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Pfarrkirche St. Mauritius in Nordstetten

Große Kreisstadt Horb am Landkreis Diözese Rottenburg-

Zur Geschichte

Die Umgebung von Nordstetten ist uraltes Siedlungsgebiet, das sich bis in vorrömische Zeit zurückverfolgen lässt. Bis zum Jahr 400 erfolgte die Landnahme durch die Alemannen. Nordstetten selbst scheint in der Zeit um 650 bis 700 stärker besiedelt gewesen zu sein, wie aufgrund von Grabfunden im Jahre 1952 ersichtlich wurde. Der Ort wurde vermutlich von aus besiedelt, wo ein alemannisches Geschlecht ansässig war. Empfingen war letztlich auch die Urpfarrei, von der aus die umgebenden Orte und Weiler christianisiert und dann kirchlich verwaltet wurden. Bereits um 760 verfügte das Kloster St. Gallen über Besitz in Nordstetten und verantwortete den Bau einer kleinen Kirche, die dem hl. Sylvester geweiht war. In einer Urkunde aus dem Jahre 762, die sich im Stiftsarchiv von St. Gallen befindet, wird der Ort als »nortstati« zum ersten Mal erwähnt. Über die Pfalzgrafen von Tübingen kamen um 1293 durch Heirat große Teile des Horber Umlandes an die Grafen von Hohenberg. 1381 verkaufte Rudolf von Hohenberg das Gros seiner Grafschaft an Österreich, behielt aber scheinbar diese Horber Teile als Lehen, da die Nordstetter Kirche noch bis 1482 im Besitz der Grafen von Hohenberg zu finden war. Die Oberherrschaft Österreichs sollte bis 1805 dauern, als mit der Gründung des Königreichs Württemberg die kleinstaatliche Zergliederung dieser Region aufgegeben wurde. Verwaltungstechnisch gehörte Nordstetten seit dem frühen 13. Jahrhundert zu Isenburg. Im 14. und 15. Jahrhundert entwickelte sich Ortsadel in Nordstetten. Nach dem Geschlecht der Pfuser erscheinen die Herren von Neuneck und von Ow. 1461 wird Conrad von Weitingen als Besitzer von Nordstetten bezeichnet. Ende des 15. Jahrhunderts gelangt Nordstetten an den Ritter Diepold von Hapsberg. Die Hapsberger erbauten nach 1525, also zur Zeit der Bauernkriege, das erste Nordstetter Schloss. 1594 werden die Freiherren von Pregenroth als Besitzer Nordstettens erwähnt. Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges erwarb der kaiserliche Oberst Adam Heinrich Keller von Schleitheim die Güter von Nordstetten. Er wurde später als österreichischer Landeshauptmann der Grafschaft Hohenberg in den Freiherrenstand erhoben. Karl Heinrich Keller von Schleitheim ließ 1737 bis 1740 das alte Nordstetter Schloss abreißen und das noch heute erhaltene neue Schloss erbauen. Dieser Neubau scheint die finanziellen Mittel der Familie sehr strapaziert zu haben, da seit dessen Fertigstellung nach und nach Ländereien und Besitzungen veräußert werden mussten, um die Schuldner zu bedienen. 1819 erwarb Christian Freiherr von Münch aus Hohenmühringen die verbliebenen Besitzungen, die dann 1831 der Legationsrat Freiherr von Linden übernahm. Von 1851 bis 1858 befand sich Nordstetten im Besitz des Barons Philipp von Fischer-Weikersthal, bis letztlich 1858 der gesamte Herrschaftsbesitz an die Gemeinde Nordstetten überging. Die Vorgängerbauten der heutigen Kirche bis 1945

Einer oder mehrere Vorgängerbauten des frühen und Hohen Mittelalters sollen sich angeblich ca. 100 bis 150 Meter weiter südlich im Bereich des heutigen Pfarrgartens befunden haben. Die erste Kirche war wohl ein hölzerner Bau, der dem hl. Sylvester geweiht war und sich um 760 im Besitz des Klosters St. Gallen befand. Bereits 1275 wird Nordstetten als selbstständige Pfarrei in einem Verzeichnis des Bistums Konstanz aufgeführt. Die Urpfarrei Empfingen erscheint hier als Dekanat. 1323 gründeten die Grafen von Hohenberg eine neue Kirche, die dem hl. Mauritius geweiht war. Diese Kirche schenkte Erzherzogin Mechthild von Österreich 1482 dem Horber Stift. Möglicherweise stammen die unteren Turmgeschosse noch von diesem Kirchbau. Hierfür sprechen die Spuren von gebossten Eckquadern, die in späteren Bauphasen keine Verwendung mehr gefunden haben. In den Jahren 1748 bis 1749 wurde das Kirchenschiff durch einen Neubau ersetzt. Der Kirchturm erfuhr lediglich dahingehend eine Änderung, dass man ihm eine Zwiebelhaube aufsetzte. Der Baumeister Georg Jakob Lederer aus Horb übernahm die Ausführung dieser Kirche. Die Arbeiten verliefen offenbar nicht reibungslos, und es wurden im Nachhinein Anklagepunkte verfasst. Die Weihe der Kirche erfolgte schließlich erst am 13. August 1762 durch Weihbischof Franz Carl Joseph Fugger von Konstanz. Die barocke Kirche hat sich in wesentlichen Teilen in der turmseitigen Giebelwand und einem Großteil der seitlichen Außenwände erhalten. Lediglich der Chorraum ging aufgrund späterer Baumaßnahmen verloren. Die Kirche war bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu klein, was erste Überlegungen zu einer Erweiterung veranlasste. 1869 ersetzte man die barocke Zwiebelhaube und die oberen Turmgeschosse durch einen neugotischen Ersatzbau. Erst 1881 konkretisierte sich der Wunsch zur Erweiterung, sodass der evangelische Oberamtsbaumeister Bihler aus Horb den zuständigen Behörden einen Entwurf vorlegen konnte. Sein realisierter Entwurf sah vor, anstelle des nunmehr abgetragenen Chores ein Querhaus zu errichten und diesem einen neuen Chor anzufügen. Stilistisch griff er hierbei auf Elemente der gotischen Architektur zurück, die nun auch den noch verbleibenden barocken Raum charakterisieren sollten. So wurde die ehemalige Doppelempore durch eine eingeschossige Empore ersetzt, und die Fenster bekamen neugotische Maßwerke. Querhaus und Chor erhielten zum Teil weit gespannte Gratgewölbe auf Konsolen (Querhaus) bzw. verkürzten Diensten (Chor), während der barocke Bauteil flachgedeckt blieb. Die Kirche erweckte seither einen uneinheitlichen Eindruck, da Kirchensaal und Querhaus nicht mehr gleich hoch und deren Decken unterschiedlich gestaltet waren. Die Weihe dieser neuen, erweiterten Kirche vollzog im September 1884 der Rottenburger Bischof Carl Joseph von Hefele. Bei einer umfassenden Renovation in den Jahren 1914 bis 1915 wurde die Raumschale neu gefasst. Im barocken Teil befand sich zuvor (wohl aus der Erweiterungsphase stammend) ein Deckenspiegel in Medaillenform, dem in der Mitte ein Bild von den heiligen fünf Wunden mit dem Herzen Jesu integriert war. Diese Malerei wurde beseitigt und durch ein Bildnis des hl. Mauritius ersetzt, das der Kirchenmaler Gottfried Schiller schuf. Der Künstler stellte Mauritius in der himmlischen Verklärung dar, wobei er nicht an zeitaktuellen Anspielungen auf den Ersten Weltkrieg sparte. 1917 wurden die Fenster an den Seitenaltären neu gestaltet, wobei hier ebenfalls die Zeit des Ersten Weltkriegs thematisch ihren Niederschlag fand. Der heutige Kirchbau

Am 19. April 1945, in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges, wurde die Pfarrkirche durch starken Artilleriebeschuss zerstört. Unter Pfarrer Josef Hezel begann zunächst die Räumung der Ruine, die primär von Nordstetter Frauen durchgeführt werden musste. Die gewaltigen neugotischen Giebel wurden im August 1945 abgetragen. Der Chor, dessen Gewölbe die Kriegszerstörung überdauert hatten, erhielt im November 1945 ein neues Dach. Der Wiederaufbau der Kirche, zu dem der Rottenburger Architekt Martin Schilling die Pläne erarbeitete, gestaltete sich schwierig, zumal die benötigten Nordstetter Handwerker in Kriegsgefangenschaft waren. Eine wesentliche Maßnahme bedeutete der Verzicht auf die Wiederherstellung des neugotischen Querhauses und dessen komplizierte Einwölbung. Stattdessen entschied sich Schilling für die Errichtung eines längsrechteckigen Kirchensaales, dessen Außenwände einheitlich mit einer barockisierenden (Blend-)Arkatur versehen wurden. Die ersten drei Blendarkaden in West-Ost-Richtung berücksichtigten dabei die vorhandenen Fenster, die noch aus der Barockzeit stammten, aber mit neugotischen Maßwerken dekoriert waren. Die beiden östlichen Arkaden entstanden neu anstelle des ehemaligen Querhauses. Dessen Restflächen bildeten nun beiderseits je zwei kapellenähnliche Räume aus, die zur Aufnahme von Seitenaltären vorgesehen waren. Martin Schilling zitierte – nach der Überlieferung auf ausdrücklichen Wunsch von Pfarrer Hezel – bei der Ausbildung der Seitenkapellen ein Thema, das in der Wallfahrtskirche im Rottenburger Weggental einen regional nahe liegenden Verwandten des Vorarlberger Bauschemas aufweisen kann. Anstelle einer durchgehenden Tonnenwölbung des Kirchensaales erfolgte allerdings der Einbau einer eher am mittelalterlichen Profanbau orientierten groben Holzbalkendecke. Während es dem Architekten somit gelang, den Kirchensaal stilistisch zu einer aussagekräftigen Form in barocker Anlehnung zu gestalten, behielt er sich weiterhin den neugotischen Stil für den unzerstörten Chor vor. Seine Zeichnung von 1946 präsentiert Details, die sich erhalten haben, die allerdings nicht neugotischen Ursprungs sind, sondern eine zeitgenössische Zutat, die sich dem Bestand wohltuend einfügte. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um die reliefartige florale Fassung in den Laibungen der Chorfenster oder die Platzierung der neuen Evangelistenfiguren. Martin Schilling standen mehrere Künstler beratend und bei der Ausführung zur Seite. Prof. Johannes Wohlfahrt aus schuf die Wandmalereien beiderseits des Chorbogens. Sie verdeutlichen nach den Schrecken des Krieges das Wort Jesu: »Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken« (Matthäus 11,28). In ihrer Art und Aussagekraft sind diese Bilder eindrucksvolle und mittlerweile sehr seltene Zeugnisse der Zeit direkt nach 1945. Wohlfahrt ist auch der Entwurf für die drei farbigen Chorfenster zu verdanken. Die lebensgroßen Evangelistenfiguren, die das mittlere Fenster flankierenden Engelchen sowie das über dem Scheitel des mittleren Fensters thronende Brustbildnis von Gottvater stammen vermutlich aus der Werkstatt des Bad Niedernauer Bildhauers Heinrich Schneider und wurden wohl nach Entwürfen von Martin Schilling geschaffen. Den Hochaltar fertigte der Rottenburger Bildhauer Josef Walz.

Die Renovation von 2006

Mehrere Gründe gaben Anlass zur jüngsten Kirchenrenovation. So war beispielsweise der Sockelputz stark durchfeuchtet, Teile der Elektro-Installation waren überaltert, die Fenster mussten repariert werden und die Ausstattung war stark abgenutzt. Im Zuge der Sockelputzerneuerung wurde daher gleich geplant, den bislang vorhandenen, ästhetisch wenig befriedigenden Kratzputz sämtlicher Wände zu glätten und anstatt des bisherigen durchgängig gelben Anstrichs ein Farbkonzept zu entwickeln, das sich auf den Gesamtraum einlässt und ihn weiterentwickelt. Schwierig war hierbei das Aufeinanderprallen von nachkriegszeitlich uminterpretiertem neugotischem Chor mit (pseudo)-barockem Kirchensaal. Ausgangspunkt für die Neufassung war der Chor. Seine Gewölbeflächen zeigen – in bester gotischer und auch neugotischer Tradition – eine Farbe, die sich an Lapislazuliblau anlehnt, eine Farbe, die in vorindustrieller Zeit durch das Zerreiben des entsprechenden Halbedelsteins gewonnen wurde, demnach sehr kostbar war und nur in Häusern von wohlhabenden Adeligen oder herausragenden Sakralbauten Verwendung fand. Die kalksteinernen Gewölberippen blieben naturbelassen und erhielten lediglich an der Unterseite eine vergoldete Kante. In der fortgeschrittenen Abenddämmerung ergibt sich so augenscheinlich das Bild des Himmelsgewölbes, des unendlichen Kosmos, in dem Gottvater thront. Sein steinernes Brustbild findet sich denn auch sinnig im Übergang vom Sturz des Mittelfensters eben in das Gewölbe hinein. Die Mittelachse wird zum liturgisch überhöhten Heiligen Bezirk. Anstelle des Hochaltars von 1947 befindet sich bereits seit 1985 eine von Alfred Appenzeller gestaltete Stele; sie trägt den nachkriegszeitlichen Tabernakel als Aufbewahrungsort des »Panis angelicus«, des »Brotes der Engel«. Den Tabernakel umrahmen goldgefasste Engel. In andächtiger Haltung beten sie den auferstandenen Herrn an. Das neue Gemälde des Auferstandenen schuf 2006 Kerstin Stöckler aus Altshausen. Das Bild orientiert sich im Duktus an der nazarenischen Malweise. Der goldene Hintergrund des Engelsreliefs steigert die Würde des Heiligen Bezirks. Bei dem Relief handelt es sich um den Rückwandaufsatz des ehemaligen Hochaltars, dessen Mensa verkleinert wurde und seit 1985 als Zelebrationsaltar Verwendung findet. Das von Johannes Wohlfahrt gestaltete Mittelfenster in seinen nun expressiv leuchtenden Blautönen beinhaltet Symbole, die auf die Heilige Eucharistie verweisen: zwei Brotkörbe mit Vögeln, ein Fisch mit Kreuz und Anker. Die seitlichen Laibungen sind von aufwärts strebenden Engeln flankiert, die zu Gottvater aufsteigen. Sie bilden das Gelenk zwischen der Gegenwart des Herrn im Tabernakel und dem Schöpfergott. Die intensive grüne Farbgebung der Wände orientiert sich an der Tönung von Rorschacher Sandstein, einem Material, das im Mittelalter im Süden Deutschlands reichen Einsatz fand. Die aufgemalte helle Quaderung soll diesen Eindruck verstärken. Die vier lebensgroßen Evangelistenfiguren aus heimischem Kalkstein (auf der linken Seite Johannes mit dem Adler und Markus mit dem Löwen; rechts Matthäus mit dem Engel und Lukas mit dem Stier) stehen nun selbstbewusst in der Wand und flankieren, das Wort verewigend, die »heilige Achse«. Einen starken farbigen Akzent setzen die beiden assistierenden Fenster in ihren intensiv leuchtenden Gelb- und Goldtönen. Gestaltung und Fassung der Laibungen mit weißen Weinblättern auf gelbem Grund entsprechen der Zeit von 1947. Im Mittelpunkt des Chores erhebt sich der Zelebrationsaltar, der 1985 aus überarbeiteten Versatzstücken des nachkriegszeitlichen Hochaltars von Bildhauer Walz geschaffen wurde. Sein Stipes enthält als Symbol den Kelch mit Hostie, umgeben von anbetenden Engeln, und versinnbildlicht somit das eucharistische Geschehen auf dem Altar. Dem Duktus angepasst hat sich die Gestaltung des Ambos von Alfred Appenzeller. Die Farbgebung des Kirchenschiffes orientiert sich – gemäß der architektonischen Vorgabe – an barocken Beispielen. Die vorhandenen Pilaster wurden marmoriert, die Wandfarbe dem Kalksteinton der reichen figürlichen Ausstattung im Chor entlehnt. Dadurch werden die beiden stilistisch unterschiedlichen Räume zusammengefasst. Der Kirchenraum, reserviert für die Gläubigen, ist ein wahrer Feierraum und strahlt nun eine elegante Festlichkeit aus, während der Blick in den dunkleren Chor fällt. Die mystagogische Besonderheit dieses geheiligten Raumes wird dadurch verstärkt und unterstrichen.

Die Ausstattung

Die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges umfassten auch das Interieur der Kirche. Hoch- und Muttergottesaltar, gefertigt von den Bildhauern Hausch und Bayer aus Horb, sowie der Josefsaltar des Horber Bildhauers wurden völlig vernichtet. Ebenso die Kanzel und fast aller figürlicher Schmuck. Daher entschied man sich bald, die reiche Ausstattung der Kapelle Unserer Lieben Frau im Taberwasen in die erneuerte Kirche zu überführen, womit sie letztlich auch vor Diebstahl gesichert wurde. Im Scheitel des Triumphbogens befindet sich das Kreuz Christi, dessen Corpus aus dem Ende des 14. Jahrhunderts stammt. Es wird flankiert von zwei Wandbildern, die Johannes Wohlfahrt 1947 geschaffen hat. Die Darstellungen verdeutlichen das Wort Jesu: »Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid«. Sie verweisen zugleich auf die Schreckenszeit des Zweiten Weltkrieges, auf die Not der Menschen in der Zeit nach 1945. Die Kanzel von 1947 ist, wie auch schon bei vorigen Renovationen, im Kirchenraum verblieben. Auch sie ist bau- und kunsthistorisch ein seltenes Zeugnis ihrer Zeit. Die barocke Formensprache von Kanzelkorpus und Schalldeckel harmoniert hervorragend mit dem gesamten Raumklang des Kirchensaales. Die Kanzel-Dekorationen verweisen auf die Verkündigung des Wortes Gottes. Dementsprechend findet sich in der Mitte die Darstellung von Christus als Lehrer. An figürlichem Schmuck finden sich unterschiedlich dimensionierte Arbeiten verschiedener Epochen, die über Kirchensaal und Chor verteilt sind. Hervorzuheben sind dabei die vier Seitenkapellen. Die vordere Kapelle der Nordseite ist der Muttergottes gewidmet und verfügt über einen Altarstipes von 1947. Die Statue der Muttergottes mit Kind ist eine schwäbische Arbeit wohl aus dem 15. Jahrhundert. Als Pendant fungiert der Josefsaltar in der vorderen südlichen Seitenkapelle. Die Figur des hl. Josef stammt aus dem späten 19. Jahrhundert und befand sich ursprünglich im bischöflichen Konvikt in Ehingen/Donau. Sie ersetzt eine Skulptur, die 1956 vom Horber Bildhauer Erich Hoffmann geschnitzt, aber aufgrund ihrer holzsichtigen Behandlung bereits im Zuge der Renovation von 1985 nicht mehr über dem Seitenaltar aufgestellt wurde. In den Nischen der hinteren Seitenkapellen befinden sich die Gemälde der hl. Apollonia (Nordseite) und der hl. Agatha (Südseite). Der berühmte schwäbische Maler Franz Josef Spiegler (1691–1757) hat sie um 1735 geschaffen. Beide Bilder sind eingefasst von reich bewegten Rahmungen der Zeit und akzentuieren den barocken Charakter des Kirchensaales. Im Zentrum der hinteren nördlichen Seitenkapelle beachtenswert der Taufstein aus spätgotischer Zeit. Er wurde, da aus zwei unterschiedlichen Steinarten geschaffen, einheitlich überfasst und auf einer Sandsteinplatte im Fußboden als Ort definiert. Der Ölberg in der ersten nördlichen Seitenkapelle ist eine Arbeit aus dem Jahre 1624, gestiftet von Baron Ferdinand Wendler von Pregenroth und seiner Gemahlin Katharina von Schellenberg. Dargestellt sind der ins Gebet versunkene Jesus, die drei schlafenden Jünger Petrus, Jakobus und Johannes sowie ein Engel. Im Hintergrund sieht man eine bemalte Wand mit der Darstellung der Stadt Jerusalem. Von hier nahen sich Judas sowie die mit Knüppeln und Schwertern bewaffneten Knechte und Soldaten, die Jesus gefangen nehmen wollen. Entlang der Kirchensaalwände wurde der bis zuletzt auf der Pfarrhausbühne verwahrte Kreuzweg neu platziert. Es handelt sich um eine Arbeit im Duktus der spätnazarenischen Schule, wobei bei genauer Betrachtung eine bereits expressive Behandlung der Figuren bemerkbar ist. Der Kreuzweg erhielt eine neue Rahmung, die dem Formenkanon des Raumes angepasst ist. Die intensive farbige Gestaltung der einzelnen Stationen bildet einen merklichen Kontrast zur ansonsten dezenten grau-weißen Fassung der Wände. Die Skulptur des Kirchenpatrons St. Mauritius (Chorseitenwand über dem Ambo) ist ein Werk des Südtiroler Bildhauers Flavio Pancheri und wurde 1986 geschaffen. Weiterhin im Kirchensaal beachtenswert die Barockstatuen des großen Missionars Franz Xaver und des hl. Antonius von Padua (südliche Kapellenpfeiler), des hl. Wendelin (nördliche Chorbogenwand), des hl. Aloisius von Gonzaga und des hl. Franz von Assisi (nördliche Kapellenpfeiler). Im Chorraum finden sich über der Sakristeitüre die kleinen Figürchen des hl. Vitus und des hl. Eligius (15. Jh.).

Wallfahrtskapelle Unserer Lieben Frau im Taberwasen, Nordstetten

Der Kirchenpatron

Mauritius wurde im späten 3. Jahrhundert in Ägypten geboren. Er trat der Thebäischen Legion bei und wurde deren Hauptmann. Während der Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian und dessen Mitregenten Maximian wollte man Mauritius und seine Gefährten zwingen, in der Gegend von Agaunum (dem heutigen St. Maurice im Wallis) gegen ihre christlichen Glaubensgenossen vorzugehen. Doch die Soldaten weigerten sich. Zur Abschreckung wurde jeder zehnte Mann der Legion hingerichtet. Die Überlebenden blieben dennoch standhaft. So wurde die grausame Prozedur fortgesetzt, bis schließlich die ganze Legion ausgelöscht war. Die Gebeine der Märtyrer wurden schon um 380 geborgen. An der Fundstelle ließ der Walliser Bischof Theodor eine Gedächtniskirche errichten, die sich bald zu einem beliebten Wallfahrtsort entwickelte, dem sich seit dem 6. Jahrhundert ein Kloster anschloss. Unter den ottonischen und salischen Kaisern wurde der hl. Mauritius zum Reichsheiligen des Heiligen Römischen Reiches.

Die Taberwasenkapelle befindet sich an uralter Siedlungsstelle. An ihr führt die alte Römerstraße von Rottenburg nach Sulz vorbei. Der Name selbst leitet sich wahrscheinlich vom lateinischen »Taberna« ab, was auf ein Wirtshaus schließen lässt, das sich hier zur Zeit der römischen Antike befunden haben könnte. Die Gründungslegende besagt, dass ein Holzfuhrwerk zu später Stunde unterwegs war. Am Taberwasen selbst geriet der Besitzer in die Dunkelheit, kam von der Straße ab und steckte plötzlich mit dem Fahrzeug im Sumpf der angrenzenden Wiesen fest. Alle seine Bemühungen, sich aus dieser misslichen Lage zu befreien, scheiterten. Schließlich legte er das Gelübde ab, an dieser Stelle zu Ehren der Muttergottes eine Kapelle zu errichten, sollte er auf festen Boden geraten und gesund heimkehren. Prompt befreiten sich die Pferde aus dem Sumpf, und er erreichte unversehrt sein Heim. Der älteste Teil der Kapelle ist der kleine Chorraum mit 5/8-Schluss, der sich aufgrund seiner Fenstermaßwerke und der Konsolreste der ehemaligen Chorwölbung ins mittlere 15. Jahrhundert datieren lässt. Der heutige Kirchenraum stammt in wesentlichen Teilen, zusammen mit der ihm vorgelagerten Eremitage, aus dem frühen 18. Jahrhundert, wobei nicht auszuschließen ist, dass Teile des aufgehenden Mauerwerks im Kirchenraum älteren Ursprungs sind. Kapelle und Eremitage sind unter einem einzigen Dach vereint. An der Nahtstelle von Sakralraum zu Wohnhaus befindet sich ein achteckiger Dachreiter, der eine Glocke enthält. Der Hauptzugang der Kapelle findet sich nicht sichtbar an vermuteter Stelle in der stirnseitigen Außenwand, sondern erfolgt über eine schlichte Tür im Bereich der Eremitage. Erst hier im Vorraum öffnet sich der Eingang zum Sakralraum. Der Vorraum dient gleichzeitig der Erschließung der einstigen Eremitenbehausung, die in den Jahren 2003 bis 2005 mit bescheidenen finanziellen Mitteln (und vor allem mit sehr viel engagierter Eigenleistung der Gemeindeglieder) vor dem endgültigen Zerfall gerettet wurde. Hier wurde auf zwei Etagen Raum zur Begegnung von Jung und Alt geschaffen. Der Innenraum der Kapelle atmet barocken Geist – allerdings handelt es sich überwiegend um eine Schöpfung des 20. Jahrhunderts. Einzig die Kanzel in ihren üppigen Rokoko-Formen ist ein originales Relikt der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die neoromanische Ausstattung von 1887/88 wurde seit den 1960er-Jahren beseitigt. 1953 restaurierte der Bad Waldseer Kunstmaler Peter-Paul Beyerle das Deckenbild im Chor, erst 1943 vom Horber Maler und Bildhauer Wilhelm Klink geschaffen und in den letzten Kriegstagen beim Einmarsch der Franzosen beschädigt. Es zeigt Maria als Mutter und Fürsprecherin, an die sich der Gläubige in der Wallfahrtskapelle vertrauensvoll wenden kann. 1963 ersetzte man den gründerzeitlichen Hochaltar durch einen barocken Altar aus der Wallfahrtskirche im Weggental bei Rottenburg. Im selben Jahr entstand das Deckenbild im Kirchenraum, ebenfalls ein Werk von Peter-Paul Beyerle. Es stellt die Krönung Mariens im Himmel dar. Die Mehrzahl der zur Kapelle gehörenden Kunstgegenstände wurde nach dem Wiederaufbau der kriegszerstörten Pfarrkirche St. Mauritius aus Sicherheitsgründen dorthin verbracht. Verblieben sind mehrere Teile des neoromanischen Hochaltares vom Horber Bildhauer Haugg (Tafeln und Figuren). Pfarrkirche St. Konrad in Ahldorf

Zur Geschichte

Ahldorf ist ein altes Siedlungsgebiet, wie alemannische Gräberfunde des 3. Jahrhunderts nordwestlich der Pfarrkirche belegen. Bereits um 790 soll der Ort als »Algadorff« teil einer Schenkung des Grafen Gerold vom Nagoldgau an das Kloster Reichenau gewesen sein. Die erste ur- kundliche Erwähnung erfolgte im Jahre 1308 im Kontext des Klosters Kirchberg. Im 13. und 14. Jahrhundert befand sich Ahldorf mit seiner Ortsburg im Besitz des Rittergeschlechtes Kröwel. 1382 gelangte der Ort unter die Oberhoheit von Vorderösterreich und verblieb dort bis 1805. Seither teilte Ahldorf die Geschicke des Königreichs Württemberg. 1389 erwarben die Herren von Weitingen die Burgen und den Flecken, 1414 übernahmen die Herren von Ow den Besitz; bei ihnen verblieb das Patronat bis 1858. Kirchlich gehörte Ahldorf zu Mühlen, dessen Remigiuskirche wohl als Mutterkirche von Ahldorf fungierte. Nachdem um 1550 der Grundherr von Mühlen die Reformation einführt hatte, wurde das katholisch gebliebene Ahldorf aus dem Pfarrverband von Mühlen gelöst, 1551 zur selbstständigen Kaplanei erhoben und dem Landkapitel zugeteilt (ab 1810 im Kapitel Horb). Um 1755 wurde Ahldorf schließlich selbstständige Pfarrei. Seit 1954 wird Ahldorf von Nordstetten aus betreut.

Die Pfarrkirche

Um 1430 entstand im Bereich der aufgelassenen Ortsburg eine gotische Kirche, die allerdings lediglich Sitz einer Kaplanei war und keine pfarrlichen Rechte besaß. Der älteste Kaufbrief der Pfründe datiert 1344, was darauf hindeutet, dass sich in der Burg bereits eine kleine Kapelle befunden haben muss, die vielleicht der gotischen Kirche vorausging. 1515 wurden die Altäre der Kirche geweiht. Der Hochaltar war der Muttergottes, den Heiligen Pelagius, Konrad und Mauritius sowie der hl. Katharina geweiht, die Seitenaltäre den Heiligen Johannes dem Täufer, Wolfgang, Erhard und Apollonia bzw. Bartholomäus, Georg, Agnes und Dorothea. Von diesen Altären haben sich lediglich die Bildnisse des Pelagius und des Konrad erhalten. Eine Ergänzung erfuhr wohl der Hochaltar 1696 durch ein erhaltenes Christus-Bild sowie durch zwei ebenfalls überkommene Gemälde mit den Darstellungen von Petrus und Paulus (1712). Der gotische Kirchenbau war eine rechteckige Saalkirche mit trapezförmig schließendem Chor. Im Westen asymmetrisch vorgelagert war der noch erhaltene Kirchturm, der auch den Hauptzugang zur Kirche bildete. Der Kirchenraum verfügte über eine westliche Doppelempore. Im Chorraum befanden sich zwei kleine Seitenemporen. 1834 beschloss der katholische Kirchenrat den Neubau der Kirche. Zum Bau nach Entwürfen des Reutlinger Bauinspektors Anton Rugg kam es allerdings erst mit erheblicher Verzögerung in den Jahren 1844 bis 1846. Man entschloss sich zur städtebaulich denkbar schlechten Beibehaltung der Ost-West-Ausrichtung mit dem erheblichen Defizit, dass die Haupteingangsseite unmittelbar auf den Giebel eines angrenzenden Anwesens blickt. Die Giebelseite gliedert sich in ein zentrales Portal mit hohem, allerdings leerem Tympanon, sowie je ein flankierendes hohes Bahnenfenster, das rundbogig schließt. Die Längsseite der Kirche ist durch Pilaster in drei Abschnitte unterteilt, deren mittlere Zone über fünf Achsen hoch ansitzende, lange, im Rundbogen schließende Fensterbahnen verfügt, wobei das mittlere Fenster durch das großzügig dimensionierte Nebeneingangsportal entsprechend verkürzt ist. Die Pilaster sind aus großformatigen Sandsteinquadern gefügt und schließen mit Fantasiekapitellen, die klassizistische und romanische Elemente auf eigentümliche Weise miteinander verschmelzen. Dem Ostgiebel angefügt ist eine Chorapsis, die im Inneren halbrund und im Äußeren in der Art eines 5/8-Abschlusses behandelt ist. Der Kirchenraum selbst orientiert sich am so genannten Finanzkammerstil, der in der Tradition klassizistischer Architektur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts steht. Hieraus resultiert die dreiseitig umlaufende Empore, die üblicherweise nur in evangelischen Kirchen anzutreffen war. Der Gesamtraum ist größtenteils noch in seiner originalen Substanz erhalten. Glücklicherweise unterblieb eine 1967 geplante gravierende Änderung, welche die Beseitigung der Seitenemporen und folglich die Schaffung einer riesigen Hallenkirche zur Folge gehabt hätte. Den späten Sechzigern entstammt allerdings die auf weiß und grau reduzierte Farbpalette, die den ursprünglich starkfarbigen und festlichen Charakter in keiner Weise mehr widerspiegelt. Einzig der Prospekt der 1850 vollendeten Engelfried-Orgel deutet in wenigen Spuren die einstmalige Farbgebung an. Von der ursprünglichen Ausstattung des Kirchenneubaus hat sich das Kruzifix des Horber Bildhauers Johann Nepomuk Meintel erhalten, das sich heute im Chorhaupt befindet. Weitere Figuren aus der zweiten Hälfte des 19. und dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts sind auf den Gesamtraum verteilt. Wesentlich war die Anschaffung der beiden Seitenaltäre in den Jahren 1895 und 1899. 1895 gelangte der Skapulierbruderschaftsaltar in die Kirche; er wurde im Atelier des Bildhauers Robert Mayer in Saulgau geschaffen. Vier Jahre später folgte der Josefsaltar, gefertigt von Bildhauer Anton Leinz aus Horb. Beide Altäre wurden 1968 entfernt, die Figuren ohne Rahmenwerk an der Wand angebracht. 1968 wurden die beiden seitlichen Apsisfenster mit Glasbildern von Otto Habel versehen. Sie zeigen Szenen aus dem Leben Jesu. Zudem entstand im Sinne der Liturgiereform ein neuer Zelebrationsaltar durch den Altheimer Bildhauer Alfred Appenzeller. 1990 ergänzte Herbert Straub aus -Bierlingen die Altarzone um einen Ambo. Pfarrkirche St. Gallus in Mühringen

Als alter Siedlungsort wird Mühringen in einer Urkunde des Grafen Gerold im Jahre 786 erstmals genannt. Dieser schenkte hierin dem Kloster St. Gallen 15 Orte der Bertholdsbaar. Mühringen gehörte somit zum reichen Grundbesitz dieses bedeutsamen Klosters, befand sich aber in einer Randlage und wurde wohl schon früh abgestoßen. Wenige Zeugnisse dokumentieren die Existenz von Mühringer Ortsadel in der Zeit bis ins 13. Jahrhundert, bis schließlich ein Dietrich von Mühringen 1237 als Zeuge der Gründung des Frauenklosters Kirchberg in Erscheinung tritt. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts gehörte Mühringen der Adelsfamilie Salzfaß, dann bis 1508 den Herren von Weitingen. Nach Heinrich von Zimmern erwarb die Familie Widmann den Ort, nach dem sie sich auch benannte. Im 17. Jahrhundert wechselte Mühringen gleich viermal den Besitzer, darunter der Deutsche Orden (1618–1652). Schließlich wurden die Familien Rauner und Münch Eigentümer des Ortes, bis sodann 1805 die Reichsritterschaft Mühringen aufgelöst und von Kurfürst Friedrich von Württemberg übernommen wurde. Ab 1806 war Mühringen Bestandteil des Oberamtes Horb. 1971 wurde Mühringen ins Stadtgebiet Horb eingemeindet.

Der Kirchenbau

Das Patrozinium St. Gallus verweist auf eine recht frühe Gründung wohl schon in der Zeit der Karolinger. Als Urpfarrei gilt die Martinskirche in Bierlingen, Mühringen war eine Filialgemeinde. Vermutlich stifteten die Herren von Weitingen eine Kaplanei in Mühringen, die urkundlich erst seit 1479 greifbar ist. 1602 wurde es dem Kaplan gestattet, in der Kapelle ein Taufbecken und einen Tabernakel aufzustellen und die hiermit verbundenen Sakramente zu spenden. 1710 wurde Mühringen unter Pfarrer Mathias Mayer selbstständige Pfarrei und von Bierlingen getrennt. Schon 1704 begann der Neubau der späteren Pfarrkirche. Der Bau, dessen Architekt unbekannt ist, zog sich bis 1708 hin und wurde am 28. Oktober 1709 vom Konstanzer Weihbischof geweiht. Der Hochaltar, 1724 vom Schreiner Harscher aus Ringingen geschaffen, gelangte 1725 in die Kirche. Bei der in ihrer Grundfläche bescheiden dimensionierten Kirche handelt es sich um einen Saalbau mit eingezogenem halbrundem Chorabschluss. Der Kirchensaal ist tonnengewölbt, der apsidial wirkende Chor weist eine Halbkuppel auf, die durch Stichkappen untergliedert wird. Die sehr hohen Wände sind durch Pilaster gegliedert, zwischen denen sich die Fenster befinden – je drei an den Längsseiten des Saales und vier im Chor, wobei die mittlere Achse fensterlos bleibt. Markant sind die hohen Bahnenfenster, denen – getrennt durch ein Gesimsband – achsenorientierte, quer liegende Ochsenaugenfenster aufgesetzt sind. Die Höhe der Wölbung im Innenraum ist an den Wandscheiben oberhalb der Ovalfenster ablesbar. Das Satteldach ist steil geführt. Zur Westseite (Haupteingang) hin befindet sich ein aufgesetzter Fassadenturm mit drei Geschossen und abschließendem Prismendach. Die Turmfassade ist leicht vorgezogen und tritt entsprechend aus der westlichen Außenwand hervor. Das Erdgeschoss verfügt hier über ein reich gestaltetes Portal, das von einem durch Pilaster getragenen gesprengten Dreiecksgiebel bekrönt wird. Das Zentrum des Giebelfeldes nimmt eine überdachte Nische mit der Figur des hl. Gallus auf, flankiert von den Wappen derer von Koch und Rauner, den Patronatsherren der Erbauungszeit der Kirche. Der Innenraum verfügt noch über eine Doppelemporenanlage, allerdings mit unbarocken Brüstungen. Die Ausstattung der Barockzeit und des Rokoko wurde bereits um 1826 radikal entfernt. Die Altäre wurden verbrannt, die bis dahin rege genutzte Wallfahrtskapelle der hl. Cumerana (der »heiligen Kümmernis«) abgerissen, das Bildnis der Heiligen (eine bärtige Jungfrau am Kreuz) entfernt. In Mühringen ist für die Zeit des 16. bis späten 18. Jahrhunderts eine intensive Cumerana-Verehrung nachweisbar, die mit den Josephinischen Reformen eingeschränkt wurde, um dann schließlich weitgehend aus dem Gedächtnis der Menschen zu entschwinden. 1888 wurde ein neugotischer Hochaltar der Altarwerkstatt Staudenmaier in Süßen als Stiftung des Patronatsherren Oskar von Münch aufgerichtet. Eine umfassende Renovation nach Plänen der Architekten Götz und Aldinger aus Kirchheim/Teck, 1929–1932 durchgeführt, beschränkte sich aus Kostengründen lediglich auf das wirklich absolut Nötigste. Die große Renovation der Jahre 1955 bis 1963 bescherte der Kirche dann einen fast völlig entleerten Raum. Der neugotische Altar, vom Kunstverein der Diözese Rottenburg als Ausstattungsstück »ohne künstlerischen Wert« abqualifiziert, wurde beseitigt. Zwei schlichte Seitenaltäre lieferte Bildhauer Heinrich Schneider aus Rottenburg, der auch einen Entwurf für einen adäquaten Hochaltar schuf. Die jüngste Innenrenovation erfolgte in den Jahren 1995 bis 1996. Hierbei brachte man vor allem den Altarraum in Einklang mit dem Liturgieverständnis des II. Vatikanischen Konzils. Der Thaininger Bildhauer Joachim Maria Hoppe schuf dabei sowohl die liturgischen Orte (Zelebrationsaltar, Ambo, Sedilien) als auch die weiten Raum einnehmende Kreuzigungsgruppe im Chorhaupt. Sie steht im Zusammenhang mit dem Tabernakel, aus dessen pfeilerförmiger Stele sich, einen Kelch bildend, zwei Arme öffnen, welche die Figuren der Maria und des Johannes tragen. Die Orgel der Kirche mit ihren ursprünglich 16 Registern wurde 1870 von Orgelbauer Friedrich Goll in Kirchheim erbaut und ihrem ursprünglichen Standort in der Pfarrkirche St. Laurentius und Agatha in Oggelshausen am Federsee zugeführt. Der Neubau von Kirche und Orgel in Oggelshausen zur Jahrhundertwende ermöglichte den Mühringern den Erwerb des damals erst 30 Jahre alten Instrumentes. Pfarrkirche St. Stephanus in Wiesenstetten

Zur Geschichte

Wiesenstetten gehört zu den ältesten Orten der Umgebung und wird urkundlich erstmals im Jahre 772 als Schenkungsgut an das Kloster Lorsch genannt. Nach mehrfachem Besitzerwechsel kam Wiesenstetten in den Besitz der Herren von Mühringen. 1971 wurde der Ort zusammen mit Dommelsberg in die Gemeinde Empfingen eingemeindet. Wiesenstetten befindet sich auf der Hochebene zwischen dem Neckar- und dem Starzeltal und bildet den südlichen Zipfel eines Bezirkes, der auf drei Seiten von ehemals hohenzollerischem Gebiet eingefasst wird. Kirchlich gehörte Wiesenstetten als Filialgemeinde zur Urpfarrei Empfingen. Von dort wurde Wiesenstetten 1790 abgelöst und begründete eine eigene Pfarrei.

Die Pfarrkirche

Der heutige Bau entstand als Nachfolger eines wohl gotischen Vorgängers im Kern 1727 und umfasste lediglich den noch bestehenden Turm sowie die vordere Hälfte der Kirche. Der flach abschließende barocke Kirchenraum besaß bloß den Umfang einer größeren Kapelle und endete in einem kleinen eingezogenen und gewölbten Chor. An der turmseitigen Giebelwand war eine Doppelempore angebracht. Der Turmhelm war ursprünglich als Zwiebel ausgebildet, die vor 1865 durch ein Zeltdach ersetzt wurde. Zur ehemaligen Ausstattung gehörten barocke Altäre und eine Rokoko-Kanzel. 1885 ersetzte den Hochaltar im Zuge einer durchgreifenden Innenrenovation, wobei der gesamte Kirchenraum neu ausgemalt wurde, eine neugotische Arbeit des Horber Bildhauers Wolf. Von 1924 bis 1926 wurde der Chor der Kirche abgetragen und der verbliebene Kirchensaal um ein Querhaus und einen neuen größeren Chor erweitert. Anstelle der Doppelempore trat lediglich eine Empore. Die Ausstattung erfuhr eine vollständige Erneuerung. Hoch- und Seitenaltäre stammten aus der Werkstatt des Horber Bildhauers Wilhelm Klink. Ein großes Wandbild über dem Hochaltar schuf der Münchner Kunstmaler Benedikt Gröner. Bereits in den 60er-Jahren wurde diese kunsthistorisch seltene Ausstattung weitgehend beseitigt und durch sehr schlichte Objekte ersetzt. An die Rückwand kam eine einfache Kreuzigungsgruppe vom Ende des 17. Jahrhunderts. 1997 erfolgte die vorläufig letzte Innenrenovation, bei der auch die liturgischen Orte erneuert wurden. Die Chorraumgestaltung oblag dem Altheimer Bildhauer Alfred Appenzeller, der hierfür den bestehenden Altar umgestaltete sowie Ambo und Tabernakelstele neu schuf. Ralf Schneider Schrifttum

ANGELE, KARL B.: Kirchenführer St. Mauritius. Selbstverlag, Nordstetten 1989. ANGELE, KARL B.: 200 Jahre Pfarrei Wiesenstetten. Aus der Pfarrchronik, Selbstverlag, Nordstetten 1990 ANGELE, KARL B.: Aus der Geschichte der Kirchengemeinde St. Mauritius Nordstetten. Selbstverlag, Nordstetten 2003. ANGELE, KARL B.: Die Kapelle Unserer Lieben Frau im Taberwasen. Selbstverlag, Nordstetten 1983/1993. ANGELE, KARL B.: Pfarrbrief zur Altarweihe in der Pfarrkirche St. Gallus, Horb- Mühringen. Selbstverlag, Nordstetten 1996. JUNG, Alfred: Geschichte der Kath. Kirchengemeinde Ahldorf. Selbstverlag, Ahldorf 1956. KOLB, NANETTE und RAIMUND: Franz Joseph Spiegler, Kostbarkeiten barocker Malerei 1691–1757. Kunstverlag Peda, Passau 1991. MANZ, DIETER: Die Wallfahrt zur Schmerzhaften Mutter Gottes im Weggental bei Rottenburg a. N. Selbstverlag, Rottenburg 1995. MAYER, CHRISTOF: Anmerkungen zur neuen Farbgestaltung der Raumschale in der Pfarrkirche St. Mauritius zu Nordstetten. Manuskript. Nordstetten 2006. ORTSVERWALTUNG MÜHRINGEN (Hrsg.): 1200 Jahre Mühringen. Selbstverlag, Mühringen 1986. PFARRAMT WIESENSTETTEN (Hrsg.): Festschrift zur Feier der Altarweihe in der Pfarrkirche St. Stephanus zu Wiesenstetten am Sonntag, 27. September 1998. SCHAUBER, SCHINDLER: Heilige und Namenspatrone im Jahreslauf. Pattloch Verlag, München 2001. WAGENPFEIL, HANS: Chronik des Dorfes Nordstetten. Unveröffentlichtes Manuskript. Nordstetten 1952.

Der Autor Dipl. Ing. Ralf Schneider, Jahrgang 1964, arbeitet als Architekt beim Bischöflichen Bauamt Rottenburg. Er ist Vorstandsmitglied im Kunstverein der Diözese Rottenburg-Stuttgart sowie beratendes Mitglied in der Kunstkommission der Diözese.