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Zur aktuellen Rolle der ÖVP Schwarz-Grün und ihren Optionen in Österreich?

Herbert Vytiska

Theoretisch wählt Österreich erst im musste dem damaligen freiheitlichen Herbst 2006 sein neues Parlament. Prak- Jungstar Jörg Haider Platz machen. Damit tisch befindet sich die Alpenrepublik begann eine politische Ära, die fast bei- aber schon jetzt im Vorwahlkampf. Eine spiellos ist und das etablierte österreichi- Frage, die politische Beobachter bewegt, sche Parteienspektrum gehörig durchein- lautet: Hat das so genannte dritte Lager ander rüttelte. Zunächst aber führte Mock nach den Turbulenzen rund um die Neu- – der am Wahlabend einen Beinahe-Zu- gründung der FPÖ noch eine Chance, sammenbruch, offenbar ein Vorbote sei- sich zu konsolidieren und/oder schafft ner später ausbrechenden Parkinson- Bundeskanzler Wolfgang Schüssel nach Krankheit, erlitten hatte, sich aber den- den nächsten Wahlen eine Koalition mit noch das Steuer in der Partei nicht aus der den Grünen? Hand nehmen ließ – die Regierungsver- Die Würdigungen zum fünfundsieb- handlungen. Dabei zeigte sich von allem zigsten Geburtstag des deutschen Alt- Anfang an, dass die Chemie zwischen dem Bundeskanzlers Helmut Kohl riefen in Er- ÖVP-Obmann und seinem politischen innerung, dass er seinerzeit zu jenen Par- Vis-à-vis, SPÖ-Vorsitzenden Franz Vra- teifreunden zählte, die der Österreichi- nitzky, nicht wirklich stimmte. Kurzum, schen Volkspartei (ÖVP) noch zu deren der Schulterschluss von SPÖ und ÖVP war immerhin siebzehn Jahre währender Op- der Wiederbelebungsversuch eines einst- positionszeit mehrmals den Rat gaben, mals erfolgreichen Regierungsmodelles doch ähnlich wie die CDU eine Koalition mit Ablaufdatum. mit den Freiheitlichen zu versuchen. Zu Haider bestanden schon seit gerau- Nach den Nationalratswahlen 1986 mer Zeit von mehreren ÖVP-Politikern, hatte der damalige ÖVP-Parteiobmann darunter auch von Mock, sehr gute Kon- den ernsthaften Plan, eine Ko- takte. Er galt als ein talentierter, ge- alition mit der FPÖ zu schmieden. Bereits sprächsfähiger Politiker, dessen primäres nach den Wahlen 1983, die der SPÖ den Ziel es war, die FPÖ nicht zum Steigbü- Verlust der absoluten Mehrheit und damit gelhalter der SPÖ verkommen zu lassen, den Rücktritt Bruno Kreiskys bescherten, sondern letztlich eine „bürgerliche Regie- machte Mock dem freiheitlichen Spitzen- rungsmehrheit“ zu etablieren. Sein Hang mann ein seriöses Angebot zu einem „Populismus zum Quadrat“, für eine Zusammenarbeit. Steger verstand sein geradezu magisches Talent, Men- aber das Signal nicht und war zudem schen und Medien in den Bann zu ziehen, schon zuvor für eine Koalition mit der SPÖ war damals noch unterschätzt worden. Es unter der Führung von ge- war übrigens gerade die so genannte ködert worden. „Jagdgesellschaft“, die Haider später die Die „kleine Koalition“ SPÖ/FPÖ hielt größten Plattformen bieten sollte. Ihre keine drei Jahre, nur bis 1986, und Steger Versuche, ihn zu dämonisieren, trieben

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erst recht viele Wähler in sein Lager. Das die FPÖ „hoffähig“ gemacht hatte. Bereits Resultat der Parteien-Verhandlungen an in den fünfziger Jahren wurden vom da- der Jahreswende 1986/87 war die Neu- maligen sozialistischen Innenminister auflage der „großen Koalition“, die der Vorgänger-Partei der FPÖ, sie nannte Österreich schon einmal – nämlich von sich VdU, finanzielle Mittel zugesteckt 1945 bis 1966 – regiert, dem Land wirt- mit dem Ziel, ÖVP-Wähler anzuwerben schaftlichen Wohlstand und sozialen und damit die Partei eines Julius Raab Frieden gebracht hatte. Eine kleine „bür- und Leopold Figl zu schwächen. 1970, als gerliche“ Koalition war zwar angedacht Kreisky zunächst nur eine Minderheits- worden, aber noch nie zu Stande gekom- regierung bilden konnte, erkaufte er sich men. Mock hätte eine Präferenz dafür ge- mit einer die FPÖ begünstigenden habt, wusste aber aufgrund von Sondie- Wahlrechtsreform vom damaligen FPÖ- rungen, dass er dafür im Parteivorstand Obmann , der nachweis- keine Mehrheit erhalten würde – und lich bei der SS gedient hatte, die Macht brachte diese Variante daher auch gleich über Österreich. Und 1983 waren es die gar nicht erst zur Abstimmung. Sozialisten, die erstmals offiziell die FPÖ Es war nicht nur die Wirtschaft, die 1987 in die Bundesregierung nahmen. ihren politischen Langzeittraum von der Wäre Jörg Haider bereits 1987 in die Wiederbelebung der schwarz-roten Koa- Regierung einbezogen worden, so hätte lition fast um jeden Preis realisiert sehen sich wahrscheinlich vieles anders entwi- wollte, sondern auch in den übrigen Teil- ckelt, als es letztlich gekommen ist. und Landesorganisationen der Volkspar- Die SPÖ hätte schon früher und nicht tei waren viele der Überzeugung, dass der erst zu Beginn des dritten Jahrzehntes ih- bevorstehende Antrag um Aufnahme von rer Regierungszeit mit ihrer Regenera- Beitrittsverhandlungen mit der EU nur tionskur und mit Staatsreformen beginnen von ÖVP und SPÖ gemeinsam zu schaf- müssen. Die FPÖ wäre rechtzeitig mit der fen wäre. Nicht zuletzt gab es aber auch harten Arbeit des Regierens konfrontiert erhebliche Stimmen, die Angst vor einer gewesen. So aber bot die Neuauflage der Diffamierungskampagne hatten, dass alten „großen Koalition“ der Opposition man der ÖVP nachsagen könnte, eine Par- jede Möglichkeit der Profilierung. Und sie tei in die Regierung zu hieven, in der noch nutzte diese Möglichkeiten vortrefflich. an so manchem Politiker „braune Fle- Während die Wählerschaft der Grünen cken“ hafteten. Ein Argument, das vor zwar nicht spektakulär, aber doch stetig allem im Jahre 2000, angezettelt von der anwuchs, setzte die FPÖ zu großen Sprün- Sozialistischen Internationale, benützt gen an. Haider agierte geradezu als ein wurde, um die erste Regierung Schüssel „Robin Hood“ der österreichischen Innen- europaweit zu diskriminieren. Faktum politik. Zunächst nahm er der ÖVP jene war, dass sich die FPÖ unzweifelhaft Wähler weg, die schon immer gegen einen innerhalb des so genannten Verfassungs- Kuschelkurs mit den Sozialdemokraten bogens bewegte und zu den demokrati- waren und kräftige Worte schätzten. Als schen Grundprinzipien bekannte, nur dieses Wählerpotenzial ausgeschöpft war, eben Mitte-rechts stand und mit populis- nahm er sich die unzufriedenen sozialisti- tischen Aussagen glänzte. Den Vorwurf schen Arbeiter vor, die geradezu in Scha- des Populismus könnte man freilich ge- ren überliefen. nauso vielen Politikern machen, die im Am Ende der neunziger Jahre tat man Mitte-links-Spektrum angesiedelt sind. sich bereits schwer, bei der SPÖVP-Regie- Zudem hätte allein ein Blick in die Ge- rung von einer „großen Koalition“ zu re- schichtsbücher genügt, um zu sehen, wer den. Sie war nämlich kein Gebilde der bei-

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Schwarz-Grün in Österreich?

den großen Parteien mehr. Tatsächlich Optionen offen, hatte aber alsbald er- gab es zu diesem Zeitpunkt nur noch drei kannt, dass das Modell einer bürgerlichen Mittel-Parteien. Die FPÖ, die früher Koalitionsregierung nur dann eine wirk- bundesweit zwischen fünf und sieben liche Chance auf Realisierung hätte, wenn Prozent schwankte, war unter Haider an es sich selbst zurücknähme. Letztlich war die Dreißig-Prozent-Marke gelangt. der Druck in der Öffentlichkeit so stark, Haider und seine FPÖ waren zu einem dass nicht einmal ein Ministeramt für politischen Faktor geworden, der weit Haider möglich war. über die österreichischen Grenzen hin- Wann genau Schüssel offensiv die ausstrahlte. Auch andere Rechts-Parteien FPÖ-Option aufgriff und ob er nicht in Europa nahmen sich die FPÖ zum Vor- schon selbst früher an ein solches Bündnis bild. Haider spekulierte sogar auf eine gedacht hatte, das ist bis heute sein wohl europaweite Bewegung. behütetes Geheimnis. Nicht das Faktum, dass sich im Fe- Der Schock von1999 und bruar 2000 eine Regierung bildete, bei der Regierungsbildung 2000 die drittstärkste Kraft mithilfe der zweit- Bei der Nationalratswahl 1999 passierte stärksten den Bundeskanzler stellte, son- dann etwas, woran selbst erfahrene Poli- dern dass die SPÖ nach dreißig Jahren Re- tikwissenschafter und Meinungsforscher gierungsverantwortung auf die Opposi- nie im Leben geglaubt hätten: Die ÖVP tionsbank geschickt wurde und sich die rutschte auf Platz drei ab, die SPÖ verlor ÖVP „erdreistet“ hatte, eine Koalition mit massiv Stimmen vor allem in den Arbei- der FPÖ zu bilden, sollte zum Anlass terhochburgen, und die FPÖ wurde zweit- einer politischen „Entmündigung“ ge- stärkste Partei. Ratlosigkeit herrschte in nommen werden: Man wollte allen Erns- den politischen Leitzentralen. tes die aus einer demokratischen Wahl re- Zunächst war die ÖVP so geschockt, sultierende Regierungsbildung verhin- dass sie nur noch an den Weg in die Op- dern, was sogar zur kurzzeitigen Äch- position dachte. Die SPÖ wollte als relativ tung österreichischer Regierungsmitglie- stärkste Partei weiter den Bundeskanzler der durch viele Staatschefs und Regie- stellen. Sie mied die FPÖ wie der Teufel rungsmitglieder im Bereich der EU und das Weihwasser und machte der ÖVP den zu Sanktionen der EU gegenüber Öster- Hof. Der SPÖ-Vorsitzende und noch reich führte. Bundeskanzler Viktor Klima erkannte Wolfgang Schüssel gewann seit dem freilich nicht die wahren Zeichen an der Jahr 2000 ungemein an Statur. Zunächst, Wand, seine Angebote beinhalteten keine indem er mit seinem Koalitionspartner wirklich substanziellen Reformen, son- längst fällige Reformvorhaben mutig und dern hätten nur zu einer Verlängerung des zügig anging, die seit Jahren der Erledi- „Weiterwurstelns“ geführt. gung harrten. Gleichzeitig ließ er sich we- In dieser Situation sahen jene in der der durch die Proteste im Land noch ÖVP, die noch immer Helmut Kohls Worte durch Aversionen im Ausland einschüch- im Ohr hatten und an eine schwarz-blaue tern und ging konsequent seinen Weg. Koalition glaubten, ihre Stunde gekom- Vor allem aber drückte er der Regierung men. Die Drähte zwischen den schwarzen und damit dem Land seinen Stempel auf. Brückenbauern und den blauen Wegge- Der österreichischen Regierung wurde fährten rund um Haider liefen heiß. Ein auch in der EU zunehmend Respekt ge- Geheimtreffen jagte das andere. zollt. Haider spielte zwar wie üblich und ge- Österreich hat in den ersten Jahren des konnt am medialen Klavier, ließ sich alle neuen Jahrhunderts ohne Zweifel an Pro-

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fil gewonnen. Große, längst fällige Vor- mitglieder auf den Schlips getreten. Hai- haben wurden in Angriff genommen. der und Teile der FPÖ begannen sich aus- Dazu zählen unter anderem die Reform einander zu leben. der Pensionsvorsorge, der Umbau der Schüssel und Co. bewiesen eine Pan- Österreichischen Bundesbahnen und die zerhaut, an der so mancher blaue Giftpfeil Privatisierung öffentlichen Eigentums. abprallte. -Passer und Karl- Österreich gilt heute in Bezug auf Re- Heinz Grasser, die wohl populärsten FPÖ- formfreudigkeit und die wirtschaftspoli- Minister, mussten als Folge der so ge- tischen Voraussetzungen als das „bessere nannten „Knittelfelder Revolte“ – ein Auf- Deutschland“. Der Staatshaushalt ist kon- stand scharfmacherischer Funktionäre ge- solidiert, die Arbeitsplatzsituation besser gen die so genannten „Weich-Eier“ in der als in den meisten EU-Staaten, durch die Regierung – gehen. Das Resultat waren Senkung der Körperschaftssteuer ist das vorgezogene Neuwahlen im Jahre 2002, Land zu einem der interessantesten Wirt- bei denen die ÖVP das drei Jahre zurück- schaftsstandorte geworden, wozu die liegende desaströse Wahlergebnis auf den Leistungskraft der österreichischen Ar- Kopf stellte und Schüssel selbst als strah- beitnehmer das ihre beiträgt. Dass Öster- lender Sieger hervorging. reich heute zu den reichsten Ländern Die Regierungsverhandlungen zogen zählt und in Südosteuropa der führende sich überraschend lange hin. Schließlich Investor ist, rundet das Bild von einem gingen aber doch ÖVP und FPÖ eine neu- stolzen und erfolgreichen Land ab. erliche Partnerschaft ein. Die SPÖ musste rasch erkennen, dass sie gegenüber ihrem politischen Konter- Schwarz-grüner Dialog part, der Schüssel-ÖVP, auf verlorenem Die SPÖ hatte im Vorfeld der Regierungs- Posten stand. Schon zuvor war sie in eine bildung erst gar keine tragende Rolle ge- Personalkrise gestürzt. Ex-Kanzler Viktor spielt. Dagegen gab es sehr ernsthafte Ge- Klima verließ den Kommandostand spräche zwischen der ÖVP und den Grü- ziemlich abrupt und ging zu VW nach Ar- nen, die noch im Wahlkampf zuvor als gentinien. Der Ex-Juso Alfred Gusen- Steigbügelhalter für die SPÖ angepran- bauer wurde an die Parteispitze geholt gert worden waren. Schlussendlich schei- und hält sich dort bis heute vor allem nur, terten nach außen hin die Koalitionsge- weil es keine wirkliche Alternative zu spräche an Differenzen unter anderem im ihm gibt und der mächtige Wiener Bür- sozialen Bereich und da vor allem mit den germeister ihn stützt. so genannten „Wiener Fundamentalis- Auch Haider, dem vor allem eine Mas- ten“, die erst jüngst in Wien über das bis- senillustrierte viele Titelseiten und noch herige Partei-Establishment die Ober- mehr Interviews bot, musste aber bald er- hand gewannen und nun einen strammen kennen, dass seinem Wirken Grenzen ge- Links-Kurs steuern. Letztlich wurde aber setzt waren. Von der Oppositionsbank ge- im Vorfeld der Regierungsbildung 2003 gen die Regierungspolitik zu wettern ist ein Grundstock für einen schwarz-grü- eben um vieles leichter, als mit notwendi- nen Dialog gelegt, der bis heute zumin- gen Einschnitten in das überdimensio- dest eine tragfähige Basis für Spekulatio- nierte Sozialnetz bei der Bevölkerung nen bildet. Applaus zu ernten. Als der Geburtshelfer Man hat nicht vergessen, dass es die der Regierung schließlich sein eigenes ÖVP war, die erstmals den Grünen im Kind immer öfter zu kritisieren begann, Rahmen von Verhandlungen zur Bildung fühlten sich weniger die schwarzen als einer Regierung ernsthaft die Hand zum vielmehr die eigenen blauen Regierungs- Mitregieren reichte.

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Schwarz-Grün in Österreich?

Vor einem Jahr wurde in Oberöster- Schüssel wird das zugetraut. Er hat reich nach den damals für die Volkspartei Haider gebändigt und schließlich wieder nicht gerade glänzend verlaufenen Land- „normale Zustände“ in der politischen tagswahlen erstmals in einem Bundes- Landschaft Österreichs hergestellt und land eine schwarz-grüne Kooperation be- sich dafür Respekt bei vielen Politikern gründet. Und sie funktioniert. quer durch Europa verschafft, was dieser Seit Monaten bestimmt das Thema ei- allerdings verständlicherweise gar nicht ner möglichen schwarz-grünen Partner- gerne hört und sogar als Beispiel für das schaft nach den nächsten Nationalrats- Ausnützen, ja Hintergehen einer Freund- wahlen die politischen Diskussionen. schaft anprangert. Wenn es etwa in der schwarz-blauen Ob Schwarz-Grün eine Chance hat, Koalition kriselt, bemerken die Grünen hängt zunächst vom Wähler ab. Denn gleich: kein fliegender Koalitionswechsel. diese Option besteht bei allen Liebesbe- Dabei hat man sie gar nicht gefragt. Dann zeugungen nur, wenn die ÖVP die relativ wiederum präzisieren die Grünen ihre stärkste Partei bleibt. Das ist fast eine Con- Bedingungen für eine Koalition mit der ditio sine qua non. Sollte die SPÖ die Nase ÖVP. Für Bedingungen einer Koalition vorn haben, dann wird mit hoher Wahr- mit der SPÖ besteht offenbar kaum Inte- scheinlichkeit dem Modell Deutschland resse. Dass es Meinungsverschiedenhei- nachgeeifert und eine Liaison der Grünen ten zwischen der Volkspartei und den mit den Sozialdemokraten eingegangen. Grünen gibt, liegt allein in der Natur der Und die Mehrheit der Grünen wird dazu beiden Parteien und ihrer Grundsatzposi- auch „Ja“ sagen. Die ÖVP sollte weiterhin tionen begründet, immer wieder und den Bundeskanzler stellen und ein Ange- überraschend oft werden aber auch rot- bot zum Mitmachen unterbreiten. Denn grüne Reibungsflächen sichtbar und hör- eines wollen die heutigen Grünen auf alle bar. Fälle, nämlich regieren. Dass die Grünen Im Zuge der Tsunami-Katastrophe überhaupt mit den Schwarzen liebäugeln, spendete der Grünen-Vorsitzende Ale- liegt darin begründet, dass nicht wenige xander Van der Bellen dem Bundeskanz- glauben, sich bei der ÖVP besser als bei ler dick aufgetragenes öffentliches Lob, der SPÖ profilieren zu können, dass auch dass es noch nie eine so gute Information die „Chemie“ auf der persönlichen Kon- seiner Partei durch eine Regierung gege- taktebene zur ÖVP stimmig ist und dass ben hätte wie in diesen dramatischen Ta- es trotz ideologischer Unterschiedlichkei- gen. Also mehr Rosen kann man wohl ten einige programmatische Ansatz- schon nicht mehr streuen. punkte für gemeinsame Zielsetzungen Faktum ist nun, dass – maximal zirka gibt (Stichwort „öko-soziale Marktwirt- eineinhalb Jahre vor dem nächsten Ter- schaft“). min für Parlamentswahlen – wieder ein- mal auf Österreich auch politisch ge- Zukunft für Schwarz-Rot schaut wird. Nicht, weil man derzeit alle oder Schwarz-Blau? möglichen Jubiläen feiert (sechzig Jahre Bleiben nur noch zwei Fragen, nämlich Kriegsende, fünfzig Jahre Staatsvertrag, könnte eine Auferstehung von Schwarz- zehn Jahre EU-Mitgliedschaft) und im Rot wieder ins Haus stehen, und hat ersten Halbjahr 2006 den EU-Ratsvorsitz Schwarz-Blau keine Chance mehr? innehat, sondern weil man darauf wartet, Zur ersten Frage: Vor allem in den ob es gelingt, erstmals in einem EU-Land Kreisen von Wirtschaft und Industrie, eine schwarz-grüne Regierung auf die aber auch einiger Landesgruppen der Beine zu stellen. ÖVP gibt es unverändert einen Hang zu

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einer Koalition mit der SPÖ. Die Gründe Seite das neue orange BZÖ, auf der ande- liegen in Traditionen, aber auch im wenig ren Seite eine blaue FPÖ mit alten Kämp- erfreulichen öffentlichen Schauspiel, das fern, rechten Recken und jungen Scharf- derzeit der kleine Koalitionspartner bie- machern (wozu unter anderen der neu tet. In der Bundesspitze und an der so ge- gewählte Parteiobmann der Alt-FPÖ, nannten Basis der ÖVP ist eine solche Heinz-Christian Strache, zählt). Dazwi- Nostalgie nicht zu spüren, wie auch vice schen gibt es einige Bundesländer, die versa die SPÖ lieber eine Liaison mit den sich weiterhin dem freiheitlichen Lager Grünen als mit der ÖVP eingehen würde. verpflichtet fühlen, ihren Parteinamen Zur zweiten Frage: Sie lautet nicht nicht aufgeben wollen, aber sich weder mehr, ob es eine dritte Auflage einer zum neuen BZÖ noch zur alten FPÖ hin- schwarz-blauen Koalition geben kann, gezogen fühlen. sondern ob der ÖVP nicht bis zur nächs- Erste Umfragen attestieren derzeit der ten Nationalratswahl der von Blau zu Alt-FPÖ den Flug aus dem Parlament Orange mutierte Koalitionspartner ab- (zum Einzug in den Nationalrat bedarf es handen kommt. mindestens vier Prozent der abgegebenen Seit 2002 geht es mit der FPÖ bei Wah- Stimmen), dem BZÖ nur maximal sechs len bergab. Innerparteiliche Richtungs- Prozent. Opposition und Medien stürzen streitigkeiten sind die Folge. Kurz nach sich auf den Spaltungsprozess, nur Bun- dem 1. April 2005 zieht Haider die Not- deskanzler Schüssel bleibt (scheinbar) bremse: An die Stelle der FPÖ tritt das kühl – und arbeitet weiter – mit allen bis- BZÖ, das „Bündnis Zukunft Österreich“, herigen Regierungsmitgliedern. statt Blau ist nun Orange die Parteifarbe. Opposition und Medien wollen ihm Kein elder statesman aus dem Kreis der alt- einreden, dem Polit-Schauspiel ein Ende gedienten Freiheitlichen erhebt das Wort, zu bereiten und vorzeitige Neuwahlen um dem verspäteten Aprilscherz Einhalt anzustreben. Schüssel freilich hält es mit zu gebieten und alle „Streithanseln“ an ei- Bundespräsident Heinz Fischer, der in nen runden Tisch zu zwingen. Offenbar, der Neugründung der freiheitlichen Par- weil sich so mancher sogar noch still ins tei keine Staatskrise sieht. Fäustchen lacht, dass sogar Kometen sehr Schüssel ist sicher nicht der gelieb- rasch verglühen können – und Haider hat teste aller ÖVP-Obmänner, er ist auch bei seinem kometenhaften Aufstieg kein in der Menge badender Volkskanz- innerparteilich viele Wegbegleiter ver- ler, aber der beste Stratege, den sich das grämt, verletzt, ja sogar verstoßen. Land am Übergang vom zwanzigsten ins Haider tritt – nachdem zuletzt seine einundzwanzigste Jahrhundert wün- Schwester die FPÖ ge- schen konnte. Solange Schüssel es in der führt hatte – noch einmal aus dem Schat- Hand hat, wird er sich das Gesetz des ten der Kärntner Politik und stellt sich an politischen Handelns nicht von anderen die Spitze der bundesweiten Bewegung. aufzwingen lassen, sondern jenen Wahl- Noch einmal will er zeigen, dass er un- termin nehmen, der ihm optimal er- verzichtbar ist, wenngleich schon viele scheint. Denn nur, wenn die ÖVP die seit langem hinter vorgehaltener Hand Poleposition behält, kann sie bestimmen, meinen, seine Zeit sei abgelaufen, bloß er wie es weitergeht. Dabei dürfte Schwarz- selbst wolle dies noch nicht wahrhaben. Grün den Vorzug genießen, Schwarz- Alle Regierungsmitglieder, aber nicht Orange davon abhängen, was aus dem alle Parlamentarier, ziehen mit. Durch BZÖ wird, und Schwarz-Rot trotz man- den Parlamentsklub wie auch die neun cher Träumereien das Schlusslicht bil- Bundesländer geht ein Riss. Auf der einen den.

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