Nr. 17-18: 16. Dezember 1952-26. Januar 1953

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Nr. 17-18: 16. Dezember 1952-26. Januar 1953 Nr. 17-18: 16. Dezember 1952-26. Januar 1953 ANLAGE II Betrifft: Sitzung des Bundesparteivorstandes am 15. und 16. Dezember 1952 im Palais Schaumburg, Bonn. Hier: Anwesenheitsliste. Die Mitglieder des Bundesparteivorstandes: Dr. Konrad Adenauer, Dr. Her- mann Ehlers, Jakob Kaiser, K.G. Kiesinger, Dr. R. Tillmanns, Dr. F.J. Wuerme- ling, E. Bach, A. Dichtel, Dr. M. Gröwel, O. Wackerzapp, E. Majonica, W. Simp- fendörfer, Dr. G. Strickrodt, Dr. A. Zimmer, Dr. A. Süsterhenn. Die Landesvorsitzenden: Dr. F. Gurk, Dr. O. Fricke, Dr. H. Barth, H. Scharn- berg, A. Cillien, Dr. W. Fay, W. Johnen, P. Altmeier, L. Lensing, Dr. G. Müller. Die Kooptierten: J. Albers, Dr. R. Pferdmenges, Dr. H. Krone, Dr. J.B. Gradl. Die Ministerpräsidenten: K. Arnold (zeitweise), außerdem: Dr. Siegel, Dr. Lenz. 18 Bonn, 26. Januar 1953 Anwesend: Adenauer, Altmeier, Bach, Barth, Dichtel, Ehlers, Fay, Fricke, Gerstenmaier, Gradl, Frau Gröwel, Heck, Hofmeister, Johnen, Kaiser, Krone, Lensing, Lenz, von Lex (zeit- weise), Lübke, Majonica, Müller, Pferdmenges, Samsche, Schaff er, Scharnberg (zeitweise), Schmidt, Schreiber, Simpfendörfer, Strickrodt, Tillmanns, Wackerzapp, Wuermeling, Zimmer sowie Meyers als Gast. Bericht zur Lage: Europafragen, Ratifizierung des EVG-Vertrages, Haltung der SPD; Vorberei- tung der Bundestagswahl. Aussprache. Bericht Meyers über die Ergebnisse der Kommunalwah- len in Nordrhein-Westfalen. Wahlkampforganisation. Bundestagswahlgesetz. Steuerreform. Par- teitag in Hamburg. Gestaltung des Wahlkampfes. Aufstellung der Kandidaten. Saarfrage. Vor- bereitung der Parteiausschußsitzung am 27. Januar. Beginn: 9.12 Uhr Ende: 21.00 Uhr Adenauer: Meine verehrten Damen und Herren! Ich habe um Punkt 9 Uhr hier hineingeschaut; da waren acht oder neun Herren anwesend. Das möchte ich aus- drücklich feststellen. Aber das ist kein Vorwurf, es ist neblig draußen. Entschuldigt haben sich Herr Ministerpräsident Arnold wegen einer wichtigen Sitzung der Landtagsfraktion, in der der Haushaltsplan beraten wird, und Herr Oberkirchenrat Cillien in wichtiger dienstlicher Angelegenheit. Als Vertreter ist 286 Nr. 18: 26. Januar 1953 Herr Dr. Hofmeister hier. Ich habe Herrn Dr. Meyers1 aus Düsseldorf, den Innen- minister von Nordrhein-Westfalen, gebeten, hier anwesend zu sein - ich heiße ihn willkommen -, damit er uns einen Bericht über die Beurteilung des Wahlergebnisses der Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen erstattet, weil das immerhin gewisse Rückschlüsse zuläßt. Ich denke, daß Sie auch den Herrn Ministerpräsidenten Ar- nold über den Hergang der ganzen Sitzung unterrichten werden. Herr Johnen hat mir mitgeteilt, daß er aus den gleichen Gründen - wegen der Sitzung der Landtags- fraktion - uns vorzeitig verlassen müsse. An seiner Stelle würde Herr Dr. Schmidt kommen. Er könne infolgedessen morgen nicht beim Parteiausschuß anwesend sein. Darf ich mir, verehrter Herr Johnen, eine allgemeine Bemerkung erlauben! Wir haben in der Bundesrepublik nicht ganz ein Dutzend Länder. Wenn jedes Land seine Landtagssitzungen so einrichtet, daß sie mit uns kollidieren, dann kom- men wir niemals zu einer Parteivorstands- und Parteiausschußsitzung, die annähernd voll besetzt ist. Ich möchte daher an alle Herren die dringende Bitte richten, daß sie in ihren Landtagen dafür eintreten, daß diese Tage freibleiben. (Johnen: Seit drei Monaten festgesetzt!) Seit drei Monaten festgesetzt! D.h. Ihr Wort in Gottes Ohr - mit dem Festlegen! Es ist bei uns in Bonn Usus, daß, wenn eine der großen Fraktionen sagt: ich bin an dem und dem Tage wegen wichtiger parteipolitischer Beratungen verhin- dert, dann das Plenum des Bundestages darauf Rücksicht nimmt. Ich wäre außeror- dentlich dankbar - das soll kein Vorwurf gegen Sie sein, Herr Johnen -, wenn bei den morgigen wie auch bei ähnlichen Beratungen in den kommenden Monaten bis zur Wahl dieser Angelegenheit eine sehr große Bedeutung beigelegt würde. Sie sind sogar wichtiger als gewisse Landtags- und auch Bundestagssitzungen. Darf ich jetzt zur Tagesordnung übergehen? (Zustimmung.) BERICHT ZUR LAGE Ich spreche lieber stehend als sitzend. Man kann sich dann besser bewegen. An die Spitze meiner Ausführungen möchte ich folgendes stellen: Ich werde, wenn ich Ihnen einen Bericht über die Lage geben soll, gezwungenerweise den einen oder anderen Punkt der Tagesordnung berühren müssen, und ich bitte, das nicht als eine Vorwegnahme anzusehen. Ich möchte mir dann erlauben, in Ergän- zung der Tagesordnung für heute zu fragen, ob - abgesehen von Herrn Wuermeling - ein besonderer Sachverständiger in Wahlangelegenheiten anwesend ist oder ob wir nicht den Herrn Dr. Lehr bitten sollen, uns über den Gesetzentwurf ein Viertelstünd- chen zu referieren. (Wuermeling: Kollege Scharnberg! Scharnberg: Ich habe mich darauf vorbereitet!) Es würde nichts schaden, wenn Sie beide berichteten. Bedenken 1 Dr. Franz Meyers (geb. 1908), 1950-1970 MdL Nordrhein-Westfalen (CDU), 1952 Ober- bürgermeister von Mönchengladbach, 1952-1956 Innenminister und 1958-1966 Minister- präsident, 1957-1958 MdB (Memoiren: gez. Dr. Meyers. Düsseldorf 1982). 287 Nr. 18: 26. Januar 1953 Sie, wir laden die Ministerpräsidenten ein; dann ist es wohl richtig, wenn Herr Dr. Lehr, der CDU-Innenminister, der diesen Gesetzentwurf hat bearbeiten lassen, ein kurzes Referat darüber hält. Das würde nicht ausschließen, Herr Scharnberg, daß auch Sie ein Referat darüber halten. Das halte ich psychologisch für richtig. Sind Sie damit einverstanden? (Zustimmung.) Meine Damen und Herren! Das Jahr 1953 wird, wie man, glaube ich, mit größter Sicherheit sagen kann, für Gesamtdeutschland und für unsere Partei ein Jahr der Entscheidung sein. Sie kennen mich genügend, um zu wissen, daß ich nicht gern große Worte mache; aber es liegt mir doch daran, Ihnen gegenüber das zum Aus- druck zu bringen, daß ich nach sehr sorgfältiger Prüfung der ganzen Lage, in der wir uns befinden, nur diesen Satz wiederholen kann: Dieses Jahr wird für Deutschland und für unsere Partei ein Jahr der Entscheidung sein. Ich wünsche uns allen, daß wir - wir sind noch am Beginn dieses Jahres - ein gutes und erfolgreiches Jahr haben werden, daß wir von Anfang an mit unseren Kräften haushalten, damit wir während der letzten Monate vor der Wahl wirklich noch in der Lage sind, etwas herzugeben. Ehe ich nun fortfahre, lassen Sie mich noch ein Wort über Diskretion sagen; Diskretion auch bei den Verhandlungen des Parteivorstandes. Die Herren werden sich erinnern, daß ich Ihnen auf der letzten Sitzung des Parteivorstandes eine Notiz über eine Verhandlung der kurz vorhergegangenen Vorstandssitzung der Sozialde- mokratischen Partei über die außenpolitische Konzeption vorgelesen habe. Ich habe es erleben müssen, daß mir kurz darauf Herr Ollenhauer sagte2, daß ihm ein ausländischer Journalist mitgeteilt habe, daß er sofort nach der Sitzung die Mitteilung aus unserem Kreis erhalten habe, daß ich in dieser Sitzung ein Protokoll über die Sitzung des sozialdemokratischen Parteivorstandes vorgelesen hätte. Ich konnte Herrn Ollenhauer sagen: Das ist nicht richtig, aber ich habe wohl ein Resümee daraus vorgetragen. Ich habe ihm dieses Resümee auch vorgelesen, wonach er sagte - was für Sie auch von Interesse ist: Das ist für unsere Entscheidung nicht bestimmend gewesen. Er stritt also nicht ab, daß diese merkwürdige außenpolitische Konzeption dort vorgetragen worden ist, aber, meine verehrten Herren, das Bedau- erliche ist doch, daß er in verhältnismäßig kurzer Zeit nach unserer Sitzung hier, wenn ich den Worten des Herrn Ollenhauer glauben darf - und ich glaube, man muß das tun; es sei denn, daß er den ausländischen Journalisten dazwischengeschoben hat, was aber an der Sache nichts ändert -, von einem Mitglied der Versammlung die Mitteilung bekommen hat! Wenn wir hier im Part ei vor stand uns nicht einmal offen aussprechen können, ohne Gefahr zu laufen, daß in ganz kurzer Zeit sehr wichtige Dinge aus diesem Parteivorstand an den Vorsitzenden der gegnerischen SPD gelangen, dann sind natürlich Verhandlungen hier überhaupt unmöglich. Ich bitte Sie daher alle auf das 2 Die Unterredung fand statt am 18. Dezember 1952, 16.30 Uhr. Zu dem Vorgang vgl. Nr. 16 S. 183. 288 Nr. 18: 26. Januar 1953 eindringlichste - ich behaupte keineswegs, daß das böse Absicht gewesen sei, was da geschehen ist -, überlegen Sie doch, ehe Sie irgendeinem etwas über die Verhandlun- gen hier sagen, ob Sie nach Ihrem Gewissen dazu berechtigt sind. Ich glaube, das gilt auch für die heutige Sitzung. Nun wende ich mich wieder zurück zum Jahre 1953. Warum ist dieses Jahr das Schicksals jähr für das deutsche Volk und für unsere Partei? Aus zwei Gründen, die miteinander zusammenhängen. In diesem Jahre 1953 wird es sich entscheiden, ob die Europäische Gemeinschaft wird oder ob sie vergeht, ehe sie geboren ist, ob alle diese Arbeit, die geleistet worden ist, mit einem Fiasko enden wird. Ferner wird das Jahr 1953 die zweiten Bundestagswahlen im September bringen. Ich habe eben absichtlich gesagt: Dieses Jahr wird die Entscheidung darüber bringen, ob die Europäische Gemeinschaft wird. Ich habe nicht gesagt: die EVG, sondern ich fasse absichtlich meine Worte weiter. Wenn die EVG nicht wird, dann wird auch eine Europäische Gemeinschaft nicht werden, trotz der verheißungsvollen Ansätze, die nicht zuletzt dank der Arbeit unseres Freundes von Brentano geleistet worden sind. Die Europäische Gemeinschaft hat begonnen mit der Montanunion. Ich darf ein Wort des Dankes auch in diesem Kreise an den Herrn Schuman sagen. Sicher war bei Herrn Schuman - der uns weltanschaulich so nahesteht - dieses und jenes zu bemän- geln.
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