorganisation der österrei- sem Politikbereich zugewiesen. der „Ära Haider“ tagten in der XVII. Gesetzge- Eingrenzung der parlamentarischen Tätigkeit chischen Elektrizitätswirtschaft. Sport: Entschließungen zur Bewerbung bungsperiode: in wenige Politikbereiche sinnvoll. Landwirtschaft: Hier geht es unter ande- Klagenfurts als Austragungsort der Olym- • Der „Lucona“-Ausschuss sollte die poli- Bei den Entschließungsanträgen führen rem um die Reduzierung von Umweltbelas­ pischen Spiele 2006 gehören ebenso hierher tischen Verantwortlichkeiten im Zusammen- Wirtschafts- vor Sozialthemen. Randthemen tungen, um die Gewährung von Umweltförde- wie zwei Gesetzesanträge zur Objektivierung hang mit dem gerichtlichen Strafverfahren in

wie die Migrationspolitik bilden das Schluss- rungen für Altlastensanierung sowie um die des Bundes-Sportförderungsgesetzes, welche der Causa Lucona sowie die angebliche Über-

licht. Förderung erneuerbarer Energien. Ferner wird der parteipolitischen Verfilzung, vor allem in lassung von Sprengmitteln an Udo Proksch „ die Bundesregierung aufgefordert, auf die EU den Sportdachverbänden, ein Ende bereiten klären. Er trat vom 21. August 1988 bis zum

einzuwirken, keine Kredite für den Ausbau der soll. 27. Juni 1989 in insgesamt 38 Sitzungen zu-

Bei den Entschlie- Kernenergie zu vergeben. Der Tierschutz wird Randthemen: Anträge betreffen hier einen sammen. Helene Partik-Pablé fungierte als Ob- als Bundeskompetenz formuliert. Auch das strengeren Vollzug des Fremden- und Asyl- „ Mineralrohstoffgesetz ist Gegenstand von Ge- gesetzes, die Beseitigung von „Fehlentwick- ßungsanträgen führ- setzesvorschlägen. lungen in der Fremdenpolitik“, Maßnahmen ten Wirtschafts- und Bildung: Anträge im Schulbereich zielen gegen Sekten und „destruktive Kulte“, die Der ‚Lucona‘-Ausschuss auf eine gesetzliche Verankerung der Hochbe- Arbeit der Historikerkommission zur Sichtung Sozial­themen. Die Migra- gabtenförderung ab, im Wissenschaftsbereich österreichischer Archive oder „die Landesver- demonstrierte die Ver- werden eine Novellierung des Universitäts-Stu- weisung und die Übernahme des Vermögens tionspolitik war noch ein diengesetzes sowie des Studienförderungs- des Hauses Habsburg-Lothringen“. flechtungen zwischen gesetzes und organisationsrechtliche Ände- Randthema. rungen im Universitätsbereich gefordert. Auf Der Untersuchungsausschuss: Der Natio- dem politischen Estab­ „ dem Forschungssektor tritt man für die Inten- nalrat kann durch Beschluss Untersuchungs- sivierung der internationalen Forschungs- und ausschüsse einsetzen. Den Rahmen legt das lishment und Udo Wirtschaft: Zahlreiche FP-Entschließungs- Technologiekooperation ein. Auch das Ausset- Bundes-Verfassungsgesetz fest, die nähere anträge fordern steuerliche Erleichterungen, zen der Rechtschreibreform wird thematisiert. Regelung hinsichtlich der Einsetzung und ­Prokschs Gaunerpartie. etwa den Wegfall der Besteuerung von Über- Verfassung: Anträge auf diesem Sektor des Verfahrens wird durch das Geschäftsord- „ stunden oder die steuerliche Begünstigung betreffen „Ausbesserungen“ am Bundes-Ver- nungsgesetz getroffen. Aufgabe solcher Aus- nicht entnommener Gewinne, andere rich- fassungsgesetz, eine Änderung der Strafpro- schüsse ist die Erforschung und Aufklärung mannstellvertreterin und einzige Freiheitliche. ten sich gegen Privilegien und das von der zessordnung sowie eine Novellierung des Me- von Vorgängen im Bereich der Bundesverwal- • Ein weiterer Untersuchungsausschuss rot-schwarzen Koalition geschnürte „Bela- diengesetzes. In den Bereich Justiz fällt das tung. Der Untersuchungsausschuss kann bei wurde im Zusammenhang mit Exporten von stungspaket“. Initiativanträge zur Reform der Verlangen nach mehr „Schutz unserer Kinder seinen Ermittlungen unter anderem Personen Kriegsmaterial in den Irak und Iran als krieg- Gewerbeordnung zielen auf Entlastung von vor Kindesmissbrauch und Kinderpornogra- als Zeugen vorladen und einvernehmen sowie führende Staaten eingesetzt. Er sollte klären, Wirtschaftstreibenden ab. Die auf umfassende phie“, im den Bereich innere Sicherheit fallen Akten von Behörden anfordern. Die Gerichte wie es zur Umgehung der im Kriegsmaterialge- Privatisierung und Entbürokratisierung gerich- strukturelle Änderungen in Polizei und Gen- und alle anderen Behörden sind verpflichtet, setz vorgesehenen Kontrollen gekommen war teten Anträge verfolgen das Ziel, Leistung wie- darmerie. Auf dem Sektor der Landesvertei- dem Ersuchen dieser Ausschüsse um Beweis­ und welche politischen Verantwortlichkeiten der besser zu belohnen. Die Anträge gegen digung werden im Wesentlichen die Erhöhung erhebungen Folge zu leisten; alle öffentlichen gegeben waren. Dieser Untersuchungsaus- „Postenschacher und Freunderlwirtschaft“ des Landesverteidigungsbudgets, der Beitritt Ämter haben auf Verlangen ihre Akten vorzu- schuss trat vom 13. Oktober 1989 bis zum ­ sowie gegen „Schutzgeldzahlungen“ im Be- Österreichs zur NATO sowie die Verbesserung legen. Die Ergebnisse der Untersuchung wer- 2. April 1990 zusammen. Der einzige Freiheit- reich der Wirtschaftskammer Österreich sind der Vorsorge für den Katastrophen- und Zivil- den in einem Bericht des Ausschusses an das liche im Ausschuss war Herbert Haupt, er fun- ebenso wie die auf Kontrolle der politischen schutz beantragt. Plenum des Nationalrates zusammengefasst. gierte als Obmannstellvertreter. Parteien und parlamentarischen Klubs abzie- Familienpolitik: Hier konzentriert sich die Sanktionen, zum Beispiel in Form der Verhän- • Der in dieser Periode letzte Untersu- lenden Entschließungen der Versuch, partei- Entschließungstätigkeit darauf, die Freiheit- gung von Strafen, der Verpflichtung zum Scha- chungsausschuss befasste sich mit allfäl- politische Verfilzungen und Korruption zu - be lichen als Familien-Partei zu positionieren: Im denersatz oder der Amtsenthebung, kann der ligen Unzukömmlichkeiten im Bereich des enden. Bereich der Entschließungsanträge werden Untersuchungsausschuss nicht verhängen. Milchwirtschaftsfonds und insbesondere mit Soziales: Im Sozial- und Gesundheitsbe- beispielsweise die Ausdehnung des Karenz- Seine Tätigkeit besteht vielmehr in der Durch- der Frage, ob und in welchem Ausmaß Bau- reich werden neben konkreten medizinischen geldanspruches auf alle Eltern unabhängig führung von Ermittlungen zum Zweck der Infor- ern und Konsumenten geschädigt wurden. Der Lösungen vor allem Umstrukturierungen im von der Erwerbstätigkeit, die Einführung des mation des Nationalrats. Die Einsetzung von ­Untersuchungsausschuss trat in der Zeit von Spitalswesen oder Reformen im Pensions- und Kinderbetreuungsschecks und die Erhöhung Untersuchungsausschüssen erfolgt zumeist 12. Oktober 1989 bis 2. April 1990 zusam- 124 Sozialversicherungssystem gefordert. Verbes- des „Mutter-Kind-Pass-Bonus“ gefordert. Ge- aus Anlass des Verdachts von Unregelmäßig- men. Norbert Gugerbauer fungierte damals 125 serungen im Konsumentenschutz gehören genstand von Initiativanträgen, also von aus- keiten oder rechtswidrigen Vorgängen im Be- als Obmann stellvertreter für die FPÖ. Die Freiheitlichen und das Parlament 1986 – 2005

Die parlamentarische Enquete: Das par- der Regierung ausscheiden und in die Oppo- Der freiheitliche lamentarische Untersuchungsrecht ist vom sition gehen. Dennoch konnten die Sozial- Klubobmann Pe- Enqueterecht zu unterscheiden. Der Haupt- demokraten mit 33,15 Prozent den Platz als ter Westenthaler ausschuss des Nationalrates kann auf An- ­stärkste Nationalratswahl halten, die FPÖ und ÖVP-Pendant trag eines seiner Mitglieder die Abhaltung mit 26,91 Prozent rückte an die zweite Stelle (im einer parlamentarischen Enquete zwecks vor, ganz knapp gefolgt von der Volkspartei. Bild ein Jahrzehnt Einholung schriftlicher Äußerungen sowie An- Das Liberale Forum unter Heide Schmidt nach ihrem parla- hörung von Sachverständigen und anderen scheiterte an der 4-Prozent-Hürde und mentarischen Wir- Auskunftspersonen über Angelegenheiten, schied aus dem Parlament aus, die Grünen ken) dominierten in denen die Gesetzgebung Bundessache ist, konnten zulegen und erreichten 7,4 Prozent. den Nationalrat beschließen! Es handelt sich dabei um reine Informationsveranstaltungen, die mit der Tä- Damit hatte der Aufstieg der FPÖ unter tigkeit von Untersuchungsausschüssen nichts Jörg Haider ihren Höhepunkt erreicht. Als zu tun haben. zweitstärkste Kraft mit dem Spitzenkandi- Parlamentarische Enqueten finden lau- daten Thomas Prinzhorn, den Jörg Haider, fend zu den verschiedensten Themen statt. da er selbst Landeshauptmann war, ins Ren- Sie werden meist konsensual zwischen den nen geschickt hatte, konnte sie 52 National- einzelnen Fraktionen vereinbart. Sie dienen ratsmandate besetzen. Die Koalitionsver- sowohl der Informationsbeschaffung wie der handlungen zwischen SPÖ und ÖVP über wissenschaftlichen Untermauerung des ei- eine Verlängerung der seit 1986 bestehen- genen politischen Willens, zumal ein Teil der den Regierungszusammenarbeit scheiterten eingeladenen Experten von den Parteien nomi- allerdings. Angeblich deshalb, da die Volks- niert wird. In Abwandlung von Vorspanntexten partei das Finanzministerium beanspruch- eines vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingesetzten bei Kriminalfilmen könnte man sagen: Eine et- te, was die SPÖ ablehnte. SPÖ-Obmann dreiköpfigen Weisenrates aufgehoben. Während dieser Sanktionszeit waige Übereinstimmung zwischen politischem , der bisherige Bundeskanzler,­ stiegen die Umfragewerte der Regierungskoalition, und viele Österrei- Standort der jeweiligen Fraktion und der Fach- trat in der Folge zurück und schied aus cher solidarisierten sich mit der FPÖ-ÖVP-Koalition. Andererseits kam meinung der von ihr nominierten Auskunfts- der Politik aus. Nunmehr nahm die ÖVP es durch die langanhaltende Protestbewegung der linken Parteien und person ist nicht zufällig. Verhandlungen mit der FPÖ auf, und am der Zivilgesellschaft zu einer starken Polarisierung in der Wählerschaft. 4. Februar 2000 kam es tatsächlich zur Bil- Das Misstrauensvotum: Der Nationalrat dung der Bundesregierung Schüssel I. Dies kann der gesamten Bundesregierung oder war die erste freiheitlich-christlich-konserva- einzelnen ihrer Mitglieder durch Misstrau- tive Koalition, und Wolfgang Schüssel war, Die Nationalratszwillinge ensvotum das Vertrauen versagen. In die- obwohl er nur der drittstärksten Partei im sem Fall ist die Bundesregierung bzw. das Nationalrat vorstand, der erste ÖVP-Bun- Khol/Westenthaler betreffende Regierungsmitglied durch den deskanzler seit den Jahr 1970. Dies war Bundespräsidenten ihres bzw. seines Amts nur möglich, da Jörg Haider wie gesagt als Herbert Scheibner, der nach dem Ausscheiden Jörg Haiders aus zu entheben. Zu einem Beschluss des Natio- Kärntner Landeshauptmann gebunden war, dem Nationalrat wegen dessen Berufung zum Kärntner Landeshaupt- nalrates, mit dem das Vertrauen versagt wird, und der FPÖ-Chef die Möglichkeit sah, die mann im Jahre 1999 den Klubobmann übernommen hatte, machte mit ist ein Mehrheitsbeschluss erforderlich, der SPÖ-ÖVP-Zusammenarbeit zu unterbin- der Regierungsbildung Platz für Peter Westenthaler. Scheibner selbst eine Überrumpelung der Regierungsmehrheit den, indem er der dramatisch geschwächten wurde Verteidigungsminister, während Susanne Riess-Passer Vizekanz- durch Ausnützung von Zufallsmehrheiten ver- ÖVP den Kanzler zugestand. lerin, Karl-Heinz Grasser Finanzminister, zuerst Michael Krüger dann hindern soll. Das Misstrauensvotum gilt als Dieter Böhmdorfer Justizminister und die Kärntnerin Elisabeth Sickl Ultima ratio parlamentarischer Demokratie Das Kabinett der schwarz-blauen Koa- Sozialministerin wurde. Herausragende Parlamentarier in der neuen und wird entsprechend selten in Anspruch lition wurde von Bundespräsident Thomas 52-köpfigen Parlamentsriege waren die Oberösterreicherin Anna-Elisa- genommen. Innerhalb der vier untersuchten Klestil nur mit deutlich geäußertem Wider- beth Achatz, der Vorarlberger Reinhard Eugen Bösch, der Kärntner Ar- Gesetzgebungsperioden wurden alle einge- willen angelobt, überdies lehnte er im Vor- beitnehmervertreter Sigisbert Dolinschek, der Wiener Martin Graf, der brachten Misstrauensanträge abgelehnt. Zu feld der Regierungsbildung die FPÖ-Politi- Steirer Udo Grollitsch, der Wiener Berufsoffizier Wolfgang Jung, der den „Scharfmachern“ der freiheitlichen Riege ker Thomas Prinzhorn und Hilmar Kabas steirische Historiker Gerhard Kurzmann, der oberösterreichische Arzt in Sachen Vertrauensentzug gehörten neben mit fadenscheinigen Begründungen ab. Die Alois Pumberger, der Oberösterreicher Rüdiger Schender, der Kärntner Jörg Haider die damaligen Klubobmänner Nor- Regierungsbeteiligung der FPÖ löste starke Kurt Scheuch sowie der Steirer Leopold Schöggl und der Tiroler Gil- bert Gugerbauer und Ewald Stadler sowie die Proteste in Teilen der österreichischen Be- bert Trattner. Von den langgedienten routinierten Abgeordneten waren Abgeordneten Herbert Scheibner, Karl Schweit­ völkerung und auf diplomatischer Ebene Helmuth Haigermoser, Herbert Haupt, Harald Ofner und Helene Par- zer und Gilbert Trattner. aus. Außenpolitisch wurde die neue Bundes- tik-Pablé sowie der Steirer Leopold Schöggl weiter im Nationalratsklub Insgesamt konnten die Freiheitlichen in regierung mit Sanktionen von 14 EU-Staa- tätig. Zum Zweiten Präsidenten des Nationalrates wurde der Spitzen- den 1990er-Jahren während des Aufstiegs der ten belegt, diese beschränkten den Kontakt kandidat des Wahlkampfes Thomas Prinzhorn gewählt, er vermochte FPÖ zur Mittelpartei und zur stärksten Opposi- zur österreichischen Bundesregierung auf insbesondere in der wirtschaftspolitischen Neuorientierung und Stand- tion im Nationalrat eine rege parlamentarische das Nötigste, allerdings wurden diese Sank- ortpolitik der blau-schwarzen Regierung in der Folge bedeutende Ak- 126 Arbeit und Wirksamkeit entfalten. ◆ tionen wenige Monate später auf den Rat zente zu setzen. 127 Fortsetzung auf Seite 129 ▶ Die Freiheitlichen und das Parlament „ 1986 – 2005

Die beiden Regierungsparteien wurden im Nationalrat einerseits Der Klub ist der politische von Peter Westenthaler auf der freiheitlichen Seite und andererseits von Andreas Khol von Seiten der ÖVP geführt. Der routinierte Parlamen- Kopf einer Partei – viel- tarier Khol verstand es, den freiheitlichen Klubobmann nicht nur in die gemeinsame Parlamentsarbeit einzubinden, sondern – so konnte der kritische Beobachter den Eindruck haben – auch durchaus für seine leicht nicht der strate- politischen Zwecke einzusetzen und zu nützen. Unter den von Andreas Khol ausgegebenen Motto „Speed kills“ und „der lange Marsch durch gische, sondern vor allem die Wüste Gobi“ führte die Bundesregierung, unterstützt von freiheit- lichem und ÖVP-Parlamentsklub, zahlreiche Reformen durch, die bis der inhaltliche. heute unumstritten die Stärkung des Wirtschaftsstandorts Österreich ­zeitigte. Dennoch stießen die Reformen der Regierung auf der linken Seite des politischen Spektrums auf heftige Ablehnung, bis heute wer- „ den diese Maßnahmen kontrovers diskutiert, obgleich man auf bürger- licher Seite die zahlreichen Reformagenden nach wie vor positiv bewer- tet und Wolfgang Schüssel als „Wendekanzler“ sieht. Ähnlich wie Andreas Khol im Verhältnis zu Peter Westenthaler verstand es Wolfgang Schüssel meisterlich, die Vizekanzlerin Susan- ne Riess-Passer für seine politischen Ziele einzuspannen. Dennoch ist es unbestreitbar, dass die blau-schwarze Koalition zwischen 2000 und 2002, also in ihren ersten beiden Regierungsjahren, Hervorragendes für „Auch in der Regierung war das Land zu leisten imstande war. der Klub wesentlich“ Geschwächt nach Knittelfeld Nach der Implosion der regierenden FPÖ rund um die Ereignisse Peter Westenthaler über seine Klub­ von Knittelfeld im Frühherbst des Jahres 2002 und dem Rücktritt eines Großteils der freiheitlichen Führungsriege kam es am 24. November obmannschaft 2000 bis 2002 zur 2002 zu Neuwahlen, dabei war die ÖVP klarer Wahlsieger und wurde Zeit der „Wendekoalition“

ie Freiheitlichen sind im Jahr worden ist, die herausfinden Westenthaler: Das war na- Jahren hat diese Regierung so der österreichischen formellen lich in dieser Zeit konkrete, D2000 unter Jörg Haider gemein- sollte, ob wir denn wirklich alle türlich eine Umstellungsphase. viel umgesetzt wie keine ande- Demokratie-Organisation, die politische Vorhaben in Geset- sam mit der ÖVP in die sogenannte mit Messer und Gabel essen Sowohl bei mir selber vom Ge- re Regierung in der Geschichte ziemlich einzigartig ist in Euro- zestexte umsetzen konnte und Wende-Koalition eingetreten. Wie war können und nicht fürchterliche neralsekretär und jahrelangen bisher. Deshalb ist man letztlich pa, dass nämlich nicht das Par- man miterlebt hat, dass Ideen, aus Ihrer Sicht die Stimmung damals? Rechtsextremisten sind. Da dem politischen Frontkämpfer einer nicht sehr viel zum Nachden- lament Gesetze macht, sondern die man einbringt oder die man Peter Westenthaler: Es ja nicht so war, hat sich heraus- Oppositionspartei zum staats- ken über Stilfragen gekommen, die Regierung, und der legislative schon ins Koalitionsprogramm war eine enorme Aufbruchsstim- gestellt, dass alles in Ordnung ist. tragenden Klubobmann, was sondern wir haben erfolgreich Part somit bei der Regierung geschrieben hat, auch zur Um- mung, in der Bevölkerung eine Der Druck von außen, der von nicht in einem Tag geschieht, gearbeitet. liegt. Dies begründet sich in den setzung gelangt sind. echte Wende-Stimmung, endlich Vertretern des eigenen Landes sondern seine Zeit dauert. Es personellen Ressourcen der Mi- Ich denke da etwa an mein weg von der großen Koalition – erzeugt worden ist, hat auf jeden war – mit 52 Abgeordneten – Der freiheitliche Klub war in der nisterien, wo Gesetze formuliert Lieblings-Baby, das ist die „Ab- hin zu etwas Neuem. Und das Fall eine Solidarisierungswelle in der größte Nationalratsklub der Phase der Opposition ein wesentliches und diktiert werden und dann fertigung neu“, oder auch die war für uns sehr motivierend. Es Österreich ausgelöst und somit Freiheitlichen aller Zeiten bis- Element der politischen Bewegung. Ist dem Parlament zur Diskussion, Gesetze zur Ermöglichung von gab ja immer eine Außenstim- hat uns das beim Start auch sehr her, und es hat mich überrascht, die Bedeutung des Klubs dann wäh- Begutachtung und Beschlussfas- Privatradio und Privatfernse- mung und eine Innenstimmung geholfen. wie schnell das dann letztlich rend der Regierungsarbeit gesunken, sung übermittelt werden. Das ist hen, bis hin zum Null-Defizit, im Land. Die Außenstimmung, doch gegangen ist, dass wir ins waren da dann die Ministerbüros im bis heute so. Wir haben ein eher das ja bis jetzt auch unerreicht die erzeugt worden ist von Tei- Sie waren 2000 bis 2002 Klub­ Arbeiten gekommen sind. Aber Vordergrund? beschränktes Parlament, das ist. len der abgetretenen Regierungs- obmann in dieser Phase. Der freiheit- man hat auch nicht viel nach- Westenthaler: Politisch weder die Ressourcen noch das Da gab es einige Glanz- parteien, die im Ausland Stim- liche Parlamentsklub war davor fast denken können, denn unser war der Klub der Kopf. ÖVP-­ Budget hat, selbst umfassende lichter, die bleiben, die man aus mung gegen diese Regierung 15 Jahre lang auf eine kantige Oppo- Ziel war, unsere Gegner Lügen Klubobmann Andreas Khol und Gesetzesvorhaben zu formulie- der Opposition nicht umsetzen erzeugt hat. Wir erinnern uns an sitionspolitik getrimmt. Wie hat sich zu strafen und in kürzester Zeit ich – wir waren ja in alle Regie- ren, was eigentlich normalerwei- konnte. In jedem Fall hatte der die EU-Sanktionen, an die drei- dann die Umstellung von der Opposi- das Regierungsprogramm abzu- rungsgremien eingebunden, se so sein sollte. Parlamentsklub auch in der Re- 128 köpfige Überprüfungs-Kom- tionsarbeit auf die Arbeit als Regie- arbeiten, was uns auch gelun- genau genommen als Haupt- Der wirkliche Unterschied gierungszeit immer einen hohen 129 mission, die zusammengestellt rungsfraktion gestaltet? gen ist, denn in den ersten zwei koordinatoren. Es liegt aber an damals war, dass man tatsäch- Stellenwert. Die Freiheitlichen und das Parlament 1986 – 2005

Nationalratswahl 1999 Nationalratswahl 2002 Die XXII. Gesetzgebungsperiode begann am SPÖ Die XXI. Gesetzgebungsperiode begann am ÖVP 42,3 % 20. Dezember 2002 und endete am 29. Oktober 33,2 % 29. Oktober 1999 und endete am 19. Dezember SPÖ ÖVP FPÖ 2006. Nach der Nationalratswahl vom 24. No- 2002. Nach der Nationalratswahl am 3. Oktober 36,5 % 26,9 % 26,9 % vember 2002 entfielen von den 183 Mandaten 1999 entfielen von 183 Mandaten 65 auf die 79 auf die ÖVP, 69 auf die SPÖ, 18 auf die FPÖ SPÖ, je 52 auf die ÖVP und die FPÖ und 14 auf und 17 auf die Grünen. Durch die Spaltung der die Grünen. Während der Legislaturperiode wa- FPÖ 2005 wurde der Klub der Freiheitlichen am ren 218 verschiedene Mandatare Mitglied des Grünen FPÖ Grüne 28. April 2006 in „Klub der Freiheitlichen-BZÖ“ Nationalrates. 10,0 % 9,4 % LIF 7,4 % LIF umbenannt. Die Mitglieder des Klubs gehörten 3,7 % 0,9 % teilweise der FPÖ bzw. dem BZÖ an oder waren parteilos.

seit der Nationalratswahl 1966 erstmals wieder stimmenstärkste Partei. diese dann wieder an Herbert Scheibner abzugeben. Die freiheitliche Die Freiheitlichen verloren gut zwei Drittel ihrer Wähler, was nicht nur Parlamentsmannschaft war jetzt allerdings nunmehr von 52 Mandaten auf die Ereignisse von Knittelfeld zurückzuführen war, sondern auch auf 18 Mandate reduziert worden und die FPÖ verfügte nur mehr über auf das Verhalten ihrer ausgeschiedenen Führungspersönlichkeiten, 10 Prozent der Wählerstimmen. die allesamt aus dem engeren Mitarbeiter- und Dunstkreis Jörg Haiders stammten. Insbesondere die Tatsache, dass Finanzminister Karl-Heinz Für die Freiheitliche Partei zogen ins österreichische Parlament ein: Grasser nunmehr für die ÖVP kandidiert wurde, dürfte sich ausgewirkt Elke Achleitner, Dieter Böhm­dorfer, Reinhard Eugen Bösch, Josef haben, aber auch die Haltung der ehemaligen Vizekanzlerin Susanne Bucher, Sigisbert Dolinschek, Maximilian Hofmann, Elmar Lichte- Riess-Passer und die des vormaligen Klubobmannes Peter Westenthaler. negger, Eduard Mainoni, Detlev Neudeck, Thomas Prinzhorn, Bar- bara Rosenkranz, Mares Rossmann, Herbert Scheibner, Uwe Scheuch, Diesem folgte als Klubobmann für wenige Monate der vormali- Karl Schweitzer, Maximilian Walch, Klaus Wittauer und Helene Par- ge Sportstaatssekretär Karl Schweitzer in der Klubführung nach, um tik-Pablé. Fortsetzung auf Seite 134 ▶

Welche Initiativen konnte man da Und wir haben damals die Und vielleicht haben wir inhaltliche. Wir hatten dort wirk- nicht jeder die gleiche Aufmerk- konkret aus parlamentarischer Sicht Zuwanderungspolitik auf völlig bei der Besetzung von Minis­ lich ausgezeichnetes Personal, samkeit erzielen konnte, wobei umsetzen? neue Beine gestellt, was mit un- teramtern oder auch dem Per- das haben wir so beibehalten, verständlich ist, dass jeder einzel- Westenthaler: Wie gesagt serem Partner gar nicht so ein- sonal dahinter nicht immer die da ist der eine oder andere dazu ne eine Erfolgsbilanz vorweisen war da die „Abfertigung neu“, fach war. So haben wir den In- ideale Wahl getroffen, zumal es gewachsen, aber im Wesent- und seinen Bereich in den Vor- die es möglich gemacht hat, dass tegrationsvertrag eingeführt und schwierig war, Persönlichkeiten lichen sind wir mit denselben dergrund stellen möchte. Da ist man Arbeitnehmeransprüche im die Zuwanderung im Wesent- zu finden, die sich für die FPÖ Referenten, die wir vorher in der es schon immer wieder zu Reibe- Rucksack mitnehmen hat kön- lichen sehr stark eingedämmt. hinstellen wollten. Darüber hi- Opposition hatten, auch in den reien gekommen – weniger unter nen, sich flexibel auszahlen las- naus konnten wir nicht auf all- Regierungsklub gestartet. Dabei den Abgeordneten als zwischen sen kann – das war sicherlich ein Neben diesen Höhepunkten: zu große Personalressourcen darf ich einen hervorheben, der Klub und Regierungsmann- Meilenstein. Dann die Finanz- Kann man im Nachhinein auch sagen, zurückgreifen, wie es etwa SPÖ ja danach kompetente Berühmt- schaft. Um nicht zur Abstim- und Budgetgesetze, wo wir das damals Fehler begangen zu haben? und ÖVP tun können, die ihre heit erlangt hat: Josef Moser, der mungsmaschine zu verkommen, Null-Defizit umsetzen konn- Westenthaler: Natürlich Kader in den Gewerkschaften spätere RH-Präsident, war mein war es die Kunst, dass eben der te. Wir haben auch ein neues haben wir auch Fehler gemacht, und Kammern heranzüchten. Klubdirektor, der hervorragende Klub und seine Abgeordneten in ORF-Gesetz gemacht, und einen vor allem in der Kommunikati- Arbeit geleistet hat und der dem die Entstehung von Gesetzen ein- Schritt in Richtung Entpolitisie- on, aber das ist auch irgendwie Stichwort Personal: Wie funk- frisch gefangenen Westenthaler – gebunden wurden. Das ist nicht rung gesetzt, indem aktive Poli- logisch, weil wir eben völlig neu tionierte der Klub intern – zwischen ich war ja neu im Parlament und immer gelungen, weswegen wir tiker nicht mehr im Stiftungsrat in der Regierung waren, die ÖVP Abgeordneten, Referenten beziehungs- gleich Klubobmann – sehr viel dann die jeweiligen Regierungs- sitzen dürfen. Und ohne unsere aber schon seit Jahrzehnten. Da- weise Klubdirektor? geholfen und ihn unterstützt hat, mitglieder in die Klubsitzung ein- Gesetzgebung zum Bereich Pri- für aber, dass wir neu und uner- Westenthaler: Der Klub was mein Glück war. geladen haben, wo dann nicht nur vatradio und -fernsehen gäbe es fahren waren, ist – und ich kann ist der politische Kopf einer Aufgrund der Größe des eitel Wonne herrschte, sondern 130 Sender wie etwa ATV oder Puls4 nur bis 2002 sprechen – in diesen Partei – vielleicht nicht der stra- Klubs mit 52 Abgeordneten war man sich auch zusammenstreiten 131 gar nicht. Jahren sehr viel weitergegangen. tegische, sondern vor allem der es aber auch natürlich so, dass musste. ◆ Die Freiheitlichen und das Parlament 1986 – 2005

Freiheitliche im Kabinett Schüssel I Freiheitliche im Kabinett Schüssel II

Susanne Riess-Passer (FPÖ): Herbert Haupt (FPÖ/BZÖ) bis 21. Oktober 2003; (FPÖ/BZÖ) auch Bun- Vizekanzlerin und Bundesminister für öffentliche Leistung und Sport desminister für Verkehr, Innovation und Technologie, ab 21. Oktober 2003 Vizekanzler

Karl-Heinz Grasser (FPÖ): Karl-Heinz Grasser (parteilos): Bundesminister für Finanzen Bundesminister für Finanzen

Michael Krüger (FPÖ) bis 2. März 2000; Dieter Böhmdorfer (FPÖ): Dieter Böhmdorfer (FPÖ) bis 24. Juni 2004; Karin Miklautsch (parteilos) bzw. Bundesminister für Justiz ­Gastinger­ (BZÖ/parteilos) ab 24. Juni 2004: Bundesminister für Justiz

Herbert Scheibner (FPÖ): Herbert Haupt (FPÖ/BZÖ) bis 25. Jänner 2005, auch Vizekanzler bis 21. Oktober 2003; ­ Bundesminister für Landesverteidigung (FPÖ/BZÖ) ab 25. Jänner 2005: Bundesminister für Soziale Sicherheit und Generationen; Soziale Sicherheit, Generationen und Kon- Elisabeth Sickl (FPÖ) bis 24. Oktober 2000; Herbert Haupt (FPÖ): sumentenschutz ­(ab 1. Mai 2003) Bundesminister für Soziale Sicherheit und Generationen Hubert Gorbach (FPÖ/BZÖ) auch Vizekanzler ab 21. Oktober 2003: Michael Schmid (FPÖ) bis 13. November 2000; Monika Forstinger (FPÖ) bis 18. Februar ­Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie 2002; Mathias Reichhold (FPÖ): Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Reinhart Waneck (FPÖ) bis 24. Juni 2004: Staatssekre- Mares Rossmann (FPÖ): tär für Gesundheit und Frauen (ab 1. Mai 2003) Staatssekreteär für Wirtschaft und Arbeit Ursula Haubner (FPÖ/BZÖ) bis 25. Jänner 2005; Sigisbert Dolinschek (FPÖ/BZÖ) Reinhart Waneck (FPÖ): ab 25. Jänner 2005: Staatssekretär für Soziale Sicherheit und Generationen; So- Staatssekreteär für Soziale Sicherheit und Generationen ziale­­ Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz (ab 1. Mai 2003)

Eduard Mainoni (FPÖ/BZÖ) ab 24. Juni 2004: Staatssekretär für Verkehr, Innovation und Technologie

Karl Schweitzer (FPÖ/BZÖ) ab 24. Juni 2004: 132 Staatssekretär ohne Portefeuille 133 Die Freiheitlichen und das Parlament 1986 – 2005

Dieser achtzehnköpfige Parla- Dieser Parlamentsklub in der Ära Haider war zwar immer wieder mentsklub, in dem es nach der Neubil- auch Bühne für den Parteichef selbst, der sich in der Rolle eines Volks- dung der Regierung unter Bestellung tribuns, eines freiheitlichen Robin Hood gefiel, er geriet aber immer freiheitlicher Regierungsmitglieder ei- wieder auch in eine Randposition des politischen Geschehens. Dies nen entsprechenden Wechsel gab, ver- vornehmlich dann, wenn Jörg Haider, wie zwischen 1989 und 2002, in mochte naturgemäß in wesentlich ge- der Kärntner Landespolitik engagiert war oder wie ein zweites Mal dann ringerem Ausmaß aktiv zu werden, als von 1999 bis zur Gründung des BZÖ. Die wirkliche innerparteiliche es der Parlamentsklub bis 2002 mit 52 Macht und Entscheidungsbefugnis lag in der Ära Haider stets beim Par- Abgeordneten war. teichef beziehungsweise beim starken Mann der Partei, bei Jörg Haider also. Auch in jenen Jahren, wo Norbert Gugerbauer und Heide Schmidt Dabei kam es bereits zu ersten Spal- in Wien im Nationalratsklub und in der freiheitlichen Parlamentsarbeit tungstendenzen, die die Parteispaltung, der erste Geige spielten, blieb Jörg Haider jene Persönlichkeit, die me- welche Jörg Haider im Jahre 2005 mit dial und gesamtpolitisch den Weg der Freiheitlichen bestimmte und das der Gründung des BZÖ herbeiführte, Bild der FPÖ nach außen hin prägte.

bereits erahnen ließen. So stimmte etwa

die freiheitliche Abgeordnete Barbara Ebenso war es in der Zeit der Regierungsbeteiligung ab Jahresbeginn Rosenkranz im Dezember des Jahres 2000, als zwar Susanne Riess-Passer Parteiche- „ 2002 gemeinsam mit Reinhard Eugen fin war und Vizekanzlerin und Jörg Haider eben Bösch wegen der Haltung der Republik „nur“ Kärntner Landeshauptmann. Der Konflikt, Tschechien zum Kernkraftwerk Teme- der zwangsläufig zwischen der Wiener Parteifüh- lin und wegen der Beneě Dekrete gegen rung und den Wiener Regierungsmitgliedern und In der Ära Haider war der die Ratifizierung der Beitrittsverträge dem starken Mann in Kärnten aufbrechen musste, der zehn neuen EU-Mitglieder im Rah- der nach wie vor so etwas eine informelle Richtli- Parlamentsklub für den men der EU-Erweiterung. Barbara Ro- nienkompetenz innerhalb der FPÖ für sich bean- freiheitlichen Volkstribun senkranz war auch die einzige National- spruchte, dieser Konflikt führte letztlich zur Im- ratsabgeordnete, die am 11. Mai 2005, plosion der Partei in Knittelfeld. Die Neuauflage häufig nur ein Neben- also bereits nach der Abspaltung des der ÖVP-FPÖ-Koalition unter Herbert Haupt zu BZÖ, gegen die Ratifizierung des Ver- Jahresbeginn 2003 stand dann allerdings weiter im kriegsschauplatz. Barbara trags über eine Verfassung über Europa stimmte. Barbara Rosenkranz Zeichen des Primats Jörg Haiders, und auch er war ­Rosenkranz (im und Reinhard Eugen Bösch waren dann auch die einzigen beiden Nati- es, der schließlich im April 2005 – wiewohl nach „ Bild) und Rein- onalratsabgeordneten, die nach der BZÖ-Abspaltung durch Jörg Haider wie vor kein Mitglied der Bundesregierung – als hard Eugen Bösch nicht zum BZÖ gingen, sondern bei der traditionellen FPÖ verblieben starker Mann der Partei und Kärntner Landeshauptmann den Irrweg verblieben nach der und diese weiter – wenn auch ohne eigenen Parlamentsklub – im Nati- der BZÖ-Abspaltung diktierte. BZÖ-Abspaltung onalrat repräsentierten. die einzigen frei- Dem Freiheitlichen Parlamentsklub gehörte Jörg Haider selbst zwar heitlichen National- jahrelang an, zuerst zwischen 1979 und 1983 dann wieder von 1986 bis ratsabgeordneten 1989 und von 2002 bis 2009. Er vermochte sich dabei als hervorragender Die Freiheitlichen: Stark im Parlament – Rhetoriker im Nationalrat immer wieder zu profilieren, in seinen ersten Parlamentsjahren als geradezu schon sozialliberaler Reformer, später das Reden hatte aber der Volkstribun dann als heimattreuer und überaus populärer – seine Gegner sprachen von „populistisch“ – Volkstribun und Oppositionsführer, letztlich aber Insgesamt war der Aufstieg der Haider-FPÖ auch im Parlament war der Nationalrat nur so etwas wie ein Nebenkriegsschauplatz für den durchaus beeindruckend. Beginnend mit der Wahl des Jahres 1986 bis freiheitlichen Volkstribun, der neben der vielzitierten „Lufthoheit“ über hin zum Jahr 1999 vermochte man in nur 13 Jahren eine Verstärkung den Stammtischen quer durch Österreich und – noch wichtiger, quer des Nationalratsklubs auf 52 Mandate zu bewerkstelligen, eine Vielzahl durch alle Medien des Landes – präsent war. Die freiheitlichen Parla- von Persönlichkeiten durchlief in diesen nahezu eineinhalb Jahrzehnten mentarier selbst allerdings haben auch in dieser Phase der Geschichte die parlamentarische Arbeit der Freiheitlichen. Vertreter der alten Gar- freiheitlicher Parlamentsarbeit ihre Aufgaben ernst genommen und her- de, Persönlichkeiten der Ära Steger und auch neue Quereinsteiger, wie vorragende Arbeit in der österreichischen Legislative geleistet. ◆ sie Haider zu präsentieren pflegte, prägten das Bild der freiheitlichen Parlamentsriege. Viele von ihnen vermochten sich durchaus zu profilie- ren und wertvolle parlamentarische Arbeit leisten, andere aber schieden nach relativ kurzer Zeit wieder aus und hinterließen kaum politisch-par- lamentarische Spuren. Einige wenige spalteten sich mit dem Liberalen Forum der Heide Schmidt von der FPÖ und vom Freiheitlichen Parla- mentsklub ab. Andere, immerhin mit Ausnahme von zwei der gesamte Parlamentsklub von 18 Köpfen, ging mit Jörg Haider den Weg der Ab- spaltung in das Bündnis Zukunft Österreich. Ein Irrweg, wie die mei- 134 sten von ihnen und wohl Haider selbst schließlich erkennen mussten. 135 136 V Zünglein an der Waage im Nationalrat Die FPÖ und das Parlament in der Ära Peter/Steger

137 Die Freiheitlichen und das Parlament 1956 – 1986

ach dem Auseinanderbrechen Enttäuschender Start – ­ 1956 – 1986 Ndes Verbandes der Unabhän- gigen und der politischen Neufor- die ­Nationalratswahl 1956 mierung des Dritten Lagers in der FPÖ kam es am 13. Mai 1956 sehr Der Rückgang der FPÖ gegenüber den Wahlergebnissen des VdU Als nationalliberale rasch zu vorverlegten National- in den Jahren 1949 und 1953 war doch beträchtlich: In den Bundeslän- ratswahlen. Die volle vierjährige dern Tirol, Wien, Steiermark, Niederösterreich und Vorarlberg war das Legislaturperiode wäre erst im Fe- Ergebnis zwischen 40 und 50 Prozent schlechter. Kaum geringer waren Honoratiorenpartei in bruar 1957 ausgelaufen. Auf diese die Verluste in Oberösterreich, Burgenland und in Salzburg, einzig in Wahlen waren die Freiheitlichen Kärnten konnte man das Ergebnis einigermaßen halten. ­Parlament und Regierung überaus schlecht vorbereitet. Es gab keine wesentlichen Werbemit- Eine spätere Untersuchung ergab, dass die neue Freiheitliche Partei tel und kaum Großkundgebungen. am Wahltag kaum 50 Prozent der Befragten bekannt war. Und amtliche Der neue Parteichef Anton Rein­ Stimmzettel gab es damals auch nicht, daher war es überaus schwer, thaller konnte eine einzige zehnminütige Rede im Rundfunk halten und eine ausreichende Zahl an FPÖ-Stimmzetteln unter das Wählervolk zu das primäre Werbemittel, die Parteizeitung „Neue Front“, war durch bringen. Überdies argumentierte man nach außen hin, dass die FPÖ den gerade erfolgten Parteiaustritt seines Chefredakteurs Viktor Rei- eine völlig neue Partei wäre und damit immerhin aus dem Stand mit mann geschwächt. Dementsprechend enttäuschend fiel auch das Wahl- sechs Mandaten in den Nationalrat gelangt sei. Diese Mandate hatten ergebnis aus. Bei damals 165 Parlamentssitzen konnte die Volkspartei 82 Dr. Willfried Gredler, Dr. Jörg Kandutsch, Dr. Helfried Pfeifer, Oberst erreichen, die SPÖ 75, die FPÖ 5 und die KPÖ 3. Erst am Tag nach der Max Stendebach, Dr. Heinrich Zechmann und der Salzburger Rechtsan- Wahl wurde der FPÖ ein sechstes Mandat zugesprochen, das irrtümlich walt Gustav Zeillinger inne. der SPÖ zugeteilt worden war. Bundesparteiobmann saß in Oberösterreich und war nicht im Parlament vertreten, auch der eigentliche starke Mann der Partei, der Wiener Apotheker Emil van Tongel, sollte erst drei Jahre später in den Nationalrat kommen und führte die Partei nicht über den

Nationalratswahl 1956

ÖVP SPÖ Liste der freiheitlichen Abgeordneten zum 46,0 % 43,0 % ­österreichischen Nationalrat VIII. Gesetzgebungsperiode Die VIII. Gesetzgebungsperiode begann am 8. Juni 1956 und endete am 9. Juni 1959. Nach der Nationalratswahl am 13. Mai 1956 entfielen FPÖ KuL von 165 Mandaten 82 auf die Österreichische 6,5 % 4,4 % Volkspartei (ÖVP), 74 auf die Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ), 6 auf die Freiheitliche Parteigründungs- obmann Anton Partei Österreichs (FPÖ) und 3 auf die Kommu- Reinthaller mit nisten und Linkssozialisten (KuL). Während der NR-Abgeordneten Legislaturperiode waren 180 Mandatare Mitglied Oberst Stendebach des Nationalrates.

Name Geboren Gestorben Gredler Willfried 1916 1994 Kandutsch Jörg 1920 1990 Pfeifer Helfried 1896 1970 Stendebach Max 1892 1984 138 Zechmann Heinrich 1898 1979 139 Zeillinger Gustav 1917 1997 Die Freiheitlichen und das Parlament 1956 – 1986

neuen Parlamentsklub. Einzig der neue Bundesorganisationsreferent bobmann unumstritten und ein beachtlicher Rhetoriker. Allerdings galt Heinrich Zechmann war Nationalratsabgeordneter. er von Anbeginn als Repräsentant des liberalen Flügels, da er aus dem ÖVP-Bereich gekommen war und 1945 in Wien aktiv in einer Wider- Als sichtbares Zeichen für den neuen politisch-inhaltlichen Kurs, standsgruppe mitgearbeitet hatte. den die junge FPÖ im Vergleich zum untergegangenen VdU einschla- gen wollte, verlangte man bei der konstituierenden Sitzung des neuge- wählten Nationalrates Plätze in der Mitte des neu eingerichteten Sit- zungssaals. Der Nationalrat tagte hier erstmals nach der Wahl von 1956. Bundespräsidenten-Wahlkampf 1957 Vorher hatten die Sitzungen im alten, für eine größere Anzahl von 465 Volksvertretern überdimensionierten Reichsratssaal stattgefunden. Durch den Tod von Bundespräsident Theodor Körner im Januar 1957 entwickelte sich eine neue politische Situation: Die FPÖ wollte an Willfried Gredler erhob in Gespräch mit Bundeskanzler Raab die den unvergessenen Erfolg Burghard Breitners bei der letzten Präsident- Forderung auf den Platz in der Mitte des Nationalratssaals. Die sechs schaftswahl anknüpfen und unterbreitete der ÖVP den Vorschlag, einen freiheitlichen Abgeordneten würden am Boden im Türkensitz vor der gemeinsamen überparteilichen Kandidaten aufzustellen. Die Freiheit- ersten Bankreihe Platz nehmen, wenn ihrer Forderung nicht stattgege- lichen waren für den Chirurgen Professor Lorenz Böhler eingetreten, ben werde. Offenbar war diese Drohung wirksam, den Freiheitlichen schlug auch einen Mediziner, nämlich Professor Wolfgang wurden links und rechts des Mittelganges je drei Sitze zugewiesen, also Denk, vor. In einer Vereinbarung, die die-

genau im Mittelsektor zwischen den Abgeordneten der SPÖ und der ses gemeinsame Eintreten für den bürger-

ÖVP. Allerdings nicht vorne im Saale, sondern hinten. Damit hatte lichen Kandidaten vorsah, wurden seitens Gredler in der Platzfrage etwas durchgesetzt, was Jahre zuvor dem Drit- der ÖVP auch politische Zugeständnisse „ ten Nationalratspräsidenten Karl Hartleb für den an die FPÖ gemacht. Das Wichtigste be- VdU nicht gelungen war. Dieser hatte von 1949 zog sich auf eine Wahlrechtsreform. Wört- an rechts von der ÖVP im Nationalratssaal sitzen lich hieß es dazu: „Die ÖVP verpflichtet Die freiheitliche National­ müssen. sich, bis längstens 31. Oktober 1957 im Nationalrat eine Abänderung der Natio- ratsfraktion legte Willfried Gredler und Professor Pfeifer reprä- nalratswahlordnung entweder als Regie- sentierten die Wiener FPÖ im Nationalrat. Pfeifer rungsvorlage oder als Initiativantrag ein- sich auf eine strikte war im Wahlkreisverband West auf der Reststim- zubringen und gemeinsam mit der FPÖ menliste gewählt worden, ebenso Oberst Stende- durchzusetzen, welche folgende Grund- ­Oppositions- und Kontroll- bach. Das Kärntner Grundmandat hatte Heinrich sätze beinhalten: Zechmann erobern können. Zechmann stammte a. Den Grundsatz absoluter Gleich- politik fest. ja aus dem Kreis rund um Reinthaller. Das Salz- wertigkeit der abgegeben Stimmen. Somit burger Grundmandat hielt Gustav Zeillinger, und darf ein Nationalratsmandat für einzel- „ Jörg Kandutsch wurde im Wahlkreisverband Süd ne wahlwerbende Gruppen nicht mehr auf der Reststimmenliste gewählt. Vier der sechs Stimmen erfordern als für die ÖVP bezie- FPÖ-Abgeordneten waren bereits 1953 auf der Liste des VdU in den hungsweise SPÖ. Nationalrat gewählt worden. Professor Pfeifer gehörte diesem bereits b. Einführung eines zweiten Ermitt- seit 1949 an. lungsverfahrens im ganzen Bundesgebiet statt in vier Wahlkreisverbänden. Die neue freiheitliche Nationalratsfraktion legte sich auf eine strikte c. Eine analoge Wahlrechtsreform Oppositions- und Kontrollpolitik fest. Professor Pfeifer griff in seinen erfolgt in allen Landtagen. Die Einzelheiten der vereinbarten Reform „Wer einmal schon Initiativen sein bereits in VdU-Zeiten begonnenes Eintreten für die Ge- werden gemeinsam von ÖVP und FPÖ festgelegt.“ für Adolf war – schädigten der Kriegs- und Nachkriegszeit auf. Der starke Mann der Weitere Punkte dieser Vereinbarung betrafen die Beseitigung der wählt Adolf auch Partei, Emil van Tongel, der, wie gesagt, nicht im Nationalrat saß, ver- letzten Reste der Ausnahmegesetzgebung und eine parlamentarische in diesem Jahr!“ langte von der neuen Parlamentsfraktion aber, dass sie insbesondere die Zusammenarbeit zwischen ÖVP und FPÖ. Nun gab es im Zuge des Kontrollfunktion betonen solle. Eine Reihe von Skandalen, die im Um- Präsidentschaftswahlkampfes zwar ein häufigeres gemeinsames Auftre- feld der schwarzen Reichshälfte aufgebrochen waren, gab ausreichend ten von Raab mit FPÖ-Obmann Reinthaller, wirklich erfolgreich war Gelegenheit dazu. Überdies wollte van Tongel im Jahr der Niederschla- dieser gemeinsame Wahlkampf aber nicht. Der Slogan, der von den So- gung des Volksaufstandes in Ungarn die strikt antikommunistische Li- zialisten für ihren Kandidaten Adolf Schärf gewählt wurde „Wer einmal nie der FPÖ betonen. schon für Adolf war, wählt Adolf auch in diesem Jahr“ könnte wohl dazu beigetragen haben, dass der SPÖ-Kandidat am 5. Mai 1957 mit Aber auch der Ausbau der parlamentarischen Rechte, insbesondere einem verhältnismäßig knappen Vorsprung vor dem ÖVP/FPÖ-Kan- im Sinne eines größeren Spielraums und besserer politischer Startbedin- didaten Denk siegte. Diese Niederlage traf nicht nur die Freiheitlichen, gungen für die freiheitliche Opposition, war Hauptthema der FPÖ-Par- sondern auch den schwarzen Bundeskanzler Raab aufs Härteste. Sie be- lamentsarbeit. Ein erster Durchbruch gelang den Freiheitlichen mit der reitete den sozialistischen Wahlsieg von 1959 vor und bedeutete wohl Einführung des amtlichen Stimmzettels, die Gredler bei Bundeskanzler den Wendepunkt in der Ära Raab, dessen politischer Stern seither zu Raab durchsetzen konnte. Willfried Gredler der in der Folge als Di- sinken schien. Und überdies führte diese Niederlage dazu, dass die zu- 140 plomat noch eine beachtliche Karriere machen konnte, war als Klu- vor zwischen ÖVP und Freiheitlichen getätigte Vereinbarung seitens der 141 Die Freiheitlichen und das Parlament 1956 – 1986

ÖVP glatt gebrochen wurde. Der Volkspartei-Generalsekretär Maleta einer halbjährigen Klärungsphase der Parteispitze im Zeichen der Ver- weigerte sich, das Gedächtnisprotokoll zu unterschreiben, und die Zu- jüngung zum Obmann gewählt. Die Vorverlegung der Nationalratswahl sagen wurden von der ÖVP in keinem einzigen Punkt eingehalten. Dies, auf den 10. Mai 1959 sollte sich daher für die FPÖ günstig auswirken, obwohl in der Vereinbarung mit keinem Wort festgestellt worden war, da sie sich in einer gewissen Aufbruchsstimmung befand. Der Glanz des dass sie nur im Falle des Sieges von Prof. Denk gelten könne. Staatsvertrags-Kanzlers Julius Raab und die wirtschaftlichen Erfolge des Raab-Kamitz-Kurses der ÖVP waren bereits merklich verblasst, was Zwischen den Freiheitlichen und der Volkspartei brachen nun Jahre wohl zum Erfolg der FPÖ beitrug. So war das freiheitliche Ergebnis bei einer politischen Eiszeit an, und erst fünf Jahre später, nämlich 1962, den Nationalratswahlen von Mai 1959 das Beste, das die Freiheitlichen nachdem die Nachfolge von Julius Raab angetreten bis zum Beginn der Ära Jörg Haiders zu erringen vermochten. Sie er- hatte, kam es wieder zu politischen Kontakten zwischen der FPÖ und reichten 336.000 Stimmen und der ÖVP. Auch Willfried Gredler mit seinen traditionell guten Bezie- acht Nationalratsmandate. Die hungen zur Volkspartei konnte daran nichts mehr ändern, und alle ÖVP konnte 79 Mandate erzie- Vorstöße der Freiheitlichen auf verstärkte Mitwirkung im politischen len, die SPÖ 78, die Kommu- Bereich wurden in der Folge von Bundeskanzler Raab abgeschmettert. nisten waren nun im Parlament nicht mehr vertreten. Es blieb allerdings bei der Der Wahlerfolg von 1959 großen Koalition, wobei sich die Freiheitlichen wiederum auf Nach dem Tod des Gründungsobmanns der FPÖ Anton Reinthaller Opposition und auf Kontrolle war es im Jahr 1958 zum Führungswechsel in der FPÖ gekommen. Der festlegten. Neu in den National- erst 37 Jahre alte Friedrich Peter, ehemaliger Offizier der Waffen-SS, vom rat kam nun von freiheitlicher Beruf Lehrer und junger Vertrauter von Anton Reinthaller, wurde nach Seite der starke Mann der Wie- ner FPÖ, Emil van Tongel, der neben Klub­obmann Willfried Nationalratswahl 1959 Gredler den Ton angab. Die Liste der freiheitlichen Abgeordneten zum öster- beiden aus dem VdU kommen- den Abgeordneten Professor SPÖ ÖVP reichischen Nationalrat IX. Gesetzgebungsperiode Pfeifer und Oberst Stendebach 44,8 % 44,2 % schieden aus. Nun zog mit dem Die IX. Gesetzgebungsperiode begann am 9. Juni Welser Juristen Wilhelm Kos ein 1959 und endete am 14. Dezember 1962. Nach Vertreter der FPÖ-Oberöster- reich ins Parlament ein. Und die der Nationalratswahl am 10. Mai 1959 entfielen Tiroler Freiheitlichen erhielten von 165 Mandaten 79 auf die ÖVP, 78 auf die mit Klaus Mahnert ebenfalls FPÖ SPÖ und 8 auf die FPÖ. Während der Legisla- einen Sitz im Nationalrat. Der 7,7 % KuL turperiode waren 179 Mandatare Mitglied des Kärntner Robert Scheuch und 3,3 % Nationalrates. der Niederösterreicher Wilhelm Kindel verstärkten die Nationalratsmannschaft. Diese hatte nunmehr mit Parteiobmann acht Abgeordneten die für das Antragsrecht laut Geschäftsordnung erfor- Anton Reinthaller derliche Fraktionsstärke erreicht. mit Klubobmann Willfried Gredler Während die Beziehungen der Freiheitlichen zur Volkspartei also in (rechts) und dem Name Geboren Gestorben diesen Jahren denkbar schlecht waren, kam es zu ersten intensiveren Ge- Kärntner National­ sprächskontakten mit den Sozialisten. Bereits im Februar 1959 wurde im ratsabgeordneten Gredler Willfried 1916 1994 Wiener Gemeinderat eine Wahlrechtsreform beschlossen, die den Frei- Heinrich Zech- Kandutsch Jörg 1920 1990 heitlichen durch Einführung der Fünf-Prozent-Klausel die Chance gab, mann (links) wieder in den Wiener Gemeinderat einzuziehen. Tatsächlich erlangten Kindl Wilhelm 1917 1998 die Freiheitlichen im Oktober 1959 bei den Wiener Gemeinderatswahlen Kos Wilhelm 1910 1995 wieder vier Mandate. Überdies kam es im Zusammenhang mit der Süd- tirol-Politik zu Kontakten der Freiheitlichen mit dem neuen Außenmi- Mahnert Klaus 1913 2005 nister , der im Gegensatz zu seinen bürgerlichen Vorgän- Scheuch Robert 1896 1974 gern wie z. B. auch das Gespräch mit der FPÖ suchte. van Tongel Emil 1902 1981 Bei den ebenfalls vorgezogenen Nationalratswahlen am 18. No- Zechmann Heinrich 1898 1979 vember 1962 hatten die Freiheitlichen allerdings geringe Einbußen zu Zeillinger Gustav 1917 1997 verzeichnen, wobei sie aber ihre acht Mandate halten konnten. Doch 142 die personelle Zusammensetzung der freiheitlichen Nationalratsfrakti- 143 Fortsetzung auf Seite 145 ▶ Die Freiheitlichen und das Parlament „ 1956 – 1986

Die FPÖ hat zweifel- on blieb weitgehend unverändert. Willfried Gredler blieb Klubobmann, Emil van Tongel vertrat Wien, Wilhelm Kindel Niederösterreich, Wil- helm Kos Oberösterreich, Gustav Zeillinger Salzburg, Klaus Mahnert los eine fundierte Tirol, Robert Scheuch Kärnten und Jörg Kandutsch die Steiermark. Oppositionspolitik im Parlament ge- Annäherung an die SPÖ Der Gewinner der Nationalratswahl von 1962 war allerdings die macht. ÖVP. Der neue ÖVP-Chef Alfons Gorbach fühlte sich nunmehr wiederum stark genug, um jeden Gedanken an eine Zusammenar- „ beit mit den Freiheitlichen abzutun, und es kam zu einer Neuauflage der längst abgewirtschafteten schwarz-roten Proporzkoalition. Hin- ter den Kulissen allerdings kam es zu einer schrittweisen Annähe- rung der Freiheitlichen an die Sozialisten. Kontakte zwischen Emil von Tongel und SPÖ-Chef Pittermann gab es längst, auch solche zwischen Bruno Kreisky und Gustav Zeillinger im Zuge der Südti- rol-Politik. Weiters kam es zu verstärkten Kontakten zwischen dem Gewerkschaftspräsidenten und FPÖ-Parteiobmann Friedrich Peter. Letzterer vertrat die Ansicht, dass auch die freiheit- lichen Wähler in die Gewerkschaftskassen einzahlen würden und dass daher die FPÖ ebenso, wie dies bei ÖVP und SPÖ üblich war, Zuwendungen aus Gewerkschaftsgeldern bekommen müsste. Im „Eine Reihe wirklich bedeutender Laufe der vergangenen Jahre seien auf diese Art den Freiheitlichen Millionenbeträge entgangen, die rechtmäßigerweise eigentlich ihnen ­Persönlichkeiten …“ zustünden. Olah ging auf diese Argumentation ein und machte eine Million aus Gewerkschaftsgeldern flüssig, die allerdings, wie sich später herausstellte, aus dem Restitutionsfonds der sozialistischen Hilmar Kabas, Ehrenobmann der FPÖ, über Gewerkschafter stammte. die parlamentarische Arbeit der Freiheitlichen Bei der Bundespräsidentenwahl siegte der sozialistische Kan- von der Ära Peter bis zur Ära Haider. didat bei seiner Wiederkandidatur mit großem Abstand über den

bungen von Seiten der Sozia- manches abschwächen und mil- zahl des Parlamentsklubs. Wie sehen listen einiges entgegengesetzt dern. Ab 1983, als man in der Re- Sie hier diese Entwicklung in Rück- hat. Nicht verhindert werden gierung war und Friedrich Peter schau? Sie sind 1970 ins Parlament ge- tente Gruppe von Abgeordne- gleich viel wert waren. Brauchten konnte allerdings die Fristenlö- wieder Klubobmann war, konnte Kabas: Nachdem 1986 der kommen, wurden 1983 Abgeordneter. ten. die damaligen Großparteien im sung, die die Sozialisten im Al- man eigene Vorstellungen ein- Obmannwechsel von Steger Welche Entwicklung hat der Klub in Durchschnitt etwa 12.000 Stim- leingang durchgezogen haben. bringen und versuchen, die sozi- zu Haider stattgefunden hatte dieser Zeit genommen? Die Gruppe unter der Ob- men für ein Mandat, so benöti- alistische Handschrift möglichst und die FPÖ bei der National- Hilmar Kabas: In den 13 mannschaft von Friedrich Peter gte die FPÖ immer mindestens Wenn Sie die verschiedenen Klub­ zu reduzieren. Das ist da und dort ratswahl im selben Jahr gestärkt Jahren, in denen ich mitarbei- unterstützte zuerst die Minder- doppelt so viele Stimmen. Das obleute betrachten, beginnend mit zweifellos auch gelungen, war wurde, gab es im Vergleich zu ten konnte, waren mit Friedrich heitsregierung unter Kreisky und wurde mit der Wahlrechtsreform Friedrich Peter, dann Alexander Götz, aber leider nicht überall möglich, der Zeit vor 1983 von Seiten Peter, Gustav Zeillinger, Tas- hat dann ab 1971 der SPÖ-Al- 1970/71 insofern begradigt, als Norbert Steger und Jörg Haider: Kön- weil die Sozialisten nicht verstan- der Freiheitlichen eine schärfere silo Broesigke, Otto Scrinzi und leinregierung unter Kreisky eine dass die Stimmen nun halbwegs nen Sie da Kontinuitäten oder Bruch- den haben, dass sie nicht mehr und härtere Oppositionspolitik. Othmar Meißl sehr große Per- sehr erfolgreiche Opposition ge- gleich viel wert waren. linien in der parlamentarischen Arbeit die „Absolute“ haben. Zwischen Diese FPÖ hat zweifellos auch sönlichkeiten Mitglieder des Par- boten und inhaltlich viel beein- Das zweite Beispiel ist zwei- der Freiheitlichen ausmachen? 1983 und 1986 herrschte eine inhaltlich eine sehr fundierte lamentsklubs. flusst und weitergebracht. fellos die sehr starke Mitwir- Kabas: Der Regierungsein- Übergangsphase, die innerpartei- Oppositionspolitik gemacht mit Die Situation im Klub war kung bei den Justizreformen tritt der FPÖ im Jahre 1983 war lich zu einer starken Opposition immer sehr guten Vorschlägen. damals nicht ganz einfach, weil Können Sie Beispiele geben, was von SPÖ-Justizminister Broda. eine Zäsur, die nicht unmittelbar geführt hat, die besonders Jörg Aber unter Jörg Haider ist das der Klub ja noch sehr klein war inhaltlich weitergebracht wurde? Im Justizausschuss saß Gustav von den Klubobleuten abhing. Haider akzentuiert betrieben hat. Ganze doch bunter geworden, – er umfasste sechs Abgeordne- Kabas: Zum Beispiel setzte Zeillinger, der sowohl bei der Als die FPÖ eine Oppositions- weil die ab 1987 wieder regie- te, und für eine kurze Zeit sogar sie eine Wahlrechtsreform durch, kleinen als auch bei der großen partei war, konnte sie sehr kon- Unter Jörg Haider ist nicht nur rende große Koalition die alten 144 nur fünf. Aber dennoch war es die bewirkte, dass die Stimmen Strafrechtsreform den überbor- sequent der Regierungsarbeit die Wählerschaft der FPÖ stark ge- Fehler der Regierungspolitik 145 eine sehr kompakte und kompe- in einem größeren Ausmaß denden Liberalisierungsbestre- der Sozialisten entgegenhalten, wachsen, sondern auch die Mitglieder- wiederholt hat, der Proporz Die Freiheitlichen und das Parlament 1956 – 1986

ÖVP-Kandidaten Julius Raab. Im Zuge dieses Wahlkampfes wurden In der sogenannten „Habs- sowohl von Schärf als auch von Raab Erklärungen über die FPÖ burg-Krise“, die sich in der abgegeben – wohl um freiheitliche Wähler für sich zu vereinnahmen. Folge des Wunsches von Otto Diese Erklärungen attestierten den Freiheitliche demokratiepolitische Habsburg darüber entspann,

Bedeutung und gewissermaßen Regierungsfähigkeit. Adolf Schärf ob dieser nach einer Verzichts-

erklärte wortwörtlich, „dass die demokratischen Parteien, die sich erklärung wieder nach Öster- zu unserem Staat und der demokratischen Verfassung bekennen, in reich einreisen könne, kam es „ gleicher Weise zur Mitwirkung am politischen zwischen der FPÖ und den Geschehen unseres Vaterlandes berufen sind“. Sozialisten zur Übereinstim- Niemand könne sich darauf beziehen, dass der mung und ein gemeinsames Bundespräsident die eine oder andere dieser po- Vorgehen. Dabei beharrten Julius Raab: Wer das Ver- litischen Parteien von der Mitbestimmung oder die Freiheitlichen darauf, dass Mitverantwortung ausschließen könne: „Eine im Hauptausschuss des Nati- trauen der Wähler hat, ist solche einseitige Auffassung würde meiner de- onalrates zu prüfen sei, ob die auch berechtigt, Verant- mokratischen Überzeugung und meinen verfas- Verzichtserklärung Otto von sungsmäßigen Pflichten widersprechen.“ Diese Habsburgs ausreichend sei. wortung in diesem Staat Aussage sollte eigentlich den Nachfolgern Adolf Der Verwaltungsgerichtshof, Schärfs im höchsten Staatsamt der Republik Ös- der im Zuge des schwarz-roten zu tragen. terreich zu denken geben. Proporzes damals unter ÖVP-Einfluss stand, hatte nämlich zuvor geur- Zwischen Bru- teilt, dass die Verzichtserklärung ausreichend sei, und das Parlament kalt no Kreisky und „ Und der ÖVP-Kandidat Julius Raab distan- übergangen. Die FPÖ aber, die wie keine andere Partei die Parlaments- ­Friedrich Peter zierte sich dann ausdrücklich von der Haltung rechte verteidigte, wollte eine Ausschaltung des Nationalrates keinesfalls stimmte die Chemie des Bundespräsidenten Theodor Körner, der sich im Jahre 1953 ge- hinnehmen und brachte am 5. Juni 1963 im Nationalrat mit Unterstüt- gen die Aufnahme des VdU in die Bundesregierung ausgesprochen zung der Sozialisten den Antrag ein, dass die vorhergegangenen einander hatte. Raab meinte, der Bundespräsident habe die Grundregeln der widersprechenden Rechtsauffassungen der beiden Höchstgerichte – der Verfassung zu beachten, nicht aber die Verfassung so auszulegen, unter SPÖ-Einfluss stehende Verfassungsgerichtshof war anderer Mei- wie es seinen persönlichen Auffassungen oder jenen seiner Parteien nung als der Verwaltungsgerichtshof – einen „unhaltbaren Zustand“, entspreche: „Meiner Überzeugung nach ist es unmöglich, zwischen geschaffen habe. Der Nationalrat solle daher der Bundesregierung den demokratischen und weniger demokratischen Parteien zu unterschei- Auftrag erteilen, Vorschläge zu unterbreiten, „mit welchen die wider- den. Wer durch das Vertrauen des Volkes in den Nationalrat berufen sprechenden Entscheidungen von Höchstgerichten verhindert werden“, ist, ist für mich ein Vertreter des Volkes, und wer das Vertrauen seiner darüber hinaus müsse die Bundesregierung eine authentische Interpre- Wähler hat, ist auch berechtigt, Verantwortung in diesem Staat zu tation des Habsburg-Gesetzes vorlegen, „damit ausdrücklich festgestellt tragen.“ wird, dass der Hauptausschuss des Nationalrates bei der Prüfung von Verzichtserklärungen gemäß dem Habsburger-Gesetz mitzuwirken hat“. Die sozialistischen Abgeord- wieder fröhliche Urständ gefei- – den Schwarzen den Kanzler tet hat, dass die Regierungsarbeit inhaltliche Beiträge in die Po- neten stimmten schließlich im Na- ert hat. Alles das, was früher die überlassen hat. immer mehr begonnen hat, den litik hinein, so dass sie von der tionalrat für den FPÖ-Antrag. Dies FPÖ schon kritisiert hat, ist mit Ton anzugeben. Hinzu kamen Bevölkerung ein immer größeres war seit 1945 der erste Beschluss der Neuauflage der großen Ko- Hatte das auch Einfluss auf die Schwierigkeiten mit der Wahl- Vertrauen bekommt. Das ist der des Nationalrates, der im soge- alition fast verstärkt wiederge- Arbeit des Parlamentsklubs? bewegung. Die Überzeugungs- zweifellos sehr profunden Politik nannten „koalitionsfreien Raum“ kommen, und das war natürlich Kabas: Nicht unbedingt, arbeit bei der Bevölkerung, dass der einzelnen Persönlichkeiten zustande kam – und das bis dahin Wasser auf die Mühlen eines weil wir immerhin eine Reihe man gute Arbeit leistet, war bei unter der Führung von Strache unumstößliche Gesetz durchbrach, Jörg Haider und der FPÖ unter von Ministern stellten. Anders den anstehenden Landtags- zu verdanken. dass ÖVP und SPÖ im Nationalrat seiner Führung. als 1983, als es Schwierigkeiten wahlen nicht so erfolgreich. immer nur miteinander und niemals mit einzelnen Angeordneten Kann man es so formulieren, dass gegeneinander abstimmen dürften. Die nächste große Zäsur war gab, die mit der Regierungslinie Seit zehn Jahren ist nun der Freiheitliche Parlamentsklub eine dann im Jahr 2000 der Eintritt in die nicht einverstanden waren, war Heinz-Christian Strache Obmann des Art Motor für die Partei insgesamt Damit war nunmehr konkret Regierung mit der ÖVP. im Jahr 2000 eine ziemliche Ein- Freiheitlichen Parlamentsklubs. Wie ist? eine Koalition zwischen SPÖ und Kabas: Dabei kam es zu dem heit zwischen Regierungsarbeit sehen Sie die vergangenen zehn Jahre? Kabas: Das ist sehr präzi- FPÖ in den Bereich des Möglichen Kuriosum, dass die zweitstärkste und parlamentarischer Arbeit Kabas: Zieht man unter die se formuliert und definiert, was gerückt. Der sozialistische Parteitag Partei, nämlich die FPÖ, nach zu beobachten. Schwierigkeiten Parteiobmannschaft von Stra- der Parlamentsklub ist und im- gab der SPÖ-Nationalratsfraktion den Wahlen 1999 der drittstär- haben sich erst dann eingestellt, che, die jetzt schon elf Jahre mer war. Aber auch die Land- daraufhin den Auftrag, im Natio- ksten Partei, nämlich der ÖVP, als man gemerkt hat, dass der andauert, und unter seine Klub­ tagsklubs sind der Motor der nalrat eine Wahlrechtsreform zu den Vortritt bei der Kanzler- Umstieg von einer sehr profi- obmannschaft ab 2006 ein Re- Partei, weil die dortigen Mit- beantragen, die dem Verlangen der schaft gelassen hat. Das heißt, der lierten Oppositionsrolle in die sümee, dann vertritt die FPÖ glieder ja die reale FPÖ-Politik Freiheitlichen nach Gleichwertig- Start war nicht optimal, man hat Regierungsrolle doch sehr, sehr eine einheitliche Linie, ist einer- zu entwickeln und zu tragen ha- keit aller abgegebenen Stimmen ge- 146 mehr oder weniger kampflos – schwierig war. Das deshalb, weil seits sehr angriffig, bringt aber ben – und das jetzt sehr, sehr er- recht werden müsse. 147 um in die Regierung zu kommen Jörg Haider nicht ganz verkraf- andererseits sehr viele positive folgreich gemacht wird. ◆ Die Freiheitlichen und das Parlament 1956 – 1986

Nationalratswahl 1962 Nationalratswahl 1966 Liste der freiheitlichen Abgeordneten zum Liste der freiheitlichen Abgeordneten zum öster- ­österreichischen Nationalrat reichischen Nationalrat SPÖ ÖVP ÖVP X. Gesetzgebungsperiode SPÖ XI. Gesetzgebungsperiode 44,2 % 45,4 % 48,4 % Die X. Gesetzgebungsperiode begann am 42,6 % Die XI. Gesetzgebungsperiode begann am 14. Dezember 1962 und endete am 30. März 30. März 1966 und endete am 31. März 1970. 1966. Nach der Nationalratswahl am 18. No- Nach der Nationalratswahl am 6. März 1966 vember 1962 entfielen von 165 Mandaten 81 entfielen von 165 Mandaten 85 auf die Öster- auf die ÖVP, 76 auf die SPÖ und 8 auf die FPÖ. reichische Volkspartei (ÖVP), 74 auf die Sozia- FPÖ FPÖ KuL Während der Legislaturperiode waren 182 Man- listische Partei Österreichs (SPÖ) und 6 auf die 7,0 % 5,4 % 3,0 % datare Mitglied des Nationalrates. Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ). Während der Legislaturperiode waren 182 Mandatare Mitglied des Nationalrates.

Name Geboren Gestorben Name Geboren Gestorben Broesigke Tassilo 1919 2003 Broesigke Tassilo 1919 2003 Gredler Willfried 1916 1994 Gredler Willfried 1916 1994 Kandutsch Jörg 1920 1990 Kandutsch Jörg 1920 1990 Kindl Wilhelm 1917 1998 Kindl Wilhelm 1917 1998 Kos Wilhelm 1910 1995 Kos Wilhelm 1910 1995 Mahnert Klaus 1913 2005 Mahnert Klaus 1913 2005 Meißl Othmar 1917 2008 Meißl Othmar 1917 2008 Scheuch Robert 1896 1974 Scheuch Robert 1896 1974 van Tongel Emil 1902 1981 van Tongel Emil 1902 1981 Zeillinger Gustav 1917 1997 Zeillinger Gustav 1917 1997

In den Jahren 1962, 1963 und 1964 war aber die Zeit für eine Tongel die Führung des freiheitlichen Nationalratsklubs als Klubob- solche Kooperation zwischen SPÖ und FPÖ noch nicht reif. Die mann. Auf Kandutschs Nationalratssitz rückte der Kaufmann Othmar Vertreter einer solchen innerhalb der SPÖ, insbesondere Franz Olah, Meißl nach, der in seinem Heimatbezirk Feldbach eine schlagkräftige gerieten zunehmend in Isolation, in der ÖVP wurde der glücklose FPÖ-Organisation aufgebaut hatte. Parteichef und Bundeskanzler Alfons Gorbach von ab- gelöst, und somit blieb vorläufig in der großen Proporz-Koalition al- les beim Alten. Als einzige ­Oppositionspartei Als Willfried Gredler sich im Herbst des Jahres 1963 entschloss, in den diplomatischen Dienst zu wechseln und auf Antrag von SPÖ- im Parlament Chef Pittermann zum Leiter der ständigen Vertretung Österreichs beim Europarat in Straßburg ernannt wurde, folgte ihm Jörg Kandutsch als Tatsächlich hatten die Freiheitlichen in den Jahren der großen Koa- Klubobmann der FPÖ im Nationalrat nach. Seinen Abgeordnetensitz lition bis 1966 eine Schlüsselrolle im parlamentarischen Bereich. Sie wa- übernahm der Wiener Rechtsanwalt Tassilo Broesigke. Gredler blieb ren nach dem Ausscheiden der Kommunisten aus dem Nationalrat im aber vorläufig noch Bundesparteiobmann-Stellvertreter und weiterhin Jahre 1959 die einzige Opposition und die Parlamentspartei schlechthin. ein Kämpfer für einen liberalen Kurs der FPÖ. Im Frühjahr 1963 wur- Ohne die FPÖ hätte es im Parlament nur einstimmige Beschlüsse ge- de Jörg Kandutsch schließlich auf Betreiben der Sozialisten zum Rech- geben, da der Koalitionspakt SPÖ und ÖVP zur gemeinsamen Abstim- nungshofpräsidenten gewählt. Dem stimmte die ÖVP zu, nachdem in mung verpflichtete. Die Nationalratsfraktionen von Schwarz und Rot der Koalition Übereinstimmung erzielt wurde, dass die FPÖ den Posten hatten sich ja nie als Gegengewicht zur Regierungsgewalt verstanden, des Rechnungshofpräsidenten nur solange stellen könne, solange sie sondern stets als deren Stütze. Die Gewaltenteilung zwischen Legisla- 148 Oppositionspartei sei. Anstelle von Kandutsch übernahm nun Emil van tive und Exekutive war somit nicht gegeben, einzig die FPÖ sorgte für 149 Die Freiheitlichen und das Parlament 1956 – 1986

eine Belebung des Parla- sich die Freiheitlichen in diesen Jahren als einzige Kontrollpartei im Na- mentarismus. tionalrat profilieren. Die sich bereits damals häufenden Korruptions­

skandale im Umfeld der ÖVP boten dem genug Betätigungsfelder. Die

Der Ausbau der de- von der FPÖ-Fraktion beantragte Einsetzung eines parlamentarischen mokratischen Einrich- Untersuchungsausschusses laut Artikel 58 der Bundesverfassung konn- tungen und die Stärkung te solcherart in der Frühphase der freiheitlichen „ der Rechte des Parla- Tätigkeit im Parlament mit der Unterstützung so- ments waren somit für zialistischer Abgeordneter verwirklicht werden. die Freiheitlichen eine Diese Funktion als parlamentarische Kontrollpar- politische Existenzfra- tei wurde in einem gewissen Ausmaß sogar von Die Funktion als parla- ge. Die Einführung des den Großkoalitionären respektiert, weshalb sie amtlichen Stimmzettels den Freiheitlichen auch wie seinerzeit dem VdU mentarische Kontroll- bei Nationalratswahlen den Vorsitz im Rechnungshofausschuss des Na- wurde bereits erwähnt. tionalrates zugestanden. Und die Berufung von partei wurde sogar von Ein nächster Schritt war Jörg Kandutsch zum Präsidenten des Rechnungs- den Großkoalitionären im Jahre 1961 die Ein- hofes bestätigte diese Einschätzung. führung der parlamen- ­respektiert. tarischen Fragestunde, überdies mussten schrift- „ liche Anfragen der Abge- Während der ordneten auf Antrag der Mit Otto Scrinzi FPÖ von den befragten Regierungsmitgliedern innerhalb einer Frist ÖVP-Alleinregierung (links) und Gustav zwei Monaten beantwortet werden. Zeillinger (rechts) Bei der Nationalratswahl des Jahres 1966 vermochte die ÖVP unter stießen zwei hervor- Von Anfang ihres Bestehens an war die Freiheitliche Partei auch im Josef Klaus eine knappe absolute Mehrheit zu erlangen. Die Freiheit- ragende Rhetoriker Nationalrat für die Verstärkung der direkten Demokratie eingetreten. lichen hatten – wohl auch wegen ihrer Hinneigung zu einer Zusammen- zum Freiheitlichen Volksabstimmungen und Volksbegehren werteten die Freiheitlichen arbeit mit der SPÖ – eine gewisse Sogwirkung der Verlierer zu erleiden Parlamentsklub von Anfang an als wesentliche Elemente der Belebung und Moderni- und mussten eine Verringerung ihrer Nationalratsmannschaft von acht sierung der Demokratie. Beide auf sechs Mandate hinnehmen. Damit ging das Antragsrecht wiederum Einrichtungen gab es zwar be- verloren. Von der bisherigen Fraktion gehörten Emil van Tongel, Gustav reits in der Bundesverfassung Zeillinger und Meißl der Fraktion weiter an, neu zog nunmehr Bundes- von 1920, die 1929 bzw. 1932 parteiobmann Friedrich Peter, der bis dahin Landtagsabgeordneter war, geschaffenen Ausführungsge- in den Nationalrat ein sowie der Vorarlberger Werner Melter und für setze traten jedoch im Jahre Kärnten Otto Scrinzi. Ein Vorstoß Melters, den Bundesparteiobmann 1945 bei der Wiedergründung zum neuen Klubobmann zu wählen, wurde aber nach einem Vier-Au- Unter Bundes­ der Republik mit der Bundes- gen-Gespräch Friedrich Peters mit Emil van Tongel zurückgestellt. Van kanzler Josef Klaus verfassung nicht automatisch Tongel wurde erneut zum Klubobmann gewählt, andererseits aber wurde gab es die einzige wieder in Kraft. Das Ausfüh- über Anregung Peters der Beschluss gefasst, dass der Primat des Bundes- ÖVP-Alleinregierung rungsgesetz über Volksabstim- parteiobmannes auch im Klub zu gelten habe. mungen wurde auf freiheit- liches Drängen dann auch erst Im April 1966 schließlich wurde die alte große Koalition, im Jahre 1958 beschlossen. Mit die von der Wiedergründung der Republik an gute zwanzig dem Volksbegehrensgesetz ließ Jahre regierte hatte, zu Grabe getragen. Erst zwanzig Jahre sich die große Proporz-Koali- später sollte sie unselige Urständ feiern. Mit dem Scheitern tion trotz ständigen Drängens der Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ hat- der Freiheitlichen dann noch ten die Freiheitlichen ihr erstes politisches Hauptziel, näm- bis zum Jahre 1963 Zeit. lich die große Koalition zu zerschlagen, erreicht. Freilich auf andere Weise, als sich die FPÖ dies vorgestellt hatte, da es Auch die Einführung nunmehr zu einer Alleinregierung der Volkspartei mit 85 von eines Ombudsmanns wurde 165 Parlamentssitzen kam. Die ÖVP hatte somit im Natio- von freiheitlicher Seite bereits nalrat eine absolute Mehrheit, obwohl ihr Stimmenanteil bei in den frühen 1960er-Jah- Otto Scrinzi und der Wahl selbst nur bei 48,6 Prozent gelegen war. Dies zeigte ren gefordert. Diese Initiative Emil van Tongel deutlich, dass das die ÖVP begünstigende Wahlrecht, das wurde allerdings erst in den im Plenum mehrheitsfördernde Effekte beinhaltete, im Grunde höchst 1970er-Jahren aufgegriffen und undemokratisch war. Während die FPÖ für ein Mandat im im Jahre 1977 mit der Grün- Durchschnitt 44.000 Stimmen aufzubringen hatte, reichten dung der Volksanwaltschaft für die Mandate von ÖVP bzw. SPÖ 25.000 bis 26.000 Stim- 150 verwirklicht. Überdies konnten men. 151 Die Freiheitlichen und das Parlament 1956 – 1986

Nachdem es nunmehr keinen Koalitionspakt mehr gab, gewannen Bruno Kreiskys Wahlsieg die Parteien im Nationalrat wesentlich größere Bewegungsfreiheit, dabei war es das unbestrittene Verdienst der Freiheitlichen, diese Renaissance Die Strategie der ÖVP scheiterte aber am 1. März 1970, als die Nie- des österreichischen Parlamentarismus initiiert zu haben. In einer Reihe derlage der ÖVP und der Sieg der SPÖ mit einer relativen Mehrheit von Fällen setzte die Sechs-Mann-Fraktion der FPÖ, die ja kein eigenes feststand. Für die Volkspartei war der Verlust nicht nur der absoluten, Antragsrecht besaß, sehr wohl ihre Initiativen durch. Etwa in der Habs- sondern auch der relativen Mehrheit nahezu unfassbar. Der Sieg der burg-Frage durch die Ausstellung eines Reisepasses für Otto Habsburg Sozialisten unter Bruno Kreisky übertraf deren eigene Erwartungen, und die Erklärung, dass die Vermögensfrage allein durch ordentliche und die Freiheitlichen waren schockiert darüber, dass sie nicht einmal Gerichte zu regeln sei. Während die zwei SPÖ-Anträge zu diesem The- ihre sechs Mandate halten hatten können. Der Stand der Nationalrats-

ma keine Mehrheit fanden, wurde jener der FPÖ angenommen. Auch mandate hieß nun: 81 für die SPÖ, 79 für ÖVP und fünf für die FPÖ.

der freiheitliche Antrag auf Einsetzung eines par- „ lamentarischen Untersuchungsaus­schusses über Die Möglichkeit einer kleinen bürgerlichen Koalition zwischen ÖVP den Skandal der Unregelmäßigkeiten beim Bauab- und FPÖ wurde nunmehr von ÖVP-Chef Josef Klaus von vornherein schnitt Strengberg der Westautobahn wurde mit Bei der Parlaments-De- Unterstützung der anderen Parteien angenom- men. Auch der mit den Stimmen der ÖVP und der batte um die Habsburg­ FPÖ angenommene Beschluss zur Rundfunkre- Nationalratswahl 1970 form unter Berücksichtigung wesentlicher Punkte Liste der freiheitlichen Abgeordneten zum -Frage konnte sich die des seinerzeitigen Volksbegehrens ermöglichte ­österreichischen Nationalrat den Durchbruch zu einem neuen Medienzeitalter, SPÖ kleine FPÖ-Fraktion groß XII. Gesetzgebungsperiode das in der Folge die Wahl Gerd Bachers zum Ge- 48,4 % ÖVP neralintendanten des ORF ermöglichte. in Szene setzen. 44,7 % Die XII. Gesetzgebungsperiode begann am „ Das erfolgreiche Auftreten der Freiheitlichen 30. März 1970 und endete am 4. November im Parlament ermöglichte es, die Depression über 1971. Nach der Nationalratswahl am 1. März das schwache Wahlergebnis vom März 1966 bald 1970 entfielen von 165 Mandaten 81 auf die zu überwinden. Die kleine freiheitliche Fraktion verstand es, sich parla- ­Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ), 78 auf mentarisch groß in Szene zu setzen. So etwa bei der parlamentarischen FPÖ die Österreichische Volkspartei (ÖVP) und 6 auf Debatte zur Habsburg-Frage, wo „“ schrieb: „Am Habs- 5,5 % burg-Tag des Parlaments war es die FPÖ, die zeigte, wie man Oppositi- die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ). Wäh- on macht.“ Dieses erfolgreiche Auftreten führte einmal mehr dazu, dass rend der Legislaturperiode waren 169 Mandata- die FPÖ, die in den Jahren nach ihrer Gründung eher von radikal linker re Mitglied des Nationalrates. Seite als Nazi-Partei geschmäht wurde, nunmehr aus dem ÖVP-Bereich in diese Richtung hin diffamiert wurde. Gegen Ende der Legislaturperiode konnten die Freiheitlichen bei Name Geboren Gestorben Regionalwahlen eine Reihe von Erfolgen verbuchen, so etwa bei Arbei- Broesigke Tassilo 1919 2003 terkammerwahlen oder bei den Vorarlberger Landtagswahlen, wo man mehr als 20 Prozent der Wählerstimmen erlangte. Daher herrschte in Meißl Othmar 1917 2008 der FPÖ Aufbruchsstimmung im Hinblick auf die Nationalratswahl des Melter Werner 1924 2007 Jahres 1970. Das FPÖ-Wahlprogramm unter dem Titel „Formel 70“ wurde vom freiheitlichen Wahlkampfteam, bestehend aus Friedrich Peter Friedrich 1921 2005 Peter, Gustav Zeillinger, Otto Scrinzi und Alexander Götz, getragen. Scrinzi Otto 1918 2012 Das gewachsene Selbstbewusstsein der Freiheitlichen kam dabei im An- Zeillinger Gustav 1917 1997 spruch auf politische Mitverantwortung zum Ausdruck, der sehr offen angemeldet wurde. Friedrich Peter bereitete die Partei auf eine kleine Koalition vor, wobei er insbesondere davon ausging, dass in den Über- legungen von SPÖ-Chef Bruno Kreisky eine kleine Koalition mit den ausgeschlossen. Bruno Kreisky war der Einzige, der in dieser Wahlnacht Freiheitlichen denkbar wäre. Mit einer Wiedererringung der absoluten genau wusste, was er wollte. Die Erneuerung der alten großen Koalition Mehrheit durch die ÖVP rechnete damals niemand. Die ÖVP-Wahl- hielt er weder für sinnvoll noch für möglich, das Projekt einer Minder- kampfstrategen versuchten daher, der FPÖ eine linke Schlagseite an- heitsregierung aber hat ihn als Übergangslösung zweifellos fasziniert. zudichten, und warnten lautstark vor der „Dritten Kraft, die den roten Daher suchte er noch in der Wahlnacht den Gesprächskontakt mit den Kanzler schafft“. Darauf erklärte die FPÖ im Jänner 1970 in einer Freiheitlichen. Dabei brachte er sofort die Wahlrechtsreform zur Spra- „Standortbestimmung“, dass sie aus sachlichen und personellen Grün- che, wie sie bereits 1964 zwischen SPÖ und FPÖ paktiert worden war. den keine Regierungskoalition mit der SPÖ eingehen werde. Damit war Eine solche Wahlrechtsreform stelle eine Vorleistung dar, zu der sich die das Wahlkampfgespenst einer „rot-blauen Koalition“ unglaubwürdig SPÖ verpflichtet fühle, ohne eine Gegenleistung zu verlangen – damit gemacht. Der Groll darüber in ÖVP-Kreisen war groß, weshalb man war die Brücke zur Bildung einer sozialistischen Minderheitsregierung 152 nunmehr voll auf die Wiedererringung der absoluten Mehrheit setzte. mit freiheitlicher Duldung geschlagen. 153 Fortsetzung auf Seite 155 ▶ Die Freiheitlichen und das Parlament „ 1956 – 1986

Der Freiheitliche Par- Der Durchbruch zum neuen Wahlrecht Nach einer Anfechtung des Wiener Wahlergebnisses vermochte Tassilo Broesigke doch noch ein sechstes Mandat für die FPÖ heraus- lamentsklub war zu zuschlagen, somit waren neben Klubobmann Friedrich Peter Tassilo Broesigke für Wien, Gustav Zeillinger für Salzburg, Werner Melter für allen Zeiten ein geis­ Vorarl­berg, Otto Scrinzi für Kärnten und Othmar Meißl für die Stei- ermark im freiheitlichen Nationalratsklub vertreten. Obwohl man un- tiger Brennpunkt der mittelbar nach dem sozialistischen Wahlsieg vom 1. März 1970 glaubte, dass die Lage der Freiheitlichen Partei nahezu hoffnungslos sei und man FPÖ. insbesondere den vorhergehenden Beschluss, nur mit der ÖVP koalie- ren zu wollen, als schwerwiegenden Fehler erkennen musste, ergaben sich bald wieder optimistische Perspektiven für die Partei und damit „ auch für die parlamentarische Arbeit: Nachdem die Koalitionsverhand- lungen zwischen SPÖ und ÖVP gescheitert waren und Bundespräsident Jonas grünes Licht für eine sozialistische Minderheitsregierung gege- ben hatt, erkannten die Freiheitlichen die Chance, eine Schlüsselrolle im Parlament zu spielen. Tatsächlich hatte sich ja die neue sozialistische Bundesregierung unter Bruno Kreisky für alle wichtigeren Beschlüsse jeweils eine Mehrheit im Parlament zu suchen. Das Parlament insgesamt wurde dadurch in einem bisher nicht gekannten Maße aufgewertet.

Tatsächlich verstand es Friedrich Peter, der nunmehr nach dem Aus- scheiden van Tongels neuer Klubobmann geworden war, die fünf frei- heitlichen Abgeordneten durch überlegene Taktik als ein tonangebendes

„Eine Zierde des Parlamentarismus …“ Element im Parlament einzusetzen. So vermochte man etwa gegen den

Willen des neuen Finanzministers mit der Unterstüt- zung der ÖVP die Entsteuerung der Überstunden durch- „ Gerulf Stix, langjähriger Abgeordneter und zusetzen. Auch mit einer Initiative zur Erhöhung der Wit- wenpension hatten die Freiheitlichen im Parlament Erfolg. Das Mittragen von Dritter Nationalratspräsident während der Da die Sozialisten eine solche Maßnahme in der Zeit der ÖVP-Alleinregierung ja heftig verlangt hatten, mussten sie Regierungsverant- rot–blauen Koalition, über das parlamenta- die freiheitliche Initiative zwangsläufig unterstützen. rische Wirken der Freiheitlichen wortung musste von einer vormaligen sicherlich eine Zierde des öster- gewonnen zu haben, dürf- reichischen Parlamentarismus. te mir gelungen sein. ­Oppositionpartei Sie waren nach Karl Hartleb vom Eine Zäsur in der Ge- erst gelernt werden. VdU erst der zweite Dritte National- schichte der FPÖ stellt sicher- „ err Doktor Stix, als Sie 1971 mentsklub, als die Obmannschaft Wie schätzen Sie die Bedeutung ratspräsident, den das Dritte Lager stellte. lich der Eintritt in die Koalition Hin den Nationalrat eingezogen von Friedrich Peter auf Alexander des Freiheitlichen Parlamentsklubs für Wie bewerten Sie rückblickend Ihre Ar- mit der SPÖ im Jahr 1983 dar. Wie Und wie bewerten Sie das Ver- sind, wie war unter Friedrich Peter Götz und dann wiederum auf Nor- den Parlamentarismus in Österreich beit als Dritter Nationalratspräsident? war damals das Verhältnis zwischen hältnis des Parlamentsklubs zur Par- die Stimmung im Freiheitlichen Par- bert Steger überging? ein? Stix: Ja, es traf mich uner- dem Freiheitlichen Parlamentsklub und tei während Ihrer Abgeordnetenzeit? lamentsklub, welche Arbeit wurde ge- Stix: Diese Jahre waren eine Stix: Der Freiheitliche Par- warteterweise, zum ersten Drit- der blauen Regierungsmannschaft? War der Parlamentsklub so etwas wie leistet? typische Umbruchszeit. Dem- lamentsklub war zu allen Zeiten, ten Nationalratspräsidenten, den Stix: Die neue Situation ein „Motor“ oder „Gehirn“ der Par- Gerulf Stix: Der Klub war entsprechend war die Stim- die ich miterleben durfte, ein gei- die FPÖ in der Zweiten Republik war gewöhnungsbedürftig. Das tei? von starken Persönlichkeiten mungslage durch gespaltene Prä- stiger Brennpunkt der FPÖ. Eine stellte, bestimmt und gewählt zu Mittragen von Regierungsver- Stix: In den 1970er-Jahren geprägt. Dominierend Friedrich ferenzen gekennzeichnet. schier unglaubliche Offenheit werden. Meine Aufgabe war es, antwortung musste von einem war der Parlamentsklub eindeu- Peter. Prägend aber auch Tassilo Abgesehen vom Hickhack zeichnete die Diskussionen dort zu zeigen, dass die FPÖ ein sol- Klub, der auf Oppositionsarbeit tig der „Motor“ der Partei. In Broesigke, Gustav Zeillinger und sowohl in der Parteiführung aus. Darunter litt jedoch keines- ches Amt gut ausfüllen kann. Ich geeicht war, erst gelernt werden. den 1980er-Jahren verlagerte Otto Scrinzi. Der Parlaments- wie im Parlamentsklub spielten wegs die Kameradschaftlichkeit. musste für einen freiheitlichen Erleichtert wurde dieser Prozess sich die Dynamik verstärkt auf klub war das geistige Zentrum der sogenannte Atterseekreis Sie wurde betont gepflegt. Auch Dritten Präsidenten Vertrau- durch die umsichtige Zusam- die Regierungsmannschaft. Mit der FPÖ. eine wichtige Rolle im Partei- das Verhältnis zwischen den Ab- en in alle Richtungen schaffen. menarbeit von Vizekanzler Steg- der Übernahme der Parteiob- geschehen. Parallel zum perso- geordneten und der wachsenden Das betrifft natürlich auch das er­ und Klubobmann Peter. Nach mannschaft durch Jörg Haider Welche Änderungen in Bezug nellen Tauziehen wurde viel an Zahl der Klubmitarbeiter und Ausland. Das Vertrauen für ei- der Umstellungsphase gelang es 1986 wurden er und sein engerer 154 auf inhaltliche Arbeit und Stim- geistiger und programmatischer Mitarbeiterinnen war ausgespro- nen freiheitlichen Dritten Präsi- dem Klub erstaunlich rasch, in Kreis zum Kraftzentrum der 155 mungen vollzogen sich im Parla- Arbeit geleistet. chen gut. Der Klub der FPÖ war denten überall tatsächlich auch seine neue Rolle zu schlüpfen. FPÖ. ◆ Die Freiheitlichen und das Parlament 1956 – 1986

das neue Wahlrecht erst demokratische Gerechtigkeit herstellte, wurde vom Höchstgericht vollinhaltlich gefolgt.

Parlamentarische ­Opposition ­­ in der Ära Kreisky

Die Zeit der sozialistischen Minderheits- regierung hatte sich für die FPÖ als Blüte- zeit erwiesen, insbesondere die Stärkung des Parlaments und eine rein quantitativ schwa- che Regierung sowie eine noch schwächere oppositionelle ÖVP hatten geradezu idea- le Voraussetzungen dafür geboten, dass die Freiheitlichen in der Innenpolitik stärker denn je zur Geltung kommen konnten. Als sich Bundeskanzler Kreisky dann im Früh- sommer 1971 dazu entschloss, die vorzeitige Auflösung des Nationalrats anzustreben und die Ära der Minderheitsregierung rasch zu Bei aller Bereitschaft der freiheitlichen Parlamentsmannschaft, die beenden, standen die Freiheitlichen vor einer Der neue Bundes­ größer gewordene politische Bewegungsfreiheit voll zu nützen, war man schweren Entscheidung. Man hätte der sozi- kanzler Bruno sich allerdings einig, dass die mit den Sozialisten paktierte Wahlrechtsre- alistischen Minderheitsregierung ja auch den Kreisky kam den form nicht gefährdet werden dürfe. Man musste um jeden Preis danach Absprung verweigern und diese solange wei- Freiheitlichen – im trachten, diese Wahlrechtsreform unbedingt noch vor einer vorver- ter arbeiten lassen können, bis sie offensicht- Bild Tassilo Bro- legten Nationalratswahl, mit der auf Grund der Minderheitsregierung lich gescheitert wäre, oder sie auch durch esigke, Friedrich zu rechnen war, über die Bühne zu bringen. Dies war wohl auch der einen Misstrauensantrag zum Rücktritt zwin- Peter und Gustav Grund, warum sich die Freiheitlichen entschieden, das von der sozialis- gen können, stattdessen stimmte man von Zeillinger – tischen Minderheitsregierung vorgelegte Budget für 1971 im Parlament freiheitlicher Seite im Nationalrat der vor- sehr entgegen mitzutragen. Solcherart konnte man vorverlegte Neuwahlen bereits im zeitigen Auflösung des Parlaments zu. Dies Herbst 1970 verhindern und hatte noch genug Spielraum, um die Wahl- auch deshalb, da Friedrich Peter eine weitere rechtsreform durchzubringen. Tatsächlich wurde der 26. November stille Duldung der Minderheitsregierung, 1970, jener Tag, an dem im Nationalrat mit der einfachen Mehrheit von etwa durch eine neuerliche Zustimmung zum Budget, für untragbar SPÖ und FPÖ das neue Wahlrecht beschlossen wurde, ein Meilenstein gehalten hat. Allerdings dürfte auch die Versuchung dabei eine Rolle in der Geschichte der FPÖ. Fälschlicherweise behauptete man später gespielt haben, recht bald in den Genuss der Segnungen des neuen immer wieder, es wäre dies ein politisches Gegengeschäft für die Zu- Wahlrechts zu kommen. stimmung der FPÖ zum Budget 1971 gewesen. Aber vielmehr lösten die Sozialisten damit ihre Zusage aus den Jahren 1963/64 ein, die im Im Zuge des darauffolgenden Wahlkampfs hatten die Freiheitlichen Sommer 1964 ja auch durch eine schriftlich festgehaltene Vereinbarung einen Zwei-Fronten-Krieg zu bestehen. Einerseits wurden sie vom Ge- paktiert worden waren. Nunmehr wurde die Anzahl der Abgeordne- werkschaftsflügel der SPÖ als arbeitnehmerfeindlich an den Pranger ge- tensitze mit 183 statt 180 fixiert – die Einteilung in neun Wahlkreise, stellt, andererseits versuchte die ÖVP durch die Kandidatur nationaler jedes Bundesland ein Wahlkreis, und in zwei Wahlkreisverbände wurde Exponenten wie Graf Strachwitz, dem Völkerrechtler Felix Ermacora unverändert übernommen. Dieses neue Wahlrecht stellte nunmehr für und dem von der FPÖ abgesprungenen Gleisdorfer Bürgermeister Ru- die Freiheitlichen sicher, dass sie, genauso wie SPÖ und ÖVP, mit rund dolf Heinz Fischer, nationale Stimmen abspenstig zu machen. 25.000 Stimmen ein Nationalratsmandat erreichen konnten. Bei der Na- tionalratswahl von 1970 hatte sie noch für eines ihrer damals fünf Man- Der Wahlsieger am 10. Oktober 1971 hieß jedenfalls Bruno Kreis- date je 50.000 Stimmen benötigt! Und dies, obwohl die ÖVP nur 26.000 ky: Mit 93 von 183 Mandaten hatte die SPÖ die absolute Mehrheit er- Stimmen und die SPÖ gar nur 22.000 Stimmen für ein Mandat brauch- rungen, die ÖVP kam auf 80 Mandate und die Freiheitlichen auf 10. ten. Auch wenn das Echo der weitgehend FPÖ-kritischen Medien da- Obwohl sich die Parteispitze um Friedrich Peter etwas mehr erwartet mals von einer einseitigen Begünstigung der Freiheitlichen sprach, muss hatte, erwies sich die Wählerschaft der FPÖ als weitgehend stabil. Zur festgehalten werden, dass die damalige Wahlrechtsreform in Wahrheit bisherigen Nationalratsmannschaft um Friedrich Peter, Gustav Zei- nur die demokratische Gerechtigkeit herstellte und jeder Wählerstimme llinger, Tassilo Broesigke, Otto Scrinzi, Werner Melter und Othmar gleiches Gewicht verlieh. Eine Beschwerde der niederösterreichischen Meißl kamen nunmehr der Wiener Finanzbeamte Albert Schmidt, der Landesregierung gegen das neue Wahlrecht wurde am 15. Oktober 1971 Niederösterreicher Georg Hanreich, der Welser Steuerberater Helmuth vom Verfassungsgerichtshof zurückgewiesen. Die Argumentation von Josseck und der Innsbrucker Verlagsprokurist Gerulf Stix dazu. Das 156 Tassilo Broesigke, der in diesem Falle die FPÖ-Ansicht vertrat, wonach freiheitliche Kalkül aber, dass man nach der vorgezogenen Neuwahl in 157 Die Freiheitlichen und das Parlament 1956 – 1986

eine Regierungskoalition mit Kreiskys SPÖ kommen könne, erwies sich lersberger mit konservativer Unterstützung das Amt des Bürgermeisters als Trugschluss. erringen. In der Legislaturperiode zwischen 1971 und 1975 vermochten sich die Freiheitlichen mit ihrem nunmehr zehnköpfigen Parlamentsklub Der Zehn-Mann-Parlamentsklub überaus effektiv in Szene zu setzen. Die Parlamentsneulinge Josseck, Hanreich, Stix und Schmidt waren naturgemäß interessiert, sich als Dennoch war die innenpolitische Position der Freiheitlichen und Mitglieder des Hohen Hauses effektvoll zu profilieren. Sie erarbeiteten insbesondere ihre Wirkungsmöglichkeit im Nationalrat eine wesentlich gemeinsam mit den altgedienten Abgeordneten eine Reihe von Re- bessere als zu Zeiten der großen Koalition. Sie verfügte über eine zehn- formkonzepten, die durchaus wegweisend waren. So gab es freiheitliche köpfige Parlamentsfraktion mit Antragsrecht, was allein schon zahlen- Alternativkonzepte für den Bereich des Steuerrechts, erarbeitet weitge- mäßig eine beachtliche Aufwertung bedeutete. Auch gab es kein Zurück hend unter der Führung von Tassilo Broesigke, sowie für Gesundheit zu den starren Fronten des vormaligen rot-schwarzen Proporzes, viel- und Umweltschutz, wo Otto Scrinzi ein modernes Konzept zur System- mehr konnten die Freiheitlichen nunmehr mit wechselnden Bündnissen verbesserung entwickelte. Im Bereich der Energieentwicklung setzte der eigene Positionen und auch eigene Persönlichkeiten durchbringen. Dies freiheitliche Energiesprecher Gerulf Stix zukunftsweisende Akzente in auch auf regionaler und kommunaler Ebene, wo es den Freiheitlichen Richtung erneuerbare, alternative Energie. beispielsweise gelang, gemeinsam mit der ÖVP in Vorarlberg Bertram Jäger zum ersten nichtsozialistischen Arbeiterkammerpräsidenten zu Obwohl die Sozialisten mit ihrer absoluten Mehrheit nunmehr keine wählen oder auch in Klagenfurt und Graz, wo einerseits in der stei- weitere parlamentarische Unterstützung benötigten, suchten sie immer rischen Landeshauptstadt Alexander Götz gemeinsam mit der Volks- wieder die positive Kooperation mit den Freiheitlichen, so etwa im Be- partei in das Bürgermeisteramt gelangte, während in Klagenfurt Leo- reich der betrieblichen Mitbestimmung, wo es um das Mitspracherecht pold Guggenberger mit freiheitlicher Unterstützung Stadtvater wurde. der Betriebsräten in den Aufsichtsräten ging. Auch in der Europapolitik Und in der zweitgrößten Stadt Tirols, in Kufstein, konnte Siegfried Dil- wusste sich die FPÖ parlamentarisch in Szene zu setzen. Die von der

Liste der freiheitlichen Abgeordneten zum öster- Liste der freiheitlichen Abgeordneten zum reichischen Nationalrat ­österreichischen Nationalrat XIII. Gesetzgebungsperiode XIV. Gesetzgebungsperiode Die XIII. Gesetzgebungsperiode begann am Die XIV. Gesetzgebungsperiode begann am 4. November 1971 und endete am 4. November 4. November 1975 und endete am 4. Juni 1979. 1975. Nach der Nationalratswahl am Nach der Nationalratswahl vom 5. Oktober 1975 10. ­Oktober ­1971 entfielen von 183 Mandaten entfielen von den 183 Mandaten 93 auf die SPÖ, Nationalratswahl 1971 93 auf die Sozialdemokratische Partei Öster- Nationalratswahl 1975 80 auf die ÖVP und 10 auf die FPÖ. Während reichs (SPÖ), 80 auf die Österreichische Volks- der Legislaturperiode waren 202 verschiedene SPÖ partei (ÖVP) und 10 auf die Freiheitliche Partei SPÖ Mandatare Mitglied des Nationalrates. 50,0 % ÖVP Österreichs (FPÖ). Während der Legislaturperio- 50,4 % ÖVP 43,1 % de waren 205 Abgeordnete Mitglied des Natio- 42,9 % nalrates. Name Name Broesigke Tassilo Broesigke Tassilo Frischenschlager Friedhelm FPÖ FPÖ Hanreich Georg 5,5 % 5,4 % Hanreich Georg Josseck Helmuth Josseck Helmuth Meißl Othmar Meißl Othmar Melter Werner Melter Werner Peter Friedrich Peter Friedrich Schmidt Albert Schmidt Albert Scrinzi Otto Scrinzi Otto 158 Stix Gerulf Stix Gerulf 159 Zeillinger Gustav Zeillinger Gustav Die Freiheitlichen und das Parlament 1956 – 1986

FPÖ ursprünglich weitgehend allein vertretene Meinung, die Teilnah- Klubobmann Peter in Turbulenzen me Österreichs an der europäischen Integration in Form der EWG sei wichtiger als eine Mitgliedschaft bei der ja von Jahr zu Jahr bedeutungs- Bereits ab 1974 kam es zu parteiinternen Turbulenzen, die insbeson- loser werdenden EFTA, erwies sich als richtig. dere die Person von Bundespartei- und Klubobmann Friedrich ­Peter betraf. Das Nachdrängen jüngerer Kräfte über den Atterseekreis, De- Ihre alte Linie als Kontrollpartei verfolgten die Freiheitlichen wei- batten um eine stärkere liberale Positionierung der Partei und Kritik terhin im Parlament. So auch an der von der Parteiführung immer wieder geäußerten Hoffnung, wurde Tassilo Broesig- doch in eine Regierungskoalition gelangen zu können, sorgten für Un- ke zum Vorsitzenden ruhe. Überdies glaubte insbesondere die ÖVP, nach dem Unfalltod ihres des zweiten parlamenta- Obmanns Schleinzer mit dem neuen Führungsduo Josef Taus und Er- rischen UNO-City-Un- hard Busek im Aufwind zu sein. Am Abend der Nationalratswahl vom tersuchungsausschusses Oktober 1975 wusste man es dann freilich besser: Das Ergebnis lautete des Nationalrates ge- 93 Mandate für die SPÖ, 80 für die ÖVP und 10 für die FPÖ – haar-

wählt. genau gleich, wie es vier Jahre zuvor im Oktober 1971 gelautet hatte.

Kreisky und die SPÖ hatten allen gegenteiligen Vorhersagen zum Trotz Jener Art von Politik, die absolute Mehrheit behalten, und auch die FPÖ konnte ihre Positi- mit der Bruno Kreisky on halten, ihr Wahlziel, in die Regierung zu gelangen, aber „ am Beginn seiner Regie- nicht erreichen. Tatsächlich konnten „Kreisky und sein rungsperiode in Form Team“ unverändert weiterarbeiten, und auch die freiheit- des Gießkannenprinzips liche Parlamentsmannschaft blieb völlig unverändert. Diese Jahre waren Geschenke an verschie- dene Bevölkerungsgrup- Die folgenden Jahre waren für die Freiheitlichen an- für die Freiheitlichen pen verteilen wollte, fangs von der Wiesenthal-Affäre geprägt, die die FPÖ, traten die Freiheitlichen insbesondere Bundesparteiobmann Friedrich Peter, mo- von der Wiesenthal-­ allerdings von Anbeginn natelang in Bedrängnis versetzte. Einzig in der Frage der entgegen. Sie stimmten Einführung einer Volksanwaltschaft konnten die Freiheit- Affaire geprägt, die gegen das Gratisschul- lichen 1977 einen Erfolg verbuchen. Am 14. Februar dieses buch und auch gegen die Jahres wurde vom Nationalrat einstimmig die Einführung Parteiobmann Peter Friedrich Peter Geburtenbeihilfe, als ihre Abänderungsbeiträge zu diesen Gesetzen ab- der Volksanwaltschaft beschlossen. An der Ausarbeitung nach der geschla- gelehnt wurden. Bei der Einführung der Politikersteuer, die gleichzeitig des entsprechenden Gesetzestextes war Tassilo Broesigke in Bedrängnis brach- genen National- mit einer drastischen Erhöhung der Politikergehälter verbunden war, maßgeblich beteiligt. Die Freiheitlichen hatten ihren Ab- te. ratswahl 1975 zogen die Freiheitlichen zwar zähneknirschend mit, insbesondere der geordneten Gustav Zeillinger als Volksanwalt nominiert, Abgeordnete Gerulf Stix allerdings vermochte sich mit seiner kritischen im Mai 1977 wurde er einstimmig für dieses Amt gewählt. „ Rede im Nationalrat – „Ich schäme mich für dieses Gesetz!“ – zu die- Diese Position nutzte der FPÖ in hohem Maße, da sich sem Thema zu profilieren. Zeillinger gegenüber seinen Kollegen in der Volksanwaltschaft, Franz Bauer von der ÖVP und Robert Weisz von der SPÖ, glänzend in Szene Mit dem Fortschreiten der Legislaturperiode wurde die politische zu setzen verstand. In der freiheitlichen Nationalratsfraktion allerdings Gangart der SPÖ allerdings zunehmend härter, dies zeigte sich am deut- musste das Ausscheiden Gustav Zeillingers schmerzlich verbucht wer- lichsten in der Abtreibungsfrage, wo die Freiheitlichen versuchten, einen den. Er, der sich in 24 Jahren als „Mister Parlament“ als Volksvertreter Kompromissvorschlag zu erarbeiten, wobei die von der ÖVP befürwor- einen großen Namen gemacht hatte, wusste durch seine Schlagfertig- tete Indikationenlösung durch eine stärkere Betonung der Entschei- keit, seine Angriffslust und seinen Humor das Bild freiheitlicher Par- dungsfreiheit der Frau ergänzt werden sollte. Entgegen der Ansicht von lamentarier zu prägen. Sein Nachfolger im Nationalratsklub wurde der Klub- und Parteiobmann Friedrich Peter verweigerten sich die Freiheit- Salzburger Universitätsassistent Friedhelm Frischenschlager. lichen im Parlament der von den Sozialisten betriebenen Fristenlösung, wobei der Antrag der FPÖ, die Fristenlösung einer Volksabstimmung In der Legislaturperiode von 1975 bis 1979 waren die Möglich- zu unterziehen, von den Sozialisten im Parlament abgelehnt wurde. keiten, eine freiheitliche Handschrift im Nationalrat einfließen zu lassen, wesentlich geringer. Möglich war dies jedenfalls bei der 1975 beschlos- Auch der von den Sozialisten angepeilten Reform des Rundfunkge- senen Verteidigungsdoktrin, die eine Art Festschreibung der Aufgaben setzes, mit der sie den in Ungnade gefallenen ORF-Intendanten Gerd des Bundesheers darstellte. Teilerfolge erzielte die FPÖ auch im Rahmen Bacher entmachten wollten, verweigerten sich die Freiheitlichen. Tassilo der Geschäftsordnungsreform des Nationalrates, wobei die „Schubladi- Broesigke erarbeitete zu diesem Thema einen Kompromissvorschlag, sierung“ von Anträgen verhindert werden sollte und ein Ausbau der der die Umwandlung des ORF von einer GesmbH in eine Anstalt Fragestunde durch die Neueinführung sogenannter Zwischenfragen öffentlichen Rechts vorsah. Schien zunächst auf der Grundlage des vorgesehen war. Auch bei den großen Reformen des Familienrechts Broesigke-Konzepts eine Drei-Parteien-Einigung durchaus möglich, vermochten die Freiheitlichen eigene Vorstellungen einzubringen. So so scheiterten die Verhandlungen dann in der Endphase, als sich im- wurde etwa im Bereich des Ehescheidungsrechts auf freiheitliche Ini- mer deutlicher herausstellte, dass die Sozialisten um jeden Preis Gerd tiative das Zerrüttungsprinzip anstelle des Verschuldensprinzips einge- Bachers Kopf wollten. So kam es zur Ablehnung des Gesetzes durch führt, auch die Einführung der einvernehmlichen Scheidung ging auf 160 beide Oppositionsparteien. freiheitliche Anregungen zurück. Tassilo Broesigke, der nach dem Aus- 161 Die Freiheitlichen und das Parlament 1956 – 1986

scheiden Gustav Zeillingers aus dem Parlament zum Vorsitzenden des schlug vor, ein neues Führungsmodell zu erarbeiten, damit Götz die Justizausschusses gewählt wurde, konnte sich bei der Ausarbeitung die- Funktion des Grazer Bürgermeisters mit der des freiheitlichen Bun- ser Reformen besondere Verdienste erwerben. desparteiobmanns vereinbaren könnte. Tatsächlich wurde Alexander Götz dann am 14. Ordentlichen Bundesparteitag im Jahre 1978 zum neuen Bundesparteiobmann der FPÖ gewählt. Er vermochte einen er- folgreichen Nationalratswahlkampf zu führen, um bei den Wahlen am Das Zwischenspiel unter Alexander Götz 6. Mai 1979 beträchtliche Stimmengewinne für die FPÖ und ein zusätz- liches Mandat zu erzielen. Nun stand es im Nationalrat: 95 Mandate für Die Grazer Gemeinderatswahlen vom Jänner 1978 zeitigten eine die SPÖ, 77 für die ÖVP und 11 für die FPÖ. Das Wahlziel von Götz, Wiederwahl von Alexander Götz zum Bürgermeister der steirischen die absolute Mehrheit der SPÖ zu brechen, war somit auf Grund der Landeshauptstadt. Die FPÖ konnte dabei einen Stimmenanteil von Schwäche der Volkspartei vereitelt worden. rund 25 Prozent erlangen, und allgemein wurde dieser Erfolg von Götz als Signal auch für die Bundes-FPÖ betrachtet. Nach der mehrjährigen Das ja nur ein knappes Jahr dauernde Zwischenspiel unter Ale- xander Götz brachte also eine Überwindung jener volle 13 Jahre an- dauernden Phase der Stagnation. In dieser Zeit hatte der freiheitliche Liste der freiheitlichen Abgeordneten zum öster- Stimmenanteil konstant um die 5,5 Prozent betragen, nun war er auf reichischen Nationalrat über 6 Prozent gestiegen, wobei die meisten Zuwächse in der Steier- mark, in Tirol, aber auch in Niederösterreich, Wien und Oberöster- XV. Gesetzgebungsperiode reich zu verzeichnen waren. Im Parlament gab es nun tatsächlich eine Die XV. Gesetzgebungsperiode begann am 5. Juni 1979 und endete am 18. Mai 1983. Nationalratswahl 1979 Alexander Götz: Nach der Nationalratswahl am 6. Mai 1979 Sein Zwischenspiel SPÖ entfielen von 183 Mandaten 95 auf die SPÖ, 77 brachte die Überwin- dung der 13 Jahre 51,0 % auf die ÖVP und 11 auf die FPÖ. Während der ÖVP Legislaturperiode waren 218 Mandatare Mitglied dauernden Stagna- tion der Partei 41,9 % des Nationalrates.

Name Name FPÖ Bauer Holger Murer Gerulf 6,1 % Broesigke Tassilo Ofner Harald Frischenschlager Friedhelm Peter Friedrich Götz Alexander Probst Friedrich Grabher-Meyer Walter Steger Norbert Haider Jörg Stix Gerulf Josseck Helmuth

Obmann-Diskussion rund um die Person von Friedrich Peter kam es „freiheitliche Elf“, die wiederholt das Wahlziel Friedrich Peters gewe- nun zu einer entsprechenden Weichenstellung hin zu einer Führungs- sen war. Diese Elf stellte nunmehr die jüngste Mannschaft im Parla- übernahme durch den Grazer Bürgermeister. Man versprach sich in ment. Zwar waren die routinierten Abgeordneten mit Friedrich Peter, den freiheitlichen Führungszirkeln davon auch einen gesamtpolitischen Josseck, Broesigke und Stix auch noch vertreten, als Jungparlamen- Aufschwung für die FPÖ. Interessant war auch die Tatsache, dass die tarier aber zogen Norbert Steger für Wien, Jörg Haider für Kärnten, Grazer Volkspartei das Angebot der Sozialisten, den ÖVP-Kandidaten Friedhelm Frischenschlager für Salzburg und der Vorarl­berger Walter zum Bürgermeister zu machen, abgelehnt hatte, um weiter mit den Grabher-Meyer in den Nationalrat ein. Und auch Bundesparteiobmann Freiheitlichen über die Bildung einer kommunalen Regierungskoalition Alexander Götz wurde Mitglied der Nationalratsfraktion. Mit Gerulf unter Alexander Götz Gespräche zu führen, auch dies erschien im Hin- Murer gab es einen zweiten steirischen Abgeordneten, womit erstmals blick auf bundespolitische Zukunftsentscheidungen ein Signal zu sein. seit dem Ausscheiden des Kärntners Robert Scheuch im Jahre 1966 wieder ein Bauer in der freiheitlichen Parlamentsriege vertreten war. Die Schwierigkeit dabei war, dass Alexander Götz selbst nicht Par- Zum Klubobmann­ wurde nominell Alexander Götz gewählt, Friedrich teiobmann werden wollte, weil seine persönliche Priorität beim Amt des Peter sollte allerdings als geschäftsführender Klubobmann die reale Grazer Bürgermeisters lag. Daraufhin sagten ihm alle freiheitlichen Lan- Leitung des Nationalratsklubs haben. Klubobmannstellvertreter wurde 162 desparteiobmänner volle Unterstützung zu, und Friedrich Peter selbst Tassilo Broesigke. 163 Die Freiheitlichen und das Parlament 1956 – 1986

Auf die Regierung des sidentschaftswahlkampf zu führen, in dem es Willfried Gredler schließ- wiedergewählten Bundeskanz- lich gelang, mehr als 750.000 Stimmen und damit ein besseres Ergebnis lers Bruno Kreisky erfolgte als seinerzeit der freiheitliche Hofburg-Kandidat Burghard Breitner zu im Jänner 1979 die Erklärung erzielen. der Opposition, die Bundes- parteiobmann Alexander Götz Die freiheitliche Nationalratsfraktion war über all die Wirren der abgab. In der Folge fiel im Par- Obmanndiskussion und der Neuorientierung der Partei hinweg stets lament auch die Entscheidung funktionsfähig geblieben. Die endgültige Zusammensetzung des neu- über den später so heiß um- en Parlamentsklubs stand erst im Sommer 1980 fest: Nachdem der strittenen Bau des UNO-Kon- Steirer Fritz Probst für Alexander Götz nachgerückt war, schied Tassilo ferenzzentrums im Wiener ­Broesigke aus dem Klub aus, da er in der Nachfolge von Jörg Kandutsch Donaupark. Dabei stimmte die zum neuen Rechnungshofpräsidenten gewählt worden war. Das Natio- FPÖ dagegen, weil die immen- nalratsmandat von Broesigke übernahm Holger Bauer, der Stellvertre- sen Kosten ihrer Ansicht nach ter Norbert Stegers als Wiener Landesparteiobmann. Damit bildete der eine zu große Belastung für den freiheitliche Nationalratsklub mit einem Durchschnittsalter von 43 Jah- Steuerzahler darstellen würden. ren die jüngste Parlamentsfraktion. Zum Obmann des Justizausschus- All diese Argumente wurden ses des Nationalrates wurde in der Nachfolge von Tassilo Broesigke schließlich im Mai 1982 beim Norbert Steger gewählt. Das Ausscheiden des altgedienten Parlamenta- Volksbegehren gegen den Bau riers Broesigke bedeutete tatsächlich eine Zäsur für die parlamentarische des UNO-Konferenzzentrums Arbeit der FPÖ. Mit ihm verlor der Klub einen der hervorragendsten von 1,6 Millionen Österrei- Experten für Rechtsstaat, Verfassung und Steuerrecht, der durch seine chern unterschrieben. Nachdem Alexander Götz in seiner Mehrfachfunktion als Grazer Bürgermeister, Bun- desparteiobmann und Klubob- mann im Nationalrat sichtlich Alexander Götz überfordert war und die Partei sich trotz ihrer neuen Stärke im Parlament resignierte im nicht wirklich zu profilieren vermochte, überdies das neue Führungs- Dezember 1979 als modell mit dem Generalsekretär Helmut Krünes an der Seite von Götz Parteiobmann: In nicht wirklich funktionierte, resignierte Alexander Götz schließlich am der Folge gelangte 1. Dezember 1979 als Parteiobmann. Unter seiner Führung hatte sich Norbert Steger an die FPÖ wieder eher auf einen bürgerlichen Kurs und eine Annähe- die Parteispitze rung an die Volkspartei hin orientiert. Mit der Führung der Partei wurde nunmehr der Landesparteiobmann von Oberösterreich Horst Schender beauftragt, der zudem die Vorbereitungen für den ­außerordentlichen Mitarbeit an bedeuteten Gesetzeswerken wie der Wahlrechtsreform, der Die freiheitlichen Bundesparteitag zu treffen hatte, auf dem ein neuer Obmann gewählt Familienrechtsreform, der Volksanwaltschaft, der Medienrechtsreform Kandidaten für werden sollte. Bewerber für das höchste Parteiamt waren der nieder- und anderer Parlamentsgeschichte gemacht hatte. die Nationalrats- österreichische Landesparteiobmann Harald Ofner und der Wiener wahl 1983 Landesparteiobmann Norbert Steger. Auf das Nationalratsmandat von Im Gegensatz zu Alexander Götz und auch zu Friedrich Peter war Alexander Götz, das dieser niederlegte, um sich voll seinen Grazer Auf- für Norbert Steger seine Abgeordnetentätigkeit im Parlament Ausgangs- gaben zu widmen, folgte der Steirer Fritz Probst nach. punkt seiner politischen Karriere. Nach der Nationalratswahl von 1979 versuchte er, sich zuerst als außenpolitischer Sprecher der Fraktion zu profilieren, wobei er sich mit besonderer Aufmerksamkeit Österreichs Europapolitik widmete. Als im Frühjahr 1980 der Skandal rund um das Das liberale Experiment Wiener Allgemeine Krankenhaus Schlagzeilen machte, wusste Norbert Steger die Gunst der Stunde zu nutzen, indem er die FPÖ verstärkt ­unter Norbert Steger als Kontrollpartei in Szene setze. Am 9. Mai 1980 wurde Steger zum Vorsitzenden des AKH-Untersuchungsausschusses des Nationalrates Am außerordentlichen Bundesparteitag am 2. März 1980 im Linzer gewählt. Als dieser Ausschuss nach einjähriger Dauer, 42 Sitzungen und Brucknerhaus wurde schließlich Norbert Steger mit 55,3 Prozent ge- der Vernehmung von 104 Zeugen und zahlreichen Lokalaugenschei- gen Harald Ofner mit 44,6 Prozent zum neuen Bundesparteiobmann nen seine Tätigkeit abschloss, war die Volkspartei nicht bereit, einem der FPÖ gewählt. Der von Anfang an eher umstrittene neue 35-jährige gemeinsamen Abschlussausschussbericht zuzustimmen. Bislang hat Bundesparteiobmann sollte den Versuch unternehmen, die FPÖ auf ei- es in Österreich wohl noch nie eine so gründliche und umfangreiche nen dezidiert liberalen Kurs zu führen und damit das alte Ziel Friedrich Untersuchung eines Skandalfalls gegeben wie im Falle des AKH, den- Peters, in einer Koalition mit den Sozialisten in die Bundesregierung zu noch blieb vieles ungeklärt. So hatte sich Steger zu weit vorgewagt, als 164 kommen, zu realisieren. Vorerst aber hatte die Partei einen Bundesprä- er gleich zu Beginn der Untersuchung den Verdacht geäußert hatte, es 165 Die Freiheitlichen und das Parlament 1956 – 1986

seien beim AKH im Verhältnis 2:1 Parteispenden an SPÖ und ÖVP Weiterentwicklung der direkten Demokratie. Diese blieb in ihrer Wirk- geflossen. Hinweise auf Schmiergeldzahlungen, die dann ja auch zu samkeit allein schon dadurch begrenzt, weil es der Parlamentsmehrheit Schuldsprüchen bei allen zwölf Angeklagten im ersten AKH-Prozess freistand, Volksbegehren anzunehmen oder abzulehnen. Diesbezüglich führten, gab es allerdings genug. Die Querverbindungen zu den poli- setzte die FPÖ mit ihrem Antrag, dass ein vom Nationalrat abgelehntes tischen Parteien blieben allerdings im Dunkeln. Volksbegehren einer Volksabstimmung zu unterziehen sei, ein Signal. Das Volksbegehren gegen den Bau des UNO-Konferenzzentrums im Zu profilieren vermochte sich im Zuge des AKH-Skandals auch Mai 1982 führte die Berechtigung dieser Initiative eindrucksvoll vor Au- die Wiener Untersuchungsrichterin Helene Partik-Pablé. Sie ließ sich gen, trotz mehr als 1,3 Millionen Unterstützungsunterschriften blieb es weder durch die Staatsanwaltschaft noch durch den sozialistischen der sozialistischen Parlamentsmehrheit unbenommen, dieses Volksbe- Justizminister­ Christian Broda davon abbringen, die Untersuchungs- gehren schlicht abzulehnen. haft dort zu verhängen, wo es im Interesse einer lückenlosen Aufklä-

Liste der freiheitlichen Abgeordneten zum öster- Der Parlamentsklub während

reichischen Nationalrat der rot-blauen Regierung

XVI. Gesetzgebungsperiode Die XVI. Gesetzgebungsperiode begann am Im Wahlkampf für die Parlamentswahlen 1983 präsen- „ tierte sich die FPÖ insbesondere als Kontroll- und Ver- 19. Mai 1983 und endete am 16. Dezember Nationalratswahl 1983 änderungspartei, um dringend notwendige Reformen wie 1986. Nach der Nationalratswahl vom 24. April etwa im Bereich des Staatshaushalts herbeizuführen. Am Zum zweiten Mal in 1983 entfielen von den 183 Mandaten 90 auf 24. April 1983 vermochten dann die Freiheitlichen mit nur SPÖ die SPÖ, 81 auf die ÖVP und 12 auf die FPÖ. 5 Prozent das schwächste Ergebnis ihrer bisherigen Ge- der Zweiten Repu­ 47,6 % ÖVP Während der Legislaturperiode waren 224 Man- schichte einzufahren, um doch mit 12 Abgeordneten den 43,2 % stärksten Parlamentsklub seit ihrer Gründung bilden zu blik wurde mit Gerulf datare Mitglied des Nationalrates. können. Zu den bereits bewährten Abgeordneten Fried- rich Peter, Helmuth Josseck, Harald Ofner, Fritz Probst, Stix ein Vertreter Name Name Gerulf Stix und Norbert Steger sowie Holger Bauer, des Dritten Lagers Friedhelm Frischenschlager, Walter Grabher-Meyer und Bauer Holger Josseck Helmuth Jörg Haider kamen der Oberösterreicher Hermann Ei- zum Nationalratsprä- FPÖ Eigruber Hermann Kabas Hilmar gruber dazu sowie sein Landsmann Norbert Gugerbauer, 4,9 % VGÖ ALÖ Frischenschlager Friedhelm Ofner Harald der Salzburger Helmut Haigermoser, der Niederösterrei- sidenten gewählt. 2,0 % 1,4 % cher Josef Hintermayer, der Kärntner Alois Huber, die Grabher-Meyer Walter Ortner Peter Wiener Hilmar Kabas und Helene Partik-Pablé sowie Pe- „ Gugerbauer Norbert Partik-Pablé Helene ter Ortner. Ein Teil von ihnen erst, nachdem mit Norbert Steger, Harald Ofner, Friedhelm Frischenschlager, Gerulf Murer und Haider Jörg Peter Friedrich Holger Bauer sowie dem Kärntner Landesrat Mario Ferrari-Brunnen- Haigermoser Helmut Probst Friedrich feld sechs freiheitliche Persönlichkeiten in die Bundesregierung, ge- bildet aus SPÖ und FPÖ, eintreten konnten. Hintermayer Josef Steger Norbert Huber Alois Stix Gerulf Überdies sollte wieder ein Freiheitlicher in das Nationalratsprä- sidium aufrücken. Ursprünglich war Friedrich Peter im Gespräch, der wegen seiner Vergangenheit als SS-Offizier trotz erwiesener per- sönlicher Unschuld dem medialen Druck weichen musste. Dennoch rung als notwendig erschien. Letztlich gab die parlamentarische Un- wurde zum zweiten Mal in der Zweiten Republik ein Vertreter des tersuchung des AKH-Skandals den Anstoß zur Schaffung eines neuen nationalliberalen Lagers zum Dritten Nationalratspräsidenten ge- Anti-Korruptionsgesetzes und eines Vergabegesetzes. Die Bedeutung wählt – die Wahl fiel auf Gerulf Stix, den freiheitlichen Landespartei- der FPÖ als Kontrollpartei wurde jedenfalls dadurch der Bevölkerung obmann von Tirol. Klubobmann blieb bis 1986 Friedrich Peter, der deutlicher bewusst als je zuvor. Auch die umsichtige Vorsitzführung mit dem Freiheitlichen Parlamentsklub bestrebt war, die Initiativen von Holger Bauer, der den parlamentarischen Untersuchungsausschuss der freiheitlichen Regierungsmitglieder zu unterstützen. Die im Mai um die Vorkommnisse rund um die Wohnbaugesellschaft OST (WBO) 1983 angetretene rot-blaue Regierung hatte keine leichte Aufgabe vor leitete, trug dazu bei, den Ruf der Freiheitlichen als Kontrollpartei zu sich: Sie musste verhindern, dass das Budgetdefizit die 100-Milliar- verstärken. den-Schilling-Grenze überschritt, dass die Pensionsversicherung un- finanzierbar wurde und dass sich die Lage im Bereich der verstaat- Aber auch als Veränderungs- und Demokratisierungspartei ver- lichten Industrie noch hoffnungsloser entwickelte und vieles andere mochten sich die Freiheitlichen in diesen Jahren zu profilieren. Seit ih- mehr. Dazu waren zweifellos unpopuläre Maßnahmen erforderlich, rer Gründung war es der FPÖ ein Anliegen, die demokratischen Me- die den Freiheitlichen bei den Wählern und bei der Parteibasis sehr 166 chanismen im Lande zu stärken. So setzte man immer wieder auf eine negativ zu Buche schlugen. 167 Die Freiheitlichen und das Parlament 1956 – 1986

Abgesehen davon aber waren die freiheitlichen Parlamentarier vom Anbeginn ihres Wirkens in den späten 1950er-Jahren über die 60er-Jahre und dann die Ära Kreisky zweifellos Vertreter eines qualitativ hochste- henden Parlamentarismus. Legendär waren die freiheitlichen Parlamen- tarier der frühen Phase. Ein Willfried Gredler, ein Gustav Zeillinger, ein Tassilo Broesigke, ein Jörg Kandutsch, ein Otto Scrinzi – sie waren und sind vielen Österreichern, auch solchen, die mit der FPÖ politisch nicht viel zu tun haben, bis zum heutigen Tag ein Begriff. Wahre po-

litische Persönlichkeiten von Gewicht, hervorragende Rhetoriker und

schlichtweg fleißige Abgeordnete vermochten das Bild einer Partei zu prägen, die über lange Jahre das Zünglein an der Waage sein sollte und die schließlich unter der Führung Friedrich Peters ein ge- „ wisses Naheverhältnis zu Bruno Kreisky und der von ihm geführten SPÖ entwickelte. Der Versuch Norbert Stegers, die FPÖ in eine „lupen- Von der Gründung rein-liberale Partei“ zu verwandeln, war zwar von wenig Erfolg gekrönt, er konnte aber nach dem Verlust der ab- 1956 bis zum Regie- soluten Mehrheit der SPÖ im Jahre 1983 beweisen, dass rungseintritt 1983 die Freiheitlichen auch mit geringer Wählerunterstützung in der Lage waren, hervorragende Abgeordnete zu stellen war der Parlaments- und auch hervorragende Regierungsarbeit zu leisten. Die prägenden Persönlichkeiten des freiheitlichen Parlamenta- klub das eigentliche rismus waren nach den bereits genannten populären Hono- ratioren-Abgeordneten zweifellos parlamentarische Strate- Zentrum der Frei- gen wie Emil van Tongel, wie Willfried Gredler und dann eben Friedrich Peter. Fortgeführt wurde diese erfolgreiche heitlichen Partei. freiheitliche Politik im Parlament von Politikern wie Harald Ofner und Norbert Steger. Alexander Götz, der zwar ei- „ nen für diese drei Jahrzehnte beeindruckenden Höchst- Schon wenige Zu einem Wechsel in der Klubführung kam es, als Verteidigungs- stand an Wählern anzusprechen vermochte, gehörte wohl nicht zu den Wochen nach minister Friedhelm Frischenschlager wegen der sogenannten „Re- leidenschaftlichsten Parlamentariern der Partei. Er war letztlich – auch der Nationalrats- der-Affäre“ zurücktreten musste und in den Nationalrat wechselte. während seiner einjährigen Funktion als Bundesparteiobmann – Grazer wahl stand die Frischenschlager sollte bis zum Ende der Legislaturperiode und der Bürgermeister, und das mit Leidenschaft und großem Erfolg. neue Regierungs­ Obmannschaft Norbert Stegers Klubobmann bleiben. mannschaft: Die Von Anbeginn ihrer parlamentarischen Tätigkeit kämpften die Frei- FPÖ stellte mit heitlichen gegen den unkontrollierten Machtanspruch des schwarz- Harald Ofner (3. v. l.) roten und später rot-schwarzen Proporzsystems: zuerst gegen die große den Justizminister, Honoratiorenpartei, Zünglein an der Koalition und dann gegen die Allmachtsansprüche der alleinregierenden mit Norbert Steger Altparteien, zuerst der ÖVP und dann über lange Jahre der SPÖ. Die Re- den Vizekanzler und Waage und Mehrheitsbeschaffer gierungsbeteiligung, die man im Jahre 1983 schließlich zustande brachte, Minister für Han- wurde von vielen damaligen freiheitlichen Zeitgenossen, insbesondere del, Gewerbe und Das politische Wirken der Freiheitlichen in den ersten dreißig Jahren vom Kreis um Norbert Steger, verständlicherweise als Krönung einer Industrie sowie mit des Bestehens der Partei von 1956 bis 1986 und insbesondere die Prä- nahezu dreißigjährigen politischen Arbeit empfunden. Dass sie aus ei- Friedhelm Frischen- senz freiheitlicher Parlamentarier im Nationalrat sind insgesamt geprägt ner Position der Schwäche mit nur geringer parlamentarischer Unter- schlager den Ver- vom Kampf ums politische Überleben. In den ersten Wahlen des Jahres stützung allzu leicht vom sozialistischen Koalitionspartner benützt und teidigungsminister. 1956 bis hin zu den Parlamentswahlen von 1983 schrammte die FPÖ auch missbraucht werden konnte, hat sich erst im Nach­hinein herausge- Rechts Staatsse- immer haarscharf am Scheitern an der für den Einzug in den National- stellt. Für diese Phase der FPÖ-Geschichte, also von der Gründung der kretär Gerulf Murer, rat notwendigen Prozenthürde vorbei. Zwar vermochte die Wahlrechts- Partei bis zumindest zum Regierungseintritt 1983, war der Parlaments- links die Staats- reform von 1971, für die die Freiheitlichen in den ersteren 15 Jahren klub jedenfalls das eigentliche Macht- und Schaltzentrum der gesamten sekretäre Mario ihres Bestehens gekämpft hatten, eine gewisse Existenzsicherung der Gesinnungsgemeinschaft. ◆ Ferrari-Brunnenfeld FPÖ herbeizuführen, aber immer wieder war es nur mit Hilfe des frei- und Holger Bauer heitlichen Grundmandats in Kärnten gesichert, dass sich der dann doch um die zehn Abgeordnete zählende Parlamentsklub formieren konnte. Das Zwischenspiel unter Alexander Götz zeitigte zwar einen gewissen Wählerzuwachs, ihr Ziel, mitzuregieren, vermochte die FPÖ allerdings dann erst unter Norbert Steger – wenn auch mit dem schwächsten aller 168 bisherigen Wahlergebnisse – durchzusetzen. 169 170 VI Das Dritte Lager kehrt zurück Der VdU im Parlament

171 Die Freiheitlichen und das Parlament 1949 – 1956

ei der Wiedergründung der Kurz davor, im Dezember 1947, hatte man die Währungsreform 1949 – 1956 BRepublik nach dem Zusam- durchgeführt und damit für den Beginn einer Stabilisierung der wirt- menbruch des Dritten Reiches schaftlichen Situation im Lande gesorgt. Im Frühjahr 1948 kam dann war das nationalliberale Lager die große Hilfe durch den amerikanischen Marshallplan, und im Som- bekanntlich vom politischen mer 1948 wurde ein wirtschaftliches Wiederaufbaugesetz nach dem an- Der Verband der Unabhän- Geschehen weitgehend aus- deren erlassen: zuerst das Wohnungswiederaufbaugesetz, dann die Stüt- geschlossen. Nachdem die al- zung der landwirtschaftlichen Preise. So kam es zu einer allmählichen liierten Besatzungsmächte zu Normalisierung in der jungen Zweiten Republik. gigen und seine national­ Beginn nicht bereit waren, zwi- schen dem Nationalsozialismus liberalen Abgeordneten und nationalfreiheitlicher Ge- sinnung zu differenzieren, war Die Gründer des VdU eine Parteigründung des Drit- ten Lagers in den ersten Nach- Mit den beiden nicht durch eine nationalsozialistische Vergangen- Nachkriegszeit in kriegsjahren ausgeschlossen. Rund ein Viertel der österreichischen heit belasteten Journalisten Herbert Alois Kraus und Viktor Reimann Österreich: ausge- Bevölkerung, nämlich die ehemaligen Mitglieder der NSDAP und fanden sich nunmehr zwei Parteigründer, die es verstanden, mit ge- bombt, NS-belastet der nationalsozialistischen paramilitärischen Verbände – auch die so- schicktem Taktieren – auch im Hinblick auf die westlichen Besatzungs- kommt der Wieder- genannten Minderbelasteten – samt ihren Familienmitgliedern waren mächte – eine neue politische Bewegung aus der Taufe zu heben, die aufbau mit Hilfe von der politischen Mitbestimmung ausgeschlossen. sich in der Lage sah, die Traditionen des nationalliberalen Lagers wie- des Marshallplans der aufzugreifen. Zwar wurde der Verband der Unabhängigen, wie die langsam in Schwung Erst im Jahre 1948 kam es zur Veränderung der Situation, als am neue Bewegung genannt wurde, von Herbert Alois Kraus keineswegs 27. Februar der sowjetische Oberbefehlshaber Tolbuchin erklärte, als Wiederbelebung des traditionellen nationalliberalen Lagers gedacht, er sei für eine Amnestie der kleinen Parteigenossen, also der min- derbelasteten ehemaligen Nationalsozialisten, worauf das Parlament doch eine Reihe von Amnestiegesetzen beschloss. Damit wurde die- sen Minderbelasteten auch das Wahlrecht wieder zu- gestanden.

172 173 Die Freiheitlichen und das Parlament 1949 – 1956

sondern eher als locker struktu- Nationalratswahl in Österreich 1949 rierte Reformbewegung, die die herkömmlichen Lager und Par- teigrenzen überwinden sollte. Anteil Mandate Kraus formulierte dies Wahlwerber Stimmen 1949 ± 1949 ± selbst später (in einer Publika- Österreichische Volkspartei (ÖVP) 1.846.581 44,0 % -5,8 % 77 -8 tion des freiheitlichen Bildungs- werks) folgendermaßen: „Die Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ) 1.623.524 38,7 % -5,9 % 67 -9 wirtschaftliche Normalisierung, Wahlpartei der Unabhängigen (WdU) 489.273 11,7 % n.k. 16 +16 zusammen mit dem Umstand, dass man sich politisch wie- Kommunistische Partei Österreichs 213.066 5,1 % -0,3 % 5 +1 der rühren konnte, hat dazu u. Linkssozialisten (Linksblock) geführt, dass Gespräche und Demokratische Union (DU) 12.059 0,28 % n.k. 0 – Überlegungen zur Gründung einer neuen Partei angestellt Vierte Partei 7.134 0,17 % n.k. 0 – wurden. Soweit ich an diesen Demokraticnafrontadelovnegnaljudstva (DF) 2.088 0,04 % n.k. 0 – Gesprächen teilgenommen habe, habe ich die Idee vertre- Demokratische Partei Österreichs (DPÖ) 5 0,00 % n.k. 0 – ten, der neuen Generation, das Wirtschaftspartei der Haus- und ­ 3 0,00 % n.k. 0 – heißt den Menschen zwischen Grundbesitzer (Wirtschaftspartei) 25 und 40 Jahren, also vor allem den Heimkehrern, ein poli- Österreichische Patriotische Union (ÖPU) 0 0,00 % n.k. 0 – tisches Ziel hinzustellen, das es n.k. = nicht kandidiert vorher nicht gegeben hat, also eine ganz neu profilierte Kraft zu entwickeln. Meine zweite Die Abgeordneten des VdU – Verband der Unabhängigen Idee war es, auch den ehema- ligen Nationalsozialisten, die man ja nicht im Gedankenkreis Gesetzgebungsperiode vom 8. November 1949 bis 18. März 1953 des NSDAP-Programmes las- Auf Grund der Wahl vom 9. Oktober 1949 konnte der VdU folgende Vertreter in den sen konnte, eine neue Richtlinie ­Nationalrat entsenden: zu geben. Ich habe vor Augen gehabt, all diese Gruppen in das liberale Lager zu führen. Das Buchberger Adalbert, Dr. Dipl.-Ing., Ziv.-Ing., Steiermark dritte Ziel war, den übermäch- Ebenbichler Gerhard, Kfm., Tirol tigen zwei Parteien, die eine fes- te Koalition bildeten, welche wie ein einheitlicher Körper vorging und Gasselich Anton, Dr. Prof., Niederösterreich, gestorben am 9. Februar 1953 Soziales ­Manifest schon Anzeichen einer stillen Diktatur zeigte, eine Gegenmacht entge- Gruber Alois, Kraftfahrer, Kärnten des VdU genzusetzen. Das waren die ideellen Ziele.“ Hartleb Karl, Bkzl. a. D. Ldw., Steiermark Und weiter führte der Parteigründer aus: „Die praktischen Ziele wa- Huemer Oskar, Bmtr., Oberösterreich, am 1. März 1950 aus der Fraktion ausge- ren, die absolute Mehrheit einer der beiden Parteien zu verhindern. Das schieden ist dann auch gelungen: Der VdU hat im Jahr 1949 in den drei westlichen Zonen Österreichs ca. 20 Prozent aller Stimmen bekommen. Im Os- Klautzer Franz, Verleger, Steiermark ten, wo unsere Wahlwerbung zum Teil mit brutaler Gewalt behindert Kopf Rudolf, Dr. Bmtr. i. R., Vorarlberg wurde, hatten wir nur 4 Prozent. Das ergab im gesamtösterreichischen Kraus Herbert, Dr., Volkswirtsch., Oberösterreich Durchschnitt 12 Prozent und im Parlament 16 Mandate. Auf diese Weise haben wir mit rechts eine Mehrheit von 56 Prozent und mit den Neumann Anton, Prof. i.R., Oberösterreich Sozialisten eine solche von 51 Prozent gehabt. Ein weiteres taktisches Neuwirth Thomas, Gew.-Sekr., Salzburg, am 12. Dezember 1952 aus der Frakti- Ziel war es, eine Partei aufzubauen, die sich vornehmlich aus der Eli- on ausgeschieden te verschiedener Stände, aus den sogenannten Aufsteigern rekrutiert. Auch das ist zu einem überraschend hohen Grad gelungen. Ich habe Pfeifer Helfried, Dr. Univ.- Prof. a. D., Wien in meinen vielen Wahlversammlungen und den anschließenden Ge- Rammer Hans, Lagerhaus-Dir. a. D., Oberösterreich sprächen immer wieder festgestellt, dass zu uns vor allem diejenigen gekommen sind, welche die modernsten aufgeschlossensten Bauern Reimann Viktor, Dr., Red., Oberösterreich oder am persönlichen Aufstieg interessierten Facharbeiter und An- Scheuch Robert, Dr., Bauer, Kärnten 174 gestellte gewesen sind, also eben diese ‚Aufsteiger‘, die durch ihre 175 Stüber Fritz, Dr., Schriftsteller, Wien Fortsetzung auf Seite 177 ▶ Die Freiheitlichen und das Parlament 1949 – 1956

Leistungen vorwärts kommen wollten.“ Nationalratswahl in Österreich 1953 Soweit Herbert Alois Kraus. Anteil Mandate Tatsächlich war Wahlwerber Stimmen 1953 ± 1953 ± die junge Partei- gründung im Süden Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ) 1.818.517 42,1 % +3,4 % 73 +6 der Republik weiter- Österreichische Volkspartei (ÖVP) 1.781.777 41,3 % -2,7 % 74 -3 hin stark vom alten Landbund geprägt, Wahlpartei der Unabhängigen (WdU) 472.866 10,9 % -0,8 % 14 -2 während sie im Wes­ Wahlgemeinschaft Österreichische 228.159 5,28 % +0,2 % 4 -1 ten des Bundesge- biets viele Berüh- Volksopposition (VO) rungspunkte zum Überparteiliche Einigung der Mitte, 5.809 0,13 % n.k. 0 – alten, katholischen, Wahlgemeinschaft parteiloser Persönlichkeiten konservativen und 0 monarchistischen Christlich-demokratische Partei 3.668 0,08 % n.k. – Bereich aufzuwei- (Krscanskademokratskastranka) sen hatte. Insgesamt Christlichsoziale Partei und 3.029 0,07 % n.k. 0 – sollte sie in der Folge von einem überra- Parteifreie Persönlichkeiten schend großen Zu- Wahlpartei Freie Demokraten 2.573 0,06 % n.k. 0 – strom aus dem Arbeiterbereich profitieren. Kraus ging allerdings in seiner strategischen Zielsetzung von ähnlichen Zielvorstellungen Bund der österreichischen Monarchisten 1.210 0,03 % n.k. 0 – 0 aus, wie sie die ÖVP damals hatte. Nämlich von einer Verhinderung Österreichische National-Republikaner 1.054 0,02 % n.k. – einer linken Mehrheit, die – so fürchtete man damals – zu einer kom- und Parteilose munistischen Machtergreifung führen könnte. 26 0,0 % n.k. 0 – Österreichische Patriotische Union Naturgemäß war mit dem Wiedereintritt der ehemaligen minder- n.k. = nicht kandidiert belasteten Nationalsozialisten in die politische Landschaft der Re- publik auch ein gewisses Buhlen aller politischen Kräfte um diese Wählerschaft verbunden. Die Österreichische Volkspartei, aber auch die Sozialdemokratie waren sich in den späten 1940er- und frühen 1950er-Jahren keineswegs zu gut, ganz offen um ehemalige national- sozialistische Stimmen zu buhlen. Im „Bund Sozialistischer Akade- miker“ beispielsweise entwickelte sich geradezu ein Auffangbecken für ehemalige Nationalsozialisten. Insbesondere in Kärnten – man entsinne sich des „hochkarätigen Hitlerjungen“ Leopold Wagner – wurden viele Nationalsozialisten nunmehr zu Sozialisten. Umge- Herbert A. Kraus kehrt war es in der Steiermark, wo die ÖVP über weite Strecken ihrer Entwicklung in der jungen Zweiten Republik gegenüber ehemaligen Nationalsozialisten sehr offen war. Dementsprechend ablehnend reagierte man bei den beiden Re- gierungsparteien gegenüber den Versuchen, wieder eine eigenstän- dige Partei des Dritten Lagers zu begründen. Während die ÖVP eine Aufsplitterung­ des bürgerlichen Lagers befürchtete, unterstützte die SPÖ, namentlich Innenminister Oskar Helmer, zuerst die Gründung des VdU. Nachdem allerdings bei der zweiten freien Nationalrats- Der Nationalrats- wahl im Jahre 1949 die vom VdU getragene „Wahlpartei der Unab- klub des VdU hängigen“ mit 11,7 Prozent der Stimmen beiden Großparteien im gleichen Ausmaß Stimmen abnahm, musste man auf Seiten der SPÖ erkennen, dass das Kalkül einer Spaltung des bürgerlichen Lagers nicht aufgegangen war. Dies war wohl auch der Grund, warum bei den darauffolgenden Nationalratswahlen des Jahres 1953 der VdU sowohl von ÖVP-Seite als auch von SPÖ-Seite auf das Schärfste Viktor Reimann 176 bekämpft wurde. 177 Die Freiheitlichen und das Parlament 1949 – 1956

Parteigründung und erster Wahlerfolg Oberweis, wobei der spätere Zweite Nationalratspräsident Alfred Male- Am 26. März 1949 fand die eigentliche konstituierende General- ta dieVerhandlungen führte. versammlung des VdU in der Salzburger Fronburg statt. Diese vierte Partei musste allerdings als Verein angemeldet werden, da aufgrund Die Sozialisten pflegten durch der alliierten Lizenzen in Österreich nur drei Parteien zugelassen wa- Innenminister Oskar Helmer sehr ren. Auch der Nachfolger des VdU, die FPÖ, war letztlich bis zum gute Kontakte zum „Gmundner Parteien­gesetz von 1975 nur als Verein konstituiert. Dem neu gegrün- Kreis“ ehemaliger NS-Spitzenfunk- deten Verband blieb nur eine kurze Zeit für die Vorbereitung der Nati- tionäre, die inzwischen ein Nahe- onalratswahl am 9. Oktober 1949. Die Zulassung zur Wahl konnte bei verhältnis zum amerikanischen CIC den Alliierten durchgesetzt werden, weil es sich als Glück erwies, dass aufgebaut hatten. Die ÖVP ver- die Sowjetunion in ihrem Bereich die Kandidatur der „Demokratischen suchte, die Kandidatur des VdU bis Union“ des linkskatholischen Prof. Dobretsberger durchsetzen wollte. zur letzten Minute zu hintertreiben, Aus diesem Grund wurden in den Verhandlungen beide Verbände da sie große Verluste befürchtete, zugelassen. Allerdings konnte der VdU nicht als VdU kandidieren, wenn eine zweite nichtsozialistische Gustav Zeillinger sondern musste aus verfassungsrechtlichen Gründen als „Wahlpartei Partei kandidierte. der Unabhängigen“ (WdU) an- treten. Dies brachte zusätzliche Mit dem Wiedereintritt des na- Schwierigkeiten mit sich. tionalliberalen Lagers in das innen- politische Geschehen der Zweiten Im Wahlkampf ging es vor Republik setzte schlagartig jene allem um die minderbelasteten Verteufelung ein, die den VdU – ehemaligen Nationalsozialisten, und danach seine Nachfolgeorga- die nach der Amnestie vom 21. nisation, die FPÖ – als „nazistisch April 1948 wieder wahlberech- und faschistoid“ denunzierte und tigt waren, sowie um die Heim- als Sammelbecken für alte und kehrer aus der Kriegsgefangen- neue Nazis darstellen wollte. Un- Erste Ausgabe schaft und die Volksdeutschen. terschlagen wurde dabei stets, dass „Neue Front“ Auch die ÖVP bemühte sich um das Gros der ehemaligen Angehö- Kontakte zu ehemaligen füh- rigen der NSDAP spätestens in den renden Nationalsozialisten in 1950er-Jahren bei den beiden öster-

Gustav Zeillinger 1987 aus. Von 1983 bis 1993 chischen Nationalrat (VII. bis Thomas Neuwirth war er Präsident des Vereins XIV. Gesetzgebungsperiode) seeabteilung einer Firma und Abgeordneter zum Nationalrat ach der Matura an einem österreichischer Steuerzahler. und bald durch seine redne- euwirth (1. September war zwischen 1932 und 1934 ohne Klubzugehörigkeit. Inner- Nhumanistischen Gymnasi- Für die „Kronen Zeitung“ arbei- rische Brillanz bekannt. Als N1905 in Hollabrunn; † Sekretär im Deutschnationale parteilich war er als Vorsitzen- um in Wien im Jahr 1936 ging tete er ab 1983 mehrere Jahre Mitglied des Landesvertei- 14. November 1988 in Salz- Handlungsgehilfenverband der des Zentralausschusses er als Einjährig-Freiwilliger zum lang als Steuer-Ombudsmann. digungsrates konnte er zu burg) war von 1949 bis 1953 (DHV). Danach arbeitete er für Gewerkschafts- und Sozial- Österreichischen Bundesheer. 1950 wurde er Landes­ einigen Reformen des Bun- VdU-Abgeordneter zum Natio- zwischen 1934 und 1937 als politik im VdU aktiv. Ab 1937 studierte er Rechts- obmann des ein Jahr zuvor desheeres beitragen und als nalrat. Er besuchte nach der Sekretär im Gewerkschafts- wissenschaften an der Univer- gegründeten Verbandes der Vorsitzender des parlamen- Volksschule ein Realgymnasi- bund der österreichischen Ar- sität Wien, das er schon 1940 Unabhängigen (VdU) Salzburg tarischen Justizausschusses um und absolvierte danach die beiter und Angestellten und als Referendar abschloss. Im und 1956 als Gründungsmit- (1970 bis 77) maßgeblich an Handelsakademie. In der Folge war im Anschluss zwischen Max Stendebach selben Jahr wurde er zur deut- glied der Nachfolgeorgani- der Strafrechtsreform unter studierte er ab 1928 nebenbe- 1937 und 1942 als Prokurist schen Wehrmacht einberufen sation FPÖ deren Salzburger Justizminister Christian Broda ruflich Rechtswissenschaften der Großhandelsfirma Thomas tendebach (11. Jänner und kam zu Kriegsende als Landesparteiobmann. Von mitwirken. an der Universität Wien und Neuwirth tätig. Ab 1947 war er S1892 in Leipzig; † 18. De- Oberleutnant einer Panzerauf- 1959 bis 1978 bekleidete er Als Anfang 1977 das Amt schloss sein Studium 1932 Landessekretär der Gewerk- zember 1984 in Sankt Veit an klärungseinheit nach Salzburg. die Funktion des Stellvertre- des Bundes-Volksanwalts ein- mit der letzten Staatsprüfung, schaft der Angestellten in der der Glan) besuchte ab Ostern Hier fand er einen beruflichen ters des FPÖ-Bundesparteiob- geführt wurde, wurde er für jedoch ohne akademischen Privatwirtschaft in Salzburg. 1902 in seiner Vaterstadt das Beginn als Richteramtsanwär- manns. sechs Jahre in diese Funktion Grad ab, was sich im gelegent- Neuwirth wurde am 8. Novem- König-Albert-Gymnasium. Im ter, gründete mit einigen Kolle- 1953 gehörte er für kur- gewählt, gemeinsam mit Franz lichen Namenszusatz abs. iur. ber 1949 als Abgeordneter Deutschen Kaiserreich wurde gen den Salzburger Juristenver- ze Zeit als Abgeordneter dem Bauer (ÖVP) und Robert Weisz widerspiegelt. zum Nationalrat angelobt, wo- er Offizier. Während der Zeit band und arbeitete ab 1948 als Salzburger Landtag an. Zwi- (SPÖ). Sein Nachfolger in die- Neuwirth begann sei- bei er bis zum 12. Dezember der Weimarer Republik war er Strafverteidiger und Rechtsan- schen 1953 und 1977 war er sem Amt wurde Mitte 1983 ne berufliche Laufbahn zwi- 1952 dem Verband der Unab- zwischen 1924 und 1928 Mit- 178 walt. Diesen Beruf übte er bis einer der längst dienenden der FPÖ-Mandatar Helmuth schen 1924 und 1931 als hängigen angehörte. Danach glied der DNVP. Zu Beginn der 179 zu seiner Emeritierung im Jahr Abgeordneten zum österrei- Josseck. Exportfachmann in der Über- war er bis zum 18. März 1953 1930er Jahre übersiedelte Die Freiheitlichen und das Parlament 1949 – 1956

reichischen Großparteien unterge- aufbrechen wollte. Bei einer genauen Analyse der Wahl- schlüpft war und nur ein kleiner Teil ergebnisse fällt ein starkes West-Ost-Gefälle auf: So er- im VdU und in der FPÖ. zielte der VdU in den Besatzungszonen der westlichen Alliierten fast 20 Prozent der Stimmen, während er in der Bereits seit den Gründungstagen russischen Besatzungszone nur auf etwa 4 Prozent kam. des VdU versuchte man im Zuge Das hängt auch damit zusammen, dass die russische Be- dieser Hetze, die Begriffe „national“ satzungsmacht viele Wahlveranstaltungen des VdU kur- und „nationalsozialistisch“ gleichzu- zerhand verbot. Allein aus diesen Zahlen lässt sich auf setzen, um so das gesamte Dritte La- Grund einer einfachen Rechnung das heute noch häufig ger aus dem demokratischen Grund- bestehende Vorurteil entkräften, dass es vor allem die konsens der Zweiten Republik ehemaligen Nationalsozialisten waren, die den VdU ge- hinauszudrängen. Tatsächlich wurde wählt hätten. Von den im Jahre 1948 amnestierten min- bereits der Wahlkampf von 1949 derbelasteten Nationalsozialisten, es waren ca. 460.000, zu einer Schlammschlacht ohneglei- lebten ganze 300.000 in der östlichen Zone, also dort, chen. Vor allem die ÖVP führte ihn wo der VdU nur 4 Prozent der Stimmen erzielte. sehr persönlich und schreckte auch vor den unfairsten Methoden nicht zurück. Viktor Reimann vergleicht in seinem Buch „Die Dritte Kraft“ die Nationalliberale Stimmen Aktionen der ÖVP mit dem Water- gate-Skandal. der Vernunft im Nationalrat Am 9. Oktober 1949 erteilte die Vom Anbeginn ihres parlamentarischen Wirkens Bevölkerung diesen Diffamierungen konnten die VdU-Abgeordneten, an ihrer Spitze als Klubobmann Her- Fritz Stüber Max Stendebach allerdings eine deutliche Abfuhr, da bert Alois Kraus, konstruktive parlamentarische Arbeit leisten. Kraus der VdU mit 489.000 Stimmen 11,67 selbst schildert in seinen Memoiren den ersten Auftritt der VdU-Abge- Prozent und 16 Mandate erlangen ordneten im Nationalrat: konnte. Acht Mandate kamen von den Sozialisten, acht von der Volkspartei, „Bei meiner Oppositionsrede, unserem ersten Auftritt im Parlament, ganz im Sinne des Wahlprogramms blieben die Abgeordneten der anderen Parteien gegen ihre sonstige Ge- des VdU, der ja die Proporzwirtschaft wohnheit neugierig im Saal sitzen und passten auf Gelegenheiten zu

Stendebach nach Österreich kandidat Bundesobmann des stellers Fritz Stüber-Gunther, ner Tagblatt“. Zu Ende des Nach dem ersten Antreten nalist“, der „germanische und bewirtschaftete ein Gut in VdU, nachdem der liberale schloss 1929 sein Studium Krieges rückte er in den letz- der Partei zur Nationalrats- Schwärmerei“ betreibe. Oberkärnten. Kurs des bisherigen Obmanns der Rechtswissenschaften ten Kriegstagen bei der Luft- wahl 1949 zog er als Abge- 1953 wurde er aus dem VdU Im Zweiten Weltkrieg war Herbert A. Kraus zu heftigen an der Universität Wien mit waffe im Bodendienst ein. ordneter in den Nationalrat wegen „Rechtsabweichler- Stendebach erneut als aktiver internen Streitigkeiten geführt der Promotion zum Dr. iur. Auf der von der Deutschen ein. Stüber war auch Chef- tum“ ausgeschlossen. Als Offizier eingesetzt, wo er im hatte. Nach der Nationalrats- ab. Während seines Studi- Verwaltung für Volksbildung in redakteur der VdU-Wochen- am 7. Juni 1955 der Staats- Jänner 1943 als Komman- wahl 1953 erhielt er ein Man- ums wurde er 1923 Mitglied der sowjetischen Besatzungs- zeitung „Der Unabhängige“. vertrag ratifiziert werden deur des Gebirgsjäger-Regi- dat, welches er auch für die der Burschenschaft Vandalia zone 1948 herausgegebenen Sein Parteikollege Viktor Rei- sollte, lehnte Stüber als ein- ments 85, welches im Rah- Nachfolgepartei FPÖ bis 1959 Wien (1962 wurde er dann Liste der auszusondernden mann charakterisierte ihn ziger von 165 Abgeordneten men der 5. Gebirgs-Division ausübte. Mitglied der Burschenschaft Literatur erscheint Stüber mit später so: „Er war der natio- die Zustimmung ab, da durch auch bei der Belagerung von Bei der Gründung der FPÖ Gothia Wien). Nach dem Ge- einem Werk, auf der vom Ös- nale Barde vom Dienst und diesen Vertrag seiner Ansicht Leningrad eingesetzt war, als im Jahr 1956 war Stendebach richtsdienst als Rechtsan- terreichischen Bundesminis­ Oppositioneller aus Passion. nach von den Siegermächten Oberstleutnant das Deutsche Mitglied des Proponentenko- waltsanwärter bis 1931 war terium für Unterricht 1946 Als ausgesprochener Indivi- ein Keil zwischen Österreich Kreuz in Gold erhielt. Sein letz- mitees; der Name „Freiheit- er bei den Bezirkssteuerbe- herausgegebenen Liste der dualist kam Stüber geistig und die BRD getrieben wer- ter Dienstgrad war Oberst. liche Partei Österreichs“ geht hörden und gesperrten Autoren und Bü- nicht aus dem Nationalsozi- den sollte. Um keinen Ek- Nach dem Krieg engagier- auf seinen Vorschlag zurück. Bruck an der Leitha sowie cher mit allen seinen Werken. alismus, sondern aus dem lat zu verursachen, blieb er te sich Stendebach, der 1947 bei der Finanzlandesdirektion 1948 wurde Stüber verhaftet Kreis der Schönerianer, die schließlich der Abstimmung österreichischer Staatsbürger Wien beschäftigt. Daneben und im Februar 1949 nach sich immer erst wohl fühlten, fern und der Staatsvertrag geworden war, im VdU und verfasste er Gedichtbände drei Monaten Polizeiarrest von wenn die Nationalen einan- wurde einstimmig vom Natio- kandidierte 1952 erfolglos ge- Fritz Stüber und trat 1932 der NSDAP bei. einem Volksgericht auf freien der in den Haaren lagen.“ Für nalrat angenommen, mit 164 gen Otto Scrinzi um das Amt 1938 verließ er den von ihm Fuß gesetzt. VdU-Obmann Herbert Alois Pro-Stimmen und einer Ab- des Kärntner Landesparteiob- ritz Stüber (18. März 1903 ungeliebten Staatsdienst und Stüber war Mitbegrün- Kraus war Stüber „ein dem wesenheit. Stüber blieb noch 180 manns. Am 29. Oktober 1952 Fin Wien; † 31. Juli 1978 wurde Schriftleiter bei der der und Wiener Obmann des romantischen Nationalge- bis zum Ende der Legislatur- 181 wurde er als Kompromiss- ebenda), Sohn des Schrift- Tageszeitung „Neues Wie- Verbands der Unabhängigen. fühl verfallener Dichter-Jour- periode 1956 Abgeordneter. Die Freiheitlichen und das Parlament 1949 – 1956

Zwischenrufen. Ich gab ihnen kein Stichwort und verzichtete auf jede gesamte Republik, also auch für das sowjetische Besatzungsgebiet, zu

ironische Bemerkung zur banalen Regierungserklärung. Ich sprach im nutzen und mit dem Beginn der Wiederaufbaumaßnahmen nicht länger Gegenteil zuerst unsere Zustimmung zu einzelnen Regierungsvorhaben auf den Staatsvertrag zu warten. So kam es nicht zuletzt auf Einfluss „ aus und breitete erst dann mit ruhiger Logik die des VdU im Nationalrat dazu, dass Österreich dem GATT-Abkommen darin enthaltenen wirtschaftlichen Versäumnisse beitrat, zur Projektierung neuer Kraftwerke schritt sowie Gesetze zum vor ihnen aus. Ich schloss mit der scharfen Zu- Wiederaufbau des Bankwesens erließ. rückweisung der im Wahlkampf erhobenen Ne- Ich schloss mit der schar- onazi-Beschuldigungen und mit der Erklärung, Bisweilen gab es aber doch unleugbare und offensichtliche Erfolge dass es unseren Gegnern nicht gelingen werde, des VdU auf parlamentarischer Ebene. So schildert Herbert Alois fen Zurückweisung der uns zu radikalisieren und aus unserer Besonnen- Kraus etwa in seinen Memoiren: „Einmal gelang es uns aber doch, heit herauszulocken. Viktor Reimann schreibt in parlamentarisch hervorzutreten und mit unseren paar Stimmen sogar im Wahlkampf erhobenen seinen Memoiren, meine 15 Fraktionskollegen eine Entscheidung – und zwar eine große hätten meine Rede nicht als rechte Kampfa­nsage – herbeizuführen. Es ging um die Abschaf- Neonazi-Beschuldigun- und Abrechnung mit dem Hochmut der alten Par- fung der Todesstrafe. Im Mai 1950 wollte die teien empfunden.“ Regierung das befristete Recht, Todesurteile gen. zu fällen, verlängern und brauchte dazu die Und weiter erläutert Kraus den parlamenta- Zweidrittelmehrheit des Parlaments. Ich sah „ rischen Start des VdU: „Nach einer Viertelstunde die Chance, mit nur 34 Prozent der gültigen war aber die Kampfansage da, und zwar von un- Stimmen eine historische Wende herbeizu- seren Gegnern: Hartleb sprach nach mir unter anderem von der Menta- führen und Hinrichtungen endgültig aus dem lität des einfachen österreichischen Soldaten, der bis zuletzt seine Pflicht ordentlichen Strafkatalog zu verbannen. (Für erfüllen wollte, und erklärte, dass wir für diese österreichischen Kriegsge- Nazi-Verbrecher bestand die Todesstrafe in fangenen und Heimkehrer trotz aller Verleumdungen eintreten würden. Sondergesetzen noch weiter.) Ich überredete Da wurde es schon unruhig im Saal, und es kam zu ersten Protesten. Als das Präsidium, in diesem Ausnahmefall einer dann vollends unser betont nationaler Fraktionskollege Stüber durch ei- ‚Gewissensentscheidung‘ geheim abstimmen nen Zwischenruf die neuen Menschenrechtsverletzungen seit 1945 und zu lassen – ein äußerst seltenes Vorgehen im seine eigene Haft den Hitler’schen Konzentrationslagern gegenüber- österreichischen Parlament. In unserem Klub stellte, brach ein wahrer Sturm los. Viele Abgeordnete schrien, stürmten erklärten 15 unserer 16 Mitglieder, gegen die auf uns los und fuchtelten mit den Händen, die wenigsten allerdings aus Todesstrafe stimmen zu wollen (darunter echter Emotion, die meisten mit sichtbarem Vergnügen, den Reportern auch die zwei ‚betont Nationalen‘ Stüber und auf der Empore eine besondere Vorstellung bieten zu können. Die hitz- Pfeifer). köpfige ÖVP-Abgeordnete Altenburger ergriff drei Bände Budgetent- wurf, die auf meinem Bei der Abstimmung gesellten sich uns Pult lagen, und wollte sie tatsächlich noch 71 andere Abgeordnete mit Hartleb auf den Kopf humanem, unverdorbenem Gewissen zu. So Ab 1956 und bis zu sei- Wien. Zudem studierte er an werfen. Raab trat dazwi- wurde die Todesstrafe mit 86 Nein-Stimmen nem Tode war Stüber der der Universität in Halle an der schen und drängte ihn ab. endgültig abgeschafft.“ Schriftleiter der Zeitschrift Saale. Scheuch war als Land- Der Tumult dauerte fast „Eckartbote“, die von der Ös- wirt am Sternhof in Mühldorf eine halbe Stunde.“ So- terreichischen Landsmann- im Mölltal tätig. Er fungierte weit Kraus im Rückblick. schaft herausgegeben wird. auch als Erzieher seiner bei- Vom Zwist zur Auflösung den Enkel Kurt Scheuch und Viele Aktivitäten Uwe Scheuch, nachdem sein des VdU im National- In den folgenden Jahren stießen eine Reihe neuer Persönlichkeiten Sohn bei einem Unfall verstor- rat scheiterten an der ei- zum VdU. Eine Gruppe um Graf Strachwitz, der u. a. die Kriegsheim- Robert Scheuch ben war. sernen Ablehnung der kehrer ansprach, konstituierte sich vorerst als „Junge Front“ innerhalb großen Koalition. Wenn der ÖVP, die ihr jedoch keinen genügenden Spielraum einräumte. So cheuch (13. August 1896 Robert Scheuch begrün- sie aber doch Erfolg trat Strachwitz aus der ÖVP aus und war bis 1953 wilder Abgeordneter Sin Oberbozen; † 27. Fe- dete zusammen mit Personen hatten, wurde zumeist im Parlament. Strachwitz, Willfried Gredler und einige andere Parteiun- bruar 1974 in Klagenfurt) um den früheren Minister An- verschwiegen, dass es gebundene riefen nunmehr die „Aktion zur politischen Erneuerung“ war österreichischer Politiker ton Reinthaller den Verband sich um VdU-Initiativen ins Leben und strebten ein Wahlabkommen mit dem VdU an. Oberst (VdU/FPÖ) und von 1949 bis der Unabhängigen (VdU) und handelte. So drängte der Max Stendebach wurde zum neuen Obmann gewählt, der das Wahl- 1956 sowie von 1962 bis später die Freiheitliche Par- VdU beispielsweise im abkommen mit der Strachwitz-Gruppe abschloss. Die Wahl vom 22. 1966 Abgeordneter zum ös- tei Österreichs. Er vertrat den Zuge des allgemeinen Februar 1953 brachte für den VdU in Wien Gewinne, im Westen aber terreichischen Nationalrat. VdU vom 8. November 1949 Wirtschaftsaufschwungs, Stimmenverluste, sodass zwei Nationalratsmandate verloren gingen. Er besuchte nach der Volks- bis zum 8. Juni 1956 im Na- der auch Österreich er- Von der „Aktion der politischen Erneuerung“ zog Gredler in Parlament schule ein Staatsgymnasium tionalrat und war danach vom fasst hatte, die Regierung ein. In der Folge konnte die Vorstellung von einer Konzentrationsregie- und absolvierte ein Studium 6. Februar 1962 bis zum 30. darauf, den Vorteil ih- rung unter Einbeziehung des VdU nicht verwirklicht werden. Raab ging 182 als Agraringenieur­ an der März 1966 Abgeordneter der rer Zuständigkeit für die es bei diesen Verhandlungen nur um ein taktisches Manöver zur Ein- 183 Hochschule für Bodenkultur FPÖ. ◆ Die Freiheitlichen und das Parlament 1949 – 1956

schüchterung der SPÖ. Der Nationalrat wählte lediglich Karl Hartleb Der Mandatsstand sank von 117 auf 19. Während man mit Reinthaller zum Dritten Nationalratspräsidenten. und seinem Kreis verhandelte, hatte dieser am 19. März 1955 die Frei- heitspartei gegründet. Eingedenk der großen Verluste von 1954 wollte Auch war der VdU um diese Zeit durch innere Streitigkeiten ge- man von Seiten des VdU ein getrenntes Antreten bei den oberöster- schwächt. Das Problem des nationalliberalen Lagers war seit jeher gewe- reichischen Landtagswahlen am 23. Oktober 1955 verhindern. Durch sen, dass es über viele ausgeprägte Individualisten verfügte, die in ihren Verhandlungen kam eine Wahlgemeinschaft zwischen VdU und Frei- Meinungen ein weites Spektrum abdeckten, es aber an Parteidisziplin oft heitspartei zustande, der sich auch andere nationalfreiheitliche Verbin- mangeln ließen. Das war intellektuell redlich, aber politisch oft verderb- lich. In Wien führte die Überbetonung der nationalen Gesichtspunkte durch den Abgeordneten Fritz Stüber zu schwierigen internen Aus- einandersetzungen, die letztlich mit dem Ausschluss Stübers endeten, der seinerseits eine neue Partei, die „Freiheitliche Sammlung Österrei- chs“ (FSO) gründete. Auch in der Programmatik des VdU zeigte sich in diesen Tagen eine stärkere Betonung der nationalen Auffassungen. Bei der am 15. – 16. Mai 1954 abgehaltenen Bundesverbandstagung in Bad Aussee beschloss der VdU ein neues Programm (das sogenannte Aus- seer Programm), das klar in diese Richtung weist. Der obenerwähnte Bundesverbandstag beschloss außerdem, Verbindung mit Anton Rein- thaller aufzunehmen. Anton Reinthaller war ein prominenter National- sozialist gewesen und bekleidete 1938 in dem kurzlebigen Kabinett von Seyß-Inquart den Posten eines Landwirtschaftsministers. Nach dem Krieg war er sieben Jahre lang in Haft, wurde später aber wegen einer persönlich einwandfreien Haltung amnestiert. Manche mit dem VdU Unzufriedenen scharten sich jetzt um ihn. Eine große Zäsur in der Geschichte des VdU stellte der 17. Oktober 1954 dar, der als „schwarzer Oktober“ in die Parteigeschichte einging. An diesem Tag wurden in Wien, Niederösterreich, Salzburg und Vorarl­ berg Landtagswahlen geschlagen, die alle mit erheblichen Verlusten des VdU endeten. In Wien flog der VdU sogar aus dem Gemeinderat bzw. Landtag. Auch die Arbeiterkammerwahlen, die 1949 noch so hervorra- gend für den VdU ausgegangen waren, brachten 1954 eine Katastrophe.

dungen und Vorfeldorganisationen anschlossen. Die Wahlen endeten dennoch enttäuschend: Von 10 Mandaten bleiben nur vier übrig, die zwei Sitze in der Landesregierung gingen verloren. Insgesamt ist dem VdU das Verdienst zuzusprechen, dass er das Dritte Lager und nationalliberale Kreise wiederum zurück ins politische Geschehen der Zweiten Republik geführt hat. Seine großen Anfangs- erfolge bewiesen überdies, dass es in Österreich nach wie vor ein na- tionalliberales, freisinniges und patriotisches Wählerpotential gab, das durchaus auch bereit gewesen wäre, Regierungsverantwortung zu über- nehmen. Soweit sollte es bekanntlich aber nicht kommen. Auch die Nachfolgepartei des VdU, die Freiheitliche Partei näm- lich, hat dem Verband der Unabhängigen viel zu verdanken. Zum ei- nen wurde eine Reihe von jungen politischen Persönlichkeiten im VdU aufgefangen, die dann später in der FPÖ noch prägend sein sollten, zum anderen wurde durch den VdU auch auf parlamentarischer Ebene bewiesen, dass nationalliberale Abgeordnete getreu der Tradition aus der Ersten Republik und aus der Monarchie hervorragende parlamenta- 184 rische Arbeit leisten können. ◆ 185 Die Freiheitlichen und das Parlament 1949 – 1956

ein veritables Dilemma zwi- der Wiege der Republik stand, da die deutsch-freiheitlichen Höbelt: Der Landbund-Vizekanzler Karl schen „Wirtschafts-“ und „Bil- Parteien auf Grund der Wahlen von 1911 die stärksten Hartleb aus Neumarkt in der Steiermark hat den „ Der VdU war eine dungsbürgertum“, zwischen in der provisorischen Nationalversammlung waren. Ob sie Grund dafür einmal ganz offen so formuliert: Industrie und Beamtenschaft, aber diese Republik, die dann tatsächlich entstanden ist, so Man hätte „die Überzeugung gewonnen, dass wir zwischen „Steuerzahlern“ und wollten, ist doch eine andere Frage, oder? der nationalen Sache mehr dienen, wenn wir allein faszinierende Mischung …“ „Steuerzehrern“. Die Groß- Höbelt: Der Vorrang der nationalliberalen gehen.“ Denn: „Unser Arbeitsgebiet liegt nicht in deutsche Volkspartei, die sich Gruppierungen in der provisorischen National- den Märkten, sondern viel mehr in jenen Gebie- 1920 bildete, war ein bisschen versammlung beruhte auf den Stimmen aus dem ten, die fernab von den Verbindungsmitteln liegen, Der Wiener Historiker Lothar Höbelt über so etwas wie eine spannungs- Sudetenland, die 1919 eben wegfielen. Deutsch­ wo es keine Turnvereine gibt, wo die Bevölkerung geladene Koalition zwischen österreich sollte eben alle Deutschen der alten Mo- abseits von der nationalen Bewegung steht.“ Der die Zwischenkriegszeit, den VdU und Wirtschaftsbund und AAB, narchie umfassen, nicht bloß den Rest, den uns die Landbund konnte sich ohne die Großdeutschen bloß unter nationalen Vorzei- Entente 1919 zugestand. Im Sudetenland waren als reine Bauernpartei auf Kosten der Christlich- die Kontinuität des Dritten Lagers. chen; auf heutige Verhältnisse auf das „Dritte Lager“ 1911 noch fast 50 % der sozialen profilieren. Denn der Gegensatz zwischen übertragen, wenn man so will: Stimmen entfallen, auf dem Territorium der spä- Agrariern und städtischen Konsumenten war nicht Leitl und Neugebauer mit teren Republik nur 18 %. Was die Republik betrifft, auf die leichte Schulter zu nehmen. Getrennt mar- err Professor, zu welchem Gesamturteil sind Sie Schmiss. In Kärnten mit Oberst Klimann und machte sich eine gewisse Ambivalenz bemerkbar. schieren und vereint schlagen erwies sich da als eine Heigentlich im Zuge Ihrer vielfältigen Forschungs- in Tirol mit Sepp Straffner waren ihre Abgeord- Die Großdeutschen waren auf der einen Seite vielversprechendere Devise. In Kärnten und der und Publikationstätigkeit über die nationalliberalen neten Sekretäre des Industriellenverbandes, in fürchterlich allergisch gegen alle legitimistischen Steiermark erzielte der Landbund bei den Wahlen Parteien und das Dritte Lager in der Zwischenkriegs- Oberösterreich kandidierte sogar der Präsident Bestrebungen, weil sie die Rückkehr der Habsbur- in die Landwirtschaftskammern damals immerhin zeit gekommen? Wie würden Sie deren Wirken in die- der Handelskammer selbst für die Großdeut- ger mit der Unterwerfung unter ein „französisches rund die Hälfte der Stimmen, im Burgenland ein sen ersten beiden dramatisch-tragischen Jahrzehnten der schen; in Wien dominierten die Beamten, wie z. Kuratel“ gleichsetzten; doch auf der anderen Seite Drittel. In Oberösterreich betrug sein Anteil um jungen Republik Österreich bewerten? B. die Vizekanzler Waber und Frank. Im letzten sehnten sie sich nach einer unparteiischen Verwal- die 20 %, bloß im Innviertel lag er mit den Christ-

Lothar Höbelt: Die Nationalliberalen re- Nationalrat der Ersten Republik waren dann tung wie in der Monarchie, als die Bürokratie noch lichsozialen gleich auf. präsentierten damals noch ganz eindeutig das die Hälf­te der Fraktion Lehrer, auch der Partei- nicht unter dem Parteienproporz litt.

„bürgerliche Lager“, gerieten dabei freilich in obmann selbst, Hermann Foppa, der Taufpate Warum haben die nationalliberalen Parteien im Gegensatz Jörg Haiders. Warum hat sich das nationalliberale Lager, haben sich zu Rot und Schwarz nicht über eigene paramilitärische „ insbesondere die Großdeutschen in der Folge so eng an die Formationen wie die oder den Republikanische Man kann ja mit Fug und Recht behaupten, dass das Christlichsozialen gebunden und haben auch die Regie- Schutzbund verfügt? Waren sie weniger militarisiert? spätere Dritte Lager, also das nationalfreiheitliche, an rungskoalitionen mit den Christlichsozialen gewisserma- Höbelt: Dahinter steht ein weitverbreitetes ßen bis zum Geht-nicht-mehr aufrecht erhalten? Missverständnis. Die Heimwehren waren eben Die Großdeutsche Höbelt: Vor dem Krieg hatte das nationale La- keine christlichsoziale Parteiarmee, sondern ein ger gern die Position als Mittelpartei ausgenutzt, bürgerlich-überparteilicher, christlich-nationaler Volkspartei von 1920 zwischen den „Sozis“ links und den „Klerikalen“ Wehrverband. In der Frühzeit wurde er geführt rechts. Doch angesichts der Bedrohung von links vom Duo Steidle und Pfrimer. Steidle war christ- war eine Mischung aus war diese Position nach 1918 nicht mehr aufrecht lichsozialer Bundesrat, Pfrimer ein Nationaler aus Wirtschaftsbund und zu erhalten. Gerade weil es in Österreich nicht zu Judenburg. Auch Fürst Starhemberg, der 1930 die einer wirklichen Spaltung zwischen Kommunisten Führung übernahm, hat bewusst immer auf bei- AAB unter nationalen und Sozialdemokraten gekommen war, waren die den Elementen bestanden. Für ihn habe zwischen Sozialisten „zu groß für Österreich“, wie es Viktor christlich und national nie ein Gegensatz bestan- Vorzeichen; auf heu- Reimann einmal über Bauer und Seipel geschrieben den, erklärte er immer wieder. Sein letzter ge- hat. Die österreichische Sozialdemokratie als „2 ½ schäftsführender Stellvertreter im Jahre 1936 z. B. tige Verhältnisse über- -te Internationale“ musste sich auch viel radikaler war mit Heinrich Wenninger ein ehemaliger groß- tragen: Leitl und Neu- geben, um auch jene Sorte von Anhängern bei deutscher Kreisparteiobmann aus Wels. Auch der „ der Stange zu halten, die in Deutschland oder der Abwehrkämpfer Hülgerth in Kärnten, Vizekanzler gebauer mit Schmiss. Tschechoslowakei eben die Kommunisten wähl- unter Schuschnigg 1936 bis 1938, war zweifellos ten. Die städtische Klientel der Großdeutschen ein Nationaler. Auch der Ständestaat hat sich ja – „ fühlte sich vom „Austromarxismus“ viel unmittel- anders als nach 1945 manchmal behauptet – nie barer bedroht als die christlichsozialen Bauern auf als „anti-deutsch“ empfunden, sondern vertrat die dem Land. Die Rolle z. B. der oberösterreichischen These von den Österreichern als den „besseren Großdeutschen, wie Dinghofer oder Langoth, bei Deutschen“. Dollfuß kam ja vom nationalen Flü- der Bildung der Sanierungskoalition Seipels im gel der Christlichsozialen, Starhemberg warf Hit- Jahre 1922 ist lange Zeit viel zuwenig gewürdigt ler vor, der Nationalsozialismus sei zur deutschen worden. Form des Bolschewismus verkommen.

Warum ist eigentlich die Bildung einer großen nationalfrei- Wie sehen Sie die Rolle dieser nationalliberalen Parteien beim heitlichen Volkspartei, also ein Zusammenschluss zwischen Weg von Engelbert Dollfuß in den autoritären Ständestaat? Großdeutscher Volkspartei und Landbund, nicht wirklich Waren die Nationalfreiheitlichen wirklich Überzeugungstä- 186 gelungen? Waren die Unterschiede tatsächlich unüberbrück- ter beim Kampf um die Erhaltung des Parlamentarismus 187 bar? oder war es nur parteipolitische Taktik, die sie motivierte? Die Freiheitlichen und das Parlament 1949 – 1956

Höbelt: Die nationalliberalen Parteien waren der sich von den sozialistischen Tendenzen der zu ziemlich gleichen Teilen auf zweifellos für eine Einschränkung der Demokra- NSDAP distanzierte, und all die bürgerlichen Kräf- die drei Lager verteilt haben. Die tie, was z. B. das Gemeindewahlrecht betrifft oder te sammeln, die sich noch zwischen Christlichsozi- Gleichsetzung der halben Million die Ersetzung des Bundesrates durch einen „Stän- alen und NSDAP fanden. Doch dabei handelte es „Minderbelas­teten“ mit der halb- derat“, eine Wirtschaftskammer. Parlamentarische sich 1933 schon großteils um Generäle ohne Ar- en Million VdU-Stimmen stimmt Formen hätten sie andererseits vermutlich gerne mee. So schlossen die Großdeutschen im Mai 1933 schon rein geographisch nicht: aufrecht erhalten, denn darauf beruhte ja ihre Stel- dann ein „Kampfbündnis“ mit der NSDAP ab, um Der VdU erzielte seine größten lung als Zünglein an der Waage. Deshalb bemühte sich wenigstens einen kleinen Teil von Autonomie Erfolge im Westen, wo er auf sich der großdeutsche Dritte Nationalratspräsident zu bewahren, bevor sie ganz geschluckt wurden. rund 20 % der Stimmen kam; Sepp Straffner im März 1933 auch noch einmal um Viele ihrer alten Führungspersönlichkeiten, wie z. der Großteil der „Ehemaligen“ eine Wiederbelebung des Parlaments, was die Re- B. Dinghofer als Präsident des Obersten Gerichts- aber lebte im Osten, in der „Rus- gierung Dollfuß aber zu verhindern wusste. Man- hofes, zogen sich auf eine neutrale Positon zurück, senzone“. che Landbündler, wie z. B. Schumy in Kärnten, andere wie z. B. Langoth versuchten, zwischen waren da pragmatischer: Sie machten ihre Haltung „Ständestaat“ und „Drittem Reich“ zu vermitteln. Wie sehen Sie die politischen Eliten in erster Linie davon abhängig, ob der Kurs der dieses erneuerten Dritten Lagers? Da Regierung den Bauern zugute käme oder nicht. Bei den Versuchen, nach dem Kriegsende 1945 neue Par- waren ja einerseits die alten Honorati- teien auf der Basis des alten nationalliberalen Lagers zu oren von Landbund und Großdeutscher Wie beurteilen Sie den weitgehenden Übergang des natio- gründen, war es ja überaus schwierig, die Reste dieses La- Volkspartei, andererseits die pulverge- nalfreiheitlichen Lagers in den Nationalsozialismus? Stellt gers von der Hypothek des Nationalsozialismus zu befrei- schwärzten Offiziere des Krieges, die dies eine generelle antidemokratische und antiparlamenta- en. War eine Renaissance des Liberalismus, wie sie Herbert Heimkehrer, dann auch noch junge rische Wendung dieses Lagers dar, war es nur ein Generati- Alois Kraus vorgeschwebt hatte, unter dieser Prämisse über- Sozialpolitiker wie Neuwirth und onenkonflikt zwischen alten Deutschnationalen und jungen haupt denkbar? Vertriebene. Wie war das Verhältnis Nationalsozialisten oder die Sogwirkung des nationalsozia- Höbelt: Herbert Kraus strebte eigentlich über- zwischen diesen Vertretern der Füh- listischen Regierungsantritts in Deutschland? haupt keine Renaissance der alten Lager an, we- rungsspitze? Lothar Höbelt Höbelt: Dazu gibt es inzwischen sogar ein der unter nationalem noch liberalem Vorzeichen, Höbelt: Die alten Eliten der Vorkriegspar- ist Autor von paar Wahlanalysen. Danach wechselte rund die sondern eine breitgefächerte Reformbewegung, teien, wie z. B. Vizekanzler Hartleb vom Landbund mehreren Stan- Hälfte der großdeutschen Wählerschaft bei den eine zweite Rechtspartei als Ventil für alle Unzu- oder Leisz, der letzte Geschäftsführer der Groß- dardwerken über Landtagswahlen im Frühjahr 1932 zur NSDAP, friedenen. Denn er befüchtete, dass sonst ein Sieg deutschen, waren politische Routiniers von hohen die Geschichte viele blieben daheim, einige gingen zu Heimweh- der Linken drohe, der Österreich doch noch eine Graden, aber nicht mitreißend für die Kriegsgene- des Dritten La- ren oder Christlichsozialen. Die NSDAP profi- Wendung in Richtung Ostblock bescheren könnte. ration; die hochdekorierten Offiziere wiederum, gers, insbeson- tierte darüber hinaus stark vom Zustrom aus dem Mt diesem Argument überzeugte er schließlich wie z. B. der Jagdflieger Gordon Gollob oder dere des VdU Bereich der Nicht- und Erstwähler, aber auch auch die Amerikaner und ihren Nachrichtendienst, der steirische Landesrat Elsnitz, waren Idole der von Wechselwählern aus dem Lager der „roten“ den CIC, ihm ihre Unterstützung angedeihen zu Heimkehrer, aber für die politische Praxis wenig und „schwarzen“ Massenparteien. Anton Pelinka lassen. Im CIC gab es da offenbar starke interne geeignet. Gollob lehnte es z. B. als Generalsekretär Höbelt: Ja, die hat einmal gesagt, die NSDAP sei die erste „Al- Konflikte, die letztendlich aber zugunsten Kraus’ strikt ab, um Spenden für den VdU „betteln“ zu ge- Haider-FPÖ hat mit lerweltspartei“ in Österreich gewesen, die jedem und des VdU entschieden wurden. Auch die SPÖ hen. Die Sozialpolitiker aber wurden von der SPÖ ihrer Dynamik, aber irgend­etwas versprach. Ab der „Machtergreifung“ und ihr Innenminister Helmer hat Kraus bis zu mit Zuckerbrot und Peitsche aus dem Geschäft ge- auch mit ihrer Ab- im Deutschen Reich im Jänner 1933 war zweifel- einem gewissen Grad unterstützt, weil die SPÖ worfen. Von Kaprun bis zur Voest, wo der VdU neigung gegen fes- los eine gewisse Sogwirkung festzustellen, aller- irrtümlicherweise davon ausging, der VdU würde unter den Betriebsräten zeitweise über eine Mehr- te Strukturen, ihren dings gebremst durch das Parteiverbot im Juni bloß die ÖVP Stimmen und Mandate kosten. heit verfügte, dominierten binnen weniger Jahre rasch wechselnden 1933. Die Verbrannte-Erde-Taktik des NS-Lan- wieder die roten Gewerkschafter. Schließlich waren Schwerpunkten, ih- desinspekteurs Theo Habicht, eines ehemaligen Wie beurteilen Sie jene Wählerkoalition aus minderbelas­ es dann der Staatsvertragskanzler Julius Raab und rem vielfach improvi- Kommunisten, stieß bei vielen Bürgerlichen, die teten ehemaligen Nationalsozialisten, Heimkehrern und die Industrie, die 1955 mit Anton Reinthaller einen sierten Charakter, ih- vom Regime dann dafür zur Kassa gebeten wur- Vertriebenen, die die Erfolge des VdU in den späten „belasteten“ Nationalsozalisten baten, sich an die ren überraschenden den, natürlich auf wenig Gegenliebe. 1940er-Jahren ermöglichten? Waren diese unterschiedlichen Spitze der FPÖ zu stellen, um zu gewährleisten, Erfolgen und ihren plötzlichen Krisen viel mit dem Gruppen tragfähig genug für eine Renaissance des Dritten dass die „Dritte Kraft“ in der österreichischen Poli- VdU gemeinsam, auch wenn Haider und Kraus von Hat der Nationalsozialismus eigentlich das alte deutsch- Lagers? tik weiterhin einen bürgerlichen Kurs steuern wür- ihrer Persönlichkeitsstruktur her ganz unterschied- national-freiheitliche Lager aufgelöst oder vereinnahmt oder Höbelt: Der VdU war 1949 tatsächlich eine de. Dazu finden sich im Nachlass Reinthallers viele lich waren. Die Ära Strache bedeutet unter diesem auch überwunden? faszinierende Mischung. Im Westen war er eine schöne Belege, die wir 2015 in dem Band „Aufstieg Gesichtspunkt eine Stabilisierung, allerdings auf Höbelt: Die NSDAP profitierte – zum Un- Wirtschaftspartei, die sich der diskreten Unter- und Fall des VdU“ mit Hilfe der Haslauer-Stiftung einem weit höheren Niveau, als es für die FPÖ der terschied von den Heimwehren – in dieser Bezie- stützung der Industrie erfreute; aber auch viele veröffentlichen konnten. späten 1950er-Jahre zutrifft. Damals waren die Ap- hung vom ausgeprägten Lagerdenken der Ersten parteilose Betriebsräte, denen die Gleichmache- parate der Regierungsparteien mit ihrem Angebot Republik. Sobald die NSDAP zur stärksten Partei rei der Sozialisten gegen den Strich ging, schlos- War der VdU mit seinen unterschiedlichen Wählergrup- an Posten, Gemeindewohnungen und Aufträgen des nationalen Lagers aufgestiegen war und im sen sich dem VdU an. Dazu kamen eine Menge pen und wenig harmonisierenden Führungspersönlichkeiten im Aufwind; heute ist ihnen das Geld dafür längst Zeichen des Ständestaats auch der Kulturkampf konservativer ÖVP-Dissidenten, bis hin zu den trotz seines Scheiterns letztlich ein Modell für die spätere ausgegangen. Das Ende der „machine politics“ be- wieder aufflammte, machte sich eine gewisse So- Monarchisten. Kraus selbst sagte einmal, in jedem FPÖ der Haider- und Strache-Zeit, in der es wieder zu Ko- deutet, es gibt – nach amerikanischem Vorbild – ei- lidarität innerhalb des national-freisinnigen Lagers Österreicher stecke ein bisschen ein Großdeut- alitionen der unterschiedlichsten Wählergruppen gekommen gentlich überhaupt nur mehr „populistische“ Par- 188 bemerkbar. Die Großdeutschen wollten ursprüng- scher und ein bisschen ein Monarchist. Die ehe- ist und so zu einem Führungspersonal aus den unterschied- teien. Der Unterschied ist bloß: Manche können’s, 189 lich einen national-konservativen Kurs fahren, maligen NSDAP-Mitglieder dürften sich übrigens lichsten Milieus? andere nicht. ◆ 190 VII Gralshüter des ­Parlamentarismus GroSSdeutsche Volkspartei und Landbund in der I.­­­ Republik

191 Die Freiheitlichen und das Parlament 1918 – 1934

s war wohl der letzte Ver- Provisorischen Nationalversammlung fanden zuerst im niederösterrei- 1918 – 1934 Esuch Kaiser Karls I., die chischen Landhaus in der Wiener Herrengasse statt, vom 12. Novem- Monarchie zu erhalten, als er ber 1918 an im Parlamentsgebäude an der Wiener Ringstrasse. Da aus am 16. Oktober des Jahres 1918 den letzten Reichsratswahlen der Monarchie der „ Nationalverband der jene Proklamation erließ, mit deutsch-freiheitlichen Abgeordneten“ als stärkste Gruppierung hervor- Nationalliberale als Gründer- der er für die österreichische gegangen war, war es auch der nationalliberale Bürgermeister von Linz, Reichshälfte den Umbau des Franz Dinghofer, der diese Beschlüsse, also die Ausrufung der Repu- Staates in einen Bundesstaat blik, von der Rampe des Parlaments aus verkündete. Die Provisorische väter der Republik und letzte mit weitgehender Autonomie Nationalversammlung für Deutschösterreich sollte dann vom Zerfall für die einzelnen Nationen an- der österreichisch-ungarischen Monarchie bis zum 16. Februar des Jah- Kämpfer für das Parlament kündigte. Dabei lud er die Na- res 1919 tagen? tionalitäten Cisleithaniens ein, zu diesem Zweck Nationalräte zu bilden. Schon vier Tage spä- Erste Republik: ter traten jene 208 deutschen Abgeordnete, die im Jahre 1911 bei Die Provisorische Nationalversammlung Proklamierung der den letzten Wahlen in der Monarchie in den Reichsrat gewählt waren Republik von der zusammen und bildeten die Provisorische Nationalversammlung. 85 Bei der ersten Sitzung am 21. Oktober 1918 legten die Abgeordne- Rampe des Parla- von ihnen waren in Gebieten gewählt worden, deren Zugehörigkeit ten für ihre Versammlung den Namen Provisorische Nationalversamm- ments in Wien am zum neuen Staat Deutschösterreich sich später nicht durchsetzen lung für Deutschösterreich und damit den Staatsnamen fest. 12. November 1918 lassen sollte. Bereits mit der Bildung dieser Nationalräte stellte sich heraus, dass die nichtdeutschen Natio- nalitäten Cisleithaniens keines- wegs autonome Gebiete in einem kaiserlichen Österreich bilden wollten, sondern von Wien un- abhängige Staaten planten und auch unmittelbar in den näch- sten Tagen proklamierten. Von schwerwiegender Bedeutung war dabei, dass die am 18. Oktober 1918 gegründete Tschechoslo- wakische Republik Anspruch auf die sogenannten Sudetendeut- schengebiete erhob und damit weite deutschsprachige Territo- rien für sich beanspruchte, die Deutschösterreich ebenso haben wollten. Abgeordnete aus diesen Gebieten, auf die die Republik Deutschösterreich 1919 ihre An- sprüche aufgeben musste, wirk- ten bis zum Ende der Proviso- rischen Nationalversammlung aktiv in der parlamentarischen Arbeit mit. Darunter zum Bei- spiel der deutschnationale letzte Präsident des Abgeordneten- hauses, der mährische Abgeord- nete Gustav Groß. Am 30. Oktober 1918 wurde also von den deutschen Abge- ordneten des alten Reichsrats die Republik „Deutschösterreich“ 192 gegründet. Die Sitzungen der 193 Die Freiheitlichen und das Parlament 1918 – 1934

Sie wählten drei Abgeordnete zu gleichberechtigten Präsi- Deutschösterreichs zu schaffen. Vom Oktober 1919 an wurde der Staat denten: nicht mehr Deutschösterreich genannt, sondern auf Veranlassung der • Franz Dinghofer (Deutsch-Nationale Partei), bis 1918 Bür- Siegermächte als Republik Österreich bezeichnet (siehe Vertrag von ger meister von Linz, Oberösterreich, Saint-Germain, von der Nationalversammlung am 21. Oktober 1919 ra- • (CS), Landwirt in Vorarlberg, und tifiziert). Durch die Verabschiedung des Bundes-Verfassungsgesetzes am • (SDAP), Lehrer, Wien (damals in Niederöster- 1. Oktober 1920 wurde die Gesetzgebung des Bundes per 10. November reich). 1920 dem Nationalrat gemeinsam mit dem Bundesrat übertragen. Fink legte seine Präsidentenfunktion, die er wegen einer Erkrankung von Johann Hauser, Prälat aus Linz und Obmann der Christlichsozialen Partei, übernommen hatte, vor der Sit- zung vom 30. Oktober 1918 zurück und wurde als Präsident Die Konstituierende durch Hauser ersetzt. Am 30. Oktober 1918 fasste die Provisorische National- Nationalversammlung versammlung den Beschluss über die grundlegenden Einrich- tungen der Staatsgewalt (StGBl. Nr. 1/1918), den man als Nachdem bei den Wahlen zur Konstituierenden Nationalversamm- Übergangsregelung von der Monarchie zum Volksstaat bzw. als lung am 16. Februar 1919 erstmals Frauen und Männer in freier und Teil einer provisorischen Verfassung betrachten kann. (Die for- gleicher Wahl wählen konnten, stellten sich die Machtverhältnisse in melle Einführung der Republik blieb offen, da die politischen der Konstituierenden Nationalversammlung nun völlig anders Parteien dazu noch keine Einigkeit erzielt hatten und man einen dar. Neben 72 sozialdemokratischen Abgeordneten wurden 69 offenen Konflikt mit dem Kaiser bzw. mit der bisherigen Ver- Christlichsoziale gewählt und nur mehr 26 Deutsch-freiheit- fassungsordnung vermeiden wollte.) Am gleichen Tag setzte liche. Dieses Wahlergebnis führte zu einer großen Koalition die Versammlung den, inklusive ihrer drei Präsidenten, 23 Mit- zwischen Sozialdemokraten und Christlichsozialen, die bis glieder umfassenden Staatsrat als ihren Vollzugsausschuss ein, zum Juli 1920 halten sollte. Man bildete eine Übergangs-Pro- der sofort die Staatsregierung Renner I mit Karl Renner an porzregierung aller drei großen politischen Lager, wobei die der Spitze bestellte. Der 30. Oktober 1918 gilt daher als Grün- deutsch-freiheitlichen Parteien erstmals als „Drittes Lager“ dungstag des Staates Deutschösterreich. fungierten. Historisch bedeutsam ist, dass die beiden großen politischen Lager der Republik, Sozialdemokraten und Christ- Am 12. November 1918 beschloss die Nationalversammlung lichsoziale, nur in den Jahren 1918 bis 1920, also während mit nur zwei Gegenstimmen das Gesetz über die Staats- und Re- des Wirkens der Provisorischen und Konstituierenden Natio- gierungsform von Deutschösterreich. Laut Stenographischem nalversammlung, in der Lage waren, politisch und auf Regie- Protokoll der Sitzung hat Präsident Dinghofer „einstimmig an- rungsebene zusammenzuarbeiten. Die restlichen Jahre der Er- genommen“ festgestellt. Das Gesetz zählt zu den wesentlichen sten Republik von 1920 bis 1938 standen sie dann einander in Bausteinen zur 1920 von der Konstituierenden Nationalver- zunehmender Kompromisslosigkeit gegenüber, was im Febru- sammlung beschlossenen Bundesverfassung des neuen Staates. ar 1934 bekanntlich zum Bürgerkrieg führen sollte und danach Der Beschluss wurde von den Präsidenten der Provisorischen zur austrofaschistischen Diktatur. Nationalversammlung auf der Parlamentsrampe öffentlich be- kanntgegeben; Beschluss und Bekanntgabe werden in der Ge- Die Konstituierende Nationalversammlung hatte nicht nur schichtsschreibung als Ausrufung der Republik bezeichnet. für die verfassungsmäßige Ausgestaltung der jungen Republik zu sorgen, sie stand auch vor gewaltigen Problemen. Die eben- Die ersten beiden Artikel des Gesetzes lauteten: falls neugegründete Tschechoslowakische Republik ignorierte bekannt- Artikel 1: Deutschösterreich ist eine demokratische Repu- lich das Selbstbestimmungsrecht der Sudetendeutschen und verhinderte Karl Seitz: Sozial­ blik. Alle öffentlichen Gewalten werden vom Volke eingesetzt. deren Beteiligung an der Wahl zur Konstituierenden Nationalversamm- demokratischer Artikel 2: Deutschösterreich ist ein Bestandteil der Deut- lung, Auch die Italiener, die Südtirol besetzt hatten, ließen dort keine Präsident der schen Republik. Besondere Gesetze regeln die Teilnahme Wahlbeteiligung zu, deshalb konnte nur in den Gebieten, die tatsäch- ­Provisorischen Na- Der Großdeutsche ­Deutschösterreichs an der Gesetzgebung und Verwaltung der Deutschen lich von Deutschösterreich kontrolliert wurden, also etwa dem heutigen tionalversammlung Franz Dinghofer Republik sowie die Ausdehnung des Geltungsbereiches von Gesetzen Bundesgebiet entsprechend ohne das Burgenland, welches erst später (oben) und der und Einrichtungen der Deutschen Republik auf Deutschösterreich. zu Österreich kommen sollte, gewählt werden. An der Wahl nahmen ­Christlichsoziale 3,5 Millionen Frauen und Männer teil, wobei die Wahlbeteiligung 84,4 Jodok Fink (unten) Die Provisorische Nationalversammlung traf viele weitere Entschei- Prozent betrug. Christlichsoziale und Sozialdemokraten konnten dabei als Präsidenten der dungen zum Aufbau der demokratischen Republik und zum Ausbau der mehr als 75 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, stimmen- und man- Provesorischen Na- Arbeiterrechte. Ihre Beschlüsse wurden im Staatsgesetzblatt publiziert, datsstärkste Partei wurde die Sozialdemokratische Arbeiterpartei unter tionalversammlung das vom Staatskanzler herausgegeben wurde. Karl Seitz, Karl Renner und Otto Bauer. Zweitstärkste Partei wurde die Christlichsoziale Partei, drittstärkste Partei waren die Deutsch-Freiheit- Die Provisorische Nationalversammlung beschloss die Regeln für die lichen mit 26 Abgeordneten, die allerdings noch in mehrere Listen und ersten österreichischen Wahlen, an denen Frauen und Männer gleich- Parteien aufgesplittert waren. berechtigt teilnehmen konnten. Sie fanden am 16. Februar 1919 statt. Das neue Parlament bezeichnete sich nun als Konstituierende National- Nachdem die Wahl in der Mittel- und Untersteiermark nur in einem 194 versammlung, da es die Aufgabe hatte, die republikanische Verfassung kleineren Teil des Wahlkreises und im Wahlkreis Deutsch-Südtirol nur 195 Fortsetzung auf Seite 200 ▶ Die 208 Mitglieder der Provisorischen Nationalversammlung – darunter 96 deutsch-freiheitliche Abgeordnete

Name Fraktion Wahlbezirk Name Fraktion Wahlbezirk im Reichsrat im Reichsrat im Reichsrat im Reichsrat

Abram Simon Klub der deutschen Sozialdemokraten Tirol 02 Heilinger Alois fraktionslos Niederösterreich 16 Adler Victor Klub der deutschen Sozialdemokraten Niederösterreich 20 Heilmayer Franz Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Salzburg 04 Albrecht Hugo Deutscher Nationalverband Mähren (deutsch) 07 Heine Rudolf Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Böhmen 79 Ansorge August Deutscher Nationalverband Böhmen 128 Held Franz Deutscher Nationalverband Steiermark 02 Baechlé Josef Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 02 Herold Josef Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Böhmen 84 Barbo-Waxenstein Josef Anton Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Krain 12 Herzmansky Richard Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Schlesien 10 Bauchinger Matthäus Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 48 Hillebrand Oswald Klub der deutschen Sozialdemokraten Böhmen 97 Baumgartner Georg Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Oberösterreich 18 Hock Paul Klub der deutschen Demokraten Niederösterreich 17 Berger Ferdinand Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Steiermark 22 Hofer Hans Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Kärnten 7 Bernt Franz Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Böhmen 112 Hofmann von Wellenhof Paul Deutscher Nationalverband Steiermark 01 Beyer Andreas Franz Deutscher Nationalverband Oberösterreich 01 Höher Alois Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 61 Bodirsky Gustav Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Mähren (deutsch) 09 Hötzendorfer Johann Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Oberösterreich 11 Bogendorfer Josef Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 54 Hruska Eduard Deutscher Nationalverband Bukowina 3 Brandl Alois Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Oberösterreich 06 Huber Michael Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Oberösterreich 08 Brandl Michael Deutscher Nationalverband Steiermark 15 Huber Franz Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Steiermark 17 Bretschneider Ludwig Klub der deutschen Sozialdemokraten Niederösterreich 43 Hueber Anton Deutscher Nationalverband Salzburg 03 Brunner Josef Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Mähren (deutsch) 19 Hummer Gustav Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Böhmen 80 David Anton Klub der deutschen Sozialdemokraten Niederösterreich 27 Iro Karl fraktionslos Böhmen 120 d‘Elvert Heinrich Deutscher Nationalverband Mähren (deutsch) 02 Jäger Edmund Altdeutsche Vereinigung Böhmen 91 Denk August Deutscher Nationalverband Niederösterreich 14 Jedek Karl Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 62 Dinghofer Franz Deutscher Nationalverband Oberösterreich 02 Jerzabek Anton Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Böhmen 99 Diwald Leopold Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 57 Jesser Franz Deutscher Nationalverband Mähren (deutsch) 08 Domes Franz Klub der deutschen Sozialdemokraten Niederösterreich 11 Jokl Johann Klub der deutschen Sozialdemokraten Schlesien 09 Dötsch Albin Klub der deutschen Sozialdemokraten Böhmen 118 Jukel Carl Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 49 Einspinner August Deutscher Nationalverband Steiermark 08 Keller Wilhelm Deutscher Nationalverband Böhmen 82 Eisenhut Josef Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 56 Kemetter August Maria Deutscher Nationalverband Niederösterreich 51 Eisterer Johann Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Oberösterreich 10 Keschmann Anton Deutscher Nationalverband (deutsche Agrarpartei) Bukowina 4 Ellenbogen Wilhelm Klub der deutschen Sozialdemokraten Niederösterreich 32 Kienzl Josef Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Tirol 15 Erb Leopold Deutscher Nationalverband Oberösterreich 04 Kindermann Franz Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Böhmen 100 Erler Eduard Deutscher Nationalverband Tirol 01 Kinz Ferdinand Deutscher Nationalverband Vorarlberg 1 Fahrner Adam Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Böhmen 104 Kittinger Karl Deutscher Nationalverband Niederösterreich 37 Felzmann Rudolf Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Mähren (deutsch) 16 Kletzenbauer Gregor Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Böhmen 125 Fink Jodok Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Vorarlberg 2 Knirsch Hans Deutscher Nationalverband (Deutsche Arbeiterpartei) Böhmen 83 Fisslthaler Karl Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 60 Kofler Anton Deutscher Nationalverband Tirol 03 Forstner August Klub der deutschen Sozialdemokraten Niederösterreich 25 Kopp Johann Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Mähren (deutsch) 17 Frankenberger Ferdinand Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Oberösterreich 09 Kraft Emil Deutscher Nationalverband Tirol 05 Freißler Robert Deutscher Nationalverband Schlesien 03 Kraus Vinzenz Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Böhmen 78 Friedmann Max Deutscher Nationalverband Niederösterreich 03 Kreilmeir Johann Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Oberösterreich 16 Fuchs Viktor Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Salzburg 07 Kroy Otto Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Böhmen 85 Ganser Otto Klub der deutschen Demokraten Niederösterreich 15 Krützner Peter Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Böhmen 106 Glöckel Otto Klub der deutschen Sozialdemokraten Böhmen 89 Kudlich Hans Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Schlesien 08 Glöckner Adolf Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Böhmen 77 Kuhn Wenzel Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 31 Goll Josef Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Böhmen 130 Kuranda Kamill fraktionslos Niederösterreich 01 Grim Josef Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 46 Langenhan Philipp Deutscher Nationalverband Böhmen 98 Gröger Florian Klub der deutschen Sozialdemokraten Kärnten 8 Lecher Otto Deutscher Nationalverband Mähren (deutsch) 01 Groß Gustav Deutscher Nationalverband Mähren (deutsch) 04 Lechner Alois Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 63 Gruber Rudolf Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 50 Leuthner Karl Klub der deutschen Sozialdemokraten Niederösterreich 13 Guggenberg Atanas v. Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Tirol 04 Leys-Paschpach Emil Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Tirol 14 Hagenhofer Franz Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Steiermark 23 Licht Stephan Deutscher Nationalverband Mähren (deutsch) 10 Hanusch Ferdinand Klub der deutschen Sozialdemokraten Böhmen 102 List Karl Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 64 196 Hartl Hans Deutscher Nationalverband Böhmen 76 Lodgman von Auen Rudolf Deutscher Nationalverband Böhmen 81 197 Hauser Johann Nepomuk Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Oberösterreich 14 Loser Franz Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Vorarlberg 3 Name Fraktion Wahlbezirk Name Fraktion Wahlbezirk im Reichsrat im Reichsrat im Reichsrat im Reichsrat

Löw Dominik Klub der deutschen Sozialdemokraten Böhmen 115 Schiegl Wilhelm Klub der deutschen Sozialdemokraten Niederösterreich 23 Luksch Josef Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Mähren (deutsch) 12 Schlegel Josef Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Oberösterreich 15 Lutschounig Jakob Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Kärnten 2 Schoiswohl Michael Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Steiermark 12 Maixner Wilhelm Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Böhmen 127 Schöpfer Ämilian Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Tirol 17 Malik Vinzenz Alldeutsche Vereinigung Steiermark 10 Schraffl Josef Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Tirol 18 Marckhl Richard Deutscher Nationalverband Steiermark 11 Schreiner Gustav Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Böhmen 105 Mataja Heinrich Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 06 Schreiter Franz Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Böhmen 111 Mayer Johann Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 53 Schürff Hans Deutscher Nationalverband Niederösterreich 39 Mayer Georg Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Steiermark 19 Schürl Karl Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Mähren (deutsch) 18 Mayer Josef Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Böhmen 121 Seidel Anton Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Mähren (deutsch) 14 Meixner Franz Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Tirol 16 Seitz Karl Klub der deutschen Sozialdemokraten Niederösterreich 33 Michl Viktor Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Böhmen 93 Seliger Josef Klub der deutschen Sozialdemokraten Böhmen 110 Miklas Wilhelm Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 59 Sever Albert Klub der deutschen Sozialdemokraten Niederösterreich 26 Muchitsch Vinzenz Klub der deutschen Sozialdemokraten Steiermark 06 Siegele Josef Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Tirol 12 Mühlwerth Albert Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Böhmen 90 Skaret Ferdinand Klub der deutschen Sozialdemokraten Niederösterreich 24 Müller Karl Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Böhmen 107 Smitka Johann Klub der deutschen Sozialdemokraten Niederösterreich 34 Müller Rudolf Klub der deutschen Sozialdemokraten Niederösterreich 07 Sommer Rudolf Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Schlesien 01 Nagele Josef Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Kärnten 4 Soukup Martin Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Böhmen 126 Neumann-Walter Wilhelm fraktionslos Niederösterreich 04 Spies Erdmann Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Böhmen 119 Neunteufel Raimund Deutscher Nationalverband Steiermark 07 Starck Simon fraktionslos Böhmen 117 Niedrist Karl Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Tirol 09 Steinwender Otto Deutscher Nationalverband Kärnten 10 Noggler Josef Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Tirol 13 Stöckler Josef Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 47 Oberleithner Heinrich Deutscher Nationalverband Schlesien 02 Stölzel Artur Deutscher Nationalverband Salzburg 02 Ofner Julius Klub der deutschen Demokraten Niederösterreich 05 Strziska Hans Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Böhmen 122 Pacher Raphael Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Böhmen 86 Stumpf Franz Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Tirol 08 Palme Franz Klub der deutschen Sozialdemokraten Böhmen 116 Sylvester Julius Deutscher Nationalverband Salzburg 01 Pantz Ferdinand Deutscher Nationalverband Steiermark 14 Teltschik Wilhelm Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Mähren (deutsch) 13 Parrer Franz Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 52 Teufel Oskar Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Mähren (deutsch) 06 Paulik Rudolf Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Böhmen 124 Thurnher Martin Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Vorarlberg 4 Perwein Josef Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Salzburg 06 Tomaschitz Johann Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Steiermark 16 Pichler Heinrich Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Oberösterreich 20 Tomschik Josef Klub der deutschen Sozialdemokraten Niederösterreich 35 Pirker Alois Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Kärnten 6 Unterkirchner Peter Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Tirol 11 Polke Emil Klub der deutschen Sozialdemokraten Niederösterreich 41 Urban Karl Deutscher Nationalverband Böhmen 87 Pongratz Leopold Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Kärnten 5 Volkert Karl Klub der deutschen Sozialdemokraten Niederösterreich 28 Pongratz Josef Klub der deutschen Sozialdemokraten Steiermark 03 Waber Leopold Deutscher Nationalverband Niederösterreich 29 Potzinger Leopold Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Steiermark 20 Wagner Franz Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Steiermark 21 Primavesi Robert Deutscher Nationalverband Mähren (deutsch) 03 Wagner Franz Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Mähren (deutsch) 11 Prisching Franz Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Steiermark 13 Waldl Josef Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Oberösterreich 17 Redlich Josef Deutscher Nationalverband Mähren (deutsch) 05 Waldner Viktor Deutscher Nationalverband (Deutsche Agrarpartei) Kärnten 9 Reifmüller Franz Klub der deutschen Sozialdemokraten Niederösterreich 12 Wedra Rudolf Deutscher Nationalverband Niederösterreich 38 Renner Karl Klub der böhmischen Sozialdemokraten Niederösterreich 42 Weiss Josef Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Oberösterreich 22 Resel Hans Klub der deutschen Sozialdemokraten Steiermark 04 Wichtl Friedrich Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Böhmen 94 Reumann Jakob Klub der deutschen Sozialdemokraten Niederösterreich 19 Widholz Laurenz Klub der deutschen Sozialdemokraten Niederösterreich 21 Richter Gustav Deutscher Nationalverband Niederösterreich 36 Wille Josef Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 55 Rieger Alois Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Mähren (deutsch) 15 Winter Max Klub der deutschen Sozialdemokraten Niederösterreich 18 Rieger Eduard Klub der deutschen Sozialdemokraten Böhmen 108 Wohlmeyer Johann Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 45 Roitinger Johann Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Oberösterreich 21 Wolf Karl Hermann Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Böhmen 95 Roller Julius Deutscher Nationalverband (Deutschradikale Partei) Böhmen 96 Wollek Richard Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 58 Schacherl Michael Klub der deutschen Sozialdemokraten Steiermark 05 Wüst Anton Altdeutsche Vereinigung Böhmen 114 Schachinger Karl Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Oberösterreich 12 Wutschel Ludwig Klub der deutschen Sozialdemokraten Niederösterreich 22 198 Schäfer Anton Klub der deutschen Sozialdemokraten Böhmen 103 Zaunegger Josef Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Oberösterreich 05 199 Scheicher Josef Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter Niederösterreich 44 Zenker Ernst Klub der deutschen Demokraten Niederösterreich 09 Die Freiheitlichen und das Parlament 1918 – 1934

etwa für ein Zehntel der Wahlberechtigten, nämlich im Bezirk Lienz, Habsburgergesetz. Dieses Gesetz regelte die Übernahme des Vermögens vorgenommen werden konnte, beschloss die Nationalversammlung am des früher regierenden Hauses Habsburg-Lothringen sowie seiner Zweigli- 4. April 1919, für diese Gebiete proportional nach den regional vor- nien (so genannte Familienfonds) durch den Staat Deutschösterreich sowie liegenden Wahlresultaten 11 weitere auf den Wahllisten der Parteien die Abschaffung aller Vorrechte des früheren Herrscherhauses. Der ehe- geführte männliche Kandidaten in die Nationalversammlung einzu- malige Träger der Krone, wie es im Gesetz hieß, wurde auf Dauer des Lan- berufen. Für sechs weitere Wahlkreise in Deutsch-Böhmen und dem des verwiesen. Andere Mitglieder des Hauses Habsburg-Lothringen durf- Sudetenland standen keinerlei Anhaltspunkte zur Verfügung, wie dort ten in Deutschösterreich bleiben, wenn sie auf ihre Herrschaftsansprüche die Wahl ausgegangen wäre. Die Sozialdemokraten lehnten daher für verzichteten und sich als Bürger der Republik bekannten. Das nachweisbar diese 11 Wahlkreise die Einberufung von Abgeordneten ab. Tatsäch- freie persönliche Privatvermögen einzelner Familienmitglieder blieb vom lich konnte die Konstituierende Nationalversammlung die wichtigsten Habsburgergesetz unberührt. Überdies hatte die Konstituierende National- Richtlinien für die republikanische Entwicklung Österrei- versammlung den Diktatfrieden von Saint-Germain zu ratifizieren. chs zustande bringen. Viele ihrer Beschlüsse haben bis Kaiser Karl I., heute Bestand. der letzte regie- rende Monarch, Die Konstituierende Nationalversammlung Der Staatsvertrag musste nach der beschloss am 14. März 1919 das Gesetz über Ausrufung der die Staatsregierung, der Staatskanzler und die von Saint-Germain Republik ins Exil Staatssekretäre wurden anfangs als „Volks- beauftragte“ bezeichnet, um den Kontrast Am 10. September 1919 unterzeichnete Staatskanzler Renner den zu den früheren k. u. k. Ministern zu beto- Staatsvertrag von Saint-Germain, der vor allem wegen seiner Miss- nen. Die Regierung wurde von der National- achtung des Selbstbestimmungsrechts der später Sudetendeutsche versammlung auf Vorschlag des Hauptaus- Genannten und der Südtiroler als Diktatfrieden betrachtet wurde, zu schusses en bloc gewählt. Die Geschäfte des dem es aber angesichts der völligen Machtlosigkeit des neuen Öster- bisherigen Staatsrates bzw. des Staatsratsdi- reich keine Alternative gab. Am 21. Oktober 1919 wurde der Ver- rektoriums gingen auf die Staatsregierung trag von der Nationalversammlung ratifiziert. Der neue Staat hieß über. Beamtenanwendungen hatte nunmehr von diesem Tag an vertragsgemäß Republik Österreich (der Begriff der Präsident der Nationalvollversammlung in Deutschösterreich hatte den Siegermächten nicht konveniert). Der seiner Funktion als Staatsoberhaupt vorzuneh- vorgesehene Anschluss an Deutschland wurde durch Vertragsbe- men. Das Gesetz trat am 15. März 1919 in Kraft, stimmungen auch für die Zukunft ausgeschlossen (außerdem musste und an diesem Tag wählte die Nationalversamm- Deutschland im Friedensvertrag von Versailles die Unabhängigkeit lung mit 99 Stimmen ohne Gegenstimme die neue Österreichs akzeptieren). Der Friedensvertrag hielt aber auch fest, Staatsregierung Renner II. Nach deren Demission dass Deutsch-Westungarn (später Burgenland genannt) an Österreich wählte die Nationalversammlung am 17. Oktober anzuschließen sei (eine analoge Bestimmung findet sich im 1920 von 1919 die Staatsregierung Renner III. Am 7. Juli 1920 den Siegermächten mit Ungarn geschlossenen Vertrag von Trianon). wählte die Nationalversammlung die Staatsregierung Der Großteil des vorgesehenen Gebiets kam im November/Dezem- Mayr I, eine Übergangs-Proporzregierung. Als schließlich ber 1921 zu Österreich. die Sozialdemokraten am 22. Oktober 1920 aus die- ser Regierung ausschieden, bestellte Karl Seitz als Präsident der indessen nicht mehr zusammen- tretenden Nationalversammlung in seiner Eine Verfassung für Eigenschaft als Staatsoberhaupt christ- lichsoziale Regierungsmitglieder zur die junge Republik vorübergehenden Führung der betroffenen Staatsämter. Schließlich musste die Konstituierende Nationalversammlung auch noch die neue Die großen Probleme, die die Konstituierende Nationalversamm- republikanische Verfassung für den jungen Staat beschließen. Dazu lung zu bewältigen hatte, waren unter anderem die Frage, wie mit dem mussten Kompromisse zwischen den zentralistischen Sozialdemo- ehemaligen Herrscherhaus, also dem Hause Habsburg, umzugehen sei. kraten und den föderalistischen Christlichsozialen gefunden werden; sie resultierten in bundesstaatlichen Regelungen, die dem Gesamt- staat (Bund) eine wesentlich stärkere Stellung geben als den Glied- staaten (Bundesländern). Wien wurde aus Niederösterreich heraus- Ein strenges gelöst und zum eigenständigen Bundesland erklärt. Das so genannte Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, Gesetz, womit die Republik Ös- Habsburgergesetz terreich als Bundesstaat eingerichtet wird) wurde von der National- versammlung am 1. Oktober 1920 beschlossen, trat am 10. Novem- Nachdem der ehemalige Kaiser Karl I. bei der Ausreise aus Österreich ber 1920 in Kraft und gilt im Wesentlichen bis heute. (Wichtigste im Feldkircher Manifest seine Verzichtserklärung vom November 1918 wi- spätere Änderung ist, abgesehen vom EU-Beitritt, die durch eine No- 200 derrufen hatte, beschloss die Nationalversammlung am 3. April 1919 das velle 1929 eingeführte Volkswahl des Bundespräsidenten.) 201 Die Freiheitlichen und das Parlament 1918 – 1934

Die freiheitlichen Parteien die Basis des nationalliberalen La- gers nur wenig bereit, sich mit der der Zwischenkriegszeit Partei und der Parteiarbeit selbst zu identifizieren. Diese Basis war Nachdem das deutschnational-liberale Lager bei den ersten bun- vielmehr in den vielfältigen Ver- desweiten Wahlen im Jahre 1919 mit mehr als einem Dutzend Parteien einsstrukturen des Dritten La- kandidiert hatte, kristallisierten sich in den Jahren darauf zwei größere gers, in den Turnvereinen, den nationalliberale Parteien akademischen Kooperationen, im heraus. Der anfängliche ­deutschösterreichischen Alpenver- Wähleranteil von gut 20 ein oder in den nationalen Schutz- Prozent schrumpfte aller- vereinen wie der Südmark tätig. dings bei den folgenden Die Loyalität der nationalliberalen Nationalratswahlen er- Basis galt also weit eher diesen heblich. Im September Vereinen und Verbänden als der 1920 gelang es, aus 17 politischen Partei. deutschnationalen Par- teien, Ländern und Re- Bei den Wahlen des Jahres gionalgruppen beim er- 1919 kandidierten die deutschna- sten „Reichsparteitag“ tionalen Parteien noch gemein- in Salzburg die „Groß- sam: Nicht weniger als 17 Parteien, darunter eben die Großdeutsche Der national­liberale deutsche Volkspartei“ zu Volkspartei, die deutschösterreichische Bauernpartei, der Kärntner Bundeskanzler­ formieren. Einzig eine Bauernbund und die Nationalsozialisten, vermochten 20,8 Prozent nationalsozialistische der Stimmen und 27 Mandate zu erlangen. 1920 waren es noch 17,2 und sein franzö- Splittergruppe, die mit der Prozent der Wählerstimmen, allerdings 28 Mandate im neuen Natio- sischer Amtskolle- späteren NSDAP nicht nalrat, bei den Wahlen von 1923 waren es nur mehr 12,8 Prozent und ge­ Aristide Briand wirklich in Zusammen- nur mehr 15 Mandate, die auf die Großdeutsche Volkspartei und den hang gebracht werden Landbund entfielen. Bei den Nationalratswahlen von 1927 gab es eine kann, und die „Deutsche bürgerliche Einheitsliste, gebildet aus Christlichsozialen, Großdeut- Bauernpartei“ weigerten schen Volkspartei, der mittelständischen Volkspartei und weiteren sich, ihre Selbständig- kleineren nationalen Gruppierungen, die mit 48,2 Prozent die stärkste keit aufzugeben. Diese Gruppe im Nationalrat wurde, wobei der Landbund selbständig kan- drei Gruppierungen, die didierte und 6 Prozent erlangte. Diese Einheitsliste hatte 85 Mandate Großdeutsche Volkspar- im Nationalrat, der Landbund immerhin noch 9 Mandate. Bei den tei, die Bauernpartei, die Nationalratswahlen des Jahres 1930 kandidierten die nationalen Par- sich später „Landbund teien als „Schober-Block“, wobei sich die Großdeutsche Volkspartei, für Österreich“ nannte, und die nationalsozialistische Gruppe der Landbund für Österreich und kleinere Parteien zusammenschlos-

befehdeten sich im Lauf der politischen Entwicklung der Ersten sen hatten. Sie erlangten 11,6 Prozent und 19 Mandate, der gleich-

Republik zum großen Teil sehr heftig, sie fanden aber auch, was den zeitig 1930 kandidierende Heimatblock, gebildet Landbund und die Großdeutsche Volkspartei betrifft, immer wieder in aus den bürgerlichen Selbstschutzformationen, „ politischen Koalitionen zueinander. also den Heimwehren, erlangte 1930 6,2 Prozent Prof. Hans Kelsen, und 8 Mandate. Zwischen Schober-Block und Schöpfer der Ver- Heimatblock gab es gewisse Überschneidungen Durch die Koalition mit fassung von 1920 im Hinblick auf das nationalfreiheitliche Lager. Die Großdeutsche Volkspartei den Christlichsozialen Durch die Regierungsbeteiligung der Groß- Die Großdeutsche Volkspartei galt als die Partei der Freiberufler, deutschen Volkspartei in Koalitionsregierungen mussten die Großdeut- der gewerbetreibenden Kaufleute und insbesondere der Beamten. Sie mit den Christlichsozialen von 1920 bis 1932 reüssierte weitgehend in den städtischen Ballungszentren und in den musste sie viele unpopuläre Maßnahmen, ins- schen viele unpopuläre Bezirkshauptstädten, wo sie – häufig an der Spitze von bürgerlichen besondere im Hinblick auf den Abbau des Einheitslisten – auch öfter den Bürgermeister stellte. Auf Länderebene Beamten­apparats, mittragen. Andererseits konn- Maßnahmen mittragen. konnte die Großdeutsche Volkspartei nur kurzfristig den steirischen te sie die deutschnationalen Kernthemen – wie Landeshauptmann Wilhelm Kaan in den Jahren 1918/19 stellen. Das den Antiklerikalismus, den Antisemitismus und „ eigentliche soziologische Rückgrat der Großdeutschen Volkspartei bil- den Anschluss an Deutschland – nicht mehr so dete also die traditionelle Beamtenschicht der Monarchie, die durchaus radikal vertreten, wie dies ihre Vorfeldorganisationen und die Partei- bereit war, ihren bisweilen auch radikalen Deutschnationalismus dem basis erwarteten. Bald konnte die Großdeutsche Volkspartei auch die Gesamtwohl des Staates unterzuordnen, und die als Fachleute und lo- Interessen von Beamten, Freiberuflern, Bauern und Hausbesitzern yale Beamten durchaus staatstragend waren. Populäre Politiker oder gar und auch der deutschnationalen Arbeiterschaft nicht mehr ­ideologisch 202 Volkstribune allerdings vermochte die Partei kaum zu stellen. Auch war vereinbaren. So verlor sie bereits zu Anfang der 1930er-Jahre ihren 203 Die Freiheitlichen und das Parlament 1918 – 1934

Charakter als nationalliberale Volkspartei und schied auch im Jän- Der Landbund ner 1932 aus der Regierungskoalition zwischen Christlichsozialen und Landbund aus. Bei Kommunal- und Regionalwahlen hatte sie Die zweite prägende Partei des nationalliberalen Lagers war der schwere Verluste hinzunehmen, da der Großteil ihrer Wählerschaft „Landbund für Österreich“, der sich auf eine 1896 in der Steiermark zuerst zum Heimatblock und schließlich zur NSDAP überwechselte. gegründete erste Bauernpartei sowie auf den Kärntner Bauernbund zu- Funktionäre der Großdeutschen Volkspartei schlossen im Mai 1933 rückführte. Eine im Jahr 1906 gegründete „Deutsche Agrarpartei für ein Kampfbündnis mit der NSDAP, und ein Großteil ihrer jüngeren Österreich“ erreichte bei den Reichsratswahlen 1911 bereits 32 Abge- Funktionäre wechselte auch zu den Nationalsozialisten. Nach dem ordnetensitze. Mit dem Verlust Böhmens und Mährens verlor die Par- Parteienverbot in der austrofaschistischen Diktatur wandelte sich die tei 1918 große Teile ihrer Kerngebiete und war fortan am stärksten in Großdeutsche Volkspartei zu einem eher unpolitischen „Großdeut- der Steiermark, in Kärnten, aber auch in Oberösterreich. Im Dezember schen Volksbund“, der dann allerdings bis 1938 keinerlei Aktivitäten 1918 wurde in Bruck an der Mur der „Deutsche Bauernbund für Stei- entfaltete. ermark“ gegründet, der in die Konstituierende Nationalversammlung immerhin drei Abgeordnete entsenden konnte, darunter den späteren Am bedeutendsten war die Großdeutsche Volkspartei im Hin- steirischen Verleger Leopold Stocker. Im Juni 1920 gründeten nationale Der Kärntner Land- blick auf die Anschlussfrage, wo sie am entschiedensten für den Zu- Bauernvertreter aus der Steiermark, Kärnten und Niederösterreich die Landbundführer bundführer sammenschluss mit dem deutschen Reich eintrat und in den 1920er „Deutschösterreichische Bauernpartei“. Diese trat im September 1921 Franz Winkler Vinzenz Schumi und frühen 1930er-Jahren zweifellos die Mehrheit der österreichi- dem „Deutschen Reichslandbund“, einer unpolitischen überkonfessio- schen Bevölkerung hinter sich wissen konnte. Dementsprechend trug nellen Standesvertretung der Bauern in Deutschland, bei. Als Zeichen sie als Parteifarben die deutsche Trikolore Schwarz-Rot-Gold in ihrer für den solcherart vermeintlich vollzogenen Anschluss nannte man sich Fahne. künftighin „Landbund für Österreich“, dessen erster Vorsitzender Leo- pold Stocker wurde. Von Bedeutung war die Großdeutsche Volkspartei auch insofern, als sie die Regierungsfähigkeit des nationalliberalen Lagers absolut Der Landbund verstand sich als politische Interessensvertretung der unter Beweis zu stellen vermochte. Von 1921 bis 1927 war sie als Bauern, der Land- und Forstarbeiter, aber auch der Gewerbe- und Han- Junior­partner der Christlichsozialen in den Bundesregierungen ver- delstreibenden, kurzum des „gesamten Landvolks“. Sein Ziel war es, treten, 1921 bis 1922 stellte sie mit dem offiziell parteifreien Spit- diesem Landvolk mehr Einfluss im Staat zu verschaffen und am Aufbau zenbeamten Johannes Schober mehr oder minder direkt den Bun- eines ständisch organisierten Staatswesens mitzuwirken. Damit verstand deskanzler, Schober war auch noch 1929 bis 1930 Regierungschef. man sich als eher unpolitische und überparteiliche Interessensvertre- Überdies stellte sie mit , Leopold Waber und Franz Ding- tung, nahm allerdings im Gegensatz zum reichsdeutschen Pendant an hofer auch Vizekanzler der Republik sowie eine Reihe durchaus re- Wahlen teil und verfolgte ein politisches Programm. Außenpolitisch for- spektabler Minister. derte der Landbund ebenso wie alle anderen deutschnationalen Grup- pierungen den „Zusammenschluss aller deutschen Stämme im geschlos- senen Sprachgebiet zu einem einzigen deutschen Reich“. Der Landbund Ferdinand ­Kernmaier, Zusammensetzung des Nationalrates von 1920 (1919) verstand sich als „freisinnige Partei“, der zwar „auf christlicher Grund- Landeshauptmann lage“ stand, den Einfluss der katholischen Kirche aber zurückdrängen von Kärnten bis 1934 (aufgrund des jeweiligen Wahlergebnisses) wollte, was den antiklerikalen Traditionen des Dritten Lagers entsprach.

Gesetz­ Wahltag SdP CSP DnP LBd NWB/ HB JNP Sonstige Gesamt: In Kärnten stellte der Landbund von 1923–1927 mit Vinzenz gebungsperiode LBd ­Schumi und von 1931–1934 mit Ferdinand Kernmaier den Landes- hauptmann. Im Burgenland war der Landbündler Alfred Walheim von Konst. NV* 16. 02. 1919 72 69 27 - - - 1 1 170 1923 bis1924 und von 1931 bis 1934 Landeshauptmann, in der Steier- I. GP 17. 10. 1920 69 85 28 - - - - 1 183 mark war Karl Hartleb immerhin bis 1934 der Präsident der steirischen Landwirtschaftskammer. II. GP 21. 10. 1923 68 82 10 5 - - - - 165 III. GP 24. 04. 1927 71 73 12 9 - - - - 165 Von 1927 bis 1933 war der Landbund Teil der Koalitionsregierung 72 66 mit den Christlichsozialen, zuletzt, nach dem Ausscheiden der Groß- IV. GP 09. 11. 1930 - - 19 8 - - 165 deutschen Volkspartei, mit den Heimwehren. Als Engelbert Dollfuß die Richtung eines autoritären Ständestaates anpeilte, kam es innerhalb Partei-Kürzel Gesetzgebungsperioden des Landbundes zu einer Spaltung, wobei die „ständische Fraktion“ um SdP - Sozialdemokratische Partei * Konstituierende Vinzenz Schumi einen Ausgleich mit Dollfuß suchte und das nationale CSP - Christlichsoziale Partei Nationalversammlung: 4. März 1919 bis 9. November 1920 Lager um Franz Winkler und den oberösterreichischen Landbundmi- DnP - Deutschnationale Parteien I. Gesetzgebungsperiode: 10. November 1920 bis 20. November 1923 nister Franz Bachinger vorerst einen deutschnationalen Sonderweg Karl Hartleb, LBd - Landbund für Österreich II. Gesetzgebungsperiode: 20. November 1923 bis 18. Mai 1927 jenseits des Nationalsozialismus suchte. Die Politik des Landbundes ­Vizekanzler ­unter NWB/LBd - Nationaler Wirtschaftsblock III. Gesetzgebungsperiode: 18. Mai 1927 bis 1. Oktober 1930 unter Franz Winkler orientierte sich 1933/1934 am Festhalten an der und Landbund IV. Gesetzgebungsperiode: 2. Dezember 1930 bis 2. Mai 1934 republikanischen Staatsform und der Verfassung von 1929, man wollte HB - Heimatblock Widerstand gegen die Richtung eines autoritären Ständestaats leisten, scheiterte aber letztlich. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die eigene Par- 204 JNP - Jüdisch Nationale Partei teibasis ab 1933 verstärkt ins nationalsozialistische Lager abwanderte. 205 Fortsetzung auf Seite 208 ▶ Nationalratswahlen-Ergebnisse 1920 Nationalratswahlen-Ergebnisse 1927

Anteil Mandate Anteil Mandate Wahlwerber Stimmen 1920 davon 1920 davon Wahlwerber Stimmen 1927 ± 1927 ± Christlichsoziale Partei (CS) 1.245.531 41,79 % – 85 – Einheitsliste 1.753.761 48,20 % +3,40 % 85 +3 Sozialdemokratische Arbeiterpartei 1.072.709 35,99 % – 69 – Sozialdemokratische Arbeiterpartei 1.539.635 42,31 % +2,70 % 71 +3 Deutschösterreichs (SDAPDÖ) Deutschösterreichs (SDAPDÖ) Deutschnationale Parteien 514.127 17,25 % – 28 – Landbund 230.157 6,33 % -6,50 % 9 -1 davon … Großdeutsche Volkspartei … → … → 21 Udeverband – Bund gegen Korruption 35.471 0,97 % n.k. 0 – … Deutschösterreichische Bauernpartei … → … → 7 Völkischsozialer Block 26.991 0,74 % n.k. 0 – … Kärntner Bauernbund … → … → 0 – Bund gegen Korruption … Nationalsozialistische Partei … → … → 0 Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) 16.119 0,44 % -0,10 % 0 ±0 Demokratische Parteien 42.826 1,44 % – 1 – Demokratische Liste 15.112 0,42 % n.k. 0 – davon … Bürgerliche Arbeiterpartei … → … → 1 Jüdische Partei 10.845 0,30 % -0,20 % 0 ±0 … Demokraten … → … → 0 Partei der Kärntner Slowenen 9.334 0,26 % ±0,00 % 0 ±0 … Burgenländische Bürger- und Bauernpartei … → … → 0 Nationalsozialistische 779 0,02 % n.k. 0 – Sonstige 105.135 3,53 % – 0 – Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) davon … Christlichnationale Einheitsliste … → … → 0 Kleingewerbepartei Österreichs 251 0,01 % n.k. 0 – … Kommunisten 26.652 0,89 % - → 0 Bund der parteilosen Staatsbürger 60 0,00 % n.k. 0 – Bauern und Gewerbetreibende 11 0,00 % n.k. 0 – aller Art Parteien

Nationalratswahlen-Ergebnisse 1923 Nationalratswahlen-Ergebnisse 1930

Anteil Mandate Anteil Mandate Wahlwerber Stimmen 1923 ± 1923 ± Wahlwerber Stimmen 1930 ± 1930 ± Christlichsoziale Partei (CS) 1.459.047 44,05 % +2,25 % 82 -3 Sozialdemokratische Arbeiterpartei 1.517.146 41,1 % -1,2 % 72 +1 Sozialdemokratische Arbeiterpartei 1.311.870 39,60 % +3,61 % 68 -1 Deutschösterreichs (SDAPDÖ) Deutschösterreichs (SDAPDÖ) Christlichsoziale Partei und Heimwehr (CS) 1.314.956 35,7 % -12,5 % 66 -7 Verband der Großdeutschen Volkspartei 259.375 7,83 % n.k. 10 +10 Nationaler Wirtschaftsblock und Landbund 428.255 11,6 % +5,3 % 19 +7 und des Landbundes Heimatblock 227.401 6,2 % n.k. 8 +8 Kärntner Einheitsliste 1 95.465 2,88 % n.k. 5 +5 Nationalsozialistische Deutsche 111.627 3,0 % n.k. 0 2 – Landbund für Österreich 76.441 2,31 % n.k. 0 – Arbeiterpartei (Hitlerbewegung) (NSDAP) Jüdische Wahlgemeinschaft 24.970 0,75 % n.k. 0 – Landbund für Österreich 43.689 1,2 % n.k. 0 – Burgenländischer Bauernbund 23.142 0,70 % n.k. 0 – Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) 20.951 0,6 % +0,2 % 0 ±0 (Landbund für Österreich) 2 Österreichische Volkspartei (Harandbewegung) 14.980 0,4 % n.k. 0 – Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) 22.164 0,67 % n.k. 0 – Demokratische Mittelpartei (DMP) 6.719 0,2 % n.k. 0 – Bürgerlich-demokratische Arbeitspartei 18.886 0,57 % n.k. 0 – Jüdische Liste 2.133 0,1 % -0,2 % 0 ±0 Partei der Kärntner Slowenen 9.868 0,30 % n.k. 0 – Kaisertreue Volkspartei (Wolff-Verband) 157 0,0 % n.k. 0 – Tschechoslowakische Minoritätspartei 7.580 0,23 % n.k. 0 – Nationaldemokratische Vereinigung 54 0,0 % n.k. 0 – Hrvatskastranka (Kroatenpartei) 2.557 0,08 % n.k. 0 – (Höberth-Partei) Kaisertreue Volkspartei 1.235 0,03 % n.k. 0 – Bund aller Schaffenden 6 0,00 % n.k. 0 – 1 Wahlgemeinschaft des Kärntner Landbundes, der Christlichsozialen Partei und der Großdeut- 206 schen Volkspartei. 207 2 Addition der Wahlergebnisse wurde vom Verfassungsgerichtshof wegen unterschiedlicher Listen- bezeichnungen abgelehnt. n.k. = nicht kandidiert Die Freiheitlichen und das Parlament 1918 – 1934

Franz Winkler, der lange Jahre ein Jahrzehnte später in seinem Memoiren bestätigte. Tatsächlich hatten scharfer Kritiker der Nationalsozia- die sozialdemokratischen Spitzenfunktionäre dabei nicht bedacht – so listen war, schloss schließlich im Mai Adolf Schärf in seinen Memoiren –, dass es für die Sozialdemokratie 1934 selbst ein Abkommen mit der unmöglich sei, „als die relativ stärkste Partei Funktion und Amt des NSDAP, indem er den Landbund in Ersten Präsidenten zu fordern, anderseits wenn jedoch die Ausübung diese überführte. dieses Amtes der Partei sozusagen ein Opfer auferlegte, sofort Nein zu sagen“. Karl Renners Stimme wäre nach seiner Zurücklegung des Vor- sitzes nämlich für die Sozialdemokratie zum Tragen gekommen. Die Ausschaltung Danach übernahm der Zweite Präsident des Nationalrats, der christ- lichsoziale Abgeordnete Rudolf Ramek, den Vorsitz und erklärte die des Parlaments Abstimmung für ungültig, was umgekehrt nunmehr überaus heftige Er- regung auf der sozialdemokratischen Seite verursachte. Daraufhin trat Von einer „Selbstausschaltung auch Ramek von seiner Funktion zurück. Nun sollte der Dritte Prä- des Parlaments“ wurde ursprünglich sident des Nationalrates, der großdeutsche Abgeordnete Sepp Straff- zu allererst vom christlichsozialen ner, den Vorsitz des Nationalrates führen, der diesen allerdings auch, Bundeskanzler Engelbert Dollfuß ge- offenbar im Affekt, sofort zurücklegte. Damit konnte die Sitzung nach sprochen. Dies deshalb, da er seinen dem Rücktritt der drei Nationalratspräsidenten nicht mehr ordnungs- politischen Weg hin zum autoritären gemäß beendet werden, wodurch eine Situation entstand, die die ös- Plakat der Ständestaat beschönigen wollte und terreichische Verfassung und die Geschäftsordnung des Nationalrates ­Vaterländischen den juristischen Putsch gegen den nicht vorgesehen hatten. Das Parlament war nicht beschlussfähig und Front österreichischen Parlamentarismus ging auseinander. Für Bundes- offenbar zu verniedlichen versuchte. kanzler Dollfuß bot sich somit die unerwartete Chance, seine Tatsächlich standen bei der Na- Absichten, in Zukunft autori- tionalratssitzung des 4. März 1933 tär zu regieren, umzusetzen. Er drei Anträge zum Eisenbahnerstreik erklärte, dass das zerstrittene auf der Tagesordnung. Mit ihrem und daher zu konstruktiver Streik wollten die Eisenbahner gegen Arbeit nicht fähige Parlament die Auszahlung der März-Gehälter sich selbst ausgeschaltet habe, in drei Raten protestieren. Dagegen was den Staat keineswegs in beantragten die Christlichsozialen eine Krise versetze, da die Re- Disziplinierungsmaßnahmen, um die gierung ja weiter handlungs- Bundeskanzler­ streikenden Eisenbahner zur Raison zu bringen. Die Sozialdemokraten fähig sei. Der christlichsoziale ­Engelbert ­Dollfuß hingegen und auch die Großdeutsche Volkspartei hatten jeweils eigene Kanzler wollte nun auf Grund errichtet den auto- Anträge zu diesem Vorgang gestellt. Während allerdings der sozialde- des von ihm zuvor bereits er- ritären Ständestaat mokratische Antrag mehrheitlich abgelehnt wurde, nahm der National- probten kriegswirtschaftlichen rat den Antrag der Großdeutschen mit drei Stimmen Mehrheit, also mit Ermächtigungsgesetzes aus 82 zu 79 Stimmen, an. dem Jahr 1917 weiter regie- ren. Dieses Gesetz, das zum Daraufhin entwickelte sich eine Debatte zur Geschäftsordnung über raschen Erlass von Wirt- die Frage, ob über den Antrag der Christlichsozialen überhaupt noch schaftsvorschriften im Ersten abgestimmt werden solle, nachdem bereits der Antrag der Großdeut- Weltkrieg dienen hatte sollen, schen angenommen worden war. Der erste Nationalratspräsident Karl ermöglichte es Dollfuß nun, in Renner, ein Sozialdemokrat, unterbrach darauf die Sitzung für etwas einem Staatsstreich gegen das weniger als eine Stunde, um anschließend mitzuteilen, dass es während Parlament den Weg hin zum der Abstimmung offenbar zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei, und autoritären Ständestaat ein- er korrigierte das Abstimmungsergebnis auf 81 zu 80 Stimmen. Der zuschlagen. Dies ist auch vor Antrag der Großdeutschen war somit dennoch angenommen. dem Hintergrund der interna- tionalen Entwicklung zu sehen: Nunmehr kam es zu heftigen Protesten christlichsozialer Abgeord- Am Tag nach der Ausschaltung neter, die eine neuerliche Abstimmung forderten. Daraufhin sah sich des österreichischen Parla- Renner – wenn man den stenographischen Protokollen folgt – außer- ments nämlich erreichte Hitler stande, den Vorsitz weiter zu führen, und trat zurück. Dieser Rücktritt in Deutschland seinen großen erfolgte nicht auf Grund einer tatsächlichen Handlungsunfähigkeit des Wahlsieg, damit hatte die ös- Ersten Nationalratspräsidenten, sondern auf einen Rat der sozialde- terreichische Sozialdemokratie mokratischen Granden Otto Bauer und Karl Seitz. Dies wurde Renner im Eifer, die Eisenbahner zu 208 vom damaligen Parteisekretär Adolf Schärf mitgeteilt, der dies auch schützen, offenbar übersehen, 209 Die Freiheitlichen und das Parlament 1918 – 1934

lären Sitzung zusammentreten konnte. Die im Sitzungssaal Anwesenden wurden schließlich von der Polizei aus dem Haus eskortiert, der Dritte Nationalratspräsident Sepp Straffner konnte allerdings noch zuvor er- klären, dass die Sitzung vom 4. März somit fortgesetzt und diese Sitzung ordnungsgemäß geschlossen werde.

Der Leiter des Polizeieinsatzes gegen die Abgeordneten gab den schriftlichen Einsatzbefehl der Regierung an den „ Dritten Nationalratspräsident Sepp Straffner wei- ter. Dieser verfasst daraufhin auf Grund dieses Beweisstückes Strafanzeige gegen Dollfuß wegen Die Nationalliberalen des Verbrechens der öffentlichen Gewalttätigkeit ( § 76 Strafgesetz 1852). versuchten den Parla- Bundeskanzler Engelbert Dollfuß und sein mentarismus und den ebenso christlichsozialer Justizminister Kurt Schu- schnigg hatten die Geschäftsordnungskrise des ­Verfassungsstaat zu Nationalrates somit genutzt, um eine Art juristi- schen Staatsstreich durchzuziehen. Die Bundes- ­retten. regierung unterließ es wohlweislich, dem ebenso christlichsozialen Bundespräsidenten Wilhelm „ Niklas die Auflösung des Nationalrates und die Ausschreibung von Neuwahlen vorzuschlagen, wie es verfassungsmä- ßig vorgesehen gewesen wäre und was der Bundespräsident nur auf Vorschlag der Regierung hätte anordnen können. Nachdem also auch der Bundespräsident untätig gewesen war, waren es die nationalliberalen Eine weibliche Abgeordneten der Großdeutschen Volkspartei, die neben der Sozialde- Formation des mokratie als letzte für den heimischen Parlamentarismus eintraten. „Heimatschutzes“ bei einer Kundge- Am 30. April 1934 kam es noch einmal zu einer Sitzung des Rumpf- bung der Vater- parlaments, das der Zweite Nationalratspräsident Ramek einberufen ländischen Front hatte, dabei waren die Mandate der sozialdemokratischen Abgeordne- in Tulln (1934) ten auf Grund des Parteienverbots am 12. Februar 1934 bereits für erloschen erklärt worden. Ein Großteil der großdeutschen Abgeordneten, also des nati- onalen Wirtschaftsblocks, er- klärte die Sitzung für verfas- sungswidrig und boykottierte Kundgebung der „welchen unmittelbaren Einfluss die Umwälzungen in Deutschland auf sie. Zwei verbliebene groß- Heimatfront auf der Österreich üben konnte“. So hatte man also „durch Renners Demission deutsche Abgeordnete protes- Schmelz in Wien der Regierung Dollfuß den Vorwand zur Ausschaltung des Parlaments tierten gegen das Vorgehen der (8. Oktober 1936) geliefert“ (so nachzulesen in den Ausführungen des sozialdemokra- christlichsozialen Abgeordne- tischen Vordenkers Otto Bauer im Jahre 1934). ten und lehnten die Einberu- fung dieses Rumpfparlaments Insbesondere von nationalliberaler Seite, konkret von der Groß- demonstrativ als verfassungs- deutschen Volkspartei, versuchte man sofort nach dieser Ausschaltung widrig ab. Sie lehnten auch die des Parlaments, den Parlamentarismus und damit den Verfassungsstaat neue Verfassung für den Stän- zu retten. Gemeinsam mit den Sozialdemokraten wollte man die am destaat, die bei der Sitzung des 4. März unterbrochene Sitzung am 15. März 1933 fortsetzen, um sie Rumpfparlaments beschlossen dann ordnungsgemäß schließen zu können. Der zuletzt zurückgetre- werden sollte, ab und ver- tene Dritte Präsident des Nationalrats, der großdeutsche Abgeordnete langten darüber eine Volksab- Sepp Straffner, widerrief zu diesem Zweck seinen Rücktritt, mit ihm stimmung. Dennoch wurde die befanden sich bereits großdeutsche und sozialdemokratische Abgeord- „Verfassung des Bundesstaates nete im Sitzungssaal des Parlaments. Weitere Abgeordnete wurden al- Österreich“ am 30. April 1934 lerdings nicht in das Parlament gelassen, das von der Polizei umstellt vom Rumpf-Parlament gegen war. Diese hatte von der Regierung den Auftrag, unter Androhung des die zwei großdeutschen Stim- 210 Waffengebrauches zu verhindern, dass der Nationalrat zu einer regu- men beschlossen. 211 Die Freiheitlichen und das Parlament 1918 – 1934

Der großdeutsche Insgesamt zeigen die Vorgänge um en Schlusspunkt hinter dieses traurige Dritte National- die Ausschaltung des Parlaments im Jah- DKapitel österreichischer Geschichte „Wir erheben ratspräsident re 1933, dass das nationalliberale Lager in setzte die Rede des Abgeordneten Prof. Sepp Straffner der Zwischenkriegszeit trotz vieler bedenk- Hermann Foppa (1882–1959), des letzten licher Fehlentwicklungen und ideologischer Reichsparteiobmannes der Großdeutschen feierlichen Einspruch“ Haltungen, wie des übertriebenen Anti­ Volkspartei. Er machte sie zu einem flam- klerikalismus und des nicht zu leugnenden menden Protest: Hermann Foppas Antisemitismus, eine Stütze und Säule des „Namens der im parlamentarischen Klub Parlamentarismus in Österreich war. Wenn des nationalen Wirtschaftsblockes vereinig­ flammender Protest die deutschfreiheitlichen Abgeordneten auf ten großdeutschen Abgeordneten habe ich Grund ihrer Mehrheit nach den Wahlen des folgende Erklärung abzugeben: Jahres 1911 im habsburgischen Reichsrat Wir erheben feierlich vor unserem Volk, vor im Herbst 1918 an der Wiege der Republik der ganzen Welt Einspruch gegen ein Regime, standen, so waren sie es auch, die als letzte das, ohne über eine Mehrheit des Volkes in im Jahre 1933 für die Erhaltung der parlamentarischen Demokratie im diesem Staate zu verfügen, sich über ein Jahr Lande eintraten. Eine historische Tatsache, auf die die freiheitliche Ge- außerhalb der Verfassung gestellt hat und mit sinnungsgemeinschaft auch heute noch stolz sein darf. ◆ der Brachialgewalt der Bajonette den wahren Volkswillen zu brechen versucht. Wir erheben feierlichen Einspruch gegen die verfassungs- und gesetzwidrige Beschrän- „Österreich über kung der geistigen und körperlichen Freiheit, alles, wenn es wir erheben Einspruch gegen die maßlosen nur will“: Vaterlän- Verfolgungen unschuldiger Menschen – Män- dische Front am ner, Frauen und Kinder –, gegen die willkür- Heldenplatz (1933) liche Vernichtung von Existenzen, gegen das jeder Humanität hohnsprechende Geiselver- fahren, gegen das System der Anhaltelager und vor allem gegen das Denunziantenwesen, das geeignet erscheint, die Moral des Volkes vollkommen zu untergraben. Wir erheben Einspruch gegen die heutige Tagung des Parlaments, das die bereits ok- troyierte Verfassung, deren Inhalt in diesem Haus noch niemand kennt, sanktionieren und ein Verfassungsgesetz beschließen soll, das der Regierung nicht nur eine Blankovollmacht reformgesetzes Der großdeutsche für ein gleichfalls unbekanntes Verfassungs- 1929, der Artikel ­Abgeordnete übergangsgesetz geben, sondern auch die 44, der für eine Ge- Hermann Foppa wichtigsten Bestimmungen unserer gegen- samtänderung der wärtigen Verfassung für das Zustandekom- Verfassung eine men einer neuen Verfassung beseitigen soll. Volksabstimmung Wir erheben Einspruch gegen diese Ta- vorsieht, durch ein gung, weil dieses Parlament verfassungs- illegales Parlament und eine illegale Abstim- widrig einberufen sowie verfassungswidrig in mung beseitigt werden soll. seiner gegenwärtigen Zusammensetzung gar Wir glauben, dass der feierliche Einspruch nicht in der Lage ist, einfache Beschlüsse, ge- gegen alle diese Vorgänge im Hause nicht al- schweige denn verfassungsmäßig zu qualifi- lein Sache der Opposition ist, sondern dass zierende Beschlüsse, zu fassen. jeder andere Volksvertreter auf Grund seines Das heutige Bild dieses Hauses charak- auf die Verfassung abgelegten Gelöbnisses terisiert am besten die Unmöglichkeit dieser die Pflicht hat, über die Verfassungsmäßigkeit Volksvertretung. Der nationale Wirtschafts- dieses Hauses zu wachen und Verfassungs- block und Landbund sind nicht anwesend, widrigkeiten zurückzuweisen. um damit zum Ausdruck zu bringen, dass sie Wir stellen fest, dass wir noch in letzter diese Parlamentssitzung ablehnen. Sollten Stunde an die Bundesregierung appelliert ha- wirklich in dieser Sitzung Gesetzesbeschlüs- ben, von der Einberufung dieser Sitzung Ab- se gefass werden, so werden dieselben vom stand zu nehmen und sich vor aller Welt zum christlichsozialen Klub gefaßt werden. Verfassungsoktroi zu bekennen, das ja auch 212 Wir erheben Einspruch dagegen, dass die durch eine solche Scheintagung niemals ver- 213 größte Errungenschaften des Verfassungs- schleiert werden kann.“ ◆ 214 VIII Die Nationalliberalen: Wortgewaltig & Streitbar Die DeutschFreiheitlichen im Reichsrat der Monarchie

215 Die Freiheitlichen und das Parlament 1867 – 1918

ls es nach der Niederschla- Am 20. Oktober 1860 versprach der Kaiser mit dem sogenannten 1867 – 1918 Agung der Revolution von Oktoberdiplom, dass der Reichsrat nur die gemeinschaftlichen Ange- 1848 zur oktroyierten März- legenheiten aller Königreiche und Länder, damals auch noch inklusive verfassung von 1849 kam, war Ungarn, behandeln werde. In allen anderen Angelegenheiten werde aber ein sogenannter Reichsrat die das beratende Votum den Landtagen zustehen. Diese föderalistische Die Nationalliberalen im ­einzige Institution, die tatsäch- Ausrichtung erfolgte wohl auf Grund des Einflusses der Konservativen lich eingerichtet worden war. In jener Zeit, bei denen der Großgrundbesitz und der Adel tonangebend ihrer Ursprungsform handelte waren.

­cisleithanischen Parlament es sich dabei nicht um ein Par-

lament, sondern um das kai- Der Widerstand des Bürgertums allerdings verhinderte die Durch- serliche Kabinett, also um ein Beratungsgremium des Kaisers, für setzung des Oktoberdiploms, da die Liberalen welches dieser selbst die Mitglieder berief. Dieses Kabinett wurde eine echte parlamentarische Verfassung einfor- „ allerdings 1861 aufgelöst, als Staatsrat neu begründet und im Jahre derten. Dieser politischen Vorstellung entsprach 1868 durch ein „gemeinsames Ministerium“, also durch den Mini- dann eine Reihe von Verfassungsgesetzen, die der sterrat, ersetzt. Kaiser am 26. Februar 1861 in Kraft setzte und die in ihrer Gesamtheit Februarpatent genannt Die im Reichsrat vertre- Erst in den Jahren 1860 und 1861 kam es nach den glücklosen wurden. Dabei wurde der damals noch für die ge- Kriegen und durch die Finanzkrise der Habsburger Monarchie zu ei- samte Monarchie, also inklusive Ungarn, zustän- tenen Königreiche und ner Rückkehr zum Konstitutionalismus. Kaiser Franz Joseph musste dige neue Reichsrat zu einem echten Parlament, demnach über die Mitbestimmung im staatsstrebenden Großbürgertum das neben dem Kaiser, dem ein Vetorecht vorbe- Länder nannte man kurz 1883: Die erste Zugeständnisse machen. Der erste Schritt war die Erweiterung des bera- halten war, mitbeschließend für die Reichsgesetz- Sitzung im tenden Reichsrats um zusätzliche Mitglieder, die von den neuzubilden- gebung zuständig war. Cisleithanien. ­neuen Parla- den Landtagen aus den Reihen der Landtagsmitglieder zu wählen waren. mentsgebäude Deren Zahl wurde im Oktober 1860 mit 100 festgesetzt. Der Reichsrat von 1861 bestand aus zwei „ Kammern, einem Herrenhaus und der von den Landtagen beschickten Abgeordnetenkammer. Diese Abgeordnetenkammer bestand aus 343 von den Landtagen der Kronländer bestimmten Abgeordneten, wovon immerhin 120 aus den Ländern der Stephanskrone und 20 aus dem lombardo-venezianischen Königreich sein sollten. Diese Februarverfassung, die die ungarische Reichshälfte noch in den Geltungsbereich einbezogen hatte, scheiterte dann allerdings am Widerstand der Magyaren, deren politische Ver- treter Eigenstaatlichkeit mit einer eigenen ungarischen Verfassung for- derten.

Ausgleich und Dezemberverfassung Als die Habsburger Monarchie nach der Niederlage bei Königgrätz ihre Position innerhalb des Deutschen Bundes verloren hatte, die deut- schen Länder der Donaumonarchie sowie Böhmen und Mähren aus dem Deutschen Bund ausscheiden mussten und man die Lombardei und Venezien an Italien abtreten musste, sah sich der politisch drama- tisch geschwächte Monarch im Jahr 1867 gezwungen, mit Ungarn den Ausgleich im Sinne einer Realunion zweier Staaten zuzulassen. Durch diesen Ausgleich erhielten die Länder der Stephanskrone Souveränität in der Innenpolitik und einen eigenen Reichstag. Daher waren in beiden Kammern des Reichsrates seit dem Mai 1867 nur die Länder diesseits der Leitha vertreten. Staatsrechtlich nannte man sie bis 1915 „die im Reichsrat vertreten Königreiche und Länder“, kurz „Cisleithanien“. Die Dezemberverfassung 1867 wurde nunmehr wieder in Gestalt mehrerer Einzelgesetze erlassen. Das Staatsgrundgesetz über die Reichs- vertretung in der Fassung von 1861 wurde in die neuen Grundgesetze übernommen, bezog sich aber nicht mehr auf die Länder der unga- rischen Krone und auf das verlorene Lombardo-Venezien, sodass 203 216 Abgeordnete im Reichsrat verblieben. Das Abgeordnetenhaus wurde 217 Die Freiheitlichen und das Parlament 1867 – 1918

anfangs noch von den Landtagen beschickt, seit der Wahlrechtsreform 1885 sowie die siebente Legislaturperiode von 1885-1891, die achte Le- von 1873 wurde es aber nach einem Klassenwahlrecht direkt gewählt. gislaturperiode von 1891 bis 1897 und die zehnte Legislaturperiode von 1901 bis 1907. Diesen langen Zessionen standen überaus kurze Legis- laturperioden gegenüber, z. B. die dritte Legislaturperiode von 1870 bis 1871 oder die neunte Legislaturpe- Der Weg zum riode, die wegen vier Vertagungen des Reichsrats in den Jahren 1897 allgemeinen bis 1900 in fünf Zessionen zerfiel. Sitzungssaal des Die Dauer dieser Zession hing je- Wahlrecht ­Herrenhauses: Gesamt- weils vom Abgeordnetenhaus ab. Auf Antrag des Ministers aufnahme aus dem Wenn dieses vertagt wurde, durfte Adolf von Auersperg wurde rechten Seitengang auch das Herrenhaus nicht mehr im Jahre 1873 die Zahl der zusammentreten. Abgeordneten von 203 auf 353 erhöht. Die Wahlrechts- Die beiden Kammern des reform von 1873 führte di- Reichsrats hatten zwar das Ge- rekte Wahlen für eine Wahl- setzgebungs- und das Steuerbe- periode von sechs Jahren ein. willigungsrecht, die Regierung Im Zuge des dabei geltenden war jedoch nicht dem Parlament Kurienwahlrechts wurden verantwortlich, sondern dem Kai- die Wähler nach ihrem Stand ser. Dieser setzte sie ein bzw. auch und ihrem Vermögen in vier wieder ab, ohne dass das Parla- Kurien eingeteilt: Die Kurie ment dies beeinflussen konnte. der Großgrundbesitzer um- Die Kompetenzen des Reichsrats fasste 85 Abgeordnete, die der galten für alle Angelegenheiten Handels- und Gewerbekam- der cisleithanischen Länder, wo- mer 21 Abgeordnete, die der bei das mit Ungarn gemeinsame Groß- und Mittelbauern aus Heer, die Kriegsmarine und die den Landgemeinden wählten mit Ungarn gemeinsame Außen- 128 Abgeordnete, und alle politik sowie die zwischen Öster- anderen in Städten lebenden reich und Ungarn geteilte Finan- männlichen Bürger, die jähr- zierung dieser beiden Bereiche lich mindestens 10 Gulden (ab ausgenommen waren. Die kaiser- 1882 5 Gulden) direkte Steuern entrichteten, konnten in der vierten liche Regierung hatte den Budgetentwurf und andere Finanzvorlagen Kurie 118 Abgeordnete wählen. sowie Anträge zur Veräußerung von Staatseigentum, Anträge über die Aufnahme von Staatsschulden und über die Rekrutenkontingente zu- Im Juni 1896 wurde die Zahl der Abgeordnete schließlich auf 425 erst im Abgeordnetenhaus vorzulegen. Alle anderen Gesetzesvorlagen erhöht und eine fünfte allgemeine Wählerklasse eingeführt, in der alle konnte sie nach Gutdünken auch zuerst dem Herrenhaus unterbreiten. Männer wahlberechtigt waren. Erst anlässlich der Abschaffung des Ku- Wurde in einem Finanzgesetz oder im Rekrutengesetz über die Höhe rienwahlrechts im Jänner 1907 wurde die Zahl der Abgeordneten auf des auszuhebenden Rekrutenkontingents zwischen den beiden Häusern 516 erhöht. des Reichsrats keine Übereinstimmung erzielt, so galt nach dem Grund- gesetz über die Reichsvertretung von 1867 die kleinere Zahl als bewilligt. Erst bei der letzten Wahlrechtsreform der Habsburger Monarchie im Jahre 1906 wurde von Ministerpräsident Paul Gautsch das allgemei- ne, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht für alle Männer eingeführt. Von den 516 Abgeordneten entfielen 130 auf Böhmen, 106 auf Gali- Die beiden Kammern des Parlaments zien, 64 auf Österreich unter der Enns und 49 auf Mähren. Das Herrenhaus setzte sich aus folgenden Kategorien von Mitgliedern Der Reichsrat tagte von 1861 bis 1918 in zwölf Legislaturperioden, zusammen: die den für das Abgeordnetenhaus durchgeführten Reichsratswahlen 1. aus den berufenen Erzherzögen (d. h. den volljährigen Erzherzö- entsprachen. In diesen Gesetzgebungsperioden fanden Sitzungen bei- gen) der Häuser statt, die, wenn parlamentarisch nicht lösbare Probleme ent- 2. aus den Erzbischöfen und jenen Bischöfen, denen fürstlicher Rang standen und die kaiserliche Regierung mittels kaiserlicher Verordnung zukam weiterzukommen glaubte, durch die jeweilige Vertagung des Reichsrats 3. aus Angehörigen des „vermögenden landsässigen Adels“ (d. h. den beendet wurden. Zuletzt war dies im Frühjahr 1914 der Fall. Insgesamt Häuptern jener Adelsgeschlechter, denen der Kaiser die „erbliche Reichs- 22 Zessionen wurden von 1861 bis 1918 durchnummeriert. Besonders ratswürde“ verliehen hatte) lang waren mit je einer durchgehenden Zession die fünfte Legislaturpe- 4. aus österreichischen Staatsbürgern, die vom Kaiser für Verdienste um 218 riode von 1873 bis1879 und die sechste Legislaturperiode von 1879 bis Staat und Kirche, Wissenschaft und Kunst auf Lebenszeit berufen wurden. 219 Die Freiheitlichen und das Parlament 1867 – 1918

Das Herrenhaus trat am 29. April 1861 zum ersten Mal zusammen. Die Verhandlungen des Reichsrats waren vielfach von den Auseinan- Es tagte bis 1883 provisorisch im Sitzungssaal des Niederösterreichi- dersetzungen zwischen den zahlreichen Parteien und Gruppierungen schen Landtages im Landhaus in der Wiener Herrengasse. Am 4. De- der Nationalitäten geprägt, die regelmäßig nur zwei Nationalitäten be- zember 1883 fand (ebenso wie im Abgeordnetenhaus) die erste Sitzung trafen. Unter diesen Bedingungen war eine Mehrheit zur Unterstützung im neu erbauten k.k. Reichsratsgebäude statt. Der Saal wurde 1945 der (nicht vom Vertrauen des Reichsrats abhängigen) Regierung nur

durch Bombentreffer zerstört; heute befindet sich an seiner Stelle der in sehr schwer zu organisieren. Immer wieder wurde der Reichsrat vom

der Nachkriegszeit gebaute Sitzungssaal des öster- Kaiser auf Vorschlag der Regierung wegen der ausufernden nationalen „ reichischen Nationalrates. Konflikte suspendiert. Unter den vom Kaiser beru- Wegen der ausufernden fenen Herrenhausmitgliedern waren z. B. der Glasindustrielle Ludwig Lobmeyr und Reichsrat, Regierung und Kaiser nationalen Konflikte wur- der Baumwollunternehmer Nikolaus Dumba, bei- Die führenden de auch als Kunstmäzene hervorgetreten, der stei- In den Jahren 1867 bis 1879 hatte die Deutschliberale Partei die Persönlich- de der Reichsrat immer rische Dichter Peter Rosegger sowie die Bierin- Mehrheit im Abgeordnetenhaus des Reichsrats. Sie stellte die Regie- keiten der dustriellen Anton Dreher junior und Adolf Ignaz rungen der Ministerpräsidenten Karl Wilhelm Philipp von Auersperg ­nationalliberalen wieder suspendiert. Mautner von Markhof. und Adolf Carl Daniel von Auersperg. Mit ihrem Niedergang endete die Gruppierungen deutsche Dominanz im Reichsrat. im Reichsrat „ 1911 entfielen beispielsweise auf die einzelnen Kategorien: 14 Erzherzöge, 18 (Erz-)Bischöfe (nämlich fünf Fürst-Erzbischöfe, fünf sonstige Erzbischöfe, acht Fürst-Bischöfe), 90 Mitglieder des vermögenden landsässigen Adels, 169 auf Lebenszeit ernannte Mitglieder. Es handelte sich ausschließlich um Männer. Der Präsident des Herrenhauses wurde in seiner Tätigkeit von zwei Vizepräsidenten unterstützt.

Seit 1907 konnten Mitglieder des Herrenhauses auch für das Abge- ordnetenhaus kandidieren. Letzter Präsident des Herrenhauses bis 12. November 1918 war Fürst Alfred III. zu Windisch-Grätz, die zwei letzten Vizepräsidenten waren Fürst Max Egon II. zu Fürstenberg und Prinz Ferdinand von Lobkowitz.

Liberale und nationale Parteien im Reichsrat Sie erstritten die Verfas- schen Staat zusammenzufas- aus dem österreichischen sung – die Deutschliberalen. sen (Großdeutsche Lösung), Vielvölkerstaat die „Doppel- Die Deutschliberale Partei, begründet durch einen Kon- monarchie“ Österreich-Un- auch Verfassungspartei oder flikt mit den Slawen, der- be garn machte. Anschließend Deutschliberale Verfassungs- sonders durch Streitigkeiten stellte die Partei von 1867 bis partei genannt, war eine bür- um den Besitzstand unterhal- 1879 die Mehrheit im Abge- gerliche politische Partei in ten wurde. Den größten Zu- ordnetenhaus und dominierte der Donaumonarchie. Ihre spruch erhielten die Deutschli- mehrere Regierungen, insbe- herausragenden Persönlich- beralen von der städtischen sondere die Bürgerministerien und zum Verlust der Regie- Fortschrittsklub zur „Vereinig­ von 1881 bis 1885 und war keiten waren an der Revolu- Intelligenz, die ein Überge- unter Karl von Auersperg, Edu- rungsgewalt. Die Partei wurde ten Linken“, die sich 1885 liberal und zentralistisch aus- tion von 1848 beteiligt oder wicht der slawischen Völker in ard Taaffe, Ignaz von Plener in mehrere Teile aufgesplit- jedoch wieder in den Deut- gerichtet. Ihre Mitglieder wa- durch diese geprägt. der Monarchie befürchtete. und Leopold Hasner von tert, woraus sich in der Folge schösterreichischen und den ren ausschließlich Deutsche, Die Politik der Deutschli- Maßgeblich beteiligt war Artha. mehrere deutschfreiheitliche Deutschen Klub spaltete, nur einschließlich einiger natio- beralen war gekennzeichnet die Deutschliberale Partei an Der andauernde Kampf und deutschnationale Par- um 1888 wieder zur Vereinig­ nal nicht festgelegter Aristo- durch die Gegnerschaft zum der Aufkündigung des Kon- gegen den politischen Katho- teien entwickelten. Die noch ten Deutschen Linken zu fusi- kraten. katholischen Klerus (Kultur- kordats 1855 und an der Ver- lizismus und die slawischen verbliebenen Anhänger der onieren. Zwischen der seit 1879 kampf) und durch die Forde- abschiedung der Dezember- Nationalitäten der Monarchie Deutschliberalen Partei wur- amtierenden konservativ-fö- rung, die deutschsprachige verfassung am 21. Dezember führte zusammen mit der den später „Altliberale“ ge- Nur mehr für die Deut- deralistischen Regierung 220 Bevölkerung als Teil der deut- 1867, die mit dem Österrei- Wirtschaftskrise von 1873 nannt. Die Verfassungspartei schen – die Vereinigte Linke. ­Taaf­­fe und der deutschlibe- 221 schen Nation in einem deut- chisch-ungarischen Ausgleich zum Niedergang der Partei verschmolz 1881 mit dem Die Vereinigte Linke bestand ralen Opposition kam es zu Die Freiheitlichen und das Parlament 1867 – 1918

Die Regierung des Grafen Eduard von Taaffe der Kaiser sei weiterhin der eigentliche Machthaber, wie dies auch stützte sich 1879 bis 1893 auf die deutschösterrei- die stereotype Einleitung der beschlossenen Gesetze suggerierte: chischen Klerikalen sowie die tschechischen und pol- „Mit Zustimmung beider Häuser des Reichsrates finde ich anzuord- nischen Konservativen. Sie setzte 1882 die Zensus- nen wie folgt …“. grenze für die Wahlberechtigung von 10 auf 5 Gulden Steuerleistung pro Jahr herab. Von den radikalen Na- Der Kaiser änderte nach der russischen Revolution von 1905 tionalparteien heftig bekämpft, scheiterte Taaffe am seine Einstellung zum Parlament und betrieb die Einführung des Versuch, ein nahezu allgemeines Wahlrecht einzufüh- allgemeinen Männerwahlrechts, wie es von der Sozialdemokratie in ren. Großdemonstrationen verlangt wurde, gemeinsam mit seinem Mi- nisterpräsidenten Max Wladimir von Beck aktiv. Nach 1893 konnte keine Regierung mehr die stän- dige Unterstützung der Mehrheit des Abgeordneten- Auf Grund der dualistischen Staatskonstruktion der Gesamt- hauses für sich gewinnen. monarchie im Sinn einer Realunion konnte der Reichsrat die ge- meinsamen Angelegenheiten der beiden Reichshälften (Außen- und Kaiser Franz Joseph, der anfangs absolut regierte, Verteidigungspolitik) nicht in Plenarsitzungen seiner beiden Häuser Georg Ritter von Schönerer, stand dem Parlamentarismus, den er dem erstarkenden beeinflussen. Leitfigur der Radikalen Bürgertum zugestehen musste, lange Zeit misstrau- isch gegenüber. Er hielt sich aber strikt an die von ihm Zur parlamentarischen Entscheidung der gemeinsamen An- sanktionierte Verfassung. Die schrittweise Ausweitung gelegenheiten waren auf Grund des Ausgleichs von 1867 die so des Wahlrechts musste dem skeptischen Kaiser im 19. genannten Delegationen des österreichischen Reichsrates und des Jahrhundert von den jeweiligen Regierungen mühsam ungarischen Reichstages mit je 60 Mitgliedern berufen (die öster- abgerungen werden. reichische Delegation wurde aus beiden Häusern des Reichsrates gewählt: 40 Abgeordnete, 20 Mitglieder des Herrenhauses). Die immer wieder erlassenen kaiserlichen Ent- Kaiser Franz schließungen zur Vertagung des Reichsrates entsprangen nicht absolutis- Die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses machte ein Joseph, um 1885 tischen Regungen, sondern erfolgten auf Vorschlag der k. k. Regierung, wirksames parlamentarisches Arbeiten oft unmöglich. Jeder Abge- wenn der Reichsrat zu Beratungen und Entscheidungen auf Grund von ordnete konnte (wie im Europäischen Parlament) in seiner Mutter- Obstruktion, meist durch tschechische Abgeordnete, nicht in der Lage war. sprache reden, es gab jedoch keine Dolmetscher und die Redezeit war nicht begrenzt. Für das Protokoll mitstenographiert wurden Das Parlamentsgebäude besuchte Kaiser Franz Joseph nur zweimal, nur deutsche Äußerungen. 1879 beim Richtfest und im Jänner 1884 kurz nach der Betriebsaufnahme des Hauses. Die Thronreden mussten sich die Abgeordneten in der Hof- Von Abgeordneten, die Abstimmungen verhindern bzw. ver- burg anhören. Damit versuchte der Hof die Fiktion aufrechtzuerhalten, zögern wollten, wurden stundenlange Reden gehalten; teilweise Otto Steinwender, Integra- tionsfigur der Gemäßigten

einer zunehmenden Polari- künftig explizit die deutschen lichen Fragen befasste, zahl- Graz), die späteren Führer der na und Dalmatien und durch der Frauen- und Kinderarbeit, sierung. Dies veranlasste die Interessen in der Habsburger reiche Anträge zur Hebung Sozialdemokratie sowie der Festlegung der deutschen Unfall- und Altenversicherung, verschiedenen Gruppen der Monarchie. Die verbliebenen der Land- und Forstwirtschaft Historiker Heinrich Friedjung, Sprache als Staatssprache si- Fabrikinspek­tionen und die deutschliberalen Oppositi- Abgeordneten der Vereini- stellte und bereits 1880 die Anton Langgaßer (B! Silesia – chergestellt werden. Erstrebt Schaffung von Arbeiterge- on zur Gründung einer ge- gten Linken bildeten fortan Aufhebung aller Wahlkurien Wien), Julius Sylvester (Teuto- wurden weiters eine Erweite- werkvereinen. Den Bauern meinsamen Partei. Im Herbst den Deutschösterreichischen und die Einführung des allge- nia und Libertas-Wien) sowie rung des Wahlrechts, Presse- waren landwirtschaftliche 1881 formierten sie sich zur Klub. meinen und gleichen Wahl- Karl Teutschmann (B! Ober­ freiheit, freies Vereins- und Kreditanstalten und staatliche Vereinig­ten Linken. Im Jahr 1888 schlossen rechtes verlangte. So kam es österreicher Germanen-Wien) Versammlungsrecht und die Maßnahmen gegen Kreditwu- Nach den Wahlen von sich der Deutsche Klub und unter Schönerers Führung beteiligt. vollständige Durchführung des cher gegen die Überschuldung 1885, die für die Deutschlibe- der Deutschösterreichische 1882 zur Ausarbeitung des Das Programm selbst Reichsvolksschulgesetzes. So- und Entwertung der Höfe zu- ralen den endgültigen Verlust Klub wiederum zur Vereinigten Linzer Programmes, in dem sollte für die kommenden ziale und wirtschaftliche For- gedacht. ihrer einstigen Mehrheit im Deutschen Linken zusammen. antiliberale, sozialpolitische, Jahrzehnte die politische derungen waren: Besteuerung Außenpolitisch forderte es Reichsrat manifestierten, zer- aber auch nationale Forde- Grundlage für das deutschna- der Börsengeschäfte, Ver- die verfassungsmäßige Ver- fiel die Vereinigte Linke in zwei Alldeutsch und zerstritten rungen in „höchstmoderner tionale Lager bleiben. staatlichung der Privatbahnen ankerung des zwischen dem Parteien. Eine starke Minder- – die Schönerianer. In den er- und ideenreicher“ Weise mit- Hauptforderungen des und der Versicherungen, Stär- Deutschen Reich und Öster- heit der Abgeordneten der sten Jahren seiner parlamen- einander verknüpft waren. Linzer Programms waren: kung des Kleinbürgertums reich–Ungarn bestehenden bisherigen Vereinigten Linken tarischen Tätigkeit war Georg Die Ausarbeitung des Pro- Die Stellung der Deutschen durch eine Reform der Gewer- Bundesverhältnisses. Im Jah- konstituierte sich als Deut- Ritter von Schönerer weniger grammes erfolgte durch eine in Cisleithanien sollte durch beordnung und Bildung von re 1885 wurde über Verlan- scher Club. Deren Mitglieder als National-Radikaler hervor- Gruppe, die wiederum stark Umwandlung der Monarchie gewerblichen Genossenschaf- gen Schönerers auch die For- gaben den ehemaligen An- getreten, vielmehr versuchte burschenschaftlich beein- in eine Personalunion mit Un- ten, Hilfe für die Arbeiter durch derung nach Beseitigung des spruch der Liberalen als über er gegen den Manchester-Li- flusst war. Neben Schönerer garn durch Sonderstellung der Verbesserung der Fabrikge- jüdischen Einflusses auf allen 222 den Nationalitäten stehende beralismus anzukämpfen, waren Viktor Adler und Engel- größtenteils nichtdeutschen setzgebung, Verkürzung der Gebieten des öffentlichen 223 Staatspartei auf und vertraten indem er sich mit wirtschaft- bert Pernerstorfer (B! Arminia Kronländer Galizien, Bukowi- Arbeitszeit, Einschränkung Lebens aufgenommen, was Die Freiheitlichen und das Parlament 1867 – 1918

sagten sie Gedichte auf, die nur Abgeordnete der gleichen Muttersprache Am 24. Juli 1917 beschloss der Reichsrat auf Vorschlag der k. k. ­ verstanden. Auch das Lärmen mit Ratschen und Tschinellen und Hand- Regierung Seidler das von Juristen später als Kriegswirtschaftliches „ greiflichkeiten unter den Abgeordneten waren nicht Ermächtigungsgesetz (KWEG) bezeichnete Gesetz. Bei seiner Über- selten. Bei dieser Obstruktion taten sich insbeson- nahme in den Rechtsbestand Deutschösterreichs wurde vergessen, die dere tschechische Abgeordnete hervor, die die Zu- kontrollierende Mitwirkung des Reichsrats auf das republikanische Par- ständigkeit des Reichsrates für Böhmen und Mäh- lament zu übertragen. Dies ermöglichte der Bundesregierung Dollfuß Die tschechischen Ab- ren grundsätzlich bestritten. 1933/1934, die Etablierung der Ständestaatsdiktatur durch Missbrauch des KWEG als legal darzustellen. geordneten bestritten Nicht zuletzt diese Mängel in der Arbeitsweise setzten den Reichsrat der steten Kritik aus. Bei der ersten Sitzung im Krieg, am 30. Mai 1917, gaben Abgeord- die Zuständigkeit des nete nach Verlesung der von der k. k. Regierung eingelangten Vorlagen und Berichte über seit 1914 getroffene Entscheidungen, aber vor Ein- Reichsrats für Böhmen gang in die Tagesordnung Erklärungen zu den politischen Absichten der Das Ende des Reichsrats Nationalitäten Cisleithaniens nach dem Krieg ab; eine weitgehende Vor- und Mähren. wegnahme dessen, was im Oktober/November 1918 tatsächlich eintrat. Der Reichsrat war am 16. März 1914 vom „ Kaiser auf Vorschlag der k. u. k. Regierung Stür- Im Oktober 1918 hielt das Abgeordnetenhaus sehr lebhafte Sit- gkh vertagt worden; als im Juli 1914 die Entschei- zungen ab, bei denen von Abgeordneten aller Nationalitäten (von dung zum Krieg anstand, wurde der Reichsrat nicht konsultiert. Das Galizien bis zum Trentino) Versäumnisse der k. k. Regierungen und Mit den ­Schrecken­­ Parlament blieb drei Jahre lang ausgeschaltet; das Notverordnungs-Re- Probleme des Zerfalls des bisherigen Staates und des Abfalls Ungarns des Ersten giment veranlasste Friedrich Adler, Stürgkh am 21. Oktober 1916 zu diskutiert wurden. Dabei wurde ausgesprochen, dass dem Haus kei- ­Weltkriegs kam erschießen. Franz Josephs Nachfolger Karl I. berief den Reichsrat zum ­ ne handlungsfähige Regierung mehr gegenüberstehe und dass man das Ende des 30. Mai 1917 ein und vertagte ihn bis zum Ende der Monarchie nicht als Abgeordneter bald in anderen Parlamenten weiterarbeiten wer- Reichsrats mehr. de. Staatsloyale Kräfte wollten den Reichsrat zur Schaffung In diesen letzten 17 Monaten des Reichsrats kamen neben Budget- von Regeln für die faire Auf- und Kriegssteuerbeschlüssen u. a. folgende Gesetze zustande: teilung Altösterreichs einset- zen; die Politiker in den neuen Am 11. Juni 1917 beschloss das Abgeordnetenhaus eine neue Ge- Machtzentren der Nachfol- schäftsordnung. gestaaten hatten aber längst selbst das Heft in die Hand Am 16. Juni 1917 wurde die Mandatsdauer der 1911 gewählten Ab- genommen. Die Sitzung vom geordneten bis 31. Dezember 1918 verlängert. 30. Oktober wurde nach zwei

natürlich zum Ausscheiden deutschen im Reichsrat gering einen Staatsvertrag festzu- nale Vereinigung“ gegründet Adlers, Friedjungs und auch war, hatten sie doch starken stellendes Schutz- und Trutz- wurde, der wieder die Bur- Pernerstorfers führte. Einfluss auf die akademische bündnis mit dem Deutschen schenschafter Bareuther, Schönerer selbst entwi- Jugend und den öffentlichen Reich. Aber bald gerieten die Derschatta, Pernerstorfer, ckelte sich in den folgenden Dienst, vor allem auf die Jus­ Vorsitzen Schönerer und Wolf Kraus, Wentzlitzke und Stein- Jahren und Jahrzehnten zu tiz. Die Bewegung empfand aus persönlichen Gründen in wender angehörten. Stein- einem Nationalen von außer- sich als einer der Rechtsnach- Konflikt. Die Gruppe um Wolf wender, der bald die Führung ordentlicher Radikalität, der folger der deutschnationalen spaltete sich 1902 als Frei-All- in der Deutschnationalen Ver- seinen Nationalismus auf ras- Bewegung. deutsche (später Deutschradi- einigung innehatte, war als sische Motive und schärfsten Bei den Reichsratswahlen kale Partei) mit 12 Abgeordne- politische Persönlichkeit von Antisemitismus gründete, was 1901 konnten die österreichi- ten ab. Kompromissbereitschaft und ihn letztlich seine politische schen Alldeutschen die Anzahl vom Willen zur sachlichen Stellung im Reichsrat kosten ihrer Mandate im Reichsrat Maßvoll für die deutschen Arbeit geprägt, wohl ein Vor- sollte. von sechs auf 21 erhöhen. Interessen: Vom Deutschen bild jener deutschnationalen Die Alldeutschen lösten Dies war der größte Wahler- Klub zur Deutschen Volks- Politiker, die in der Ersten gemäßigten Freisinn, der kei- zum Radikalismus Schöne- sich im Laufe der achtziger folg in ihrer Geschichte. Die partei. Im Bestreben, die Republik wesentlich an der neswegs antiklerikal war, und rers ein und war damit auch Jahre des 19. Jahrhunderts alldeutschen Abgeordneten deutschen Interessen gegen- Regierungsverantwortung in seinem humanistischen Exponent jener Einstellungen, vom deutschliberalen und erstrebten die Festlegung über den staatlichen stärker mittragen sollten. In seinem Nationalismus, der durchaus die auch in den gemäßigten deutschkatholischen Lager der deutschen Sprache als zu vertreten und die Mittel- gemäßigten Antisemitismus mit Heimatliebe, österrei- Studentenverbindungen ge- und bildeten unter Schönerer Amtssprache in Cisleithanien, standsinteressen besonders – er sah in einer Assimilati- chischem Patriotismus und pflegt wurden. und Karl Hermann Wolf eine förderten die Los-von-Rom- hervorzuheben, spaltete sich on der Juden im Gastvolke unbedingter Staatstreue ge- Der verbliebene Teil des 224 aktive irredentistische Minder- Bewegung, eine Personaluni- 1887 der Deutsche Klub ab, die einzige Lösung der Ju- paart war, nahm Steinwender Deutschen Klubs schloss sich 225 heit. Obwohl die Anzahl der All- on mit Ungarn und ein durch indem eine „Deutschnatio- denfrage – sowie in seinem eine positive Gegenposition auf Anregung Dumreichers Die Freiheitlichen und das Parlament 1867 – 1918

Minuten auf den 12. November Präsidenten. Nur zwölf nichtdeut- vertagt. sche Abgeordnete nahmen noch teil. Da die Selbstauflösung in Parallel zu den Sitzungen der Verfassung nicht vorgese- des Abgeordnetenhauses hen war, wurde der Vorschlag traten die 208 gewählten des Präsidenten angenommen, Reichsratsabgeordneten keinen Termin für eine weitere mehrheitlich deutsch besie- Sitzung festzulegen. delter Gebiete Cisleithani- ens erstmals am 21. Okto- ber 1918 als Provisorische Nationalversammlung für Der ­Reichsrat Deutschösterreich im Nieder- österreichischen Landhaus in und die ­Innenpolitik Wien zusammen. Mit der Wahl der ersten deutschösterreichischen Cisleithaniens Regierung konstituierten sie am 30. Oktober Nach der Niederlage von Königgrätz 1918 den neuen Staat. im Jahre 1866 sah sich der Kaiser genötigt, für innen- politische Entspannung zu sorgen, und leitete daher weitere Polnische Reichsratsabgeordnete, die mit dem Nati- Schritte hin zu einem neuen Konstitutionalismus ein. Er schrieb für den onalausschuss in Warschau zusammenarbeiteten, erklär- Februar 1867 Neuwahlen der Landtage aus, damit diese Abgeordnete ten am 24. Oktober 1918, jede weitere Parlamentsarbeit in für einen in Wien tagenden Reichsrat entsenden konnten. Der Kaiser Wien sei für sie sinnlos. Tschechische Politiker gründeten am berief mit Ministerpräsident Beust und seinem Stellvertreter Taaffe eine 28. Oktober 1918 in Prag die Tschechoslowakische Republik. Tags neue Regierung ein in der Hoffnung, dass dieses „Bürgerministerium“ darauf sagten sich die Südslawen Cisleithaniens von Österreich los. Lösungen für die schwierige politische Lage finden könnte. Südtirol und Triest wurden ab 3. November 1918 von Italien besetzt. Die erste zentrale Aufgabe von Parlament und Regierung war es, Am 12. November 1918, dem Tag nach dem Verzicht Kaiser Karls I. einen vernünftigen Ausgleich mit Ungarn zu finden. Im Dezember „auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften“ und der Enthebung der letzten 1867 schließlich wurde das Kaisertum Österreich offiziell in die öster- k. k. Regierung unter Heinrich Lammasch, hielt das Abgeordnetenhaus reichisch-ungarische Monarchie umgewandelt. unter Präsident Gustav Groß um 11:15 Uhr seine letzte Sitzung ab; sie bestand nur aus einer Trauerkundgebung für den tags zuvor verstorbenen Die zentrale Leistung des Reichsrats im Jahr 1867 war zweifellos die Obmann der Sozialdemokratie, Viktor Adler, und einer Ansprache des Durchsetzung der Ministerverantwortlichkeit und der Beitrag des Parla-

wieder mit dem Deutschös- Linzer Programm an, wobei gebildet, zu dessen Obmann wegung“ und suchte nach konnten nur in beschränktem beinahe intellektuellen Zirkel, terreichischen Klub zur „Ver- weiterhin Steinwender, Der- Dr. Sylvester gewählt wurde. Möglichkeiten der Kooperati- Ausmaße destruktiv wirken. ähnlich wie es bei den Stun- einigten Deutschen Linken“ schatta und Beurle die führen- 1910 erhielt diese Vereinigung on mit den Christlich-Sozialen, Der Werdegang der dentenverbindungen gang zusammen. den Positionen besetzen. die Bezeichnung „Deutscher akzeptierte das allgemeine deutschnationalen Parteien und gäbe war. Schönerer, der mit dem Nationalverband“. Wahlrecht und begnügte sich ist sicherlich verwirrend, da Das realpolitische und von ihm gegründeten „Ver- Der Deutsche National- Dieser Deutsche Natio- mit der Forderung nach einer eine Vielfalt von verschie- organisatorische Versagen band der Deutschnationalen“ verband. Die Vereinigte deut- nalverband war ab 1911 die Wahlkreiseinteilung, die die densten Gruppierungen und Schönerers und seiner Ge- abseits dieser Entwicklung sche Linke teilte sich in die stärkste Gruppe im Abgeord- Slawen benachteiligte. Der Richtungen auftrat, die eigent- treuen hatte zu einer heillosen gestanden war, musste seine Partei der „Verfassungstreuen netenhaus und stellte nie eine parlamentarischen Vertretung lich schon Zerrissenheit dar- Zersplitterung im nationalen parlamentarische Tätigkeit Großgrundbesitzer“ und in die homogene oder gar integrie- des nationalen Lagers kann stellte. Die führenden Männer, Lager geführt und das immer wegen seines Auftretens in „Deutsche Fortschrittspartei“, rende Partei dar, war vielmehr man – berücksichtigt man die durchwegs aus studen- wieder angestrebte Ziel der der Schriftleitung des „Neuen welche sich von der Deut- nur eine lose Gemeinschaft dieses konstruktive Verhal- tischen Kooperationen kamen Schaffung einer breiten Volks- Wiener Tagblattes“, welches schen Volkspartei eigentlich von Parlamentariern. Dennoch ten – den Untergang der Mo- und zeitlebens von ihnen be- partei verunmöglicht. So stell- eine verfrühte Meldung über nur in ihrer Ablehnung des An- wirkte er in den letzten Jah- narchie wohl kaum anlasten, einflusst wurden, führen offen- ten die soeben geschilderten den Tod des deutschen Kai- tisemitismus unterschied. ren der Monarchie durchaus da sie nach Überwindung der sichtlich auch im politischen parlamentarischen Klubs und sers Wilhelm I. gebracht hatte, 1908 wurde aus der zum staatstragend, unterstützte deutschfeindlichen Regierung Leben deren Traditionen fort. Parteien nur die Spitze, eben zwangsweise unterbrechen. „Deutschnationalen Verband“ meist die verschiedenen Ka- Taaffe und Badeni den Staat Rein organisatorisch gesehen die im politischen Leben des Bei den Neuwahlen des vereinigten Volkspartei und binette und nahm auch durch bejahte und ihm gegenüber war nämlich im Auftreten der Staates auftretende Gruppe Jahres 1897 war die Deutsch- Agrarpartei, aus der Deut- Leute seines Vertrauens an der ihre Pflicht erfüllte. Die Grup- verschiedenen deutschnati- dar, die breiten Schichten der nationale Vereinigung als schen Fortschrittspartei und Regierung teil. Der National- pe Schönerers und die seit onalen Parteien die Tendenz national denkenden Men- „Deutsche Volkspartei“ auf- den Deutschradikalen der „Na- verband stimmte regelmäßig 1904 bestehende „Deutsche zur Bildung von kleinen Grup- schen wurden von ihnen we- 226 getreten. In ihren Zielvorstel- tionalverband“ der deutsch- für das Budget, wandte sich Arbeiterpartei“ waren poli- pen unverkennbar, zur stän- der zusammengefasst noch 227 lungen lehnte sie sich an das freiheitlichen Abgeordneten“ gegen die „Los vom Rom-Be- tisch völlig bedeutungslos und digen Spaltung in manchmal endgültig repräsentiert. ◆ Die Freiheitlichen und das Parlament 1867 – 1918

ments zur Schaffung des Staatsgrundgesetzes, durch das Österreich ein Im Hinblick auf die sich formierende Arbeiterbewegung wollte Verfassungsstaat wurde, der seinen Bürgern unveräußerliche Rechte ein- Taaffe nach dem deutschen Vorbild Otto von Bismarcks verfahren, in- räumte. Dies war schließlich das zentrale Anliegen der von 1867 bis 1979 dem er die soziale Lage durch eine Reihe von Maßnahmen und Ge- dominierenden deutschliberalen Partei. setzen verbesserte, das Aufkommen einer sozialistischen Kraft aber möglichst unterbinden wollte. Mit der Einführung der Sonntagsruhe, Die schwierige wirtschaftliche Lage Österreichs freilich änderte sich dem Unfallversicherungsgesetz und dem Krankenversicherungsgesetz vorläufig nicht. Die Anregungen der Regierung, durch Vermögensabgaben, schien dies auch anfangs zu gelingen. Durch massive Einschränkungen Steuererhöhungen und den Verkauf von Staatsvermögen eine Lösung zu der Pressefreiheit, ein scharfes polizeistaatliches Überwachungssystem finden, wurde vom Reichsrat eher blockiert. und durch scharfe Gesetze gegen die Koalitions- und Versammlungs- Dies lag nicht zuletzt wohl daran, dass die freiheit vermochte Taaffe die politisch immer stärker werdende Arbei- meisten Abgeordneten, die ursprünglich über terschaft noch für einige Jahre ruhig zu halten. Die Anzahl der Reichsrats-Sitze der die Landtage entsandt waren, über beträcht- liche Privatvermögen verfügten und dement- Dies gelang ihm allerdings nicht im Hinblick auf den in den achtzi- deutschfreiheitlichen Parteien sprechend wenig Interesse hatten, größere ger Jahren des 19. Jahrhunderts voll ausbrechenden Nationalitätenstreit. Periode 1891 – 1906 steuerliche Belastungen einzuführen. Kein Taaffe, versuchte, seinen politischen Gegnern Wunder also, dass die Regierung ihre Pläne durch Zugeständnisse den Wind aus den Se- Vereinigte Deutsche Linke: 1891 – 107 Abgeordnete nicht durchsetzen konnte und drei Steuerre- geln zu nehmen – mittels der Sprachenver- Deutsche Nationalpartei: 1891 – 18 Abgeordnete formen binnen weniger Jahre keine nennens- ordnung des Jahres 1880 etwa gestattete er Deutsche Volkspartei: 1897 – 41 Abgeordnete werte Entspannung der Wirtschaftssituation den Gebrauch der tschechischen Sprache in Fortschrittspartei: 1897 – 35 Abgeordnete brachten. Erst ein massives Infrastruktur-In- allen Gebieten Böhmens als Amtssprache. vestitionsprogramm, welches naturgemäß Dies folgte einer langjährigen Forderung der Freie Deutsche Vereinigung: 1897 – 11 Abgeordnete auch im Interesse der Deutschliberalen Partei Tschechen, die indessen den Reichsrat nicht Alldeutsche: 1891 – 2 Abgeordnete lag, kurbelte mit verstärktem Bahn- und Stra- boykottierten. Die deutschnationalen und Freialldeutsche: 1903 – 5 Abgeordnete ßenausbau die Schaffung neuer Arbeitsplätze deutschfreiheitlichen Parteien, die sich in der Agrarier: 4 Abgeordnete und insgesamt die Wirtschaft wieder an. Nachfolge der alten deutschliberalen Partei bil- deten, hatten indes verständlicherweise wenig Periode 1907 – 1918 Mit der Einführung des Kurienwahlrechts Einsehen mit der diesbezüglichen Politik Taaf- Deutschnationaler Verband: 1907 – 51 Abgeordnete im Jahr 1873 wurde die Zahl der Abgeord- fes. Er stützte sich mit seinen Konservativen neten bekanntlich auf 353 erhöht, nunmehr jedoch auf eine Koalition mit den slawischen Deutschradikale: 1911 – 21 Abgeordnete allerdings waren die Mandatare vom Wohl- Parteien. Durch die Einbeziehung der Klein- Agrarier: 1911 – 33 Abgeordnete wollen ihrer Wähler abhängig und vertraten gewerbetreibenden und der mittleren Bauern Fraktionslose im Nationalverband (inkl. Jungdeut- in erster Linie deren Wünsche. So wurde der gelang es ihm, bei den Reichsratswahlen von sche): 1911 – 41 Abgeordnete Reichsrat nunmehr zu einem Gremium von 1885 190 von 353 Sitzen im Reichstag zu erlan- Deutsche Arbeitsgemeinschaft: 42 Abgeordnete Partikularinteressen, die fortan auf der par- gen – damit verfügte er über eine komfortable lamentarischen Bühne ausgefochten wurden. Mehrheit. Deutsche Nationalpartei: 1918 – 19 Abgeordnete Der Bankenkrach vom Mai 1873 verschärf- te die ökonomische Krise neuerlich, und die Dennoch formierte sich im Reichsrat zu- Deutschliberale Parlamentsmehrheit zeigte sich außerstande, substanzielle nehmend eine Opposition gegen die Politik Reformen durchzubringen. Dies war letztlich einer der Gründe, warum Taaffes. Den Jung-Tschechen ging die Gleich- die Liberalen bei den Neuwahlen des Jahres 1879 hinter den Konserva- stellung der slawischen Nationen nicht weit genug, den deutschnatio- Eduard Graf Taaffe tiven zurückblieben. Daher kam nun Eduard Graf Taaffe in das Amt des nalen und den sich neu formierenden Christlich-Sozialen hingegen war war 14 Jahre lang Ministerpräsidenten, er sollte es 14 Jahre lang innehaben. sie viel zu weitreichend. So zeitigte die Wahl von 1891 eine Schwächung Minister­präsident der Basis von Ministerpräsident Taaffe. Die großen Wahlsieger waren dabei die Jung-Tschechen und die neuen Christlich-Sozialen, während die Sozialdemokraten weiter ohne offizielles Mandat blieben. Einzig der Die Ära Taaffe unabhängige, ursprünglich von der deutschnationalen Seite kommende Abgeordnete Engelbert Pernerstorfer vertrat damals schon offen die Taaffe war ein Jugendfreund des Kaisers und ein enger Vertrauter. Arbeiterpartei. Im Gegensatz zu den Deutschliberalen setzte er nicht auf Marktwirt- schaft und Wettbewerb, sondern auf eine protektionistische Wirt- Das Scheitern Taaffes bei der Durchsetzung des deutsch-tsche- schaftspolitik. Hohe Einfuhrzölle und ähnliche Maßnahmen sollten chischen Ausgleichs und das Scheitern seiner Vorlage auf Einführung der heimischen Industrie einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, der eines allgemeinen (allerdings noch nicht gleichen) Wahlrechts führten ihr auch tatsächlich zu einer allmählichen Erholung verhalf. Durch eine letztlich dazu, dass der Kaiser den Ministerpräsident entließ. Sein Ab- neuerliche Wahlrechtsreform, bei der der Mindeststeuersatz zur Erlan- gang im November 1893 ließ die cisleithanischen Länder der Habs- gung auf 5 Gulden herabgesetzt wurde, gelang es Taaffe, viele kleine burger Monarchie als gewaltige politische Baustelle zurück. Die öko- Gewerbetreibende und Bauern in die politische Gestaltung mit einzube- nomische Situation hatte sich nicht wesentlich gebessert, die Frage des ziehen und sich somit längerfristig eine breitere parlamentarische Basis Wahlrechts war nicht gelöst und die Nationalitätenkämpfe wurden ste- 228 zu sichern. tig heftiger. 229 Die Freiheitlichen und das Parlament 1867 – 1918

Die Badeni-Unruhen Wolf als Sekundant zur Verfügung stand. Nachdem der Ministerpräsi- dent im Zuge des Duells verwundet wurde, sprach ihm der Kaiser seine Erst 1895, als der Kaiser Kasimir Badeni zum Ministerpräsidenten innige Anteilnahme aus, der deutschradikale Abgeordnete Wolf aller- berief, kam wieder Bewegung in die festgefahrenen Fronten. Er leitete im dings durfte sich als Sieger fühlen. Jahre 1896 dem Parlament eine Vorlage zu, wonach eine fünfte allgemei- ne Kurie geschaffen werden sollte, in die 72 Mandate vergeben würden. In der Folge verschärfte sich die parlamentarische Auseinanderset- Wahlberechtigt in dieser Kurie sollten alle männlichen Staatsbürger nach zung derart, dass die Regierung einerseits mit dem Notverordnungsrecht dem vollendeten 24. Lebensjahr sein. Dieser Entwurf wurde im Abge- drohte und es anderseits zwischen Abgeordneten selbst zu regelrechten ordnetenhaus mit 243 Stimmen zu 19 Stimmen angenommen, weshalb Schlägereien kam. Da die Regierung die radikalsten Obstruktionisten un- die Wahlen des Jahres 1897 bereits in fünf Kurien abgehalten werden ter den Deutschnationalen sogar verhaftete, überspannte sie den Bogen, konnten. Damit war die Zahl der Wahlberechtigten zum Reichsrat mit weswegen es in Wien und anderen Städten des deutschen Teils der Mo- einem Schlag von rund 1,7 Millionen auf 5,3 Millionen Wähler erweitert narchie zu regelrechten Straßenschlachten kam. Darauf zog der Kaiser worden. Das Wahlrecht war mithin zwar ein allgemeines, es war aber die Konsequenzen und entließ Ministerpräsident Badeni am 28. Novem- noch kein gleiches, da nach wie vor die fünftausend Großgrundbesitzer ber 1897. Das Abgeordnetenhaus selbst wurde auf unbestimmte Zeit 85 Mandatare wählen konnten, während 5,3 Millionen Wähler nur 72 vertagt. Abgeordneten ihr Vertrauen geben konnten. Dennoch aber ermöglichte diese Wahlrechtsreform die Ausbildung weltanschau- lich-motivierter Parteien und trug zur Auflösung der herkömmlichen Honoratioren-Klubs bei. Die Krise als Dauerzustand Die Reichsratswahlen vom März 1897 machten Badenis Nachfolger Gautsch widerrief nun tatsächlich die Bade-

dies bereits deutlich. Zwar zogen die Sozialdemo- nischen Sprachenverordnungen und schlug einen Kompromiss vor, den

kraten nur mit 14 Abgeordneten ein, und ihre po- er nicht durchsetzen konnte. Sein Nachfolger Franz von Thun wollte litischen Schwergewichte, angefangen von Viktor die Probleme der Monarchie wieder durch eine „ Adler, konnten kein Mandat erringen, die Christ- Einberufung des Abgeordnetenhauses im März lich-Sozialen aber konnten sich von 14 auf 30 Man- 1898 lösen. Auch er setzte in der Sprachenfrage date steigern und die Deutschnationalen von 17 auf auf einen Kompromiss, den er jedoch ebenfalls Das Parlament der 47 Mandate. Die Liberalen, die 1891 noch 109 Sitze nicht durchsetzen konnte. Mit der Aufhebung gewonnen hatten, sanken auf 77 ab und hatten sich der Badenischen Sprachenverordnungen endete ­Monarchie existierte in überdies in zwei Klubs aufgespalten. zwar die Obstruktion der Deutschnationalen im Reichsrat, dafür sabotierten nun die slawischen einer Art Dauerkrise. Nachdem es im neuen Abgeordnetenhaus nun- Abgeordneten die parlamentarische Arbeit nach mehr 15 Klubs geben sollte, fiel es Ministerpräsident Kräften. Damit lebte die Monarchie auch im Hin- „ Badeni schwer, eine tragfähige Mehrheit zu finden. blick auf ihre parlamentarische Vertretung in einer Da er selbst Pole war, suchte er naheliegenderweise Art politischer Dauerkrise, was viele Zeitgenossen auf den baldigen Un- die Verständigung mit den jungen Tschechen, denen tergang des Habsburger Staates rechnen ließ. er politisch entgegenkommen wollte. Damit gelangte die Frage nach einem deutsch-tschechischen Aus- Nun erst erkannten die herrschenden Kreise die Notwendigkeit ei- Kasimir Graf ­Badeni gleich wieder auf die Tagesordnung, überdies entschloss sich Badeni ner grundlegenden Wahlrechtsreform. Vor allem die Sozialdemokraten scheiterte mit dazu, eine Sprachenverordnung zu erlassen, durch welche die Kronlän- hatten den Kampf um das Wahlrecht zu ihrem zentralen Anliegen ge- seiner Sprachen­ der Böhmen und Mähren zur Zweisprachigkeit im Amtsverkehr ver- macht. Am 1. Dezember 1906 billigte das Abgeordnetenhaus mit 194 verordnung pflichtet werden sollten. Damit wurde von jedem Staatsbeamten bis zu 63 Stimmen den entsprechenden Entwurf, durch den das allgemeine spätestens Juli 1901 die Kenntnis beider Nationalsprachen in Wort und und gleiche Männerwahlrecht Wirklichkeit wurde. Bei den darauffol- Schrift verlangt, was den Deutschen gegenüber den Tschechen einen genden Wahlen wurde die Sozialdemokratie zu einer dominanten Kraft gewaltigen Nachteil bescherte. Entsprechend groß war auch die Em- im Hohen Haus an der Ringstraße. Bei den Reichsratswahlen des Jahres pörung der Deutschnationalen. Sie versuchten, durch parlamentarische 1911 allerdings konnte der Deutsche Nationalverband mit 32 % der Obstruktion die Regierung zum Einlenken zu zwingen. Da ihnen aber Stimmen noch stärker abschneiden als die Sozialdemokratie. weder die Christlich-Sozialen noch die Sozialdemokraten Unterstützung gewährten, setzen sich die slawischen Parteien vorläufig durch. In ei- Aber auch die Demokratisierung konnte die Dauerkrise der Do- ner außerparlamentarischen Kampagne allerdings bauten die Deutsch- naumonarchie nicht überwinden. Die einzelnen Nationen drifteten nationalen durch große Volksversammlungen und Demonstrationen ständig weiter auseinander, und sogar die politischen Vertreter mit Druck auf die Regierung auf. Als das Abgeordnetenhaus im September der jeweils selben Weltanschauung trauten ihren Gesinnungsgenos- 1897 wieder zusammen trat, setzten die Deutschnationalen neuerlich sen aus der jeweils anderen Nation nicht über den Weg. Auch die So- auf Obstruktion. Als der deutschradikale Karl Hermann Wolf dem zialdemokratie spaltete sich noch vor den Ersten Weltkrieg in mehre- Ministerpräsidenten Badeni vorwarf, ein Schuft zu sein, verlangte die- re nationale Zweige. Diese Krise setzte sich auch im Parlament selbst ser Genugtuung. Tatsächlich kam es am 26. Oktober 1897 zu einem unverändert fort, sodass dieses immer öfter assistiert werden muss- Pistolenduell zwischen den beiden, bei dem der spätere großdeutsche te, demgemäß war es auch beim Beginn des Weltkrieges im Sommer 230 Landeshauptmann von Kärnten Arthur Lemmisch dem Abgeordneten 1914 ausgeschaltet. ◆ 231 Die Freiheitlichen und das Parlament „ 1867 – 1918

Die Deutschen waren kratie schied sich in eine deutsche, tschechische große slawische Dominanz erhielt und in die Bal- es nicht, die den Un- und polnische Partei. kanwirren hineingezogen wurde. Wie ist in diesem Zusammenhang die Persönlichkeit Welche Rollen spielten diese Parteien beim Kampf um tergang der Monarchie Schönerers zu bewerten? Wird er heute zurecht als geistiger das allgemeine und gleiche Wahlrecht? verursachten. Ziehvater Hitlers betrachtet? Welche Rolle spielte er im Zu- Brauneder: Eine große. Sie traten für die Aus- sammenhang mit den späteren Gründervätern der großen dehnung des Wahlrechts vor allem auch auf die Ar- „ politischen Lager der Christlich-Sozialen und der Sozial- beiterschaft ein, wobei es allerdings zu Unterschie- „ demokraten? den zwischen den eher bremsenden Liberalen und Brauneder: Zunehmend marginal. Hitler hat- den Deutschnationalen kam. Das Wahlsystem nach te als überaus belesener Autodidakt keinen echten Kurien, etwa Handels- und Gewerbekammern, sollte Ziehvater. um eine Arbeiterkurie aus den neu zu schaffenden Arbeiterkammern ergänzt werden oder um entspre- Die deutschnationalen Parteien werden heute zualler- chende Abteilungen in den Handels- und Gewer- nelles Gedankengut durchzusetzen, erst als Hort des Antiklerikalismus und des Rassenantise- bekammern. Entsprechende Anträge gab es immer „Die Nationalliberalen etwa einzelne Grundrechte und die mitismus betrachtet, besteht diese Stigmatisierung zurecht? wieder zwischen 1872 und 1893. Insgesamt unter- Gliederung in Abgeordnetenhaus Brauneder: Die antiklerikale Situation hatte stützten sie 1907 das allgemeine Männerwahlrecht. und Herrenhaus. Nach dem Aus- viele Ursachen und Wurzeln: Etwa das Eherecht, dominierten den Reichsrat“ gleich mit Ungarn 1867 erreich- das Katholiken die Scheidung und damit Wieder- Die deutschfreiheitlichen Parteien standen ja an der ten die „1848er“ die Einsetzung verheiratung verwehrte, was zu vielen, teils skur- Wiege der Ersten Republik, da sie im alten Reichsrat ge- eines Verfassungsausschusses. Dies rilen Umgehungen führte; der Josephinismus mit meinsam die Mehrheit besaßen, warum konnten sie diese Der Rechtshistoriker Wilhelm Braune- führte zur nahezu konstitutionellen seiner Haltung neutraler Staat vor Kirche; das Stellung in der Folge in der Ersten Republik nicht mehr Verfassung 1867 mit unter anderem Konkordat 1855, das der katholischen Kirche u. bewahren? der über die Rolle der deutschfreiheitlichen Gewaltentrennung, Grundrechten, a. das Volksschulwesen auslieferte und die Evan- Brauneder: Da ist einmal ihre lockere Organi- Verfassungsgerichtsbarkeit, Ver- gelischen benachteiligte; das Dogma von der Un- sation. Die Christlichsozialen hatten ihre starke An- ­Kräfte im Parlament Cisleithaniens waltungsgerichtshof. „Alles 1849“, fehlbarkeit des Papstes in Glaubensfragen des lehnung an die zentralistisch organisierte katholische notierte Sturm, der Referent der ersten vatikanischen Konzils von 1871, was zur Kirche, die Sozialdemokraten waren zentralistisch Grundrechte. Abspaltung der Altkatholiken führte und worauf organisiert. Sodann entfielen bei den Wahlen 1919 ie bewerten Sie den Beitrag der nationalliberalen Par- Österreich unter liberalem Einfluss das Konkor- alle deutschen Wahlkreise in der späteren Tsche- Wteien und Gruppierungen im Reichsrat der cisleitha- Wie ist in diesem Zusammenhang das Wirken der dat 1855 kündigte. – Zum Rassenantisemitismus: choslowakei, auch in Südtirol. In der Provisorischen nischen Reichshälfte für die Entwicklung von Verfassung deutschliberalen Verfassungspartei bis 1879 zu bewerten? Das Brockhaus-Lexikon der Zwischenkriegszeit Nationalversammlung hatte 1918 der lockere Deut- und Rechtsstaat im alten Österreich? Brauneder: Im Ausbau der Verfassung 1867 führt hier für Österreich unter den antisemitischen sche Nationalverband über ein Mandat mehr als Wilhelm Brauneder: Sehr hoch. Die deut- insbesondere durch die Wahlen des bisher von den Parteien allein die christlichsoziale Partei an. Eine Christlichsoziale und Sozialdemokraten zusammen schen Liberalen traten seit 1848 stets für die Be- Landtagen beschickten Abgeordnetenhauses 1873 einflussreiche Rolle spielte u. a. auch ein Buch des verfügt! In der Konstituierenden Nationalversamm- schränkung der absoluten Monarchie ein, überwie- und dem weiteren Ausbau des ursprünglich sehr berühmten Chirurgen Theodor Billroth. Einen gu- lung 1919 überwogen aber diese beiden zusammen gend durch den konstitutionellen Rechtsstaat mit beschränkten Wahlrechts. Sodann hatten sie Anteil ten zeitgenössischen Einblick gibt überdies Arthur die Großdeutschen um das gut Siebenfache. einem Parlament. 1848/49 überwog das Denken im am Grundrechtsdenken. 1848/49 waren sie noch Schnitzlers Stück „Professor Bernhardi“. Zeichen der Volkssouveränität: „Alle Macht geht als Staatszielbestimmungen konzipiert worden, nach Wie würden Sie die Rolle der deutschfreiheitlichen, vom Volk aus“, freilich – abgesehen von republi- 1867 aber wurden sie als subjektive öffentliche Rech- Die deutschfreiheitlichen und nationalliberalen Grup- nationalliberalen Parteien für die Entwicklung des Parla- kanischen „Radikalen“ – im Zusammenhang mit te verstanden, die als solche einklagbar waren. pierungen im Reichsrat bildeten ja die Mehrheit, trifft der mentarismus in den letzten Jahrzehnten der Habsburger einem Monarchen. Aber der Schwerpunkt der poli- Vorwurf, sie hätten maßgeblich zum Untergang der Mo- Monarchie charakterisieren? tischen Willensbildung und der Gesetzgebung sollte Woran lag es, dass die liberalen Parteien und in der narchie beigetragen, tatsächlich zu? Brauneder: Die Situation Österreich-Un- beim Parlament liegen: deutlich in der Frankfurter Folge auch die deutschnationalen Parteien, derart zersplit- Brauneder: Dies trifft keineswegs zu. Seit garns, vor allem des österreichischen Teiles da- Nationalversammlung (Paulskirche), die keinen Mo- tert waren und keine gemeinsame große nationalliberale dem Ausgleich mit Ungarn 1867 hat sich dieses von, blieb trotz einiger erfolgreicher Ausnahmen narchen neben sich hatte. Weniger deutlich in den Volkspartei begründen konnten? immer mehr verselbständigt und schon damit unbefriedigend. In Mähren und in der Bukowina Parlamenten der deutschen Monarchien wie auch in Brauneder: Politische Parteien im heutigen eine Gesamtreform verhindert. Dazu kamen der beruhigten mehrere Maßnahmen den Nationali- Österreich mit dem Reichstag neben dem Kaiser. In Sinne gab es um 1867 eigentlich noch nicht, son- Panslawismus mit gravierendem Einfluss Russ- tätenkonflikt durch Vorkehrungen dafür, dass eine der Paulskirche erarbeitete der Wiener Abgeordnete dern entsprechende lokale, regionale Gruppie- lands auf alle Slawen Österreich-Ungarns, ferner Nationalität nicht die andere dominiere. Nicht so Mühlfeld als einer der drei Mitglieder im entspre- rungen. In der weiteren Entwicklung spielte auch auf tschechischer Seite u. a. die Konstruktion eines aber in Böhmen oder etwa im südlichen Tirol. chenden Unterausschuss den Grundrechtskatalog. das regionale Moment eine große Rolle: Alpen- „böhmischen Staatsrechts“ sozusagen parallel zu Dazu trugen auch Einflüsse aus dem Ausland bei. Im österreichischen Reichstag machte sich Kudlich länder, Sudetenländer, Städte und insbesonde- dem Ungarns mit der Überspitzung, die Habsbur- Die Chancen für ein funktionierendes Parlament einen Namen mit seinem Antrag zur Grundentlas­ re Wien. Im Wesentlichen handelte es sich doch gerherrschaft seit 1620 als „Besatzungsherrschaft“ waren daher insgesamt schlecht: Obstruktion (ab- tung (Bauernbefreiung). Nach dem Scheitern der eher um Nuancen. Die Zersplittung betraf auch zu diffamieren. Deutschnationale Pläne zielten ab sichtliche Verhinderung des Parlamentsbetriebs) Parlamentsdominanz trat der Rechtsstaatsgedanke andere Parteien: So existierten etwa ebenso viele auf etwa eine größere Autonomie des polnisch do- und Abstinenz (Fernbleiben) bestimmten die Sit- in den Vordergrund: Er führte u. a. zu Strafprozes­ tschechische national-liberale Gruppen wie deut- minierten Galiziens und des italienisch-kroatischen zungen, was in der Regel chauvinistisch motiviert s­­ordnung, Gewerbeordnung, Handelsgesetzbuch. sche national-liberale Parteien. Dazu kam die fort- Dalmatiens mit Reduktion deren Einflusses auf war. Dennoch traten die deutschen Parteien für Im abermals beginnenden Parlamentsbetrieb ab schreitende nationale Differenzierung überhaupt: die übrigen Teile Österreichs. Dem Erwerb von den Erhalt der Monarchie und dessen Parlaments- 232 der antiliberalen Reichsverfassung 1861 suchten u. Von vier Parlamantsklubs 1861 stieg deren Zahl Bosnien-Herzegowina standen sie ablehnend ge- betriebes ein, in zunehmendem Gegensatz zu sla- 233 a. Mühlfeld und Schmerling möglichst konstitutio- schließlich 1911 auf 36 an. Auch die Sozialdemo- genüber, da so Österreich-Ungarn insgesamt eine wischen Gruppierungen. ◆ Die Freiheitlichen und das Parlament 1867 – 1918

nd so kam es zu jener Die Besucher auf den Galerien waren modisch gekleidet, wobei die Auszüge einer Reportage aus dem Udenkwürdigen Reichsrats- Eleganz der Damen im hellen Licht der elektrischen Leuchter für ein sitzung, die gleich zwei Rekorde lebhaftes und charmantes Schauspiel sorgte. Reichsrat im Jahre 1897 von Mark Twain auf einmal brach. Sie währte fast zwei volle Tage und eine Unten im Plenarsaal herrschten keine modischen Ansprüche. Die ganze Nacht und übertraf da- Abgeordneten trugen Tageskleidung, in manchen Fällen gepflegt und mit die längste bekannte Sit- korrekt, in anderen weniger; man sah vielleicht drei Abgeordnete in Eine denkwürdige Sitzung zung in der parlamentarischen Abendgarderobe, mehr aber nicht. Dann gab es noch einige katholische Geschichte der Welt um eine Priester in langen schwarzen Soutanen und mit Kruzifixen um den Hals. halbe Stunde, während mit dem Niemand trugt Hut. An diesen Details mag man ersehen, dass der An- zwölfstündigen Einsatz des Dr. Lecher der wohl längste ununterbro- blick weniger an eine abendliche Sitzung im britischen House of Com- chene Redefluss verzeichnet wurde, der seit Anbeginn aller Zeiten mons erinnerte, sondern eher an unser Repräsentantenhaus. einer menschlichen Kehle entsprungen ist. Am Abend des 28. Ok- tober, als das Abgeordnetenhaus schon beinahe zehn Stunden lang Auf seinem erhöhten Platz saß Präsident Abrahamowicz, die Ziel- getagt hatte, wurde um 20.45 Uhr Dr. Lecher das Wort erteilt. Der scheibe des grenzenlosen Hasses der Opposition.

Ort war für dramatische Effekte gut gewählt: Ich denke, kein anderes

Senatsgebäude ist so stattlich wie das österreichische, noch so reich- Dann sprach der Vorsitzende den folgenden Satz: „Ich erteile dem Der amerikanische haltig und prachtvoll ausgestattet. Die Galerien waren an diesem ersten Contra-Redner, Herrn Abgeordneten Dr. „ Dichter Mark Twain denkwürdigen Abend besonders gut besucht; es hatte sich herum- Lecher, das Wort.“ Darauf brach ein so wilder, betrachtete die Sit- gesprochen, dass der Ausgleich zur Debatte steht, der Vorsitzende, stürmischer und ohrenbetäuben der Lärm los, zungen des Reichs- Ritter von Abrahamowicz, die Geschäftsordnung zuletzt wiederholt wie er auf unserem Planeten nicht mehr zu hören Geschrei von der Linken, rats auf eine eher missachtet hat, die Opposition folglich in heller Empörung ist und war, seit die Komantschen zum letzten Mal mitten satirische Weise die Nachtsitzung daher einiges an Aufregung verspricht. in der Nacht eine weiße Siedlung überfallen ha- Geschrei von der Rech- ben. Geschrei von der Linken, Geschrei von der Rechten, Schreiduelle auf allen Seiten zugleich, ten, Schreiduelle auf al- und über den Köpfen ein Durcheinander wild fuchtelnder, wütend drohender Arme und Hände. len Seiten ... Aus der Mitte dieses donnernden und tosenden Sturms erhob sich Dr. Lecher; gelassen und ge- „ sammelt und mit einer Körperlänge gesegnet, die ihn alle anderen überragen ließ. Er begann seine zwölfstündige Rede. Jedenfalls sah man, dass sich seine Lippen bewegten, und das war Nach- weis genug. Hoch droben thronte der Vorsitzende, forderte Ruhe ein, die langen Finger wie zum Gebet aneinandergelegt, mit den Lippen sichtbar – jedoch nicht hörbar – Worte bildend. Dann und wann packte er seine Glocke, schwang sie energisch auf und nieder und fügte ihr schrilles Läuten dem im Saal tosenden Lärm hinzu. Dr. Lecher setzte unterdessen gleichmütig und ungerührt seine pan- tomimische Rede fort. Hie und da stieg eine kräftige Stimme über das Geschrei hinaus und verschaffte sich mit einem Zuruf tatsächlich Ge- hör. Dann flaute der Lärm für wenige Momente ab und es war mög- lich zu hören, was der Vorsitzende darauf wohl antworten würde; doch sogleich brach der Krach von neuem los. Offenbar warf man dem Vorsitzenden allerlei illegale Machtausübung im Interesse der Rechten (der Regierungsseite) vor, etwa dass er auf der Tagesordnung stehen- de Punkte willkürlich für beendet erklärte, ehe diese abgehandelt wa- ren, das Rederecht auf unfaire Weise verteilte, Abgeordneten, die auf der Rednerliste standen, aufgrund von Protesten und Gezeter das Wort verweigerte oder Redner aus ebendiesen Gründen unterbrach und noch andere Regeln der Geschäftsordnung missachtete. Einer der auffälligsten Zwischenrufer war ein junger Mann von schmächtiger Statur und or- dentlichem Äußeren, der etwas abseits der kompakten Menge mit ver- schränkten Armen und übereinandergeschlagenen Füßen in nachlässiger Haltung an einem Pult lehnte. Adrett und gutaussehend, ein ausdrucks- starkes Gesicht mit schmalen Zügen und spärlichem Schnurrbart, das schwarze Haar leicht gezaust, dazu eine resonante und wohlklingende, in 234 Tonhöhe und Modulation angenehme Stimme. Das ist Wolf, einer, der 235 Die Freiheitlichen und das Parlament 1867 – 1918

sich gerne mit Säbel und Pistole schlägt, darin auch durchaus geübt ist dies die markerschütterndste, und sich erst kürzlich mit dem Regierungsoberhaupt Graf Badeni duel- unerträglichste und insgesamt liert hat. Nachdem er Badeni ein Loch in den Arm geschossen hatte, be- grässlichste sein. gab er sich höflich und gemessenen Schrittes zu ihm, inspizierte seinen Treffer, schüttelte dem Gegner die Hand und drückte ihm sein Bedauern Der solcherart heimge- aus. Von ihm kam nun, bei all dem Geschrei gut hörbar, der folgende mit suchte Vorsitzende lehnte sich donnernder Stimme hervorgebrachte Zuruf; „Herr Präsident, ich bitte im Sessel zurück, schloss die ums Wort zu einem Antrage!“ In die plötzliche Stille hinein erwiderte Augen, verschränkte die Hände der Präsident: „Ich habe dem Herrn Abgeordneten Dr. Lecher das Wort im Schoß, und auf sein langes erteilt.“ Wolf: „Ich beantrage den Schluss der Sitzung!“ Ahrahamovicz: Gesicht legte sich ein Ausdruck „Der Herr Abgeordnete Dr. Lecher hat das Wort.“ [Stürmischer Lärm gequälter Resignation durch auf der Linken, also von Seiten der Opposition.] Wolf: „Ich bitte ums den Lärm schneidet: „Durch Wort zu einem formalen Antrage!“ [Pause.] „Herr Präsident, werden Sie solche unverschämte Brutali-

mir jetzt das Wort geben oder nicht?“ [Lauter Beifall von der Linken.] täten werden Sie uns zum Äu-

„Ich werde so lange um das Wort bitten, bis Sie mir das Wort geben müs- ßersten treiben! Wollen Sie es sen!“ Ahrahamovicz: „Ich rufe den Herrn Abgeordneten Wolf zur Ord- abwarten, bis man Ihnen das „ nung. Der Herr Abgeordnete Dr. Lecher hat das bezeichnende Wort ins Gesicht Wort.“ Wolf: „Herr Präsident, werden Sie jetzt die schleudert?“ [Tobende Entrü- Geschäftsordnung wahren?“ [Tosender Applaus stung von rechts.] „Wollen Sie und Geschrei auf der Linken – ein Gebrüll, das es darauf ankommen lassen, Das ist Wolf, einer, der lange anhielt und den ordentlichen Sitzungsablauf Mann mit dem grauen Kopfe?“ vorläufig zum Erliegen brachte.] [Lang anhaltendes Klappern sich gern mit Säbel und der Pultbretter von der Linken, Dr. von Peßler: „Es sind Anträge gestellt wor- dazu die Forderung: „Abstim- Pistole schlägt und sich den, über die abgestimmt werden muss. Lassen Sie men! Abstimmen!“ und ein iro- erst kürzlich mit dem abstimmen, die Anträge sind geschäftsordnungs- nischer Zwischenruf von der mäßig!“ Rechten: „Oho, bestimmt jetzt Grafen Badeni duelliert der Wolf?“] Wolf lässt nicht Zur Antwort schwang der Präsident (der Pole davon ab, das Rederecht für sei- hat. ist – wobei ich mit dieser Bemerkung etwas vor- nen Antrag einzufordern. „ greife) sehr energisch seine Glocke auf und ab, und zwar im selben Moment, da das Pandämo- Und endlich ... nium wieder anhob. Wolf [durch den Lärm hin- durch]: „Herr Präsident, ich verlange das Wort. Wir wollen hier und jetzt Abrahamovicz: „Ich rufe Im Zuge der Verhandlungen über die Sprachen- sehen, was härter ist, ein deutscher Schädel oder ein Pollackenschädel!“ den Herrn Abgeordneten Wolf verordnungen des Ministeriums Badeni, die zur Ordnung. Ihr Betragen ist neue Regelungen für die Beamtenbestellung Diese Schmähung rief auf Seiten der Linken einen wahren Sturm unerhört! Sie vergessen, dass Sie in Böhmen einführen sollten, kam es am 25. der Befriedigung hervor. In den Trubel hinein beantragte wiederum je- sich hier im Parlament befinden; November zu Tumulten im Abgeordnetenhaus mand anderer lautstark den Schluss der Sitzung. Der Vorsitzende ant- bedenken Sie bitte, wo Sie sind, des Reichsrates. Die Polizei griff letztendlich wortete höflich bestimmt, es sei immer noch Dr. Lecher am Wort. Was mein Herr!“ [Applaus von der ein und führte Abgeordnete ab. („Leipziger Il- zutreffend war – dieser sprach auch wirklich und tat dies auf ruhige, Rechten. Dr. Lecher spricht wäh- lustrirte Zeitung“ vom 9. Dezember 1897) besonnene und schlüssige Weise; unterdessen hatten die Parlaments­ renddessen seelenruhig weiter, die stenographen ihre Plätze verlassen und hingen an Dr. Lechers Lippen, Stenographen hängen an seinen der sich vorbeugte und ihnen ins Ohr deklamierte - eine höchst amü- Lippen.] sante und interessant anzusehende Szene. Wolf [schlägt mit dem Pultbrett auf seinen Tisch ein]: „Herr Präsi- Dr. von Peßler [an den Vorsitzenden]; „Treiben Sie uns nicht zum dent, ich bitte ums Wort, sonst werde ich die Sitzung stören. Ich prote- Äußersten!“ stiere! Ich werde nicht eher nachgeben, als bis mir mein Recht [zuteil] wird! Ich lasse nicht zu, dass die Geschäftsordnung mit Füßen getreten Der Lärm brach von neuem los: Beifallsgeschrei von der Linken, wird - nein, eher sterbe ich! Ich gebe nicht nach! Sie müssen mich mit Buhrufe und ironisches Gelächter von der Rechten. An diesem Punkt Gewalt abhalten. Bin ich nun am Worte?“ wurde ein bislang unbekannter und höchst effektiver Krachmacher in Dienst gestellt: Jedes Abgeordnetenpult verfügt über eine Verlängerung, Abrahamovicz: „Herr Abgeordneter Wolf, was ist das für ein Be- ein herausnehmbares Brett, das achtzehn Zoll lang, sechs Zoll breit und nehmen? Ich rufe Sie nochmals zur Ordnung. Haben Sie denn gar keine einen halben Zoll stark ist. Ein Abgeordneter zog seines nun heraus und Würde?“ Dr. Lecher spricht weiter. Wolf wendet sich nun mit einer be- fing damit an, es auf die Schreibfläche vor sich knallen zu lassen. Im Nu leidigenden Anspielung direkt an ihn. Dr. Lecher: „Ich bitte den Herrn taten es ihm andere nach, und man wird sich vorstellen können, was da- Abgeordneten Wolf, mit derartigen Vorwürfen ruhig zu sein.“ [Dazu 236 bei herauskam: Von allen erdenklichen Arten, Lärm zu schlagen, dürfte stürmisches Händeklatschen von der Rechten.] 237 Die Freiheitlichen und das Parlament 1867 – 1918

Dies war Applaus von der falschen Seite, denn Lecher gehört, Im britischen Unterhaus haben Obstruktionisten schon mit Bibelle- wie Wolf selbst, den Obstruktionisten an. Wolf knurrt in Richtung sungen und diversen anderen nicht zur Sache gehörenden Inhalten das Lecher: „Das hat Ihnen den Beifall der Tschechen eingetragen!“ Rednerpult besetzt gehalten; Dr. Lecher war dieses vergleichsweise er- holsame und mühelose Privileg nicht gegönnt – er musste sich striktest Abrahamovicz: „Ich rufe den Herrn Abgeordneten Wolf an das Thema der Tagesordnung halten. Mehr als einmal, wenn ihn der nochmals zur Ordnung. Vergessen Sie nicht, dass Sie ein Abge- Vorsitzende durch den im Saal herrschenden Tumult nicht hören konn- ordneter sind!“ Wolf [mit dem Pultdeckel auf den Tisch eindre- te, entsandte er andere, damit sie zuhörten und ihm berichteten, ob der schend]: „Ich will aber das Wort zur geschäftlichen Behandlung Redner auch wirklich zum Thema sprach. haben! Werden Sie mir nun das Wort erteilen oder nicht?“ Dieses Thema war ein besonders schwieriges, und es wäre wohl je- Abrahamovicz: „Ich habe kein Mittel gegen den Abgeordne- dem anderen Abgeordneten schwergefallen, sich auch nur drei Stunden ten Wolf in der Hand. Angesichts eines derartigen Verhaltens ist lang daran zu halten, ohne sein gesamtes Pulver zu verschießen, erfor- allerdings sehr zu bedauern, dass das so ist.“ [Zwischenruf von derte es doch ein gewaltiges und genaues Wissen über die Beziehungen rechts: „Werfen Sie ihn raus!“] zwischen den beiden großen Hoheitsgebieten Ungarn und dem Kai- serreich sowie detaillierte und ausführliche Kenntnisse in puncto Han- Karl Hermann In der Tat besitzt der Vorsitzende keine durchschlagende Handha- dels-, Eisenbahn-, Finanz- und internationales Bankwesen. Nun ist aber ­ Wolf, Wortführer be. Es gibt zwar einen so genannten „Ordner“ den er in äußerster Not Dr. Lecher in seiner Heimatstadt Brünn Vorsitzender der Handels- der radikalen zu Hilfe rufen kann, doch darf dieser lediglich seine Überredungskünste kammer und meisterte seine Aufgabe spielerisch. Die Rede war nicht

Alldeutschen einsetzen, aber keinen Zwang ausüben. Er ist ein Exekutivorgan ohne vorbereitet. Er hatte sich lediglich einige Notizen gemacht, um nicht

Befugnis; mit einer Pistole, die zwar hübsch anzusehen, aber zu nichts den Faden zu verlieren, die Fakten hatte er jedoch nutze ist. Wolf fuhr noch weitere zwanzig oder dreißig Minuten fort, allesamt im Kopf. Er war mit Herz und Seele bei „ mit seinem Pultdeckel Lärm zu schlagen und auf sein Recht zu pochen; der Sache, und so stand er zwölf volle Stunden schließlich drohte der ermattete Vorsitzende damit, den Ordnungshüter am Rednerpult, ließ sich von dem Getöse rings- herbeizurufen. Welchen Widerwillen ihm das bereitete, war sowohl sei- um nicht stören und gab gewandt und beredt und Um am Wort zu bleiben, ner Miene wie auch seinen Worten zu entnehmen. Offenkundig berei- zuversichtlich die Schätze seines Wissens zum tete es ihm Qualen, zu einem so drastischen Mittel greifen zu müssen. Besten, argumentierte mit Verstand und Vernunft musste sich Dr. Lecher Er sprach Wolf unmittelbar an: „Wenn das so weitergeht, werde ich die und kleidete überdies alles in eine eloquente und Ordner ersuchen, Ordnung zu schaffen!“ tadellose Sprache. auf den Beinen halten. Wolf: „Das möchte ich mir anschauen! Ziehen Sie doch gleich noch Dr. Lecher ist ein junger Mann von sieben- Während der 12-stün- ein paar Polizisten hinzu!“ [Großer Tumult.] „Werden Sie nun meinen unddreißig. Er ist großgewachsen und wohlpro- digen Strapaze wurden Antrag auf Vertagung zur Abstimmung bringen oder nicht?“ portioniert und hat seine Muskeln beim Berg- steigen geformt und gestählt. Sähe er noch eine dem Redner von Freun- Dr. Lecher setzt währenddessen seine Rede fort. Wolf begleitet ihn Spur besser aus, wäre er in meinen Augen das mit dem Krach seines Pultbretts. Abbild von Chauncey Depew, jenem vor eini- den drei Glas Wein, vier gen Jahren bei den legendären Abendgesellschaf- Der Präsident entsendet den Ordner, Herrn Dr. Lang (selbst ein Ab- ten in Neu England oft gesehenen Gast: Lecher Tassen Kaffee sowie ein geordneter) mit dem Auftrag, für Ruhe zu sorgen. Wolf stellt sich ihm verfügt wie dieser über Charme und rhetorische mit erhobenem Pultbrett und einer Bemerkung entgegen, wie sie Boss Eleganz. Eine einzige Bedingung hatte Dr. Lecher Bier gebracht. Arthur Lemisch Tweed, einer unserer New Yorker Stadtherren, gesagt haben könnte: zu erfüllen, wenn er am Wort bleiben wollte: Er sekundierte Wolf „Dann wollen wir doch einmal sehen, was Sie jetzt tun wollen.“ [Lärm musste sich auf den Beinen halten. Während der „ bei seinem Duell und Geschrei im gesamten Sitzungssaal.] zwölfstündigen Strapaze wurden dem Redner von mit Badeni Freunden drei Glas Wein, vier Tassen Kaffee sowie ein Bier gebracht Wolf besteht auf seinem Recht und verkündet, er werde es weiter- – eine äußerst spärliche Stärkung für seine schwindenden Kräfte, doch hin einfordern, selbst wenn man ihn auf der Stelle totschlüge. mehr gestattete der feindlich gesonnene Vorsitzende nicht. Dessen Dann nimmt er das Pultbrettgeklapper wieder auf, der Vorsit- ungeachtet gelang es ihm nicht, diesen Mann in die Knie zu zwingen. zende schwingt seine Glocke und fleht um Ruhe im Saal, und Dr. Lecher war die Garnison, die das Fort verteidigte, sich nicht aushun- die übrigen Abgeordneten verstärken den allgemeinen Krach, so gern ließ. Als er acht Stunden lang geredet hatte, lag sein Puls bei 72; gut sie es vermögen. Wolf: „Ich verlange eine Vertagung der Sit- nach zwölf Stunden lag er bei 100. zung, da ich mich persönlich bedroht sehe.“ [Gelächter auf der Rechten.] „Nicht dass ich um mich selbst fürchten würde; ich Er beendete seine lange Rede mit folgenden Worten: „Ich eile zum habe nur Sorge, was diesem Manne widerfahren könnte, wenn er Schlüsse meiner Auseinandersetzungen. [...] Ich glaube, den hochver- mich anrührt.“ ehrten Herren dürfte es klar geworden sein, dass sich auf dieser (linken) Seite des hohen Hauses keine besonderen Schwärmer für die neue Re- Ordner: „Ich werde mich gewiss nicht mit Ihnen schlagen“ gierungsvorlage in ihrer derzeitigen Form finden. [...] Was zunächst ver- Die Bemühungen des Friedensapostels erwiesen sich als ver- langt werden muss, ist nichts anderes als eine formelle, umfassende und geblich, und er verschwand auch prompt wieder in den Kulis- endgültige Lösung. Wir wünschen auf dieser Seite des Hohen Hauses 238 sen. nichts anderes als eine restitutio in integrum, die Wiedereinsetzung in 239 Die Freiheitlichen und das Parlament 1867 – 1918

den früheren Stand, wir wünschen, dass alle Abmachungen vernichtet werden, welche diese unfähige Regierung mit Ungarn getroffen hat, und aus diesem Grund allein schon [...] müsste das Ministerium Badeni fal- len!

Ich spreche eine Hoffnung aus, ich weiß nicht, „ ob sie erfüllt werden wird – ich spreche die in- nige, die patriotische, die aufrichtige Hoffnung aus, dass der Ausschuss, dem Sie diese Vorlage zu- Dr. Lecher endete mit weisen, auf der Höhe seiner Aufgabe stehen wird und dass er vor dieses Haus mit Anträgen zum den Worten: Seien Sie Ausgleichsprovisorium treten wird, welche gleich überzeugt, dass die Deut- gerecht werden sowohl den wirtschaftlichen In- teressen als auch der Ehre unseres Vaterlandes.“ schen in Österreich sich Nach einer Pause, in der er sich an die Regierungs- bänke richtet: „Uns aber, verehrte Herren von der weder ergeben noch ster- Majorität, werden Sie wie früher, auch später, auf dem Platze finden, und seien Sie überzeugt, dass ben. – Nun brachen wah- die Deutschen in Österreich weder sich ergeben noch sterben!“ Nun brachen wahre Beifallsstürme re Beifallsstürme los. los, die aufbrandeten und verebbten, aufbrande- „ ten und verebbten, sich wieder und wieder und wieder erhoben, von einer Explosion zur näch- sten, Orkan um Orkan, ohne je wieder aufhören zu wollen; und währenddessen tobte die versammelte Linke um ihren heldenhaften Vertreter, jeder Einzelne darauf bedacht, ihm die Hand zu schütteln, ihn zu beglückwünschen und lauthals zu loben. Schließlich entwischte er ihnen doch, ging nach Haus und aß fünf Laib Brot und zwölf Körbe Fisch, las die Morgenzeitungen, schlief drei Stunden und machte danach eine kurze Ausfahrt, ehe er ins Parlament zurückkehrte, um bis zum Ende jener insgesamt dreiunddreißig Stunden währenden Sitzung zu bleiben. ◆

Badeni-Krawalle: Sturm der Wiener Universität durch berittene Poli- zei – die natio- nal-freiheitliche Studentenschaft war die Speer- spitze gegen die badenische Spra- chenverordnung

240 241 242 IX Das Urparlament – DIE FRANKFURTER PAULSKIRCHE Österreicher im Kampf um die „Deutsche Freiheit“

243 Die Freiheitlichen und das Parlament 1848 – 1849

ie bürgerliche Revolution Revolution und Reichstag 1848 – 1849 Dvon 1848, die die Men- schen zwischen Berlin und Nachdem die französische Februarrevolution im März 1848 auf Wien erfasste, stand primär im Wien übergegriffen hatte – den Anfang setzten die burschenschaftlich Zeichen des Kampfes gegen orientierten Wiener Studenten mit ihrer Petition an den Kaiser vom 12. Die Urmutter aller ­ den Absolutismus und trat für März –, musste Staatskanzler Metternich unter dem Druck der Verhält- eine allgemeine Liberalisierung nisse zurücktreten und floh nach England. Danach kam es am 15. März des staatlichen Lebens ein, für 1848 zur Aufhebung der Zensur sowie zur kaiserlichen Zusage für eine deutschen Parlamente eine Verfassung und die Schaf- Konstitution. Des Weiteren wurden die akademischen Grundrechte, die fung eines parlamentarischen Lehr- und Lernfreiheit, garantiert, und der interimistische Innenminister Systems. Und natürlich war diese bürgerliche deutsche Revolution Franz von Pillersdorf, der im Mai 1848 Ministerpräsident wurde, erhielt auch ein Ringen um den Umfang und die Formierung des neu zu den Auftrag, eine Verfassung auszuarbeiten. Diese „Verfassungsurkunde schaffenden einigen Deutschlands, also ein Kampf um die Lösung des österreichischen Kaiserstaates“ trat am 25. April 1848 in Kraft, wobei der nationalen Frage. Im Zuge dieses Revolutionsjahrs kam es auch die Verfassungen einzelner deutscher Staaten sowie Belgiens aus dem Jahre erstmals in Österreich und insgesamt im Deutschen Bund zur Schaf- 1830 als Vorbild dienten. Diese Verfassung sah die Zusammenfassung aller fung von Parlamenten, also von Volksvertretungen. Und in diesen cisleithanischen Länder zu einer konstitutionellen Monarchie unter dem spielten naturgemäß die liberalen, freisinnigen Kräfte eine zentra- Namen „Österreichischer Kaiserstaat“ vor. Sie sah eine Volksvertretung in le Rolle. Dieses neue liberale Denken war sehr stark mit nationalen Form eines Zwei-Kammer-Systems vor, bestehend aus einem Senat und Emotionen und Forderungen verbunden. Man kann also mit Fug aus einem Abgeordnetenhaus mit 383 Mitgliedern, die vom Volk gewählt und Recht das Jahr 1848 als die Geburtsstunde des nationalliberalen werden sollten. Wählen durften allerdings nur großjährige Männer ab der Lagers bezeichnen. Dieses Lager sollte in der Folge in Österreich Vollendung des 24. Lebensjahres, und ausgenommen waren Dienstboten, eine hohe strukturelle und auch ideologische Kontinuität bis herauf Fürsorgeempfänger und Arbeiter gegen Tages- und Wochenlohn. Die Pill- in die Zweite Republik, also über nahezu 170 Jahre, bewahren. ersdorfsche Verfassung beinhaltete unter anderem auch einen Grundrech- tekatalog, der zu dieser Zeit als fort- schrittlich galt. Dieser unterschied Sitzung der zwischen Menschen- und Staats- National­ bürgerrechten, wobei der Schutz versammlung im von Gleichheit und Freiheit, Glau- Juni 1848 in der ben und Gewissen sowie des Ei- Paulskirche gentums gewährleistet sein sollte. In der Folge wurde auch der konstituierende Reichstag, die erste Volksvertretung in Österreich nach der März-Revolution von 1848, ein- berufen. Er bestand aus 383 Ab- geordneten aus den deutschspra- chigen und slawischen Kronländern der Habsburger Monarchie. Das erste Mal wurde der Reichstag am 22. Juli 1848 von Erzherzog Johann eröffnet, er musste allerdings bereits am 22. Oktober 1848 im Zuge der Wiener Oktoberrevolution nach Kremsier verlegt werden, wo er bereits am 7. März 1849 durch den Sieg der Reaktion und der Gegenre- volutionäre wieder aufgelöst wurde. Der wichtigste Erfolg des Reichs- tags zu Kremsier war zweifellos die im September 1848 beschlossene Bauernbefreiung, die auf die Initi- ative des Burschenschafters Hans Kudlich zurückging. Der nationalliberale Einfluss auf diese ersten parlamenta- 244 rischen Gehversuche in Öster- 245 Die Freiheitlichen und das Parlament 1848 – 1849

reich basierte nicht zuletzt auf m Anfang des 19. Jahrhunderts den Aktivitäten der Studenten- Abegann Napoleon seine Erobe- Der Weg zur schaft. Mit der bereits erwähnten rungszüge und zwang den in der Petition an den Kaiser und der Wiener Hofburg regierenden rö- Versammlung in der Aula der misch-deutschen Kaiser Franz II., deutschen Revolution Universität Wien am 12. März die Krone des „Heiligen Rö- bildete die Studentenschaft ge- mischen Reiches Deutscher Nati- wissermaßen die Avantgarde der on“ niederzulegen. Das Reich, das von 936 bis Auch das kurze Auflodern der Freiheit am bürgerlichen Revolution. Die 1806 bestanden hatte und dessen Hauptstadt Hambacher Fest 1832, als die burschenschaft- Bildung und die Bewaffnung der und Residenz Wien war, war zerfallen. Napole- lichen Farben Schwarz-Rot-Gold zu denDeut- studentischen Freicorps, die in on besetzte halb Europa und unterwarf ganz schen Nationalfarben erhoben wurden und ein den Kompanien der Akademi- Deutschland. Fackelzug von 30.000 Menschen ein Lichter- schen Legion in Wien organisiert Doch als der Buchhändler Johann Palm in meer der nationalen Hoffnung bildete, wurde waren, verdeutlicht noch stärker, Braunau von den Franzosen erschossen wur- durch das Verbot der Farben Schwarz-Rot-Gold, wie groß der Einfluss der Studen- de, der die Schrift „Deutschland in seiner tiefs- durch eine weitere Beschneidung der Versamm- tenschaft auf die Ereignisse des ten Erniedrigung“ verfasst hatte, setzte der lungs- und Pressefreiheit und noch schärfere Revolutionsjahres waren. Träger Widerstand gegen den Imperialisten ein und Unterdrückungsmaßnahmen beantwortet. Zahl- dieser studentischen Aktivitäten auch eine geistige Erneuerung Deutschlands. reiche Burschenschafter werden verhaftet und waren zum großen Teil die vor- Johann Gottlieb Fichte hielt seine „Reden an eingekerkert, Hunderte flohen und fast 10.000 mals geheimen, jetzt offen auftre- die Deutsche Nation“, Friedrich Ludwig Jahn’s Pfälzer wurde zur Auswanderung gezwungen. tenden burschenschaftlichen Ver- Schrift „Deutsches Volkstum“ begründete das Resignation machte sich breit. bindungen. So war es in Wien eine volkstümliche Turnen, das mit einem glühenden Fürst Metternich, der „Kutscher“ Europas „Arminia“, in Prag eine „Marko- Patriotismus verbunden wurde. Es kommt zur und starke Mann des Deutschen Bundes, mannia“ und eine „Teutonia“ so- Bildung von zahlreichen Freikorps, wie das wie in Graz eine „“, welche Freikorps des Majors von Lützow: Die Lützower die Studentenschaften mit ihren trugen schwarze Röcke mit roten Aufschlägen nationalen und freiheitlichen For- und goldenen Knöpfen. Diese Welle der Be- derungen anführten. geisterung war die Geburtsstunde eines neuen deutschen Nationalgefühls. 1813 kam es zur Im Mai 1848 bestand die aka- entscheidenden „Völkerschlacht“ bei Leipzig, demische Legion in Wien aus 40 bei der der österreichische Fürst Schwarzen- Kompanien mit insgesamt 6.000 berg den Oberkommandierenden der vereini- Mann. Ihr Hauptquartier war die gten Truppen stellte und bei der Napoleon ver- neue Aula der alten Universität. nichtend geschlagen wurde. Deutschland und Der Versuch, die akademische auch das übrige Europa atmeten auf. Legion aufzulösen, blieb vorläufig 1815 wurde auf dem Wiener Kongress der erfolglos, der aus 20 Mitgliedern „Deutsche Bund“ geschlossen, ein Staaten- konnte 33 Jahre lang mit Im Lützowschen bestehende Sicherheitsausschuss bund, der die Nachfolge des früheren Heiligen absolutistischen Metho- Freikorps kämpf- wurde unter der Leitung von Dr. Römischen Reiches Deutscher Nation antrat, den die Deutschen daran ten Studenten Adolf Fischhof zwischenzeitlich aus Österreich, Preußen und vielen anderen hindern, ihren nationalen gegen die napo­ während der revolutionären Er- Ländern bestand und dessen Regierung, der Freiheitswillen zu erfüllen. leonischen Truppen eignisse zur eigentlichen Autorität Bundestag, sich in Frankfurt am Main befand. Dies und Missernten in in der Reichs-, Haupt- und Resi- 1815 führte das Einigungs- und Freiheits- den 1840-er Jahren sowie denzstadt Wien. Interessant ist, streben der Studenten zur Gründung der soziale Probleme durch die beginnende Indus- dass die vorrangig von Burschen- Burschenschaften, deren Farben jene des trialisierung waren Ursache für die wachsende Freiheit, Verfassung schaftern aus dem Kreise der „Arminia“ und einer „Germania“ erar- Lützower Freicorps Schwarz-Rot-Gold wurden Unruhe. 1844 kam es zu einem Hungerauf- und deutsche Ein- beitete Petition an den Kaiser neben der Presse- und der Redefreiheit und die eben wegen dieses demokratischen stand der schlesischen Weber, der vom Militär heit waren die Ziele sowie der Freiheit der Universität auch die Religionsfreiheit, nämlich Freiheitsstrebens misstrauisch beäugt und blutig erstickt wurde. der Paulskirche die Gleichstellung der jüdischen Religion mit den christlichen Religi- wurden und 1819 sogar verboten wurden. Die Ende 1847 forderten die Sozialrevolutionäre onen, forderte. Und auch einer der maßgeblichen Sprecher der Studen- Zensur wurde eingeführt, Metternich baute Friedrich Hecker und Gustav von Struve (beide tenschaft, der jüdische Arzt Dr. Adolf Fischhof, beweist die Liberalität ein geheimes und brutales Bespitzelungssy- Alte Heidelberger Burschenschaft) in Offenburg dieser frühen demokratischen und parlamentarischen Bestrebungen. stem auf. Die einsetzende Demagogenver- im Badischen die Soziale Republik. Im Jänner folgung bedeutete für die Entwicklung des 1848 kam es in den österreichisch beherrsch- Im April 1848 hob der Bundestag in Frankfurt die noch immer be- Landes einen echten Rückschritt: Tausende ten Städten Mailand und Padua zu Ausschrei- stehende Ausnahmegesetzgebung für alle Bundesstaaten, also auch für Demokraten wurden eingekerkert, das Bürger- tungen, die blutig niedergeworfen wurden. In Österreich, auf und damit das Verbot der burschenschaftlichen Farben tum wurde als politischer Willensträger noch der Februarrevolution 1848 wurde Frankreich Schwarz, Rot, Gold. Diese wehen von nun an während der Tage der nicht aktiviert. Die Burschenschaften konnten zur Republik, was eine Signalwirkung auf die 246 Revolution auch vom Turm wehten des Wiener Stephansdoms. durch diese diktatorischen Bestimmungen nur geknechtete Bevölkerung im deutschen Raum 247 Fortsetzung auf Seite 248 ▶ mehr im Geheimen bestehen. hatte. ◆ Die Freiheitlichen und das Parlament 1848 – 1849

Die Nationalversammlung in Frankfurt am 27. Oktober 1848, nahm der Reichstag ein Verfassungsgesetz Eine als Vorparlament bezeichnete Versammlung von 574 Dele- an, demzufolge kein Teil des neu- gierten trat bereits ab Ende März in Frankfurt am Main zusammen, en Deutschen Reichs mit nicht-

um die Bildung einer deutschen Nationalversammlung einzuleiten. Zur deutschen Ländern zu einem Staat

Wahl in dieser Nationalversammlung, die 830 Abgeordneten, davon 190 vereint sein dürfe. Zulässig wäre aus der Habsburger Monarchie, haben sollte, nur mehr einzig und allein eine „ wurden bundesweite Wahlkreise geschaffen. Personal­union in Form des Staats- Da die tschechischsprachigen Gebiete Böh- oberhaupts, also des Monarchen, mens und Mährens die Wahl boykottierten, gewesen. Dies hätte eine weitge- konnten von österreichischer Seite nur 130 hende Auflösung der vielspra- Neben dem Kampf um die Mandate besetzt werden. In Wien gab es sie- chigen Habsburger Monarchie ben Wahlkreise, wobei Dr. Eugen Alexander bedeutet. Damit schien sich auch Verfassung stand die Lö- Megerle von Mühlfeld, Dr. Ludwig Ritter von in der Frankfurter Paulskirche die Köchel, Dr. Ernst Schilling, Dr. Nepomuk von Preußen betriebene klein- sung der deutschen Fra- Berger, Viktor Freiherr von Andrian-Werburg, deutsche Lösung unter Ausschal- Dr. Franz Egger, Oberst Franz von Mayern, Jo- tung Österreichs anzubahnen. ge im Mittelpunkt. hann Perthaler, Theodor Hornbostel, Theodor Dazu muss erläutert werden, dass Georg von Karajan, Hauptmann Karl Möring, zur Lösung der deutschen Fra- „ Anton Chwalla sowie Dr. Josef von Würth und ge, die neben dem Kampf um Ludwig Hardtmuth als Abgeordnete bzw. de- den Verfassungsstaat während ren Stellvertreter gewählt wurden. der Revolutionsjahre 1848/49 im Mittelpunkt stand, insbesondere Diese deutsche Nationalversammlung trat am 18. Mai 1848 in der die Lösung der deutschen Frage zum Parlamentssitz umfunktionierten Frankfurter Paulskirche erstmals heiß umkämpft war. Dabei gab es zusammen, wobei der Liberale Heinrich Freiherr von Gagern zum Prä- die noch bis 1866 bestehenden Grundpositionen: So wurde eine soge- Die Berliner Bar- sidenten gewählt wurde. Anwesend dabei waren 562 Abgeordnete, die nannte „Großösterreichische Lösung“ von Schwarzenberg und Bruck rikaden: Die Revo- in der Folge am 29. Juni 1848 auf Antrag Gagerns den österreichischen vertreten – sie stellte Österreich gleichsam als Zentrum eines wieder- lution tobt in ganz Erzherzog Johann zum Reichsverweser wählten. Am 12. Juli übertrug erstandenen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation von der Deutschland ihm der bisherige Bundestag des Deutschen Bundes die Kompetenz für Nord- und der Ostsee bis zur Adria und zum Schwarzen Meer in den die gesamte deutsche Zentralgewalt. Am 15. Juli 1848 bildete Erzher- Mittelpunkt ihrer Überlegungen, wobei man sich bei starker Betonung zog Johann dann eine Reichsregierung, deren Vorsitzender am 3. Sep- des Katholizismus durchaus zu den Traditionen deutscher Kultur und tember Anton Ritter von Schmerling wurde. In der Folge allerdings, deutscher Geschichte bekannte.

▪ Freiheit der Universität, nicht beantwortet. Auch wer- gern während der Sitzung der Der Sturm bricht los – Chronologie einer Revolution ▪ Hebung des Volksunter- den keinerlei Versprechungen Stände in den Landtag ein. richtes, gemacht. Es kommt zum Aufstand der ► Am 29. Februar 1848 einen Kampf auf Tod und Le- der Aula der Universität. ▪ Religionsfreiheit (die Bur- ► Am nächsten Tag, dem Studenten und Bürger, Bar- wird in Wien am Kärntnertor ben! Seid stark, seid mutig Dann wird auf Anregung des schenschafter fordern 13. März, kommt es vor dem rikaden werden errichtet. Der ein Plakat angeschlagen, auf und einig!“ jüdischen Arztes Josef Gold- die Gleichstellung der jü- niederösterreichischen Land- Stadtkommandant Erzherzog dem verkündet wird, Met- ► Recht gemäßigte „Bür- mark von einer Deputation dischen Religion), haus in Wien zu Tumulten. Alberecht gibt um 13 Uhr den ternich werde am 15. März gerpetitionen“ der Wiener unter der Führung der Profes- ▪ öffentliche Gerichtsverfah- Studenten fordern die Antwort Schießbefehl: Es gibt 5 Tote schon ein gestürzter Mann Bürger ohne radikale Forde- soren Hye und Endlicher unter ren, Schwurgerichte, auf die eingebrachte Petiti- und 510 Verletzte. Der jüdische sein. Ludwig Kossuth hält am rungen werden vom 6. bis der schwarz–rot–goldenen ▪ sowie ein vom Volk ge- on und wieder die demokra- Student Karl Heinrich Spitzer 3. März im ungarischen Land- 9. März den Landständen Trikolore der Burschenschaf- wähltes Parlament (!), eine tischen Rechte. Der jüdische ist der erste Märzgefallene. tag in Preßburg eine Rede, in übergeben. ter-Studenten in Wien an den geradezu ungeheure For- Arzt Dr. Adolf Fischhof spricht In den Vorstädten stürmen der er eine parlamentarische ► Der Deutsche Bund er- österreichischen Kaiser Fer- derung an das allerdurch- vor der aufgebrachten Menge die Arbeiter, die sich der bur- Regierung verlangt. Diese kennt die heraufdämmernde dinand eine Petition über- lauchtigste Kaiserhaus, und wiederholt die am Vortag schenschaftlichen Revolution Rede wird in Wien in den Kaf- Gefahr: Der Bundestag unter reicht. Diese hatten Vertreter ▪ die Volksvertretung der von Burschenschaftern aufge- angeschlossen haben, die Fa- feehäusern verlesen und er- Österreichs Vorsitz erklärt am der Wiener Burschenschaf- deutschen Landesteile stellten Forderungen. briken und zerstören Maschi- regt debattiert. 9. März 1848 in Frankfurt ten Arminia und Germania beim Deutschen Bund ► Die Rede Kossuths nen als Protest gegen die für ► Am 4. März taucht in Schwarz–Rot–Gold zu den am 8. März in der Wohnung (bisher waren Fürsten die von 3. März wird verlesen und sie nachteiligen Folgen der In- Wien ein revolutionäres Ma- Bundesfarben, doch der Be- des Arminensprechers Fritsch Vertreter). löst Begeisterung aus. Zu den dustrialisierung. Der Einsatz nifest auf, in welchem aufge- schluss wird nicht vollzogen heimlich – unter die Gefahr Diese Petition mit den de- Forderungen gehört jetzt auch des Militärs fordert 45 Tote. fordert wird, sich „in den groß- und nicht verlautbart. des Auffliegens! – erarbeitet. mokratischen Forderungen die Abdankung Metternichs. Manche Soldaten weigern 248 en Bund der freien deutschen ► Am 12. März versam- Darin fordern sie: wird von Erzherzog Ludwig Um 11 Uhr dringt Dr. Fischhof sich, auf das wehrlose Volk zu 249 Männer“ einzureihen. „Es gilt meln sich die Studenten in ▪ Presse- und Redefreiheit, entgegengenommen, aber mit den Studenten und Bür- schießen. Die Freiheitlichen und das Parlament 1848 – 1849

Sitzung des Dann gab es die „Groß- Als sich in der Paulskirche die Paulskirchen-­ deutsche“ Gruppe, die, re- kleindeutsche Lösung unter Aus- Parlaments präsentiert durch Schmerling schaltung Österreichs durchzu- und die Mehrzahl der öster- setzen schien, waren allerdings in reichischen Abgeordneten, in den meisten deutschen Staaten der Paulskirche am stärksten die revolutionären Bestrebungen um die Verwirklichung der bereits unterdrückt worden. Als deutschen Einheit und der am 12. Oktober 1848 im Reichs- Erhaltung der Habsburger tag ein Antrag auf Abgabe einer Monarchie rang. Sie vertrat Sympathieerklärung für das revo- die Ansicht, dass einerseits lutionäre Wien abgelehnt wurde, der Verlust der deutschen Po- verfasste eine Gruppe Radikaler sition vernichtend wäre, dass aus eigener Initiative eine solche anderseits aber Österreich für Erklärung, die von vier Abgeord- Deutschland historische Auf- neten, nämlich von Julius Fröbel, gaben ersten Ranges zu leisten Moritz Hartmann, Albert Tram- hätte. pusch und Robert Blum, in Wien überreicht werden sollte. Sie wur- Als drittes Lager konnte de im österreichischen Reichstag man das eigentlich „deutsch- begrüßt, wonach Hartmann und nationale“ oder „nationallibe- Trampusch nach Frankfurt zurück- rale“ definieren, das in seiner Haltung wohl am ehesten durch die Wie- kehrten. Blum und Fröbel blieben allerdings in Wien und schlossen sich ner Studentenschaft und durch die „Linke“ im Frankfurter Parlament in der dritten Phase der Wiener Revolution den Wehrverbänden und der repräsentiert wurde. Diese Richtung ging vom Zerfall Österreichs und Akademischen Legion an. Sie wurden am 4. November unter Missachtung vom Anschluss seiner deutschen Erbländer an ein einiges freiheitliches ihrer parlamentarischen Immunität verhaftet, Fröbel wurde ausgewiesen Deutschland aus, wobei es auch mehr oder weniger offen gezeigte repu- und Robert Blum wurde am 9. November 1848 in der Wiener Brigittenau blikanische und damit antimonarchistische Tendenzen gab. standrechtlich erschossen. Die extremste Position nahm die eigentliche „kleindeutsche“ Grup- Am 28. März 1849 war dann die neue Reichsverfassung vollendet. Es pe ein, die in den späteren Jahren in Österreich in Georg Ritter von sollte einen erblichen Kaiser, einen gewählten Reichstag mit zwei Kam- Schönerer ihren Führer finden sollte und nach deren Ansicht die Ei- mern, einem Staatenhaus und einem Volkshaus, geben. Der am selben Tag nigung Deutschlands nur unter Ausschluss der Habsburger Monarchie zum Kaiser gewählte preußische König Friedrich Wilhelm IV. lehnte aller- und deren völliger Zerschlagung erfolgen könnte. dings diese Würde ab. Die österreichischen Abgeordneten waren bereits

Der Bürgermeister von Erzherzog Ludwig gestat- die Verkündung der Aufhe- jüdischer Prediger (zu den Die Hofstellen werden durch ► 31. März: Das neue Wien, Ignaz von Czapka, tet um 19 Uhr die Aufstellung bung der Zensur, die Pres- burschenschaftlichen Forde- Ministerien ersetzt. Preßgesetz wird veröffentlicht. schlägt vor: Wiedereinsatz des der Nationalgarde und der sefreiheit wird versprochen, rungen gehört auch die Gleich- ► 25. März: Petition für Es enthält aber viele Verbote Bürgercorps und Aufrüstung Akademischen Legion. Noch worauf eine Flut von Schriften berechtigung der Bürger ein- die Emanzipation der Juden und Einschränkungen, löst zur Nationalgarde. Auch die am selben Abend beginnen und Plakaten von fliegenden schließlich der Juden). In allen wird veröffentlicht. Unzufriedenheit aus und wird Studenten sollten bewaffnet Einschreibungen und die Waf- Händlern vertrieben wird. Reden wird ihr Judentum her- ► 27. März: Eine Deputa- wenig eingehalten. werden und die Akademische fenausgabe vor dem Zeug- ► 15. März: Erst als neue vorgehoben und die Teilnahme tion der jüdischen Gemeinde ► Am 2. April hebt der Legion bilden. Damit sind haus Am Hof. Die Menge in Unruhen drohen, verspricht am Kampf als Erwerb eines unter den Führern Max ­Engel Bundestag in Frankfurt am die Studenten einverstanden der Stadt wartet gespannt auf Kaiser Ferdinand eine neue Rechtsanspruches auf Gleich- und Ludwig August Frankl über- Main die noch immer beste- und erklären sich bereit, sich die Erfüllung der Forderung. konstitutionelle Verfassung: stellung bejubelt. Die Frage reicht dem Kaiser eine Petiti- henden Ausnahmegesetze für für die Wiederherstellung der Metternich tritt um 21 Uhr Eine gewählte Volksvertretung der Gleichstellung der Juden on über die Gleichstellung der alle Bundesstaaten, also auch Ruhe einzusetzen. Die Aka- zurück! solle sie beschließen. Das löst wird eifrig diskutiert. Doch Kulte. für Österreich, auf. Das bis demische Legion, in der alle Das ist eigentlich die Sen- Jubel aus! Isaak Mannheimer mahnte im Der sagt eine gerechte Be- dahin bestehende Verbot der Burschenschafter aufgehen, sation und ein seit 33 Jahren ► 16. März: Abends gro- „Centralorgan für Glaubens- ratung zu. Antisemitische Stim- deutschen Farben Schwarz– wird nach dem Studium ein- gehegter Traum! Die Wiener ßer Fackelzug der Studenten freiheit der Juden“ zur Zurück- men bewegen Josef Goldmark, Rot–Gold entfällt, diese bur- geteilt: z. B. Techniker-Corps, jubeln, veranstalten Fackelzü- durch die Stadt. haltung: „Alles fürs Volk und die Niederlegung seiner Charge schenschaftliche Fahne weht Mediziner-Corps. Die Stu- ge und bringen Hochrufe auf ► 17. März: Große Lei- Vaterland! Nichts für uns! Kein bei der Akademischen Legion von da an auch vom Turm des denten tragen die berühmten den Kaiser aus! chenfeiern für die „Märzge- Wort von Judenemanzipati- anzukündigen, woran ihn die Wiener Stephansdomes! dunkelblauen Röcke mit dem ► Am 14. März erfolgt fallenen“ auf dem Schmelzer on.“ Aber schon am 19. März Burschenschafter-Studenten Schwarz–Rot–Gold weht schwarz–rot–goldenen Band, die Proklamation der Aufstel- Friedhof. Für die Akademische ist auch Mannheimer für eine allerdings erfolgreich hindern. überall in Wien. Von der Uni- das sie von den Burschen- lung der Nationalgarde und Legion spricht Prof. Füster. Adresse an die Stände. ► 29. März: Die oberste versität, von allen Gebäuden. 250 schaftern übernehmen, und der Akademischen Legion. In An den Särgen der beiden In der Folge wird die Zensur-Hofstelle wird aufge- Am Stephansplatz findet eine 251 die deutsche Kokarde. einem weiteren Erlass erfolgt gefallenen Juden spricht ein Staatsverwaltung umgebaut: löst. richtige „Fahnenhissungsfei- Die Freiheitlichen und das Parlament 1848 – 1849

am 5. April 1849 aus dem Frankfurter Paulskirche-Parlament abberufen Pillersdorf bereits im Mai 1848, und die Wahl für den österreichischen worden, die preußischen wurden am 14. Mai von ihrer Regierung zurück- Reichstag wurde ebenfalls nach dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht

berufen. Der Reichstag wurde am 19. Juni 1849 aufgelöst, und Erzherzog durchgeführt. Insbesondere die deutschfreiheitliche Studentenschaft Wi-

Johann legte das Amt als Reichsverweser am 20. Dezember 1849 zurück. ens konnte somit im Kampf um eine freiheitliche und demokratische Verfassung einen großen Erfolg verbuchen. „ Die Frankfurter Paulskirche ging aber auch als Die Bedeutung der Paulskirche ein Parlament der Professoren und Literaten in Die deutschfreiheitliche die Geschichte ein: Der Dichter Ludwig Uhland, Die Bedeutung der deutschen Nationalversammlung in der Frank- der Märchensammler Jakob Grimm, der spätere Studentenschaft Wiens Die Frankfurter furter Paulskirche liegt zweifellos darin, dass sie das erste gesamtdeut- Burgtheaterdirektor Heinrich Laube waren ebenso Paulskirche sche Parlament darstellt, das in freien Wahlen zustande gekommen ist. Mitglied des Frankfurter Paulskirchen-Parlaments kämpfte um eine demo- Während etwa im Zuge der Pill- wie der Dichter und Philosoph Ernst Moritz ersdorfschen Verfassung am 9. Arndt und der berühmte Turnvater Friedrich Lud- kratische Verfassung. Mai 1848 die Arbeiter durch die wig Jahn. Unter den mehr als 100 österreichischen „ neue Wahlordnung vom Wahl- Abgeordneten waren bedeutende Geister wie Ana- recht ausgeschlossen wurden, war stasius Grün, der Dichter aus dem Herzogtum Krain, dem heutigen Slo- kurz zuvor am 28. April die Wahl wenien, oder aus Wien Anton Ritter von Schmerling, Alfred Wiesner zur deutschen Nationalversamm- und der jüdischstämmige Ignaz Kuranda. lung in Frankfurt nach dem Mo- dus des allgemeinen Wahlrechts, Dass die bürgerlich-deutsche Revolution in Wien nach fünf einzel- also auch unter Einschluss der nen Aufständen scheiterte und durch die kaiserliche Reaktion und die Ar- Arbeiter, durchgeführt worden. mee des Fürsten Windischgrätz blutig unterdrückt wurde, ändert nichts an der Bedeutung dieser ersten demokratischen und parlamentarischen Und obwohl die Paulskir- Gehversuche Österreichs und damit auch Deutschlands. Der konstituie- che letztlich eine konstitutionelle rende Reichstag in Wien und später in Kremsier und die Deutsche Na- Monarchie bevorzugte, wurde tionalversammlung in der Paulskirche in Frankfurt bleiben Fanale für in dieser deutschen Nationalver- die Entwicklung der parlamentarischen Demokratie in den deutschen sammlung erstmals ernsthaft über Landen. die Einführung einer republika- nischen Verfassung für Deutsch- Wenn das nationalliberale Lager und damit auch die freiheitliche Ge- land debattiert. Auch in Öster- sinnungsgemeinschaft sich auf diese Wurzeln berufen, können sie auf reich resignierte Ministerpräsident eine edle und bedeutende Tradition verweisen. ◆

einem schwarz–rot–goldenen ► Der Zweite Wie- ► Am 5. Mai bildet sich sammlung nach dem Modus Burschenband, ebenfalls die ner Aufstand am 25. April das Zentralkomitee der Aka- des allgemeinen Wahlrechtes deutsche Fahne segnet. 1848 bringt die Pillersdorf- demischen Legion, Bürger durchgeführt worden! Die De- ► Für die Wahl von Depu- sche Verfassung, die von der und Nationalgarde und über- batte über die Verfassung, tierten in die künftige Deut- Regierung (Innenminister nimmt immer mehr die Macht getragen vom „Ausschuss der sche Nationalversammlung, Pillersdorf) und nicht wie in Wien. Der „Ausschuss der Studierenden Wiens“, nimmt er“ statt. Das Arndtsche Lied berichtet der Tiroler Adolf Pich- für die der Gründungsaufruf versprochen von einer Volks- Studierenden Wiens“, des- an Heftigkeit zu. „Was ist des Deutschen Vater- ler, Kommandant der Akad. vom Bundestag in Frankfurt vertretung erarbeitet worden sen Führer der jüdische Arzt ► Am 13. Mai ordnet land?“ wird gesungen, Frauen Legion.) ergangen war, werden am war. Sie bringt zwar viele der Dr. Goldmark ist, bringt die der Kommandant der Nation­ verteilen schwarz–rot–gol- ► 15. April: Fahnen- 18. April die Voraussetzungen geforderten Freiheiten, aber „Petition der Studierenden algarde, Graf Hoyos, die Auf- dene Bänder. Die Wiener fei- weihe im Stephansdom: Die bekanntgegeben: Auf je das Wahlrecht bleibt unde- Wiens“. Darin sind die we- lösung des Zentralkomitees ern und überreichen Kaiser schwarz–rot–goldene Fahne 50.000 Einwohner sollte ein mokratisch, weil es von ho- sentlichen Forderungen der der Akademischen Legion Ferdinand eine schwarz–rot– der Tiroler Studentenkom- Abgeordneter fallen. Die Wahl- hen Steuerleistungen abhän- späteren Sturmpetition vom an. Er glaubt, dadurch die goldene Fahne, die er stolz panie unter dem Komman- en (für Niederösterreich) fin- gig gemacht wird. 15. Mai bereits enthalten. Verfassungsdiskussion ab- vom Balkon der Hofburg zeigt. danten Adolf Pichler trägt die den am 28. April 1848 statt. Auch weitere Bestim- ► Am 9. Mai werden brechen zu können. In Uniform berührt er feierlich Aufschriften „Für das Vater- In der niederösterreichischen mungen zugunsten des Kai- durch die neue Wahlordnung ► 15. Mai: Eine große die deutsche Fahne und lässt land“. Die ganze Kompanie Stadt Wien werden sechs serhauses (Vetorecht) en- Arbeiter vom Wahlrecht aus- Menschenmenge versam- sich unter den Hymnen von marschiert dann unter unge- Abgeordnete gewählt. Diese gen die Freiheiten ein. Das geschlossen, worauf sich Stu- melt sich vor der Burg. Aka- Haydn und Arndt huldigen: heurem Jubel der Bevölkerung Wahlen zur künftigen Deut- empört Studenten und Ar- denten und Arbeiter erneut demische Legion, Bürger, „Hoch das einige und freie zum Wiener Südbahnhof, wo schen Nationalversammlung beiter, die am 2. und 3. Mai solidarisieren und heftigst pro- Nationalgarde und Arbeiter Deutschland! Gut und Blut für der greise Pater Haspinger, sind die ersten freien, demo- demonstrieren und den Po- testieren. Schließlich war kurz beschließen die „Sturmpeti- 252 unseren guten, unseren kon- 1809 Mitstreiter von Andreas kratischen Wahlen in ganz litikern eine „Katzenmusik“ vorher, am 28. April, die Wahl tion“: Rücknahme der Pillers- 253 stitutionellen Kaiser!“. (Das Hofer, nun geschmückt mit Deutschland. darbringen. zur Deutschen Nationalver- dorfschen Verfassung und Die Revolutionäre Die Reformpolitiker

Dr. Adolf Fischhof, Reichsverweser Führer der Märzrevolution Erzherzog Johann

Dr. Josef Goldmark, Führer Anton von Schmerling, des Studentenausschusses Zwischen März und Oktober 1848 gab es in Wien fünf leitender Reichsminister revolutionäre Aufstände. Die Akademische Legion führte die Barrikadenkämpfe an (Bild Mitte oben). Zuletzt wur- den die Revolutionäre von den reaktionären Truppen niedergekämpft (Bild Mitte unten: Hinrichtung Blums).

Heinrich von Gagern, Hans Kudlich, Burschen- Präsident der Natio- schafter und Bauernbefreier nalversammlung

Wenzel Messenhauser­, Anastasius Grün Führer der Oktober-­ Graf von Auersperg, Abge- Revolutionäre ordneter zur Paulskirche Die Freiheitlichen und das Parlament 1848 – 1849

nalversammlung setzte in den elf Darstellung Monaten ihrer Tätigkeit 23 Aus- von Eduard Das einzige frei gewählte schüsse ein, von denen 16 ständig Mayer aus der und sieben bis zur Erledigung der Paulskirche jeweiligen Aufträge arbeiteten, mit Gesichtern gesamtdeutsche Parlament und fünf Kommissionen, die nur bekannter kurz wirkten. Abgeordneter. Stehend in der Mitte, alle ande- ie Deutsche Konstituierende ren überragend, DNationalversammlung trat Schaffung ­einer wurde Präsident am 18. Mai 1848 zu ihrer ersten Gagern mit dem Sitzung zusammen. 330 Abgeord- Verfassung Griff an der Glo- nete aus ganz Deutschland trafen cke gezeichnet. sich im Kaisersaal des Frankfurter Wenige Tage nach der Eröff- Römers. Die Abgeordneten voll- nung hatte die Nationalversamm- zogen einen revolutionären Akt: lung zwei wichtige Entschei- Die Nationalversammlung konsti- dungen getroffen. Am 24. Mai tuierte sich feierlich selbst. beschlossen die Abgeordneten mit großer Mehrheit die Berufung eines Ausschusses zum Entwurf Für die Darstellung der Aufgabe fand Heinrich von Gagern nach einer Reichsverfassung (Verfassungsausschuss) und eines Ausschusses seiner Wahl zum provisorischen Präsidenten eine Formel, die eine über- zur Behandlung der Arbeiterfrage und der Gewerbs-, Zoll- und Han- wiegende Mehrheit akzeptierte. Am 19. Mai führte er unter anderem delsverhältnisse (Volkswirtschaftlicher Ausschuss). Mit der Berufung aus: „Wir wollen schaffen eine Verfassung für Deutschland, für das ge- dieser Gremien von je 30 Mitgliedern widmete sich die Nationalver- samte Reich. Der Beruf und die Vollmacht zu dieser Schaffung, sie lie- sammlung ihrer eigentlichen Aufgabe, der Erarbeitung einer Reichs- gen in der Souveränität der Nation...“. verfassung. Die Abgeordneten versammelten sich zu insgesamt 236 Sitzungen, von denen 230 in Frankfurt am Main und sechs als Rumpfparlament in Stuttgart stattfanden.Vom 18. Mai 1848 bis 18. Juni 1849 gehörten Die Wahl des Reichsverwesers der Nationalversammlung 809 Abgeordnete an, die in 15 Abteilungen eingeteilt waren; ihre Aufgaben bestanden in der Prüfung der Beglaubi- Zur Erfüllung der Hauptaufgaben der Abgeordneten, eine Reichs- gung der Mandate und Wahl der Mitglieder in Ausschüsse. Die Natio- verfassung zu beraten und einen Nationalstaat zu schaffen, gelang der

die Einberufung eine konsti- ► Der Dritte Wiener ► Es kommt aber zu präsent ist und die Ministerien März 1848 aufgestellt wurde, erste Ausgabe der neuen Ta- tuierenden Reichstages, der Aufstand, die Mai-Revoluti- keinen Kämpfen, da die Re- keine Macht haben. wird damit endlich erfüllt! Die geszeitung „Die Presse“, die aus allgemeinen, direkten und on: Kaum hat sich die Lage in gierung ihren Beschluss am ► 28. Juni: Von einem Zusammenarbeit zwischen damit direkt von der von Bur- freien Wahlen hervorgehen Wien etwas beruhigt, versucht 26. Mai wieder zurückzieht. Arbeiterkomitee unter Lei- den Studenten mit den Drei- schenschaftern erkämpften soll. Und sie fordern die Rück- die Regierung wieder, das Heft Es wird der „Sicherheitsaus- tung des Studenten Willmer, farbbändern und den Arbei- Pressefreiheit profitiert. nahme der geplanten Auflö- in die Hand zu bekommen, schuss der Bürger, National- der „Arbeiterkönig“ genannt tern klappt hervorragend. ► Ende Juni: freie Wahl- sung des Zentralkomitees. Die und verfügt am 25. Mai die garden und Studenten zur wird, werden soziale Forde- ► Der Sicherheitsaus- en in Österreich (aber nicht in Revolution bricht damit zum Auflösung der Akademischen Aufrechterhaltung von Ruhe, rungen durchgesetzt. Diese schuss unter der Leitung des Ungarn) zum konstituierenden zweiten Male aus, es kommt Legion und die Schließung der Ordnung und Sicherheit und werden am 28. Juni als „Arbei- jüdischen Arztes Dr. Fischhof Reichstag. zu heftigen Kämpfen. Die Re- Universität. Doch die Wiener, zur Wahrung der Volksrechte“ ter-Ordnung“ vom Minister der schickt am 8. Juni im Namen ► 5. Juli: Fackelzug für gierung wagt keinen ernsteren Studenten, Bürger und Arbei- unter der Leitung des jü- öffentlichen Arbeiten Baum- der Wiener Bevölkerung eine Erzherzog Johann und die Widerstand und stimmt den ter gehen am 26. Mai wieder dischen Arztes Dr. Fischhof ge- gartner kundgetan. Adresse an das souveräne aus Frankfurt eingetroffene Forderungen zu. „auf die Barrikaden“, die in bildet, der am 27. Mai von der Am 24. Juni wird der „Erste Parlament zu Frankfurt: Deputation. Der Erzherzog ist ► Am 16. Mai erlässt ganz Wien errichtet worden Regierung anerkannt und mit Allgemeine Arbeiterverein“ Ein großes einiges unheimlich populär! Kaiser Ferdinand eine Prokla- waren, denn sie fürchteten ei- Behördenfunktionen ausge- ­Wiens gegründet. Deutschland wurde darin als ► 7. Juli: Fahnende- mation: Die Regierung nimmt nen erneuten „13. März“. Auf stattet wird. Er gebietet über ► Am 30. Mai wird durch heißester Wunsch und in- monstration vor dem Stand- das Wahlrecht zurück und ver- diesen Barrikaden vom 26. 6.000 Studenten der Aka- die neue Wahlordnung das nigster brüderlicher Anschluss bild Kaiser Joseph II. Der spricht eine neue Verfassung. Mai stehen auch die Arbeiter, demischen Legion und zirka freie Wahlrecht gewährt: Die als Wahlspruch ausgegeben. „unvergessliche Kaiser aus Der Reichstag wird nur aus für welche die Akademische 20.000 Arbeiter. Er ist bald die Arbeiter sind wahlberechtigt. ► Am 1. Juli 1848 wird dem Volke“ ist noch immer einer Kammer bestehen und Legion am 15. Mai die Bür- eigentliche Autorität Wiens, da Die alte burschenschaftliche das Theaterstück „Freiheit mit der weißen Fahne vom wird auf der Grundlage des all- gerrechte erworben hatte, und der Kaiser nicht in Wien ist, Forderung nach freien Wahl- in Krähwinkel“ von Johann 14. März geschmückt. Die 256 gemeinen und gleichen Wahl- überall wehen schwarz-rot-gol- der Reichsrat noch nicht kon- en, die schon in der Burschen- ­Nestroy in Wien uraufgeführt Akademische Legion zieht 257 rechtes gewählt werden. dene Fahnen! stituiert ist, Militär auch nicht schafter-Petition vom 12. und am 3. Juli erscheint die mit klingendem Spiel zum Die Freiheitlichen und das Parlament 1848 – 1849

Nationalversammlung ein wich- Die Fraktionen tiger Erfolg. Sie verabschiedete am

28. Juni das Gesetz über die Ein- Dabei vollzog sich in der Debatte die Bildung von Fraktionen. Als

führung einer provisorischen Zen- stärkste entwickelte sich die der Liberalen, die sich tralgewalt und wählte am 29. Juni im „Casino“ versammelten. Mit den Reformkon- „ Erzherzog Johann von Österreich servativen insbesondere aus Bayern, Preußen und zum Reichsverweser. Die Abge- Österreich mit dem Tagungsort „Cafe Milani“ fan- ordneten hatten in sechs vollen den sich die konservativen Rechten. Im „Württem- Der Reichsverweser soll Sitzungen, der ersten großen Re- berger Hof“ und den Abspaltungen „Augsburger deschlacht der Nationalversamm- Hof“ und„Landsberg“ bildete sich das linke Zen- ein Fürst sein, nicht weil, lung, um diese Entscheidung hart trum. Zur demokratischen Linken gehörten die gerungen. Die Spannweite der Gemäßigten, die sich im „Deutschen Hof“ trafen, sondern obgleich er Fürst Diskussionsbeiträge reichte von und die extremen Linken im „Donnersberg“. der revolutionären Versamm- ist. lungsregierung bis zur konstitu- tionellen Monarchie. Präsident „ Heinrich von Gagerns Rede am Deutschlands Grenzen 24. Juni 1848 fand die Zustim- mung einer Mehrheit bei der Ab- Die Begründung eines Nationalstaates machte die Beratungen über stimmung am 28. Juni. „Meine die Grenzen Deutschlands notwendig. Strittig war die Zugehörigkeit Herren“, hatte er unter anderem Schleswigs, der Provinz Limburg und der Provinz Posen zum Deut- ausgeführt, „Ich tue einen kühnen schen Bund. Abgeordnete aus diesen Gebieten gehörten der National- Griff und ich sage Ihnen: Wir versammlung an. Die Mehrheit entschied sich für die Rechtmäßigkeit müssen die provisorische Zentral- und Anerkennung ihrer Mandate. Für die Provinz Posen sprach die Na- gewalt selbst schaffen.“ Er trat für tionalversammlung die Erwartung aus, die preußische Regierung werde Erzherzog Johann einen Reichsverweser ein, der ein den Schutz der deutschen Bevölkerung in den polnischen Teilen des- eröffnet den konstitu- Fürst sein müsse; „nicht weil, son- Großherzogtums garantieren. ierenden Reichstag in dern obgleich es ein Fürst ist.“ In der Winterreitschule der Schlussabstimmung sprachen Dagegen erwies sich die schleswig-holsteinische Frage als Prüfstein der Wiener Hofburg sich 450 Abgeordnete für das Ge- für die Nationalversammlung. Zur Beendigung des Krieges um die Zu- setz aus, 100 lehnten es ab. Für die gehörigkeit Schleswig-Holsteins zum Deutschen Bund schlossen am Berufung Erzherzog Johanns vo- 26. August 1848 Dänemark und Preußen den Waffenstillstandsvertrag tierten 436 von 548 Mitgliedern der Nationalversammlung. von Malmö.

Josephs­platz, die weiße Fah- Arztes Dr. Adolf Fischhof. hält die Thronrede, während hauptes (des Bundespräsi- Die Arbeiter protestieren in ► Am 7. September wird ne wird eingezogen und die Sie besprechen das noch von der Straße herein die dent genannt wird). Diese der Innenstadt gegen diese der Antrag des deutschschle- schwarz–rot–goldene Fahne nicht erfüllte Revolutionspro- deutsche Hymne „Das Lied republikanische Verfassung drastische Verschlechterung sischen Burschenschafters feierlich gehisst. gramm: „Demokratische Mo- der Deutschen“ und das „Was sei das Ideal der Freiheit, die ihrer Lage. Am 22. August Hans Kudlich, Burschen- ► 8. Juli: Der Sicher- narchie, Volks-Souveränität ist des Deutschen Vaterland“ kommen müsse, „ob nach kommt es im Prater zu Unru- schaft Markomannia Prag, auf heitsausschuss fasst den Be- und innigsten Anschluss an ertönt. 383 Abgeordnete aus einem Monat oder hundert hen. Und am 23. August zu Aufhebung des bäuerlichen schluss, die Träger des alten Deutschland selbst mit Aufop- allen sozialen Klassen und Jahren“. einer großen Demonstrati- Untertänigkeitsverhältnisses Systems aus dem Kabinett zu ferung eines Teiles der Souve- aus allen Völkern der Mo- ► 6. August: Gedenk- on. Am Praterstern tritt ihnen und der Abgabepflicht ange- entfernen. Dieser demokra- ränität Österreichs als Grund- narchie (außer den Ungarn) feier zur Niederlegung der die Nationalgarde entgegen. nommen: tische Beschluss wird auch lage unseres politischen haben die Aufgabe, eine neue deutschen Kaiserkrone Es kommt zum Aufstand, an „Die hohe Versammlung von Erzherzog Johann unter- Glaubensbekenntnisses.“ Verfassung auszuarbeiten. 1806. Ausrückung der Aka- dem sich auch viele Arbei- möge erklären: Von nun an ist stützt. ► 22. Juli: Konstituie- ► 4. August: Der „Poli- demischen Legion und der terinnen beteiligen. In der das Untertänigkeitsverhältnis Pillersdorf dankt noch am render Reichstag feierlich tische Studenten Courier“ Volkswehr, Begrüßung der Praterschlacht geht die Na- samt allen daraus entsprun- selben Tag ab, auch die an- eröffnet. Er tagt in der Win- aus Wien veröffentlicht einen Reichstagsdeputierten und tionalgarde, nicht aber die genen Rechten und Pflichten deren Minister werden durch terreitschule; in jenem Saal Vorschlag zur Neugestaltung des Sicherheitsausschusses, Akademische Legion unnötig aufgehoben.“ demokratische, revolutionäre der Wiener Hofburg, in dem Deutschlands: „Grundzüge Feldmesse, mit deutschen heftig gegen die Arbeiter vor, ► Am 13. September gibt Minister ersetzt. Nur Latour heute ahnungslose Touristen einer republikanischen Ver- Bändern geschmückte Fah- es gibt 22 Tote. es Handwerkerdemonstrati- bleibt Kriegsminister. die Lipizzaner bewundern. fassung, wie sie in Deutsch- nen. Beim Begräbnis der Opfer onen, da diese durch den Zu- ► 21. Juli: Lagebespre- Es ist das erste aus freien land eingeführt werden ► Der Vierte Wiener Auf- am 3. September gehen meh- sammenbruch einer Sparkas- chung der Reichsratsabge- Wahlen hervorgegangene ös- könnte“. Die acht Punkte stand. Am 19. August wird rere Kompanien der Akademi- se in Schwierigkeiten geraten ordneten in der Wohnung des terreichische Parlament! Der enthalten: Staatsform, Ein- den Arbeitern der Lohn ge- schen Legion mit, Studenten waren. Bei der Auflösung geht 258 Kommandanten der Akademi- deutsche Reichsverweser, Ös- teilung der Länder, Wahl des kürzt, Frauen bekommen und Arbeiter tragen schwarz– die Regierung auch gegen die 259 schen Legion, des jüdischen terreichs Erzherzog Johann, Parlaments, des Landesober- überhaupt nichts mehr. rot–goldene Fahnen. Studenten vor, schließt die Uni Die Freiheitlichen und das Parlament 1848 – 1849

Der Volkswirtschaftliche Ausschuss lung, wurde am 9. November ohne Rücksicht auf seine par-

Mit der Einsetzung eines Volkswirtschaftlichen Ausschusses leistete lamentarische Immunität nach

die Nationalversammlung zur Reform der wirtschaftlichen und sozialen Verurteilung zur Todesstrafe „ Verhältniss in Deutschland einen hervorragenden standrechtlich erschossen. Die Beitrag. Die Verbesserung der materiellen Bedin- Nationalversammlung versuchte gungen und die Beseitigung der wirtschaftlichen vergebens, die Auflösung der Der Paulskirchen-Ab- Zersplitterung betrachtete er als seine Hauptauf- Preußischen Nationalversamm- gaben. Um sich einen Überblick zu verschaffen, lung zu verhindern, obwohl ei- geordnete Robert Blum autorisierte die Nationalversammlung den Aus- nige Parlamentarier, unter ihnen schuss, sich an die Regierungen der Bundesstaaten der Präsident Heinrich von Ga- wurde trotz seiner parla- zu wenden, um Sachverständige und Behörden gern, mit der Regierung in Berlin zu Stellungnahmen auffordern zu können. Er Verhandlungen in dieser Frage mentarischen Immunität erreichte die erste Erfassung volkswirtschaft- geführt hatten. lich relevanter Daten aus ganz Deutschland. Der standrechtlich erschossen. Ausschuss erzielte ein großes Echo, das sich in „ zahlreichen Petitionen zur Gewerbeordnung, Ab- schaffung der Feudallasten, Stellung der Hand- Grundrecht, werker, zum Zolltarif, zur Schutz- und Freihandelspolitik widerspiegelt. Reichsgericht­ und Wahlrecht

Unbeschadet der äußeren Ereignisse hielt der Verfassungsausschuss Robert Blum, Die Schwächung der streng an den Beratungen über die Reichsverfassung fest. Entsprechend Wortführer der der Bedeutung widmete er sich der Diskussion über die Grundrechte. Linken in der ­Nationalversammlung In der dritten Lesung am 21. Dezember konnten die Grundrechte mit Paulskirche einer knappen Mehrheit verabschiedet werden. Nach Verabschiedung Im November und Dezember 1848 trat die Schwäche der Natio- der Abschnitte über Reich und Reichsgewalt begannen am 27. Novem- nalversammlung erneut zutage. Den von ihr nach Wien entsandten ber die Beratungen über das Reichsgericht und am 4. Dezember die Parlamentariern gelang es nicht, in Österreich zwischen Regierung über die Selbständigkeit der deutschen Staaten. Die Debatten über den und revolutionärer Volksbewegung zu vermitteln. Sie wurden selbst künftigen Reichshaushalt beschäftigten die Abgeordneten am 8. Januar, verdächtigt, die österreichische Regierung stürzen zu wollen. Einige über das Reichsoberhaupt am 15. Januar und am 26. Januar 1849 über Abgeordnete konnten sich durch Flucht entziehen, der Abgeordne- den Reichsrat. Am 2. März beschloss die Nationalversammlung die Ein- te Robert Blum, Wortführer der Linken in der Nationalversamm- führung des allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrechts.

und schickt die Studenten in Nationalgarde und von Waf- gegen Wien marschiert. Der ▪ 1.500 Studenten der Parlament auch von Österrei- Widerspruch zum Kaiser und die Ferien. Die Zahl der Stu- fenstudenten der Wiener Aka- kaiserliche Hof flieht deshalb Akademischen Legion. chs Bürgern gewählt wurde! dessen Manifest vom 19. Ok- denten in der Akademischen demischen Legion unterstützt am 7. Oktober nach Olmütz, Wien rüstet sich zur Vertei- ► In einem (von Win- tober! Der aus freien Wahlen Legion sinkt auf 1.500. wird, löst am 6. Oktober die und 20.000 „schwarz-gelbe“ digung. dischgrätz selbst verfassten) hervorgegangene Reichstag ► Am 24. September Oktoberrevolution aus. Über- Wiener fliehen ebenfalls aus ► Die Linken in der Manifest vom 16. Oktober erklärt am 22. Oktober das gibt es einen großen Fackel- all kommt es zu schweren der Stadt. Die Revolution der Deutschen Nationalver- verurteilt der Kaiser die Re- Vorgehen von Windischgrätz zug für den Bauernbefreier Kämpfen mit der Armee, auch großdeutschen Einheit hat sammlung in der Frankfurter volution und bevollmächtigt für ungesetzlich und folgt dem Kudlich, der für die vielen im Inneren des Stephans- wieder die Macht: Die Aula Paulskirche schicken Abge- Windischgrätz mit der Wieder- Ruf des Kaisers: Er wird am nach Wien gekommenen Bau- domes (heute noch ist dort (das heißt: die Studenten) ist ordnete wie den jüdischen herstellung der Ordnung. In 23. Oktober nach Kremsier in ern unter großem Beifall eine „6. 0ktober 1848“ eingemei- die einzige Behörde, die Ge- Burschenschafter Robert einem weiteren Manifest vom Mähren verlegt, es wird ihm flammende Rede hält. Als ßelt). Die Bevölkerung ist so horsam findet, und sie übt Blum oder den Österreicher 19. Oktober (von Graf Stadion damit aber auch die Machtba- neue Zeitung erscheint „Die aufgebracht über die kaiser- ihre Sendung, die Ordnung zu Moritz Hartmann aus Leit- verfasst) versichert der Kaiser sis entzogen. Ostdeutsche Post“, heraus- liche Armee, dass sie in das erhalten, gewissenhaft aus. meritz in Böhmen zur Über- hingegen die Bewahrung der ► 72.000 bewaffnete gegeben von Ignaz Kuranda, Kriegsministerium eindringt 10.000 Arbeiter werden in reichung einer Sympathie- März- und Maierrungenschaf- kaiserliche Soldaten greifen einem Wiener Abgeordneten und Kriegsminister Latour er- der Mobilgarde vereint. Am adresse und als moralische ten. ab dem 23. 10. die Stadt an, des Frankfurter Parlaments. greift und auf einer Laterne 12. Oktober wird Wenzel Mes- Unterstützung nach Wien. ► Wien wird am 20. Ok- diese wird auch bombardiert. ► Der Fünfte Wiener erhängt; ein Student der Aka- senhauser Oberkommandie- Die Deputation trifft am 17. tober von den kaiserlichen Bis zum 30. Oktober hofft Aufstand: Die Oktoberrevoluti- demischen Legion hatte ihn render der Nationalgarde. Er Oktober in Wien ein und wird Truppen von Windischgrätz man verzweifelt auf die Hilfe on. Ein Grenadierbataillon, das umsonst zu schützen versucht. gebietet über: begeistert empfangen. Nicht eingeschlossen. Dieser for- der ungarischen Revolutions- sich weigert, auf Anordnung Sein Tod führt zum ener- ▪ 14.000 Bürger der Natio- aber von Windischgrätz, dert die Auflösung der Aka- truppen, doch diese werden von Kriegsminister ­Latour ge- gischen Einschreiten der kai- nalgarde der sich hochmütig über demischen Legion und die bei ihrem Marsch zum Entsatz 260 gen das revolutionäre Ungarn serlichen Armee unter Win- ▪ 10.000 Arbeiter der Mo- die Empfehlungsschreiben bedingungslose Kapitulation; von Wien bei Schwechat ge- 261 zu marschieren und von der dischgrätz, die von Prag aus bilgarde hinweg­setzt, obwohl dieses er setzt sich dadurch offen in schlagen. Die Freiheitlichen und das Parlament 1848 – 1849

Die Einführung der Verfassung scheitert Die Österreicher in Am 28. März 1849 wurde die „Verfassung des deutschen Rei- der Paulskirche ches“ von der Nationalversamm- lung ausgefertigt und verkün- det. Nach den Vorstellungen der Abgeordneten trat sie de jure in Die k. u. k. Monarchie ie Deutsche Nationalversamm- Kraft. De facto scheiterte die Ein- nach der Revolution: Dlung wurde von all jenen Ge- führung, als der preußische König Aus ihren deutschen bieten beschickt, die später das Reich die ihm angetragene Kaiserkrone Gebieten wurden Ab- Bismarcks ausmachten, außer Elsaß­ am 3. April 1849 ablehnte. geordnete gewählt Lothringen, welches 1848 noch nicht heimgekehrt war. Zuzüglich wählten Das Verfassungswerk fand die Bewohner von Liechtenstein und unter den Deutschen weitgehend Luxemburg Vertreter in die Deutsche Zustimmung. Es spiegelt den Kompromiss zwischen den liberalen und Nationalversammlung. Im Kaisertum Österreich waren alle männlichen den linken Fraktionen wider. Aufgrund dieses Interesses bemühte sich Bürger aus jenen Gebieten, die vor 1806 dem Deutschen Königreich die Nationalversammlung um die Einberufung eines Reichstages und angehört hatten, wahlberechtigt. Es handelt sich somit um folgende Re- eines Kongresses von Abgeordneten aus den Staaten, welche die Ver- gionen, die dem Deutschen Bund mit dem Patent vom 2. März 1820 fassung anerkannten. Die entsprechenden Anträge fanden jedoch keine als zugehörig bezeichnet worden sind: sas Erzherzogtum Österreich, Mehrheit. Viele Parlamentarier verließen die Paulskirche, weil sie entwe- das Herzogtum Steiermark, das Herzogtum Kärnten, das Herzogtum der die Einführung der Verfassung als gescheitert ansahen oder von ih- Krain, das österreichische Friaul oder der jetzige Görzer Kreis (Gra- ren Regierungen nach Abschluss der Debatte über die Reichsverfassung disca, Görz, Tolmein, Flitsch, Aquileja), das Gebiet der Stadt Triest, die zurückberufen wurden. Gefürstete Grafschaft Tirol mit dem Gebiet von Trient und Brixen, wei- ters Vorarl­berg mit Ausschluss von Weiler, das Herzogtum Salzburg, Zur letzten Sitzung am 18. Juni versammelten sich noch 99 Abge- das Königreich Böhmen, die Markgrafschaft Mähren, der österrei- ordnete. Württembergische Soldaten drangen in den Saal des Hotels chische Anteil an dem Herzogtum Schlesien inklusive der böhmisch­- Marquardt in der Stuttgarter Königsstraße ein und lösten die National- schlesischen Herzogtümer Auschwitz und Zator (in Galizien). versammlung gewaltsam auf. ◆ Es war eine erstaunliche Leistung, in der kurzen Zeit von zwei Mo- naten Wahlgesetze zu erlassen, Wahlkreise zu bestimmen und Wahllisten zu erstellen. Die aus ► Wien fällt am 31. Ok- ► Die oktroyierte März- geben nach, der Satz wird ge- ► Am selben Tag, dem 7. dem Kaisertum Österreich stam- tober 1848. 2.000 Tote und verfassung: Der freigewählte strichen. März 1849, wird die „Märzver- menden Mandatsträger vertraten schreckliche Verwüstungen österreichische Reichstag, der ► Der Reichsrat erar- fassung oktroyiert“, d. h. auf- in folgender Zahl die einzelnen sind die Bilanz. noch immer in Kremsier tagt, beitet endlich eine demokra- gezwungen. Wahlkreise: Krain und Küsten- ► Blum wird trotz sei- arbeitet inzwischen unermüd- tische, freiheitliche Verfas- Zwar werden einige der er- land (Triest) je 4, Kärnten 8, ner Immunität als De- lich an der neuen österreichi- sung nach den (wenn auch kämpften Freiheiten und Prin- Österreichisch-­Schlesien 9, Ös- legierter der Deutschen schen Verfassung, denn dazu gemäßigten) Vorstellungen zipien aufgenommen, aber terreich ob der Enns 19, Tirol Nationalversammlung am war er ja am 22. Juli 1848 als der Revolution. praktisch durch einengende 20, Mähren 23, Steiermark 25, 9. November hingerichtet, verfassungsgebende Körper- Insbesondere durch die Bestimmungen wieder be- Böhmen 25, Österreich unter Messenhauser nur wenige schaft einberufen worden. getroffenen Lösungsansät- schränkt. der Enns 31. Tage später – am 16. No- Kudlich, Fischhof, Gold- ze der „Gleichberechtigung Die Pressefreiheit wird wie- vember. mark und viele andere ar- der Völker“ hätte diese im der abgeschafft. Das Wahlrecht Die weit überwiegende Zahl 1.579 Personen werden beiten hier mit. Ein Entwurf burschenschaftlich-demokra- wird durch einen Wahlzensus der Abgeordneten gehörte der verhaftet. Alle Zeitungen sieht als Präambel vor: „Alle tischen Sinn zukunftsweisend eingeschränkt. Die Versamm- römisch-­katholischen Konfes- werden verboten, nur die Souveränität geht vom Vol- aufgebaute Verfassung gehol- lungsfreiheit wird stark einge- sion an. Einer war griechisch­ „amtliche“ „Wiener Zeitung“ ke aus.“ Doch am 4. Jänner fen, die nationalen Probleme schränkt. orthodox, drei waren Lutheraner erscheint wieder. Stephans- 1849 erklärt Innenminister der Monarchie gar nicht erst Doch es kommt noch är- und sieben mosaisch. dom und Josephsdenkmal Stadion diese Formulierung entstehen zu lassen. ger: Am 31. Dezember 1851 bekommen für einen Tag für unannehmbar, da die Die Regierung beschließt erlässt Kaiser Franz Joseph Der älteste Abgeordnete aus weiße Fahnen, dann wieder Quelle der Souveränität nicht schon am 20. Jänner 1849, sein Silvesterpatent, wodurch dem Kaisertum Österreich war – klammheimlich, ohne Be- das Volk, sondern die erbliche dem Reichstag ein Ende zu die Märzverfassung aufgeho- Franz Freiherr Unterrichter 262 geisterung – schwarz–gelbe Monarchie sei. Proteste bei machen, und löst ihn am ben und der alte Absolutismus v. Rechtenthal, Jahrgang 1775. 263 kaiserliche Fahnen. den Abgeordneten, aber sie 7. März 1849 gewaltsam auf. wiederhergestellt wird. ◆ Die Freiheitlichen und das Parlament 1848 – 1849

Der jüngste war Johann Demel, der im Jahre 1825 das Licht der Welt Anton Ritter v. Schmerling, 1805–1893. Seine Familie stammte erblickte. 1867 erwarb Demel den Adel mit dem Prädikat von Elswehr. aus dem Herzogtum Kleve. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Unterrichter vertrat Tirol, Demel Österreichisch-­Schlesien. gelangte sie in das Erzherzogtum unter der Enns. Das Geschlecht wur-

de 1793 geadelt und erlangte 1817 die Landstandschaft in Niederöster-

Nach dem sozialen Stand waren 18 Abgeordnete aus dem Kaiser- reich. Schmerling wirkte in dem ersten Nationalstaat, der alle Deutschen tum bäuerlicher Herkunft, 17 Abgeordnete kamen aus Handwerkerfa- im geschlossenen Sprachraum umfasste, als Minister und Ministerpräsi- milien, 58 waren bürgerlicher Herkunft, 32 gehörten dem Neuadel an dent. In seiner engeren Heimat brachte er es zum „ (1800–1918). 21 sind heute sozial nicht mehr zuzuordnen. Drei beson- Justizminister, zum Staatsminister und von 1865 ders erfolgreiche Angehörige des Neuadels seien hier aufgeführt: Fried- bis zu seinem Tode zum Präsidenten des Obersten rich Bruck, 1798–1860 entstammte einer alten Handwerkerfamilie aus Gerichtshofes. Die Abgeordneten aller Elberfeld. Er wirkte als Unterbeamter bei dem preußischen Konsul in Triest. Im Laufe der Ereignisse brachte er es zum Handelsminister, Karl v. Scheuchenstuel, 1792–1867, brachte deutschen Lande, die das 1848–1851 zum Botschafter in Konstantinopel und 1855–1860 zum Fi- es zum Geheimen Rat und Sektionschef im Fi- nanzminister.1848 erwarb er den Ritter­, ein Jahr danach den Freiherrn- nanzministerium. Der Stammvater seiner Familie Paulskirchen-Parlament­ stand. Er starb durch Selbstmord. ist der Ratsherr zu Rosenheim, Peter Scheuchen- stuel. Reichsadel und Wappenbesserung erfolgten bildeten, stammtem Friedrich Burger, 1804–1873. Seine Familie stammte aus dem 1579. Der Abgeordnete der Paulskirche erlangte Schwarzwald. Er wurde Notar in Triest. Von1849–1862 wirkte er als 1856 den Freiherrnstand. Einer seiner Neffen, ­vornehmlich aus dem Statthalter in der Steiermark, in der Lombardei und im Küstenland. Zu- Viktor v. Scheuchenstuel, ist im Verlauf des Er- letzt tat er als Marineminister Dienst. sten Weltkrieges zum Generaloberst befördert Bürgertum. und zum Grafen erhoben worden. Karl Ritter von „ Andreas Gredler, 1802–1870, war ein Bauernsohn aus Tirol. Zu- Stremayr war steirischer Abgeordneter zum Pauls­ letzt war er Präsident der Anwaltskammer in Innsbruck und Ehren- kirchen-Parlament. Der überzeugte Deutschliberale sollte später Unter- In Kremsier bürger der Stadt. Er wurde 1849 zum Ritter und 1869 zum Freiherrn richts- und Justizminister der Monarchie werden. tagte bis erhoben. Gredlers ältere Tochter heiratete einen Advokaten namens 1849 der Oxenbauer. Der Sohn aus dieser Ehe hieß 1908 Oxenbauer, 1918 Als letzte gesellschaftliche Gruppe werden die Angehörigen des ­österreichische Gredler­-Oxenbauer und 1938 nur noch Gredler. Dessen Sohn Willfried Uradels vorgestellt. Alle drei Abgeordneten waren Großgrundbesitzer Reichstag diente als Botschafter in Bonn. und Söhne von solchen. Die Deym gehören dem böhmischen Uradel an. Sie erscheinen erstmals 1385. Friedrich Graf Deym war Kämmerer Theodor Ritter v. Karajan, und Rittmeister a. D. Das Geschlecht der Coronini lässt sich bis zum 1810–1873, wurde in Wien ge- Jahre 1168 verfolgen. Michael Graf Coronini war desgleichen Käm- boren. Sein Vater, Georg, zeugte merer. Anton Alexander Graf v. Auersperg, 1806–1876, als Dichter sein jüngstes Kind mit 66 Jahren. nannte er sich Anastasius Grün, gehörte einer der ersten Familien im Er stammte aus Kosani in Maze- Herrschaftsgebiet der Habsburg­-Lothringer an. Das Geschlecht lässt donien, zu dieser Zeit unter tür- sich bis 1220 zurückverfolgen. A. A. Auersperg war nicht nur Geheimer kischer Herrschaft. Der Name Rat und Kämmerer, sondern auch Mitglied des Herrenhauses und Mit- lautete ursprünglich Karajoannes, glied der Akademie der Wissenschaften. Die Allgemeine deutsche Real­ halb türkisch, halb griechisch, Enzyklopädie, Leipzig 1864, berichtet: „Graf v. Auersperg ist als der be- übersetzt: Schwarzer Hans. Georg gabteste neuere Dichter Deutschösterreichs anzusehen.“ Das Denkmal Karajan verließ seine Heimat und des Dichter­-Grafen steht im Stadtpark der steirischen Metropole Graz. ließ sich als Großhändler in Leip- zig nieder. Im Jahre 1792 erlangte Die Zusammensetzung der Gewählten aus Österreich für die Pauls­ er den sächsischen Vikariatsadel. kirche war eine vorwiegend bürgerliche Angelegenheit. Von den 168 Sodann wandte sich die Familie Mandataren gehörten 58 dem Klein­-, Mittel-­ und Großbürgertum an. nach Wien. Sein Sohn Theodor Hinzu kommen jene unter der Rubrik „Neuadel“ Aufgeführten, die ja war nicht allein Abgeordneter in eben aus dem Bürgertum erwachsen sind. Zusammen zählten die „Bür- der Paulskirche, sondern auch gerlichen“ somit 90 Abgeordnete. Die Bauern stellten 18, die Handwer- Professor für Germanistik an ker 17, der„ältere“ Adel 19 und der Uradel 3 Mitglieder der Deutschen der Universität Wien. Außerdem Nationalversammlung zu Frankfurt am Main. ◆ brachte er es zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften und zum lebenslänglichen Mitglied des Herrenhauses. Er war der einzige Griechisch-Orthodoxe unter allen Abgeordneten und wurde 1869 in den Ritterstand erhoben. Sein Ur- enkel war der Dirigent Herbert v. 264 Karajan. 265 266

Nachwort „Ein Auftrag für die Zukunft“

267 Die Freiheitlichen und das Parlament Nachwort

ie Wiederbegründung des Frei- reicherinnen und Österreicher sollen selbst entscheiden, mit wem sie Norbert Nemeth, ­Direktor des Dheitlichen Parlamentsklubs un- nach welchen Spielregeln zusammenleben wollen oder nicht. ter Heinz-Christian Strache ist eine Freiheitlichen Parlamentsklubs über einmalige politische Erfolgsgeschich- Anstatt die Stopptaste zu drücken, wird der undifferenzierte Zuzug te. Der Vergleich mit der Gegenwart von Fremden aber nicht beendet, sondern lediglich scheingedrosselt. den stetigen Aufstieg der Freiheitlichen beweist es: von 21 Mandaten im Na- Auf ein Inkrafttreten einer Sonderverordnung nach dem Asylgesetz tionalrat steigerten wir uns auf 40 bei warten unsere Mitbürger vergebens, wobei sich die Frage stellt, wa- ­Partei in den letzten zehn Jahren der Wahl 2013 – mittlerweile liegt die rum den Österreicherinnen und Österreichern ein Notstand zugemutet Partei in allen Umfragen konstant werden muss, ehe die Regierung ihre ureigenste Aufgabe, nämlich den bei einem Wähleranteil von über 30 Schutz der eigenen Bevölkerung, beginnt wahrzunehmen. An Stelle des Prozent. Im Bundesrat steigerten wir uns von einem Mitglied auf 13 schleichenden Niederganges und des sukzessiven Bevölkerungsaustau- und im EU-Parlament konnten wir unseren Anteil vervierfachen. Das sches sollte eine Politik des Schutzes unserer Grenzen und der Vertei- besonders Interessante an dieser Erfolgsgeschichte ist, dass sie ihren digung des hart erarbeiteten Status Quo der österreichischen Solidarge- Ursprung in einem Scheitern von historischem Ausmaß hat: dem Ende meinschaft treten. Regierungsaustausch statt Bevölkerungsaustausch ist der Regierungsarbeit mit der ÖVP nämlich, der die Gründung des BZÖ das Gebot der Stunde, (...).“ und somit die Ausbootung der FPÖ aus dem Parlament vorausgegan- gen war. In diesem kurzen Text kommen zwei inhaltliche Aspekte unseres Tuns sehr gut zum Ausdruck: der Souverän soll existentielle Fragen

Ich assoziiere mit diesen Vorgängen unweigerlich jene unglaubliche selbst entscheiden und die Regierung soll das Volk beschützen. In er-

Geschichte, die sich 1914 im antarktischen Packeis abgespielt hatte, als ster Linie das eigene, wohlgemerkt. Beides geschieht unter der derzei- der britische Polarforscher Ernest Shackleton seine Mannschaft nach tigen SPÖ-ÖVP-Regierung nicht. Andere entscheiden, wer nach wel- dem Untergang seines Schiffes „Endurance“ unter härtesten Bedin- chen Spielregeln in Österreich leben darf. Gegen „ gungen gesund und psychisch stabil zurück in die Zivilisation führte. den Willen des eigenen Volkes werden weder die 635 Tage dauerte der Fußmarsch durch die Eiswüste. Der Vergleich der Staatsgrenzen noch die innere Sicherheit ausrei- FPÖ mit der „Endurance“ ist weder vermessen noch unpassend, zumal chend geschützt. Im Kern geht es daher um nichts Der Schutz der eigenen die moderne Betriebswirtschaftslehre die Führungsstrategien Shackle- weniger als um die Frage, ob wir Opposition wi- tons genau analysierte. Heute gilt sein Verhalten als das Musterbeispiel der eine illegitime Regierung sind. Nicht illegal, Bevölkerung ist unsere für risikofreudiges, aber verantwortungsvolles Management, das den aber illegitim, zumal die Regierung ihre ureigenste Teamgeist fördert, Krisen mit knappen Ressourcen meistert, Ordnung – aus dem Gesellschaftsvertrag erfließende – Auf- ureigenste Aufgabe. im Chaos bewahrt und durch persönliches Vorbild führt. Alles Eigen- gabe, nämlich den Schutz des eigenen Volkes, of- schaften, die vor und nach 2006 erforderlich waren, um das Überleben fenkundig nicht erfüllen will. Die Etablierung ei- „ von Partei und Klub sicherzustellen. ner legitimen Regierung muss daher oberstes Ziel sein. Realistischerweise wird eine solche nur mit einer starken freiheit- Heute zeichnet sich die Arbeit des Freiheitlichen Parlamentsklubs lichen Beteiligung möglich sein. vor allem durch eines aus, nämlich durch den Mut, der unserer Arbeit zu Grunde liegt. Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Groß- Die Bundespräsidentenwahl, wie immer sie ausgeht, wird dafür eine wetterlage, die durch einen EU-Fanatismus auf der einen und durch wichtige Vorfrage sein. Die Ereignisse, die diese Wahl begleiten – konkret eine unkontrollierte Massenzuwanderung auf der anderen Seite gekenn- meine ich den Dilettantismus, der zur Aufhebung der ersten Stichwahl zeichnet ist, ist die FPÖ die einzige Parlamentspartei, die sich klar für und zur Verschiebung ihrer Wiederholung geführt hat –, sind bereits in den Weiterbestand der souveränen Republik Österreich und für den die Geschichte der Zweiten Republik eingegangen. Unregelmäßigkeiten Weiterbestand der traditionellen europäischen Völker auf Basis unserer bei Wahlen sind freilich so alt wie das Rechtsinstitut der Wahl selbst. christlich-abendländischen Kultur einsetzt. Alle anderen sind in diesen Auf ein Beispiel aus der Weltliteratur sei verwiesen: Kein Geringerer als existentiellen Fragen mehr oder weniger gleichgeschaltet. Sich nicht Stendhal lässt in einem „Zeitbild von 1830“ den „berüchtigten Baron gleichschalten zu lassen und gegen jeglichen Gleichschaltungsversuch von Tolly“ die Bühne betreten,„auf den sich anlässlich der Wahlen alle anzukämpfen, ist das Wesen unserer freiheitlichen Gesinnung. Ein ak- Aufmerksamkeit richtete. Der Baron hatte als Wahlvorsteher den geni- tuelles Beispiel aus der parlamentarischen Praxis sei einer Dringlichen alen Einfall gehabt, die in seinem Wahllokal abgegebenen Stimmen der Anfrage an den Bundeskanzler vom September 2016 entnommen: einen Partei verschwinden und durch Zettel ersetzen zu lassen, die ei- nen brauchbareren Namen trugen. Dieses entscheidende Manöver war „(...) Vor diesem Hintergrund wäre ein restriktiver Umgang mit der von einigen Wählern bemerkt worden, (...) Böse Menschen hatten das ,Flüchtlingskrise’ geboten. Horst Seehofer hat die Anzahl derjenigen, Wort Zuchthaus fallen lassen.“ Aus welchen Gründen Stendhal diesen denen Deutschland realistischerweise pro Jahr Schutz gewähren kann, Roman „Rot und Schwarz“ betitelte, können wir nicht mit Gewissheit mit 200.000 beziffert (vgl. ,Die Welt’ vom 3. Jänner 2016). Umgelegt sagen. Dass die Zeit für Rot und Schwarz abgelaufen ist, allemal. ◆ entfiele auf Österreich eine Größenordnung von circa 20.000 Personen jährlich. Angesichts der Tatsache, dass allein im vergangenen Jahr rund 100.000 Personen undifferenziert nach Österreich eingewandert sind, wäre ein Stopp dieser unkontrollierten Zuwanderung inklusive eines Asyl-Stopps bis ins Jahr 2020 angebracht. Österreich soll selbst ent- 268 scheiden, wer sich bei uns niederlassen darf und wer nicht. Die Öster- 269 270

Anhang

271 Die Freiheitlichen und das Parlament Anhang

Die Klubobmänner des Die freiheitlichen Freiheitlichen Parlamentsklubs Präsidenten des Nationalrates

1956–1963: Dr. Willfried Gredler 1963–1964: Dr. Jörg Kandutsch Dipl.-Vw. Dr. Gerulf Stix Dritter Präsident des Nationalrates 1964–1970: Mag. Dr. Emil van Tongel (1983 – 1990) 1970–1979: Friedrich Peter 1979–1979: Dipl.-Ing. DDr. Alexander Götz 1979–1986: Friedrich Peter 1986–1986: Dr. Friedhelm Frischenschlager Dr. Siegfried Dillersberger Dritter Präsident des Nationalrates 1986–1989: Dr. Jörg Haider Dr. Willfried Gredler (15. März 1990 – 4. November 1990) 1989–1992: Dr. Norbert Gugerbauer 1992–1999: Dr. Jörg Haider 1999–2000: Herbert Scheibner Mag. Dr. Heide Schmidt 2000–2002: Ing. Peter Westenthaler Dritter Präsident des Nationalrates (1990 – 1994) 2002–2003: Mag. Karl Schweitzer 2003–2006: Herbert Scheibner 2006 bis heute: Heinz-Christian Strache Mag. Herbert Haupt Dr. Jörg Kandutsch Dritter Präsident des Nationalrates (1994 – 1996)

MMag. Dr. Wilhelm Brauneder Dritter Präsident des Nationalrates (1996 – 1999) Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn Zweiter Präsident des Nationalrates Mag. Dr. Emil Friedrich Peter Dipl.-Ing. DDr. Dr. Friedhelm Dr. Jörg Haider (1999 – 2002) van Tongel ­Alexander Götz Frischenschlager Dritter Präsident des Nationalrates (2002 – 2006)

Mag. Dr. Martin Graf Dritter Präsident des Nationalrates (2008 – 2013)

Ing. Norbert Hofer Dr. Norbert Herbert Ing. Peter Mag. Karl Heinz-Christian Dritter Präsident des Nationalrates ­Gugerbauer ­Scheibner ­Westenthaler ­Schweitzer Strache (seit 2013) 272 273 Die Freiheitlichen und das Parlament Anhang

Klubdirektoren Liste der freiheitlichen und Klubsekretäre der FPÖ ­Abgeordneten zum Nationalrat bis 1964 bis 1965 (?) Klubsekretär: Hofrat Dr. Fahringer Klub der Freiheitlichen Partei Österreichs VIII. GP 8. 6. 1956 – 9. 6. 1959: Dr. Willfried Gredler, Dr. Jörg Kandutsch, 1964 bis 1965 (?) Dr. Helfried Pfeifer, Max Stendebach, Dr. Heinrich Zechmann, Gustav Zeillinger Klubsekretär: Gerhard Onder Klub der Freiheitlichen Partei Österreichs 1965 bis 1985 (?) IX. GP 9. 6. 1959 – 14. 12. 1962: Dr. Willfried Gredler, Dr. Jörg Kandutsch, Klubsekretär: Mario Erschen Wilhelm Kindl, Dr. Wilhelm Kos, Klaus Mahnert, Dipl.-Ing. Dr. Robert Scheuch, XII. GP (1970-1971): Mag. Dr. Emil van Tongel, Dr. Heinrich Zechmann, Gustav Zeillinger Klubsekretär: Mario Erschen Klub der Freiheitlichen Partei Österreichs ­ XIII. GP (1971–1975): X.­ GP 14. 12. 1962 – 30. 3. 1966: Dr. Tassilo Broesigke, Dr. Willfried Gred- Klubsekretär: Mario Erschen ler, Dr. Jörg Kandutsch, Wilhelm Kindl, Dr. Wilhelm Kos, Klaus Mahnert, Othmar Meißl, Dipl.-Ing. Dr. Robert Scheuch, Mag. Dr. Emil van Tongel, Gustav Zeillinger XIV. GP (1975–1979): Klubsekretär: Mario Erschen Klub der Freiheitlichen Partei Österreichs XI. GP 30. 3. 1966 – 31. 3. 1970: Othmar Meißl, Werner Melter, Fried- XV. GP (1979–1983): rich Peter, Dr. Otto Scrinzi, Mag. Dr. Emil van Tongel, Gustav Zeillinger Klubsekretär: Mario Erschen Klub der Freiheitlichen Partei Österreichs XVI. GP (1983–1986): XII. GP 31. 3. 1970 – 4. 11. 1971: Dr. Tassilo Broesigke, Othmar Klubsekretär: Mario Erschen (bis 31. September 1984) Meißl, Werner Melter, Friedrich Peter, Dr. Otto Scrinzi, Gustav Zeillinger Herbert Grausam (ab 1. Oktober 1984) Klub der Freiheitlichen Partei Österreichs XVII. GP (1986–1990): XIII. GP 4. 11. 1971 – 4. 11. 1975: Dr. Tassilo Broesigke, Dipl.-Ing. Georg Klubsekretär: Herbert Grausam (bis 31. Mai 1989) Hanreich, Dipl.-Vw. Helmuth Josseck, Othmar Meißl, Werner Melter, Friedrich Pe- Mag. Günther Steinkellner (ab 1. Juni 1989) ter, Dr. Albert Schmidt, Dr. Otto Scrinzi, Dipl.-Vw. Dr. Gerulf Stix, Gustav Zeillinger XVIII. GP (1990–1994): Klub der Freiheitlichen Partei Österreichs Klubsekretär/-direktor: XIV. GP 4. 11. 1975 – 4. 6. 1979: Dr. Tassilo Broesigke, Dr. Fried- Mag. Günther Steinkellner (bis 3 1. Dezember 1991) helm Frischenschlager, Dipl.-Ing. Georg Hanreich, Dipl.-Vw. Helmuth Jos- seck, Othmar Meißl, Werner Melter, Friedrich Peter, Dr. Albert Schmidt, Dr. Hanno Scheuch (ab 1. Jänner 1992) Dr. Otto Scrinzi, Dipl.-Vw. Dr. Gerulf Stix, Gustav Zeillinger Dr. Josef Moser (ab 1. April 1992) XIX. GP (1994–1996): Klub der Freiheitlichen Partei Österreichs XV. GP 5. 6. 1979 – 18. 5. 1983: Dipl.-Kfm. Holger Bauer, Dr. Tassilo Broe- Klubdirektor: Dr. Josef Moser sigke, Dr. Friedhelm Frischenschlager, Dipl.-Ing. DDr. Alexander Götz, Walter Grab- XX. GP (1996–1999): her-Meyer, Dr. Jörg Haider, Dipl.-Vw. Helmuth Josseck, Ing. Gerulf Murer, Dr. Harald Ofner, Friedrich Peter, Friedrich Probst, Dr. Norbert Steger, Dipl.-Vw. Dr. Gerulf Stix Klubdirektor: Dr. Josef Moser XXI. GP (1999–2002) Klub der Freiheitlichen Partei Österreichs Klubdirektor: Dr. Josef Moser XVI. GP 19. 5. 1983 – 16. 12. 1986: Dipl.-Kfm. Holger Bauer, Hermann Eigru- ber, Dr. Friedhelm Frischenschlager, Walter Grabher-Meyer, Dr. Norbert Gugerbauer, Dr. XXII. GP (2002-2006): Jörg Haider, Helmuth Haigermoser, Josef Hintermayer, Alois Huber, Dipl.-Vw. Helmuth Klubdirektor: Dr. Josef Moser (bis 2003) Josseck, Mag. Hilmar Kabas, Dr. Harald Ofner, Mag. Peter Ortner, Dr. Helene Par- Dr. Robert Prohaska (ab 2003-2004) tik-Pablé, Friedrich Peter, Friedrich Probst, Dr. Norbert Steger, Dipl.-Vw. Dr. Gerulf Stix Günther Barnet (ab 2004, bis zur BZÖ Abspaltung) Klub der Freiheitlichen Partei Österreichs XXIII.GP (2006-2008): XVII. GP 17. 12. 1986 – 4. 11. 1990: Ute Apfelbeck, Dipl.-Kfm. Holger Bau- er, Anton Blünegger, Dr. Siegfried Dillersberger, Hermann Eigruber, Dr. Friedhelm Klubdirektor: ParlRat Mag. Norbert Nemeth Frischenschlager, Dr. Norbert Gugerbauer, Dr. Jörg Haider, Helmut Haigermoser, XXIV. GP (2008-2013): Mag. Herbert Haupt, Josef Hintermayer, Alois Huber, Matthias Krenn, Dipl.-Ing. Dr. Klubdirektor: ParlRat Mag. Norbert Nemeth Helmut Krünes, Mag. Georg Lakner, Ing. Walter Meischberger, Hans Helmut Mo- 274 ser, Klara Motter, Ing. Gerulf Murer, Dr. Helene Partik-Pablé, Mag. Karin Praxma- 275 XXV. GP (seit 20013): Klubdirektor: ParlRat Mag. Norbert Nemeth Die Freiheitlichen und das Parlament Anhang

rer, Friedrich Probst, Gernot Rumpold, Rupert Schiffrer, Mag. Dr. Heide Schmidt, Günter Schönhart, Karl Schwab, Dipl.-Vw. Dr. Geruf Stix, Mag. Helmuth Weiss Klub der Freiheitlichen Partei Österreichs XXI. GP 29. 10. 1999 – 19. 12. 2002: Achatz Anna Elisabeth, Dr. Robert Klub der Freiheitlichen Partei Österreichs Aspöck, Ing. Gerhard Bauer, Josef Blasisker, Hermann Böhacker, Dr. Peter Böhm, Dr. XVIII. GP 5. 11. 1990 – 6. 11. 1994: Anna Elisabeth Achatz, Ute Apfelbeck, Mag. Dieter Böhmdorfer, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Bernd Brugger, Ludwig Buchinger, Ilse Thomas Barmüller, Dipl.-Kfm. Holger Bauer, Hermann Böhacker, Dr. Reinhard Eugen Burket, Dr. André d´Aron, Sigisbert Dolinschek, Robert Egghart, Ing. Gerhard Fal- Bösch, Dr. Siegfried Dillersberger, Sigisbert Dolinschek, Andreas Eisl, Harald Fischl, Dr. lent, Mag. Reinhard Firlinger, Harald Fischl, Evelyn Freigaßner, Reinhart Gaugg, Ing. Friedhelm Frischenschlager, Bernhard Gauster, Bernhard Gratzer, Mag. John Gudenus, Herbert L. Graf, Mag. Dr. Martin Graf, Wilhelm Grissemann, Mag. Dr. Udo Grollitsch, Dr. Norbert Gugerbauer, Dr. Jörg Haider, Helmut Haigermoser, Edith Haller, Dr. Peter Mag. John Gudenus, Christoph Hagen, Helmut Haigermoser, Edith Haller, Mag. Beate Harring, Ursula Haubner, Mag. Herbert Haupt, Dipl.-Kfm. Heinz Hochsteiner, Christian Hartinger, Ulrike Haunschmid, Mag. Herbert Haupt, Mag. Gerhard Hetzl, Dipl.-Ing. Hrubesch, Alois Huber, Dr. Peter Kapral, DDr. Werner Königshofer, Matthias Krenn, Maximilian Hofmann, Franz Hornegger, Wolfgang Jung, Dr. Renate Kanovsky-Winter- Mag. Georg Lakner, Mag. Dieter Langer, Dipl.-Kfm. Georg Matuner Markhof, Ing. Walter mann, Ing. Gert Klamt, Anton Knerzl, Franz Koller, Dr. Michael Krüger, Dr. Gerhard Meischberger, Josef Meisinger, Peter Mitterer, Andreas Mölzer, Hans Helmut Moser, Klara Kurzmann, Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger, Mag. Eduard Mainoni, Monika Mühlwerth, Motter, Ing. Geruf Murer, Horst Nußbaumer, Dr. Harald Ofner, Dr. Helene Partik-Pablé, Hans Müller, Detlev Neudeck, Mag. Christof Neuner, Wilhelm Niederhuemer, Dr. Klaus Dipl.-Ing. Dr. Rainer Pawkowicz, Mag. Helmut Peter, Georg Pranckh, Dr. Helmut Prasch, Peter Nittmann, Dr. Harald Ofner, Patrick Ortlieb, Dr. Sylvia Papházy MBA, Dr. Helene Mag. Karin Praxmarer, Friedrich Probst, Dr. Alois Pumberger, Ing. Mathias Reichhold, Dr. Partik-Pablé, Jakob Pistotnig, Dr. Brigitte Povysil, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dr. Alois Susanne Riess-Passer, Dr. Michael Rockenschaub, Peter Rosenstingl, Herbert Scheib- Pumberger, Mag. Thomas Ram, Hermann Reindl, Dr. Susanne Riess-Passer, Mag. ner, Dipl.-Ing. Michael Schmid, Mag. Dr. Heide Schmidt, Hans Schöll, Ing. Mag. Erich L. Konstanze Röhrs, Herbert Scheibner, Mag. Rüdiger Schender, Ing. Kurt Scheuch, lic. Schreiner, Karl Schwab, Mag. Karl Schweitzer, Mag. Gilbert Trattner, Dr. Paul Tremmel oec HSG Irina Schoettel-Delacher, Dipl.-Ing. Leopold Schöggl, Mag. Karl Schweitzer, Hans Sevignani, Andreas Sodian, Norbert Staffaneller, Benno Sulzberger, Mag. Gil- bert Trattner, Dr. Paul Tremmel, Harald Trettenbrein, Anton Wattaul, Engelbert Weil- Klub der Freiheitlichen Partei Österreichs harter, Ing. Wilhelm Weinmeier, Robert Wenitsch, Ing. Peter Westenthaler, Ernest XIX. GP 7. 11. 1994 – 14. 1. 1996: Anna Elisabeth Achatz, Ute Apfelbeck, Windholz, Klaus Wittauer, Dr. Jutta Wochesländer, Roland Zellot, Theresia Zierler Dipl.-Kfm. Holger Bauer, Hermann Böhacker, Dr. Reinhard Eugen Bösch, MMag. Dr. Willi Brauneder, Sigisbert Dolinschek, Andreas Eisl, Harald Fischl, Mag. Dr. Martin Graf, Mag. Dr. Udo Grollitsch, Mag. John Gudenus, Dr. Jörg Haider, Helmut Haigermo- Freiheitlicher Parlamentsklub ser, Dr. Peter Harring, Ursula Haubner, Mag. Herbert Haupt, Dr. Liane Höbinger-Leh- XXII. ­GP ­20. 12. 2002 – 29. 10. 2006: Dipl.-Ing. Elke Achleitner, Dr. Robert As- rer, Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann, Wolfgang Jung, Dr. Peter Kapral, DDr. Werner pöck, Mag. Dr. Magda Bleckmann, Dr. Peter Böhm, Dr. Dieter Böhmdorfer, Dr. Reinhard Königshofer, Dr. Michael Krüger, Franz Lafer, Mag. Dieter Langer, Elfriede Madl, Ing. Eugen Bösch, Josef Bucher, Sigisbert Dolinschek, Markus Fauland, Wilhelm Grissemann, Walter Meischberger, Josef Meisinger, Hermann Mentil, Ing. Gerulf Murer, Ing. Wolf- Mag. John Gudenus, Christoph Hagen, Ulrike Haunschmid, Mag. Herbert Haupt, Dipl.-Ing. gang Nußbaumer, Dr. Harald Ofner, Dr. Helene Partik-Pablé, Dr. Helmut Prasch, Mag. Maximilian Hofmann, Ing. Siegfried Kampl, Dr. Renate Kanovsky-Wintermann, Ing. Gert Karin Praxmarer, Dr. Susanne Preisinger, Hans Pretterebner, Dr. Alois Pumberger, Klamt, Elmar Lichtenegger, Dipl.-Ing. Dr. Bernd Lindinger, Mag. Eduard Mainoni, Peter Helena Ramsbacher, Ing. Matthias Reichhold, Dr. Susanne Riess-Passer, Dr. Micha- Mitterer, Marialuise Mittermüller, Delev Neudeck, Dr. Klaus Peter Nittmann, Dr. Helene el Rockenschaub, Peter Rosenstingl, Mares Rossmann, Dipl.-Kfm. Kurt Ruthofer, Dr. Partik-Pablé, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Barbara Rosenkranz, Mares Rossmann, Stefan Salzl, Herbert Scheibner, Dipl.-Ing. Leopold Schöggl, Hans Schöll, Ing. Mag. Herbert Scheibner, Dipl.-Ing. Uwe Scheuch, Mag. Karl Schweitzer, Benno Sulzberger, Erich L. Schreiner, Karl Schwab, Mag. Karl Schweitzer, Mag. Ewald Stadler, Mag. Gil- Maximilian Walch, Anton Wattaul, Engelbert Weilharter, Klaus Wittauer, Roland Zellot bert Trattner, Dr. Paul Tremmel, Josef Trenk, Gottfried Waldhäusl, Robert Wenitsch

Klub der Freiheitlichen Partei Österreichs XX. GP 15. 1. 1996 – 28. 10. 1999: Anna Elisabeth Achatz, Ute Apfelbeck, Freiheitlicher Parlamentsklub Dipl.-Kfm. Holger Bauer, Anton Blünegger, Hermann Böhacker, Dr. Peter Böhm, Dr. XXIII. GP 30. 10. 2006 – 27. 10. 2008: Dr. Robert Aspöck, Dr. Dag- Reinhard Eugen Bösch, MMag. Dr. Willi Brauneder, Dr. André d´Aron, Sigisbert Do- mar Belakowitsch-Jenewein, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Alois Gradauer, Mag. linschek, Andreas Eisl, Mag. Reinhard Firlinger, Harald Fischl, Reinhart Gaugg, Mag. Dr. Martin Graf, Mag. Dr. Manfred Haimbuchner, Mag. Gerald Hauser, Ing. Nor- Dr. Martin Graf, Wilhelm Grissemann, Mag. Dor. Udo Grollitsch, Mag. John Gudenus, bert Hofer, Herbert Kickl, Dipl.-Ing. Karlheinz Klement MAS, Dr. Gerhard Kurz- Christoph Hagen, Helmut Haigermoser, Edith Haller, Dr. Peter Harring, Ursula Haubner, mann, Hartmann Lautenschlager, Leopold Mayerhofer, Werner Neubauer, Ulrike Haunschmid, Mag. Herbert Haupt, Dr. Liane Höbinger-Lehrer, Dipl.-Ing. Maximilian Barbara Rosenkranz, Mag. Ewald Stadler, Heinz-Christian Strache, Bernhard The- Hofmann, Wolfgang Jung, Dr. Peter Kapral, Anneliese Klein, Franz Koller, DDr. Werner messel, Harald Vilimsky, Bernhard Vock, Lutz Weinzinger, Wolfgang Zanger Königshofer, Dr. Michael Krüger, Dr. Gerhard Kurzmann, Franz Lafer, Mag. Dieter Langer, Karl Leutgöb, Dr. Franz Linser, Elfriede Madl, Mag. Eduard Mainoni, Heinz Anton Marolt, Ing. Walter Meischberger, Josef Meisinger, Hermann Mentil, Helga Moser, Monika Mühl- Freiheitlicher Parlamentsklub werth, Mag. Christof Neuner, Dr. Klaus Peter Nittmann, Ing. Wolfgang Nußbaumer, Dr. XXIV. GP 28. 10. 2008 – 28. 10. 2013: Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Harald Ofner, Dr. Helene Partik-Pablé, Dr. Brigitte Povysil, Dr. Helmut Prasch, Mag. Karin Hermann Brückl, Mag. Gernot Darmann, Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Rupert Doppler, Praxmarer, Dr. Susanne Preisinger, Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn, Dr. Alois Pumberger, Gerhard Dörfler, Johann Ertl, Dr. Peter Fichtenbauer, Carmen Schimanek, Alois Gra- Mag. Thomas Ram, Helena Ramsbacher, Ing. Mathias Reichhold, Dr. Susanne Riess-Pas- dauer, Mag. Dr. Martin Graf, Ing. Heinz-Peter Hackl, Christian Hafenecker MA, Mag. ser, Dr. Michael Rockenschaub, Peter Rosenstingl, Mares Rossmann, Dipl.-Kfm. Kurt Roman Haider, Mag. Dr. Manfred Haimbuchner, Werner Herbert, Ing. Christian Höbart, Ruthofer, Dr. Stefan Salzl, Herbert Scheibner, Mag. Walter Scherb, Ing. Kurt Scheuch, Ing. Norbert Hofer, Dr. Johannes Hübner, Harald Jannach, Hans-Jörg Jenewein, Josef Dipl.-Ing. Leopold Schöggl, Hans Schöll, Ing. Mag. Erich L. Schreiner, Mag. Karl Schwei- Jury, Dr. Andreas F. Karlsböck, Herbert Kickl, Anneliese Kitzmüller, DDr. Werner Kö- tzer, Mag. Ewald Stadler, Wilfried Tilg, Mag. Gilbert Trattner, Dr. Paul Tremmel, Josef nigshofer, Gerd Krusche, Mario Kunasek, Dr. Gerhard Kurzmann, Christian Lausch, 276 Trenk, Gottfried Waldhäusl, Engelbert Weilharter, Robert Wenitsch, Ernest Windholz Maximilian Linder, Dr. Herbert Madejski, Leopold Mayerhofer, Cornelia Michalke, Peter 277 Die Freiheitlichen und das Parlament Anhang

Mitterer, Edith Mühlberghuber, Monika Mühlwerth, Werner Neubauer, Franz Pirolt, III. GP 18. 5. 1927 – 1. 10. 1930: Mag. Reinhard Pisec BA, Elmar Podgorschek, Josef A. Riemer, Dr. Walter Rosenkranz, LBd Aman Sepp LBd Hartleb Karl LBd Tauschitz Stephan Dr. Dietmar Schmittner, Mag. Harald Stefan, Heinz-Christian Strache, Dr. Martin Strutz, LBd Bichl Felix GdP Klimann Thomas GdP Waber Leopold Bernhard Themessl, Mag. Heidemarie Unterrainer, Mathias Venier, Harald Vilimksy, GdP Clessin Heinrich LBd Pistor Felix GdP Wagner Otto Bernhard Vock, Lutz Weinzinger, Dr. Susanne Winter, Wolfang Zanger, Peter Zwanziger LBd Dewaty Hubert GdP Prodinger Hans GdP Wotawa August Freiheitlicher Parlamentsklub GdP Dinghofer Franz LBd Schönbauer Ernst LBd Zangel Josef XXV. GP seit 29. 10. 2013: Erwin Angerer, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jene- GdP Fahrner Anton GdP Schürff Hans GdP Zarboch Rudolf wein, Dr. Reinhard Eugen Bösch, Hermann Brückl, Mag. Gernot Darmann, Dipl.-Ing. GdP GrailerIring GdP Straffner Sepp Gerhard Deimek, Rupert Doppler, Gerhard Dörfler, Rosa Ecker, MMag. DDr. Hubert GdP Hampel Ernst LBd Strießnigg Karl Fuchs, Carmen Schimanek, Ing. Heinz-Peter Hackl, Christian Hafenecker MA, Mag. IV. GP 2. 12. 1930 – 2. 5. 1934: Roman Haider, Mag. Gerald Hauser, Werner Herbert, Ing. Christian Höbart, Ing. Nor- bert Hofer, Dr. Johannes Hübner, Harald Jannach, Hans-Jörg Jennewein, Dr. Andreas HB Auinger Johann HB Lichtenegger Fritz HB Starhemberg Ernst Rüdiger F. Karlsböck, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Herbert Kickl, Anneliese Kitzmüller, Erich LBd Dewaty Hubert HB Neustädter-Stürmer Odo NWB Straffner Sepp Königsberger, Gerd Krusche, Mag. Günther Kumpitsch, Mario Kunasek, Christoph HB Ebner Hans HB Oberegger Josef LBd Strießnigg Karl Längle, Christian Lausch, Dr. Jessi Lintl, Arndt Meißl, Cornelia Michalke, Wendelin HB Elshuber August LBd Peter Adolf LBd Tauschitz Stephan Mölzer, Edith Mühlberghuber, Monika Mühlwerth, Werner Neubauer, Mag. Reinhard NWB Foppa Hermann LBd Pistor Felix LBd Thoma Franz Pisec BA, Elmar Podgorschek, Mag. Michael Raml, Walter Rauch, Josef A. Riemer, Ing. LBd Grabenhofer Gottlieb GdP Prodinger Hans NWB Vinzl Josef Bernhard Rösch, Barbara Rosenkranz, Dr. Walter Rosenkranz, Peter Samt, Ing. Thomas HB Hainzl Josef LBd Raser Josef LBd Weigl Richard Schellenbacher, Thomas Schererbauer, Gerhard Schmid, Dr. Dietmar Schmittner, Mag. NWB Hampel Ernst LBd Schauer-Schoberlechner Johannes HB Werner Max Philipp Schrangl, Mag. Harald Stefan, Petra Steger, Heinz-Christian Strache, Bern- HB Hueber Franz NWB Schneider Maria LBd Winkler Franz hard Themessl, Harald Vilimsky, Dr. Susanne Winter, Peter Wurm, Wolfgang Zanger HB Kampitsch Julius NWB Schober Johannes NWB Wotawa August HB Lengauer Josef NWB Schürff Hans NWB Zarboch Rudolf Liste der nationalliberalen­ GdB Großdeutsche Partei LBd Landbund ­Abgeordneten in der Ersten Republik NWB Nationaler Wirtschaftsblock HB Heimatblock Konstituierende Nationalversammlung für Deutschösterreich 4. 3. 1919 – 1. 10. 1920: GdP Altenbacher Franz GdP Größbauer Philipp GdP Schürff Hans GdP Angerer Hans GdP Kittinger Karl GdP Stocker Leopold GdP Birchbauer Josef GdP Kraft Emil GdP Straffner Sepp Bildnachweis: Umschlag und Seite 21: Kiefer/www.wikipedia.org; Seite 22: Parlament- GdP Clessin Heinrich GdP Krötzl Josef GdP Thanner Josef sdirektion/Bildagentur Zolles KG/Christian Hofer; Seite 23: Manfred GdP Dengg Alois GdP Mayer Josef GdP Ursin Josef Werner (Bild oben), Parlamentsdirektion (Bild unten); Seite 26: Parlament- GdP Dinghofer Franz GdP Müller-Guttenbrunn Adam GdP Waber Leopold sdirektion/Mike Ranz; Seite 29: Flick.com; Seite 38: Daniel Weber; Seite GdP Egger Bernhard GdP Pauly Max GdP Wedra Rudolf 52: Parlamentsdirektion/Michael Buchner; Seite 56: Parlamentsdirek- GdP Furreg Lotte GdP Schöchtner Franz GdP Wimmer Matthias tion/Bildagentur Zolles KG/Christian Hofer; Seite 58: Parlamentsdirek- GdP Grahamer Ferdinand GdP Schönbauer Ernst GdP Wutte Viktor tion/Bildagentur Zolles KG/Christian Hofer; Seite 61: Parlamentsdirek- tion/Bildagentur Zolles KG/Mike Ranz; Seite 63: Parlamentsdirektion/ I. GP 10. 11. 1920 – 20. 11 1923: Mike Ranz; Seite 65: Parlamentsdirektion/Mike Ranz; Seite 66: Parla- mentsdirektion/Mike Ranz; Seite 68: Parlamentsdirektion/Bildagentur GdP Altenbacher Franz GdP Dinghofer Franz GdP Lump Anton Zolles KG/Christian Hofer; Seite 70: Parlamentsdirektion/Bildagentur GdP Angerer Hans GdP Furreg Lotte GdP Mayer Josef Zolles KG/Christian Hofer; Seite 75: Parlamentsdirektion/Bildagentur GdP Bichl Felix GdP Hampel Ernst GdP Pauly Max Zolles KG/Christian Hofer; Seite 78: Parlamentsdirektion/Mike Ranz; GdP Bösch Karl GdP Kraft Emil GdP Schmidt Friedrich Seite 81: Parlamentsdirektion/Mike Ranz; Seite 82: Parlamentsdirek- GdP Clessin Heinrich GdP Lackner Friedrich GdP Schürff Hans tion/Bildagentur Zolles KG/Mike Ranz; Seite 86: Parlamentsdirektion/ Mike Ranz; Seite 98: Screenshot ORF; Seite 121: Parlamentsdirektion/ II. GP 20. 11. 1923 – 18. 5. 1927: Stefan Olah; Seite 127: allesroger.at; Seite 132: schwarzbuchoevp.at; LBd Aman Sepp GdP Frank Felix LBd Schönbauer Ernst Seite 133: angelfire.com; Seite 134: Parlamentsdirektion/Bildagentur GdP Angerer Hans GdP GrailerIring GdP Schürff Hans Zolles KG/Christian Hofer; Seite 172: mein-oesterreich.info; Seite 202: LBd Bichl Felix LBd Größbauer Philipp GdP Skaret Ferdinand freiheitistselbstbestimmtesleben.de; Seite 202: Bezirksmuseum Josef- GdP Clessin Heinrich GdP Hampel Ernst GdP Stradal Emmy stadt; Seite 204: cab-standrae.com; Seite 209: eisenstraße.info; Seite GdP Dinghofer Franz GdP Klimann Thomas GdP Zarboch Rudolf 223: Parlamentsdirektion; Seite 238: Parlamentsdirektion; alle Bilder, welche nicht gesondert erwähnt wurden, stammen aus dem Archiv der GdP Ertl Ferdinand GdP Kraft Emil „Neuen Freien Zeitung“ und der FPÖ; Umschlag, Titelbild und Graphiken 278 wurden erstellt von W.-R. Mölzer. 279 280