BRGÖ 2012 Beiträge zur Rechtsgeschichte Österreichs

ILSE REITER-ZATLOUKAL, Wien Die Begnadigungspolitik der Regierung Schuschnigg Von der Weihnachtsamnestie 1934 bis zur Februaramnestie 1938

After the coup d’état on March 4th, 1933, the Austrian government not only banned the Communist Party, the so- cial democratic paramilitary organization (‘Republikanischer Schutzbund’), the Nazi Party and in 1934 also the So- cial Democratic Party itself, but also persecuted their supporters by various measures. Particularly after the upris- ing of the Social Democrats (‘Schutzbundaufstand’) in February 1934 and the ‘Naziputsch’ in July 1934 innumera- ble political opponents were sent to jail or an internment camp (‘Anhaltelager’). Individual pardoning of the impris- oned and interned opponents soon started in reaction to diplomatic pressure on the Austrian government, which thus also targeted at international pacification. The article deals with the ‘amnesties’ from December 1934 to April 1938, which have been rather neglected by historical research so far.

Die autoritäre österreichische Regierung erließ artig mit dieser Frage beschäftigt. Mit dem vor- seit Dezember 1934 mehrere „Amnestien", die liegenden Beitrag soll daher ein über die Dar- nach der Niederschlagung des sozialdemokrati- stellung der bisherigen Forschungen hinausge- schen Schutzbundaufstandes im Februar 1934 hender erster Beitrag zur Schließung der erheb- und dem Misslingen des Putschversuches der lichen Forschungslücken hinsichtlich der Ge- österreichischen Nationalsozialisten im Juli 1934 schichte der Begnadigungspolitik der Regierung einerseits der innenpolitischen Befriedung dien- Schuschnigg geleistet werden. ten sowie andererseits auf außenpolitischen Druck reagierten. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, handelt es sich bei diesen verschiede- 1. Begriffliches: Amnestie und nen Aktionen jedoch nicht um Amnestien im ei- Begnadigung gentlichen Sinn, sondern vielmehr um Begnadi- gungen, wiewohl diese juristische Unterschei- Amnestien ergehen in Form eines Gesetzes und dung in zeitgenössischen Berichten durchaus werden daher in der Regel ganzen Personen- verwischt erscheint und der Begriff „Amnestie“ gruppen gewährt, d.h. es findet grundsätzlich nicht nur für die umgangssprachlich als „Weih- keine Einzelfallprüfung statt, denn der Kreis der nachtsamnestien“ bezeichneten Sammelbegna- digungen verwendet wird. Dies spiegelt sich aber auch von den politischen Amnestien ohne An- auch zum Teil in der wissenschaftlichen Litera- führungszeichen; MARSCHALEK, Untergrund und Exil tur wieder,1 die sich allerdings nur bruchstück- 179f, thematisiert nur die so genannte Weihnachtsam- nestie 1935; VOLSANSKY, Pakt auf Zeit 176, differen- ziert hinsichtlich der Amnestiefrage 1936; richtig 1 So spricht HOLTMANN, Unterdrückung 170ff, 246ff, SCHÖLNBERGER, „Klausur umdrahteten Bereichs“ zwar korrekt von der „Weihnachtsamnestie 1935“, 169ff.

http://dx.doi.org/10.1553/BRGOE2012-2s336 Die Begnadigungspolitik der Regierung Schuschnigg 337

Begünstigten richtet sich vielmehr nach allge- Regime) der Amnestierung von politischen Ge- meinen Merkmalen, also etwa bestimmten Stich- sinnungsgenossInnen dient. tagen, Tat- oder Tätergruppen. Bei Erfüllung der Die Begnadigung4 ist allgemein der staatliche gesetzlichen Voraussetzungen besteht ein An- Akt (Gnadenakt), durch den in Form eines Aktes spruch auf Amnestierung, aber keine Möglich- der Exekutive im Einzelfall eine rechtskräftig keit der Ablehnung derselben. Bei einer Amnes- verhängte Sanktion definitiv oder bedingt erlas- tie wird also „vergessen“, dass die von ihr be- sen, gemildert oder umgewandelt wird.5 In Ös- günstigte Person eine kriminelle Tat begangen terreich erfolgt der teilweise oder völlige Erlass hat, daher ist sie auch rückwirkend im Unter- oder die Umwandlung einer Strafe nach Eintritt schied zur Immunität, die oftmals Personen in der Rechtskraft eines gerichtlichen Strafurteils hohen Staatsämtern (Präsidenten u. dgl.) einge- seit 1920 durch den Bundespräsidenten auf Vor- räumt ist (und dann allfällig deren spätere Straf- schlag des Bundesministers für Justiz mittels verfolgung verhindert). Die Amnestie gewährt Verwaltungsakts aufgrund einer individuellen Straffreiheit für anhängige Verfahren oder Ta- Prüfung betreffend die Gnadenwürdigkeit6 und ten, die noch zu keinem Verfahren geführt ha- den Gnadengrund.7 Voraussetzung ist ein Gna- ben. Amnestien werden zu den unterschiedlich- dengesuch einer betroffenen Partei oder ein sten Zwecken erlassen,2 so z.B. um den Strafvoll- Gnadenvorschlag des Justizministers, womit ein zug zu entlasten oder gesellschaftlich-politische amtswegiges Begnadigungsverfahren eingeleitet Konflikte zu entschärfen oder zu befrieden. Aus wird. Daher sind auch z.B. die so genannten der Reihe der verschiedenen Amnestiearten3 Weihnachtsamnestien8 keine Amnestien, son- sind daher besonders die „Befriedungs“- oder dern vielmehr Begnadigungsaktionen bzw. „Schlussstrichamnestie“ hervorzuheben, die den Bündel von Einzelbegnadigungen (Sammelbe- inneren Frieden sichern und die Deeskalation gnadigung) nach Einzelfallprüfung bloß betref- eines Konflikts erreichen soll. Mit ihr können fend die Gnadenwürdigkeit, denn der Gna- auch ungewöhnliche Lebensumstände erfasst dengrund liegt im bevorstehenden Weihnachts- werden, unter denen Menschen straffällig wur- fest. Dem Bundespräsidenten kommt ebenfalls den, wie dies v.a. auf die Einstellungsamnestie zutrifft, mit der das Ende der Strafverfolgung 4 Nicht zu verwechseln ist die Begnadigung mit der einer Gruppe von Delikten angeordnet wird. bedingten Entlassung, die den Interessen der Allge- Mit ähnlicher Stoßrichtung dienen „Umbruch- meinheit insofern dient, als sie eine nachträgliche An- samnestien“ der Beendigung interner Ausei- passung der Strafbemessung an das zur Besserung des Rechtsbrechers tatsächlich Erforderliche anstrebt nandersetzungen, die der Staat mit seinen Bür- und eine Resozialisierungs- und Rückfallsverhinde- gern führte. „Jubelamnestien“ werden dagegen rungsmaßnahme darstellt. Ebenfalls nicht gleichzu- aus Anlass freudiger Ereignisse (Regierungsjubi- setzen ist die Begnadigung mit der in Österreich seit läen, Wiederkehr von nationalgeschichtlich be- 1920 vorgesehenen bedingten Straf(rest-)nachsicht, bei der im Unterschied zur bedingten Entlassung die deutsamen Tagen usw.) erlassen, ohne dass da- bedingte Nachsicht nicht erst während des Vollzuges, mit konkrete politische Ziele verbunden sind. sondern bereits im Urteil erfolgt Ein Spezifikum von Diktaturen stellt die „Be- 5 DIMOULIS, Begnadigung 24; MIKISCH, Gnade im günstigungsamnestie“ dar, die (wie etwa im NS- Rechtsstaat 21. 6 PRÖLL, Gnade und Amnestie 129ff. 7 Die Gnadengründe sind allerdings nicht festgelegt, siehe ebd. 123ff. Gründe sind etwa: Ausgleich abs- 2 MARXEN, Rechtliche Grenzen 11f. trakter Normgerechtigkeit, kriminalpolitische Grün- 3 PRÖLL, Gnade und Amnestie 188ff; SÜß, Studien zur de, politische Gründe. Amnestiegesetzgebung 190ff. 8 Vgl. z.B. HEINCZ, Tilgungs- und Gnadenrecht 28.

338 Ilse REITER-ZATLOUKAL das Abolitions- bzw. Niederschlagungsrecht zu, grenzen, für regierungskritische Betätigungen) das die Einstellung eines laufenden Strafverfah- vor, ermöglichten die Internierung in so genann- rens oder aber die Verhinderung des Verfahrens ten Anhaltelagern11 und die Aberkennung der einer von Amts wegen zu verfolgenden strafba- Staatsbürgerschaft aus politischen Gründen,12 ren Handlungen ermöglicht. schränkten den Rechtsschutz gegen derartige polizeiliche Verfügungen massiv ein und legten schließlich sogar den Verfassungsgerichtshof 2. Regierungsdiktatur und lahm, der dieser Verordnungspraxis ein Ende 13 Opposition 1933/34 bereiten hätte können. Die genannten Repressivmaßnahmen betrafen Nach der Ausschaltung des österreichischen sowohl die Nationalsozialisten, die weniger als Parlaments am 4. März 1933 wurden im Zuge politische Opposition denn als „terroristische der Errichtung des antiparlamentarisch-autoritä- Organisation“14 auftraten und mit ihrer „Spreng- ren, so genannten austrofaschistischen Regimes stoffpolitik“15 auf den „“ an NS- durch die (von der Christlichsozialen Partei, Deutschland abzielten, als auch das linke Lager dem Landbund und der faschistischen Heim- als ideologischen Hauptgegner. Dollfuß wollte wehr getragene) Regierung unter Bundeskanzler zwar dem „Nationalsozialismus den Wind aus Engelbert Dollfuß zahlreiche Repressivmaßnah- den Segeln [...] nehmen“,16 vorrangiges Ziel der men gegen alle nicht regimetreuen politischen Regierung blieb jedoch, die Sozialdemokratie Parteien und Organisationen angeordnet. Diese „in die Knie zu zwingen“17 und sie „Glied für auf der Grundlage des Kriegswirtschaftlichen Glied zum Krüppel [zu schlagen]“.18 Die SDAP Ermächtigungsgesetzes von 1917 vorgenomme- selbst wich in dieser Zeit des „Belagerungszu- nen, dessen Ermächtigungsrahmen jedoch über- standes“19 allerdings zunächst „nahezu ohne di- 9 schreitenden Regierungsverordnungen nor- rekte Gewaltsamkeit“ kampflos zurück20 und mierten unter dem Vorwand eines Staats- versuchte zunächst, die Bundesverfassung von notstandes einerseits nicht nur Betätigungsver- 1920/1929 auf friedlichem Wege zu retten, dann bote für die Kommunistische Partei (KPÖ) im aber mit zahlreichen Zugeständnissen wenigs- Mai 1933, die NSDAP (nach Beginn der ersten tens Einfluss auf die Entstehung der berufsstän- großen NS-Terrorismuswelle) im Juni 1933 und (nach den Februarkämpfen) im Februar 1934 auch für die Sozialdemokratische Partei (SDAP), 11 Siehe SCHÖLNBERGER, „Leben ohne Freiheit“, „Klau- sur umdrahteten Bereichs“. sondern auch die Konfiskation von deren Ver- 12 Siehe dazu REITER, Ausbürgerungsverordnung; REI- mögen (und das ihnen zugerechneter, nun auf- TER, ROTHLÄNDER, Staatsbürgerschaftsentzug und Ge- gelöster Vereine und sonstiger Organisationen)10 schlechterdifferenz; REITER-ZATLOUKAL, Staatsbürger- sowie die Entwaffnung ihrer so genannten Bra- schaftsrecht. 13 chialformationen. Andererseits sahen die Regie- ZAVADIL, Ausschaltung. 14 GARSCHA, Nationalsozialisten 10ff. rungsverordnungen u.a. eine deutliche Ausdeh- 15 SCHUSCHNIGG, Dreimal Österreich 219. nung der Verwaltungsstrafgerichtsbarkeit (v.a. 16 WZ 15. 3. 1933, 8. durch Schaffung zahlreicher neuer Straftatbe- 17 Dies versicherte Dollfuß dem ungarischen Außen- stände, mit teilweise extrem hohen Strafober- minister Lajos Kerekes, KEREKES, Abenddämmerung 137. 18 So Minister Carl Vaugoin, Protokolle VIII/3, Nr. 880, 9 Vgl. REITER-ZATLOUKAL, Radikalisierung. 9. 6. 1933, 490. 10 Vgl. REITER-ZATLOUKAL, Repressivpolitik; ROTHLÄN- 19 WINKLER, Diktatur 48. DER, Durchführungspraxis. 20 BOTZ, Gewalt, 211.

Die Begnadigungspolitik der Regierung Schuschnigg 339 dischen Verfassung zu nehmen. Die Regierungs- terschaft mehr als 200 und auf Seiten der Exeku- politik blieb gleichwohl, wie es Vizekanzler und tive 31 Menschen das Leben.23 Sicherheitsminister Emil Fey im Herbst 1933 auf Am 25. Juli 1934 fand sodann (mit Wissen der den Punkt gebracht formulierte, der Maxime deutschen Reichsregierung) ein Putschversuch verhaftet: „Wir kämpfen einen Zweifronten- der 89. SS-Standarte in Wien statt.24 Der Christ- kampf. Der Kampf gegen den internationalen lichsoziale Anton Rintelen, der schon 1931 mit Bolschewismus ist für uns ein wahres Vergnü- Hilfe der Heimwehr versucht hatte, Bundes- gen, weil wir ihn aus unserem Innersten heraus kanzler zu werden (Pfrimer-Putsch), war von führen. [...] Der Kampf gegen die braune Front den Nationalsozialisten als Nachfolger Doll- wird von uns aus Pflichtgefühl und Selbsterhal- fuß’,25 der Großdeutsche Otto Steinhäusl, seit tungstrieb geführt.“21 Darüber hinaus drängte 1932 Leiter des Sicherheitsbüros in der Wiener auch Benito Mussolini die österreichische Regie- Polizeidirektion, als neuer Wiener Polizeipräsi- rung immer wieder, den Marxismus effizienter dent vorgesehen.26 In Wien wurde im Zuge des zu bekämpfen und verlangte nachdrücklich, „in Putschversuches das Bundeskanzleramt einge- entschiedener Weise den Weg der Faschisierung nommen und Bundeskanzler Dollfuß ermordet. des österreichischen Staates einzuschlagen“.22 Die Meldung aus dem erstürmten Funkhaus der Die das Verbot der SDAP und deren finanzielle RAVAG betreffend den angeblichen Rücktritt Beraubung nach sich ziehenden Kämpfe waren Dollfuß’ stellte sodann das Signal zum „Los- im Februar 1934 ausgebrochen, nachdem bereits schlagen“ für den Aufstand der SA in den Bun- zuvor führende Mitglieder des seit Ende März desländern dar. Die anschließenden Kämpfe for- 1933 verbotenen sozialdemokratischen Schutz- derten auf Seiten der Putschisten zwischen 98 bundes (u.a. Major Alexander Eifler und Haupt- und 104 Todesopfer, auf Seiten der Regierung 96 mann Rudolf Löw) verhaftet worden waren. Gefallene bzw. Ermordete.27 Den Anlass für den so genannten Schutzbund- aufstand bildete eine Waffensuchaktion der Heimwehr (als Hilfspolizei) im Linzer sozialde- 2. Die justizielle Abwicklung mokratischen Parteiheim („Hotel Schiff“), dem der Februarkämpfe und seitens der Schutzbündler bewaffneter Wider- stand entgegengesetzt wurde. Die weitgehend des Juliputsches 1934 unorganisierte Aufstandsbewegung breitete sich Als Folge des Beginns der Februarkämpfe wur- rasch auf Wien und andere Industrieorte Öster- de am 12. Februar 1934 das Standrecht in Wien reichs aus, der Generalstreik wurde ausgerufen, und danach in anderen Bundesländern wegen brach jedoch bald zusammen. Die Regierung be- des Verbrechens des Aufruhrs verhängt.28 Be- endete die Kämpfe unter Einsatz der Artillerie, reits am 14. Februar 1934 begannen die ersten u.a. gegen kommunale Wohnbauanlagen (wie die Wiener Gemeindebauten Karl-Marx-Hof, Goethe-, Sandleiten-, Reumann- und Schlinger- Hof). Die Kämpfe kosteten auf Seiten der Arbei- 23 GARSCHA, Opferzahlen 121, 125. 24 ROTHLÄNDER, Anfänge 444ff. 25 Er war bis 1933 steiermärkischer Landeshauptmann und 1932/33 Unterrichtsminister, vgl. zu ihm GORKE 2002; auch HOFMANN, Pfrimer-Putsch. 21 WZ 30. 10. 1933, 2. 26 Vgl. ÖBL Bd. 13, 184. 22 Brief Benito Mussolinis an Engelbert Dollfuß, 9. 9. 27 Vgl. GARSCHA, Opferzahlen 123, 128. 1933, in: Briefwechsel Mussolini–Dollfuß 37. 28 Vgl. REITER-ZATLOUKAL, Radikalisierung 314.

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Standgerichtsprozesse,29 und bis zur Aufhebung richtete ein neues Gericht, den Militärgerichts- des Standrechts am 21. Februar 193430 hatten die hof in Wien, ein. Von diesem wurden bis 22. Ok- Standgerichte 140 Urteile gegen Schutzbundan- tober 1934 527 Personen in 213 Verfahren gehörige verhängt. Neun der 21 Todesurteile rechtskräftig verurteilt, 23 Verfahren mit 126 wurden vollstreckt,31 darunter etwa die Urteile Angeklagten an ordentliche Gerichte abgetreten, gegen den schwer verletzten Karl Münichreiter 96 Fälle mit 231 Beteiligten eingestellt und von und Koloman Wallisch.32 Bis Mitte März 1934 einigen Dutzend Todesurteilen 13 vollstreckt.38 waren allein in Wien 7.832 Personen inhaftiert, Die verhängten Strafen waren nach Holtmann bis Ende April 2.133 Personen an die ordentli- von Milde gegen die Drahtzieher und von Härte chen Gerichte übergeben und dort 6.141 Verfah- gegen die „Kämpfer“ geprägt,39 wobei die Feb- ren eingeleitet worden.33 Mehrere hundert Per- ruarkämpfer insgesamt durchwegs härter be- sonen wurden im Anhaltelager Wöllersdorf in- handelt worden seien als die Juliputschisten.40 terniert.34 Im April 1935 ging der große Schutz- Darüber hinaus waren mit Stand September bundprozess über die Bühne, in dem führende 1934 über 4.009 Nationalsozialisten aufgrund Schutzbündler (wie Alexander Eifler und Rudolf des Juliputschistengesetzes im Anhaltelager Löw) zu schweren Kerkerstrafen verurteilt wur- Wöllersdorf interniert.41 den.35 Es folgte der Sozialistenprozess im März 1936, in dem 27 Funktionäre der nach dem Ver- bot der SDAP im Untergrund agierenden Revo- 3. Die „Amnestien“ 1934 lutionären Sozialisten, darunter z.B. Franz Jonas, Nachdem an der auf die Februarkämpfe folgen- , Karl Hans Sailer und Maria Em- den Justizpraxis die Regierungen in Prag, Paris hart sowie zwei kommunistische Parteifunktio- und London mehr oder weniger heftige Kritik näre, unter ihnen Franz Honner, angeklagt wa- geübt und auch diplomatische Interventionen ren.36 gegen die ärgsten Auswüchse der Unterdrü- Für die Aburteilung der Juliputschisten nach ckung und Verfolgung von oppositionellen So- dem Bundesverfassungsgesetz vom 30. Juli 1934 zialisten stattgefunden hatten, schwenkte die über besondere Maßnahmen gegen die an dem Dollfuß-Regierung in weiterer Folge auf eine Umsturzversuch vom 25. Juli 1934 beteiligten Versöhnungspolitik hinsichtlich der linken Op- Personen37 zog die Regierung in weiterer Folge position ein.42 So wurden etwa vereinzelt bereits dann nicht die Standgerichte heran, sondern Sozialdemokraten aus Wöllersdorf entlassen, wie z.B. Adolf Schärf am 17. Mai 1934, Johann 29 Vgl. ausführlich etwa NEUGEBAUER, Standgerichts- Böhm Ende September 1934 und Otto Glöckel barkeit; HOLTMANN, Tendenzjustiz; HOLTMANN, Un- 43 terdrückung 95ff. im Oktober 1934. Auf der anderen Seite kamen 30 WZ 22. 2. 1934, 1. 31 Siehe SCHWARZBUCH 100. 38 HOLTMANN, Julijustiz 38; GARSCHA, Opferzahlen 32 Vgl. ausführlicher SOÓS, Wallisch; NECK, Wallisch; 123f. MÜNICHREITER, Ich sterbe, weil es einer sein muss. 39 Vgl. ausf. HOLTMANN, Julijustiz. 33 NEUGEBAUER, Repressionsapparat 303. 40 So HOLTMANN, Julijustiz 43f. 34 Siehe SCHÖLNBERGER, „Klausur umdrahteten Be- 41 SCHÖLNBERGER, „Leben ohne Freiheit“ 101; DIES., reichs“ 292ff. „Klausur umdrahteten Bereichs“ 330ff. 35 Vgl. dazu MARSCHALEK, Wiener Schutzbundpro- 42 Vgl. dazu ausf. HOLTMANN, Unterdrückung 105ff, zess. 157ff; STADLER, Opfer verlorener Zeiten 45f. 36 MARSCHALEK, Sozialistenprozess; HOLTMANN, Un- 43 Zu den zahlreichen Interventionen für Otto Glöckel terdrückung 251ff. SCHÖLNBERGER, „Leben ohne Freiheit“ 101; DIES., 37 BGBl. II 163/1934, „Klausur umdrahteten Bereichs“ 295ff.

Die Begnadigungspolitik der Regierung Schuschnigg 341 aber im Sommer 1934 Angehörige des freiwilli- Personen gestellt worden waren“,47 überlegte gen Schutzkorps für ihre „getreue“ Pflichterfül- man erstmals im Ministerrat des 7. August eine lung bei den Februarereignissen und beim Juli- Gnadenaktion für die linke Opposition. Wie der putsch in den Genuss der im Sommer 1934 er- Bundesführer der Heimwehr, Rüdiger von Star- lassenen Tilgungsamnestien für dabei begange- hemberg, vorschlug,48 sollte man „eine Amnes- ne Vergehen und Übertretungen.44 Offiziell frei- tierung und Abolition“ für „gewisse Kategorien lich warb die Regierung nun – wenngleich letzt- von Februarverbrechern“ in Erwägung ziehen, lich erfolglos –, um die „Verhetzte[n] und Irre- was aber „auf die leichteren Delikte“ zu be- geleitete[n]“ aus den Reihen der Sozialdemokra- schränken sei. Starhemberg warnte davor, diese tInnen, deren „Führer, soweit sie nicht rechtzei- Maßnahme auf „alle Februarverbrecher auszu- tig in Haft gesetzt wurden, [...] sich verkrochen dehnen oder sie für die Führer oder Urheber der oder gar die Flucht ergriffen“ hatten.45 Unruhen zu erlassen“. Es könne aber durch eine Zu dieser Befriedungspolitik der Regierung „Amnestierung oder Abolition für jene, in deren zählte auch die Begnadigung politischer Gefan- Person keine besondere Gefahr für die Zukunft gener, obwohl man keine Generalamnestie bzw. liegt, [...] der Arbeiterschaft entgegengekommen -abolition ins Auge fasste, wie dies der christ- werden.“ lichsoziale Wiener Vizebürgermeister und So- Wie die „Wiener Zeitung“ schließlich am 24. De- ziologe Ernst Karl Winter vorschlug. Das Pro- zember 1934 mitteilte,49 wurden „im Sinne der gramm der „Aktion Winter“ vom September von der Bundesregierung angebahnten Befrie- 1934 enthielt nämlich die Forderung der voll- dung eine große Anzahl der wegen politischer ständigen „Liquidierung des 12. Februar“, denn Delikte im Zusammenhang mit den Februar- wenn „an diesem Tage auf beiden Seiten für Ös- und Juliputschversuchen bestraften oder ange- terreich gekämpft wurde und Menschen aus haltenen Personen aus dem Anhaltelager entlas- beiden Lagern für Österreich gestorben sind, sen“. In ähnlicher Weise sei auch „bezüglich der dann kann dieser historische Gewissenskonflikt wegen der Februarereignisse in gerichtlicher nur durch totale Abolition ausgelöscht wer- Untersuchung stehenden minderbeteiligten Per- den.“46 sonen vorgegangen“ worden: Gegen rund 2.000 Nachdem schon mehr als 2.000 Gnadenanträge derartige Minderbeteiligte wurden der „Wiener für „an den Februarunruhen minderbeteiligte Zeitung“ zufolge „bereits die Strafverfahren [...] im Gnadenwege eingestellt und bis Neujahr dürften die Verfahren gegen die restlichen 1.000

44 Entschließung des BPräs., 29. 7. 1934, BGBl. II Minderbeteiligten voraussichtlich eingestellt 169/1934, betreffend die Tilgung bestimmter Verurtei- werden.“ Diese Weihnachtsamnestie erstreckte lungen von Angehörigen des Freiwilligen Schutz- sich aber auch auf Personen, die sich wegen po- korps (Tilgungsamnestie vom Jahre 1934); siehe auch litischer Delikte bereits im Strafvollzug befan- die 2. Tilgungsamnestie vom Jahr 1934, BGBl. II 211/ 1934; dazu ausführlicher: Protokolle VIII/7, Nr. 954, den, so dass die Strafhaft bei ca. 170 wegen poli- 25. 7. 1934, 633, Nr. 957, 26. 7. 1934, 652f; siehe auch tischer Delikte verurteilten „schwerer Belaste- die Erlässe vom 3. 8. und 1. 9. 1934, Amtsblatt der ös- ten“ nachgesehen wurde, die bereits mindestens terreichischen Justizverwaltung 1934, Nr. 19 und 23. 45 Christlich-Soziale Arbeiterzeitung 17. 2. 1934, 1, zit. nach HOLTMANN, Unterdrückung 159f; vgl. auch MA- LETA, Sozialist 43. 47 DÖW-Akt 5601, zit. nach HOLTMANN, Unterdrü- 46 Die Aktion 1/1 (1934), zit. nach HOLZBAUER, Winter; ckung 170. siehe auch HOLTMANN, Unterdrückung 170; zu Winter 48 Protokolle IX/1, Nr. 961, 7. 8. 1934, 72. auch HEINZ, E.K. Winter. 49 WZ 24. 12. 1934, 1.

342 Ilse REITER-ZATLOUKAL die Hälfte der Strafe verbüßt und sich in der Rußland tatsächlich enttäuscht sind und allen- Haft „klaglos aufgeführt“ hatten. falls Agitatoren gegen den Kommunismus wä- Dies betraf 9350 an den „Februarunruhen“ betei- ren, auch geschulte Propagandisten für den ligte Personen, darunter z.B. Franz Olah.51 Dar- Kommunismus nach Österreich zurückkehren“ über hinaus wurde auch etwa der frühere Wie- würden.55 ner Bürgermeister Karl Seitz nun gegen diverse Aus den Reihen der nationalsozialistischen Juli- Auflagen aus der Untersuchungshaft wegen putschisten betraf diese Weihnachtsamnestie 77 Hochverrats entlassen, die Untersuchung gegen Personen, ausgeschlossen waren dessen „Füh- ihn wegen Verdachtes der Mitschuld am Hoch- rer“. Von den so genannten Emigranten, also verrat durch Unterlassung wurde allerdings den nach dem Verbot der NSDAP ins Deutsche weitergeführt.52 Nach Ansicht der „Arbeiter- Reich geflüchteten Nationalsozialisten, war kei- Zeitung“ waren die in Strafhaft befindlichen ne Rede. Ihre Rückkehr war völlig unerwünscht Schutzbündler bei dieser Aktion zu kurz gekom- und sollte im Übrigen auch durch den seit Au- men, wenigstens sei aber eine größere Anzahl gust 1933 möglichen Entzug der Staatsangehö- von Sozialdemokraten aus Wöllersdorf entlas- rigkeit aus politischen Gründen verhindert wer- sen worden.53 den. Was allerdings die ins Ausland geflüchteten Schutzbündler anbelangt, so bestand seitens der österreichischen Behörden weder 1934 noch 4. Die „Amnestien“ 1935 auch später ein Interesse an deren Begnadigung. Anfang Jänner 1935 verkündete Justizminister Nach dem Bericht des österreichischen Gesand- Egon Berger-Waldenegg,56 dass sich die Regie- ten in Moskau vom Jänner 1935 sei nämlich „oh- rung „nunmehr so stark“ fühle, dass sie das ne weiters anzunehmen, daß eine etwaige Am- „Experiment“ wagen könne, die Mehrzahl der nestie eine starke Rückflutung der nach der „mit dem Februar- oder Juliputsch im Zusam- Sowjetunion geflüchteten Schutzbündler zur menhang stehenden Personen“ aus den Anhal- Folge haben würde“.54 Eine derartige „Förde- telagern zu entlassen, was hinsichtlich einer rung der Rückkehr der geflüchteten Schutz- großen Zahl von Sozialdemokraten auch bis En- bündler aus Rußland nach Österreich“ war aus de März geschah.57 Sicht des Bundeskanzleramts freilich auch „vom Die nächste „Amnestie“ wurde in weiterer Folge staatspolizeilichen Standpunkte aus kaum wün- für den 1. Mai 1935, den Jahrestag der Stände- schenswert“, „da befürchtet werden müßte, daß verfassung, verkündet, denn wie Staatssekretär neben Leuten, die von den Verhältnissen in Carl Karwinsky schon am 26. April 1935 im Mi- nisterrat erklärt hatte, „bestehe die Absicht, an- 50 Die AZ 6. 1. 1935, 1, zählte 93 Schutzbundkämpfer läßlich des Staatsfeiertages (1. Mai) dem Bun- und mehrere hundert Anhaltegefangene, vgl. auch despräsidenten eine größere Anzahl von indivi- HOLTMANN, Unterdrückung 171, Anm. 70. 51 SVOBODA, Olah 11. duellen Begnadigungsanträgen zu stellen“. Es 52 WZ 6. 12. 1934, 5; siehe auch vgl. Protokolle IX/5, handle sich um rund 850 Personen, die für eine Nr. 1035, 11. 7. 1936, 307, Anm. 36. 53 AZ 6. 1. 1935, 2; siehe zum Belagsstand in Wöllers- dorf zu dieser Zeit SCHÖLNBERGER, „Klausur um- 55 MCLOUGHLIN, SCHAFRANEK, Österreicher im Exil, drahteten Bereichs“ 170. Nr. 128, 175. 54 Abschrift eines Berichts des Gesandten Pacher, 56 NFP 5. 1. 1935, 4. 23. 1. 1935, MCLOUGHLIN, SCHAFRANEK, Österreicher 57 Siehe zur Durchführung SCHÖLNBERGER, „Klausur im Exil, Nr. 128, 175. umdrahteten Bereichs“ 306f.

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„gnadenweise Strafnachsicht“ in Betracht kä- Anhaltung befanden, würden „ebenfalls freige- men. Unter diesen befänden sich „etwa 280 Per- hen.“62 sonen“, die wegen politischer Delikte abgestraft Darüber hinaus kam es nun auch zur Entlassung worden seien, „wobei ungefähr je 140 auf Nati- von Personen in polizeilichem Arrest in aus dem onalsozialisten und Sozialisten (Kommunisten) Lager Wöllersdorf (das ja auch für dem Vollzug entfielen“.58 Die Begnadigungen wurden bereits verwaltungsbehördlicher Arreststrafen diente), am 30. April in einer Rede des Generalsekretärs wenn diese sich „während der Haft wohl ver- der Vaterländischen Front, Walter Adam, im halten“ hatten, darüber hinaus aber auch von Rundfunk angekündigt.59 polizeilich Angehaltenen. Entlassen wurden Am 1. Mai 1935 berichtete die „Wiener Zei- bloß 9 Sozialdemokraten und 14 Kommunisten, tung,“60 dass zwar „schon zu Weihnachten vori- aber 21 Nationalsozialisten, wiewohl nach Be- gen Jahres und in der Zeit vorher ungefähr 3.000 kunden Regierung eine „restlose Liquidierung Personen, die an dem Februaraufstand beteiligt des Februarputsches“ stattfinden sollte.63 Von waren, eines Gnadenaktes teilhaftig geworden“ den mittlerweile „nur mehr 447“ Anhaltehäft- waren, „die meisten durch Einstellung noch an- lingen in Wöllersdorf würden, so verkündete hängiger Verfahren“, nun aber seien weitere 195 die „Wiener Zeitung“ schon am 1. Mai 1935, Personen, die sich wegen politischer Delikte in dann zu Weihnachten weitere „52 auf freien Fuß gerichtlicher Strafhaft befänden und mindestens gesetzt“ werden, blieben also hinkünftig „nur die Hälfte davon schon verbüßt hätten, begna- 395 Angehaltene noch zurück[...]“. digt worden, darunter 135 im Zusammenhang Die „Gesamtzahl der im ganzen Bundesgebiet mit den Februarkämpfen Verurteilte.61 Über- noch in Verwahrungshaft befindlichen Perso- haupt war, so die „Wiener Zeitung“, die „straf- nen“ betrug nach den Angaben der „Wiener Zei- gerichtliche Austragung der Februarereignisse“ tung“ zu diesem Zeitpunkt 1.445. „Diese Zahl“, mit dem Schutzbundprozess gegen Eifler, Löw so die „Wiener Zeitung“, widerlege „besser als und die anderen Schutzbundführer bereits „vor- jede Polemik die immer wieder in ausländischen aussichtlich [...] beendet“, denn von acht in die- Blättern auftauchende Nachricht, daß viele tau- sem Prozess verurteilten Männern würden send österreichische Bundesbürger in den Arres- „morgen drei, die ihre Strafe erst zum Teil ver- ten der Polizei schmachten.“ Überdies nehme büßt haben, die Freiheit wiedererlangen“, da die Bundesregierung „in Aussicht, nach Über- ihnen der Rest der Strafe im Gnadenwege erlas- prüfung der einzelnen Fälle jene Teilnehmer an sen wurde. Fünf andere, die ihre Strafen schon der Februarrevolte 1934, die zu einer Freiheits- verbüßt hatten, aber sich noch in polizeilicher strafe bis zu fünf Jahren verurteilt wurden, der Gnade des Herrn Bundespräsidenten zu emp- 58 Protokolle IX/2, Nr. 994, 26. 4. 1935, 543; HOLT- fehlen, soferne sie nicht unmittelbar an einer MANN, Unterdrückung 246. 59 Ebd., 543, Anm. 45. Bluttat gegen ein Organ der Exekutive beteiligt 60 WZ 1. 5. 1935, 2f. waren“.64 61 Die AZ 5. 5. 1935, sprach explizit von 135 Schutz- bündlern, vgl. auch HOLTMANN Unterdrückung 171. Nach der AZ betrug die Gesamtzahl der Amnestier- ten 600, davon weitere 60 Linke, möglicherweise be- gnadigte Verwaltungs- und Anhaltehäftlinge. Unter 62 WZ 1. 5. 1935, 2f. die Zahl 600 fielen allerdings, so die WZ 1. 5. 1935, 2f, 63 Telefondepesche an die Sicherheitsdirektoren, 27. 4. auch ungefähr 400 Personen, die wegen Delikten 1935, zit. nach SCHÖLNBERGER, „Klausur umdrahteten nichtpolitischer Natur bestraft waren oder in gericht- Bereichs“ 171. licher Untersuchung standen. 64 WZ 1. 5. 1935, 2f.

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Die „Arbeiter-Zeitung“65 freilich kritisierte, dass ten“ Weihnachtsamnestie eine „allfällige be- von der Ankündigung einer „großzügigen Am- dingte, an das Wohlverhalten in staatsbürgerli- nestie der Februarkämpfer“ nichts anderes als cher Beziehung gebundene Begnadigung all je- eine „der Vertröstungen“ übrig geblieben war, ner Personen zu prüfen, die wegen Beteiligung „mit denen die Versöhnler die Arbeiterschaft zu an der Februarrevolte des Jahres 1934 zu Frei- beschwichtigen und vom Kampfe gegen die fa- heitsstrafen bis zur Dauer eines Jahres verurteilt schistische Diktatur abzuhalten versuchen“. In wurden, die Strafe jedoch nicht zur Gänze ver- Wahrheit habe die Regierung nur, „wie das zu büßt oder überhaupt noch nicht angetreten und Ostern alljährlich geschieht, einigen Sträflingen, seit ihrer Verurteilung weder zu einer strafrecht- die schon mehr als die Hälfte ihrer Strafe abge- lichen noch polizeilichen Verfolgung Anlaß ge- sessen haben, den Rest der Strafe erlassen“. Die geben“ hatten. Dabei sei vom staatspolizeilichen meisten der 600 Begnadigten seien gemeine Standpunkt aus die Erwägung maßgeblich, dass Verbrecher und nur 135 Schutzbündler begna- ein erst eineinhalb Jahre nach dem Urteil ange- digt worden. So habe sich „wieder eine der Be- ordneter Strafvollzug „kaum einem Besserungs- schwichtigungen der Versöhnler als unwahr er- zwecke dienen, sicherlich aber die Vorausset- wiesen!“ zungen für eine innere Umstellung zum neuen Wiewohl es im Herbst 1935 erneut zu zahlrei- Staatsgedanken nicht fördern würde.“ chen Prozessen gegen Linke gekommen war,66 Die Staatsanwaltschaft richtete daraufhin weni- versicherte die Regierung erneut, den ge Tage später an das Justizministerium den An- 12. Februar 1934 bald vollständig durch eine trag auf Einstellung des Hochverratsverfahrens neue Begnadigungsaktion zu „liquidieren“. Wie gegen die Mitglieder des SDAP-Vorstands im der Bundeskanzler im Rundfunk am 24. Dezem- Gnadenwege.69 Das Ministerium trat der An- ber 1934 ausführte,67 gebe „die Weihnachtszeit sicht der Staatsanwaltschaft bei, sei doch seit [...] nun willkommene Gelegenheit, in Fortset- den Februarereignissen eine so lange Zeit ver- zung der Aktionen vom Dezember 1934 und gangen, dass eine „neuerliche Aufrollung des vom 1. Mai d. J. und in Anerkennung und Fest- Sachverhaltes in öffentlicher Verhandlung aus stellung der allgemeinen Konsolidierung im kriminalpolitischen Erwägungen nicht zu emp- Staate [...] ein weithin sichtbares Leuchtzeichen fehlen wäre“, auch weil die Strafverfahren ge- des Friedens zugleich als Mahnruf an alle Öster- gen die am Aufstand „unmittelbar Beteiligten“ reicher zu entzünden“. Mit dieser Weihnacht- bereits erledigt seien. Das Ministerium pflichtete samnestie hoffe man nun, „in weitestgehendem der Staatsanwaltschaft bei, „zumal der Erfolg Maße die unvermeidlichen Folgen einer unheil- einer Anklage keineswegs sicher“ sei, „eine An- vollen Verwirrung, der besonders Teile der Ar- klageerhebung unzweckmäßig und nicht im öf- beiterschaft zum Opfer fielen [...] endgültig li- fentlichen Interesse wäre und die gnadenweise quidieren zu können.“ Einstellung des Strafverfahrens zweifellos in Zu diesem Zwecke hatte bereits am 10. Dezem- sehr erheblichem Maße zu der angestrebten all- ber 1935 die Generaldirektion für die öffentliche gemeinen Befriedung beitragen“ würde.70 Sicherheit dem Justizministerium nahegelegt,68 Daher leitete das Justizministerium am im Rahmen der „dem Vernehmen nach geplan- 18. Dezember den Gnadenantrag für 18 Führe- rInnen der Sozialdemokratie an den Bundesprä- 65 AZ 5. 5. 1935, 4. 66 Siehe ausführlich HOLTMANN, Unterdrückung 248ff. 67 WZ 24. 12. 1935, 2. 69 Vgl. HOLTMANN, Unterdrückung 246. 68 HOLTMANN, Unterdrückung 171. 70 HOLTMANN, Unterdrückung 247.

Die Begnadigungspolitik der Regierung Schuschnigg 345 sidenten weiter, darunter Wilhelm Ellenbogen, der Verwaltungshäftlingen, einschließlich jener, Oskar Helmer, Gabriele Proft, , Al- die wegen später begangener Delikte in Haft ge- bert Sever, Hugo Breitner, Theodor Körner,71 nommen worden waren, belaufe sich Ende No- wenig später auch für Robert Danneberg.72 Die vember 1935 auf 2.266, von denen 738 auf „An- gnadenweise Einstellung der Verfahren durch hänger der Februarrevolte“ und 1.528 auf „An- Bundespräsident Wilhelm Miklas erfolgte um- hänger der Julirevolte“ entfielen. Von den 1.521 gehend. Nicht eingestellt wurden aber z.B. die gerichtlich bestraften TeilnehmerInnen am Feb- Verfahren gegen Karl Seitz und , ruaraufstand seien 1.351 bereits bei früheren Ge- wobei laut „Arbeiter-Zeitung“ diese „Ausnah- legenheiten entlassen worden, darunter rund men von der Weihnachtsamnestie [...] von der 460 im Wege der Begnadigung und bedingten Arbeiterschaft nur als Ehre für die Ausgenom- Entlassung, und nur 170 bislang noch in Straf- menen angesehen werden und als ein neuer Be- haft verblieben. Von diesen würden nun 154 in weis dafür, wie kleinlich und wie engherzig die den Genuss der Weihnachtsamnestie gelangen, faschistischen Machthaber auch dann noch han- so dass nur mehr insgesamt 16 gerichtliche Häft- deln, wenn sie zu Zugeständnissen an die Arbei- linge übrig blieben. Bei diesen aber „konnte eine terschaft gezwungen sind.“73 Begnadigung nicht in Frage kommen, weil es Am 22. Dezember wurden weiters die Sicher- sich um Täter handelt, die unmittelbar schwers- heitsorgane von der Generaldirektion für die öf- te Blutschuld als Führer auf sich geladen haben fentliche Sicherheit angewiesen, eine „größere oder aus anderen nicht auf politischem Gebiete Anzahl“ von Polizeihäftlingen, welche die Be- gelegenen kriminellen Gründen einer Gnade dingungen politischen Wohlverhaltens erfüllt, sich nicht würdig erweisen.“ Unter den Begna- die Hälfte der Strafe verbüßt und sich nicht in digten befänden sich dem Bundeskanzler zufol- führender Funktion einer illegalen Partei „radi- ge auch einzelne Fälle, in denen das Urteil auf kal betätigt“ hatten, in gleicher Weise zu entlas- „sehr lange Kerkerstrafen“ lautete. Die Einstel- sen wie Wöllersdorfer Anhalte-Häftlinge.74 lung der Strafverfahren sei „nach sorgfältiger Dementsprechend führte der Bundeskanzler in Erhebung aller Umstände beantragt“ worden, seiner Weihnachtsansprache aus,75 dass der bezüglich 19 Personen der „ehemaligen sozial- „Amnestie teilhaftig [...] sowohl gerichtlich Ver- demokratischen Führung, die bereits seit langer urteilte als auch Verwaltungshäftlinge werden“ Zeit sich auf freiem Fuße befinden, deshalb, weil sollten. Um „maßlosen Übertreibungen bei die- die erweisliche Hauptschuld jene trifft, denen es ser Gelegenheit wieder einmal die Tatsachen gelang, nach Mißlingen ihres Planes, sich jen- entgegenzusetzen“, gab er bekannt, dass von seits der Grenzen zu sichern.“ den Teilnehmern am Februaraufstand insgesamt Holtmann76 kommt auf insgesamt 225 sozialisti- 1.521, von den Teilnehmern am Juliaufstand sche und kommunistische Gerichtshäftlinge, die insgesamt 911 Personen eine gerichtliche Strafe nun vorzeitig enthaftet wurden, 136 davon Feb- genommen worden seien. Der Gesamtbestand ruarkämpfer, darunter sowohl standrechtlich Abgeurteilte, wie z.B. Josef Dangl, Bruno Sokoll, 71 Weiters etwa Helene Postranecky, Heinrich Emmerich Sailer, Josef Fidra und Anton Prybil, Schneidmadl, Georg Emmerling, Alexander Jalkotzy als auch im Schutzbundprozess Verurteilte, wie u.a. z.B. Eifler und Löw; aber auch aufgrund des So- 72 HOLTMANN, Unterdrückung 246. 73 AZ 19. 1. 1936, 3. zialistenprozesses Inhaftierte wie Maria Emhart, 74 SCHÖLNBERGER, „Klausur umdrahteten Bereichs“ 172; HOLTMANN Unterdrückung 247. 75 WZ 24. 12. 1935, 2. 76 HOLTMANN, Unterdrückung 247.

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Karl Hans Sailer und Bruno Kreisky.77 Einige der für diejenigen, gegen die „wegen der illegalen nun „Amnestierten“ wurden allerdings in wei- Betätigung für die sozialistische Partei oder für terer Folge „konfiniert“, also in ihrer Freizügig- die freien Gewerkschaften“ seitdem ein Urteil keit durch Anweisung eines Aufenthaltsorts ergangen war.83 eingeschränkt, womit auch die Trennung von Insgesamt sollte das Ausmaß der Begnadigungs- den Familien verbunden war.78 aktion betreffend die linke Opposition die „Ar- Nach Marschalek79 befreite die Weihnachtsam- beiterklasse beruhigen, ihr Vertrauen gewinnen“ nestie 1935 also die meisten der „im Frühjahr und die „Herstellung besserer Beziehungen“ zu verurteilten Schutzbundführer“ und ermöglich- den europäischen Regierungen erleichtern.84 Die te erstmals auch „eine einigermaßen gefahrlose Londoner „Times“ bezeichnete die Amnestie in Rückkehr der Februar-Emigranten“80 – wenn- als „the best news that has had for a long gleich es auch durchaus von Vorteil war, als while, and current talk of reconciliation may now Emigrant nicht unter die Amnestie zu fallen, gain an element of reality“.85 Für den Londoner nämlich im Fall des Asyls im Ausland, da dann “Daily Herald”86 war die Amnestie ein Anzeichen eine Abschiebung in die Heimat wegen aufrech- dafür, “daß die österreichische Regierung be- ter politischer Verfolgung unwahrscheinlich müht ist, etwas Popularität in England und war, wie dies etwa die Biographie des Vorarl- Frankreich zu gewinnen, um dort Ersatz für die berger Landessekretärs der SDAP Anton Linder Freundschaft Italiens, dessen Prestige sinkt, zu zeigt.81 suchen“. Der „Daily Herald“ kritisierte aller- Weiterhin ungeklärt blieb freilich, wie Marscha- dings, dass die Amnestie nicht diejenigen Sozi- lek zutreffend konstatierte, sowohl „das Prob- aldemokraten einschloss, „die für Propagan- lem der schwerbelasteten und auch das der aus- datätigkeit für die Partei zu schweren Frei- gebürgerten Emigranten“.82 Das Auslandsbüro heitsstrafen verurteilt worden“ waren. Tatsäch- österreichischer Sozialdemokraten (ALÖS) frei- lich blieben „eine ganze Reihe von Standrecht- lich jedoch weiterhin, über internationale Kanäle lern“ von der Amnestie ebenso ausgeschlossen, Druck auf Österreich zu erzeugen, mit dem Ziel wie diejenigen Schutzbündler, die an Tötungs- einer vollständigen Amnestie, „nicht nur für handlungen während des Februaraufstandes diejenigen Sozialdemokraten, die wegen der teilgenommen hatten.87 Februarkämpfe verurteilt“ waren, sondern auch Die „Arbeiter-Zeitung“ konstatierte daher im Jänner 1935:88 „Der Februar ist noch nicht liqui-

77 Weitere Begnadigte waren etwa die Schutzbündler diert! Immer noch sitzen Februarkämpfer in den Rudolf Friemel und Albert Leskoschek, der Gewerk- Kerkern! [...] Immer noch ist den mehr als tau- schafter Rudolf Holowatyj, die Kommunisten Alfred send Schutzbündlern, die nach dem Februar im Gold, Alois Pisnik und Wilhelm Frank, vgl. BAUER, Auslande Zuflucht gefunden haben, die freie Kurzbiografien. 78 Laut AZ 2. 2. 1936, 4, wurden ihnen dabei „die drü- ckendsten Beschränkungen auferlegt“. „So sieht die 83 Siehe das an den internationalen Sekretär der La- ,Liquidierung des Februar‘ aus!“ bour Party William Gillies gerichtete, undatierte Me- 79 MARSCHALEK, Untergrund und Exil 179f. morandum Otto Bauers über die Lage in Österreich, 80 Ausführlicher ebd. 180ff. zit. nach MARSCHALEK, Untergrund und Exil 175. 81 Er genoss politisches Asyl in der Schweiz, vgl. 84 HOLTMANN 1978, 247 und Anm. 9. BUNDSCHUH, Anmerkungen 15. 85 „The Times“ 24. 12. 1935, zit. nach SCHÖLNBERGER, 82 Siehe dazu etwa REITER, Ausbürgerungsverord- „Klausur umdrahteten Bereichs“ 173. nung; REITER, ROTHLÄNDER, Staatsbürgerschaftsent- 86 AZ 5. 1. 1936, 6. zug und Geschlechterdifferenz; REITER-ZATLOUKAL, 87 AZ 12. 1. 2012, 2. Staatsbürgerschaftsrecht. 88 Ebd.

Die Begnadigungspolitik der Regierung Schuschnigg 347

Heimkehr nicht gesichert! Redet uns nicht von zugute“ gekommen sei,92 denn, wie Franz Verständigung, solange der Februar nicht ganz Langoth nach dem Krieg schrieb, hatte die und wirklich liquidiert sein wird! Heraus [...] „Hoffnung der politischen Strafgefangenen“ aus den Kerkern des Faschismus“! Im Zusam- doch darin bestanden, eine Begnadigung schon menhang mit dem Gedenken an den Februa- „zu Ostern oder am 1. Mai“ zu erhalten. Nach raufstandes im Jahr zuvor rief die „Arbeiter-Zei- dem Stand von Weihnachten 1935 waren jeden- tung“ daher die Arbeiter auf, „[w]o immer die falls nach Langoth „in Garsten 262 nationalsozi- Versöhnler zu euch kommen und euch mahnen, alistische Strafgefangene“ inhaftiert, danach sei- ,nicht abseits zu stehen‘, ,mitzuarbeiten‘ “, sie an en noch immer „mehr als 250 gefangene Natio- die noch inhaftierten Genossen zu erinnern.89 nalsozialisten“ inhaftiert gewesen, „darunter [...] Gefordert wurde in der „Arbeiter-Zeitung“90 da- 111 Sprengstoffler“. her nicht nur eine Amnestie für alle „Februarop- fer“, sondern auch für alle „Illegalen, die in den Kerkern des faschistischen Staates schmachten, 5. Die „Juliamnestie“ 1936 weil sie gesinnungstreu und tapfer den Befrei- Zwecks Normalisierung der zwischenstaatlichen ungskampf der Arbeiterklasse gegen den Fa- Beziehungen zwischen Österreich und dem schismus fortgesetzt haben“. Deutschen Reich gab es bereits im Herbst 1933 Was die Juliputschisten anbelangt, so waren Gespräche zwischen Dollfuß und den Bevoll- nach den Angaben des Bundeskanzlers91 von mächtigen des NSDAP-Landesleiters für Öster- den gerichtlich Abgestraften 424 bereits aus der reich (Franz Langoth und Hermann Foppa),93 Strafe getreten, 16 wurden nun der Weihnacht- wobei seitens der Nationalsozialisten eine Auf- samnestie teilhaftig, „darunter gleichfalls hebung aller gegen sie gerichteten Zwangsmaß- schwere Fälle, bei denen jedoch Verhetzung und nahmen, eine Amnestie für verurteilte und eine Verführung angenommen wurde“, in weiteren Rückkehrmöglichkeit für geflüchtete österreichi- 60 Fällen werde „ein Gnadenantrag erwogen“. sche NationalsozialistInnen gefordert wurde. Hiezu käme der gnadenweise Aufschub von be- Die Regierung akzeptierte zwar die „Amnestie reits angetretenen Verwaltungsstrafen in 955 und Lösung der Emigrantenfrage“ als „Frie- Fällen und ein unbefristeter Strafaufschub für al- densbedingung“,94 die Verhandlungen scheiter- le mit Verwaltungsstrafen Belegten, die diese ten aber genauso wie die deutscherseits unmit- noch nicht angetreten hatten. „Radikale Führer telbar nach dem Juliputsch betriebene Aktion und bekannte Hetzer“ hätten laut Schuschnigg Reinthaller.95 Diese maßgeblich vom nationalso- aber „mit Rücksicht auf die sonstige Gefähr- zialistischen Bauernführer Oberösterreichs An- dung der ruhigen Entwicklung und Befriedung ton Reinthaller geführten Gespräche mit Regie- ausgenommen werden“ müssen. rungsvertretern bezweckten ebenfalls u.a. nicht Seitens der Nationalsozialisten wurde allerdings nur eine „Aufhebung aller aus politischen tiefe Betroffenheit darüber signalisiert, dass die Gründen erfolgten Ausbürgerungen ehemaliger Weihnachtsamnestie „fast nur Sozialdemokraten Angehöriger der NSDAP Österreichs“, sondern auch eine „Verständigung über die Ermögli- 89 „Ein Hundsfott, der von Versöhnung spricht, so- lange ehrliche, aufrechte, tapfere Arbeiter um ihrer 92 LANGOTH, Kampf um Österreich 203f. Gesinnung willen im Kerker sitzen!“, AZ 16. 2. 93 VOLSANKY, Pakt auf Zeit 19; ausführlich auch 1936, 4. LANGOTH, Kampf um Österreich 106ff, 124ff. 90 AZ 5. 4. 1936, 7. 94 LANGOTH, Kampf um Österreich 142. 91 WZ 24. 12. 1935, 2. 95 PAULEY, Weg in den Nationalsozialismus 146ff.

348 Ilse REITER-ZATLOUKAL chung einer etappenweise Rückkehr der Emig- dienen und die deutsche Politik des so genann- ranten bei Erlassung aller Strafmaßnahmen, in- ten „evolutionären“ Weges fortsetzen sollte.100 soferne nicht schwere Gewalttaten vorliegen“. Die praktische Umsetzung des Juliababkom- In weiterer Folge wurden diese Forderungen mens sollte sich aber insbesondere hinsichtlich von Seiten Deutschlands dann auch in den Ver- der Amnestie- und „Emigrantenfrage“ als handlungen zum Juliabkommen erneut erhoben. durchaus schleppend und für die deutsche Seite So enthielt bereits der vom damaligen deutschen höchst unbefriedigend erweisen, seien die öster- Botschafter in Wien Franz von Papen dem öster- reichischen Flüchtlinge im Deutschen Reich reichischen Außenministerium am 11. Juli 1935 doch nach österreichischer Sicht „eben aus- überreichte erste Vertragsentwurf96 die Forde- drücklich aus jeder Amnestie ausgenommen rung nach einer Amnestie für nationalsozialisti- und im Ankommen vom 11. Juli 1936 nur zuge- sche Parteigänger und der Rückkehr der nach sagt worden, deren Rückführung im einzelnen Deutschland „emigrierten“ NationalsozialistIn- Fall zu prüfen“. „Faktisch“ kam es Schuschnigg nen nach Österreich. Im Mai 1936 konnte der zufolge, jedoch „bis zu der uns aufgezwungenen deutsche Gesandte nach Berlin berichten, dass Generalamnestie vom 12. Februar 1938“ nicht zu die österreichische Regierung zu einer „weitge- einer „Amnestierung der Emigranten“.101 hende[n] Amnestie für die Nationalsozialisten Ob die im Rahmen des Juliabkommens gewähr- im Juli“ entschlossen sei, selbst wenn „die Be- te „Amnestie“ für „Emigranten“ allerdings nur sprechungen zu keinem Einverständnisse mit für die NationalsozialistInnen gelten sollte, war dem Reiche führen sollten“.97 umstritten und Gegenstand der Diskussionen Im „Gentlemen-Agreement“98 zum schließlich im Ministerrat vom 11. Juli 1936102, in dem Jus- nach langen Verhandlungen am 11. Juli 1936 un- tizminister Hammerstein-Equord bemerkte, terzeichneten „Normalisierungs- und Freund- dass auch Otto Bauer zu den Emigranten zu schaftsabkommens“ (Juliabkommen) erklärte zählen sei, worauf Schuschnigg lapidar erklärte, der österreichische Bundeskanzler dementspre- dass „die sozialdemokratischen Emigranten na- chend seine Bereitschaft, „eine weitreichende türlich in die Amnestie nicht einbezogen wür- politische Amnestie durchzuführen, von der den“. diejenigen ausgenommen werden sollen, die Von Seiten der geflüchteten Schutzbündler in schwere gemeine Delikte begangen haben“. In der UdSSR wurde jedenfalls, als die KPÖ 1936 diese Amnestie waren „auch noch nicht abgeur- eine generelle Auflösung der Schutzbund-Kolo- teilte oder verwaltungsmäßig bestrafte Persön- nien in der UdSSR erwog, der Versuch einer Ab- lichkeiten dieser Art eingeschlossen“. Nach der klärung der Frage unternommen, ob die Begna- deutschen Version sollten diese Bestimmungen digungsaktionen sich auch auf alle „Rußland- „sinngemäß auch für Emigranten Anwendung fahrer“ erstrecken würden.103 Die Auskünfte des finden“,99 was der gezielten politischen Unter- österreichischen Konsulats waren jedoch äußert wanderung Österreichs durch die Rückkehrer vage: Der „Feber liegt doch schon so lange zu-

96 AdtaP, Ser. C, Bd. IV/1, Nr. 203, 426ff. 97 Schreiben Papens an , 30. 5. 1936, in: 100 VOLSANKY, Pakt auf Zeit 55. AdtaP, Ser. C, Bd. V/2, Nr. 357, 555. 101 HOCHVERRATSPROZESS 599. 98 Ebd. Nr. 446, 703ff. 102 Protokolle IX/5, Nr. 1035, 11. 7. 1936, 305f. 99 In der österreichischen Fassung fehlt dieser Satz, 103 MCLOUGHLIN, SCHAFRANEK, SZEVERA, Aufbruch – ebd. 705. Hoffnung – Untergang 302f.

Die Begnadigungspolitik der Regierung Schuschnigg 349 rück“ und sei „schon liquidiert“;104 es sei „doch verurteilten Roten immer sehr viel geringer ge- in der letzten Zeit den vielen Schutzbündlern, wesen sei als wie die der Nationalsozialisten – die zurückgereist sind, nichts geschehen“; „Füh- analog der Stärke der nationalsozialistischen rer“ müssten nach Wien ans Bundeskanzleramt Bewegung gegenüber der sozialistischen.“ schreiben, man könne „keine verbindliche Aus- Eingestellt wurde allerdings am 19. Juli 1936 – kunft geben“ u. dgl.105 Seitens der Schutzbünd- „[i]m Hinblick auf die Stimmung in England“ – ler ging man also davon aus, dass „die Amnestie nun endlich das Strafverfahren wegen des Ver- wohl nur für die in Österreich befindlichen Ge- brechens der Mitschuld am Hochverrat gegen nossen gilt, bzw. daß in jedem einzelnen Falle Karl Seitz.110 Weiters erfolgte im Zuge der „Ju- individuell entschieden wird, ob man einem er- liamnestie“ etwa die Freilassung der niederös- klärt, daß der Prozess abgeschlossen und nie- terreichischen Revolutionären Sozialisten Marie dergeschlagen ist, oder ob er beim Betreten des Emhart und Ferdinand Tschürtz.111 Darüber Landes wieder auflebt.“106 hinaus ist in einem Brief von Hermann Göring Was nun den Kreis der von der „Juliamnestie“ an Guido Schmidt vom 2. Februar 1938 von 160 Betroffenen, abgesehen von den „EmigrantIn- damals amnestierten „roten Eisenbahnern“ die nen“, anbelangt, so wurde am 23. Juli in der Rede, „welche wieder in ihr Amt eingesetzt „Wiener Zeitung“107 verkündet, dass die „Gna- wurden, obgleich sie sich am Putsch des 12. Feb- denaktion [...] zwischen den politischen Rich- ruar beteiligt haben, während gleichzeitig zu tungen der Beschuldigten keinen Unterschied“ Weihnachten zahllose Nationalsozialisten nicht mache. In der Praxis dürften allerdings die Be- amnestiert wurden“.112 gnadigungen nationalsozialistischer Straftäter Die „Arbeiter-Zeitung“ 113 war über das Ausmaß bei weitem überwogen haben,108 wenngleich die der „Amnestie“ allerdings naturgemäß nicht be- Gesamtzahl der betroffenen SozialdemokratIn- friedigt. Schuschnigg habe, da er „den Nazi die nen bislang nicht bekannt ist. Im Jänner 1937 Gefängnistore öffnen“ musste, zwar „die Roten, teilte der österreichische Bundeskanzler jeden- die im Februar 1934 die Verfassung der Repub- falls ganz allgemein dem deutschen Botschafter lik gegen Eid- und Verfassungsbrecher vertei- Papen mit,109 dass sich der „Unterschied in der digt hatten“, nun nicht mehr in den Haft halten Höhe der Strafhäftlinge“ zwischen inhaftierten können, denn das „hätte im demokratischen Sozialisten und Kommunisten einerseits und Westen einen Sturm der Entrüstung hervorgeru- Nationalsozialisten andererseits „durch die Am- fen“ und „allzu anschaulich gemacht, daß die nestierung der Roten, die bereits vor dem Juli- Gnade des Bundespräsidenten ein Gegenstand abkommen stattgefunden habe“, erkläre, „wie des Schachers zwischen den deutschen und den auch dadurch, daß die Zahl der Verhafteten und österreichischen Faschisten war, daß sie nur aus politischen Gründen, nur zu politischen Zwe-

cken, nur im Rahmen außenpolitischer Vertrags- 104 MCLOUGHLIN, SCHAFRANEK, Österreicher im Exil, Nr. 122, 168. bedingungen gewährt wurde.“ Daher habe 105 Bericht Josef Brülls an die österreichische Sektion Schuschnigg „mit den Braunen [...] auch die Ro- der Komintern über seinen Besuch auf der österrei- ten amnestieren“ müssen. Besonders kritisch ge- chischen Gesandtschaft, 16. 8. 1936, ebd., Nr. 124, 170. 106 Ebd. 171. 107 WZ 23. 7. 1936, 1. 110 So Schuschnigg im Ministerrat, Protokolle IX/5, 108 So auch VOLSANSKY, Pakt auf Zeit 177. Nr. 1035, 11. 7. 1936, 307. 109 Schreiben des deutschen Botschafters in Wien von 111 GERHARTL, Sozialisten 39 Papen an das Auswärtige Amt, 14. 1. 1937, in: AdtaP, 112 HOCHVERRATSPROZESS 306. Ser. D, Bd. 1, Nr. 198, 309f. 113 AZ 2. 8. 1936, 3.

350 Ilse REITER-ZATLOUKAL sehen wurde aber die „Ungleichheit dieser ,Am- hängt man, usw.‘, speziell im Arbeiterstande, zi- nestie‘ “, habe Schuschnigg doch „keine wirkli- tiert“.117 Schuschnigg hatte demgegenüber aller- che Amnestie“, sondern nur individuelle Be- dings bereits am 11. Juli im Ministerrat betont, gnadigungen gewährt“, d.h. sich also das Recht es sei „selbstverständlich“, dass man „einen Rin- vorbehalten, weiterhin vor der „Amnestie“ be- telen oder Steinhäusl nicht begnadigen wer- gangene Handlungen auch in Zukunft verfolgen de“.118 und anklagen zu lassen, außerdem waren wei- Grundsätzlich sollte mit der „Juliamnestie“ statt terhin die „Standrechtler“ ausgeschlossen.114 Die einer gesetzlichen Straffreiheit nur eine bedingte „Arbeiter-Zeitung“ kämpfte daher weiterhin Strafaussetzung auf Bewährung sowie die Nie- „um die volle und ausnahmslose Amnestie für derschlagung anhängiger und die Einstellung alle Freiheitskämpfer und für alle unsere Illega- ruhender Verfahren gewährt werden.119 Diese len“, für die „Amnestie für die Genossen, die „politische Begnadigungsaktion“ erfolgte auch von der Begnadigung ausgeschlossen worden“ nicht in Form einer Generalamnestie, sondern waren und für die „freie Heimkehr der Februar- durch individuelle Begnadigungen, für welche kämpfer!“ „bestimmte allgemeine Grundsätze aufgestellt“ Was die Begnadigung der Nationalsozialisten wurden, nach denen die einzelnen Fälle sodann anbelangt, so war diese Frage naturgemäß für „ohne Ansehung der Person des Täters“ nur das Verhältnis zwischen Österreich und dem „auf Grund der Urteile oder des Inhaltes der Deutschen Reich von besonderem Gewicht. Zu- Akten behandelt“ werden sollten. Die Gnaden- nächst wurden die für die Dauer ihrer – für un- aktion120 umfasste sowohl verwaltungsrechtliche bestimmte Zeit ausgesprochenen – „Anhaltung“ und gerichtliche Tatbestände, wobei sie auf dem in Wöllersdorf ruhenden Verfahren sämtlicher Gebiet der Justiz aus vier Teilaktionen bestand, Juliputschisten mit Entschließung des Bundes- und zwar „einer umfangreichen bedingten präsidenten vom 22. Juli 1936 eingestellt,115 alle Nachsicht der Strafreste für Personen, die wegen Kanzleramtsputschisten durften in weiterer Fol- einer rein politischen oder einer aus politischen ge ins Deutsche Reich ausreisen. Darüber hinaus Beweggründen begangenen anderen strafbaren stellte sich Schuschnigg die Begnadigung der Handlung in Strafhaft sind; einer Niederschla- Nationalsozialisten allgemein „wie die Weih- gung von gerichtlichen Strafverfahren, die we- nachtsamnestie hinsichtlich der Sozialdemokra- gen politischer strafbarer Handlungen anhängig ten“ vor.116 Die „angekündigten Amnestien“ sind; einer gnadenweisen Einstellung von ru- hinsichtlich der Nationalsozialisten wurden aber henden Verfahren gegen Minderbeteiligte am nicht überall gut geheissen, sondern etwa in Ti- Juliputsch und einer Hemmung des Strafvollzu- rol „als übertriebene Gutmütigkeit aufgefasst“, ges zum Zwecke der Beurteilung einer beding- insbesondere was Rintelen und Steinhäusl be- ten Nachsicht von rechtskräftig verhängten, aber traf, und [...] „das Sprichwort ,Den Kleinen noch nicht angetretenen Strafen wegen politi- scher strafbarer Handlungen“. 114 Es entscheide also nur der „bloße Zufall, ob ein Schutzbündler vor oder nach der Aufhebung des Standrechtes für Aufruhr vor Gericht gekommen ist, [...] darüber, ob er jetzt schon frei ist oder immer 117 Vertraulicher Bericht aus Tirol, 6. 8. 1936, abge- noch, dem Urteil nach für Jahrzehnte noch, im Kerker druckt in KRIECHBAUMER, Österreich! 376f. schmachtet, AZ 24. 11. 1936, 6. 118 Protokolle IX/5, Nr. 1035, 11. 7. 1936, 305f. 115 SCHÖLNBERGER, „Klausur umdrahteten Bereichs“ 119 Siehe dazu und zu der Entlassungsaktion EICH- 349. STÄDT, Von Dollfuß zu Hitler 123ff. 116 Protokolle IX/5, Nr. 1035, 11. 7. 1936, 305f. 120 WZ 23. 7. 1936, 1.

Die Begnadigungspolitik der Regierung Schuschnigg 351

„Bei rein politischen Delikten, auf die mit Stra- derbeteiligte am Juliputsch erstreckte sich auf fen bis zu zehn Jahren schwerem Kerker erkannt „sämtliche Verfahren, mit Ausnahme von 48, die worden ist, wurden“, so die „Wiener Zeitung“ gegen öffentliche Angestellte anhängig“ waren. am 23. Juli 1936,121 „die Strafreste allgemein oh- Bei noch nicht angetretenen Strafen wegen poli- ne Ansehung des Einzelfalles nachgesehen“. Bei tischer Delikte wurde die Strafvollzugshem- Strafen von über zehn bis zu 20 Jahren schwe- mung bei allen rechtskräftig wegen solcher De- rem Kerker wurde die Nachsicht hingegen nur likte ausgesprochenen Strafen verfügt, um „die dann grundsätzlich zuerkannt, soweit nicht Beurteilung der einzelnen Fälle in der Richtung „Blutschuld oder besonders erschwerende Um- einer gnadenweisen Nachsicht nach den voran- stände“ vorlagen, „insbesondere schwere Ver- geführten Grundsätzen zu ermöglichen“. Nach letzungen der Amtspflichten oder des Soldaten- „Durchführung dieser Gnadenaktion“ würden eides“. In Fällen, wo lebenslange Kerkerstrafe sich, der „Wiener Zeitung“ zufolge, „in Öster- verhängt worden war, kam es zur Nachsicht des reich nur mehr 224 Personen wegen politischer Strafrests in 13 „besonders berücksichtigungs- Delikte in gerichtlicher Haft befinden.“ Nach würdigen Fällen von insgesamt 46 Fällen“. Es Volsansky122 erfolgte eine Niederschlagung ei- handelte sich aber, wie die „Wiener Zeitung“ nes anhängigen gerichtlichen Verfahrens für po- hervorhob, „immer um die bedingte Strafnach- litische Delikte aber nur dann, wenn sich der Be- sicht.“ schuldigte „seiner Verfolgung nicht durch Bei gemeinen Delikten hingegen, die aus politi- Flucht ins Ausland entzogen hatte“. schen Beweggründen begangen worden waren, Darüber hinaus waren auf Anweisung der Ge- wurde zwischen Sprengstoffdelikten und ande- neraldirektion für die öffentliche Sicherheit123 ren unterschieden. Wegen Sprengstoffdelikten auch diejenigen Personen von der Begnadigung Verurteilen wurde nur dann einer Begnadigung auszunehmen, die für eine „radikale staatsfeind- zuteil, wenn es sich um den bloßen Besitz gerin- liche Gesinnung“ bekannt waren, als öffentliche ger Mengen von Sprengstoff, „um untergeord- Angestellte ihre Dienstpflicht verletzt hatten, nete, bezahlte Trägerdienste oder um solche wegen „gemeiner Verbrechen“ oder terroristi- Sprengstoffanschläge handelte, die mit verhält- scher Anschläge bei Gericht angezeigt waren nismäßig weniger gefährlichen Sprengmitteln oder gegen deren Begnadigung „schwerwiegen- und auf eine Art begangen wurden, bei der we- de staatspolizeiliche Gründe“ sprachen. Weiters der Menschenleben gefährdet wurden, noch ein sollten „Bedenken“ der Landesleiter der Vater- Sachschaden größeren Umfangs entstehen konn- ländischen Front berücksichtigt werden.124 te.“ Bei anderen gemeinen Delikten, besonders Neben der „Amnestie“ für gerichtliche Verurtei- bei Delikten der vorsätzlichen Gefährdung von lungen waren seit dem Abschluss des Juliab- Menschenleben, wurde hingegen „nur in verein- kommens aber auch für die Erlassung einer ver- zelten Fällen Gnade geübt“. waltungsrechtlichen Amnestie „Vorarbeiten im Was die Niederschlagung der anhängigen ge- Zuge“, eine „amtliche Verlautbarung darüber“ richtlichen Strafverfahren wegen rein politischer wurde gegen Ende Juli erwartet. Laut „Arbeiter- Delikte betrifft, so erfasste sie laut „Wiener Zei- Zeitung“ versprach Schuschnigg am 24. Juni tung“ „sämtliche in Österreich bis zum heutigen 1936 auch öffentlich im Rundfunk, „dass die Tage anhängigen Verfahren“. Die gnadenweise Einstellung der ruhenden Verfahren gegen Min- 122 VOLSANSKY, Pakt auf Zeit 178. 123 Ebd. 179. 124 Siehe dazu und zur konkreten Durchführung der 121 Ebd. Amnestie ebd., 179ff.

352 Ilse REITER-ZATLOUKAL

Verwaltungsamnestie Braunen und Roten ohne ber 1936 wurden jedenfalls aus dem Anhaltela- Unterschied gewährt“ würde.125 Allerdings wur- ger etwa drei Viertel der internierten National- de diese „feierliche angekündigte Amnestie der sozialisten und weniger als ein Drittel der „Ro- von der Polizei und von den Bezirkshauptmann- ten“ entlassen, so dass der Prozentsatz der an- schaften verhängten Verwaltungsstrafen“ we- gehaltenen Nationalsozialisten zwischen Anfang gen „Nazikrawallen“126 anlässlich der Olympia- September und Ende Oktober von 59% auf 32% feiern in Wien widerrufen.127 Dies wog nach An- fiel.132 Die „Arbeiter-Zeitung“133 kritisierte aller- sicht der „Arbeiter-Zeitung“128 deshalb beson- dings: „Die Braunen gehen frei vor Ablauf ihrer ders schwer, weil diese Strafen „oft viel mehr Frist, die Roten sitzen weiter, auch wenn die aus[machten] als die von den Gerichten ver- Frist schon abgelaufen ist.“ hängten Strafen“. Die Amnestierung dieser Im Dezember 1936134 konnte Kanzler Schusch- „Willkürjustiz“, die „alle Rechtsgarantien der nigg schließlich dem deutschen Gesandten mit- gerichtlichen Justiz entbehrt[e]“, sei daher „noch teilen, dass „der Juliputsch österreichischerseits viel dringender notwendig als die Amnestie- fast liquidiert sei, denn in den Gefängnissen sä- rung der gerichtlichen Urteile“, gerade diese ßen nur noch 45 Personen,135 und das einzige Fälle waren aber von der „Juliamnestie“ ausge- Konzentrationslager Wöllersdorf enthalte 105 schlossen. Insassen“.136 Mit Anfang September kam es dann zwar end- Insgesamt umfasste die sich bis in den Winter lich zur Durchführung der „Verwaltungsamnes- hineinziehende „Juliamnestie“ 18.684 Gnaden- tie“,129 von dieser Maßnahme waren die Sozialis- akte für Nationalsozialisten,137 darunter trotz tInnen und KommunistInnen jedoch ausge- Schuschniggs ursprünglich anderer Absicht schlossen. Es wurden folglich auch nur Natio- auch Otto Steinhäusl, nicht aber Anton Rinte- nalsozialisten aus dem Wöllersdorfer Strafarrest len.138 Nach offiziellen Angaben vom 29. Jänner entlassen, weshalb sich in der dortigen Strafab- teilung am 15. November 1936 laut „Arbeiter- 132 AZ 22. 11. 1936, 5. 133 Zeitung“130 etwa „zehn Nazi und mehr als acht- Ebd. 134 Schreiben des deutschen Botschafters in Wien von zig Marxisten“ befanden. Auch noch im Oktober Papen an Adolf Hitler, 21. 12. 1937, in: AdtaP, Ser. D, 1936 sprach sich das Staatspolizeiliche Büro ge- Bd. 1, Nr. 273, 397. gen eine eventuelle Gnadenaktion für „marxisti- 135 Siehe die „Beispiele für die Nichterfüllung der ge- sche Parteigänger in Verwaltungsstrafhaft“ aus, richtlichen Amnestie“ in den „Denkschriften von Rechtsanwalt Dr. Erich Führer, 1936/37“, im Anhang weil eine solche Maßnahme „wohl nur in ganz von PUTSCHEK, Standischë Verfassung. engen Grenzen gehalten werden sein“ könne, 136 Siehe die „Beispiele für die Nichterfüllung der poli- zumal eine Förderung der inneren Befriedung tischen Amnestie“ ebd., 231ff. dadurch nicht zu erwarten sei.131 Bis zum Okto- 137 Schreiben des deutschen Geschäftsträgers in Wien an das Auswärtige Amt, 16. 1. 1937, in: AdtaP, Ser. D, Bd. 1, Nr. 200, 312. In einem Schreiben des deutschen 125 AZ 22. 11. 1936, 5. Botschafters in Wien von Papen an das Auswärtige 126 AZ 20. 9. 1935, 6. Amt, 23. 7. 1936, ist die Rede von 17.045 amnestierten 127 AZ 16. 8. 1935, 2f, siehe zur „Sistierung“ der Ver- Personen, 12.618 eingestellten Verfahren gegen Min- waltungsamnestie auch WZ 31. 7. 36, 2; WZ 5. 9. 1936, derbeteiligte, sowie von insgesamt 13 Amnestierten 2; zu den Gründen SCHÖLNBERGER, „Klausur umdrah- der 46 lebenslänglich Verurteilten. Nicht begnadigt teten Bereichs“ 348ff. blieben nach diesem Schreiben 213 Personen „mit 128 AZ 16. 8. 1935, 3. Aussicht auf baldige Straferleichterung“, in: ebd., 129 WZ 4. 9. 1935, 2. Nr. 160, 140. 130 AZ 15. 11. 1936, 6. 138 Nicht aber Anton Rintelen, wie VOLSANSKY, Pakt 131 HOLTMANN, Unterdrückung 262 auf Zeit 181 irrtümlich annimmt, denn dieser wurde

Die Begnadigungspolitik der Regierung Schuschnigg 353

1937139 wurde in der Zeit vom 11. Juli bis zum folgenden Aburteilungen.143 Schuschnigg habe 13. Dezember 1936 1.046 Personen der Rest ihrer nämlich versichert, dass „in der Polizei- und gerichtlichen Strafe nachgesehen, bei 12.618 Per- Verwaltungspraxis auf seine Anordnung eine sonen, die als Minderbeteiligte am Juliputsch erhebliche Milderung eingetreten sei.“144 Hin- 1934 teilgenommen hatten, das gerichtliche sichtlich der Zahl der in polizeilicher Strafhaft Strafverfahren eingestellt, 1.625 Personen der befindlichen Nationalsozialisten bestanden al- Rest ihrer Verwaltungsstrafen nachgesehen, lerdings Differenzen zwischen Österreich und 1.252 anhängige Verwaltungsstrafverfahren Deutschland.145 wurden eingestellt und 226 Personen aus dem Die Mehrzahl der aufgrund der „Juliamnestie“ Anhaltelager entlassen.140 Begnadigten gab in weiterer Folge offenbar we- Wie der deutsche Geschäftsträger in Wien im nig Grund zur Beanstandung. „Wenn auch die Jänner 1937 berichtete,141 dürfe „aber nicht über- Amnestie keine politische Umstellung der Am- sehen werden, daß nach zuverlässigen Angaben nestierten bewirkt hat“, so könne doch dem Vor- von Seite der österreichischen NSDAP seit dem arlberger Sicherheitsdirektor zufolge, „dennoch 11. Juli wenigstens 4.000 Nationalsozialisten gesagt werden, dass sich der Großteil der Amne- verhaftet und mit Verwaltungs- und gerichtli- stierten vollkommen einwandfrei aufführt“.146 chen Strafen belegt wurden“. Von den „Bundes- Nach Ansicht der Wiener Polizeidirektion hätte kanzlerputschisten“ säßen noch 43 in Wöllers- sich allerdings die „Führerschichte der illegalen dorf, man hoffe aber, dass sie bis Monatsende Gruppen, darunter der grössere Teil der mittle- das Lager verlassen haben würden.142 Weiters ren und unteren Führer“ der ihnen zuteil ge- beabsichtige der österreichische Bundeskanzler wordenen Gnade meist als unwürdig erwiesen.“ nach den Informationen des deutschen Botschaf- Die meisten dieser „Unbelehrbaren“, die „teils ters auch die schrittweise „Entlassung der 145 aus Fanatismus teils aus materiellem Interesse“ noch im Kerker sitzenden Nationalsozialisten“, an den illegalen Parteien festhielten, würden die Niederschlagung der schwebenden Verfah- „nach Erlangung der Freiheit oft schon nach ren und eine milde Bestrafung bei noch zu er- kurzer Zeit wieder rückfällig“. Auch seien die „generellen Gnadenakte“, die bisher „den Ange- erst am 17. 2.1938 amnestiert, vgl. Protokolle IX/5, hörigen staatsfeindlicher Gruppen“ zuteil wur- Nr. 1035, 11. 7. 1936, 306, Anm. 27. den, „von der Mehrheit der vaterländischen Be- 139 Brief von Guido Schmidt an Hermann Göring, 29. 1. 1937, in: Hochverratsprozess 303. 140 Am 31. 12. 1936 befanden sich nach österreichi- schen Angaben noch 269 Nationalsozialisten in Ver- 143 Der deutsche Botschafter in Wien an den Führer waltungsstrafhaft, 237 in gerichtlicher Strafhaft, 44 in und Reichskanzler, 13. 2. 1937, in: ebd., Nr. 210, 322f. Anhaltelagern, 129 in verwaltungsgerichtlicher und 144 Aufzeichnung des Reichsministers des Auswärti- 437 in gerichtlicher Untersuchungshaft, VOLSANSKY, gen von Neurath, 25. 2. 1937, in: ebd., Nr. 212, 327. Pakt auf Zeit 181. Am 15. 1. 1937 hingegen befanden 145 Nach den Aufzeichnung von Neuraths, ebd., wa- sich nach Schmidts Angaben (Brief an Göring vom ren die „uns gegebenen Ziffern über die wegen politi- 29. 1. 1937) im gesamten Bundesgebiet 399 Personen scher Vergehen noch in Haft befindlichen Personen wegen nationalsozialistischer Betätigung in verwal- nicht zutreffend“ und „in der Zahl 700 insbesondere tungsbehördlicher Haft, und zwar 96 in Untersu- die in polizeilicher Strafhaft befindlichen Personen chungshaft, 258 in Strafhaft, und 45 im Anhaltelager. nicht inbegriffen“. Schmidt und Schuschnigg hätten 141 Schreiben des deutschen Geschäftsträgers in Wien aber versichert, dass „diese Häftlinge miteinbegriffen an das Auswärtige Amt, 16. 1. 1937, in: AdtaP, Ser. D, seien“. Bd. 1, Nr. 200, 312. 146 Vorarlberger Sicherheitsdirektor an das Staatspoli- 142 Der deutsche Botschafter in Wien an das Auswär- zeiliche Büro, 10. 2. 1937, zit. nach SCHÖLNBERGER, tige Amt, 18. 1. 1937, in: ebd., Nr. 201, 312. „Klausur umdrahteten Bereichs“ 173f.

354 Ilse REITER-ZATLOUKAL völkerung durchaus unfreundlich aufgenom- linge entlassen.150 Die „Arbeiter-Zeitung“151 kriti- men“ worden.147 sierte daher nicht nur weiterhin den Verbleib Von den Nationalsozialisten wurde die Amnes- zahlreicher Schutzbündler in Haft, sondern for- tie, wie aus verschiedenen Berichten hervorgeht, derte weiterhin eine allgemeine Amnestie für al- als „Schwäche der Regierung“ angesehen. So le Februarkämpfer, die auch die „mehr als tau- wurde etwa aus dem salzburgischen Bezirk send Schutzbündler [...] im Ausland“ umfassen Oberndorf berichtet, dass es „anläßlich der sollte. Man erwarte und verlange daher „keine Heimkehr der politischen Häftlinge“ in Lam- individuelle Begnadigung“, sondern weiterhin prechtshausen zu einer Demonstration von etwa eine wirkliche Amnestie und die freie Heimkehr 500 Nationalsozialisten gekommen sei, der die der emigrierten Schutzbündler. Die „halbe Am- örtliche Gendarmerie machtlos gegenüber ge- nestie“ sei durchgesetzt, um „die ganze“ ginge standen sei.148 Aus anderen Bezirken gingen der Kampf nun weiter. ähnliche Berichte ein, so etwa aus dem steier- märkischen St. Gallen,149 nach dem die dortigen Nazis seit der Freilassung der Amnestierten 6. Die „Amnestien“ 1937 wieder „stark und frech würden“ und nicht nur Weitere Amnestierungen erfolgten in Form von „durch ihr anmaßendes und herausforderndes Oster- und Weihnachtsamnestien bis 1938. So Auftreten die vaterländische Bevölkerung gera- betraf die Osteramnestie 1937152 die wegen dezu provozieren“, sondern auch „alle noch Sprengstoffdelikten sowie im Zusammenhang vorhandenen Dollfuß-Plakate“ beschädigen und mit dem Juliputsch Verurteilten und erfasste herunterreißen. „Vor der Amnestie hätten sich auch die nach dem 11. Juli 1936 verurteilten Na- die Nazis so etwas hier in St. Gallen nicht ge- tionalsozialisten. Die Zahlen des Justizministe- traut.“ Die Amnestie sei zwar „zum Teil, beson- riums vom Juli 1937153 sprachen von 958 Begna- ders von den nicht beteiligten Kreisen, als wohl- digungen durch Strafnachlass, 1.881 durch Nie- tätig empfunden“ worden, allerdings habe ein derschlagung des Verfahrens, 12.618 durch Ein- „Teil der Amnestierten [...] nach unseren Nach- stellung des Strafverfahrens gegen Minderbetei- richten nicht bekehrt die Strafanstalt verlassen.“ ligte am Juliputsch, insgesamt also 15.457. Dazu Infolge der „Amnestie“ sei auch eine „[g]rößere kamen dann noch die „im Frühjahr 1937, sowie Tätigkeit [...] bei den Jung-Nationalisten und die im Juli d. J. erfolgten Begnadigungen ver- Jung-Kommunisten“ festzustellen, da „diese schiedener Personen, gegen die noch Verfahren Gruppe[n] ihrer Führer wieder zurückerhalten“ wegen vor dem 11. Juli 1936 begangener politi- hatten, weshalb „[g]rößte Vorsicht am Platze“ scher Straftaten liefen, sodaß sich die Gesamt- sei. zahl der bisher begnadigten Nationalsozialisten Wie alle Jahre gab es 1936 außerdem, wie alle auf 16.283 Personen“ belief. In Haft befanden Jahre, auch eine Weihnachtsamnestie, allerdings sich zu diesem Zeitpunkt noch 109 Nationalso- wurden in diesem Jahr keine politischen Häft- zialisten wegen besonders schwerer, vor dem

147 Bundespolizeidirektion Wien an das Staatspolizei- 150 RP 9. 1. 1936, 9. liche Büro 28. 1. 1937, zit. nach ebd. 174. 151 AZ 29. 12. 1935, 1f. 148 Berichte des Werbereferates an den General- 152 Schreiben des deutschen Botschafters in Wien an inspektor auf das Juliabkommen, 5. 8. 1936, in: das Auswärtige Amt, 20. 3. 1937, in: ebd., Nr. 217, 337. KRIECHBAUMER, Österreich! 372f. 153 Anlage zu der Aufzeichnung des Ministerial- 149 Bezirks-Werbebericht von St. Gallen/Steiermark, direktors von Weizsäcker, Auswärtiges Amt, 10. 7. August 1936, 375f. 1937, in: ebd., Nr. 237, 363f.

Die Begnadigungspolitik der Regierung Schuschnigg 355

11. Juli 1936 begangener Blut- und Sprengstoff- derung [...] im Überprüfungsweg der Einzelfäl- delikte. Hinsichtlich der noch inhaftierten Nati- le“ zu erledigen, und zur „Erledigung [...] dieser onalsozialisten versprach der Bundeskanzler Fragen, Amnestie, Tilgung und Rückwande- Ende Juli,154 sie „bis auf 29 Mann zu amnestieren rung“ sollte eine „Zentralstelle“ geschaffen wer- und den Rest zu Weihnachten nachfolgen zu den. Hitler forderte hingegen eine „allgemeine lassen“. Aufgrund der Weihnachtsamnestie kam Amnestie für alle wegen nationalsozialistischer es dann auch erneut zu Entlassungen aus Wöl- Betätigung gerichtlich oder polizeilich bestraften lersdorf.155 Personen“ bis 18. Februar 1938,159 worunter nun im Unterschied zum deutschen Entwurf auch al- le „Emigranten“ fallen sollten, während Öster- 7. „Februaramnestie“ 1938 reich nur eine Amnestie für die Bestraften in Ös- terreich zugestehen wollte.160 Bei den Verhandlungen in Berchtesgaden am Dementsprechend beinhaltete das „Protokoll 12. Februar 1938 wurde die Amnestie für die ös- über die Besprechung vom 12. Februar 1938“,161 terreichischen Nationalsozialisten erneut thema- dass der Bundeskanzler „eine allgemeine Am- tisiert. Schuschnigg hatte bereits Anfang Februar nestie für alle wegen nationalsozialistischer Be- die „Freilassung aller restlichen Inhaftierten, die tätigung gerichtlich oder polizeilich bestraften vom Juli-Putsch 1934 her sich im Kerker befin- Personen“ erlassen und die Aufhebung bzw. Be- den“, zugestanden,156 während die deutsche Re- seitigung aller Maßregelungen und Diskriminie- gierung nicht nur die „[r]estlose Amnestie der rungen von Nationalsozialisten bewirken wür- an dem Juliputsch [...] beteiligten Personen“ for- de. Allerdings wollte man österreichischerseits derte, sondern u.a. auch die „Ausdehnung die- nach wie vor die „Emigranten“ nicht der Am- ser Amnestie auf die Flüchtlinge im Reich“.157 nestie teilhaftig werden lassen, wie aus den Te- In den österreichischen Punktationen für die legrammen des Außenministers an diverse ös- Berchtesgadener Verhandlungen158 wurde so- terreichische Gesandtschaften in Europa vom dann in Aussicht genommen, die „Fälle vor dem 15. Februar erkennbar ist, in denen er mitteilte, 11. Juli 1936 [...] mit zeitlich beschränkten Ter- minen“ zu liquidieren, die Tilgung der Straffol- 159 Punkt 4 des deutschen Entwurfes für ein Protokoll gen sollte allerdings weiterhin „individuell, über die Besprechung vom 12. 2. 1938 (Keppler- nach generellen noch näher auszuführenden Entwurf), abgedruckt in: ebd. 560. Weisungen“ erfolgen. Gleichfalls waren nach 160 Hochverratsprozess 560. 161 diesen Punktationen die „Fragen der Rückwan- Protokoll über die Besprechung, 12. 2. 1938, in: AdtaP, Ser. D, Bd. 1, Nr. 294, 421, Nr. 295, 423. Schuschnigg erinnerte sich 1946 in folgender Weise an 154 Vermerk des Ministerialdirektors von Weizsäcker, das Berchtesgadener Diktat: „Der Außenminister Auswärtiges Amt, 21. 7. 1937, in: ebd., Nr. 245, 369. zeigte uns einen maschingeschriebenen Entwurf von 155 So etwa der Wiener Kommunist und Arzt etwas zwei Seiten und bemerkte, dies sei das Äußers- Dr. Wilhelm Gründorfer, HERTLING, Tribune 38. te, was uns der Führer konzedieren wolle. [...] 3) 156 Schreiben des Beauftragten des Führers und Sämtliche Nationalsozialisten, die in Oesterreich sich Reichskanzlers für Wirtschaftsfragen Keppler an wegen ihrer Tätigkeit in gerichtlicher oder sicher- Reichsminister von Neurath, 2. 2. 1938, ebd., Nr. 282, heitsbehördlicher Haft befinden – einschließlich der 407. Teilnehmer am Juliaufstand 1934 und der Blutverbre- 157 Aufzeichnung über den Stand der gegenwärtigen cher – werden binnen längstens drei Tagen amnestiert deutsch-österreichischen Beziehungen, 10. 2. 1938, in: 4) Alle disziplinierten nationalsozialistischen Beamten ebd., Nr. 290, 416. und Offiziere werden im Wege der Verwaltungsam- 158 Punktationen mit Dr. Seyß-Inquart, in: Hoch- nestie in den Genuß der früheren Rechte gesetzt“; verratsprozess 559. SCHUSCHNIGG, Requiem 46.

356 Ilse REITER-ZATLOUKAL dass unter die vom Bundeskanzler infolge des Da der österreichischen Regierung von Hitler Berchtesgadener Abkommen zu ergreifenden nur eine sehr kurze Frist zur Umsetzung der Maßnahmen auch die Erlassung einer „General- Vereinbarungen eingeräumt worden war, stellte amnestie für alle Kategorien politischer Sträflin- nach Ansicht Funders die „überstürzte Eile“, mit ge (also auch zum Beispiel ehemaliger Sozial- der die notwendigen Maßnahmen durch- demokraten) unter Ausschluß der Emigration“ zuführen waren, nun allerdings „an den Bun- beinhalteten.162 deskanzler und seine nächsten Mitarbeiter au- Wie eine Erklärung der Vaterländischen Front ßerordentliche Anforderungen körperlicher und zum Berchtesgadener Abkommen betonte, be- geistiger Art“. deute die „politische Amnestie [...] keine Belas- Bereits am 15. Februar erging neben einer „Am- tung der Grundsätze der österreichischen Politik nestie“ für Studenten und Mittelschüler hin- oder der Politik der Vaterländischen Front“. Sie sichtlich von Disziplinarstrafen166 – unmittelbar sei für „alle politischen Straftaten gewährt“ wor- nach der Regierungsumbildung – eine General- den, die vor dem 15. Februar begangen wurden, amnestie für gerichtlich strafbare politische De- komme „also nicht nur den Nationalsozialisten, likte. Sie umfasste „alle politischen Straftaten, sondern auch den Marxisten zugute“. Die „Ver- die vor dem 15. Februar l. J. begangen wurden, söhnungspolitik“ richte sich daher nicht nur insofern der Täter im Inland verblieben“ war. nach rechts, sondern auch nach links“. Mit die- Sie bezog sich sowohl auf die Nichteinleitung ser „Amnestie“ solle also „sowohl unter die des Strafverfahrens für die vor diesem Termin Konsequenzen des Februar- als auch des Juli- gesetzten Handlungen als auch auf die Einstel- putsches ein dicker Strich gezogen“ werden, sie lung schwebender Verfahren und auf die Nach- stellte einen „Schlusspunkt der Liquidierung der sicht der noch zu verbüßenden Strafen. Die staatsfeindlichen Putschversuche von rechts und Strafnachsicht war allerdings „an die Bedingung links“ dar.163 Wie das „Neue Wiener Journal“ be- des Wohlverhaltens bis zum 31. Dezember 1941 tonte, habe die Bundesregierung diese „vom geknüpft“. Die zuständigen Ressortminister Geiste der Versöhnlichkeit getragene Maßnah- wurden beauftragt „beschleunigt die erforderli- me getroffen, um allen bisher abseits gestande- chen Maßnahmen auszuarbeiten, um die wegen nen Staatsbürgern den Weg zur Mitarbeit am politischer Delikte verhängten Verwaltungsstra- Aufbau des Vaterlandes freizumachen und so- fen sowie Maßregelungen auf dem Gebiete der mit den inneren und äußeren Frieden des Lan- Pensionen, Renten und Unterstützungen sowie des zu sichern“.164 auf dem Gebiete des Schulwesens außer Kraft Auch für Friedrich Funder,165 den Chefredakteur zu setzen“, wobei „Wiedereinstellungen in das der konservativen „Reichspost“, war dieser aktive Dienstverhältnis“ jedoch nicht in Frage „großzügige Gnadenakt“ keinesfalls „ die Aus- kamen.167 geburt einer sentimentalen Schwäche“, sondern Teilhaftig der Amnestie wurden politische Häft- ein „bewusster Ausdruck österreichischer Ent- linge der Strafanstalten, Untersuchungshäftlinge schlossenheit zu einer ehrlichen Versöhnung“. der Gerichtsgefängnisse und die politischen Häftlinge der Polizeigefängnisse sowie Bezirks-

gerichte, also „Personen, die wegen politischer 162 Siehe den Abdruck in: Hochverratsprozess 562. 163 Erklärung der Vaterländischen Front zum Delikte bereits abgeurteilt sind und die Strafe Berchtesgadener Abkommen, 12. 2. 1938, in: KRIECH- BAUMER, Österreich! 364f. 166 KB, 18. 2. 1938, 2; NWJ 18. 2. 1938, 1; RP 18. 2. 164 NWJ 17. 2. 1938, 4; RP 17. 2. 1938, Nr. 47, 4. 1938,, 3. 165 FUNDER 1957, 293f. 167 NWJ 17. 2. 1938, 4; so auch die RP 17. 2. 1938, 4.

Die Begnadigungspolitik der Regierung Schuschnigg 357 schon verbüßen oder teilweise schon verbüßt tischen Betätigung, welcher Art immer, ver- haben, die sich wegen politischer Vergehen oder hängt wurden, waren nicht zu vollziehen, Ein- Verbrechen nach dem Staatsschutzgesetz [1936] treibungen unbefristet aufzuschieben. Allen je- in gerichtlicher Voruntersuchung befinden, so- nen Personen, die wegen einer politischen Be- wie Personen, die wegen politischer Delikte von tätigung, für welche Partei immer, in einem der Polizei verhaftet wurden, gegen die aber Verwaltungsstrafverfahren – sei es mit Geld noch keine gerichtliche Voruntersuchung einge- oder mit Haft – bestraft worden waren und de- leitet wurde“.168 Für die Amnestierten war frei- nen bereits ein befristeter Strafaufschub erteilt lich von Wichtigkeit, dass auch „alle Folgen der worden war, wurde auch weiterhin bis zum Ein- Verurteilung, so die eingetretene Unfähigkeit, treten der objektiven Verjährung ein Strafauf- bestimmte Rechte, Stellungen und Befugnisse zu schub gewährt. Anstaltshäftlinge, die sich we- erlangen“, nachgesehen wurden, was von be- gen Förderung der Bestrebungen einer verbote- sonderer Bedeutung für diejenigen Verurteilten nen politischen Partei in Haft befanden, waren war, deren Strafe schon vollstreckt war.169 Die unverzüglich zu entlassen. Die Entlassung sämt- Amnestie fand keine Anwendung auf Personen, licher im Anhaltelager Wöllersdorf befindlichen die nur bedingt abgestraft waren. Mit der „politischen Straf- und Anhaltehäftlinge“ sollte Durchführung der Amnestie wurde Justizminis- „von hierorts separat verfügt“ werden. War in ter Ludwig Adamovich beauftragt. einem politischen Verwaltungsstrafverfahren in Für die ebenfalls geplante Verwaltungsamnes- der 1. Instanz das Erkenntnis zwar schon ver- tie170 erging am 16. Februar 1938 ein Erlass des fügt worden, aber noch nicht in Rechtskraft er- Staatspolizeilichen Büros der Generaldirektion wachsen, so war über eine vom Beschuldigten für die öffentliche Sicherheit.171 Dieser sah zum eingebrachte Berufung nur dann zu entscheiden, einen vor, dass alle wegen einer politischen Ver- wenn dies ausdrücklich begehrt oder in der Be- waltungsübertretung anhängigen Strafverfah- rufung zu Gunsten des Beschuldigten entschie- ren, sofern die Tathandlung vor dem 15. Februar den wurde. Ein schon rechtskräftig abgeschlos- 1938 begangen worden war und nicht eine Ein- senes Verwaltungsstrafverfahren konnte nur zu stellung nach dem Verwaltungsstrafrecht in Be- Gunsten des Bestraften wieder aufgenommen tracht kam, „sofort abzubrechen und bis zum werden. Wenn der Beschuldigte, hinsichtlich Eintritt der objektiven Verjährung ruhen zu las- dessen ein anhängiges Strafverfahren abgebro- sen“ waren. Personen, die sich für eine Partei, chen worden war, oder der Bestrafte, dem ein der jede Betätigung in Österreich verboten war, Strafaufschub gewährt worden war, innerhalb „in welcher Weise immer betätigt haben und aus der objektive Verjährungsfrist (3 Jahre) neuerlich diesem Grund eine Verwaltungsstrafe verbüs- wegen einer politischen Verwaltungsübertre- sen“, mussten „unverzüglich unter Gewährung tung bestraft wurde, war das anhängige Straf- eines Strafaufschubes aus der Haft [...] entlas- verfahren fortzuführen, beziehungsweise die sen“ werden. Geldstrafen, die wegen einer poli- restliche Strafe zu vollziehen, es sei denn, dass es sich um eine politische Übertretung handelte, die den Umständen nach als geringfügig be- 168 KB 17. 2. 1938, 4. zeichnet werden musste. 169 Siehe etwa RP 17. 2. 1938, 4. 170 NWJ 1. 2. 1938, 4. In weiterer Folge wurde angeordnet, bis spätes- 171 Erlass GD 310.123-St.B. der GdöS/BKA an alle Si- tens 25. Februar 1938 Verzeichnisse, „getrennt cherheitsdirektoren und den Polizeipräsidenten in nach der politischen Parteirichtung, vorzulegen, Wien, OÖLA, Bezirkshauptmannschaft Ried, III Zl. aus denen zu entnehmen sein sollte, wieviele 112/9/38. Verwaltungsstrafverfahren eingestellt oder ab-

358 Ilse REITER-ZATLOUKAL gebrochen, wie viele Personen aus der Strafhaft amnestiert worden waren.“ Andere Blätter spra- und wie viele aus der Anhaltehaft entlassen chen hingegen von einer Amnestie für 700 zu wurden, ferner wie vielen nationalsozialisti- diesem Zeitpunkt in Haft befindlichen Personen schen Parteigängern ein bereits erteilter Straf- und von 2.500 schwebenden, nun einzustellen- aufschub verlängert wurde“. In diesen Listen den Verfahren.174 Auch die „Reichspost“ beton- sollten Männer, Frauen und Jugendliche unter te, dass in die Amnestie „selbstverständlich 18 Jahren getrennt angeführt werden. Bei den frühere Angehörige verschiedener politischer Enthaftungen war, „um eventuellen Demonstra- Richtungen einbezogen“ seien. Das „Neue Wie- tionen, festlichen Empfängen und ähnlichem ge- ner Journal“ meldete, dass auch im Anhaltelager sichert vorzubeugen“, derart vorzugehen, „dass Wöllersdorf „die entsprechenden Schritte veran- die Häftlinge in kleineren Gruppen zu verschie- laßt“ worden seien,175 das Lager werde aber denen Tagesstunden entlassen werden“. Außer- „vorläufig nicht aufgehoben, da sich die Amnes- dem sollte für eine Überwachung der abreisen- tie auf Straftaten bis 15. d. erstreckt“.176 den Häftlinge „tunlichst während der Fahrt und Die ersten Entlassungen aus der Haft wurden je- Avisierung der nach dem Wohnort des Entlas- denfalls bereits am Nachmittag des 17. Februar senen zuständigen Sicherheitsdienststellen“ Sor- vorgenommen. Am Tag darauf wurde bereits ge getragen werden und Heimreise „womöglich von 250 aus dem Landesgericht I enthafteten po- mit der Bahn erfolgen“. Der Vollzug der Gna- litischen Häftlingen gesprochen, bei denen es denaktion war mittels Telefondepesche bis 19. sich „um Nationalsozialisten, Kommunisten Februar abends zu berichten. und revolutionäre Sozialisten“ handle. Die Haft- Wie das „Kleine Blatt“ festhielt, erstreckte sich entlassung sei unter Aberkennung der Haftent- die Amnestie „sowohl auf Rechts als auch auf schädigung mit dreijähriger Bewährungsfrist er- Links“ und hatte ein Ausmaß, „wie es keine folgt.177 Bereits am Abend des 18. Februar war Amnestie bisher gehabt“ hatte, denn auch die die Enthaftungsaktion beendet, wobeilaut „klei- „Blutverbrechen“ fielen darunter.172 Die Anzahl nem Blatt“ die „glatte Abwicklung dieser Aktion der Amnestierten betrug laut „Kleinem Blatt“ [...] der unermüdlichen Tätigkeit der Richter, „in ganz Österreich weniger als 500“, da bereits Staatsanwälte, Kanzleileiter und Justizsekretäre der größte Teil der infolge der Februar- bzw. Ju- zu danken“ sei, „die während der beiden ver- liereignisse verurteilten Personen aus der Straf- gangenen Tage in Permanenzdienst standen“.178 haft entlassen worden war. Seither befänden sich „in den Großen Strafanstalten“ nur solche Personen, „die in leitender Stellung im Staats- dienst gestanden waren und solche Personen, 174 RP 17. 2. 1938, 4; vgl. auch NWJ 18. 2. 1938, die unmittelbar Blutschuld auf sich geladen hat- Nr. 15.895, 2. 175 NWJ 18. 2. 1938, Nr. 15895, 2. ten“, also etwa 35 Personen,173 darunter „jene 176 RP 17. 2. 1938, 4. wenigen Verurteilten vom 12. Februar 1934, die 177 KB 18. 2. 1938, 2. Darüber hinaus entspreche es [...] wegen unmittelbarer Blutschuld bisher nicht „dem Vertrauen, das die Berchtesgadener Zusam- menkunft geschaffen hat, […] wenn auch hinsichtlich der weiteren Existenz der Amnestierten Vertrauen 172 KB 17. 2. 1938, 4. herrscht“. Es sei zu hoffen, dass ihnen „verwaltungs- 173 Unter ihnen der „falsche Major“ Hudel, der wegen gemäß und arbeitsmäßig alle Möglichkeiten gegeben Teilnahme an der Ermordung Dollfuß’ verurteilt werden, sich als vollberechtigte Mitglieder im deut- worden war, der ehemalige Polizeioberkommissär Dr. schen Volksraum zu fühlen und leben zu können“, Gotzmann, der ehemalige Major Seeliger sowie Dr. ebd., 10. 2. 1938, 4. Rintelen; KB 17. 2. 1938, 4. 178 KB 20. 2. 1938, 3.

Die Begnadigungspolitik der Regierung Schuschnigg 359

Am 19. Februar 1938179 konnte die „Wiener Zei- ge [...] behalten“ werden, war doch auch „jede tung“ berichten, dass die „Durchführung der illegale Parteitätigkeit […] nach wie vor verbo- politischen Amnestieaktion [...] zumindest in ten“, wie z.B. der oberösterreichische Sicher- Wien in den gestrigen Abendstunden im gros- heitsdirektor klarstellte. In Bagatellfällen sollte sen und ganzen beendet werden“ konnte, und in den ersten acht bis zehn Tagen nach der Am- die „Amnestiekommissionen mit größter Be- nestie aber „ein schärferes Einschreiten“ nach schleunigung alle in Betracht kommenden Ak- Möglichkeit vermieden werden. Durch „taktvol- ten erledigt“ hatten, so dass an zwei Tagen le Abmahnungen und massvolles Einschreiten“ „rund 540 Verhaftete [...] auf freien Fuß gesetzt würde „dem Sinne und dem Geiste der Amnes- worden sein“ dürften, darunter „etwa zwei Drit- tie am ehesten Rechnung getragen werden.“184 tel Nationalsozialisten, während sich der Rest Zur „Februaramnestie“ hielt Karl Itzinger, Re- auf Kommunisten und revolutionäre Sozialisten dakteur und Zeitungsverleger in Wels sowie verteilt“. Aus dem Jugendgerichtshof seien 80 Schriftsteller, Mitglied des Stabes der illegalen Jugendliche „aller politischen Richtungen“ frei- SA-Obergruppe Österreich und Führer des gelassen worden.180 Sofern die Amnestierten „Freikorps Oberland“ 1938 in seinem „Tagebuch über keine Geldmittel verfügten, sei ihnen das vom 10. Februar bis 13. März 1938“ am 16. Feb- „nötige Reisegeld“ ausgefolgt worden.181 Auf- ruar fest:185 „Überhaupt scheint sich [...] eine grund der Amnestieverordnung seien an beiden Entwicklung vorzubereiten, die ganz weite Krei- Tagen auch die politischen Häftlinge aus „allen se zieht. Dafür zeugt auch die erste Tat der neu- Polizeiarresten“ entlassen worden. Die „Reichs- en Regierung, d.i. die Erlassung einer allgemei- post“ sprach ebenfalls von 540 aus den beiden nen Amnestie für alle politischen Straftaten, die Straflandesgerichten entlassenen Strafhäftlingen, bis gestern durch eine in Österreich ansässige darüber hinaus seien aus den „Hilfsgefängnis- Person begangen worden sind. Freilich ist diese sen“ Floridsdorf und Favoriten diejenigen Insas- Strafnachsicht an die Bedingung des politischen sen entlassen worden, „die aus politischen Wohlverhaltens bis 31. Dezember 1941 ge- Gründen mit dem Gesetz in Konflikt gekom- knüpft, aber das kann doch nicht mehr als eine men“ waren. Aus den Strafanstalten Stein, Gars- Formsache sein, denn nicht einmal Herr Miklas ten und Karlau seien 50 nationalsozialistische wird sich einbilden, daß wir zu Weihnachten Juliputschisten freigelassen worden, darunter 1941 noch ein Österreich in der gegenwärtigen die wegen entfernter Mitschuld am Kanzler- Form haben. Aber das ist schließlich Nebensa- mord Verurteilten.182 Unter den Amnestierten che, jedenfalls ist es sehr erfreulich, daß jetzt war nun auch der von den Juliputschisten als nicht nur die vielen Eingesperrten aus den Ker- Bundeskanzler vorgesehene, zu lebenslanger kern kommen, sondern die entzogenen Pensio- Haft verurteilte Anton Rintelen, der sich in wei- nen und Unterstützungen wieder ausbezahlt terer Folge nach Deutschland begab.183 und die zahllosen Maßregelungen von Schülern Entlassene politische Häftlinge, „die als beson- wieder zurückgenommen werden.“ Am 17. Feb- ders gefährlich und radikal bekannt“ waren, ruar vermerkte er: „Heute ist für alle nationalen sollten aber hinsichtlich ihrer Tätigkeit „im Au-

184 Richtlinien des Sicherheitsdirektors für das Bun- 179 WZ 19. 2. 1938, 2. desland Oberösterreich, 18. 2. 1938 an alle Bezirks- 180 So auch KB 19. 2. 1938, 4. hauptmannschaften und Bundespolizeibehörden, SD 181 Ebd. Zl. 10.600/3/A-1938/pol, OÖLA, Bezirkshauptmann- 182 RP 19. 2. 1938, 2. schaft Ried, III Zl. 112/9/38. 183 Protokolle IX/5, Nr. 1035, 11. 7. 1936, 306, Anm. 27. 185 ITZINGER, Tagebuch 13.

360 Ilse REITER-ZATLOUKAL

Menschen in Österreich ein Tag reinster Freude! Karl Fischer192 und den Kommunisten Franz Die Kerkertüren haben sich überall geöffnet, viel Leitner.193 hundert politische Häftlinge wurden der Frei- heit und den Ihren wiedergegeben. [...] Sogar der Zorn, der sich jahrelang gegen Schuschnigg 8. Nach dem „Anschluss“ und seine Helfer und Helfershelfer richtete, Die vollständige „Amnestierung“ der National- scheint wie weggeblasen [...] Ein Welle von Lie- sozialisten erfolgte schließlich nach dem „An- be schwelt den Befreiten entgegen, die leuch- schluss“ 1938 mit dem Gesetz über die Gewäh- tenden Auges mit erhobener Hand und mit rung von Straffreiheit vom 30. April 1938,194 das gläubigem „Heil Hitler“ vor die Gesinnungsge- eine erheblich weiter gehende Amnestie sowohl nossen treten. Fürwahr es sind tapfere, prächtige gerichtlicher Delikte als auch von Verwaltungs- Männer, die ihr Alles gaben um der Idee willen, übertretungen brachte.195 Verurteilungen wegen an die sie felsenfest glauben. Sie sind nicht zer- Betätigung für die seinerzeit verbotene NSDAP mürbt, sondern noch mehr gehärtet worden hin- hatten überhaupt „als nicht erfolgt“ zu gelten. ter den Gitterstäben der Kerker eines Systems, Darüber hinaus wurde die Amnestie auch „ohne das sich „christlich“ nennt“. Rücksicht auf die Höhe der verwirkten Strafen“ Aus den Reihen der linken Opposition wurde für solche Straftaten gewährt, „zu denen sich aufgrund der „Februaramnestie“ z.B. der (1939 der Täter durch Übereifer im Kampfe für den im KZ Buchenwald ermordete Schriftsteller Jura nationalsozialistischen Gedanken im Lande Ös- Soyfer entlassen, der wegen Verstoßes gegen terreich hat hinreissen lassen“. Von dieser Straf- das Gesetz zur Bekämpfung staatsfeindlicher nachsicht ausgenommen waren nur Hoch- und Druckwerke angeklagt war, stand er doch im Landesverrat, also, Justizminister Franz Verdacht, Leiter des Agitationsbüros der KPÖ Hueber196 zufolge, „ganz allgemein volksfeindli- zu sein und den Pressedienst der ,Roten Fahne‘ che Handlungen, deren Ausführung eine ge- zu redigieren“.186 Dass bei der Amnestie „auch meine Gesinnung des Täters, wie Eigennutz, die Linken dabei“ waren, berichtet auch Theo- Rachsucht und dergleichen, erkennen läßt“. Es dor Heinisch,187 der Mitbegründer der im Un- sei nun „eine selbstverständliche Dankespflicht tergrund wirkenden Freien Angestelltengewerk- gegenüber allen Kämpfern unsrer Bewegung, schaft. Dies betraf z.B. den Kommunisten Ernst daß im Überschwang geschehene Straftaten oh- Burger,188 aber auch viele andere „Leute, die aus ne Rücksicht auf die Höhe der verhängten Strafe dem Gefängnis oder aus dem Lager Wöllersdorf amnestiert werden. Wer in Notwehr handelt, freigekommen waren“,189 wie etwa den Schutz- kann nicht bei jedem Schritt ängstlich prüfen, ob bündler Ferdinand Strasser,190 die Revolutionäre er den Angreifer nicht etwa zu hart anpackt.“ Sozialistin Rudolfine Muhr,191 den Trotzkisten

192 Siehe zu ihm KELLER, Gulag von Ost und West. 193 BAUER, Kurzbiografien. 194 GBlLÖ 108/1938. 195 Erlass des Reichsstatthalters in Österreich/ Staats- 186 EBNER, Wir versuchen es über die Berge. sekretär für das Sicherheitswesen, Zl. 4.444-00/V.u.R./ 187 HEINISCH, Verhindern, was uns bedroht. 1938 an alle Landeshauptmannschaften und den Wie- 188 http://www.klahrgesellschaft.at/KaempferInnen/Bu ner Magistrat und alle Polizeiverwaltungen, OöLA, rger.html (1. 6. 2012). Bezirkshauptmannschaft Ried. 189 HEINISCH, Verhindern, was uns bedroht . 196 „Kleine Volks-Zeitung“ 13. 5. 1938, 190 ÖBL. Bd. 13, 62. http://www.doew.at/thema/thema_alt/wuv/maerz38/ 191 Vgl. MUHR, Unsere Zeit kommt. uebergriffe.html (1. 6. 2012), Nr. 33.

Die Begnadigungspolitik der Regierung Schuschnigg 361

Da die „Revolution“ aber zu Ende sei, „müsse aufgehobenen Urteile und Bescheide wurden als von „jedem Volksgenossen verlangt werden, „Unrecht im Sinne des Rechtsstaates“ erklärt daß er nunmehr die Anordnungen unsres Füh- und die Betroffenen im Ausmaß der Aufhebung rers und seine Gesetze peinlich genau beobach- für rehabilitiert erklärt.198 tet und unter keinem Vorwand sich das Recht herausnimmt, nach errungenem Sieg auf eigene Faust den Kampf fortzusetzen.“ Korrespondenz: Was die Amnestierung derjenigen, die „im Zuge Ao.Univ.-Prof. Ilse Reiter-Zatloukal des „Kampfes gegen Nationalsozialismus oder Universität Wien Faschismus“ strafbare Handlungen in der Zeit Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte seit 5. März 1933 begangen hatten, anbelangt, so Schottenbastei 10–16, 1010 Wien, Österreich [email protected] geschah diese freilich erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, und zwar mit dem Aufhe- bungs- und Einstellungsgesetz vom Juli 1945.197 2012 erfolgte schließlich die rückwirkende Auf- Abkürzungen: hebung aller noch in Rechtskraft stehenden, bis AdtaP Akten zur deutschen Auswärtigen Politik 12. März 1938 ergangenen verurteilenden Ent- AZ Arbeiter-Zeitung scheidungen der Sonder- und Standgerichte so- BKA Bundeskanzleramt wie der ordentlichen Strafgerichte, soweit sie GBlLÖ Gesetzblatt für das Land Österreich wegen Taten, die zwischen 6. März 1933 und GdöS Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit 12. März 1938 „im Kampf um ein unabhängiges, KB Das Kleine Blatt demokratisches und seiner geschichtlichen Auf- NFP Neue Freie Presse gabe bewusstes Österreich“ im Sinne des Opfer- NJW Neues Wiener Journal fürsorgegesetzes begangen wurden oder „we- ÖBL Österreichisches Biographisches Lexikon gen des Ausdrucks einer darauf gerichteten po- RP Reichspost litischen Meinung“ erfolgten. Darüber hinaus SD Sicherheitsdirektion spricht das Gesetz auch explizit die Rehabilitie- SDAP Sozialdemokratische Arbeiterpartei rung der betroffenen Personen aus, stehe doch Ser. Serie die „Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt zum V.u.R. Amt für Verwaltung und Recht Rechtsnachteil derjenigen, die sich in Wort und WZ Wiener Zeitung Tat für ein unabhängiges, demokratisches und seiner geschichtlichen Aufgabe bewusstes Öster- reich eingesetzt haben, gerade wegen dieser Handlungen“ im Widerspruch zu den „demo- kratischen Prinzipien.“ Alle nun rückwirkend

197 Gesetz vom 3. 7. 1945 über die Aufhebung von Strafurteilen und die Einstellung von Strafverfahren (Aufhebungs- und Einstellungsgesetz), StGBl. 48/1945, ergänzt durch die Verordnung der Provisori- schen Staatsregierung vom 5. 9. 1945, betreffend die Ergänzung des Gesetzes vom 3. 7. 1945, StGBl. 48/1945, über die Aufhebung von Strafurteilen und die Einstellung von Strafverfahren (Verordnung zum 198 Siehe ausf. REITER-ZATLOUKAL, „Unrecht im Sinne Aufhebungs- und Einstellungsgesetz). des Rechtsstaats“.

362 Ilse REITER-ZATLOUKAL

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Die Begnadigungspolitik der Regierung Schuschnigg 363

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