Archiv und Wirtschaft

Zeitschrift für das Archivwesen der Wirtschaft

50. Jahrgang · 2017 · Heft 3

Herausgegeben von der VEREINIGUNG DEUTSCHER WIRTSCHAFTSARCHIVARE E.V. Auf dem Fundament eines erfolgreichen Familienunternehmens – Das Konzernarchiv * Thomas Seidel

mals einen Leim an eine benachbarte Firma. Heute ist Henkel mit seinen Klebstoffen für Konsumenten und Industrie globaler Marktführer für Klebstoffe, Dichtstoffe und Funktionsbeschichtungen. Das Unternehmen beschäftigt weltweit über 50 000 Mitarbeiter und ist mit seinen drei Unter- nehmensbereichen Laundry & Home Care, Beauty Care und Adhesive Technologies am Markt vertre- ten. Aktueller Vorstandsvorsitzender ist Hans Van Bylen, den Vorsitz des Aufsichtsrats und des Ge- sellschafterausschusses hat Dr. Simone Bagel-Trah inne, Mitglied der fünften Generation der Familie Henkel und Ur-Ur-Enkelin des Firmengründers Fritz Henkel.

Von der kleinen Sammelstelle zum Konzernarchiv

Das Konzernarchiv Henkel geht in seinen Anfängen auf das Jahr 1910 zurück; es zählt damit zu den ältesten Unternehmensarchiven im deutschsprachi- Der Firmengründer Fritz Henkel sr. (1848–1930) im gen Raum. Elf Jahre nach dem Umzug des Unter- Jahr 1895 (Foto: Konzernarchiv Henkel) nehmens nach Holthausen wurde am Standort eine

Kurzer Überblick über die Geschichte des Unternehmens Henkel

Der Kaufmann Friedrich Karl „Fritz“ Henkel (1848 bis 1930) gründete 1876 in Aachen die Waschmit- telfirma „Henkel & Cie“. Als erstes Produkt stellte die Firma ein Pulver-Waschmittel auf Basis von Wasserglas her, das unter dem Namen Universal- Waschmittel vermarktet wurde. Das Nachfolge- Produkt Henkel’s Bleich-Soda wurde ab 1878 zum ersten Markenartikel-Erfolg von Henkel. Im selben Jahr verlagerte Fritz Henkel seine Firma aufgrund der besseren Verkehrsanbindungen nach Düssel- dorf. Nach einem weiteren Umzug innerhalb der Stadt kaufte Henkel 1899 ein großes Grundstück in Holthausen, damals ein Vorort von Düsseldorf. Hier befindet sich bis heute die Zentrale des Unterneh- mens. 1907 kam mit Persil das erste selbsttätige Der erste Markenartikel-Erfolg von Henkel: Henkel’s Waschmittel auf den Markt. Anfang des Jahres 1922 Bleich-Soda aus dem Jahr 1878, eine von 220 000 wurden in Holthausen die ersten Leime für den Packungen im Produktarchiv (Foto: Konzernarchiv Eigenbedarf hergestellt, 1923 verkaufte Henkel erst- Henkel)

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Blick in das Museum und die Archivräume 1928 (Foto: Konzernarchiv Henkel)

„allgemeine Werkbücherei“ für die Mitarbeiter für die Einrichtung eines rheinisch-westfälischen eingerichtet. Und ebenso wie Fritz Henkel ab 1876 Wirtschaftarchivs gestimmt – die Gründung des das Fundament für ein bis heute erfolgreiches Fa- RWWA im Jahr 1906 wurde somit auch von Henkel milienunternehmen legte, schuf er damit auch die unterstützt.1 Grundlagen für das heutige Konzernarchiv. Neben Über das Engagement des Firmengründers lesen der Gründung der Bibliothek als wichtiger Bil- wir in einer Aktennotiz: „Fritz Henkel förderte dungseinrichtung unterstützte der Firmengründer selbst bis kurz vor seinem Tod den Bestand des nämlich gemeinsam mit seinen Söhnen Hugo und Archivs der Familie Henkel durch Überlassung von Fritz die Sammlung und Dokumentation von Fo- tos und wichtiger Korres- pondenz der Familie, von Werksplänen, Produkt- packungen und weiterem historisch relevantem Sammlungsgut. Die Auf- gabe der Sammlung und Dokumentation fiel dem ersten Bibliothekar Alfred Schönbach zu. Bereits vier Jahre zuvor hatte Fritz Henkel als Mitglied der IHK-Vollversammlung Düsseldorf gemeinsam mit weiteren Industriellen Die Kartonage-Fabrik im Jahr 1916 (Foto: Erwin Quedenfeldt / Konzernarchiv Henkel)

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Ausschnitt aus der Digitalen Henkel-Zeitreise, die zeithistorische und Henkel-Ereignisse von 1876 bis 2016 umfasst (Foto: Henkel AG & Co. KGaA)

Mobiliar und Schriftstücken aus seinem Bestand“.2 Von 1968 bis 2007 war das Werksarchiv inner- Ein Möbelstück ist erhalten geblieben: Fritz Henkels halb der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit / Public Schreibtisch, der sich bis heute in einem Präsen- Relations (heute Corporate Communications) tationsraum im ehemaligen Verwaltungsgebäude angesiedelt. Neben der eigentlichen Archivarbeit befindet. setzte ab 1969 auch eine Publikationstätigkeit durch Der besondere Stellenwert des Archivs wird das damalige Werksarchiv ein, als der erste Band der auch durch eine weitere Begebenheit deutlich: Am Schriftenreihe des Werksarchivs erschien. Diese Pu- Vorabend seines 80. Geburtstags (20. März 1928) blikationsreihe informiert in bisher 29 Bänden und besuchte Firmengründer Fritz Henkel das Archiv sieben Sonderbänden über die Geschichte des Un- und Museum. Den Eindruck des damaligen Archiv- ternehmens, der Henkel-Tochtergesellschaften und leiters entnehmen wir einer weiteren Aktennotiz: über einzelne Produkte bzw. Produktionsbereiche.6 „Sichtlich erfreut verließ Herr Kommerzienrat bei Der erste Band stellte anlässlich des 70-jährigen Be- seinem Besuch das Archiv mit Dankesworten und stehens des Standortes Holthausen die Historie des Händedruck. Zum Schluss meinte er: „Mich werden Werks seit 1899 dar.7 Die aktuellste Veröffentlichung Sie häufiger hier sehen, auch kann ich Ihnen noch dieser Schriftenreihe ist ein 2017 erschienener Band Material geben (19. März 1928).“3 Zwei Jahre zuvor zu „100 Jahre Mitarbeitervertretung bei Henkel hatte das Werksarchiv anlässlich des fünfzigjährigen in Düsseldorf“.8 2001 erschien „Menschen und Jubiläums des Unternehmens einen neuen Ausstel- Marken“, eine wissenschaftliche Publikation zum lungsraum erhalten, der 1951 noch einmal erneuert 125-jährigen Jubiläum des Unternehmens, die auf wurde.4 Quellen- und Fotobeständen des Archivs beruhte.9 Ab den 1940er Jahren setzte eine weitere Professi- Um die Jahrtausendwende wurde das Werksar- onalisierung des Archivs ein und ab 1954 wurde das chiv erstmals als Konzernarchiv bezeichnet, was Werksarchiv erstmals als eigenständige Abteilung auch den veränderten Charakter der Institution innerhalb der Volkswirtschaftlichen Abteilung widerspiegelte: Das Konzernarchiv verstand sich geführt. Die zunehmende Professionalisierung und nun als globaler Dienstleister für den gesamten Strukturierung der Archivarbeit ist eng mit dem Henkel-Konzern.10 Einen wichtigen organisatori- Namen Ilse Barleben verbunden, die als langjährige schen Schritt bedeutete das Jahr 2007: Das Henkel Leiterin des Werksarchivs beispielsweise die Erstel- Forum wurde gegründet und vereint bis heute lung eines auf dem Pertinenz-Prinzip beruhenden alle Archive, Bibliotheken und Sammlungen unter Archivplans verantwortete.5 einem Dach.11

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Organisation, Aufgaben und Ziele Marken oder ehemaligen Unternehmensbereichen sowie Produktkategorien, die heute nicht mehr Unter dem Dach des Henkel Forums ist das zum Geschäft von Henkel gehören. Der Aufbau des Konzernarchiv heute organisatorisch dem Bereich Archivs repräsentiert hierbei die Diversifizierung Infrastructure Services am Standort Düsseldorf und Internationalisierung des Unternehmens in zugeordnet.12 Im Rahmen dieser Organisation den vergangenen fünf Jahrzehnten. Insbesondere besteht das zentrale Ziel des Konzernarchivs Henkel ab den 1970er Jahren und nach dem Börsengang in der Sicherung und Bewahrung der einzigartigen 1985 wurde Henkel zunehmend internationaler Corporate Heritage von Henkel, einer Unterneh- und vernetzter,13 unter anderem auch durch die mens- und Familientradition seit über 140 Jahren. Akquisition der Klebstoffmarke Loctite (1997) oder Das Konzernarchiv versteht sich hierbei als Anbieter des US-amerikanischen Kosmetik- und Wasch- mittelherstellers Dial Corporation (2004). Um das ge- nannte Ziel zu erreichen, ist eine grundlegende Ak- quise und regelmä- ßige Dokumenta- tion der aktuellen Henkel-Ereignisse von entscheiden- der Bedeutung. Zur Akquise neuer Bestände arbeitet das Konzernar- chiv Henkel eng mit den Kollegen von Corporate Das große Magazin 2 mit dem Produktarchiv für Beauty Care und internationale Communications Marken im Jahr 2015 (Foto: Henkel AG & Co. KGaA/Philipp Hympendahl) und der einzelnen Unternehmensbe- von bewertetem und kontextualisiertem Wissen im reiche zusammen, sowohl in Deutschland als auch Unternehmen. Diese Dienstleistung wird durch die an den internationalen Henkel-Standorten. Eine Archivierung und Bereitstellung aller unterneh- besondere Situation liegt im Bereich der Akten vor: mensrelevanten Dokumente, Medien, Fotos und Hier kooperiert das Konzernarchiv mit der Zentral- Objekte gewährleistet. registratur, die ebenfalls zum Henkel Forum gehört. Die Tätigkeit des Konzernarchivs Henkel lässt Die Zentralregistratur bietet dem Konzernarchiv sich hierbei im Wesentlichen in drei Bereichen nach Ablauf gesetzlicher Aufbewahrungsfristen alle betrachten: Es wird die Geschichte der Familie, des aufbewahrten Geschäftsakten an. Das Konzernar- Gesamtunternehmens und der einzelnen Henkel- chiv kann dann unkompliziert und schnell über Marken dokumentiert und archiviert. Dies gilt Kassation oder dauerhafte Archivierung entschei- sowohl für die Geschichte von Henkel in Deutsch- den.14 Neben der Akquise und Dokumentation ge- land als auch auf den internationalen Märkten. hört auch die Unterstützung von Jubiläen und Aus- So wird die Historie der akquirierten Unternehmen stellungen zu den zentralen Aufgaben des Archivs. ebenso nachgezeichnet wie jene von historischen Hervorzuheben ist an dieser Stelle eine Ausstellung,

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die anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Medien. Im Familienarchiv (Acc. 1) finden sich Geburtstages von Dr. Konrad Henkel im Jahr 2015 familienbezogene Dokumente und Fotos seit 1865, am Henkel-Standort Holthausen stattfand. Konrad etwa Briefe zwischen dem Firmengründer Fritz Henkel, ein Enkel des Firmengründers Fritz Henkel, Henkel und seinem ersten Außendienst-Mitarbeiter war jahrzehntelang in verschiedenen leitenden Richard Hilger.18 Ein besonderer Fokus wird in die- Funktionen für das Unternehmen tätig und hat es sen Briefen auf das Tee-Geschäft gelegt. Tatsächlich nachhaltig vor allem im Hinblick auf Diversifizie- importierte die Firma Henkel & Cie ab 1887 Tee aus rung und Internationalisierung geprägt. Die große China, der über Shanghai nach verschifft Ausstellung trug dieser Tatsache Rechnung und und dann erneut per Schiff oder per Bahn nach baute auf Fotografien, Dokumenten und Filmen Düsseldorf transportiert wurde. Eine besondere aus den Beständen des Konzernarchivs auf. 2016 Eigenheit des Firmengründers ist die Beschreibung wurde in Zusammenarbeit mit Corporate Commu- „Geschäft flott“, die sich des Öfteren als Einschät- nications zudem eine digitale Zeitreise realisiert.15 zung der aktuellen Geschäftslage in der ältesten Hierbei wählte Henkel den Weg vom Analogen ins noch existenten und zusammenhängenden Korre- Digitale: Man übertrug einen Original-Kalender, spondenz des Firmengründers findet. Die Berichte der anlässlich des 125-jährigen Firmenjubiläums zu den Amerika-Reisen von Dr. Hugo Henkel und 2001 herausgegeben worden war, in eine neue, Dr. Jost Henkel erlauben wichtige Aussagen über digitale und interaktive Form.16 den professionellen Austausch zwischen deutschen Jährlich erreichen das Konzernarchiv über 1 200 und amerikanischen Firmen sowie die Beeinflus- Anfragen und mehr als 600 Bildbestellungen. Das sung des deutschen Markenartikel-Geschäfts durch Anfragenspektrum reicht von kurzen Anfragen das US-amerikanische Vorbild.19 Im Familienarchiv (wie zum Beispiel nach einem Foto von der ersten liegen darüber hinaus die Ehrenbürger-Urkunden Persil-Packung) bis hin zu komplexen Anfragen, von Fritz Henkel, Dr. Hugo Henkel und Dr. Konrad deren Beantwortung mehrere Tage umfassen kann. Henkel vor, die allesamt auch die enge Verbindung Die Anfragenstruktur spiegelt hierbei auch die der Familie und des Unternehmens Henkel mit der zunehmende Internationalisierung des Unterneh- Stadt Düsseldorf zeigen.20 mens wider, so dass im Konzernarchiv vermehrt Eine Besonderheit im Akten- und Dokumenten- Anfragen aus Asien, den USA und der MEA-Region archiv ist die sogenannte „Doku“, eine umfassende eingehen.17 Besucher können nach schriftlicher Dokumentensammlung mit rund 4 500 Mappen, Anfrage und mit berechtigtem Forschungsinteresse die auf dem von Ilse Barleben konzipierten und die Akten- sowie Dokumentenbestände des Kon- auf dem Pertinenzprinzip aufbauenden Archivplan zernarchivs einsehen und unterliegen hierbei den beruht.21 Dies führte in der Vergangenheit in vielen gängigen Sperrfristen. Fällen zu einer Dokumentensammlung, die aus Zudem führt das Konzernarchiv-Team regelmä- Presseartikeln, Presseinformationen, aber bedauer- ßige Führungen für externe und interne Besucher licherweise auch einzelnen Aktenstücken besteht, durch, in denen die Geschichte des Unternehmens die nach einem nicht nachvollziehbaren Prinzip und der Familie Henkel dargestellt wird. aus einzelnen Akten entnommen und den jewei- ligen Dokumentenmappen zugeordnet wurden.22 Bestände und Sammlungen Zahlreiche geschlossene und nach dem Provenienz- prinzip aufgebaute Aktenbestände liegen selbstver- Die Bestände und Sammlungen des Konzernarchivs ständlich auch vor,23 doch erschwert die in vielen Henkel sind in insgesamt sechs Bereiche unterteilt, Fällen erfolgte Entnahme einzelner Aktenblätter die in diesem Beitrag jeweils mit Beispielen näher und ihre Zuordnung zu Dokumentenmappen eine vorgestellt werden. Insgesamt verwahrt das Kon- quellenkritische Analyse der Aktenstücke sowie zernarchiv Henkel rund 10 Kilometer Archivgut, eine Rekonstruktion der Dokumenten-Provenienz. davon 5,3 Kilometer Akten, 1,8 Millionen Fotos, Seit 2012 werden die Bestände streng nach dem etwa 4 000 Objekte und rund 30 000 audiovisuelle Provenienzprinzip angelegt oder Einzelakten in

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bereits bestehende Bestände integriert; eine weitere hersteller The Sun Products Corporation. Zudem Anlegung von Dokumentenmappen unter Nutzung finden sich auch Produkte im Archivbestand, die von Aktenstücken findet nicht statt.24 heute nicht mehr vertrieben werden, aber dennoch Zu den als geschlossener Bestand erhaltenen Akten einen wichtigen Teil der Henkel-Geschichte bilden. gehören die Protokolle der Geschäftsführung: Sie Einschränkend muss allerdings festgehalten werden, erlauben wichtige Aussagen über die Unternehmens- dass das Konzernarchiv nicht sämtliche Produkte geschichte und die zentralen Entscheidungen in den aus allen Teilen der Welt und ebenso wenig sämt- verschiedenen Henkel-Gremien.25 Urkundenmappen liche Akten zentral archiviert; dies ist aus logisti- aus der Juristischen Abteilung (Verträge, Entschei- schen und räumlichen Gründen nicht möglich und dungen, Bescheinigun- auch nicht intendiert. gen) stellen eine weitere Der Produktbestand wichtige historische des 1995 akquirier- Quelle dar. Mehrere ten Unternehmens tausend deutsche und Schwarzkopf bildet internationale Patentur- ebenfalls einen wich- kunden zeigen darüber tigen Bestandteil der hinaus die zahlreichen historischen Samm- Forschungsansätze und lung. Die Akten- und -ergebnisse im Unter- Produktbestände des nehmen auf. Im Akten- in Hamburg ansässigen archiv findet sich zudem Unternehmens wurden das erste Henkel-Patent Anfang der 2000er aus dem Jahr 1898, Jahre übernommen.27 das ein „Verfahren zur Im Fotoarchiv finden Herstellung von leicht- sich 1,8 Mio. analoge löslichem Alcalisilicat“ und digitale Fotografi- schützte. Diese Patentur- en seit 1865, darunter kunde ist von entschei- die älteste Fotografie dender Bedeutung, denn des Firmengründers als Natrium-Silikat war 17-jähriger Lehrling im neun Jahre später einer Jahr 1865. Hier ist die der Hauptbestandteile Sammlung des Foto- des Waschmittels Persil, grafen Erwin Queden- das 1907 auf den Markt feldt sehr bedeutend. kam.26 Erwin Quedenfeldt Ein besonderes Der Tonfilm „Wäsche-Waschen-Wohlergehen“ prä- wurde in den 1910er Schlaglicht wirft das sentierte 30 Millionen Kino-Zuschauern kostenlos Jahren durch den das Henkel-Werk Holthausen, Waschverfahren und Produktarchiv, in dem Laboraufnahmen. (Foto: Konzernarchiv Henkel) Firmengründer mit Au- 220 000 verschiedene ßen- und Innenaufnah- Produkte aus allen drei Unternehmensbereichen men am Henkel-Standort Holthausen beauftragt, archiviert sind. Es liegen sämtliche deutsche Persil- die auch Eingang in ein 1916 erschienenes Buch zu Produkte seit dem Erscheinen des ersten Persils im 40 Jahren Henkel fanden. Wichtiger Bestandteil des Jahr 1907 vor. Das Konzernarchiv Henkel archiviert Fotoarchivs ist zudem die umfangreiche Sammlung sowohl Produkte von sich länger auf dem Markt von etwa 6 000 Glasplatten-Negativen, die aktuell befindlichen Marken als auch Artikel von akqui- systematisch erfasst werden und von denen ein ge- rierten Unternehmen wie zum Beispiel dem 2016 ringer Teil bereits in höchster Qualität eingescannt übernommenen US-amerikanischen Waschmittel- wurde. Zentrale Problematik im Foto-Bereich

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Die historischen Emaille-Schilder gehören heute zum Objektarchiv und bewarben ab den 1920er Jahre zahl- reiche Henkel-Produkte in Deutschland und Europa (Foto: Henkel AG & Co. KGaA/Philipp Hympendahl) ist die eindeutige Feststellung von Urheber- und Werbespots, Werbefilme, Image- und Industriefil- Nutzungsrechten, die sich insbesondere bei älteren me, die sowohl in analoger als auch digitaler Form Fotografien schwierig gestaltet. Hierbei ist das Kon- vorliegen. Henkel unterhielt viele Jahrzehnte eine zernarchiv im konstanten Prozess einer Recherche eigene Filmabteilung, die beispielsweise regel- begriffen und konnte zuletzt unter anderem die mäßige Jahresschauen produzierte, die auf die Nutzungsrechte aller Fotografien des Fotografen wichtigsten Ereignisse in den jeweiligen Henkel- Rudolf Holtappel klären.28 Ein weiterer kritischer Geschäftsjahren zurückblickten.29 Diese Jahres- Punkt sind in Zeiten digitaler Fotografie die Mas- schauen sind erhalten geblieben und liegen in senkonvolute von Fotografien, die teilweise in Form digitaler Form und sehr früh auch bereits in Farbe externer Festplatten mit 50 000 Bildern ihren Weg vor.30 Die Jahresschauen ermöglichen Aussagen in das Konzernarchiv finden. Eine Aufbewahrung über Geschehnisse vor allem am Henkel-Standort aller Fotografien ist hierbei nicht zielführend, so Holthausen und stellen eine wichtige historische dass eine gezielte, aber nicht zu weit ausgreifende Quelle dar.31 Ein weiteres Highlight im Medienbe- Kassation notwendig erscheint. stand ist der Film „Wäsche – Waschen – Wohler- Neben den genannten Beständen sind auch rund gehen“ aus dem Jahr 1932, der mit 30 Millionen 4 000 Objekte im Konzernarchiv Henkel archiviert. Zuschauern bis heute der erfolgreichste deutsche Diese umfassen historische Emaille-Werbeschilder, Kinofilm ist. Ebenfalls erhalten ist der Werbefilm Medaillen, Pokale, aber auch Merchandise-Artikel, „Mahlzeit“, der am 3. November 1956 im Baye- die mit einem Henkel- oder produktbezogenen rischen Rundfunk Premiere feierte und der erste Branding herausgegeben wurden. Werbespot ist, der jemals im deutschen Fernsehen Seit 2012 gehören des Weiteren audiovisuelle lief.32 Insbesondere Werbespots werden regelmäßig Medien zum Bestand des Konzernarchivs Henkel. von Museen und Institutionen, aber auch von den Das Medienarchiv umfasst hierbei rund 30 000 Kollegen der einzelnen Unternehmensbereiche oder

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der Unternehmenskommunikation angefragt und Im Herbst 2017 steht zudem der Umzug des Kon- sind beispielsweise Bestandteil von Werbekampa- zernarchivs an: die gesamten Bestände werden in gnen in sozialen Medien. Hierbei ist die zentrale neue Räumlichkeiten gebracht, rund 10 Kilometer Herausforderung, im Spannungsfeld zwischen der Archivgut müssen umgezogen werden. Wahrung von Urheber- und Nutzungsrechten und den (berechtigen) Interessen von Anfragenden das Anschrift: Thomas Seidel M. A., Henkel AG & Co. richtige Maß zu wählen.33 KGaA, HSG – Henkel Forum, Konzernarchiv / Corporate Archive, Herausforderungen und Ausblick Henkelstraße 67, 40191 Düsseldorf, E-Mail: [email protected] Wie auch in anderen Archiven und Instituti- onen ist die zunehmende Digitalisierung eine Anmerkungen entscheidende und langfristige Herausforderung * Für den Druck überarbeitete und erweiterte Fassung eines Vortrags auf der VdW-Jahrestagung am 24. April für das Konzernarchiv Henkel. Seit Anfang der 2017 in Düsseldorf. 2000er Jahre unterhält Henkel ein Digital Asset 1 Vgl. Manfred Schöne, Das Werksarchiv – 75 Jahre im Management-System (SEAL Media Online).34 Das Dienst der Unternehmensgeschichte, in: Henkel AG & Co. KGaA (Hrsg.), 75 Jahre Bewahren – Vermitteln – Konzernarchiv selbst besitzt einen eigenen Bereich Informieren, Düsseldorf 1985, S. 132-169, hier S. 135. innerhalb der SEAL Media Online und hat zurzeit 2 Zitiert nach ebd., S. 134. rund 7 000 Abbildungen eingestellt. Die digitale 3 Ebd., S. 135. 4 Das Firmenjubiläum am 26. September 1926 wurde Sammlung des Konzernarchivs umfasst Fotos zur als Anlass gewählt, um dem Archiv neue Räumlichkei- Unternehmens- und Familiengeschichte, Produk- ten und weitere Vitrinen sowie Ausstellungsstücke zur tabbildungen, Werbeanzeigen, Bilddokumente zu Verfügung zu stellen. 5 Dieser sachthematisch und alphanumerisch geord- einzelnen Werbemaßnahmen und Kampagnen nete Archivplan lässt sich in folgende Untergruppen sowie Plakate.35 unterteilen: A: Gründung, Rechtsform und Leitung Im Jahr 2017 wird die Archivdatenbank ADLIB des Unternehmens Henkel, B: Forschung, Entwick- lung, Produktion, C: Produkte, D: Tochtergesellschaf- implementiert und damit ein weiterer Weg der ten und verbundene Unternehmen, E: Verwaltung, F: Strukturierung und Verbesserung gegangen.36 Einkauf, G: Verkauf, H: Marketing, Werbung, Markt- Das Konzernarchiv verantwortet zum Zwecke der forschung, J: Technische Abteilungen, K: Personal- Bereitstellung und zur Erhöhung der Service- und Sozialwesen, L: Die Firma und ihre Umwelt; M: Familiengeschichte der Gesellschafter, N: Sammlung Qualität auch für internationale Mitarbeiter zur Kultur- und Wirtschaftsgeschichte Düsseldorfs, O: eine konstante Digitalisierung von ausgewählten Unterlagen zu anderen Firmen der chemischen Indus- Fotos, Werbeanzeigen und auch Dokumen- trie, P: Unterlagen zur Industrie- und Wirtschaftsge- schichte, Q: Archivwesen, Museen, Bibliotheken. ten. Darüber hinaus sind der Download und 6 Sämtliche Einzel- und Sonderbände der Schriften des die Sicherung von sogenannten Born Digitals Werksarchivs bzw. Schriften des Henkel-Archivs sind von entscheidender Bedeutung. Diese digitalen digital verfügbar und können bei Interesse durch das Konzernarchiv zur Verfügung gestellt werden. Assets sollen mittelfristig in die Bilddatenbank 7 Den ersten Band verantwortete der damalige Ar- SEAL Media Online und in die neue Archiv- chivleiter. Vgl.: Manfred Schöne, Henkel 70 Jahre in Verwaltungssoftware ADLIB eingebracht werden. Holthausen, hrsg. von der Henkel GmbH, Düsseldorf 1969. Seit 2015 unterhält Henkel zudem ein unterneh- 8 Die Publikation baut auf einer Veröffentlichung zum mensinternes soziales Netzwerk (Yammer), in 75-jährigen Jubiläum des Henkel-Betriebsrats im Jahr dem die Mitarbeiter Informationen, Ideen, Fotos 1992 auf. Vgl.: Christian Leitzbach, 75 Jahre Mitarbei- tervertretung bei Henkel, hrsg. von der Henkel KGaA, und Beiträge austauschen und sich in verschie- Düsseldorf 1992. denen Gruppen organisieren können. Auch das 9 Vgl. Winfried Feldenkirchen u. Susanne Hilger, Men- Konzernarchiv ist innerhalb der Gruppe des schen und Marken. 125 Jahre Henkel 1876–2001, hrsg. von der Henkel KGaA, Düsseldorf 2001. Henkel Forums mit eigenen Inhalten vertreten 10 Vgl. hierzu auch: Wolfgang Zengerling, „Wie ein und macht durch regelmäßige Beiträge auf seine Freund“. Vom Werksarchiv zum Konzernarchiv Henkel, Arbeit und Bestände aufmerksam.37 in: Archiv und Wirtschaft 36 (2003), S. 73-77.

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11 Das Henkel Forum umfasst neben dem Konzernarchiv für Forschungsarbeiten, zuletzt für eine Dissertation, das Bauarchiv, die Zentralregistratur und das Helmut- die sich mit Akquisitionsstrategien deutscher Unter- Sihler-InfoCenter mit ca. 70 000 Printmedien und zahl- nehmen in den 1960er und 1970er Jahren befasst. reichen Online-Datenbanken sowie die administrative 26 Dieses Dokument aus der Frühzeit des Unterneh- Betreuung der Sammlung Henkel. mens verdeutlicht zudem den frühen Stellenwert der 12 Die Infrastructure Services (HS) stehen unter der Forschung im Forschung, der 1905 in die Einrichtung Leitung des Holthausener Standortleiters Dr. Daniel eines eigenen Labors mündete. Kleine. Innerhalb von HS ist das Konzernarchiv Henkel 27 Für einen ausführlichen Bericht über den Schwarz- dem Bereich HSG (General Services) zugeordnet. kopf-Bestand im Konzernarchiv Henkel vgl: Benjamin 13 Heute arbeiten etwa 80 Prozent der Henkel-Mitarbei- Obermüller, Der Bestand Schwarzkopf im Konzernar- ter an den internationalen Henkel-Standorten. chiv Henkel, in: Archiv und Wirtschaft 49 (2015), S. 14 Im Falle der internationalen Akquisitionen ist es kei- 156-164. nesfalls das Ziel, sämtliche Bestände der jeweiligen 28 So hat Rudolf Holtappel Anfang der 2000er Jahre lokalen Standorte nach Düsseldorf zu überführen. sämtliche Nutzungsrechte an seinen für die Mitarbei- 15 Die digitale Zeitreise ist in deutscher und engli- terzeitschrift Blätter vom Hause und Henkel-Blick er- scher Sprache unter www.zeitreise.henkel.de bzw. stellten Fotografien an Henkel veräußert. Ein Abdruck www.timeline.henkel.com abrufbar (letzter Zugriff: der Fotografien auch für externe Zwecke ist somit bei 11.08.2017). Nennung von Holtappels Namen problemlos möglich. 16 Der Original-Kalender baute hierbei auf einer Bildcol- 29 Vgl. hierzu u.a. die Mitarbeiterzeitschrift Blätter vom lage auf, die nach Vorbild der Wibbelbilder historische Hause 11/1961, S. 8. Ereignisse und Henkel-Ereignisse darstellte. Diese 30 So wurde bereits die Jahresschau 1956 in Technicolor Bildcollage wurde um die Jahre 2002 bis 2016 ergänzt gedreht. und in eine digitale Form gebracht. 31 Auch der Besuch des damaligen Bundeswirtschafts- 17 Das Kürzel MEA steht für Middle East and Africa und ministers Ludwig Erhard bei Henkel in Düsseldorf im umfasst die Länder im arabischen sowie nordafrikani- Jahr 1961 ist in einer solchen Jahresschau festgehal- schen Raum. ten. 18 Vgl. Konzernarchiv Henkel (im Folgenden: KAH), Acc. 32 Eine ausführliche Beschreibung zum Spot „Mahlzeit“ 1 Nr. 2 mit den zwei bayerischen Volksschauspielern Beppo 19 Vgl. KAH, Acc. 1 Nr. 163–167 und Nr. 344. Ähnliche Brehm und Liesl Karlstadt findet sich in: Henkel KGaA Berichte zum Einfluss der USA auf deutsche Che- (Hrsg.), 100 Jahre Persil, Düsseldorf 2007, S. 143. mieunternehmen finden sich auch in den Briefen des 33 So ist der o.g. Werbefilm „Mahlzeit“ zwar von Hen- Industriellen Carl Duisberg. Vgl. Werner Plumpe, Carl kel in Auftrag gegeben worden, doch die Produktion Duisberg 1861–1935. Anatomie eines Industriellen, verantwortete die Insel Film GmbH, deren Rechts- München 2016, insb. S. 207-220. nachfolger heute das Filminstitut Wiesbaden (FIW) 20 2015 erhielt zudem auch Dipl.-Ing. Albrecht Woeste, ist, das somit auch die Rechte an Bild, Ton und Musik Mitglied der vierten Familiengeneration und Vorsit- des Films hält. Bei Henkel liegen lediglich die Mar- zender des Aufsichtsrats und des Gesellschafteraus- kenrechte für Persil. Vor einer Herausgabe des Films schusses der Henkel KGaA/Henkel AG & Co. KGaA „Mahlzeit“ für externe Zwecke muss also zunächst von 1990 bis 2009, die Ehrenbürgerschaft der Stadt Rücksprache mit dem FIW gehalten werden. Düsseldorf. 34 SEAL ist hierbei die Abkürzung für „seamless“ und 21 Zu dem nach diesem Pertinenz-Prinzip aufgestellten soll den einwandfreien Zugriff zu digitalen Assets Archivplan vgl. Anm. 5. verdeutlichen. Alle weltweiten Henkel-Mitarbeiter 22 So gibt es beispielsweise die Mappe KAH Henkel D haben auf diese Datenbank Zugriff und können Bilder 104, wo Unterlagen zu Henkel in Österreich abgelegt ansehen und auch downloaden. In der Bilddatenbank sind. Hier liegt eine Mischung aus Presseartikeln, An- finden sich rund eine Million Abbildungen aller drei zeigen, Aktenvermerken und Korrespondenzen vor, Business Units sowie der verschiedenen Functions von denen die Hälfte ursprünglich einem Aktenbe- bei Henkel. stand angehörte. 35 Die Freigabe der Bilder erfolgt nach Klärung des Ver- 23 So beispielsweise der Bestand KAH Acc. 205 Juristi- wendungszwecks (intern/extern) und der Urheber- sche Akten Dr. Brandt, in dem sich wichtige juristische rechte. Entscheidungen in der Firmengeschichte nachvollzie- 36 Eine relationale Datenbank der Firma Axiell, die zudem hen lassen. Richard Brandt war jahrelang Justiziar des die Darstellung verschiedener Medienformate inner- Unternehmens Henkel. halb der Datenbank ermöglicht. 24 Dies gilt u.a. für Acc. 5 (Kleinzugänge), in dem zahlrei- 37 So postet das Archivteam historische Beiträge und che Einzelakten versammelt sind. Fundstücke im Rahmen eines „Timeless Tuesday“ 25 Zu diesen Gremien zählen u.a. die Geschäftsführung und „Throwback Thursday“. bzw. der Vorstand, der Aufsichtsrat, der Gesellschaf- terausschuss, des Weiteren auch Verwaltungsrat und Beirat, die auch die unterschiedlichen Rechtsformen des Unternehmens im Laufe seiner Historie wider- spiegeln. Die Postprotokolle der Geschäftsführung finden sich in Acc. 153 und sind eine wichtige Quelle

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