Struktur und Organisation des österreichischen Auswärtigen Dienstes 25

heiten), ab 1926 die Abteilung 14 (Wirtschaftspolitik), die ab 1932 Abteilung 14/A hieß. Das bedeutete, daß Schüller und Wildner fast zwanzig Jahre hin­ durch die hauptverantwortlichen Beamten für die Außenhandelspolitik der Republik Österreich waren. Vor allem Schüller - seit 1926 als Experte für Spezialmissionen eingesetzt - erwarb sich als bedeutender Theoretiker und Praktiker internationales AnsehenD. Parallel zu Wildner führte Hannibal Leschanofsky von 1920 bis 1938 die Abteilung für vermögensrechtliche Auseinandersetzungen mit den Nach­ folgestaaten und für Wanderungsangelegenheiten. Markus Leitmaier er­ hielt wiederum im Frühjahr 1921 die neugeschaffene Abteilung des Völker• bundes und des Minoritätenschutzes (4 C), 1923 eine erweiterte Abteilung 2 (Völkerbund und Völkerrechtsangelegenheiten), bekam 1923 zusätzlich in der Abteilung 18 den Abschluß von Rechtsverträgen und die zwischen­ staatliche Rechtssprechung dazu und führte ab 1926 die Abteilung 15/Völ• kerrecht. Zudem ist auf die Kontinuität in der Führung des Presse- und Propagandawesens zu verweisen, die von 1920 bis 1936 in der Hand von Eduard Ludwig lag. Schwieriger entwickelte sich die Außenpolitik im engeren Sinn. Von Staatssekretär bis zum nationalsozialistischen Außenminister Wilhelm Wolf im Kabinett Seyss-Inquart hatten nicht weniger als 18 Per­ sonen die Außenpolitik der Ersten Republik zu leiten: atto Bauer als Staatssekretär, als Staatskanzler und Staatssekretär, Mi­ chael Mayr (CS) und Jopann Schober als Bundeskanzler, Leopold Hennet, Alfred Grünberger und Heinrich Mataja (alle CS) als Bundesminister für Äußeres in den Kabinetten Seipel I - III, wieder als Bundeskanzler Rudolf Ramek, , Ernst Streeruwitz (alle CS) und Johann Schober, im weiteren Seipel als Außenminister bei und Schober als Vize­ kanzler bei atto Ender und (beide CS), hierauf Buresch und Engelbert Dollfuß (CS/VF) neuerlich als Bundeskanzler, der Gesandte (LB) als Staatssekretär bei Dollfuß, Egon Berger­ Waldenegg (HW) wieder als Außenminister, weiters Bundeskanzler (VF), schließlich (VF) als Staatssekretär seit dem Juliabkommen und nach Berchtesgaden als Bundesminister. Dieser häufige Wechsel in der Ressortführung ermöglichte nur wenigen Politikern wie Bauer, Renner, Schober, Seipel, Dollfuß, Schuschnigg und Schmidt die Formulierung und Umsetzung einer erkennbaren außenpoliti• schen Linie. Umso mehr Gewicht mußte daher den Beamten der Politi­ schen Abteilung zufallen, allen voran dem zuständigen Sektionschef bzw. Abteilungsleiter. Hier konnten allerdings nur drei Verantwortliche ein ei-

8 Zu Schüller siehe: Unterhändler des Vertrauens. Aus den nachgelassenen Schriften von Sektionschef Dr. Richard Schülier, ed. Jürgen Nautz (= Studien und Quellen zur österreichischen Zeitgeschichte, ed. Isabella Ackerl und Rudolf Neck im Auftrag der Wissenschaftlichen Kommission zur Erforschung der Geschichte der Republik Österreich 9, Wien - München 1990); Robert A. Kann, Aus den Erinne­ rungen des Gesandten Dr. Richard Schüller (1870-1972). In: Beiträge zur neueren Geschichte Österreichs (= Festschrift für Adam Wandruszka), ed. Heinrich Fich­ tenau und Erich Zöllner (Wien - Köln - Graz 1974) 403-416; vgl. zudem Heinrich Wildner, Die Technik der Diplomatie. L'Art de negocier (Wien 1959).