Ausstellungen zum Thema Projekte und Bildungsangebote Weitere Geschichten und „20 Jahre Friedliche zum Thema „20 Jahre Friedliche Informationen Revolution“: Revolution“: Weitere Geschichten der fünf Interview- partner und eine Liste mit Links wie Webportale www.stiftung-aufarbeitung.de findet ihr Jubiläumskinder – Die DDR und die Friedliche www.deinegeschichte.de auf SPIESSER.de, Webcode: @revolution. Revolution im „kulturellen Gedächtnis“ der 1989 www.friedlicherevolution.de geborenen ostdeutschen Jugend www.arbeitundleben.de Berlin Schülerprojekt: Wir sind das Volk – Wir sind spezial Die Berliner Mauer – Die Jahre der Absurdität ein Volk – Akteure und Orte der Friedlichen Impressum www.photography-now.com Revolution www.deutsche-gesellschaft-ev.de Mauerfälle – Fotoausstellung zum 20-jährigen Das SPIESSER-Spezial entstand in Zusammenarbeit mit Jubiläum des Mauerfalls am 9. November 2009 Leipzig dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und www.defa-spektrum.de (Video-)Befragung von Zeitzeugen aus DDR- der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur Opposition (1945-1989), Internetpräsentation Open Air und Plakatausstellung: www.archiv-buergerbewegung.de „Da war mal was…“ www.der-flix.de 20 Jahre Friedliche Revolution – Literaturprojekt „Montag“ 2008/2009 Spurensuche Ost. Revolution in Potsdam www.akademieleipzig.de – Orte_Zeugnisse_Blicke www.erinnerungslabor.de Hamburg Wettbewerb: 1989 – Images of Change Open-Air-Ausstellung auf dem Alexanderplatz www.eustory.de Friedliche Revolution 1989/90 Herausgeber: SPIESSER – die Jugendzeitschrift www.havemann-gesellschaft.de Gießen Projektleitung: Anja Neufert Wanderausstellung von Schülern für Schüler: Redaktion: Robert Kaak, Jörg Flachowsky, Julia Karnahl Leipzig „20 Jahre Friedliche Revolution und deutsche Autoren: Verena Bartels, Louisa Frintert, Cindy Kunath, Dauerausstellung des Zeitgeschichtlichen Forums Einheit – Als die Flüchtlinge aus der DDR Felix Scheidl, Katja Schmieder, Björn Urbansky (Zeitstrahl) Leipzig über die Geschichte von Teilung und nach Gießen kamen“ Fotos: Klaus Gigga, Foto Rainer Eppelmann: Bundesstiftung Einheit, Diktatur und Widerstand in der www.lkgi.de Aufarbeitung/Barbara Seyerlein, Foto Annette Schavan: sowjetischen Besatzungszone und der DDR Bundesministerium für Bildung und Forschung www.hdg.de Hof Gestaltung und Satz: Maik Wankmüller Schülerwettbewerb anlässlich des Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution 20. Jahrestages der Friedlichen Revolution www.runde-ecke-leipzig.de www.stadt-hof.de

Crimmitschau/Plauen/ Rheinland-Pfalz „Weg der Friedlichen Revolution“ Bildungsveranstaltungen: Gewendete Leben – www.martin-luther-king-zentrum.de Die Friedliche Revolution in ihren biografischen Auswirkungen Mödlareuth www.eapfalz.de „Wir sind gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise…“ Die Ausreisewelle Wittenberg/Sachsen-Anhalt aus der DDR 1989 am Beispiel der Prager Bildungsveranstaltungen: Gewendete Leben – Botschaftsflüchtlinge Die Friedliche Revolution in ihren biografischen www.moedlareuth.de Auswirkungen www.ev-akademie-wittenberg.de

Neudietendorf/Thüringen Projektwochen für Schüler und Schülerinnen zu Diktaturerfahrung, Alltagsleben und Formen des Protests im letzten Jahrzehnt der DDR www.zinzendorfhaus.de

frei gesprochen Fünf Gespräche über die DDR – 20 Jahre nach der

Das SPIESSER-Spezial entstand in Zusammenarbeit Friedlichen Revolution 1989 mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur 3 fragen an ... ieses Jahr hat die Friedliche Revolution Geburtstag: Insgesamt zwei jana gellrich Annette Schavan (CDU), Den Tag der Maueröffnung erlebte Rainer Eppelmann (CDU), Wie haben Sie die Revolution von Millionen DDR-Bürger demonstrierten im Herbst 1989 gegen die SED- Bundesministerin für Bildung ich in . Wir saßen am Fernseher und sahen Vorsitzender des Vorstandes 1989 erlebt – welche Hoffnungen hatten Jana Gellrich (41) wollte nicht D und Forschung die überwältigenden Bilder. Als ich dann später der Bundesstiftung zur Sie und welche Befürchtungen? mehr von der DDR belogen werden Diktatur und stürzten das Regime. Am 9. November 1989 erzwang das Volk die am 2. Januar 1990 durch das Brandenburger Aufarbeitung der SED-Diktatur Nach Ereignissen wie dem 17. Juni und floh 1989 über Ungarn in den Öffnung der Grenze zu West-Berlin. Wir wollten wissen: Was passierte Tor ging, war mit Händen zu greifen, dass sich 1953, Ungarn 1956 und der Niederschlagung des Westen. Heute lebt sie wieder die Freiheit durchgesetzt hatte. Darauf war die Sie haben vor 1989 in der Prager Frühlings sorgten wir uns immer mal wieder, in Doberschau bei Bautzen. damals genau und welche Bedeutung hat die Friedliche Revolution für Sie sind im Westen aufgewachsen: Was Regierung der DDR nicht vorbereitet: auf die DDR gelebt: Wie dachten Sie als Jugend- wie sich die Kommunisten in Berlin und Moskau dachten Sie als Jugendliche über die DDR? Kerzen der Christen und ihren Willen, endlich licher über die Teilung Deutschlands? diesmal zum Aufbegehren des Volkes verhalten uns heute noch? Fünf SPIESSER-Autoren unterhielten sich mit Leuten, die Die DDR war mir ein Rätsel. Im Rhein- frei leben zu können. Die Welt war innerhalb Mein Leben wurde am 13. August würden. Als wir in der Nacht zum 10. November manuel gellrich land lebend, war sie räumlich weit weg. Verwand- weniger Wochen eine andere geworden. Es war 1961 aus den Fugen gehoben. Mein Vater die Grenzschlagbäume in Berlin öffneten und wir Manuel (21) war erst zwei, 1989 das Ende des SED-Staates miterlebt haben – über das Leben in der DDR, te oder Bekannte in der DDR hatten wir nicht. Und klar, dass es einen Umbruch geben würde, der blieb in West-Berlin, meine Mutter, die Ge- hoffen durften, dass wir frei sind, habe ich mir ge- als seine Eltern mit ihm aus der eine Klassenfahrt nach Berlin mit einem Tag in Deutschland vor neue Aufgaben stellen würde. schwister und ich allein im Osten. Die Berli- wünscht, dass diese Freiheit dauerhaft sein wird. den Widerstand gegen die Diktatur und die Forderung nach Demokratie. Ost-Berlin hat bei mir den Eindruck hinterlassen, Meine Hoffnung war, dass der tiefe Graben ner Mauer versperrte auch meinen Schulweg Was hat die Revolution von 1989 DDR flohen. Heute arbeitet er in dass das Leben in der DDR sehr anstrengend ist zwischen Ost und West mit Einigkeit und Recht zum Gymnasium. Ich wurde Maurer statt mit den Jugendlichen von heute zu tun? Bautzen in seinem Traumberuf und das System gegen den Freiheitswillen gerich- und Freiheit so schnell wie möglich überwun- Architekt. Ich verweigerte den Fahneneid Demokratie und Freiheit sind hohe Kfz-Mechaniker. tet war. Mir war klar, dass die Wiedervereinigung den werden könne. der NVA und landete im Knast. Ich war von Güter, die keine Selbstverständlichkeit sind. nicht aufgegeben werden darf. Was hat die Revolution von 1989 der SED, die ihre Bürgerinnen und Bürger Das Erinnern an den Mut der Menschen in Wie haben Sie die Revolution von mit den Jugendlichen von heute zu tun? einsperrte, klassifizierte und drangsalierte, der Friedlichen Revolution ist für uns und die Das Foto entstand 1989 erlebt – welche Hoffnungen hatten Für die Jugendlichen heute ist die Wie- nie begeistert! Die Teilung mit Mauer und nachwachsenden Generationen im vereinigten in der Garage von Jana Gellrichs Sie und welche Befürchtungen? dervereinigung Geschichte, und deren Kenntnis Schießbefehl habe ich als menschenverach- Deutschland nach zwei Diktaturen besonders Wohnhaus in Doberschau bei ist wichtig. Dazu gehört auch das Wissen um das tend erlebt. wichtig. Wir dürfen keine Gefährdungen bei Bautzen. Leben in der DDR. Politische Bildung ist auch Er- Demokratie und Freiheit zulassen. mutigung, sich mit Leidenschaft für Demokratie, Freiheit und Verantwortung einzusetzen. „Plötzlich waren die Grenzen offen“

Jana Gellrich war 21, als sie mit Mann und hatte aber auf die staatliche Jugendwei- überall war Jubel und es hieß: „Die Gren- he verzichtet. Deshalb durfte sie nicht zen sind offen“. Die Ungarn hatten die Sohn über Ungarn in die Bundesrepublik studieren. Oder das Reiseverbot. Wir Grenzen zu Österreich aufgemacht. Plötz- durften ja nicht einfach verreisen. lich waren sie offen. Die Stimmung war floh. Ihr Sohn Manuel ist heute 21. Ihm Aber die Westverwandschaft unbeschreiblich, euphorisch und sehr besuchte uns doch? bewegend. Ich habe gesehen, wie sich erzählt sie von der Flucht aus der DDR. Das war ja das Schlimme: Von Familien voneinander verabschiedeten. 1. januar ihnen hörten wir, wie die Welt hinter Die einen sind gen Westen, die anderen Eine neue DDR-Reiseverordnung tritt der Mauer aussah. Da merkte man erst, zurück in die DDR. Sehr viele haben aber in Kraft. DDR-Bürger können leich-  Wir sind im Sommer 1989 geflohen. Das hätten wir nicht riskiert. wie sehr man belogen wurde von der die Chance genutzt und sind rüber, sie ter in den Westen reisen oder eine Ausreisegenehmigung bekommen. über Ungarn aus der DDR geflohen. Wir sind erst über die Grenze nach Ös- SED, was der Staat einem vorenthielt. hätten die Grenzen auch wieder schließen Oppositionelle Gruppen und die Kirchen Du warst 21, ich war gerade mal zwei terreich, als die offiziell offen war. Wir bekamen Postkarten, Urlaubskar- können, das wusste ja keiner. Als wir dann kritisierten die Verordnung als zu eng Jahre alt. War das nicht riskant? Papa wurde danach in Abwe- ten und haben uns gefragt: „Und warum durch Österreich fuhren, haben dein Va- und bürokratisch. Wir sind nicht über die Mauer ge- senheit wegen zu zwei können wir da nicht hin?“ oder „Warum ter und ich nichts gesprochen, jeder war Reisen in der DDR: DDR-Bürger durften flohen oder über die grüne Grenze. Denn Jahren Knast verurteilt. Wir haben spä- dürfen wir nicht unsere Meinung sagen mit seinen Gedanken beschäftigt. in sozialistische Länder reisen, wenn dort wurde geschossen, das wussten wir. ter auch erfahren, dass ein Kumpel von und müssen am 1. Mai, Tag der Arbeit, Ihr habt doch auch viel zurück- diese ihre Grenzen gen Westen dicht Hätten sie uns nicht auch an der Papa bei der war... immer demonstrieren gehen, ob wir gelassen. hielten. Relativ unkompliziert waren Grenze in Ungarn entdecken können? Ja, der war damals zum Glück wollen oder nicht?“ Ja sicher, das Schlimmste war: etwa Reisen in die ehemalige ČSSR Wir hatten ein Visum für Un- im Urlaub. Ein Risiko waren aber deine An den Urlaub in Ungarn kann Sieht man seine Familie, seine Freunde nach Ungarn, Rumänien und Bulgarien. Schwer war es, in die westliche Welt zu garn, sind im August 1989 auch dort- Winterklamotten im Koffer, die wären ich mich gar nicht erinnern... wieder? Sonst hatten wir damals ja nicht reisen. Nur wer einen besonderen Grund hin gefahren. Wir wussten nicht, ob wir bei einer Grenzkontrolle aufgefallen. Es war ja kein richtiger Urlaub. viel zu verlieren, nicht viel zurückgelas- (runder Geburtstag oder Beerdigung wirklich nicht wiederkommen, haben Warum wolltet ihr eigentlich In Ungarn meldeten wir uns erstmal im sen. Wir waren noch jung, und sind eines Westverwandten) und eine Einla- vorsorglich zwei Kisten gepackt – mit nicht mehr in der DDR leben? Auffanglager, wo viele DDR-Familien auf dann auch zehn Jahre in Wiesbaden ge- dung hatte, durfte einen Reiseantrag Gläsern und Geschirr, die sollten uns Es waren viele Gründe. Vor ihre Ausreise in den Westen warteten. Wir blieben. Und wir haben uns auch nicht stellen. Die Behörden achteten darauf, 19. januar dann unsere Nachbarn mitbringen, die allem wollten wir, dass du eine Ausbil- haben tagelang am Radio gehangen, um getraut, gleich nach dem Mauerfall zu dass Teile der Familie in der DDR blie- 15. januar Honecker sagt: Die Mauer werde schon eine Ausreiseerlaubnis hatten. Es dung machen kannst, unabhängig von zu hören, ob sich was tut an der Grenze. Besuch in die DDR zu fahren. Dein Va- ben, damit die Reisenden auch wieder 35 Länder unterzeichnen das „noch in 50 und 100 Jahren“ stehen. sind im Sommer schon viele von Ungarn deiner politischen Meinung. Ich hab‘ Dann passierte es: Ich saß mit dir seit vier ter war ja verurteilt. Wir waren sehr er- kamen. KSZE-Folgeabkommen (Konfe- Der Mauerbau: Zwischen 1949 und über die grüne Grenze nach Österreich dir doch von meiner Cousine erzählt: Stunden vorm Lager im Auto und dein leichtert, als sich dann zeigte: Die SED renz für Sicherheit und Zusam- 1961 verließen rund 2,6 Millionen 22. januar menarbeit in Europa) in Wien. Bürger die DDR. Am 13. August 1961 Mehrere DDR-Oppositionsgruppen kündigen und von dort aus in die Bundesrepublik Sie hatte einen Schulabschluss von 1,0, Vater war drin. Plötzlich hörte ich Schreie, ist endgültig gestürzt. 11. januar Wichtig für die DDR: Alle 34 begann der Bau der Berliner Mauer. in einem offenen Brief eigene Kandidaten Die „Initiative zur demokratischen Unterzeichner verpflichten sich, Damit wurde der Ostteil der Stadt bei den Kommunalwahlen am 7. Mai an. Erneuerung unserer Gesellschaft” das Recht „auf Ausreise aus je- vom westlichen Teil getrennt, der DDR-Wahlsystem: Wahlen dienten in der ruft zu einem Schweigemarsch am 15. dem Land, darunter aus seinem zur Bundesrepublik gehörte. Alle DDR nur einem Zweck – dem Abnicken der 24. januar 13. märz Januar, dem Tag der Ermordung von eigenen, und auf Rückkehr in DDR-Grenzen zu Westdeutschland bestehenden Machtverhältnisse. Bereits vor Die Oppositionszeitschrift 6. februar Nach dem Friedens- Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, sein Land uneingeschränkt“ zu wurden befestigt. der Wahl stand die spätere Verteilung von „Grenzfall“ erscheint wie- Grenzsoldaten erschießen an der Berliner Mauer den 20-jährigen Chris Guef- 16. februar gebet in der Leip- auf. Elf Mitglieder werden verhaftet, achten. , Vorsit- Sitzen in der Volkskammer, dem Pseudopar- der, nachdem es wegen froy während eines Fluchtversuchs. Der 21-jährige Christian Gaudian wird Eine vierköpfige Familie flüchtet mit ihrem Auto auf den Parkplatz der ziger Nikolaikirche weil nur im staatlich vorgegebenen zender der SED, sagte: „Wir ge- lament der DDR, fest. der Inhaftierung der ebenfalls getroffen, überlebt und wird im Mai zu drei Jahren Haft verurteilt. Ständigen Vertretung der Bundesrepublik. demonstrieren mehrere Rahmen gedacht werden durfte. ben Weisung, dieses Dokument aktivsten Mitglieder im „Mauertote“: Dass DDR-Bürger über die Grenze flüchteten, wollte die SED Ständige Vertretung: Die Bundesrepublik hatte die DDR 1973 zwar als Hundert Menschen. Mit zu unterzeichnen, werden es gesamten Jahr 1988 keine unter allen Umständen verhindern, im Zweifelsfall auch mit Waffengewalt souveränen Staat anerkannt, betrachtete sie aber weiterhin völker- den Rufen „Wir wollen aber nicht erfüllen.“ einzige Ausgabe gab. („Schießbefehl“). Man schätzt, dass so mindestens 136 Menschen an der rechtlich nicht als Ausland. Deswegen richtete man gegenseitig keine raus!“ fordern sie ihre Berliner Mauer starben. Botschaft ein, sondern so genannte „Ständige Vertretungen“ . Ausreise in den Westen.

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Frauen haben Verhältnisse in der DDR einsetzte. am Checkpoint Charly, einem Grenzüber- Heute ist sie Dozentin an der Evan-  Bis ich den Film „Das Le- gang nach West-Berlin, in eisiger Kälte mit Ulrike Poppe war Bürgerrechtlerin in der gelischen Akademie zu Berlin. ben der Anderen“ sah, war „Stasi“ für Transparenten gestanden. Westliche Zei- mich nur ein leeres Wort. Danach er- DDR und saß 1983 sechs Wochen in Un- tungen haben über uns berichtet, das war ahnte ich, was es bedeutet haben muss, unser Schutz – die Journalisten haben die Louisa Frintert Öffentlichkeit daran erinnert, dass wir im vom Staatssicherheitsdienst bespitzelt tersuchungshaft. Louisa Frintert erzählt sie, Louisa Frintert (20) ist Studentin Gefängnis saßen. Die Haft war eine wich- zu werden. Sind Sie mal mit der Stasi in und will Lehrerin werden. Sie ist tige Erfahrung, weil wir merkten: Wenn Berührung gekommen? warum es zu keinem Prozess kam. froh, dafür nicht in eine Partei wir für Öffentlichkeit sorgen, falls jeman- Ja, zum ersten Mal 1974, ich war eintreten zu müssen. gerade 21 und eigentlich hatte mich die dem etwas passiert, dann gerät die Staats- Polizei vorgeladen, aber dann saßen mir sigkeit. Wenn den Machthabern etwas Biermann, die mit der Schreibmaschi- macht unter Druck. zwei Herren von der Staatssicherheit ge- nicht passte, haben sie sich einfach über ne mit manchmal sieben Durchschlä- Sie haben also nicht aufgehört? Das Foto entstand in der genüber. Sie wollten mich als Spitzel wer- Recht und Gesetz hinweggesetzt. gen abgetippt wurden. Manche haben Die Aktivitäten nahmen eher zu. Evangelischen Akademie ben, weil ich in Gruppen verkehrte, die Das heißt ja, man konnte sich ei- heimlich ganze Bücher abgetippt. Das Von West-Berliner Freunden bekamen zu Berlin. für sie interessant waren. Ich unterschrieb gentlich nirgendwo hinwenden. Heute, im war gefährlich, weil die Stasi mit sol- wir Mitte der 80er Jahre einen Tisch- nichts und redete mit vielen Freunden Rechtsstaat, müssen sich ja alle an Gesetze chen Abschriften die Schreibmaschine kopierer, den wir vor der Stasi verste- darüber, so dass ich als Informantin halten, auch der Staat, sonst zieht man vor identifizieren konnte. cken mussten. Im Geheimen haben wir nicht mehr „brauchbar“ war. Seitdem Gericht. Und grundsätzlich gibt’s bei uns Konnte man als Bürgerrechtle- Schriften herausgegeben, z.B. eine Zeit- wurde ich beobachtet und immer mal ja auch Opposition, die selbstverständlich rin gar keine Öffentlichkeit erreichen? schrift der Initiative „Frieden und Men- wieder zu Verhören geholt. Anfang der ist, ja sogar gefördert wird, um die Regie- Ende der 70er entstanden offene schenrechte“. Es kann sich heute keiner 80er Jahre fanden wir dann in der Decke rung immer wieder zu zwingen, sich für Gruppen, zu denen jeder kommen konn- mehr vorstellen, wie gefährlich es war, unserer Wohnung ein Mikrophon. ihr Tun zu rechtfertigen – damit sie eben te. Meine erste Gruppe hieß „Frauen für das zu drucken oder zu vervielfältigen. In welchen Gruppen waren Sie? nicht machen kann, was sie will. den Frieden“. Wir haben uns mit denen Es gab keine Copy-Shops in der DDR. Ich hatte Freunde, die aus poli- Im „Kleinen politischen Wör- in der westlichen Welt verbunden ge- Als sich das Museum für deutsche Ge- tischen Gründen vom Studium ausge- terbuch“ der DDR kann man nachle- fühlt, die wie wir gegen das Wettrüsten schichte, wo ich damals arbeitete, einen schlossen waren, oder, weil sie politisch sen: Opposition kann es im Sozialismus und die zunehmende Militarisierung Kopierer anschaffte, war der in einem ex- abweichende Meinungen vertraten, gar nicht geben. Dennoch gab es uns. In waren. Wir haben die Ost-West-Block- tra Raum verschlossen. Ein Sicherheits- nicht erst zugelassen wurden oder kein den 70er Jahren entstanden mehrere konfrontation abgelehnt, wir wollten beamter musste auf das Gerät aufpassen. machen durften. Jeder der in der kleinere Gruppen, die sich in Woh- Abrüstung auf beiden Seiten. Im Jahr 1989 haben sich die Er- DDR Karriere machen wollte, musste nungen trafen und alternative Gesell- Als 2003 der Irakkrieg aus- eignisse überschlagen. Haben Sie schon sich zur SED-Politik bekennen, mög- schaftskonzepte diskutierten. Verbote- brach, demonstrierten viele Menschen in vorher gemerkt, dass sich da was tut? lichst sogar Mitglied der SED sein. ne Bücher und Manuskripte gingen von Deutschland. Auch viele Schüler gingen In meinen Stasi-Akten stand Ich will Lehrerin werden und ich Hand zu Hand. Ich las in dieser Zeit auf die Straße. Der Unterricht wurde „Gesperrt für das Ausland bis 1999“. Sie plane gerade ein Auslandssemester in Chi- zum Beispiel „Die Gratwanderung“ von einfach geschwänzt, ohne an Folgen zu hatten also angenommen, dass ihr Sy- na. Wenn ich mir vorstelle, dass ich dafür Jewgenia Ginsburg und von Magarete denken. Und ich finde: Friedensbewe- stem noch lange bestehen würde. Aber in eine solche Partei eintreten müsste… Buber-Neumann „Als Gefangene unter gung, das klingt eigentlich harmlos. Wie viele haben durchaus gespürt, dass der Meine Kritik am System in der Hitler und Stalin“ und erfuhr dadurch konnte man damit anecken? Staat am Ende war. Ich weiß noch, ich DDR entwickelte sich ganz allmählich. von den stalinistischen Verbrechen. Wir haben zum Beispiel pro- habe auf der Silvesterfeier 1988 gesagt: mai Ich fand es nicht richtig, dass sich der Warum waren Bücher verboten? testiert gegen die Einbeziehung der „Nächstes Silvester wird völlig anders. Da 8. Erstmals wird zu Staat anmaßt, darüber zu befinden, wo- Es war verboten, westliche Li- Frauen in die allgemeine Wehrpflicht. werden wir in einer völlig veränderten Si- 2. mai einem Friedensgebet hin ich reisen darf, auf welche Weise ich teratur zu besitzen und weiterzugeben. Dafür sammelten wir Unterschriften – tuation Silvester feiern“. Die Aussage ist Ungarn kündigt den Abbau des „Ei- in der Leipziger Ni- mich informieren darf, welche Bücher Trotzdem wurde einiges in die DDR was verboten war. Dann kamen wir in sogar in meiner Stasi-Akte vermerkt. sernen Vorhangs“ an. Am 27. Juni kolaikirche ein Polizei- ich lesen darf, welche Meinung ich ha- geschmuggelt. Und das ging dann von Stasi-Haft, ich und drei andere Frauen Durch wen ist das in die Akten werden die Außenminister Ungarns, 7. mai kessel gebildet. Die so ben darf, wie ich denken darf. Ich wollte Hand zu Hand. Es kursierten etwa Texte aus unserer Berliner Gruppe. Anlass war gekommen? Gyula Horn, und Österreichs, Alois Kommunalwahlen in der genannten Montags- 19. mai Selbstbestimmung und keine Rechtlo- des SED-kritischen Liedermachers Wolf ein Treffen mit einer Neuseeländerin, Ein Spitzel. Ein Freund damals. Mock, ein Loch in den Stacheldraht- DDR: Offiziell werden die gebete bekommen DDR-Oppositionelle erstatten offi- zaun zu Österreich schneiden. Am Kandidaten der SED- immer mehr Zulauf. ziell Anzeige wegen Wahlfälschung 19. August werden fast 700 DDR- geführten Nationalen Front Am Rande der Gebete der Kommunalwahlen. 29. märz Bürger über die Grenze nach Öster- mit 98,85 Prozent gewählt. kommt es nun zu ver- Parteien in der DDR: Neben der Die Regionalgruppe Thüringen des 4. april 5. april 29. april reich flüchten. Nach der offiziellen Unabhängige Bürgergrup- mehrten Polizeikon- Staatspartei SED gab es weitere oppositionellen Arbeitskreises Solida- Die Versorgungslage in der DDR wird prekär. Viele In Polen vereinbaren Regierung Die „taz“ berichtet über Grenzöffnung am 11. September pen überführen die SED trollen, Übergriffen Parteien in Ostdeutschland, unter rische Kirche erklärt den Boykott der Waren sind nur vormittags in den Läden vorrätig. und Opposition Reformen. Die zahlreiche Eil-Ausbür- flüchten Tausende DDR-Bürger. der Fälschung. Sie zählen und Verhaftungen. anderem die CDU, die Bauernpartei Kommunalwahlen. Planwirtschaft: Die gesamte Wirtschaft wurde SED fürchtet, dass sich einheimi- 8. april gerungen von Ausreise- „Eiserner Vorhang“: Der Begriff in einigen Wahllokalen die und die Liberal-Demokratische Rolle der Kirche: Die Kirchen konnten vom Staat bestimmt. Die SED entschied, wer wann sche Kritiker von den Ergebnis- Der letzte bekannte willigen im Vorfeld der 1. mai meint die Grenze zwischen den Stimmen mit und veröffent- Partei Deutschlands. Sie wurden sich teilweise der Aufsicht von Staat 30. märz was produzierte und verkaufte. Der Mangel sen anstacheln lassen. Ungarn Schusswaffengebrauch DDR-Kommunalwahlen. Bei der offiziellen Lagern der kapitalistischen lichen die Abweichungen. als Blockparteien zusammenge- und Partei entziehen. Sie konnten Die DDR-Regierung prägte den Alltag in der DDR. Viele Waren wurden befindet sich bereits auf dem an der Mauer: Durch Dies spiegelt die wach- Demonstration zum 1. westlichen Staaten und der sozi- Fortan wird in Ost-Berlin fasst, hatten wenig bis keinen eigene Zeitungen herausgeben. In den kündigt eine Locke- unter der Theke gehandelt und um bestimmte Weg zum Mehrparteiensystem. Warnschuss und sende Unsicherheit der Mai in Leipzig findet ein alistischen Länder im Osten. Der und anderen Städten am Einfluss und dienten der SED vor 1980er Jahren wurden die Kirchen rung der Reisebe- Produkte zu bekommen, musste man jahrelang So viel politisches Tauwetter um Verhaftung endet der Staatsführung wider. Schweigemarsch der Oppo- Ausspruch bezieht sich vor allem 7. jeden Monats öffentlich allem dazu, eine Demokratie Anlaufpunkt für verschiedene Oppositi- stimmungen an. warten , zum Beispiel mindestens zwölf Jahre die DDR herum behagt den SED- Fluchtversuch zweier sition statt, den die Polizei auf die ideologischen Differenzen gegen die Wahlfälschung vorzuspielen. onsgruppen. Dennoch waren nicht alle auf das Auto „Trabant“. Funktionären nicht. Jugendlicher. gewaltsam auflöst. zwischen Ost und West. demonstriert. Teile der Kirche regimekritisch, manche arbeiteten auch mit der SED zusammen.

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Cindy Kunath (19) studiert  Sie waren für den Spiegel Jungjournalistin Cindy Kunath spricht mit Zumindest das Fernsehen hat Soziologie, außerdem ist sie als westdeutscher Korrespondent meh- eine Menge zu ´89 beigetragen. Zum Jungjournalistin und weiß, was rere Jahre in der DDR. Ulrich Schwarz – viele Jahre Spiegel- Beispiel am 9. Oktober in Leipzig. Das es bedeutet, als Journalist frei Das erste Mal Mitte ´76 für ein- DDR-Außenministerium hatte allen arbeiten zu können. einhalb Jahre. Das ging nicht so gut aus. Korrespondent in der DDR – über seine Korrespondenten 24 Stunden vorher Nachdem 1978 den Text eines verboten, dorthin zu fahren. Es war ir- SED-internen Kritikers veröffentlicht Kontakte zu Bürgerrechtlern, seine Überwa- gendwie abzusehen, dass Leipzig ein ein- Das Foto entstand im hatte, schloss die SED unser Büro. Sieben schneidender Tag werden würde für die Hauptstadtbüro der Jahre lang durfte kein Spiegel-Mitarbeiter chung durch die Stasi und den Schmuggel Zukunft der DDR. Also habe ich gesagt: Spiegel-Redaktion in Berlin. in die DDR, auch nicht privat. Sollen sie mich doch raus werfen und Wann durften Sie wieder zurück? von Filmkassetten nach West-Berlin. bin nach Leipzig gefahren. Allerdings Ich kam 1985 zurück und habe mit dem Zug und nicht mit dem Auto, schnell Kontakte zur Bürgerrechtsbe- weil klar war, dass sie dich sonst auf der wegung bekommen. Das war wichtig, ne Räume gab. Junge Leute, Abweichler, Nein. Einmal zum Beispiel Autobahn rausholen. Ich habe dann in weil es in der DDR nur zwei funktio- Kritiker konnten sich nirgendwo versam- hatte ich eine Geschichte über den Psy- Leipzig zufällig zwei Leute getroffen, nierende Informationssysteme gab. Das meln. Die Kirche hatte Gemeindehäuser, choterror der Stasi gegen Bürgerrechtler die ich kannte, und der eine hatte eine eine war der SED-Parteiapparat. Doch: wo man sich treffen konnte. Denn sonst gemacht. Da hat sich die Stasi gerächt: Kamera der ARD dabei. Die haben von „Wir können gar nichts bestätigen, wir durfte man sich ja nicht versammeln. Als die Geschichte im Spiegel erschien, einem Kirchturm aus die Demo gefilmt. sagen dazu nichts.“ Das war so die Stan- Warum hat man nicht gesagt: kriegte ich nachts um zwei Uhr plötzlich Es war für mich eines der bewegendsten dardantwort auf Journalistenanfragen. „Wir treffen uns aus dem und dem einen Anruf. Da kam immer derselbe Erlebnisse, dieser Abend in Leipzig, als Man durfte auch kein Gericht betreten, Grund“, der dem Parteiapparat genehm Satz: „Lebe wohl, lebe wohl...“ Mit einer die Menschen um die Stadt zogen. Ich keinen Bürgermeister befragen, man war, und hat dann, etwa in Privatwoh- Stimme, von der mir hinterher gesagt bin dann nachts noch mit den beiden durfte gar nichts – ohne Genehmigung nungen, über was ganz anderes geredet? wurde, es könnte meine eigene gewesen zurück nach Ost-Berlin, in mein Auto nicht mal Ost-Berlin verlassen. Recher- Nach 1989 erfuhren wir, dass sein, die sie irgendwann mal mitgeschnit- umgestiegen und nach West-Berlin zum chierte man trotzdem selber, brachte sogar die ganze Bürgerrechtlersze- ten hatten. Ich bin aufgestanden und zur SFB, Sender Freies Berlin, um die Kas- man seine Informanten in Gefahr. ne durchsetzt war von Stasi-Spitzeln. Grenze gefahren, bin ins Hotel gegangen sette loszuwerden. Die Bilder sind dann Ich kann heute anders arbeiten. Zum Beispiel Wolfgang Schnur. Ein und habe dann wochenlang nicht in Ost- auch gesendet worden. Das hat einen un- Ich bekomme einen Auftrag, recher- Anwalt, der eng mit der Kirche koo- Berlin geschlafen. Ein halbes Jahr später geheuren Einfluss gehabt auf die Fried- chiere, ruf‘ an und frage, ob man mir perierte. Ich saß mal einen Abend mit hatte ich noch Albträume. liche Revolution ´89. was dazu sagen kann. Und selbst Behör- ihm und Rainer Eppelmann bei mir in Gab es eigentlich Pressefreiheit Wie wirkten solche Bilder? den sind verpflichtet, Journalistenfragen der Lenin-Allee zusammen. Ich sagte: in der DDR? Mobilisierend. Es waren 50.000 zu beantworten. Aber welches war denn „Rainer, ich zeig dir jetzt mal was.“ Nein. Die DDR-Presse war von Menschen bei dieser Demo und es wa- für Sie das zweite Informationssystem? und kramte ein Wanzensuchgerät raus. der Partei gesteuert, die meisten Jour- ren 100.000 einen Montag später. 4. juni Ja, das war die evangelische Das gehörte zur Büroausstattung beim nalisten waren SED-Leute. Die recher- Was ist von der Friedlichen Re- Auf dem Platz des Himmlischen Friedens Kirche. Denn die Kirche hatte überall Spiegel. Eppelmann sagte „Gib mir chierten nicht, die nahmen das, was ihnen volution ´89 heute noch geblieben? in Peking schlägt die chinesische Armee Gemeinden. Wenn etwas in der DDR den Apparat mal mit.“ Er rief mich am die Partei zum Veröffentlichen vorgab. Schwierig. Ohne ´89, ohne die friedliche Studentenproteste nieder, passierte, dauerten die Kircheninformati- nächsten Morgen an und sagte „Komm Für mich ist es selbstverständ- Friedliche Revolution hätten wir im Zwei- tausende Menschen werden getötet. onswege zwar etwas, aber man erfuhr es. mal schnell vorbei, wir haben etwas.“ lich, all das zu schreiben, was ich will felsfall keine Wiedervereinigung gehabt, Am 6. Juni demonstrieren DDR-Bürger Und wie kommt man dazu, mit Er hatte da schon die erste Wanze aus – und zwar auch kritisch. Ich habe vor hätten wir heute nicht dieses Deutsch- gegen dieses Vorgehen, 16 Bürgerrechtler werden festgenommen. Die DDR-Führung der Kirche zusammenzuarbeiten? der Steckdose gepopelt. Von diesem Kurzem einen Artikel über die Arbeit land. Doch es gibt ein nachlassendes bezeichnet das Massaker als „Nieder- Durch Bürgerrechtler wie Rai- Abend gibt es einen Stasi-Bericht von von Schülervertretungen an deutschen politisches Bewusstsein in unserer Gesell- schlagung einer Konterrevolution“ und ner Eppelmann, der war Pfarrer in der Wolfgang Schnur, der ist noch in der Schulen geschrieben und war ziemlich schaft. Die Auseinandersetzung mit der gratuliert Peking. Berliner Samaritergemeinde. Ein Groß- Nacht zu seinem Führungsoffizier ge- kritisch. Und ich bekomme dadurch DDR und den Umständen damals, wenn teil der Friedensbewegung arbeitete mit laufen und hat berichtet. keinen Ärger, aber das ist ja auch heute sie denn passiert, könnten das Demokra- 28. juni der Kirche zusammen. Weil es sonst kei- Ließ die Stasi Sie gewähren? noch nicht überall selbstverständlich. tiebewusstsein wieder schärfen. Gorbatschow drängt Hone- cker bei dessen Besuch in der 7. juni Sowjetunion zu Reformen. In Ost-Berlin werden Abhängigkeit der DDR von der anfang zwei Demonstrationen Sowjetunion: Die Sowjetuni- 7. juli august gegen die Fälschung der 26. juni on war die Supermacht des Der Warschauer Pakt widerruft die „Bresch- Die DDR-Sicherheitsorgane Kommunalwahl brutal Ein Demonstrant wird nach dem Friedensgebet in Ostblocks. Sie bestimmte new-Doktrin“. Die Mitgliedsländer dürfen nun zählen 160 „feindliche oppo- aufgelöst, es kommt zu Leipzig verhaftet, zusammengeschlagen und bis zum maßgeblich die Politik in den ihre „politische Linie, Strategie und Taktik“ 31. juli sitionelle Zusammenschlüs- etwa 120 Festnahmen. 22. juni Straferlass im Oktober inhaftiert. Schon seit längerem sozialistischen Ländern Euro- unabhängig von der Sowjetunion wählen. Die In mehreren diplomatischen Ver- se“, darunter 150 kirchliche Einen Tag später kommt Nach westlichen Bemühungen darf Martin No- stehen die Friedensgebete unter besonderer Beobach- pas. So schlug die Sowjetunion Ostblockstaaten sind also nicht mehr an die tretungen der Bundesrepublik im Gruppen. Es werden „rund 25 es in der Berliner Ge- tev ausreisen. Er war nach geglückter Flucht tung der Staatssicherheit. mehrfach ihr widerstrebende Weisungen aus Moskau gebunden. 23. juli Ostblock halten sich Ende Juli mehr nicht genehmigte Druck- und thsemanekirche zu einer gewaltsam in die DDR zurückgeholt worden. Staatsicherheit: Die „Stasi“ – eigentlich Ministerium politische Entwicklungen blutig Eine Demonstration von Bürgerrechtlern auf Staatssekretär Walter Priesnitz vom als 150 ausreisewillige DDR-Bürger Vervielfältigungserzeugnisse Protestveranstaltung mit für Staatssicherheit (MfS) – war der Inlandsgeheim- nieder (z.B. „Prager Frühling“). 1. juli dem Ost-Berliner Alexanderplatz gegen die Bundesministerium für innerdeutsche Be- auf, die ihre Ausreise in den Westen mit antisozialistischem In- 1.500 Teilnehmern. 12. juni dienst der SED. Sie versuchte mit einem umfang- Anweisungen aus Moskau DDR-Bürger dürfen ab sofort staatli- Wahlfälschung vom 7. Mai wird von einem ziehungen appelliert an alle DDR-Bürger, auf diese Weise erzwingen wollen. halt hergestellt und verbrei- Gorbatschow besucht die Bundesrepublik. Drei Tage später reichen Überwachungsapparat jegliche Opposition konnte die DDR-Regierung nicht che Entscheidungen zu Reiseangele- massiven Polizeiaufgebot aufgelöst. in der Heimat zu bleiben, „damit die tet“, vor allem Zeitschriften zitiert der Radiosender RIAS Gorbatschow mit den Worten: zu unterdrücken. Wer als Systemkritiker eingestuft übergehen. genheiten gerichtlich prüfen lassen. Wiedervereinigung der Deutschen nicht in und Flugblätter. „Die Mauer kann wieder verschwinden, wenn die Voraus- wurde, wurde überwacht, abgehört und drangsaliert. der Bundesrepublik“ stattfinde. setzungen entfallen, die sie hervorgebracht haben.“

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Wenn Verena Bartels  Das Leben in einem Grenz- ich mir heute vorstelle aus Gründen des Verena Bartels (22) macht zurzeit dorf war bestimmt nicht so normal wie Verena Bartels‘ Mutter Renate wuchs in Selbsterhaltungstriebes total voreinge- eine Ausbildung zur Veranstal- in anderen Orten der DDR, oder? nommen auf jede Person zuzugehen, da Böckwitz auf, einem DDR-Dorf direkt an tungskauffrau an der Otto- Ja, das Leben in Böckwitz war man immer das Schlimmste von Un- Bennemann-Schule in Braun- ziemlich besonders. Nur mal ein Bei- bekannten denken muss – das würde der Grenze zur damaligen Bundesrepublik. schweig. Als die Mauer fiel, spiel: Wollte uns jemand besuchen, einfach nicht gehen. Ich lerne ständig war sie gerade mal drei Jahre alt. brauchte er einen Passierschein. Aber neue Leute kennen, von denen ich lerne, Ein Gespräch über Passierscheine, die of- Was sie von der DDR weiß, hat sie nicht alle konnten überhaupt rein. Als mit denen ich arbeite und Spaß habe, da vor allem von ihren Eltern und aus Kind hab ich nie Kindergeburtstag ge- ist Vertrauen Voraussetzung, auch bei fizielle SED-Sprache und das Gefühl, frei Büchern erfahren. feiert, weil noch nicht einmal meine Fremden. Der Zweifel muss ja zwischen Schulfreunde ins Dorf durften. Zu Fa- wählen zu können. jeder Freundschaft gestanden haben milienfeiern musste Oma für alle Ver- und wurde bestimmt nicht selten bestä- Das Foto entstand im Wohnzimmer wandten spätestens vier Wochen vorher tigt. Das klingt echt widerlich, erinnert von Renate Bartels in Kunrau. die grünen Passierscheine beantragen Zum Beispiel im FDJ-Kurs „Polit-In- Klingt alles schizophren. Ich mich irgendwie an Orwells „1984“. und es kam immer wieder vor, dass formation“, da durftest du unter keinen kann mir gar nicht vorstellen, dass ein Ja, ich weiß. Heute ist es selbst- manche einfach abgelehnt wurden. Umständen sagen, dass du Infos aus dem Staat oder ein Volk ein solches Doppel- verständlich, seine eigene Meinung zu Und was denkst du heute über Westfernsehen hast. Oder eine meiner leben führt. Ich meine, wenn jeder von sagen, auch wenn sie nicht konform mit die Verhältnisse in der DDR-Zeit? Ich Prüfungen im dritten Lehrjahr 1981. dem Theater wusste, warum hat man der Mehrheit geht oder der aktuellen selber wusste am Anfang ja gar nicht Da haben sie mich zum Krieg zwischen sich das alles gefallen lassen? Politik. Oder die Wahlen damals: In der viel. Im Geschichtsunterricht haben Afghanistan und der Sowjetunion be- Ja, warum hat man sich das ge- DDR gab es ja so was wie Wahlzwang. wir das Thema nur nebenbei behandelt fragt. Die SU war im Dezember 1979 fallen lassen. Du konntest eben nicht Wenn du nicht wählen gegangen bist, und viel hab ich erst durch euch erfah- dort einmarschiert. Ich sagte dann et- einfach so Kritik äußern, musstest sonst standen in unserem Dorf zuerst der ren oder durch Bücher wie „Der geteilte was zu Positives über die Afghanen, was gleich mit Konsequenzen rechnen – ge- Bürgermeister vor der Tür und dann die Himmel“ von Christa Wolf. den Prüfern natürlich gar nicht passte, rade hier im Grenzgebiet. Passte denen Polizei und wiesen dich darauf hin, dass Die DDR war für mich eine schließlich war die SU der Verbündete was nicht, drohte gleich die Verweige- man das Wahllokal zu besuchen habe. Diktatur, und zwar eine, an deren Spit- der DDR, nicht Afghanistan. Ich wäre rung des Passierscheins, stundenlange War schon merkwürdig, als ich dann ze alte Männer standen. An Feiertagen damals wegen meiner Meinung fast Anhörungen bei der Polizei. Und wenn 1990 zur Bundestagswahl das erste Mal ließen sich Parteifunktionäre wie Erich durch die Prüfung gefallen. man sogar versucht hatte, zu fliehen, meinen Kopf benutzen konnte. Honecker, Erich Mielke und Kann ich mir alles heute nur wurden Zwangsumzüge, Zwangsarbeit Das ist heftig. Für mich ist auf ihren inszenierten Militärparaden schwer vorstellen: Ich sage und schreibe, oder Gefängnisstrafen verhängt – das es normal, dass ich ab 18 wählen ge- feiern. Ich habe mich damals schon ge- was ich denke und mir würde nie einfal- alles gab es offiziell natürlich nicht. Vor hen kann, aber nicht muss, dass ich in fragt „So wie die DDR ist, sieht so eine len, irgendjemandem nach dem Mund Beschattung musste man sich sowieso Braunschweig meine Ausbildung mache demokratische Republik aus?“ Es gab zu reden. Und mir passiert nichts. immer in Acht nehmen. und am Wochenende ungehindert mit zum Beispiel immer zwei Sprachen. Zuhause, bei deiner Familie Wenn ich das heute so sehe, dem Auto durch Böckwitz nach Hause Zwei Sprachen? Meinst du und deinen Freunden, konntest du wie- glaube ich: Ich hätte nicht in diesem fahren kann. Wenn ich für ein Konzert deinen Russischunterricht, der ja für der normal reden, ohne Filter. Wenn Überwachungsstaat leben können. nach London fliegen möchte, dann ma- 2. oktober jeden Pflicht war? wir unter uns waren, ließen wir auch Habt ihr denn wirklich nie versucht, in che ich das eben und den Besuch meiner Etwa 15.000 Menschen Nein, keine Fremdsprachen. Ich richtig Dampf ab über die ganzen Miss- den Westen zu flüchten? Großeltern irgendwo für einen Passier- nehmen an der Montagsdemonstra- meine einmal die offizielle Parteispra- stände in der DDR. Allerdings kann ich Papa und ich dachten nie an schein anzumelden, kommt schon mal tion in Leipzig teil. che, die du in der Schule, der Lehre und mich daran erinnern, dass wir auch im Ausreise, immerhin hatten wir die gan- gar nicht in Frage. Das ist alles selbst- Zum ersten Mal wird im Beruf perfekt beherrschen musstest; Sommer bei brütender Hitze immer mit ze Familie hier. Wir hatten Alltag, die verständlich, und ohne diese Freiheit „Wir sind das Volk“ in der nichts gesagt werden durfte, was geschlossenen Fenstern feierten – wir Arbeit und natürlich auch Freunde. könnte ich mir mein Leben heute nicht gerufen. der offiziellen SED-Linie widersprach. wussten ja nie, wer mithörte. Trotzdem: Wenn du nicht in der Par- vorstellen. 18. september 14. august 22. august Bei der Montagsdemonstration in Leipzig rufen die Teil- Erich Honecker verkündet öffentlich: 19. august Bundeskanzler erklärt, nehmer nicht wie bisher „Wir wollen raus!“, sondern „Wir „Den Sozialismus in seinem Lauf In Ungarn nutzen Hunderte DDR- dass die deutsche Frage auf der bleiben hier!“ und fordern politische Reformen. 8. august 9. august hält weder Ochs noch Esel auf.“ Bürger ein „Paneuropäisches Tagesordnung der internationalen 10. september Die Ständige Vertretung Zwischen Frankfurt am Main, Düssel- Sozialismus: Der Soziologe Werner Picknick“ bei Sopron zur größten Politik steht. Der Gründungsaufruf der DDR-weiten Oppositionsorganisation in Ost-Berlin muss dorf und Leipzig wird innerdeutscher Sombart zählte 260 Definitionen. Massenflucht seit dem Mauer- „Neues Forum“ wird unter der Überschrift „Aufbruch 1989“ von geschlossen werden, Linienflugverkehr aufgenommen. Grundidee des Sozialismus: Es gibt bau. Sonst gelingt bis zu 100 31. august 4 . september 30 Bürgerrechtlern veröffentlicht. Die Bewegung wird von den 26. september nachdem 130 DDR- kein Privat-, sondern nur Staats- DDR-Bürgern täglich die Flucht Österreich setzt die In Leipzig findet die erste Mon- Behörden als „staatsfeindlich“ eingestuft und nicht zugelassen. Die SED-Leitung beschließt einen Maßnahmenka- Bürger Zuflucht suchten. eigentum. So sollte eine Gleichheit von Ungarn nach Österreich, 29. august Visumpflicht für DDR- tagsdemonstration im Anschluss an talog zur Unterdrückung der Opposition und setzt Am 14. und 22. August aller Menschen erreicht werden. Der viele werden auch noch festge- Im SED-Politbüro herrscht Bürger aus, um ihnen das traditionelle Friedensgebet in „inoffizielle Mitarbeiter“ auf die Organisation an. folgen die Schließungen 13. august „real existierende Sozialismus“, nommen. Mehrere tausend DDR- Ratlosigkeit wegen der die Durchreise in die der Nikolaikirche statt. Etwa 1.200 „Inoffizielle Mitarbeiter“ (kurz „IM“): Das Ministe- der Botschaften in Am Jahrestag des Mauer- wie die Staatsform in der DDR Urlauber lagern in Budapest bei Flüchtlingskrise. SED- Bundesrepublik zu Demonstranten fordern „Wir wollen rium für Staatssicherheit beschäftigte weit über Budapest und Prag, in baus demonstrieren aus- hieß, wurde durch eine strenge 35 Grad Hitze am Straßenrand Politiker Günter Mittag erleichtern. raus!“. Auch in Städten wie Dresden, 100.000 DDR-Bürger als IM. Sie lieferten der Be- denen sich 171 bzw. 140 reisewillige DDR-Bürger Ein-Parteien-Herrschaft geführt: Die und in Vorgärten und warten auf äußert: „Ich möchte auch Halle, Magdeburg, Rostock und 11. september hörde verdeckt Informationen und waren damit ein Fluchtwillige aufhalten. am Brandenburger Tor. Macht in Ostdeutschland ging allein ihre Fluchtchance. manchmal den Fernseher Schwerin werden im Herbst 1989 Um 0.00 Uhr öffnet Ungarn offiziell wichtiger Teil des Überwachungssystems der DDR. von der SED aus. zerschlagen.“ Montagsdemos stattfinden. seine Grenzen gen Westen.

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Sie studiert lerin mit einer DDR-Flagge am Rucksack ob der Einzelne nun zur Wahl geht oder nicht, darf jeder selber entscheiden. Betriebswirtschaft an der gesehen. Es gab ja auch solche DDR- Klatte gerade Anfang 20. Katja Schmieder TU Dresden. Ostalgie-Shows im Fernsehen. Wenn Sie Es gab auch Wahlkabinen, die das sehen, was geht dann in Ihnen vor? spricht mir ihm über die SED-Diktatur, standen aber in einer Ecke. Eigentlich Ich habe ein sehr ungutes Ge- hätte man, um für die SED zu stim- fühl. Solche Shows verharmlosen und über die Demos 1989 und darüber, wie er men, nur seinen Zettel in die Wahlurne Das Foto entstand im stellen die DDR nicht richtig dar. Des- schmeißen müssen. Ohne was darauf zu Sächsischen Landtag in Dresden. wegen müssen wir uns mit der DDR- bei Wahlen gegen die SED stimmen konnte. schreiben, das allein galt als „ja“ für die Geschichte beschäftigen, über sie in- SED. Wollte man das nicht, dann musste formieren. Damit sich so ein verklärtes man einmal quer durch den Raum laufen Bild nicht in der Gesellschaft verfestigt nur mitgelaufen“ für gefährlich, weil sie täglich zu Tausenden übergesiedelt – da zur Wahlkabine. Man wurde daran zwar – gerade bei den jungen Leuten, die sich dem Einzelnen Unrecht tun können. war klar, dass die DDR praktisch tot ist. nicht gehindert, aber es wurde registriert. selber an diese Zeit nicht mehr erinnern. Sie waren auch bei den Demos Will ich heute in eine Partei Und dann schrieben beide Stifte nicht, die Wie war denn die reale DDR? 1989 dabei. Wie war das? eintreten, kann ich wählen zwischen zum Wählen da lagen. Aber wir hatten Da reicht ein Schlagwort: Dik- Es war Aufbruchstimmung, vielen politischen Ansichten, und es uns vorsichtshalber welche mitgebracht, tatur. Eine kleine Gruppe hat sich ange- Euphorie. Man forderte zum ersten Mal gibt die Freiheit, ja, die Forderung, über um mit „Nein“ stimmen zu können. maßt zu wissen, was gut ist für die ande- mit Gleichgesinnten etwas, und zwar politische Meinungen zu streiten. Hat Sie das dann auch zu ande- ren, hat den Staat und die Menschen, die lautstark und mit Transparenten. Das Ich bin 1987 in die LDPD – die ren Aktionen motiviert? darin lebten, als ihr Eigentum betrachtet hat Mut gemacht. Und wir hatten die Liberal-Demokratische Partei Deutsch- Ich war im Jugendbeirat der und hat willkürlich über sie bestimmt. Hoffnung, damit etwas zu erreichen. lands – eingetreten, eine der kleineren LDPD in Dresden und wir haben 1989 Warum hat das funktioniert? Ich war aber auch angespannt und Blockparteien, die von der SED gebraucht einen eigenen nichtsozialistischen Ju- Es gab viele Gründe. Sich aufleh- hatte Angst. Die Polizei ist manchmal wurde, um den Schein einer Demokra- gendverband gegründet, um uns vom nen, das konnte enorme Konsequenzen ziemlich aggressiv vorgegangen. Wir tie zu wahren: Denn Grundsätzliches SED-Jugendverband FDJ abzugrenzen. haben. Ich kannte jemanden, der hatte wussten ja nicht, wie am Ende alles aus- durften sie nicht entscheiden. Ich war Sie sind heute Pressesprecher im in einer kleinen Runde gesagt, dass er geht, auch wenn man sich in der Masse Vorsitzender einer Wohngebietsgruppe Sächsischen Landtag und arbeiten sozu- den Führungsanspruch der SED nicht relativ sicher fühlte. und habe Vorträge oder Diskussionen sagen am Herz der Demokratie. Kann 4. oktober mehr akzeptiert. Daraufhin hat er seinen Und knapp ein Jahr später die organisiert. Um offen miteinander zu man heute das leben, was Sie damals Etwa 7.000 DDR-Bürger dürfen Job verloren und musste unterbezahlt Wiedervereinigung. Ganz schön viel reden, trafen wir uns in Nebenräumen 1989 erreichen wollten? von Prag in verriegelten arbeiten. Sogar Kinder wurden drangsa- Veränderung in ziemlich kurzer Zeit. von Gaststätten oder kleinen Clubs, Es gibt natürlich auch heute Sonderzügen in die Bundesre- publik ausreisen. Am Dresdener liert. Das kommt noch dazu: Man musste Eigentlich forderten wir 1989 auf denn im Alltag galt: Pssst. Dinge, die ich mir besser oder anders Hauptbahnhof kommt es in auch aus Verantwortung gegenüber seiner den Demonstrationen nicht primär die Heute gibt es Streiks, man de- wünschen würde. Aber das, was mich der Nacht zum 5. Oktober zu Familie aufpassen. Deshalb halte ich pau- deutsche Wiedervereinigung, sondern de- monstriert für seine Forderungen, die am meisten in der DDR gestört hat, einer Straßenschlacht zwischen schale Sätze wie „Du bist ja auch einfach mokratische Verhältnisse in der DDR. Unzufriedenheit mit aktueller Politik und spiegelt sich wider in den damaligen Ordnungskräften und etwa Und wie sehen Sie die Wieder- die jeweilige Kritik wird im Fernsehen ver- Forderungen nach Meinungsfreiheit, 10.000 Demonstranten, die auf vereinigung heute? breitet. Damals hätten Sie auch verhaftet nach politischer Freiheit des Einzelnen. die Flüchtlingszüge aufspringen 9. november Alternativlos. Die Grundforde- werden können für ihre politische Arbeit. Dass man versuchen kann, eigene Ideale wollen. Fall der Berliner Mauer rungen der Friedlichen Revolution, also Ich wundere mich heute noch, umzusetzen, nach persönlicher Freiheit 18.53 SED-Funktionär Günter Schabowski gibt bekannt: Ab Meinungsfreiheit, Reisefreiheit, persön- warum für mich nie Konsequenzen zu entscheiden: Wo will ich in meinem sofort soll jeder einen Antrag auf Reisen in die Bundesrepu- blik stellen dürfen, ohne Einschränkung. Auf die Nachfrage liche Freiheit – wenn man diese prak- entstanden sind. Auch nicht nach den Leben hin. Jetzt haben wir die Möglich- 9. oktober eines Journalisten, wann die Regelung in Kraft treten solle, tisch umsetzen wollte, konnte die Tren- letzten Kommunalwahlen im Frühjahr keit, unsere Wege selber zu gestalten. Bei Massendemonstrationen mit 70.000 antwortet Schabowski: „Ab sofort, unverzüglich!“ nung der beiden deutschen Staaten nicht 1989, die stark gefälscht waren, wo ich Ich würde sagen: 99 Prozent der Forde- Menschen in Leipzig wagt die SED- 20.00 Die „Tagesschau“ meldet: „DDR öffnet Grenze.“ erhalten bleiben. Die Menschen sind ja einer von etwa 30 Studenten von über rungen von damals sind umgesetzt. Führung es nicht, die Demonstration 31. oktober 20.15 80 Ost-Berliner stehen an den Grenzübergängen gewaltsam aufzulösen. Erstmals lässt Im Oktober gelingt 57.024 Bürgern die Flucht in Bornholmer Straße, Invalidenstraße und Heinrich-Heine- das Regime seine Kritiker gewähren. den Westen; 30.598 Menschen dürfen die DDR Straße. Die Grenzwächter haben Anweisung, die Menschen mit Genehmigung verlassen. zurückzuschicken. 20. november 23. oktober 23.30 In der Bornholmer Straße wird die Lage gegen 23 Uhr Mehr als 200.000 Menschen unterzeichnen 18. oktober 300.000 Menschen demonstrieren in bedrohlich. Tausende Menschen drücken auf den Grenzüber- binnen sechs Wochen einen Aufruf des „Neuen 6. dezember 31. dezember 16. oktober Der neue SED-Generalsekre- Leipzig, Zehntausende in Magdeburg, 4. november 8. november gang. Bis Mitternacht wird durch das Volk die Öffnung aller Forums“ mit der Forderung nach freien Wahlen. Egon Krenz wird zum Rücktritt als SED-Generalsekretär Am Brandenburger Tor In Leipzig demonstrieren über 100.000 tär Egon Krenz kündigt die Dresden, Schwerin, Zwickau, Halle, Stral- Auf dem Berliner Alexan- Das SED-Politbüro Berliner Übergänge erzwungen. gedrängt. Drei Tage später tritt er auch als Vorsitzen- wird die erste gemein- Menschen. Erstmals berichten die DDR- Einleitung einer „Wende“ sund und Berlin sowie bereits an den derplatz findet die größte tritt zurück. Das 01.00 Zwischen 1 und 2 Uhr überwinden Tausende von West- der des Staatsrates und des Nationalen Verteidigungs- same deutsch-deutsche Medien über die Leipziger Montagsde- und die Verabschiedung Vortagen in Plauen und Rostock. Massendemonstration in „Neue Forum“ wird und Ost-Berlinern die Mauer am Brandenburger Tor und 27. november rates ab. Silvesterparty gefeiert. monstration. neuer Reisebestimmungen der Geschichte der DDR nun doch als Vereini- spazieren über den Pariser Platz und durch das Tor. Der Auf der Leipziger Nach dem Bau der Mauer an. Die DDR-Führung besetzt statt. Mehr als 500.000 gung anerkannt. Betonwall bleibt von einigen Tausend Menschen besetzt. Montagsdemonstration 4. dezember 1961 siedelten bis Ende den Begriff „Wende“ Demonstranten fordern mit 150.000 Teilnehmern In Erfurt, Suhl und Leipzig 7. dezember 1989 knapp 500.000 DDR- 17. oktober bewusst, weil sie demons- 25. oktober Reformen, freie Wahlen und werden erste Sprechchöre werden erste MfS-Dienst- In Ost-Berlin treffen Bürger in die Bundes- Das SED-Politbüro beschließt die Ab- trieren will, dass sie die Stasi-Chef Erich Mielke weist für Meinungsfreiheit. In wei- „Deutschland, einig stellen von Bürgerrecht- sich SED, Blockparteien, republik über, fast noch setzung Erich Honeckers, der seit 1976 politischen Veränderungen MfS-Mitarbeiter erhöhte Kampf- teren 40 Städten der DDR 12. november Vaterland“ laut. lern besetzt. Massenorganisationen einmal soviele flüchteten. Staatsratsvorsitzender der DDR und herbeigeführt hat und nicht bereitschaft und das Tragen der kommt es zu Protesten. Alle Sperrgebiete an der Mauer bzw. innerdeutschen und Oppositionsgruppen Rund 15.000 wurden von Generalsekretär der SED war. die Demonstranten. Schusswaffe an. Grenze werden aufgehoben. Es besteht nun freier erstmals am „Zentralen der Bundesregierung Zugang zu allen Ortschaften in den Grenzgebieten. Runden Tisch“. „freigekauft“.

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