Schwarz-Grün in Österreich?

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Schwarz-Grün in Österreich? 427_49_54_Vytiska 25.05.2005 14:19 Uhr Seite 49 Zur aktuellen Rolle der ÖVP Schwarz-Grün und ihren Optionen in Österreich? Herbert Vytiska Theoretisch wählt Österreich erst im musste dem damaligen freiheitlichen Herbst 2006 sein neues Parlament. Prak- Jungstar Jörg Haider Platz machen. Damit tisch befindet sich die Alpenrepublik begann eine politische Ära, die fast bei- aber schon jetzt im Vorwahlkampf. Eine spiellos ist und das etablierte österreichi- Frage, die politische Beobachter bewegt, sche Parteienspektrum gehörig durchein- lautet: Hat das so genannte dritte Lager ander rüttelte. Zunächst aber führte Mock nach den Turbulenzen rund um die Neu- – der am Wahlabend einen Beinahe-Zu- gründung der FPÖ noch eine Chance, sammenbruch, offenbar ein Vorbote sei- sich zu konsolidieren und/oder schafft ner später ausbrechenden Parkinson- Bundeskanzler Wolfgang Schüssel nach Krankheit, erlitten hatte, sich aber den- den nächsten Wahlen eine Koalition mit noch das Steuer in der Partei nicht aus der den Grünen? Hand nehmen ließ – die Regierungsver- Die Würdigungen zum fünfundsieb- handlungen. Dabei zeigte sich von allem zigsten Geburtstag des deutschen Alt- Anfang an, dass die Chemie zwischen dem Bundeskanzlers Helmut Kohl riefen in Er- ÖVP-Obmann und seinem politischen innerung, dass er seinerzeit zu jenen Par- Vis-à-vis, SPÖ-Vorsitzenden Franz Vra- teifreunden zählte, die der Österreichi- nitzky, nicht wirklich stimmte. Kurzum, schen Volkspartei (ÖVP) noch zu deren der Schulterschluss von SPÖ und ÖVP war immerhin siebzehn Jahre währender Op- der Wiederbelebungsversuch eines einst- positionszeit mehrmals den Rat gaben, mals erfolgreichen Regierungsmodelles doch ähnlich wie die CDU eine Koalition mit Ablaufdatum. mit den Freiheitlichen zu versuchen. Zu Haider bestanden schon seit gerau- Nach den Nationalratswahlen 1986 mer Zeit von mehreren ÖVP-Politikern, hatte der damalige ÖVP-Parteiobmann darunter auch von Mock, sehr gute Kon- Alois Mock den ernsthaften Plan, eine Ko- takte. Er galt als ein talentierter, ge- alition mit der FPÖ zu schmieden. Bereits sprächsfähiger Politiker, dessen primäres nach den Wahlen 1983, die der SPÖ den Ziel es war, die FPÖ nicht zum Steigbü- Verlust der absoluten Mehrheit und damit gelhalter der SPÖ verkommen zu lassen, den Rücktritt Bruno Kreiskys bescherten, sondern letztlich eine „bürgerliche Regie- machte Mock dem freiheitlichen Spitzen- rungsmehrheit“ zu etablieren. Sein Hang mann Norbert Steger ein seriöses Angebot zu einem „Populismus zum Quadrat“, für eine Zusammenarbeit. Steger verstand sein geradezu magisches Talent, Men- aber das Signal nicht und war zudem schen und Medien in den Bann zu ziehen, schon zuvor für eine Koalition mit der SPÖ war damals noch unterschätzt worden. Es unter der Führung von Fred Sinowatz ge- war übrigens gerade die so genannte ködert worden. „Jagdgesellschaft“, die Haider später die Die „kleine Koalition“ SPÖ/FPÖ hielt größten Plattformen bieten sollte. Ihre keine drei Jahre, nur bis 1986, und Steger Versuche, ihn zu dämonisieren, trieben Nr. 427 · Juni 2005 Seite 49 427_49_54_Vytiska 25.05.2005 14:19 Uhr Seite 50 Herbert Vytiska erst recht viele Wähler in sein Lager. Das die FPÖ „hoffähig“ gemacht hatte. Bereits Resultat der Parteien-Verhandlungen an in den fünfziger Jahren wurden vom da- der Jahreswende 1986/87 war die Neu- maligen sozialistischen Innenminister auflage der „großen Koalition“, die der Vorgänger-Partei der FPÖ, sie nannte Österreich schon einmal – nämlich von sich VdU, finanzielle Mittel zugesteckt 1945 bis 1966 – regiert, dem Land wirt- mit dem Ziel, ÖVP-Wähler anzuwerben schaftlichen Wohlstand und sozialen und damit die Partei eines Julius Raab Frieden gebracht hatte. Eine kleine „bür- und Leopold Figl zu schwächen. 1970, als gerliche“ Koalition war zwar angedacht Kreisky zunächst nur eine Minderheits- worden, aber noch nie zu Stande gekom- regierung bilden konnte, erkaufte er sich men. Mock hätte eine Präferenz dafür ge- mit einer die FPÖ begünstigenden habt, wusste aber aufgrund von Sondie- Wahlrechtsreform vom damaligen FPÖ- rungen, dass er dafür im Parteivorstand Obmann Friedrich Peter, der nachweis- keine Mehrheit erhalten würde – und lich bei der SS gedient hatte, die Macht brachte diese Variante daher auch gleich über Österreich. Und 1983 waren es die gar nicht erst zur Abstimmung. Sozialisten, die erstmals offiziell die FPÖ Es war nicht nur die Wirtschaft, die 1987 in die Bundesregierung nahmen. ihren politischen Langzeittraum von der Wäre Jörg Haider bereits 1987 in die Wiederbelebung der schwarz-roten Koa- Regierung einbezogen worden, so hätte lition fast um jeden Preis realisiert sehen sich wahrscheinlich vieles anders entwi- wollte, sondern auch in den übrigen Teil- ckelt, als es letztlich gekommen ist. und Landesorganisationen der Volkspar- Die SPÖ hätte schon früher und nicht tei waren viele der Überzeugung, dass der erst zu Beginn des dritten Jahrzehntes ih- bevorstehende Antrag um Aufnahme von rer Regierungszeit mit ihrer Regenera- Beitrittsverhandlungen mit der EU nur tionskur und mit Staatsreformen beginnen von ÖVP und SPÖ gemeinsam zu schaf- müssen. Die FPÖ wäre rechtzeitig mit der fen wäre. Nicht zuletzt gab es aber auch harten Arbeit des Regierens konfrontiert erhebliche Stimmen, die Angst vor einer gewesen. So aber bot die Neuauflage der Diffamierungskampagne hatten, dass alten „großen Koalition“ der Opposition man der ÖVP nachsagen könnte, eine Par- jede Möglichkeit der Profilierung. Und sie tei in die Regierung zu hieven, in der noch nutzte diese Möglichkeiten vortrefflich. an so manchem Politiker „braune Fle- Während die Wählerschaft der Grünen cken“ hafteten. Ein Argument, das vor zwar nicht spektakulär, aber doch stetig allem im Jahre 2000, angezettelt von der anwuchs, setzte die FPÖ zu großen Sprün- Sozialistischen Internationale, benützt gen an. Haider agierte geradezu als ein wurde, um die erste Regierung Schüssel „Robin Hood“ der österreichischen Innen- europaweit zu diskriminieren. Faktum politik. Zunächst nahm er der ÖVP jene war, dass sich die FPÖ unzweifelhaft Wähler weg, die schon immer gegen einen innerhalb des so genannten Verfassungs- Kuschelkurs mit den Sozialdemokraten bogens bewegte und zu den demokrati- waren und kräftige Worte schätzten. Als schen Grundprinzipien bekannte, nur dieses Wählerpotenzial ausgeschöpft war, eben Mitte-rechts stand und mit populis- nahm er sich die unzufriedenen sozialisti- tischen Aussagen glänzte. Den Vorwurf schen Arbeiter vor, die geradezu in Scha- des Populismus könnte man freilich ge- ren überliefen. nauso vielen Politikern machen, die im Am Ende der neunziger Jahre tat man Mitte-links-Spektrum angesiedelt sind. sich bereits schwer, bei der SPÖVP-Regie- Zudem hätte allein ein Blick in die Ge- rung von einer „großen Koalition“ zu re- schichtsbücher genügt, um zu sehen, wer den. Sie war nämlich kein Gebilde der bei- Seite 50 Nr. 427 · Juni 2005 427_49_54_Vytiska 25.05.2005 14:19 Uhr Seite 51 Schwarz-Grün in Österreich? den großen Parteien mehr. Tatsächlich Optionen offen, hatte aber alsbald er- gab es zu diesem Zeitpunkt nur noch drei kannt, dass das Modell einer bürgerlichen Mittel-Parteien. Die FPÖ, die früher Koalitionsregierung nur dann eine wirk- bundesweit zwischen fünf und sieben liche Chance auf Realisierung hätte, wenn Prozent schwankte, war unter Haider an es sich selbst zurücknähme. Letztlich war die Dreißig-Prozent-Marke gelangt. der Druck in der Öffentlichkeit so stark, Haider und seine FPÖ waren zu einem dass nicht einmal ein Ministeramt für politischen Faktor geworden, der weit Haider möglich war. über die österreichischen Grenzen hin- Wann genau Schüssel offensiv die ausstrahlte. Auch andere Rechts-Parteien FPÖ-Option aufgriff und ob er nicht in Europa nahmen sich die FPÖ zum Vor- schon selbst früher an ein solches Bündnis bild. Haider spekulierte sogar auf eine gedacht hatte, das ist bis heute sein wohl europaweite Bewegung. behütetes Geheimnis. Nicht das Faktum, dass sich im Fe- Der Schock von1999 und bruar 2000 eine Regierung bildete, bei der Regierungsbildung 2000 die drittstärkste Kraft mithilfe der zweit- Bei der Nationalratswahl 1999 passierte stärksten den Bundeskanzler stellte, son- dann etwas, woran selbst erfahrene Poli- dern dass die SPÖ nach dreißig Jahren Re- tikwissenschafter und Meinungsforscher gierungsverantwortung auf die Opposi- nie im Leben geglaubt hätten: Die ÖVP tionsbank geschickt wurde und sich die rutschte auf Platz drei ab, die SPÖ verlor ÖVP „erdreistet“ hatte, eine Koalition mit massiv Stimmen vor allem in den Arbei- der FPÖ zu bilden, sollte zum Anlass terhochburgen, und die FPÖ wurde zweit- einer politischen „Entmündigung“ ge- stärkste Partei. Ratlosigkeit herrschte in nommen werden: Man wollte allen Erns- den politischen Leitzentralen. tes die aus einer demokratischen Wahl re- Zunächst war die ÖVP so geschockt, sultierende Regierungsbildung verhin- dass sie nur noch an den Weg in die Op- dern, was sogar zur kurzzeitigen Äch- position dachte. Die SPÖ wollte als relativ tung österreichischer Regierungsmitglie- stärkste Partei weiter den Bundeskanzler der durch viele Staatschefs und Regie- stellen. Sie mied die FPÖ wie der Teufel rungsmitglieder im Bereich der EU und das Weihwasser und machte der ÖVP den zu Sanktionen der EU gegenüber Öster- Hof. Der SPÖ-Vorsitzende und noch reich führte. Bundeskanzler Viktor Klima erkannte Wolfgang Schüssel gewann seit dem freilich nicht die wahren Zeichen an der Jahr 2000 ungemein an Statur. Zunächst, Wand, seine Angebote beinhalteten keine indem er mit seinem Koalitionspartner wirklich substanziellen
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