„Dann Wird Es Heiß“ Was Die DDR-Funkaufklärung Im Westen So Alles Erlauschte
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tion stimmte zu – wer dachte schon daran, Funktelefonate westdeutscher Politiker“), dest „zur Befragung der Zeugen nutzen“. dass Unionspolitiker selbst einmal betrof- enthielten auch „unbedachte oder unbe- Grünen-Obmann Hans-Christian Ströbele fen sein könnten. herrschte Äußerungen im Rahmen eines meint: „Erst wenn alle anderen Beweis- Ob nach der Aufregung der vorigen Wo- sich entfaltenden Gesprächs“. Auch so weit mittel versagen, sollte man über eine Ver- che mit den Aufklärungserkenntnissen die Belauschten im Westen rein Privates wendung der Protokolle nachdenken.“ über Westler weiter so freizügig umgegan- besprochen haben, sollen die Protokolle Der Verdacht, die DDR-Führung könn- gen werden soll, ist unklar. Das Kanzleramt gesperrt bleiben. te führende Unionspolitiker mit dem Sta- ist dagegen, im Innenministerium sind die Ob die bislang harte Haltung des Unter- si-Wissen über die illegale Finanzierungs- Verfassungsexperten alarmiert. Am liebs- suchungsausschusses nicht doch noch praxis erpresst haben, kursierte vergange- ten, so scheint es, würden die Regierenden kippt, ist keinesfalls ausgemacht. Ganz ver- ne Woche sogleich. Doch der letzte Chef alle Protokolle in der so genannten ge- gessen wollen die Aufklärer den Inhalt des der Spionageabteilung HVA Werner Gross- sperrten Ablage verschwinden lassen. Lüthje-Dossiers keinesfalls – etwa ein am mann winkt da nur ab: „Wir haben das Ma- Klar ist mittlerweile immerhin, dass nicht 29. Juli 1976 abgefangenes Telefonat mit terial über die Spendenpraktiken zwar ge- mehr wie im Fall Kiep die wortgetreuen der Kiep-Äußerung: sammelt, aber nicht für so etwas benutzt. Abschriften, sondern nur noch wie im Fall Ich berichte Ihnen von einem Gespräch Jemandem wie Erich Honecker haben wir Lüthje Zusammenfassungen herausgege- mit Kohl, wo er sagte: Haben wir noch ir- es sicher nicht vorgelegt.“ ben werden. Die noch vorhandenen Ori- gendwo irgendetwas beiseite geschafft? Und mit feiner Ironie fügt Grossmann ginalbänder soll überhaupt niemand zu Solche Informationen, die den Verdacht hinzu: „Wir haben die kleinen Geheimnis- hören bekommen. Die Datenträger, so nahe legen, der Ex-Kanzler habe doch von se der CDU ganz für uns behalten und heißt es in einem internen Vermerk der den geheimen Schweizer Konten gewusst, nicht einmal im Westen bekannt gemacht.“ Gauck-Behörde („Vom MfS abgehörte will SPD-Obmann Frank Hofmann zumin- Wolfgang Krach, Georg Mascolo „Dann wird es heiß“ Was die DDR-Funkaufklärung im Westen so alles erlauschte. PHOTOGUERILLA.COM DDR-Abhörstation auf dem Brocken (1974): Pro Jahr 150000 Seiten Gesprächsprotokolle für das Ministerium für Staatssicherheit m 11. April 1989 war auf der Richt- nehme, und dann wäre ich verheizt wor- Der damalige Leiter der Abhörtruppe funkstrecke Bonn–Berlin mal wie- den und kaputtgegangen. Damit hätten Horst Männchen spottet noch heute über Ader ordentlich was los. Die Abhör- alle Rechten erreicht, was sie wollen. „die Telefonitis“ im Westen, die, „begüns- spezialisten der Stasi-Hauptabteilung (HA) Fink: Ja, ja, genau. tigt durch Unvorsichtigkeit und Bequem- III (Funk-Aufklärung) hörten dem Gene- Geißler: Wenn der Parteivorsitzende, das lichkeit“ bei den Zielpersonen, die Arbeit ralsekretär der CDU Heiner Geißler zu. Kanzleramt fünf Jahre hindurch erklären, der Stasi-Lauscher erleichtert habe. Der berichtete seinem Kollegen Ulf Fink das Adenauer-Haus ist eine kommunisti- Rund 150 000 Seiten Gesprächsproto- über einen gescheiterten Versuch, ihn kalt- sche Zentrale, dann glaubt es irgendwann kolle wurden pro Jahr von den Funkauf- zustellen. halt auch mal einer von den doofen Mit- klärern getippt. Zur Auswertung gingen Geißler: Die I …*, die A …* wollten ei- telständlern. die Papiere an die diversen Abteilungen nen Aufstand gegen mich ... (Kohl) woll- des Ost-Berliner Ministeriums für Staats- te, dass ich das Innenministerium über- * Wörter von der Redaktion verkürzt. sicherheit (MfS). Die Gefahr, dass Stasi- der spiegel 14/2000 25 Deutschland Lauscher die mitgehörten Gespräche in Die Stasi dokumentierte den Wortlaut: ihrem Sinne frisiert haben, schätzen Ex- Der Chef des Axel Springer Verlages Peter perten als äußerst gering ein. Schließlich Tamm wünsche den Kanzler zu sehen. sollten die Abhörer ihren Vorgesetzten ein Ackermann: „Ah, das ist gut.“ realistisches Bild des Gegners liefern. Dann erläutert Scholz, Tamm bemühe An eine propagandistische Nutzung des sich um die Lizenz für den Aufbau eines Materials wurde in diesem Stadium der In- privaten Mobilfunknetzes: formationsgewinnung nicht gedacht. Den- Da ist ja die Springer-Gruppe in einem noch: Als Beweismittel in Gerichtsverfah- dieser konkurrierenden Teams drin. ren werden derlei Dokumente häufig nicht Obwohl eine Ausschreibung läuft und akzeptiert. die Bundespost unter neun Bewerbern Manche Passage in den Lauschakten dem meist geeigneten den Zuschlag geben mutet einfach nur skurril an. Am 15. April soll, referiert Scholz, die Regierung solle 1989 freuten sich die Horcher über ein Te- sich nach Ansicht von Tamm in den Vor- lefonat des Staatssekretärs im Kanzleramt gang einmischen. Waldemar Schreckenberger, der sich laut Scholz: Mit dem Schwarz-Schilling (Post- Protokoll nach seinem Rausschmiss als Ge- minister –Red.) scheint er da einig, aber heimdienstkoordinator bei einer Vertrau- er sagt, das entscheidet doch der Kanzler. ten ausweinte. Und wahrscheinlich wird es so sein, und Schreckenberger: Das ist alles sehr, sehr Kirch ist ja in einer konkurrierenden schlecht. Jetzt habe ich noch so eine Gruppierung drin. Ich will mal meinen Dauerfahrkarte, die geht noch bis Ende persönlichen Eindruck nur sagen. Wenn nächster Legislaturperiode, hoffentlich der Tamm in der Sache Rückenwind nehmen sie die mir nicht ab. kriegt, wird er sehr löhnen. Das ist eines Vertraute: Ja, du wirst doch sicher auch der ganz großen Geschäfte der Zukunft. nicht im Mai, im Juni da in Bonn rumsit- Das muss man klar sehen. zen wollen. Ackermann: Ja, ich wär auch dafür. Schreckenberger: Ich habe jetzt im Keller Scholz: Aber wenn er das nicht bekommt, noch Akten, die ich damals von Mainz dann wird es heiß. mitgebracht habe, eine ganze Kiste voll. Ackermann: Na ja, das kann ich mir Das ist ein ganz scheußliches Geschäft. schon denken. Also, ich bin der einzige beamtete Staats- Scholz: Sie können dem Kanzler ru- sekretär, der geht. Das (gemeint ist Kohl hig sagen, ich habe da sehr geworben –Red.) ist schon ein elender A …*. Nur für. Tamm ist bereit, volles Rohr mit- PRESS B. HEINZ / ACTION weil es halt ein paar Mal Kritik gab. zugehen für 90 (Bundestagswahljahr Stasi-Chef Mielke (1987) Vertraute: Na gut, du hättest ihn jetzt ge- –Red.)... Potenzielles Erpressungsmaterial nauso noch mal erpressen können. Ackermann: Ja, ja, wir brauchen min- Schreckenberger: Warum soll ich ihn er- destens so einen Verlag im Kreuz, das Neubesetzung des Intendantenpostens pressen? wäre schon ganz gut. beim Sender Rias. Zunächst geht es um Vertraute: Das geht, ich meine, der Andere Abhörprotokolle widerlegen auf die Qualitäten des Kandidaten Volker hängt ja voll drinne, mit allen möglichen das Drastischste die Legende von der po- Hassemer, damals Kulturexperte der Ber- Dingen. litischen Unabhängigkeit des Rundfunks in liner CDU. Welches potenzielle Erpressungsmate- der Bundesrepublik. Wohlrabe: Nicht nehmen … Du kommst rial gemeint war, blieb bei diesem Tele- Am 4. April 1989 um 19.45 Uhr erhält der mit tiefsten Sorgen nach Hause. Der ist fonat im Dunkeln. Andere Drohungen Leiter der Hauptabteilung III die Mitschrift genial, aber ein Geldchaot, die Etatleute wurden klar ausgesprochen. Am 18. Ok- eines Telefonats vom gleichen Tage. werden dich nicht mehr schlafen lassen. tober 1989 meldete sich der frühere Ver- Der Berliner CDU-Politiker Jürgen Habt ihr auch Westdeutsche? teidigungsminister Rupert Scholz fern- Wohlrabe und der Staatssekretär im Bun- Priesnitz: Der Röhl (damals Chefredak- mündlich bei Kohl-Intimus Eduard Acker- desministerium für innerdeutsche Bezie- teur ARD-Aktuell –Red.) aus Hamburg? mann. hungen Walter Priesnitz besprechen die Wohlrabe: Nein. K. SCHÖNE / ZEITENSPIEGEL DPA CDU-Politiker Schreckenberger, Scholz: „Unvorsichtigkeit und Bequemlichkeit“ beim Telefonieren 26 der spiegel 14/2000 nahme zum Hungerstreik von RAF-Häft- lingen. Kinkel: Mit der Limbach habe ich des- halb Krach. Weil die d …* K …* mich ... angerufen hat und nichts gesagt hat. Die habe ich abends angerufen und habe ihr was gesagt, das wird sie sich hinter die Ohren schreiben. von Stahl: Sie sind also praktisch kein guter Ansprechpartner für die? Kinkel: Nein. Aufklären konnte das MfS mit Hilfe ihrer Lauschaktivitäten auch die Ver- strickung Westdeutschlands in den inter- nationalen Waffenhandel. So plaudern am 25. Januar 1989 FDP- Chef Otto Graf Lambsdorff und der Staats- sekretär im Wirtschaftsministerium Dieter von Würzen laut MfS über den Export bri- tischer „,Tornado‘-Kampfflugzeuge in den Sudan mit Beteiligung von BRD-Ban- ken/Firmen bei Finanzierung“: BM Schäuble hat Unterstützung gege- ben (u. a. an Bayerische Landesbank), Bundessicherheitsrat hat keine Ein- wände. Bemerkenswert ist auch, was „Quelle 4“ am 8. März 1989 an die Zentrale meldet: Zwei Siemens-Mitarbeiter „besprechen die Abwicklung des gemeinsamen Projektes zwischen der DDR und der Siemens AG für den Irak“. Im Dezember desselben Jahres muss- ten Mielkes Mannen mithören, wie der Stasi-Abhörprotokolle: „So ein Verlag im Kreuz, das wär schon was“ Klassenfeind dem DDR-Devisenbeschaf- fer Alexander Schalck-Golodkowski nach Priesnitz: Den Staisch (damals ARD-Kor- mobbt. Über Cornelia Schmalz-Jacobsen