(Ausgegeben am 09.02.2005)

Niedersächsischer Landtag

Stenografischer Bericht

54. Sitzung

Hannover, den 28. Januar 2005

Inhalt:

Walter Hirche, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Tagesordnungspunkt 33: Verkehr ...... 6012, 6014, 6016 (GRÜNE) ...... 6014 Mündliche Anfragen - Drs. 15/1635 ...... 5999 (GRÜNE)...... 6015, 6016 Gisela Konrath (CDU)...... 6016 Frage 1: Hartmut Möllring, Finanzminister...... 6017 Ergebnisse und Probleme der Beweissicherung zur letzten Elbvertiefung...... 5999 noch: Hans-Jürgen Klein (GRÜNE)...... 5999, 6001, 6002 Hans-Heinrich Sander,Umwelt- Tagesordnungspunkt 3: minister ...... 6000, 6001, 6003 Stefan Wenzel (GRÜNE) ...... 6002 21. Übersicht über Beschlussempfehlungen der Christian Wulff, Ministerpräsident ...... 6002 ständigen Ausschüsse zu Eingaben -Drs. (GRÜNE) ...... 6003 15/1625 - Änderungsantrag der Fraktion Bünd- Hans-Joachim Janßen (GRÜNE)...... 6003 nis 90/Die Grünen - Drs. 15/1643 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1644...... 6017 Frage 2: Carsten Höttcher (CDU) ...... 6017 Polizeireform schwächt Sicherheit in den Städ- Volker Brockmann (SPD) ...... 6017 ten ...... 6003 Ulla Groskurt (SPD) ...... 6018 Professor Dr. Hans-Albert Lennartz Norbert Böhlke (CDU) ...... 6019 (GRÜNE) ...... 6003, 6008 Enno Hagenah (GRÜNE) ...... 6020 Uwe Schünemann, Minister für Inneres und Günter Lenz (SPD)...... 6020 Sport ...... 6004, 6005 bis 6012 Gisela Konrath (CDU)...... 6021 Enno Hagenah (GRÜNE) ...... 6005 Jacques Voigtländer (SPD)...... 6022 Klaus-Peter Bachmann (SPD)...... 6006 Dr. Karl-Ludwig von Danwitz (CDU)...... 6022 Ralf Briese (GRÜNE)...... 6007 Hans-Peter Thul (CDU)...... 6022 Dr. Gabriele Heinen-Kljajić (GRÜNE)...... 6007 Christina Bührmann (SPD) ...... 6023, 6024 Walter Meinhold (SPD) ...... 6008 Lutz Stratmann, Minister für Wissenschaft und Dorothea Steiner (GRÜNE)...... 6009, 6011 Kultur ...... 6023, 6024 (GRÜNE)...... 6009 Beschluss...... 6025 Rolf Meyer (SPD)...... 6010 Sigrid Leuschner (SPD)...... 6010 Tagesordnungspunkt 30: Hans-Christian Biallas (CDU)...... 6011 Erste Beratung: Frage 3: Fahrgastrechte verankern - Kundencharta auch Abschaffung von Ökosteuer-Rabatten - Auswir- im Nahverkehr - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die kungen auf niedersächsische Betriebe ...... 6012 Grünen - Drs. 15/1609...... 6026 Hermann Dinkla (CDU) ...... 6012 Enno Hagenah (GRÜNE) ...... 6026, 6031 Niedersächsischer Landtag - 15. Wahlperiode - 54. Plenarsitzung am 28. Januar 2005

Brunhilde Rühl (CDU) ...... 6027 Tagesordnungspunkt 36: Gerd Will (SPD)...... 6028 Wolfgang Hermann (FDP)...... 6030 Einhaltung des grundgesetzlich gesicherten Walter Hirche, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gleichheitsgrundsatzes ohne zusätzliche büro- Verkehr...... 6030 kratische Vorschriften - Antrag der Fraktionen der Ausschussüberweisung ...... 6032 CDU und der FDP - Drs. 15/1622 ...... 6071 Ausschussüberweisung ...... 6071 Tagesordnungspunkt 31: Tagesordnungspunkt 37: Erste Beratung: Sicherheit im Justizvollzug besser gewährleisten! Verbraucherschutz unteilbar - keine Differenzie- - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1617 ...... 6032 rung zwischen "erwünschten" und "unerwün- Elke Müller (SPD)...... 6032, 6038, 6039, 6041 schten" Tierhaltungssystemen - Antrag der Jens Nacke (CDU) ...... 6034 Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/1623 .... 6071 Ralf Briese (GRÜNE) ...... 6036 Ausschussüberweisung ...... 6071 Carsten Lehmann (FDP) ...... 6037 Elisabeth Heister-Neumann, Justizministerin ... 6039 Nächste Sitzung...... 6072 Ausschussüberweisung ...... 6042

Tagesordnungspunkt 32: Anlagen zum Stenografischen Bericht

Erste Beratung: noch: Arbeitsbedingungen der Frauenbeauftragten nicht verschlechtern - Antrag der Fraktion der SPD Tagesordnungspunkt 33: - Drs. 15/1618 ...... 6042 Ulla Groskurt (SPD)...... 6042, 6044 Mündliche Anfragen - Drs. 15/1635 Mechthild Ross-Luttmann (CDU) ...... 6045, 6046 (GRÜNE)...... 6047, 6053 Jörg Bode (FDP)...... 6049, 6056 Anlage 1: Dr. Ursula von der Leyen, Ministerin für Sozi- Verbraucherinsolvenzen in Niedersachsen ales, Frauen, Familie und Gesundheit...... 6050 Antwort des Justizministeriums auf die Frage 4 der Heidrun Merk (SPD)...... 6052 Abg. Gisela Konrath und Dr. Uwe Biester (CDU)..... 6073 Gesine Meißner (FDP) ...... 6053 Gabriele Jakob (CDU) ...... 6055 Anlage 2: Ausschussüberweisung ...... 6055 Verkauf der NILEG Antwort des Finanzministeriums auf die Frage 5 der Tagesordnungspunkt 34: Abg. Filiz Polat (GRÜNE)...... 6074

Erste Beratung: Anlage 3: Beim Kampf gegen AIDS nicht nachlassen - Was tut die Landesregierung, um die Finanzhilfe für Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1619 ...... 6056 Schulen in freier Trägerschaft auf eine zukunftsfähi- Gerda Krämer (SPD)...... 6056 ge Grundlage zu stellen? Heidemarie Mundlos (CDU) ...... 6058 Antwort des Kultusministeriums auf die Frage 6 der Gesine Meißner (FDP) ...... 6060 Abg. (GRÜNE) ...... 6076 Meta Janssen-Kucz (GRÜNE)...... 6061 Ausschussüberweisung ...... 6062 Anlage 4: Strukturkonferenz Lüchow-Dannenberg Tagesordnungspunkt 35: Antwort des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 7 des Abg. Klaus-Peter Dehde (SPD)...... 6077 Erste Beratung: Praxisnahe und schulformbezogene Lehramts- Anlage 5: ausbildung - Antrag der Fraktionen der CDU und Unterrichtsversorgung im Fach Englisch am Gym- der FDP - Drs. 15/1621...... 6062 nasium Bremervörde Karin Bertholdes-Sandrock (CDU)...... 6062, 6064 Antwort des Kultusministeriums auf die Frage 8 des Wolfgang Wulf (SPD) ...... 6065 Abg. Friedhelm Helberg (SPD) ...... 6078 Dr. Gabriele Heinen-Kljajić (GRÜNE) ...... 6067 Professor Dr. Dr. Roland Zielke (FDP)... 6068, 6069 Lutz Stratmann, Minister für Wissenschaft und Kultur ...... 6070 Ausschussüberweisung ...... 6071

II Niedersächsischer Landtag - 15. Wahlperiode - 54. Plenarsitzung am 28. Januar 2005

Anlage 6: Fleer, Claus Johannßen, Rolf Meyer, Dieter Stein- Messingsberg I.: Der Berg ruft nicht mehr, er kommt ecke und Uwe Harden (SPD ...... 6090 jetzt selbst Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Anlage 15: Verkehr auf die Frage 9 der Abg. Ursula Helmhold Dorferneuerung fortführen (GRÜNE) ...... 6079 Antwort des Ministeriums für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Anlage 7: auf die Frage 20 der Abg. Karin Stief-Kreihe (SPD).6091 Fristlose Kündigung des Direktors des Ostpreußi- schen Landesmuseums Anlage 16: Antwort des Ministeriums für Wissenschaft und Kul- Rohstoffsicherung in Niedersachsen um jeden tur auf die Frage 10 des Abg. Andreas Meihsies Preis? (GRÜNE) ...... 6082 Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auf die Frage 21 der Abg. Heiner Bartling Anlage 8: und Volker Brockmann (SPD) ...... 6092 DB darf Schienennetz in Niedersachsen nicht ruinie- ren Anlage 17: Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Unterstützt die Landesregierung die Reform des Verkehr auf die Frage 11 des Abg. Enno Hagenah Beamtenrechts? (GRÜNE) ...... 6083 Antwort des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 22 der Abg. Klaus-Peter Bachmann, Hei- Anlage 9: ner Bartling, Susanne Grote, Sigrid Leuschner, Jo- Zukunft kommunaler Krankenhäuser hanne Modder, Jutta Rübke, Ingolf Viereck und Mo- Antwort des Ministeriums für Soziales, Frauen, Fami- nika Wörmer-Zimmermann (SPD)...... 6095 lie und Gesundheit auf die Frage 12 der Abg. Meta Janssen-Kucz (GRÜNE)...... 6084 Anlage 18: Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen Anlage 10: (GVO) in Niedersachsen Schiffsüberführungs-Event zulasten der Landeskas- Antwort des Umweltministeriums auf die Frage 23 se und der Natur des Abg. Hans-Jürgen Klein (GRÜNE) ...... 6096 Antwort des Umweltministeriums auf die Frage 13 der Abg. Hans-Joachim Janßen und Meta Janssen- Anlage 19: Kucz (GRÜNE) ...... 6085 Soterien in psychiatrischen Einrichtungen Nieder- sachsens Anlage 11: Antwort des Ministeriums für Soziales, Frauen, Fami- Befreiung von der Verpflichtung zur Bestellung einer lie und Gesundheit auf die Frage 24 der Abg. Ursula Frauenbeauftragten für kleinere Dienststellen Helmhold (GRÜNE)...... 6098 Antwort des Ministeriums für Soziales, Frauen, Fami- lie und Gesundheit auf die Frage 14 der Abg. Ursula Anlage 20: Helmhold und Professor Dr. Hans-Albert Lennartz...6086 Erfolgreiche energetische Gebäudemodernisierung im Rahmen der "Landesinitiative Energieeinspa- Anlage 12: rung" beendet Bürokratische Hürden im Baurecht Antwort des Umweltministeriums auf die Frage 25 Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und der Abg. Filiz Polat (GRÜNE)...... 6098 Verkehr auf die Frage 16 des Abg. Dieter Möhrmann (SPD)...... 6087 Anlage 21: Wie wird die Möglichkeit des Übergangs von der Anlage 13: Förderschule zur Hauptschule gewährleistet? Nachfragen zur Anfrage "Inflationäre Ausweitung Antwort des Kultusministeriums auf die Frage 26 der des goldenen Handschlags?" Abg. Ina Korter (GRÜNE)...... 6100 Antwort des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 18 der Abg. Sigrid Leuschner (SPD) ...... 6088 Anlage 22: Anders handeln als sprechen - Zerschlägt die Lan- Anlage 14: desregierung die Kreismusikschule Lüchow- Besteht tatsächlich eine Gefährdung der Bevölke- Dannenberg? rung durch Dioxin in Freilandeiern? Antwort des Ministeriums für Wissenschaft und Kul- Antwort des Ministeriums für den ländlichen Raum, tur auf die Frage 27 des Abg. Klaus-Peter Dehde Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (SPD) ...... 6102 auf die Frage 19 der Abg. Karin Stief-Kreihe, Klaus

III Niedersächsischer Landtag - 15. Wahlperiode - 54. Plenarsitzung am 28. Januar 2005

Anlage 23: Liquiditätsrisiken durch elektronische Steuermel- dung? Antwort des Finanzministeriums auf die Frage 28 des Abg. Enno Hagenah (GRÜNE) ...... 6103

IV Niedersächsischer Landtag - 15. Wahlperiode - 54. Plenarsitzung am 28. Januar 2005

Vom Präsidium:

Präsident Jürgen G a n s ä u e r (CDU) Vizepräsident Ulrich B i e l (SPD) Vizepräsidentin Ulrike K u h l o (FDP) Vizepräsidentin Silva S e e l e r (SPD) Vizepräsidentin Astrid V o c k e r t (CDU) Schriftführer Lothar K o c h (CDU) Schriftführerin Georgia L a n g h a n s (GRÜNE) Schriftführer Wolfgang O n t i j d (CDU) Schriftführerin Christina P h i l i p p s (CDU) Schriftführer Friedrich P ö r t n e r (CDU) Schriftführerin Isolde S a a l m a n n (SPD) Schriftführerin Bernadette S c h u s t e r - B a r k a u (SPD) Schriftführerin Brigitte S o m f l e t h (SPD) Schriftführerin Irmgard V o g e l s a n g (CDU) Schriftführerin Anneliese Z a c h o w (CDU)

Auf der Regierungsbank:

Ministerpräsident Staatssekretärin Dr. Gabriele W u r z e l , Christian W u l f f (CDU) Staatskanzlei

Minister für Inneres und Sport Uwe S c h ü n e m a n n (CDU) Staatssekretär Wolfgang M e y e r d i n g , Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport

Finanzminister Hartmut M ö l l r i n g (CDU)

Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Ge- sundheit Dr. Ursula von der L e y e n (CDU)

Kultusminister Bernd B u s e m a n n (CDU)

Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Walter H i r c h e (FDP)

Minister für den ländlichen Raum, Ernährung, Land- Staatssekretär Gert L i n d e m a n n wirtschaft und Verbraucherschutz Niedersächsisches Ministerium für den ländlichen Raum, Hans-Heinrich E h l e n (CDU) Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Justizministerin Staatssekretär Dr. Jürgen O e h l e r k i n g , Elisabeth H e i s t e r - N e u m a n n Niedersächsisches Justizministerium

Minister für Wissenschaft und Kultur Lutz S t r a t m a n n (CDU)

Umweltminister Staatssekretär Dr. Christian E b e r l , Hans-Heinrich S a n d e r (FDP) Niedersächsisches Umweltministerium

V

Niedersächsischer Landtag - 15. Wahlperiode - 54. Plenarsitzung am 28. Januar 2005

Beginn: 9.01 Uhr. Tagesordnungspunkt 33: Mündliche Anfragen - Drs. 15/1635 Vizepräsidentin Astrid Vockert: Zu Beginn möchte ich Ihnen mitteilen, dass die Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich Fragen 15 und 17 von den Antragstellern zurück- eröffne die 54. Sitzung im 19. Tagungsabschnitt gezogen worden sind. des Niedersächsischen Landtages der 15. Wahl- periode. Die Beschlussfähigkeit werde ich zu ei- Es ist jetzt 9.02 Uhr. Ich rufe auf nem anderen Zeitpunkt feststellen.

(Unruhe) Frage 1: - Die Unruhe führe ich darauf zurück, dass Sie alle Ergebnisse und Probleme der Beweissi- dem Abgeordneten Dr. Runkel ganz herzlich zum cherung zur letzten Elbvertiefung Geburtstag gratulieren möchten, der heute 50 Jah- re alt geworden ist. Herzlichen Glückwunsch! Sie wird von dem Abgeordneten Herrn Klein ge- stellt. Herr Klein, Sie haben das Wort. (Beifall im ganzen Hause)

Zur Tagesordnung weise ich darauf hin, dass wir Hans-Jürgen Klein (GRÜNE): die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 33, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 1999 der Fragestunde, beginnen. Es folgen dann erfolgte mit Einvernehmen Niedersachsens der Punkt 3, die Fortsetzung der Eingaben, und die Planfeststellungsbeschluss für die letzte Elbver- gestern zurückgestellten Tagesordnungspunk- tiefung, die Anfang 2000 abgeschlossen wurde. In te 30, 31 und 32. Anschließend setzen wir die Be- diesem Beschluss wurde auch ein Beweissiche- ratung in der Reihenfolge der Tagesordnung fort, rungsverfahren festgelegt. Im Rahmen dieser Be- wobei der Punkt 37 nur zum Zwecke der Aus- weissicherung sollten maßnahmenbedingte Ab- schussüberweisung aufgerufen wird, da die an- weichungen ermittelt werden, die sich u. a. auf die tragstellenden Fraktionen ihren Antrag auf Durch- Tidewasserstände, die Topografie, die Strömun- führung einer ersten Beratung im Plenum zurück- gen, die Salzgehalte, die Standsicherheit der Dei- gezogen haben. Somit gehe ich davon aus, dass che, auf Fauna und Flora und die Schiffswellen- die heutige Sitzung gegen 14 Uhr beendet sein problematik beziehen. dürfte. Am 2. November 2004 fand in Stade eine Informa- Erinnern möchte ich noch an die rechtzeitige tionsveranstaltung der Bezirksregierung Lüneburg Rückgabe der Reden an den Stenografischen über die „Ergebnisse der Beweissicherung zur Dienst. Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe Nunmehr folgen geschäftliche Mitteilungen durch an die Containerschifffahrt“ statt. den Schriftführer bzw. die Schriftführerin. Dabei wurden für die Zeit zwischen 1998 und 2002 erhebliche hydrografische und topografische Ver- Schriftführerin Bernadette Schuster- änderungen bzw. Abweichungen von den Progno- Barkau: sen dokumentiert. Angesprochen wurden ein er- heblicher Anstieg der Strömungsgeschwindigkeit in Für heute haben sich entschuldigt von der CDU- der Fahrrinne, Wattabträge, Verschiebungen der Fraktion Frau Schwarz, von der SPD-Fraktion Herr „Unterwasserböschungen“, Vertiefungen und Auf- Aller und Herr Uwe Schwarz, von der FDP-Fraktion landungen im Strom und deutliche Uferabbrüche. Herr Rickert sowie von der Fraktion Bünd- Erosionen sind nicht auf breiter Front, aber in kriti- nis 90/Die Grünen Herr Meihsies. schen Bereichen zu erwarten.

Vizepräsidentin Astrid Vockert: Beklagt wurde aber auch, dass die Festlegungen im Planfeststellungsbeschluss zur Beweissiche- Ich rufe auf rung nicht eingehalten werden. Zu einer umfas- senden Beurteilung der Vertiefungsauswirkungen ist die Datenlage nicht ausreichend bzw. der Be- urteilungszeitraum zu kurz. Daten über Profilmes-

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sungen in den Nebengewässern oder den Salzge- ges ist, sind die Auswirkungen für diese Ausbau- halt, der Aufschluss über die Verschiebung der maßnahme prognostiziert worden. Auf dieser Brackwasserzone gibt, sind nicht bzw. nur unvoll- Grundlage wurden in den Planfeststellungsbe- ständig vorhanden. Forderungen auf Nachbesse- schlüssen Kompensationsmaßnahmen festgesetzt. rung wurden bisher nicht erfüllt. Um festzustellen, inwieweit die tatsächlichen maß- Festgestellt wurde auch, dass die im Beschluss nahmenbedingten Auswirkungen nach Abschluss verfügten Schiffshöchstgeschwindigkeiten häufig der Ausbaumaßnahme von der Prognose der UVU nicht eingehalten werden und durch den dadurch abweichen, wurde in den Planfeststellungsbe- verursachten höheren Wellengang erhebliche schlüssen ein umfangreiches Beweissicherungs- Uferbelastungen auftreten. programm festgelegt.

Die Ergebnisse und nicht zuletzt die Unzulänglich- Zudem hat der Vorhabensträger den Einverneh- keiten der bisherigen Beweissicherung stellen eine mensbehörden der Länder Niedersachsen, Schles- erhebliche Belastung für die erneuten Elbvertie- wig-Holstein und Hamburg mindestens einmal fungspläne Hamburgs dar. jährlich über die Ergebnisse der Beweissicherung zu berichten. Dies ist zuletzt umfassend im Mai Ich frage die Landesregierung: 2004 geschehen. Dieser Bericht enthält erstmals auch Aussagen zu Wasserstandsänderungen nach 1. Welche Veränderungen in Bezug auf die einzel- Abschluss der Ausbaumaßnahme. Der Vorha- nen Inhalte der Beweissicherung konnten bisher bensträger und die Einvernehmensbehörden ha- festgestellt werden, und wie werden sie bewertet? ben in einer hierfür eingerichteten Bund-Länder- 2. Welche Mängel hat die bisher durchgeführte Arbeitsgruppe über die Ergebnisse, deren Inter- Beweissicherung bezüglich der Auflagen im Plan- pretation und die weitere Vorgehensweise zu be- feststellungsbeschluss, und wie werden diese be- raten. seitigt? Zur Vorbereitung hatte die Bezirksregierung Lüne- 3. Welche Auswirkungen haben die Ergebnisse burg am 25. Februar 2004 die betroffenen Land- und Probleme der bisherigen Beweissicherung auf kreise gebeten, unter Beteiligung der Deich- und die neuen Vertiefungspläne und das damit verbun- Unterhaltungsverbände über die ihnen bekannten dene Einvernehmen des Landes? und vermuteten maßnahmenbedingten Verände- rungen zu berichten. Die Bezirksregierung Lüne- Vizepräsidentin Astrid Vockert: burg hatte zugesagt, nach Vorliegen des Beweis- sicherungsberichtes über die Ergebnisse und Be- Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung spricht wertung aller bislang vorliegenden Berichte zu Herr Umweltminister Sander. Bitte! informieren. Dies ist auf der Informationsveran- staltung am 2. November 2004 in Stade unter Be- Hans-Heinrich Sander, Umweltminister: teiligung der örtlichen Landtags- und Bundestags- abgeordneten geschehen. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die letzte Elbvertiefung - auch „Anpassung Dies vorausgeschickt, beantworte ich die gestellten der Fahrrinne der Unter- und Außenelbe an die Fragen wie folgt: Containerschifffahrt“ genannt - erfolgte auf der Grundlage von zwei Planfeststellungsbeschlüssen. Zu 1: Es sind stellenweise erhebliche Ufererosio- Beide Beschlüsse sind im Wesentlichen inhalts- nen festgestellt worden, wie beispielsweise strom- gleich. abwärts des Glameyer Stack im Bereich des Ha- delner Deich- und Uferbauverbandes. Uferabbrü- Auf der Bundesstrecke von Hamburg bis zur See che sind im Bereich des Allwördener Außendei- ist die Grundlage der Planfeststellungsbeschluss ches, im östlichen Bereich der Vordeichung Nord- vom 22. Februar 1999, und für die Strecke in kehdingen, im Bereich des Hullens und in Teilbe- Hamburg, die so genannte Delegationsstrecke, ist reichen des Belumer Außendeiches festzustellen. die Grundlage der Planfeststellungsbeschluss vom Es ist zu vermuten, dass diese Schäden neben 4. Februar 1999. den ausbaubedingten Ursachen teilweise auf schiffserzeugte Belastungen zurückzuführen sind. In der Umweltverträglichkeitsuntersuchung - kurz: UVU -, die Bestandteil des Planfeststellungsantra-

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Hinsichtlich der ökologischen Parameter zeigen die Zu 3: Für die erneute Anpassung der Fahrrinne Untersuchungsergebnisse zu den auf der Gewäs- wird eine darauf abgestellte UVU erarbeitet werden sersohle lebenden Tieren, dass eine wertgleiche müssen. In diese werden die Ergebnisse der Be- Besiedelung der in Anspruch genommenen Flä- weissicherung der letzten Ausbaumaßnahme ein- chen noch nicht wieder erreicht ist. fließen, die von besonderer Bedeutung sind. Ham- burg hat ein großes Interesse, die bestehenden Die Untersuchungsergebnisse zur Biotoptypenun- Defizite in der gegenwärtigen Beweissicherung tersuchung lassen erkennen, dass die Entwicklung zügig abzustellen. gefährdeter Biotope nicht, wie in der UVU unter- stellt wird, allein von der Entwicklung des Tide- Vor einer abschließenden Einvernehmenserklä- hochwassers bestimmt wird. rung erwartet Niedersachsen die Abarbeitung aller offenen Fragen aus der Umweltverträglichkeits- Eine abschließende Bewertung der Beweissiche- prüfung. rungsergebnisse ist noch nicht möglich, da die Anzahl der hierfür vorliegenden Messergebnisse (Beifall bei der FDP und bei der CDU) und Querprofile der Elbe und ihrer Nebengewässer noch nicht ausreicht. Ferner sind die im Planfest- Vizepräsidentin Astrid Vockert: stellungsbeschluss geforderten Auswertungen - dazu verweise ich auf die Beantwortung der Fra- Die erste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Klein. ge 2 - bislang vom Maßnahmenträger nicht vorge- legt worden. Hans-Jürgen Klein (GRÜNE):

Zu 2: Ein wesentlicher Mangel ist, dass bislang Herr Minister, angesichts der Tatsache, dass aus keine Untersuchungen zu ausbaubedingten Was- Ihrer Antwort hervorgeht, dass die Untersuchungs- serstandsänderungen nach den im Planfeststel- und Beurteilungszeiträume der bisherigen Beweis- lungsbeschluss vorgegebenen Auswerteverfahren sicherung viel zu kurz sind, frage ich Sie: Welche vorgenommen wurden. Zeit benötigen wir eigentlich noch, um erst einmal die Auswirkungen der letzten Vertiefung beurteilen Der Vorhabensträger wendet eine abweichende zu können und um die neuen Bedingungen für Untersuchungsmethodik an. Dieses Vorgehen eine weitere Elbvertiefung formulieren zu können? weicht von den Vorgaben des Planfeststellungsbe- Mit welchem Zeitraster rechnen Sie? schlusses ab und ist mit den Einvernehmensbe- hörden der Länder Niedersachsen und Schleswig- Vizepräsidentin Astrid Vockert: Holstein nicht abgestimmt. Für die Landesregierung antwortet Herr Umwelt- Die hauptsächlichen Untersuchungen zur Erfas- minister Sander. sung der Sockelstabilität sind mit Verzögerung aufgenommen worden; die Untersuchungen mit Hans-Heinrich Sander, Umweltminister: Schnellindikatoren sind vollständig unterblieben. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Eine Interpretation der Beweissicherungsergebnis- Herren! Die ersten Aussagen sind jetzt schon se zu den ökologischen Parametern ist nur im möglich. Ich habe bereits einige angedeutet. Die Gesamtzusammenhang aller Beweissicherungs- weiteren Aussagen werden zeitnah erfolgen. Wir untersuchungen möglich. Insofern kommt den werden Hamburg keine Fristen setzen, aber Ham- Beweissicherungsberichten eine zentrale Bedeu- burg selbst setzt sich eine Frist, da es für die wei- tung zu. tere Elbvertiefung entsprechende Unterlagen be- reitstellen muss. Vor diesem Hintergrund ist zu beanstanden, dass bestimmte Auswertungen nicht zeitnah erfolgen. (Beifall bei der FDP und bei der CDU) So wurden die Ergebnisse der Befliegung im Sommer 2002 erst 2004 vorgelegt. Seitens der Vizepräsidentin Astrid Vockert: niedersächsischen Einvernehmensbehörde ist in der Vergangenheit mehrfach darauf aufmerksam Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Wen- gemacht worden. Hamburg dürfte ein Eigeninte- zel. resse daran haben, diese Forderungen zeitnah zu erfüllen.

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Stefan Wenzel (GRÜNE): verbessern kann. Wir werden es verbessern. Aber bei dem jetzt folgenden Planfeststellungsverfahren Herr Minister Sander, welche Zusagen und Aussa- geht Niedersachsen anders vor, als es in der Ver- gen hat die Landesregierung in dem Gespräch der gangenheit der Fall gewesen ist. Wir haben gewis- vier norddeutschen Regierungschefs in Bezug auf se Bedingungen gestellt, die abgearbeitet werden die von Hamburg gewünschte Elbvertiefung vor müssen. Erst dann erfolgt der Planfeststellungsbe- einigen Monaten gemacht? schluss. Es ist also ein ganz anderes Verfahren, als es bisher erfolgt ist. Bisher hat man erst den Vizepräsidentin Astrid Vockert: Planfeststellungsbeschluss erteilt und dann nach- Für die Landesregierung antwortet Herr Umwelt- träglich feststellen können bzw. die Beweise dafür minister Sander. liefern müssen, ob die Deichsicherheit tatsächlich gewährleistet ist und ob durch die Schiffsbewe- gungen keine Schäden an den Deichen erfolgen Hans-Heinrich Sander, Umweltminister: können. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Niedersächsische Landesregierung Vizepräsidentin Astrid Vockert: hat Hamburg gegenüber keine Zusagen gemacht, sondern sie geht in ein offenes Verfahren. Ham- Zur zweiten und für ihn damit ebenfalls letzten burg hat zu liefern. Hamburg hat ein Interesse an Zusatzfrage hat Herr Kollege Wenzel das Wort. letzten Beweissicherungen. Erst dann wird eine Neubewertung erfolgen können. Stefan Wenzel (GRÜNE): Herr Ministerpräsident, nachdem Sie sich mit Ihren Vizepräsidentin Astrid Vockert: Kollegen zu den norddeutschen Verkehrsprojekten Die zweite und damit für ihn letzte Zusatzfrage getroffen und darüber beraten hatten, konnte man stellt Herr Kollege Klein. in der Zeitung einiges lesen, was doch sehr weit von dem abweicht, was uns Herr Sander gerade vorgetragen hat. Können Sie bestätigen, dass Sie Hans-Jürgen Klein (GRÜNE): und Ihr Kollege Hirche Hamburg in dieser Frage Ich frage die Landesregierung angesichts des von keinerlei Zusagen in Bezug auf die Elbvertiefung Ihnen dargestellten und aus meiner Sicht skanda- gemacht haben, wie es der Kollege Sander gerade lösen Umgangs mit den Auflagen im Zusammen- dargestellt hat? hang mit der Beweissicherung: Ist das nicht ein Zeichen dafür, dass es keinen Zweck hat, auf einer Vizepräsidentin Astrid Vockert: Vertrauensbasis mit Hamburg Bedingungen zu formulieren, unter denen die Landesregierung in Für die Landesregierung hat Herr Ministerpräsident Zukunft das Einvernehmen für die nächste Elbver- Wulff das Wort. tiefung erteilen will? Ich stelle meine Frage unter dem Gesichtspunkt, dass es ja immer nur Progno- Christian Wulff, Ministerpräsident: sen sind, die zugrunde gelegt werden, während die Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und tatsächlichen Verhältnisse erst im Anschluss fest- Herren! Ich kann vollinhaltlich bestätigen, dass gestellt werden können. Herr Sander für die Landesregierung die Position deutlich gemacht hat und dass es zwischen dem, Vizepräsidentin Astrid Vockert: was Herr Sander gesagt hat, und mir keinerlei Für die Landesregierung antwortet Herr Umwelt- Differenzen gibt. minister Sander. Vizepräsidentin Astrid Vockert: Hans-Heinrich Sander, Umweltminister: Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Kollege Hage- Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und nah. Herren! Ich habe in meiner Beantwortung darge- legt, Herr Kollege Klein, dass Hamburg jetzt noch liefert. Dass in der Vergangenheit nicht alles zeit- nah erfolgt ist, ist ein Zeichen dafür, dass man das

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Enno Hagenah (GRÜNE): (Zustimmung bei der FDP und bei der CDU) Ich frage die Landesregierung, ob sie der Ansicht ist, dass Hamburg angesichts der doch sehr zö- gerlichen, schleppenden und unvollständigen Do- Vizepräsidentin Astrid Vockert: kumentation der bisherigen Auswirkungen der Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Ich rufe Elbvertiefung tatsächlich ein Interesse daran hat, daher auf die eine objektive und fachlich fundierte Bewertung der Auswirkungen von Elbvertiefungen zu erar- beiten. Frage 2: Vizepräsidentin Astrid Vockert: Polizeireform schwächt Sicherheit in den Städten Für die Landesregierung antwortet Herr Umwelt- minister Sander. Sie wird von Herrn Prof. Dr. Lennartz eingebracht. Bitte! Hans-Heinrich Sander, Umweltminister: Professor Dr. Hans-Albert Lennartz (GRÜ- Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hagenah, Sie machen genau NE): das, was Sie den Hamburgern vorgeworfen haben: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Sie gehen von Vermutungen aus. Wir wollen Fak- immer wieder öffentlich erklärte Ziel der Landesre- ten und klare Daten haben, damit wir dann in eine gierung ist, die Polizei in der Fläche zu verstärken. Bewertung eintreten können. Noch in der Antwort auf eine kleine Mündliche Anfrage im Oktober-Plenum hat der Innenminister (Beifall bei der FDP und bei der CDU) hierzu ausgeführt, dass für den Polizeivollzugs- dienst ein Planstellenverteilungsmodell neu entwi- Vizepräsidentin Astrid Vockert: ckelt wurde. Durch dieses Modell soll das den Eine weitere Zusatzfrage stellt Herr Kollege Jan- regionalen Polizeidirektionen zur Verfügung ste- ßen. hende Planstellenkontingent berechnet werden. Dadurch sollen regionale Besonderheiten und Schwerpunkte berücksichtigt werden können. Das Hans-Joachim Janßen (GRÜNE): Modell sei grundsätzlich auf eine belastungsorien- Ich frage die Landesregierung, ob sie es vor dem tierte Verteilung ausgelegt. Allein in Braunschweig Hintergrund der bereits festgestellten negativen und Hannover werden künftig aber ca. Folgewirkungen der letzten Elbvertiefung für ver- 270 Polizeibeamtinnen und -beamte weniger für tretbar hält, an eine weitere Elbvertiefung zu den- die Sicherheit der Großstädte sorgen. ken. Ich frage die Landesregierung: (Anneliese Zachow [CDU]: Denkver- bote sollte man nie erlassen!) 1. Wie will sie die Sicherheit in den Ballungszent- ren künftig gewährleisten, wenn doch bekannt ist, dass gerade dort von einer höheren Kriminalität Vizepräsidentin Astrid Vockert: auszugehen ist als im ländlichen Raum? Für die Landesregierung antwortet Herr Umwelt- 2. Ist durch den Abzug der Polizeibeamten aus minister Sander. Bitte! Hannover und Braunschweig sichergestellt, dass die dortigen Polizeikommissariate dennoch den Hans-Heinrich Sander, Umweltminister: jeweiligen Gegebenheiten vor Ort entsprechend Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und ausgestattet sind? Herren! Herr Kollege Janßen, wir bleiben weiter bei 3. Wie berücksichtigt ihr neues Planstellenvertei- unserer Meinung, dass die Sicherheit der Deiche lungsmodell gerade im Fall Hannover und Braun- für die Menschen absolute Priorität hat. Dafür schweig den dort bekannten Anstieg der Krimina- müssen verlässliche Daten her. lität in Bezug auf die Kriterien regionale Besonder- heit und Schwerpunkte?

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Vizepräsidentin Astrid Vockert: nur diese Daten als Vergleich herangezogen wer- den können. Danke schön. - Für die Landesregierung antwortet Herr Innenminister Schünemann. Der Kollege Lennartz hat in seiner Anfrage von einem in den Städten Braunschweig und Hannover Uwe Schünemann, Minister für Inneres und bekannten Kriminalitätsanstieg gesprochen. Las- Sport: sen Sie mich hierzu in der Betrachtung der Krimi- nalitätsentwicklung der letzten zehn Jahre einiges Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen richtig stellen. und Herren! Das neu entwickelte Planstellenver- teilungsmodell für den Polizeivollzugsdienst ist mit Die Zahl der in der polizeilichen Kriminalstatistik über 85 % schwerpunktmäßig auf eine belas- registrierten Straftaten in Niedersachsen insge- tungsorientierte Verteilung ausgelegt. Das heißt, samt war 2003 im Wesentlichen gleich groß wie dass die Polizeidirektionen auf der Grundlage ob- 1994. In diesem Zehnjahreszeitraum wurden 1999 jektiver und nachvollziehbarer Fakten die Anzahl landesweit die wenigsten und 2002 landesweit die an Planstellen erhalten, die jeweils ihrer Arbeits- meisten Straftaten verzeichnet. Die Entwicklung belastung entsprechen. Die zu betreuende Fläche der Straftaten in der Stadt Braunschweig entspricht sowie die Straftaten und Verkehrsdelikte werden in etwa diesem durchschnittlichen Landestrend. als absolute Größen angerechnet. In der Landeshauptstadt Hannover ist eine vom Bei der zu betreuenden Bevölkerung erfolgt neben Landestrend abweichende Entwicklung zu ver- reinen Einwohnerzahlen eine gesonderte Berück- zeichnen. Im Zehnjahreszeitraum hat sich dort die sichtigung der Ballungsräume. Bei der Entwicklung Anzahl der registrierten Straftaten um 16 % verrin- des Planstellenverteilungsmodells ist also die rela- gert. Allgemein lässt sich in der Mehrzahl der grö- tiv höhere Belastung der Polizei in Ballungsräumen ßeren niedersächsischen Städte folgende Tendenz bereits eingeflossen. Damit soll dem Phänomen erkennen: Der Anteil der in den großen Städten sozialer Brennpunkte in Ballungsräumen sowie begangenen Straftaten weist - im Gegensatz zur einem etwas höheren personellen Aufwand bei der Behauptung des Kollegen Lennartz - eine nahezu Einsatzbewältigung Rechnung getragen werden. durchgehend rückläufige Tendenz auf. So hat die Ausschlaggebend hierfür ist insbesondere der Anzahl der Straftaten in den acht größten nieder- Aspekt der Eigensicherung bei einem grundsätz- sächsischen Städten von 201 749 im Jahr 1994 lich höher zu bewertenden Gefährdungspotenzial auf 181 513 im Jahr 2003 abgenommen - mithin in sozialen Brennpunkten. eine Reduzierung um ca. 20 000 Straftaten oder ca. 10 %. Neben dieser besonderen Berücksichtigung der Ballungsräume in Niedersachsen wird der außer- An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass ordentlichen Situation der Landeshauptstadt Han- das neu entwickelte Planstellenverteilungsmodell nover zusätzlich Rechnung getragen. In der Poli- für die Polizei die Kriminalitätsbelastung auf der zeidirektion Hannover vereinigt sich eine Vielzahl Grundlage klarer Fakten berücksichtigt. So werden von Besonderheiten, wie Messen, Kongresse, die in einem Fünfjahreszeitraum von 1999 bis Staatsempfänge, Konsulate, Flughafen, Regie- 2003 registrierten Straftaten als Datengrundlage rungsviertel und Sportveranstaltungen. Diese herangezogen und je nach Arbeitsaufkommen für Breite an Besonderheiten ist in keiner der übrigen die unterschiedlichsten Delikte - vom Ladendieb- Flächendirektionen zu finden. Deshalb wurde für stahl bis zu Mord - faktorisiert. So führt eine höhere die Landeshauptstadt - zusätzlich zu der bereits Kriminalitätsbelastung auch zu einer erhöhten dargestellten Situation als Ballungsraum - ein Planstellenzuweisung. Sondersockel von 80 Planstellen zugewiesen. Die Aussage des Kollegen Lennartz, künftig wür- Bezüglich einer weiteren Erläuterung des Plan- den ca. 270 Polizeibeamte weniger in den Groß- stellenverteilungsmodells verweise ich auf meine städten Braunschweig und Hannover für die Si- Beantwortung der Mündlichen Anfrage Nr. 4 im cherheit sorgen, ist nicht zutreffend. Diese Zahl Oktober-Plenum vergangenen Jahres. Der lan- setzt sich offensichtlich zusammen aus der Sum- desweite Planstellenausgleich erfolgt jeweils zum me der von mir in der Vergangenheit dargestellten 1. April und 1. Oktober eines Jahres, sodass auch Grenze von 120 Planstellen, um die die Polizeidi- rektion Hannover maximal reduziert werden wird,

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sowie einem angeblichen Abzug von 150 Polizei- Zu 2: Ja. beamten aus Braunschweig. Diese Zahl stammt allerdings weder von mir noch aus der Polizeidi- Zu 3: Siehe Vorbemerkungen. rektion Braunschweig. (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Ich will aber gern etwas zu den tatsächlichen Zah- len sagen. Gemäß Darstellung aus den beiden Vizepräsidentin Astrid Vockert: Polizeibehörden wurden die Planstellen der ge- Danke schön. - Die erste Zusatzfrage stellt Herr samten Polizeidirektion Braunschweig (neu) zum Kollege Hagenah. Bitte! 1. Oktober 2004 um 17 und der gesamten Polizei- direktion Hannover (neu) um 98 Stellen reduziert. Enno Hagenah (GRÜNE): (Walter Meinhold [SPD]: 98?) Ich frage die Landesregierung, ob das Abziehen - Um 98 Stellen reduziert. - Bezugsgröße sind von Polizeikräften in erheblicher Größenordnung dabei die Dienststellen und Organisationseinhei- - aus Hannover und Braunschweig werden ja im- ten, die vor der Umorganisation vergleichbare Auf- mer noch über 100 Personalstellen abgezogen - gaben wahrgenommen haben. Die weitere Zuwei- aus der Sicht der Landesregierung darauf zurück- sung auf die nachgeordneten Polizeiinspektionen zuführen ist, dass die Ausstattung der Polizei in erfolgt durch die jeweilige Polizeidirektion. Auf Hannover und Braunschweig bisher zu üppig war. dieser Ebene werden regionale Besonderheiten und Schwerpunkte berücksichtigt. So verringerte Vizepräsidentin Astrid Vockert: sich der Planstellenbestand in der für das Stadtge- Für die Landesregierung antwortet Herr Innenmi- biet zuständigen Polizeiinspektion Braunschweig nister Schünemann. zum 1. Oktober 2004 um lediglich neun Stellen. Die im Stadtgebiet Hannover zuständigen vier Polizeiinspektionen haben 55 Planstellen abgege- Uwe Schünemann, Minister für Inneres und ben. Zum 1. Oktober 2004 betrug die Reduzierung Sport: der Planstellen für die Städte Braunschweig und Ich darf die Zahl wiederholen: Es sind für die Lan- Hannover somit 64 - also nicht 270, sondern ledig- deshauptstadt Hannover und die Stadt Braun- lich 64. schweig insgesamt 64 Stellen weniger. Es ist uns Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass durch die Polizeistrukturreform gelungen, effizien- landesweit ca. 210 Polizeivollzugsbeamtinnen und tere Strukturen zu schaffen, indem wir einiges Polizeivollzugsbeamte durch die Reduzierung von zusammengefasst und vor allem indem wir Stäbe Führungsdienststellen sowie das Festschreiben verschlankt haben. 210 Stellen, die vorher in den von Obergrenzen für Stabsstärken freigestellt wer- Stäben gewesen sind, sind jetzt im operativen den. In Braunschweig wurden zwei frühere Behör- Bereich eingesetzt, was natürlich insgesamt zu denstäbe zu einem neuen PD-Stab zusammenge- einer verbesserten Situation führt. Insofern kann legt. Synergieeffekte in Hannover ergeben sich ich überhaupt nicht erkennen, dass sich die Situa- darüber hinaus durch eine Optimierung der Dienst- tion in den Großstädten verschlechtert hat. stellenstruktur sowie durch die Zusammenfassung Das Wichtigste ist, dass wir die Mitarbeiterinnen aufgabenverwandter Dienststellen, wie beispiels- und Mitarbeiter der Polizei jetzt nach klaren Fakten weise die beiden früheren Zentralen Kriminal- und Deliktsfällen verteilen. Das heißt, wenn im dienste der Polizeidirektion und der Polizeiinspek- Vergleich der letzten Jahre ein höheres Straftaten- tion Hannover-Land oder auch des Zentralen Ver- aufkommen da ist, werden in der Zukunft mehr kehrsdienstes mit dem Autobahnpolizeikommissa- Polizeibeamte in den Großstädten sein. riat Hannover-Ahlem. Wie war es in der Vergangenheit? - Da ist in einer Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage Größenordnung von 75 % lediglich nach Funkti- namens der Landesregierung wie folgt: onsstellen verteilt worden. Das heißt, wenn ein Zu 1: Die Sicherheit in den Ballungszentren ist Rund-um-die-Uhr-Dienst da war, dann hat man nach wie vor sichergestellt. Im Übrigen verweise dort einen sehr hohen Anteil gehabt und hat über- ich auf die Vorbemerkungen. haupt nicht geguckt, ob der Arbeitsanfall entspre- chend gewesen ist. Dies haben wir jetzt verändert.

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Insofern haben wir eine gerechte Verteilung der haben, dass wir jetzt eine neue Landesregierung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserem Lande haben, die verstärkt Polizeibeamte einstellt. erreicht. Dies ist, glaube ich, sinnvoll im Hinblick auf die Sicherheit in unserem Lande, aber auch im (Beifall bei der CDU) Hinblick auf die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter Vielleicht sind Sie noch in der alten Zeit. der Polizei. (Zuruf von Klaus-Peter Bachmann (Beifall bei der CDU) [SPD])

Vizepräsidentin Astrid Vockert: - Wir bauen doch kein Personal ab!

Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage stellt Herr (Axel Plaue [SPD]: Was haben Sie Kollege Bachmann. Bitte! denn gerade eben erzählt?)

Klaus-Peter Bachmann (SPD): - Nein, in unserem Land haben wir 150 zusätzliche Polizeibeamte aus anderen Bundesländern einge- Herr Minister, es beeindruckt mich immer wieder, stellt. wie Sie mit weniger Personal mehr Leistung erbringen. Es ist schon sehr beeindruckend, wie (Beifall bei der CDU - Zuruf von Sie das hier darstellen. Klaus-Peter Bachmann [SPD])

Meine Frage ist erstens: Ist das Ende der Fahnen- - Sie wollen doch eine Antwort haben, und die stange erreicht? Sie operieren hier mit Zahlen, bekommen Sie jetzt auch. obwohl jeder in Braunschweig weiß, dass es einen (Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Aber weiteren Abbau geben wird, weil frei werdende auf das, was ich gefragt habe!) Stellen auf absehbare Zeit nicht wieder besetzt werden. Sie haben den Ist-Zustand referiert. Kön- Wir haben 500 zusätzliche Stellen für Polizeian- nen Sie mir sagen, ob der Endzustand erreicht ist, wärter geschaffen, von denen die ersten schon im oder mir bestätigen, dass es sich nur um die Dar- Jahre 2006 ihren Dienst aufnehmen können. In- stellung des Ist-Zustandes an dem genannten sofern werden wir die Polizeipräsenz verstärken. Stichtag handelt? (Reinhold Coenen [CDU]: So ist das!) Zweitens. Sie haben einmal auf eine Zwischenfra- ge von mir auch nur eine ausweichende Antwort Es gibt keine Wiederbesetzungssperre in diesem gegeben. Wenn durch Versetzung oder Eintritt in Lande. Eine solche gibt es gerade im Bereich der den Ruhestand frei werdende Stellen auf absehba- Polizei nicht, weil die innere Sicherheit für uns re Zeit nicht wieder besetzt werden, befürchten Sie wichtig ist. dann nicht auch, wie es alle Kolleginnen und Kol- Ich kann Ihnen natürlich nicht sagen, ob in Braun- legen der Landespolizei in Braunschweig tun, dass schweig oder in der Fläche immer genau die glei- die Streifenwagenbesatzungen zunehmend älter che Anzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werden und Sie mit dieser Wiederbesetzungssper- vorhanden ist; denn wir haben ein vernünftiges re ein Durchschnittsalter provozieren, das der er- Personalverteilungssystem, lieber Herr Bachmann. forderlichen Einsatzbereitschaft auf der Straße Wenn sich die Deliktzahl ändert, dann verändert nicht mehr unbedingt gerecht wird? sich aufgrund der Berechnung auch die Zahl der Mitarbeiter. Wir müssen flexibel reagieren. Vizepräsidentin Astrid Vockert: Ich will Ihnen einmal anhand eines Vergleichs sa- Zwei Zusatzfragen; Herr Kollege Bachmann, das gen, wie es in der Vergangenheit gewesen ist. Ich waren Ihre letzten. - Die Antwort für die Landesre- beziehe mich dabei auf Gifhorn und Goslar. Das gierung gibt Herr Minister Schünemann. sind Regionen, die man von der Anzahl der Ein- wohner und auch von der Fläche her durchaus Uwe Schünemann, Minister für Inneres und miteinander vergleichen kann. In der Vergangen- Sport: heit waren auch die Deliktzahlen ungefähr gleich Sehr geehrter Herr Kollege Bachmann, es ist hoch. Wie ist dort verteilt worden? - In Goslar gab schon interessant, dass Sie nicht mitbekommen es 165 Stellen und in Gifhorn 60 Stellen. Das war

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nur deshalb so, weil man auf eine Sockelung an- Uwe Schünemann, Minister für Inneres und gewiesen war und nicht entsprechend den Delikt- Sport: zahlen und anderen vergleichbaren Zahlen ver- nünftig reagiert hat. So etwas wird es in der Zu- Jede Straftat, jedes Verbrechen ist nach Auffas- kunft nicht geben. Das Personal muss entspre- sung dieser Landesregierung ein Verbrechen zu chend dem Anfall an Arbeit verteilt werden. Das viel. haben wir sichergestellt, und insofern haben wir (Beifall bei der CDU) mittlerweile eine höhere Sicherheit als in der Ver- gangenheit. Deshalb tun wir alles, um die Bürgerinnen und Bürger vor Verbrechen zu schützen. Ich freue mich (Beifall bei der CDU und bei der sehr, dass Sie noch einmal darauf hingewiesen FDP - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: haben, dass wir mit einem verbesserten Polizeige- Die Realität sieht anders aus!) setz der Polizei bessere Möglichkeiten geben, Straftäter dingfest zu machen und - dies ist mir Vizepräsidentin Astrid Vockert: noch wichtig - Straftaten zu verhindern. Wenn es in Danke schön. - Da einige Kolleginnen und Kolle- den nächsten Jahren eine drastische Reduzierung gen schon etwas ungeduldig wirken, will ich Ihnen der Kriminalitätsrate gäbe, dann wäre das genau in kurz mitteilen, dass Wortmeldungen zu Zusatzfra- unserem Interesse. Wir werden auch in der Zu- gen vorliegen von Herrn Briese, Frau Heinen- kunft alles tun, damit dies in Niedersachsen eintritt. Kljajić, Herrn Meinhold, Herrn Professor Lennartz, (Beifall bei der CDU) Frau Steiner, Frau Polat, Frau Langhans, Herrn Meyer und Frau Leuschner. Jetzt rufe ich Herrn Vizepräsidentin Astrid Vockert: Briese auf. Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Ralf Briese (GRÜNE): Kollegin Heinen-Kljajić. Bitte ! Wenn es wirklich so ist, wie der Innenminister ge- Dr. Gabriele Heinen-Kljajić (GRÜNE): rade dargestellt hat, dass die Kriminalitätsrate in Niedersachsen in den letzten zehn Jahren in Nie- Wenn Sie sagen, die Sicherheitssituation habe dersachsen quasi stabil geblieben und in den sich insgesamt verbessert, dann frage ich Sie, aus Großstädten sogar geringer geworden ist, dann welchen Gründen es die Landesregierung für aus- verstehe ich nicht, warum die Landesregierung reichend hält, dass beispielsweise in einer Groß- durch einschneidende Sicherheitsgesetze, wie das stadt wie Braunschweig, etwa in den Stadtteilen neue Polizeigesetz oder das Verfassungsschutz- Querum oder Heidberg, oder auch in der Fläche in gesetz, oder auch durch die geplante Einrichtung Hermannsburg in der Nacht keine Polizisten mehr einer Bürgerwehr massiv in die Freiheitsrechte der vor Ort sind, sondern stattdessen Notrufsäulen Bürgerinnen und Bürger einschneidet. Wie passt aufgestellt werden. es denn zusammen, dass die Kriminalität immer stärker sinkt, während in die Freiheitsrechte immer Vizepräsidentin Astrid Vockert: stärker eingegriffen wird? Das soll uns die Landes- regierung einmal erklären. Für die Landesregierung Herr Innenminister Schü- nemann, bitte! (Beifall bei den GRÜNEN) Uwe Schünemann, Minister für Inneres und Vizepräsidentin Astrid Vockert: Sport: Danke schön, Herr Briese. - Für die Landesregie- In einer Großstadt wie Braunschweig ist es sinn- rung Herr Innenminister Schünemann, bitte! voll, dass wir die Kräfte effizient einsetzen. Wir haben in den beiden genannten Bereichen aus einem Polizeikommissariat mit Rund-um-die-Uhr- Dienst eine Station gemacht, bei der tagsüber die Präsenz sichergestellt ist. Aber durch einen neuen Zuschnitt der Polizeikommissariate haben wir er- reicht, dass gerade in einer Großstadt, wenn „110“

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angerufen wird, die Polizei auch in der Nacht un- und -beamte freigesetzt, die nun für die basispoli- verzüglich vor Ort ist. Es ist wichtig, dass wir die zeilichen Aufgaben eingesetzt werden können. Die vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dienststellenstruktur wurde optimiert. Durch die Polizei so einsetzen, dass effektiv gearbeitet wer- Zusammenfassung aufgabenverwandter Dienst- den kann. Die Vorzüge, die es in einer Großstadt stellen wurden Synergieeffekte erzielt. Ich kann im Vergleich zur Fläche gibt, sollten wir dann auch Ihnen zwei Beispiele nennen: die Zusammenfas- vernünftig organisieren. Wir haben in der Vergan- sung des ZKD der PD Hannover und des ZKD der genheit gerade in der Fläche das Problem gehabt, PI Hannover-Land und die Zusammenfassung des dass die Polizeidichte viel zu gering war. Daher ZVD der PD Hannover mit dem PK BAB Hannover- mussten effektivere Strukturen her. Diese haben Ahlem. wir gerade in Braunschweig und in Hannover ge- schaffen. Das zeigt, dass wir insgesamt - gerade durch die Umstrukturierung der PD Hannover und der PI (Beifall bei der CDU - Zuruf von Hannover-Land - schlankere Stäbe geschaffen Klaus-Peter Bachmann [SPD]) haben. Dadurch können die Polizeibeamten, die vorher in Stäben gewesen sind, jetzt im operativen Vizepräsidentin Astrid Vockert: Geschäft eingesetzt werden. Wir haben es also geschafft, die Polizeibeamten in Hannover so zu Die nächste Zusatzfrage kommt nicht von Herrn verteilen, dass die Sicherheit in diesem Gebiet Bachmann, sondern von Herrn Meinhold. Herr hervorragend gewährleistet werden kann. Meinhold, bitte! Meine Damen und Herren, wie können Sie, wenn Walter Meinhold (SPD): wir uns genau an den Fakten orientieren, dann behaupten, dass es hier zu einer Verschlechterung Herr Minister, Sie haben einleitend gesagt, dass der Situation gekommen ist? Dieses Personalver- die Kriminalität in der Stadt Hannover zurückge- teilungskonzept geht genau auf die Dinge ein, auf gangen sei, und haben das auf die Zeit von 1994 die es ankommt: Wenn es zu einer Zunahme von bis 2003 bezogen. Haben Sie damit Ihre Wahlaus- Kriminalitäts- und Verkehrsdelikten kommt, wird sage von 2002 korrigieren wollen, mit der Sie näm- mehr Personal zur Verfügung gestellt. Wenn es lich zur Sicherheitslage etwas anderes ausgesagt allerdings zu einer Abnahme solcher Delikte haben? kommt, wenn es also weniger Arbeit gibt, dann wird es natürlich auch zu einer Reduzierung kom- Zweitens. Herr Minister, wir haben die Region men. Wer dagegen etwas hat, der muss mir einmal Hannover gebildet. Wir machen keine Trennung darstellen, wie wir in Zukunft, gerade in finanziell zwischen dem Umland und der Stadt selbst. Zur schwierigen Zeiten, überhaupt mit Personal umge- Kenntnis zu nehmen ist, dass Sie in diesem Be- hen wollen. reich 98 Stellen abgebaut haben. Dieses Vorgehen können Sie damit erklären, dass sich die Sicher- (Beifall bei der CDU und bei der FDP - heitslage verbessert habe. Wir sehen es allerdings Zuruf von Axel Plaue [SPD]) nicht so und fragen Sie deshalb: Können wir davon ausgehen, dass die Zahl der Polizeibeamten wie- Vizepräsidentin Astrid Vockert: der erhöht wird, wie es der Polizeipräsident Klosa angekündigt hat? Herr Plaue, Sie können sich gleich noch einmal melden. - Herr Professor Lennartz stellt die Vizepräsidentin Astrid Vockert: nächste Zusatzfrage.

Danke schön. - Für die Landesregierung Herr In- Professor Dr. Hans-Albert Lennartz (GRÜ- nenminister Schünemann, bitte! NE): Uwe Schünemann, Minister für Inneres und Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich Sport: habe zwei Fragen, die ich hintereinander stellen möchte. Vielleicht bin ich ja der Einzige, der es Ich darf die Situation in Hannover noch einmal noch immer nicht verstanden hat. darstellen: Durch die Umstrukturierung von Stabs- dienststellen wurden Polizeivollzugsbeamtinnen Erstens. Herr Minister, in der Beantwortung der ersten der drei Fragen haben Sie ausgeführt, dass

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in Hannover 98 Polizeibeamte abgezogen werden. Vizepräsidentin Astrid Vockert: Zu einem früheren Zeitpunkt - ich meine, das war Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Stei- eine Mündliche Anfrage im Oktober-Plenum, je- ner. denfalls in diesem zeitlichen Kontext - hat Ihr Haus gegenüber der Presse mitgeteilt, dass 150 Polizei- beamte aus Hannover abgezogen werden. Diese Dorothea Steiner (GRÜNE): Differenz verstehe ich nicht. Insofern habe ich Herr Minister, Sie haben gerade dargestellt, dass noch immer Aufklärungsbedarf. das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölke- Zweitens. Das Ziel der Landesregierung ist ja, das rung auf keinen Fall beeinträchtigt werden könne. subjektive Sicherheitsempfinden in der Bevölke- Ich frage Sie: Wie wird sich die Verringerung der rung zu stärken. Erreichen Sie dieses Ziel nach Anzahl der Polizeibeamten in den Städten, die Ihrer Auffassung durch Ihre Polizeireform, die Sie Kriminalitätsschwerpunkte sind, auf das subjektive zum Oktober/November des vergangenen Jahres Sicherheitsempfinden der Bevölkerung auswirken? in Kraft gesetzt haben, oder bedarf es zur Errei- chung dieses Ziels zusätzlich einer Hilfspolizei in Vizepräsidentin Astrid Vockert: Niedersachsen? Danke schön. - Für die Landesregierung Herr In- nenminister Schünemann! Vizepräsidentin Astrid Vockert: Danke schön, Herr Professor Lennartz. - Für die Uwe Schünemann, Minister für Inneres und Landesregierung Herr Minister Schünemann, bitte! Sport: Wir setzen die Polizei je nach Arbeitsanfall ein; das Uwe Schünemann, Minister für Inneres und habe ich Ihnen schon zigmal dargestellt. Wir haben Sport: durch die Polizeistrukturreform die Stabsstellen Zum Bereich der Polizeidirektion Hannover hatte reduziert. Damit haben wir nicht die Präsenz auf ich ausgeführt, dass es dort zu einer Reduzierung der Straße verringert, im Gegenteil. Von daher ist von maximal 120 Stellen kommen kann. Ich habe das subjektive Sicherheitsgefühl in keiner Weise, Ihnen dargestellt, dass es zum 1. Oktober 2004 auch nicht in den Großstädten, beeinträchtigt. tatsächlich 98 Stellen waren. Das nächste Datum, (Beifall bei der CDU und bei der FDP) zu dem das wieder festgestellt wird, ist der 1. April 2005. Es ist also unter dieser Maximalzahl geblie- Vizepräsidentin Astrid Vockert: ben. Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Polat. Wir brauchen in Niedersachsen keine Hilfspolizei, weil wir keine Hilfspolizei einführen wollen. Sie wissen aus der Diskussion, dass wir den Kommu- Filiz Polat (GRÜNE): nen die Möglichkeit geben wollen, zusätzlich noch Frau Präsidentin! Ich frage die Landesregierung: In etwas zu tun. Wir wollen bürgerschaftliches Enga- einigen Gebieten ist die Stellenanzahl um 10 % gement im Bereich der Gefahrenabwehr ermögli- gestiegen, z. B. im Bereich Cloppenburg/Vechta. chen und den Kommunen durch ein Gesetz die Nach welchen Kriterien sind Sie gerade in diesen Bestellung von Ehrenbeamten ermöglichen. Das Regionen vorgegangen: nach Fläche, nach Ein- ist etwas, was das subjektive Sicherheitsgefühl wohnerzahl oder nach Fallzahlen? erheblich verbessern wird. Wir werden im Jahr 2006 in einigen Modellregionen beginnen und Vizepräsidentin Astrid Vockert: dann die Erfahrungen bewerten. Ich bin ganz si- cher, dass wir noch in dieser Legislaturperiode im Danke schön. - Für die Landesregierung Herr In- gesamten Land dort, wo die Kommunen dies wün- nenminister Schünemann. schen, hervorragende Ergebnisse erzielen, wie es sie in anderen Bundesländern übrigens auch gibt. Uwe Schünemann, Minister für Inneres und Sport: (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Die Kriterien sind Folgende: Zum einen - das hatte ich in meiner Beantwortung schon dargestellt -

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legen wir die Deliktzahlen zugrunde. Bei den dass sich bei zwei Beamten weniger das subjekti- Straftaten haben wir eine Faktorisierung vorge- ve Sicherheitsgefühl der Bürger vor Ort stärkt. nommen; denn wenn Sie einen Ladendiebstahl bearbeiten, dann brauchen Sie erheblich weniger Vizepräsidentin Astrid Vockert: Zeit, als wenn Sie ein Mord- oder Körperverlet- zungsdelikt bearbeiten. Für die Landesregierung Herr Innenminister Schü- nemann. Zum anderen haben wir die Zahl der Einwohner als Grundlage genommen. In den Ballungsgebieten Uwe Schünemann, Minister für Inneres und - gerade in Hannover und Braunschweig - haben Sport: wir eine besondere Veredelung vorgenommen. Wir haben aber auch - und das ist wichtig - einen Flä- Für mich sind Kontaktbeamte ganz wichtig. Ich chenfaktor angenommen: von 20 %. Wir hatten habe mich schon erkundigt. In welcher Größen- das große Problem, dass wir in der Fläche - die ordnung es in Celle noch Kontaktbeamte gibt, weiß Vorgängerregierung hat leider Gottes den ländli- ich nicht. Aber geben wird es sie dort auch in Zu- chen Raum vernachlässigt - viel zu wenig Polizei- kunft noch. beamte gehabt haben. Gerade wenn Sie am Wo- chenende oder in der Nacht 110 angerufen haben, Ich kann nur wiederholen, dass wir die Polizeibe- haben Sie zum Teil 30 oder 45 Minuten warten amten nach klaren Kriterien verteilen. Das Innen- müssen, bis überhaupt ein Streifenwagen da war. ministerium ist zuständig für die Verteilung auf der Das können wir in Zukunft nicht mehr akzeptieren. PD-Ebene. Die Polizeipräsidenten verteilen nach Deshalb haben wir diesen Flächenfaktor vorgese- ähnlichen Kriterien, aber können auch individuell hen. auf die Gegebenheiten vor Ort Rücksicht nehmen. Wir haben in unserem Lande in der Zukunft insge- Wir werden in dieser Legislaturperiode insgesamt samt 1 000 Polizeibeamte zusätzlich zur Verfü- 1 000 zusätzliche Stellen umsetzen. Ich habe es gung. Wir erreichen durch die Polizeistrukturre- schon gesagt: 500 davon sind bereits eingestellt, form, dass 210 Mitarbeiter aus den Stäben auf die und 200 Verwaltungsmitarbeiter werden jetzt in Straße kommen. Auf diese Weise werden, wenn den Polizeidienst übernommen, sodass ausgebil- Sie das zusammenzählen, 1 210 Polizeibeamte dete Polizeibeamte die Straftäter verfolgen kön- mehr zur Verfügung stehen. nen. Ich glaube, das ist genau der richtige Weg, um die Sicherheit in unserem Lande zu verstärken. Und wenn es regionale Unterschiede gibt, dann hat das eben damit etwas zu tun, dass das Straf- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) tatenaufkommen in unserem Lande unterschied- lich ist. Zu diesen regionalen Unterschieden stehe Vizepräsidentin Astrid Vockert: ich. Es ist richtig, dass es sie gibt. Wir müssen das Personal und die Arbeitsbelastung schließlich ver- Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Meyer. nünftig verteilen. Bitte! (Beifall bei der CDU und bei der FDP - Rolf Meyer (SPD): Zuruf von der SPD: Die Worte hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!) Herr Minister, Sie haben eben die Stärkung des ländlichen Raums angesprochen. Halten Sie es für Vizepräsidentin Astrid Vockert: eine Stärkung des ländlichen Raums, wenn im Bereich der Polizeiinspektion Celle unter dem Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Strich zwei Beamte weniger da sind und ausweis- Leuschner. Bitte! lich der Celleschen Zeitung von vorgestern kein Kontaktbeamter mehr zur Verfügung steht, weil sie Sigrid Leuschner (SPD): alle im Innendienst arbeiten müssen? Zudem steht im Bereich des nordöstlichen Landkreises Celle Ich komme noch einmal auf die Ballungsgebiete der zweite Streifenwagen nicht mehr zur Verfü- Hannover und Braunschweig zurück. Sie haben gung, weil man innerhalb des Landkreises umge- gesagt, Sie wollen dort mehr Polizei auf die Straße schichtet hat. Ich kann daran nicht erkennen, dass bringen. Ich frage Sie: Wie passt das denn damit das eine Stärkung bedeutet. Ich glaube auch nicht, zusammen, dass im gleichen Atemzug Kontaktbe- amte abgebaut werden und so genannte Zweier-

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dienststellen einen größeren Zuständigkeitsbereich Uwe Schünemann, Minister für Inneres und erhalten? Sport: Natürlich. Die Landesbereitschaftspolizei ist ein Vizepräsidentin Astrid Vockert: ganz wesentlicher Faktor, der gewährleistet, dass Danke schön. - Für die Landesregierung Herr In- die benötigten Kräfte gerade in Hannover und nenminister Schünemann! Braunschweig, im Übrigen aber auch im gesamten Land zur Verfügung stehen. Weil wir auch in die- Uwe Schünemann, Minister für Inneres und sem Bereich wieder Defizite der Vorgängerregie- Sport: rung aufzuarbeiten haben, werden wir es bereits zum 1. April 2005 in Göttingen erreichen, dass es Wenn das Straftatenaufkommen in Hannover und dort in der Zukunft auch tatsächlich eine Hundert- in Braunschweig zurückgeht, hat das Auswirkun- schaft geben wird. Dort haben wir bisher nämlich gen auf die Zuweisung des Personals. Das ist nur zwei Züge. Das Gleiche werden wir in Olden- doch überhaupt keine Frage. Alles andere wäre ja burg erreichen. Meine Damen und Herren, wenn auch überhaupt nicht sinnvoll. Ansonsten haben wir die Bereitschaftspolizei auch vor Ort in der wir es - ich kann es noch einmal wiederholen - Fläche vernünftig aufgestellt haben, müssen wir durch die Strukturreform geschafft, dass wir effi- die Bereitschaftspolizei aus Hannover und Braun- zienter arbeitende Stäbe haben; das ist doch schweig nicht abziehen. Ein Zug hat etwa 35 Mit- überhaupt keine Frage. Deshalb ist es doch sinn- arbeiter. Wenn Sie sich das vor Augen führen, voll, dass die Mitarbeiter, die vorher in den Stäben können Sie davon ausgehen, dass wir gerade in gewesen sind, jetzt im operativen Geschäft sind. Hannover und in Braunschweig die Bereitschafts- polizei sehr viel besser einsetzen können. Zur Personalverteilung habe ich hier ja nun wirklich zigmal geantwortet. Es wird dadurch ja nicht bes- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) ser, dass Sie noch zehnmal nachfragen. Sie müs- sen akzeptieren, dass dieses Verteilungsmodell Vizepräsidentin Astrid Vockert: nicht nur akzeptiert worden ist, sondern zwingend notwendig gewesen ist. Ihre zweite und damit letzte Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Steiner. (Beifall bei der CDU - Zuruf von der SPD: Das ist nicht akzeptiert!) Dorothea Steiner (GRÜNE):

Vizepräsidentin Astrid Vockert: Herr Minister, Sie haben vorhin auf die Frage des Kollegen Meyer ausgeführt, dass Sie den Einsatz Danke schön. - Die zweite und damit für ihn letzte der Beamten immer streng entsprechend der Si- Zusatzfrage stellt der Herr Kollege Briese. - Herr cherheits- und Gefahrenlage vornehmen. Jetzt Briese zieht zurück. Dann Herr Kollege Biallas! stelle ich fest, dass in der Polizeidienststelle in Brome - das liegt nördlich von Wolfsburg und hat Hans-Christian Biallas (CDU): 3 350 Einwohner - künftig statt drei Beamte acht Beamte ihren Dienst verrichten. Ich frage die Lan- Ich frage die Landesregierung: Hat die Tatsache, desregierung: Welche konkrete Sicherheits- und dass z. B. an den Standorten Hannover und Gefahrenlage rechtfertigt eine Ausweitung um ca. Braunschweig sehr starke Einheiten der Landes- 270 %, wenn es nach einem Artikel der Braun- bereitschaftspolizei stationiert sind, Auswirkungen schweiger Zeitung vom Dezember letzten Jahres auf die Polizeipräsenz in ebendiesen Städten? dort schon eine Sensation darstellt, wenn - ich (Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Die zitiere - zwei Kühe aufeinander prallen? waren vorher auch da!) (Hans-Joachim Janßen [GRÜNE]: Je- der Unfall ist ein Unfall zu viel! - Hei- Vizepräsidentin Astrid Vockert: terkeit) Danke schön. - Für die Landesregierung antwortet Herr Innenminister Schünemann. Vizepräsidentin Astrid Vockert: Für die Landesregierung Herr Innenminister Schü- nemann, bitte!

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Uwe Schünemann, Minister für Inneres und rot-grünen Politik stark gebeutelte deutsche Wirt- Sport: schaft. Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich die Ich frage die Landesregierung: genauen Zahlen für das von Ihnen genannte Bei- spiel nicht sofort parat habe. Ich könnte Ihnen die 1. Welche Auswirkungen haben sich für die nie- Einzelheiten aber gleich darstellen. dersächsischen Betriebe durch die veränderten Ökosteuerregelsätze seit dem 1. Januar 2003 er- Aber, meine Damen und Herren: Auch in dieser geben? Region hat man einen Anspruch darauf, dass die Polizei dann, wenn man in Not ist und sie ruft, 2. Welches Szenario haben energieintensive Be- möglichst schnell zur Verfügung steht. Deshalb triebe in Niedersachsen zu befürchten, wenn künf- haben wir den Flächenfaktor eingeführt. tig die Ökosteuer-Rabatte gestrichen werden?

Es ist schon wichtig, dass man die Ballungsgebiete 3. Wie hoch sind bereits heute die Belastungen für im Auge hat. Deshalb haben wir auch besondere niedersächsische Betriebe durch staatliche Auf- Faktoren mit aufgenommen. Die Sicherheit muss schläge bei den Energiepreisen? in der Fläche aber genauso gewährleistet sein wie in den Ballungsgebieten. Wir haben hier jetzt für Vizepräsidentin Astrid Vockert: mehr Gerechtigkeit gesorgt. Danke schön. - Für die Landesregierung Herr Wirt- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) schaftsminister Hirche, bitte!

Vizepräsidentin Astrid Vockert: Walter Hirche, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr: Danke schön. - Weiter Zusatzfragen liegen nicht vor. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dinkla, ich beginne mit einer Vorbemer- Ich rufe dann auf kung. Die so genannte ökologische Steuerreform nahm im Jahre 1999 mit der Einführung einer neu- en Abgabe - der Stromsteuer - ihren Anfang. Zu- gleich wurden die Mineralölsteuersätze auf Kraft- Frage 3: stoffe, Heizöl, Erdgas und Flüssiggas erhöht. Abschaffung von Ökosteuer-Rabatten - Durch das Gesetz zur Fortführung der ökologi- Auswirkungen auf niedersächsische Be- schen Steuerreform folgten vier weitere Erhö- triebe hungsstufen der Steuersätze auf Strom und Kraft- stoffe für die Jahre 2000 bis 2003. Die vorläufig Die Frage wird eingebracht vom Abgeordneten letzte Modifizierung der ökologischen Steuerreform Dinkla. Bitte schön, Herr Kollege Dinkla! trat am 1. Januar 2003 in Kraft. Zum einen wurden die Mineralölsteuersätze auf Erdgas als Heizstoff, Hermann Dinkla (CDU): Flüssiggas und schweres Heizöl weiter erhöht. Frau Präsidentin! Unternehmen des produzieren- Zum anderen wurden steuerliche Begünstigungen den Gewerbes müssen seit Anfang des Jahres für Unternehmen des produzierenden Gewerbes 2003 60 % der Ökosteuerregelsätze zahlen, nach- und der Land- und Forstwirtschaft schrittweise dem sie zuvor nur mit 20 % belangt wurden. beseitigt.

In der Bild am Sonntag vom 14. November 2004 Sechs Jahre ökologische Steuerreform führen zu ließ , Bundesvorsitzende von Bünd- einer ernüchternden Bilanz. Das Ziel, mit der Öko- nis 90/Die Grünen, nunmehr verlauten, die Aus- steuer die Lohnnebenkosten nachhaltig zu senken, nahmeregelungen bei der Ökosteuer für energie- ist gescheitert. Vor der Ökosteuer betrug der Ren- intensive Industriezweige überprüfen zu wollen. tenversicherungsbeitrag 20,3 %, heute sind es Während in Frankreich die Verbraucher für die ganze 19,5 %. Das ist nicht der große Wurf, um hohen Ölpreise entschädigt werden sollen, überle- durch eine Verbilligung des Faktors Arbeit die Be- gen sich die Regierungsparteien in Berlin immer schäftigungssituation zu verbessern. Ebenso we- neue Daumenschrauben für die ohnehin von der nig ist bis jetzt nachgewiesen, dass mit dem In- strument der Ökosteuer entscheidende Energie-

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einsparungen erreicht werden konnten. Die Verla- rungen durch die Senkung der Arbeitgeberanteile gerung von Industriekapazität ins Ausland und das zur Rentenversicherung übersteigt. Nachlassen des Wirtschaftswachstums haben mit großer Wahrscheinlichkeit eine höhere Bedeutung. Die Bundesregierung hat in dem Gesetzentwurf Für Verbraucher und Unternehmen stellt sich die zur Fortentwicklung der ökologischen Steuerreform Ökosteuer als reiner Kostenfaktor dar, der insbe- das Steueraufkommen aus der Zurückführung der sondere auch die Wettbewerbsfähigkeit des Steuervergünstigungen für das produzierende Ge- Standortes Deutschland nachteilig beeinträchtigt. werbe und die Land- und Forstwirtschaft mit Von daher kann ich vor einer weiteren Fortent- 380 Millionen Euro jährlich auf Bundesebene be- wicklung der ökologischen Steuerreform - wie von ziffert. Rot-Grün zu hören - nur warnen. Denn bisher hat Zu 2: Bei einer Streichung der geringeren Sätze für jede Reform im Bereich der Ökosteuer Unterneh- das produzierende Gewerbe würden die betroffe- men und Verbraucher zusätzliches Geld gekostet, nen Betriebe mit dem jeweiligen Regelsteuersatz was dann an anderer Stelle - etwa im Konsum- auf Mineralöl und Strom belastet werden. Die Bun- kreislauf - fehlt. desregierung schätzt das Volumen dieser Rege- Neben den finanziellen Belastungen führt die Öko- lung für das produzierende Gewerbe und die Land- steuer bei den Unternehmen auch zu einem er- und Forstwirtschaft auf 3,7 Milliarden Euro. heblichen Bürokratieaufwand. So müssen bei- Eine Aufhebung dieser so genannten Vergünsti- spielsweise die Unternehmen des produzierenden gungen hätte verheerende Folgen für die Unter- Gewerbes den ermäßigten Steuersatz und den nehmen, die Arbeitsplätze und den Wirtschafts- Spitzenausgleich in einem komplizierten und auf- standort Deutschland. Deutschland hat bereits jetzt wändigen Erstattungsverfahren geltend machen. mit die höchsten Energiepreise in Europa. Zusätz- Dabei verschärft die steuerliche Vorleistungspflicht liche Belastungen wären für viele Industriebetriebe die Situation vieler mittelständischer Betriebe, die und natürlich auch für die Arbeitsplätze in diesen nur über knappes Eigenkapital verfügen. Betrieben das Aus. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen Eine Streichung der Vergünstigungen wird namens der Landesregierung wie folgt: zwangsläufig dazu führen, dass Deutschland we- Zu 1: Durch das Gesetz zur Fortentwicklung der gen der hohen Energiekosten immer weniger att- ökologischen Steuerreform haben sich für die Un- raktiv für Investoren wird. Allein die Diskussion in ternehmen ab dem 1. Januar 2003 insbesondere den Regierungsparteien, die Ökosteuer jährlich folgende Änderungen ergeben: überprüfen und Ausnahmen im Wert von 5 Milliar- den Euro jedes Jahr teilweise streichen zu wollen, Erhöhung der Mineralölsteuersätze auf schreckt ausländische und inländische Investoren ab. Insbesondere die Geschäftsführungen von - Erdgas als Heizstoff von rund 0,35 Cent auf deutschen Niederlassungen ausländischer Kon- 0,55 Cent je Kilowattstunde - ein Plus von zerne haben da ihre besonderen Probleme. - Herr 57 %, Kollege Dinkla, Sie kennen aus Ihrer Nachbar- schaft - ich will da nicht präziser werden - die Dis- - Flüssiggas zum Verheizen von 38,34 Euro auf kussion darüber, ob wir eine bestimmte Investition 60,60 Euro je 1 000 kg - ein Plus von ca. in einem hohen dreistelligen oder vierstelligen 58 % -, Millionenumfang realisieren können. - Die Ge- - schweres Heizöl von 17,89 Euro auf 25 Euro je schäftsführungen deutscher Niederlassungen 1 000 kg - ein Plus von ca. 40 %. müssen ihren Konzernleitungen bei Investitions- vorhaben die Rentabilität am Standort Deutschland Für Unternehmen des produzierenden Gewerbes nachweisen, was in Anbetracht einer ohnehin wurden die ermäßigten Ökosteuersätze auf Strom, schon komplizierten Ökosteuer durch ständige Heizöl und Erdgas von 20 % auf 60 % der regulä- Reformdiskussionen noch erschwert wird. ren Sätze angehoben. Der Spitzenausgleich wurde geändert. Den Unternehmen des produzierenden Eine Streichung der Vergünstigungen bedeutet Gewerbes wird bei Überschreiten einer Bagatell- aber auch, dass sich der Bund weiterhin auf Kos- grenze von 512,50 Euro der Anteil der Ökosteuer- ten der Länderhaushalte bereichert. Denn die zahlungen zu 95 % zurückerstattet, der die Einspa- Ökosteuer steht auch in einer wechselseitigen

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Beziehung zu der Gewinnbesteuerung eines Un- Existenzminimum gestiegen ist und in welchem ternehmens. Alles, was ein Unternehmen dem Umfang insbesondere die Unternehmensbesteue- Bund an Ökosteuer zahlt, reduziert den nach Ein- rung in diesem Zeitraum gesunken ist? Außerdem kommensteuer- bzw. Körperschaftsteuergesetz zu sagen Sie bitte im Vergleich dazu noch einmal, wie versteuernden Gewinn. Folglich reduziert sich hier stark die Mehrwertsteuer in der Regierungszeit von das Steueraufkommen, an dem die Länder zur Bundeskanzler Kohl von 1990 bis 1998 gestiegen Hälfte beteiligt sind. Dieser negative Effekt für den ist. Landeshaushalt wird auch nicht durch die Beteili- gung am Umsatzsteueraufkommen kompensiert. Vizepräsidentin Astrid Vockert: Zu 3: Bereits heute unterliegt das produzierende Herr Kollege Briese, Sie geben mir Recht, dass Gewerbe neben der Ökosteuer mit dem EEG, also das mehr Fragen waren. Insofern ist Ihr Fragekon- dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, dem Kraft- tingent abgearbeitet. Wärme-Kopplungsgesetz und dem Emissionshan- del einer Reihe von Instrumenten, die Energie (Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das war durch staatliche Vorgaben übermäßig verteuern. eine Frage zu einem Themenkom- Die Belastungen sind von der Branche und dem plex!) Einzelfall abhängig. Für die Landesregierung Herr Minister Hirche, Für ein durchschnittliches Produktionsunterneh- bitte! men, das mit dem ermäßigten Ökosteuersatz be- steuert wird, liegt der Anteil staatlicher Aufschläge Walter Hirche, Minister für Wirtschaft, Arbeit an den Strombezugskosten bei ca. 27 %. Darin ist und Verkehr: nicht eingerechnet die Umsatzsteuer, weil insoweit Abzugsmöglichkeiten im Wege der Vorsteuer vor- Meine Damen und Herren, das Instrument der handen sind. Bei einem Unternehmen, das mit Fragestunde dient dazu, präzise Fragen zu einem dem Regelsteuersatz besteuert wird, liegt der An- bestimmten Bereich zu beantworten, und nicht teil schon bei weit über 30 %. Ich wiederhole: Die dazu, eine allgemeine Debatte über Steuerfragen Umsatzsteuer ist dabei nicht berücksichtigt. Dabei zu führen. entfallen rund 10 % auf die Konzessionsabgabe, (Beifall bei der FDP und bei der CDU - weitere 10 % auf die Stromsteuer als Teil der Öko- Stefan Wenzel [GRÜNE]: Herr Hirche, steuer, 4 % auf die Umlage nach dem Energieein- die Frage war sehr präzise!) speisungsgesetz und 3 % auf die Umlage nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz. Meine Damen und Herren, deswegen wird die Landesregierung sehr gerne bei anderer Gelegen- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) heit auf allgemeine Fragen zur Steuerpolitik ant- worten. Vizepräsidentin Astrid Vockert: Dabei will ich auf einen Sachverhalt eingehen, der Danke schön. - Zur ersten Zusatzfrage Herr Kolle- in diesem Zusammenhang von großem Interesse ge Briese, bitte! ist. Die Bundesregierung hat durch die Änderung der Körperschaftsteuer Ausfälle von über 25 Milli- Ralf Briese (GRÜNE): arden Euro verursacht.

Die Anfrage des Abgeordneten Dinkla erweckt den (Ralf Briese [GRÜNE]: Sie sollen die Eindruck, dass in der Regierungszeit von Rot-Grün Frage beantworten!) in Berlin die Abgabenbelastung, insbesondere die steuerliche Belastung, für die Bevölkerung und Das belastet den Bundeshaushalt und natürlich auch für die Unternehmen sukzessive gestiegen auch die Länderhaushalte indirekt mit. ist. Ich frage die Landesregierung daher: Kann sie uns noch einmal die genauen Zahlen nennen, wie Meine Damen und Herren, die Landesregierung weit der Spitzensteuersatz und der Eingangssteu- hat sich auf die Beantwortung der Fragen des ersatz während der rot-grünen-Regierungszeit ge- Kollegen Dinkla zum Thema „Energiesteuern“ kon- sunken sind, wo die Steuersätze 1998 lagen und zentriert. Das ist nämlich ein Steuerbereich, den wo sie heute liegen, wie stark das steuerfreie man sehr wohl beeinflussen kann. Ich erkläre für die Landesregierung in diesem Zusammenhang:

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Wir sehen mit großer Sorge - ich sage so etwas Vizepräsidentin Astrid Vockert: selten in der Öffentlichkeit -, wie sich diese Politik Herr Kollege Wenzel, Sie bewerten nicht, sondern auf die Chemiearbeitsplätze in Niedersachsen Sie stellen bitte eine Frage! auswirkt. Das sind nämlich Unternehmen, die stromintensiv arbeiten. Wir haben in Stade und in (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Wilhelmshaven eine hohe Konzentration der Che- mieindustrie. Diese Arbeitsplätze sind in besonde- Stefan Wenzel (GRÜNE): rer Weise durch die angekündigten Vorhaben ge- fährdet. Ich komme dazu. Ich muss leider feststellen, dass die Frage von Herrn Briese nicht beantwortet wur- (Bernd Althusmann [CDU]: Tabak- de. steuer, Ökosteuer!) (Heinz Rolfes [CDU]: Das kannst du Meine Damen und Herren, dass die Landesregie- im Ältestenrat ansprechen!) rung mit dieser Sorge nicht alleine dasteht, das zeigen die Äußerungen des Bundeswirtschaftsmi- Herr Minister Hirche, angesichts der Tatsache, nisters Clement überdeutlich, der fast verzweifelt dass die Beiträge zur Rentenversicherung heute darauf aufmerksam macht, in welcher Weise Ge- um 1,7 % niedriger liegen, als sie liegen würden, dankenspiele - die es im Augenblick ja sind - bei wenn wir die Ökosteuer nicht hätten, frage ich Sie: den Grünen und in seiner eigenen Fraktion zur Welche Auswirkungen hätte es auf die mittelstän- Gefährdung von Arbeitsplätzen beitragen. Es hat dische Industrie, das Gewerbe und andere Berei- in diesem Landtag eine Übereinstimmung darin che der Wirtschaft in Niedersachsen, wenn die gegeben, dass das größte soziale Problem im Rentenbeiträge heute bei 21,2 % liegen würden? Augenblick die Bereitstellung von Arbeitsplätzen Dort würden sie liegen, wenn wir die Ökosteuer ist. nicht hätten.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Nennen Sie (Beifall bei den GRÜNEN) die Steuersätze noch?) Vizepräsidentin Astrid Vockert: Wir haben in dieser Zeit 5 Millionen Arbeitslose. Jedes Drehen an weiteren Belastungen führt direkt Für die Landesregierung Herr Minister Hirche, zur Vernichtung von Arbeitsplätzen. Das ist eine bitte! unsoziale Politik, die hier von den Grünen herein- getragen wird. Walter Hirche, Minister für Wirtschaft, Arbeit (Beifall bei der FDP und bei der CDU - und Verkehr: Ralf Briese [GRÜNE]: Sie haben kei- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir ne einzige Frage beantwortet! Wir haben hier ein interessantes Vorgehen. Es ist stellen fest: Der Wirtschaftsminister nämlich der Versuch gemacht worden, sich vor kennt die deutschen Steuergesetze einer Reform der Rentenversicherungssysteme zu nicht!) drücken und stattdessen die Belastung aus diesem Bereich in einen anderen Sektor zu verschieben Vizepräsidentin Astrid Vockert: nach dem Motto „Wir können diskutieren, dass die Rentenbeiträge nicht so gestiegen sind, wie sie Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Wen- ohne die Einführung einer neuen Steuer gestiegen zel. wären“. Meine Damen und Herren, Sie haben sich um eine echte Reform des Rentensystems ge- Stefan Wenzel (GRÜNE): drückt, und daran wollen Sie vorbeireden. Herr Minister Hirche, für den Wirtschaftsminister (Beifall bei der FDP und bei der CDU - des Landes Niedersachsen war das schon eine Zurufe von den GRÜNEN) sehr selektive und auch sehr peinliche Darstellung der wirtschaftlichen Situation. Es ist doch völlig klar: Jede Erhöhung der Lohnne- benkosten schadet den Arbeitsplätzen. Insofern ist (Beifall bei den GRÜNEN und bei der die Verhinderung einer stärkeren Erhöhung zu- SPD) nächst einmal natürlich eine Entlastung in diesem

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Bereich. Wenn Sie aber an der einen Stelle ent- nächste Generation aufbauen. Meine Damen und lasten und gleichzeitig an der anderen Stelle neu Herren, dies ist und bleibt eine unsoziale Politik. belasten, dann ist das ein Nullsummenspiel. (Lebhafter Beifall bei der FDP und bei Aber das Schlimme ist: Sie treiben die energiein- der CDU) tensiven Betriebe aus dem Lande. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Vizepräsidentin Astrid Vockert: (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Die zweite und für ihn damit letzte Zusatzfrage stellt Herr Kollege Wenzel. Bitte! Vizepräsidentin Astrid Vockert: Stefan Wenzel (GRÜNE): Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Kon- rath. Bitte schön! Frau Präsidentin, da ich eine Frage habe, die sich auch auf Steuersätze bezieht, wäre ich dankbar, Gisela Konrath (CDU): wenn der Finanzminister antworten würde. Frau Präsidentin! Wie beurteilt die Landesregie- (Bernd Althusmann [CDU]: Hier ant- rung die Vorschläge der Grünen, die Ausnahmere- wortet die Landesregierung, Herr gelungen bei der Ökosteuer für energieintensive Wenzel! Sie entscheiden das nicht!) Betriebe abzuschaffen? Herr Finanzminister, wie beurteilen Sie das folgen- de Zitat von Frau Angela Merkel, Parteivorsitzende Vizepräsidentin Astrid Vockert: der CDU? Danke schön. - Für die Landesregierung Herr Mi- nister Hirche! „Energie ist heute zu billig. Es müssen aus meiner Sicht gezielt die Steuern (Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das war auf Energie angehoben werden, sei doch schon beantwortet!) es über Mineralöl, Heizgas oder Strom. Der gewünschte umweltpoliti- Walter Hirche, Minister für Wirtschaft, Arbeit sche Lenkungs- und Lerneffekt tritt und Verkehr: freilich nur ein, wenn klar ist, dass die Steuersätze über Jahre allmählich Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Konrath, angehoben werden.“ die Landesregierung teilt in diesem Zusammen- hang völlig die Auffassung des Bundeswirt- (Zurufe von der CDU: Wann war schaftsministers Clement, der - so stand es ges- das?) tern in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung - am - Frankfurter Rundschau, 1997. Mittwoch in Berlin gesagt hat: (Lachen bei der CDU und bei der FDP „Energieintensive Betriebe wie die - Zurufe von der CDU und von der Aluminiumbranche befinden sich am FDP - Gegenrufe von den GRÜNEN) Anschlag. Sie haben keine Gewinn- marge mehr. Ich kann nicht verant- worten, dass diese Industrien Vizepräsidentin Astrid Vockert: Deutschland verlassen.“ Einen kleinen Moment, bitte! - Herr Kollege Wen- zel, Sie wissen, dass Sie nach § 47 Abs. 4 unserer Meine Damen und Herren, Herr Clement hat aus Geschäftsordnung, die Sie mit beschlossen haben, seiner Verantwortung als Bundeswirtschaftsminis- keinen Minister fragen können, sondern dass Sie ter deutlich gemacht - genau wie ich das für die grundsätzlich die Landesregierung zu fragen ha- Landesregierung getan habe -, dass eine solche ben. Politik völlig unverantwortlich ist, im Übrigen keine Rücksicht nimmt auf die Folgen für Arbeitsplätze, Für die Landesregierung antwortet nunmehr der die nachher wieder mit staatlichen Maßnahmen Finanzminister. Bitte schön, Herr Minister Möllring! bekämpft werden sollen mit Geld, das wir nicht haben, und deshalb aus Schulden, die wir für die

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Hartmut Möllring, Finanzminister: gabe wird gebeten, der Familie Pepic ein dauer- haftes Aufenthaltsrecht zu erteilen. Familie Pepic Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und stammt aus Serbien-Montenegro. Die Familie be- Herren! Herr Kollege Wenzel, Frau Merkel hat als sitzt zwei Töchter, 15 und 18 Jahre alt. Die beiden Umweltministerin einen hervorragenden Job ge- anderen, älteren Töchter sind 21 und 24 Jahre. macht, sie macht als Parteivorsitzende einen Spit- zenjob, und sie wird als Bundeskanzlerin hervorra- Bei dieser Familie handelt es sich um abgelehnte gend sein. Asylbewerber. Ein Abschiebungsschutz, ein Schutz durch das Asylverfahren ist nicht mehr (Heiterkeit und Beifall bei der CDU) gegeben. Das aktuelle Abschiebungshindernis ist die anerkannte posttraumatische Störung bei Herrn Vizepräsidentin Astrid Vockert: Pepic. Dies bedeutet, dass er mit seiner Ehefrau Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Helm- und seinen minderjährigen Kindern eine Aufent- hold. - Sie zieht zurück. Ich stelle fest, dass mir haltsbefugnis erhalten hat. Der Lebensunterhalt keine weiteren Zusatzfragen vorliegen. von Familie Pepic ist gesichert. Herr Pepic lebte bereits früher getrennt von seiner Familie. Dies war Es ist 10.14 Uhr. Damit ist die Fragestunde für zu der Zeit 1990 und auch von 1993 bis 1994 der diesen Tagungsabschnitt beendet. Die Antworten Fall. der Landesregierung zu den Anfragen, die nicht mehr aufgerufen werden konnten, werden nach Das mögliche Argument der Familientrennung ist § 47 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung zu Protokoll hier jedoch nicht gegeben. Die von der Ausreise gegeben. betroffenen Töchter, die heute 21 und 24 Jahre alt sind, leben nicht mehr mit der Familie gemeinsam, Ich kann an dieser Stelle die Beschlussfähigkeit sondern haben bereits einen neuen Lebensraum des Hauses feststellen. gefunden. Sie leben heute in einem anderen Landkreis getrennt von der Mutter und von dem Wir kommen nun zu Vater. Dies dokumentiert die Selbständigkeit der beiden jungen Frauen.

Der Sachverhalt spricht unserer Meinung nach Noch: keinesfalls für einen Härtefall. Beide Frauen haben Tagesordnungspunkt 3: in ihrem Heimatland durchaus die Möglichkeit, dort 21. Übersicht über Beschlussempfehlun- einen neuen Lebensraum zu finden. Da die Rück- gen der ständigen Ausschüsse zu Einga- führung jetzt auch jederzeit möglich ist, werden wir ben - Drs. 15/1625 - Änderungsantrag der nach Sach- und Rechtslage entscheiden. - Vielen Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. Dank. 15/1643 - Änderungsantrag der Fraktion der (Beifall bei der CDU und bei der FDP) SPD - Drs. 15/1644

Über die Ausschussempfehlungen zu den Einga- Vizepräsidentin Astrid Vockert: ben in der Drucksache 1625, zu denen keine Än- Herzlichen Dank. Zur gleichen Eingabe von der derungsanträge vorliegen, haben wir bereits in der SPD-Fraktion Herr Kollege Brockmann, bitte! 52. Sitzung am 26. Januar 2005 entschieden. Wir beraten jetzt nur noch über die Eingaben aus der Volker Brockmann (SPD): Drucksache 1625, zu denen die von mir eben ge- nannten Änderungsanträge vorliegen. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eines gleich vorweg, weil Herr Höttcher erwähnte, dass Ich eröffne die Beratung. Zu der Eingabe die beiden volljährigen Töchter der Familie Pepic 5320/11/14 hat sich von der CDU-Fraktion Herr von der Familie getrennt in einem anderen Land- Kollege Höttcher zu Wort gemeldet. kreis wohnen. Das ist zwar richtig. Sie tun das aber nicht aus freien Stücken, sondern weil sie dazu Carsten Höttcher (CDU): verpflichtet sind. Sie dürfen aufgrund der aktuellen Gesetzgebung den Landkreis Harburg nicht ver- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich lassen, während die Familie in den benachbarten spreche zu der Eingabe 5320/11/14. Mit der Ein- Landkreis Lüneburg umgezogen ist. - Das vorweg.

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(Norbert Böhlke [CDU]: Die hätten ter ist das Fakt geworden. Sie sind zur Ausreise aber auch bleiben können!) verpflichtet. Sie sollen zurück in den Sandschak, zurück nach Serbien, dorthin, wo die Familie im - Sind auch Sie schon einmal verzogen? Rahmen der ethnischen Säuberungen diesen Be- lastungen ausgesetzt war, dorthin, wo ein Mitglied (Norbert Böhlke [CDU]: Nein! Manch- der Familie ermordet wurde, dorthin, wo das Haus mal bin ich umgezogen!) verwüstet wurde und nicht mehr bewohnbar ist, - Umgezogen. dorthin, wo sie keine Heimat mehr haben. Das ist für uns Grund genug, „Berücksichtigung“ zu bean- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In tragen; denn es ist aus unserer Sicht nicht hin- dieser Eingabe geht es um die Familie Pepic, das nehmbar, dass diese jungen Menschen in eine haben wir gehört. Neben den Eltern sind noch vier ungewisse Zukunft und in ein Land geschickt wer- Kinder betroffen. Sie sind muslimische Serben aus den, in dem möglicherweise weitere traumatisie- Südjugoslawien, genau genommen aus dem rende Belastungen auf sie zukommen, in dem Sandschak. Zu Beginn der Kriegshandlungen im möglicherweise ihr Leben gefährdet ist, in dem ihre Jahr 1993 flüchtete die Mutter mit den minderjähri- Zukunft aber mit Sicherheit ungesichert ist. - Dan- gen Kindern zu Verwandten nach Deutschland in ke schön. den Landkreis Harburg, in dem - wie wir schon gehört haben - sich Herr Pepic bereits 1990/91 (Beifall bei der SPD und bei den über ein Jahr rechtmäßig zu Arbeitszwecken auf- GRÜNEN) gehalten hatte. Vizepräsidentin Astrid Vockert: Sie mussten zu Recht befürchten, im Rahmen der so genannten ethnischen Säuberungen, die im Zu dieser Petition liegen mir keine weiteren Wort- Sandschak stattfanden, als Muslime massiv in meldungen vor. Gefahr zu geraten. Herr Pepic wurde im selben Jahr - also 1993 -, als seine Frau und Kinder nach Zu der Petition 1619 spricht Frau Groskurt von der Deutschland flüchteten, zur serbischen Armee SPD-Fraktion. Frau Groskurt! eingezogen und war dort permanent psychischem und physischem Terror ausgesetzt, insbesondere Ulla Groskurt (SPD): wenn er sich weigerte, sich an Maßnahmen gegen Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Her- seine Glaubensbrüder und Landsleute zu beteili- ren! Der Petent bittet darum, Rakip Topcu, einen gen. Das gipfelte in ernst zu nehmenden Morddro- 17 Jahre alten türkischen Jungen, der im März 18 hungen gegen ihn. Als dann sein Neffe von Serben wird, den dauerhaften Aufenthalt in Deutschland ermordet und sein Haus verwüstet wurden, deser- zu ermöglichen. Rakip ist vor zehn Jahren als tierte er und flüchtete ebenfalls nach Deutschland. achtjähriges Kind allein in die Bundesrepublik ein- Diese Flucht - bitte genau hinhören - dauerte acht gereist. Die Eltern sind verschollen. Er ist in der Monate. Er hielt sich zu dieser Zeit des Nachts Familie seiner Tante aufgewachsen. Diese Familie häufig in Wäldern auf und übernachtete dort. Die besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Fa- Flucht dauerte also acht Monate. Dann kam er in milie der Tante sichert den eigenen und Rakips Deutschland bei seiner Familie im Landkreis Har- Unterhalt mit eigenem Einkommen. Rakip geht hier burg an. zur Schule und wird im Sommer seinen Haupt- Bereits einen Monat nachdem er wieder bei seiner schulabschluss machen. Er ist integriert und voll- Familie war, wurde die gesamte Familie unter An- wertiges Mitglied unserer Gesellschaft. drohung der Abschiebung zur Ausreise nach Ser- Die SPD-Fraktion empfindet die bevorstehende bien aufgefordert - einen Monat nach der achtmo- Abschiebung eines fast 18-jährigen Jungen, der natigen Flucht! Mittlerweile hat der Landkreis Har- keine Angehörigen in der Türkei hat und der in burg - auch das haben wir gehört - wegen post- Deutschland bei seiner Tante, die die deutsche traumatischer Belastungsstörungen ein Abschie- Staatsbürgerschaft hat, aufgewachsen ist, als total bungshindernis für Herrn Pepic, seine Frau und die inhuman. minderjährigen Kinder anerkannt. Darin liegt aber letztendlich das Problem: Die minderjährigen Kin- (Beifall bei der SPD und bei den der wachsen sozusagen aus dieser Befugnis her- GRÜNEN) aus. Für die beiden mittlerweile volljährigen Töch-

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Wir bitten Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kolle- Meine Damen und Herren, wir aus dem Petitions- gen, einen fast 18-Jährigen, der als kleines Kind ausschuss wissen, dass es eine Möglichkeit gege- nach Deutschland gekommen ist und keine Kon- ben hätte, diesem jungen Mann in Deutschland takte in sein Herkunftsland hat, nicht einfach auf eine Perspektive zu geben. Die Vormunde - die dem Flugplatz in einem für ihn völlig fremden Land Tante und der Onkel - hätten das Kind nämlich abzusetzen und ihn seinem Schicksal zu überlas- aufgrund der Tatsache, dass die Eltern verschollen sen. Wir beantragen, der Petition stattzugeben und sind, adoptieren können. Das ist nicht erfolgt. Eine Rakip somit einen dauerhaften Aufenthalt in Adoption - das wissen wir - auch von Erwachsenen Deutschland zu ermöglichen. Ich würde mich freu- mag gute, erbrechtliche Gründen haben. Aber im en, wenn Sie dem zustimmen würden. - Danke. Hinblick auf die Nationalität ergeben sich dadurch keine Konsequenzen. Das ist keine Lösung dieses (Beifall bei der SPD und bei den Problems. Man hat also diese Angelegenheit in GRÜNEN) Kenntnis der Folgen, die sich ergeben, wenn der Junge 18 wird, jahrelang nicht anders klären wol- Vizepräsidentin Astrid Vockert: len oder können.

Zur selben Petition spricht Herr Kollege Böhlke von Ich möchte noch etwas hinzuführen, meine Damen der CDU-Fraktion. und Herren: Natürlich ist ein Einzelschicksal wie dieses immer hart. Aber wer sich mit diesen Din- Norbert Böhlke (CDU): gen täglich auseinander setzt, weiß sicherlich, dass es viele Kinder gibt, die ins Flugzeug gesetzt Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen werden und in Deutschland illegal einreisen. Wir und Herren! Ich möchte diesen Fall aus meiner kümmern uns auch darum. Sicht bzw. so, wie er sich aus der Aktenlage dar- stellt, schildern. Am 3. Januar 1996 ist der Betrof- (Zuruf von Silva Seeler [SPD]) fene als Minderjähriger ohne seine Eltern, die seit- dem als verschollen gelten - so soll es sein -, ille- Ich finde es auch wichtig und schön, dass der gal eingereist. Landkreis Cuxhaven erklärt, dass er dem Jungen bis zum Abschluss seines Schulbesuches selbst- (Zurufe von der SPD) verständlich eine entsprechende Perspektive bie- tet. Wenn ein gültiger Pass vorliegt - das ist derzeit - Ich erzähle Ihnen einmal die Version, die ich ken- noch nicht der Fall -, dann soll die Umsetzung des ne. Hören Sie gut zu. - Er gab an, im Dezember Vorhabens in Angriff genommen werden. Das 1989 geboren, also gerade sechs Jahre alt zu heißt also, er soll dann aufgefordert werden, frei- sein. Er lebte seither bei seinem Onkel und bei willig auszureisen. Wenn er das nicht umsetzt, seiner Tante, die auch die Vormundschaft haben dann kommt eine entsprechende rechtsstaatliche und seit Jahren selbständig in einem gastronomi- Konsequenz zum Tragen. schen Betrieb im Landkreis Cuxhaven wirken. (Zuruf von Heidrun Merk [SPD]) Nachdem im Laufe der Zeit Zweifel am angegebe- nen Alter des Jungen aufkamen, gab er zu, im Meine sehr verehrten Damen und Herren, so ist März 1987 geboren zu sein. Das Ganze entwi- die Sachlage. Gemäß der Sachlage - wie sie sich ckelte sich aber erst aufgrund einer amtsärztlichen aus den Akten ergibt und in der Diskussion vorge- Untersuchung im Jahre 2000. tragen wurde - handelt es sich hierbei keinesfalls um einen Härtefall gemäß dem neuen Zuwande- Asylrechtliche Verfahren sind selbstverständlich rungsgesetz. ausgeschöpft worden. Allerdings sind diese nicht erfolgreich gewesen. Unter anderem wurde argu- (Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Das mentiert, dass er der religiösen Minderheit der entscheiden Sie ganz allein?) Jeziden angehören würde. Das wurde gerichtlich überprüft. Es wurde festgestellt, dass andere Ver- - Das entscheide ich selbstverständlich nicht ganz wandte dieser religiösen Minderheit nicht angehö- allein. Das entscheidet meine Fraktion im Rahmen ren und vor diesem Hintergrund kein besonderer der Vorbereitung einer Ausschusssitzung. Darüber Schutz gewährt werden kann. wird nunmehr, Herr Kollege Bachmann, das Par- lament entscheiden.

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(Beifall bei der CDU) B 6. Das halten wir für nicht stichhaltig. Eine nur für Schülerverkehre genutzte Busschleuse mit Ampel- Wir möchten aber eindeutig in der Sache - - - regelung würde die Verkehrssicherheit aus unserer Sicht überhaupt nicht beeinträchtigen. Auch die (Zuruf von Klaus-Peter Bachmann Verkehrskapazität der B 6 würde nicht wirklich [SPD]) geschmälert, da die Schülerbusse nur in den Mor- - Herr Kollege Bachmann, lassen Sie mich doch genstunden den dann nicht so starken Stadtaus- ausführen. Ich weiß gar nicht, weshalb die Innen- wärtsverkehr queren müssten. Zu dieser Zeit gibt politiker immer so viel dazwischen rufen müssen. es im Wesentlichen in die Stadt hinein fließenden Wir sind hier doch nicht auf den Kasernenhof. Verkehr. Jeder, der sich vor Ort auskennt, kann das bestätigen. (Präsident Jürgen Gansäuer über- nimmt den Vorsitz) Der ÖPNV hingegen hätte gerade in der Rushhour durch diese Busschleuse ganz enorme Zeitvorteile Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund und könnte deutlich mehr Menschen mit nahe ge- eine eindeutige Empfehlung der Fraktionen von legenen Haltestellen gut anbinden, was übrigens CDU und FDP: Sach- und Rechtslage. die B 6 wieder von Individualverkehr entlasten würde. Die Busschleuse würde damit nicht nur (Beifall bei der CDU und bei der FDP) dem Schülerverkehr nutzen, sondern würde auch der Effizienz im öffentlichen Nahverkehr dienen, Präsident Jürgen Gansäuer: weil zumindest in den Zeiten natürlich nicht nur Herr Kollege Hagenah, Sie haben das Wort. Bitte Schüler in den Bussen sitzen würden. schön! Zudem hätte die vor Ort gewünschte Lösung enorme Kostenvorteile. Während der vom Land Enno Hagenah (GRÜNE): favorisierte Ausbau 650 000 Euro kosten würde, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und wäre die Busschleuse schon für 150 000 Euro zu Herren! Soweit ich mich an den Kasernenhof erin- bauen. Die bisherigen Planungen des Landes sind nere, gab es dort äußerst selten Zwischenrufe; im damit nicht nur kundenunfreundlich, sondern auch Parlament hingegen sind Zwischenrufe Brauch. noch eine Verschwendung von Steuergeldern.

(Zustimmung bei der SPD) Stimmen Sie deshalb bitte mit uns für die Petition der Betroffenen vor Ort und gegen die Haltung der Ich spreche zu unserem Antrag auf Berücksichti- Verwaltung, die an einer bürokratisch erstarrten gung der Petition zur Schülerbusquerung auf der Verkehrsplanung festhält. - Danke schön. B 6 in Garbsen. Entgegen dem parteiübergreifen- den Votum, also auch von CDU und FDP, aus dem (Zustimmung bei den GRÜNEN) Stadtrat in Garbsen wurde hier von den Regie- rungsfraktionen gegen die Umsetzung der Petition Präsident Jürgen Gansäuer: der betroffenen Schulelternratsvorsitzenden ge- Das Wort hat der Kollege Lenz. stimmt. Leider haben CDU und FDP lediglich für ein weiteres Nachdenken in der Verwaltung über die Problemsituation votiert. Das heißt aber ange- Günter Lenz (SPD): sichts des langen, jetzt schon über Jahre laufen- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich den Verfahrens mit dem engagierten Bemühen der spreche zur selben Eingabe wie der Kollege Ha- Stadt Garbsen und der Region Hannover im Sinne genah. Als Abgeordneter habe ich diese Eingabe der Schulen, dass es nun wohl keine Chance mehr direkt bearbeitet. Nach zahlreichen Gespräche mit auf eine konstruktive Einigung gibt. Eine Verwal- den Betroffenen vor Ort muss ich feststellen, dass tung, die so lange gegen die guten Argumente von hier in der Tat gegen den Bürgerwillen entschieden vor Ort stur gewesen ist, wird sich auch durch ein werden soll, obwohl parteiübergreifend Einigkeit erneutes Nachdenken nicht mehr umstimmen las- darüber besteht, dass die Busschleuse in jedem sen. Fall die bessere Lösung wäre. Ich halte das für problematisch und bin auch der Auffassung, dass Die Landesverkehrsverwaltung argumentiert mit das eher zur Politikverdrossenheit vor Ort beiträgt. einer Gefährdung der Verkehrssicherheit auf der

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Ich möchte ausdrücklich sagen, dass man beim Die B 6 ist eine der am stärksten befahrenen Bun- Stichwort „Verkehrssicherheit“ auch darüber spre- desstraßen in der Region Hannover. Mehr als chen muss, dass zusätzlich täglich 50 Busse durch 35 000 Fahrzeuge passieren die Straße täglich. das Schulzentrum geführt werden müssen, wenn Vor diesem Hintergrund plant die niedersächsische diese Busschleuse nicht gebaut wird. Straßenbauverwaltung eine Mitteltrennung der Fahrbahn auf diesem Teilstück. Aktuell hat sich die (Unruhe - Glocke des Präsidenten) Verkehrsbelastung zu Beginn dieses Jahres sogar noch erhöht. Die HAZ berichtete am 25. Januar, Man darf also nicht nur über Verkehrssicherheit auf dass seit der Einführung der Autobahnmaut immer der B 6 sprechen, sondern muss auch berücksich- mehr Lastwagen auf Bundesstraßen rund um tigen, dass die Verkehrssicherheit vieler Schülerin- Hannover ausweichen. Besonders betroffen von nen und Schülern durch diesen zusätzlichen Bus- dieser Zunahme des Schwerlastverkehrs ist insbe- verkehr gefährdet würde. sondere dieses Teilstück der B 6. Es gab in der Vergangenheit Beispiele in der Nä- Das öffentlich-rechtliche Genehmigungsverfahren he. Ich darf Herrn Minister Hirche an die zusätzli- für den Ausbau der B 6 läuft seit Jahren. Alle Be- che Autobahnabfahrt Hannover-Nordhafen erin- teiligten wurden in diesem Zeitraum angehört. Die nern, bei der die Verkehrsbehörden und auch die Polizei hat sich in dem Verfahren aus Gründen der Polizei ebenfalls skeptisch waren. Wir wollten die- Verkehrssicherheit auf die Einfädelspur - „rechts se Abfahrt politisch, wir haben sie politisch ge- rein“ und „rechts raus“ - festgelegt. Der Bund als meinsam durchsetzen können, und mittlerweile Träger hat die Beibehaltung der Linksabbiegerspur fahren die Autos wunderbar ab, und die B 6 profi- ebenfalls abgelehnt. Letztendlich liegen die Ent- tiert davon. scheidungskompetenz und die rechtlichen Grund- Meines Erachtens sind in diesem Fall noch nicht lagen für den Ausbau der Bundesstraßen beim alle Möglichkeiten ausgeschöpft, und ich bitte dar- Bund. Das Land fungiert nur als Auftragsverwal- um, alle verbleibenden Möglichkeiten zu nutzen. tung. Der Bürgermeister der Stadt Garbsen hat mir ver- Auch die Stadt Garbsen hat im Anhörungsverfah- sichert, die Stadt Garbsen werde notfalls ein Ver- ren bis zur Eingabe der Schulelternratsvorsitzen- kehrsgutachten in Auftrag geben und bezahlen, den der Ilmasi-Schule den vorliegenden Plan mit- um vielleicht noch neue Erkenntnisse zu gewin- getragen. nen. Deshalb habe ich die Bitte an Sie, für die Berücksichtigung der Petition zu stimmen. - Herzli- Wir plädieren in diesem Fall für eine Abwägung der chen Dank für die Aufmerksamkeit. Interessen aller Beteiligten. Besucher, Nutzer und Anwohner des Schulzentrums fordern zu Recht (Beifall bei der SPD) ausreichend Sicherheit für Fußgänger und Schüler. Andererseits muss die Verkehrssicherheit auf der Präsident Jürgen Gansäuer: stark befahrenen B 6 gewährleistet werden. Ich Vielen Dank. - Frau Kollegin Konrath! betone, dass die Kostenabwägung, wie die Peten- tin mutmaßt, bei der Entscheidung keine Rolle Gisela Konrath (CDU): gespielt hat. Vielmehr ist die Sicherheit aller Ver- kehrsteilnehmer einziges Kriterium für die ausge- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wählte Lösung. spreche zur selben Eingabe. Die Petentin spricht sich dafür aus, die Linksabbiegerspur für den Li- Wir beantragen, die Eingabe als Material zu über- nienbusverkehr von der B 6 aus Richtung Nien- weisen, und treten für einen Interessenausgleich burg/Neustadt in den Birkenweg in Garbsen-Be- ein. Unser Wunsch ist, dem Anliegen der Petentin renbostel zu erhalten. Die Planunterlagen für die- entgegenzukommen und den Verkehrsfluss am ses Teilstück der B 6 sehen dagegen eine Mittel- Schulzentrum III im Interesse der Sicherheit für die trennung zur Erhöhung der Verkehrssicherheit vor. Kinder zu regeln. Wir schlagen vor, die Planung in Die gewünschte Busschleuse in den Birkenweg diesem Sinne zu überprüfen. Wir betrachten das würde damit entfallen. Die Fahrbeziehungen am Verfahren als nicht abgeschlossen und bitten die Birkenweg „rechts rein“ und „rechts raus“ bleiben Planfeststellungsbehörde, sich um eine einver- erhalten. nehmliche Lösung zu bemühen. Wir haben uns nicht für „Berücksichtigung“ entschieden, weil die

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Entscheidung über den Ausbau letztendlich beim Präsident Jürgen Gansäuer: Bund liegt. Wir beantragen, der Petentin den vor- Zu derselben Eingabe erteile ich Herrn Dr. von liegenden Schriftwechsel zur Kenntnis zu geben. - Danwitz das Wort. Bitte schön! Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP) Dr. Karl-Ludwig von Danwitz (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich Präsident Jürgen Gansäuer: spreche zu derselben Eingabe. Hierzu ist zunächst Vielen Dank, Frau Kollegin. - Zur Eingabe 1592 hat zu sagen, dass Kosten für Klassenfahrten, Ar- Herr Kollege Voigtländer das Wort. beitshefte und Taschenrechner schon immer von den Eltern übernommen werden mussten. Sie Jacques Voigtländer (SPD): haben nichts, aber auch gar nichts mit der Schul- reform 2004 zu tun. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche zu der Petition einer Familie, die die (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Lernmittelfreiheit nicht mehr auskosten darf. Nach Das Einzige, was man hier ansprechen könnte, ist Abschaffung der Lernmittelfreiheit in Niedersach- die Belastung durch Arbeitshefte. Sie ist mit sen hat eine Familie aus Melle erhebliche Kosten 42 Euro pro Kind wirklich als relativ hoch anzuse- für Schulbücher, wodurch die Bildungschancen für hen. Hier kann man den Eltern nur empfehlen, in diese Familie mit mehreren Kindern erheblich ein- den zuständigen Konferenzen bei der Entschei- geschränkt sind. dung über die Anschaffung von Arbeitsheften mit- Zur Petition: Diese Familie hat Kosten in Höhe von zubestimmen und sich einzumischen. 800 Euro für Schulbücher, Taschenrechner, eine Die Belastung durch die Schulbuchausleihe liegt Klassenfahrt und Arbeitshefte für insgesamt drei im Durchschnitt bei 56,50 Euro pro Kind und damit Kinder. Nach Angaben des Niedersächsischen in einem durchaus vertretbaren Rahmen. Zusätz- Kultusministeriums sei das eine zumutbare Belas- lich ist dafür gesorgt, dass wirtschaftlich schwache tung. Ich frage und meine Fraktion fragt: Was Personenkreise vom Entgelt für die Ausleihe kom- rechtfertigt eigentlich diese Aussage? plett freigestellt werden können. Die von den Er- (Walter Meinhold [SPD]: Die Arroganz ziehungsberechtigten zu tragende Kostenlast ver- der Mehrheit! - Gegenruf von Norbert stößt nicht gegen die von der Petentin angeführten Böhlke [CDU]: Geprägt von der Ver- Grundrechte. Ich beantrage daher, wie im zustän- gangenheit! - Weitere Gegenrufe von digen Fachausschuss beschlossen, „Sach- und der CDU) Rechtslage“.

Ist die Einkommenssituation der Familie vom Kul- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) tusministerium überprüft worden? Wann liegt, mei- ne Damen und Herren, Zumutbarkeit vor? - Das Präsident Jürgen Gansäuer: Recht auf Bildung sollte in unserem Land nicht Zur Eingabe 1741 hat jetzt der Kollege Thul das vom Einkommen der Eltern abhängen. Die Lan- Wort. Herr Kollege, Sie haben noch eine halbe desregierung von CDU und FDP hat mit der Ab- Minute Redezeit. Die Redezeit für die CDU- schaffung der Lernmittelfreiheit und der Hausauf- Fraktion ist schon fast abgelaufen. gabenhilfe die Situation für Einkommensschwache weiter verschärft. Sie machen es sich nach meiner Ansicht zu einfach, wenn Sie diese Petition mit Hans-Peter Thul (CDU): „Sach- und Rechtslage“ bescheiden. Ich bitte Sie: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Machen Sie einen konkreten Vorschlag, um dieser Herren! Ich spreche zur Eingabe bezüglich des Familie zu helfen. - Vielen Dank. Theaters am Küchengarten. Der Petent hat gebe- (Beifall bei der SPD) ten, die Förderung, die bisher als institutionelle Förderung gewährt wurde, auch im Jahr 2005 so weiterzuführen.

Wir haben mit der Verabschiedung des Haushalts 2005 auf die Projektförderung umgestellt. Dazu

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muss man wissen, dass dieses Theater das einzi- (Beifall bei der SPD) ge Theater in Niedersachsen war, das eine institu- tionelle Förderung erhalten hat. In der Zwischen- Präsident Jürgen Gansäuer: zeit ist die Eingabe also, wie gesagt, durch die Verabschiedung des Haushaltes 2005 erledigt. Wir Vielen Dank. - Herr Minister Stratmann hat das haben deshalb „Sach- und Rechtslage“ und „Erle- Wort. Bitte schön! digung“ für diese Petition gefordert. Wir werden heute auch so abstimmen. Lutz Stratmann, Minister für Wissenschaft und Kultur: Im Übrigen muss man wissen, dass sich der Pe- tent inzwischen mit einer Projektförderung in Höhe Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und von 35 000 Euro einverstanden erklärt hat. Auch Herren! Liebe Frau Kollegin Bührmann, ich möchte insofern hat sich diese Petition erledigt. - Schönen an dieser Stelle in Erinnerung rufen, dass gerade Dank. Sie es waren - zu Recht oder zu Unrecht, das las- se ich dahingestellt -, die dies hier in den schwieri- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) gen Debatten, die wir vor einigen Monaten hatten - etwa zu der Frage der Kulturförderung für die Präsident Jürgen Gansäuer: vielen kleinen, zum Teil auch sehr erfolgreichen freien Theater in Niedersachsen -, sehr kritisch Vielen Dank. - Frau Kollegen Bührmann, bitte angemerkt haben. schön! Jetzt will ich an dieser Stelle einmal alle Kollegen, Christina Bührmann (SPD): die hier sitzen, fragen: Erstens. Wenn ich den vie- len freien Theatern in unserem Land mit zum Teil Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! erheblichen Kürzungen, die aufgrund der Haus- Ich spreche zu derselben Petition. Wir sind aller- haltslage unabweisbar waren, das Leben durchaus dings ganz anderer Ansicht. Wir sind nicht der nicht erleichtere, sondern erschwere, gibt es dann Ansicht, dass sich diese Eingabe - die Förderung ein einziges Argument, das es rechtfertigen würde, des TAK - erledigt hat. Es hat sich vielmehr mit das Theater am Küchengarten in Hannover als einer Reduzierung der Kosten um 30 000 Euro einziges Theater weiter institutionell zu fördern? einverstanden erklärt. Das heißt aber, dass die Projektförderung in den nächsten Jahren in keiner (Hans-Christian Biallas [CDU]: Nein!) Weise gewährleistet ist und dass das TAK in den nächsten Jahren nicht weiß, ob es überhaupt wei- Zweitens. Gibt es ein einziges Argument, alle an- ter existieren kann. Von daher ist überhaupt nicht deren freien Theater in Niedersachsen mit Kürzun- geklärt, wie die zukünftige Existenz dieses be- gen zu konfrontieren, nur das Theater am Küchen- kannten Theaters in Hannover aussehen soll. garten in Hannover nicht?

Deswegen bitten wir, wirklich zu berücksichtigen, (Zuruf von der CDU: Nein!) dass die Zukunftsinvestitionen für das TAK nicht Dazu fällt mir kein Argument ein. gestrichen werden, sondern dass sie weitergeführt werden. Wir bitten um „Berücksichtigung“. (Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren, so geht das Das habe ich Herrn Janzen, dem Leiter des TAK in selbstverständlich nicht: Man kann dem TAK nicht Hannover, gesagt - dies wird er bestätigen -, das die Pistole auf die Brust setzen und fragen: tue ich immer. Da rede ich gar nicht drum herum. 35 000 Euro - ja oder nein? Ansonsten hätte es Er hat dies dann im Grunde auch eingesehen. gar nichts gegeben. Selbstverständlich sagt das Selbstverständlich akzeptiert er das nicht. Auch TAK dann völlig zu Recht: Wir nehmen diese das ist logisch, weil jeder dafür kämpft, dass er so 35 000 Euro. - Gleichzeitig hat es immer gesagt: viel Landesmittel wie irgend möglich bekommt. Das geht an unsere Existenz. Ein Theater in dieser Das ist menschlich. Größe kann von einer Projektförderung nicht le- ben, die immer von Jahr zu Jahr gewährt oder Auch in diesem Fall wurden riesige Horrorszena- eben nicht gewährt wird. Von daher besteht eine rien, z. B. das Aus des TAK, an die Wände gemalt. ganz andere Situation. Wir bitten darum, diese Aber nebenbei gesagt: Die Landesförderung betraf Eingabe zur Berücksichtigung zu überweisen. in der Vergangenheit 16 % des Gesamthaushaltes

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des TAK. Diese 16 % haben wir jetzt quasi hal- die Konzeptionsförderung dieser Entwicklung ent- biert. Damit ist die Zukunft des TAK über Projekt- gegentreten soll, damit die Theater nicht von ei- fördermittel gesichert. Das TAK wird es auch künf- nem Tag auf den nächsten sterben. tig geben. Da das TAK - das sage ich hier auch in aller Offenheit - so wie übrigens auch das Junge Herr Minister, Sie müssen schon einmal sagen und Theater in Göttingen, bei dem wir ähnlich verfah- hier auch ehrlich bekennen, in welche Richtung ren sind, bei reduzierten Landesmitteln mittlerweile Sie gehen wollen. Sie sollten sich hier nicht hin- sehr erfolgreich agiert, stellen und so tun, als hätte das TAK die Strei- chung der Mittel mit Begeisterung hingenommen. (Dr. Harald Noack [CDU]: So ist das!) Im Gegenteil: Dem TAK steht das Wasser bis zum Hals. Warum können Sie fairerweise nicht sagen: bin ich mir sicher, dass Herr Janzen, der ein guter „Die Verträge über die institutionelle Förderung der Theaterleiter ist, dies auch in Hannover hinbe- kommunalen Theater sind zwar gekündigt worden, kommt. sie werden aber in der institutionellen Förderung bleiben.“? Das einzige Theater, das in dieser Wei- Meine Damen und Herren, die Zeiten sind so, wie se behandelt worden ist, ist das TAK. Warum kön- sie sind. Wir alle müssen uns ein bisschen be- nen Sie nicht sagen, dass Sie überlegen werden, scheiden. Wir alle müssen ein bisschen fantasie- dem TAK mit der Konzeptionsförderung, wie sie voller werden. Das gilt für alle Theater. Davon darf die freien Theater erhalten, eine gewisse Sicher- kein Einziges ausgenommen werden. Das hätte heit zu geben? Mir ist das unbegreiflich. Ich finde ich gegenüber den anderen kleinen Theatern als auch nicht, dass das von Ihnen unterbreitete An- sehr ungerecht empfunden. gebot fair ist. (Beifall bei der CDU und bei der FDP) (Beifall bei der SPD) Präsident Jürgen Gansäuer: Präsident Jürgen Gansäuer: Frau Bührmann, da die Redezeit der SPD-Fraktion Herr Minister Stratmann hat noch einmal das Wort. schon abgelaufen ist, erhalten Sie zwei Minuten zusätzliche Redezeit. Bitte schön! Lutz Stratmann, Minister für Wissenschaft (Norbert Böhlke [CDU]: Das ändert und Kultur: nichts!) Liebe Frau Bührmann! Erstens sind es keine 30 000, sondern 35 000 Euro an Projektfördermit- Christina Bührmann (SPD): teln. So viel Zeit sollte an dieser Stelle sein. Für Herr Minister Stratmann, ich bin über Ihren Wort- manchen in der freien Kulturszene sind 5 000 Euro beitrag schon etwas verwundert. Ich hätte mich mittlerweile sehr, sehr, sehr viel Geld. Das will ich nicht gemeldet, wenn Sie jetzt nicht so vollmundig an dieser Stelle auch sagen. erklärt hätten, dass das alles doch gut sei. Liebe Frau Bührmann, Sie betreiben in diesem Wir haben gerade für die freien Theater die Kon- Land seit vielen, vielen Jahren Kulturpolitik. Sie tun zeptionsförderung eingeführt, damit die freien das mit sehr viel Herz und sehr viel Kompetenz. Theater - man kann das TAK durchaus analog Deshalb müssten Sie wissen, dass über die Kon- sehen - einen Planungszeitraum von drei Jahren zeptionsförderung zunächst nicht ich entscheide, haben. Wir alle wissen, dass Theater nicht existie- sondern es müssen Anträge gestellt werden. Über ren können, wenn sie von einem Jahr zum ande- diese Anträge wird von der von uns eigens dafür ren planen müssen. Sie müssen im Vorfeld selbst- eingesetzten Kommission entschieden. Wir - auch verständlich entsprechende Vereinbarungen tref- die Vorgängerregierung - haben klugerweise im- fen und die weitere Arbeit organisieren. Dass Sie mer gesagt: Wir Politiker maßen uns nicht an, die sich jetzt hier hinstellen und so tun, als würde das Frage inhaltlich zu bewerten, ob ein Antrag unter TAK mit einer Zusage von 30 000 Euro für dieses qualitativen Gesichtspunkten förderungswürdig ist Jahr überleben können, ohne dass klar ist, wie es oder nicht. So müssen der Kommission auch An- in den nächsten Jahren weitergeht, ist mir völlig träge auf Konzeptionsfördermittel vorgelegt wer- unbegreiflich. Ich verstehe nicht, warum Sie den. Das kann das TAK ja tun. Ich kann hier sa- gleichzeitig nicht auch deutlich sagen, dass genau gen: Ich habe überhaupt nichts dagegen. Ich

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könnte es nachvollziehen, wenn die Kommission haltungen? - Die Änderungsanträge sind abgelehnt entscheiden würde, dass auch das TAK in die worden. Konzeptionsförderung aufgenommen werden kann. Über diese Frage konnten wir aber jetzt nicht Wir kommen jetzt zur Beschlussempfehlung des kurzfristig entscheiden, sondern diese Frage stellt Ausschusses, Sach- und Rechtslage zu beschlie- sich für die nächsten Jahre. Das TAK ist ein gutes ßen. Wer der Beschlussempfehlung des Aus- Theater. Ich kann dem TAK nur raten, solche An- schusses zustimmen möchte, den bitte ich um ein träge zu stellen. Dann warten wir einmal ab, wie Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - die Leute, die vom Thema etwas verstehen, ent- Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen. scheiden werden. Ich habe dann das Letztent- Wir kommen jetzt zur Eingabe 1592 betreffend scheidungsrecht. Ich werde aber, wenn mir von der finanzielle Belastung der Eltern. Auch dazu liegen Kommission ein Votum vorgelegt wird, keinen An- Änderungsanträge vor. Wer ihnen zustimmen lass sehen, anders zu entscheiden als die Kom- möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich mission. bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Die Änderungsanträge sind abgelehnt worden. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- Präsident Jürgen Gansäuer: empfehlung des Ausschusses, Sach- und Rechts- Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen lage zu beschließen. Wer dieser Beschlussemp- liegen mir nicht vor. Wir kommen damit zu den fehlung folgen will, den bitte ich um ein Handzei- notwendigen Abstimmungen. Ich rufe die Eingaben chen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimment- einzeln bzw. bei gleichem Sachinhalt im Block auf haltungen? - Der Ausschussempfehlung ist gefolgt und lasse zunächst über den Änderungsantrag worden. und, falls dieser abgelehnt wird, dann über die Wir kommen zur letzten Abstimmung, nämlich zur Ausschussempfehlung abstimmen. Dieses Proze- Abstimmung über die Eingabe 1741 betreffend dere ist Ihnen ja nicht unbekannt. Streichung der institutionellen Förderung des TAK. Für die nachfolgend aufgeführten Eingaben liegen Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der gleich lautende Änderungsanträge der Fraktion SPD vor mit dem Ziel, die Eingabe der Landesre- Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der SPD gierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Wer vor. dies möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltun- Ich rufe zunächst die Eingabe 1144 betreffend gen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt worden. Planfeststellungsverfahren für den Ausbau der B 6 auf. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der SPD, empfehlung des Ausschusses, Sach- und Rechts- „Berücksichtigung“ zu beschließen, zustimmen will, lage zu beschließen. Wer dies möchte, den bitte den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegen- die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Der Än- probe. - Stimmenthaltungen? - Der Ausschuss- derungsantrag ist abgelehnt worden. empfehlung ist gefolgt worden.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- Damit ist die Beratung der strittigen Eingaben erle- empfehlung des Ausschusses, diese Eingabe der digt. Landesregierung als Material zu überweisen. Wer Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr der Beschlussempfehlung des Ausschusses zu- zu stimmen möchte, den bitte ich um ein Handzei- chen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen worden.

Ich rufe jetzt auf die Eingaben 5320/14 und 1619 betreffend ausländerrechtliche Entscheidungen. Auch dazu liegen Änderungsanträge vor. Wer ih- nen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzei- chen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimment-

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Tagesordnungspunkt 30: der Strecke Hamburg - München oder auf der Erste Beratung: Strecke Hannover - Berlin - wer weiß schon, ob sie Fahrgastrechte verankern - Kundencharta oder er mit einem teuren ICE-Ticket tatsächlich auch im Nahverkehr - Antrag der Fraktion auch schnell und pünktlich am Ziel ankommt? Fehlender oder unzureichender Wettbewerb und Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/1609 fehlende rechtlichen Regelungen bilden einen Zur Einbringung dieses Antrages hat das Wort der Nährboden für geringe Qualität und mangelhaften Kollege Hagenah. Service.

(Unruhe) Man kann es der Bahn noch nicht einmal übel nehmen, ihr nicht einmal vorwerfen, dass sie ihren - Ich werde es ihm aber erst dann erteilen, meine Freiraum zu nutzen versteht. Doch damit muss Damen und Herren, wenn Sie Ihre Unterhaltungen Schluss sein. Die derzeitige Kundencharta der hier im Saal eingestellt haben. Sie können sich Bahn hält nicht, was sie verspricht. Auch die Stif- draußen ja gern weiter unterhalten; nicht aber hier tung Warentest kommt in ihrer Dezemberausgabe drin. zu dem Schluss: „Die Kunden haben bei der Bahn kaum Rechte und können bestenfalls auf Kulanz (Anhaltende Unruhe - Glocke des Prä- hoffen.“ Das Versprechen der Charta ohne jegli- sidenten) chen Rechtsanspruch an den Fahrgast kann die Herr Kollege Hagenah, bitte schön! Bahn nämlich jederzeit auch wieder rückgängig machen. Das bestehende Verfahren ist außerdem viel zu bürokratisch und zeitintensiv und lohnt sich Enno Hagenah (GRÜNE): am Ende noch nicht einmal für den einzelnen Kun- Vielen Dank. den. Drei Mal muss sich der Kunde an Schaltern anstellen, um seinen Anspruch auf Erstattung gel- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und tend zu machen. Erstattet bekommt er am Ende Herren! Es gehört zu den guten Prinzipien des nur einen geringen Bruchteil seiner Fahrtkosten, bürgerlichen Rechtes schon seit dem Jahr 1900, selbst wenn sich sein Zug um Stunden verspätet dass der, der etwas verspricht, es auch zu halten hat. hat. Der Verkäufer muss ordentliche Ware liefern, und der Handwerker muss seine Arbeit ordentlich Wer sich nicht sofort auf den Weg macht, der geht erledigen. Was verspricht der öffentliche Verkehr? sogar ganz leer aus. Nach nur zwei Tagen erlischt - Pünktlichkeit, Komfort und Service. - Doch die der Anspruch auf Erstattung. Mit Ausnahme der Qualität in Zügen und auf Bahnsteigen in Bahn kann es sich wohl kein anderes Unterneh- Deutschland lässt oft zu wünschen übrig. Seit der men in Deutschland leisten, so mit seinen Kunden Bahnreform und seit Beginn der Privatisierung umzugehen. auch im Nahverkehr wandeln sich unsere Ver- Sobald von Fahrgastrechten die Rede ist, lässt das kehrsunternehmen zu gewinnorientierten Wirt- schaftsunternehmen. Wirtschaftsunternehmen soll- Argument „das ist viel zu teuer“ nicht lange auf sich warten. Bestimmt werden wir es auch in der heuti- ten besser keine Narrenfreiheit besitzen, sondern gen Debatte gleich noch ein paar Mal hören. Die- sie haben aus guten Gründen gesetzlich geregelte ser Reflex ist sicherlich der guten PR-Arbeit der Haftungspflichten gegenüber ihren Kunden wahr- Bahn zu verdanken, entspricht aber wirklich nicht zunehmen. Dieser Schritt ist bei uns überfällig. Die Kunden erwarten das. Die Entwicklung der Privati- der Realität. Er entspricht einer absurden Logik; denn wenn die Bahn pünktlich fahren würde, sierung ist bisher entkoppelt von der Entwicklung des Fahrgastes alter Form hin zum Kunden. müsste sie auch nichts oder nur wenig an ihre Kunden zurückzahlen. Das Versprechen von Qua- Weil wir im Fernverkehr und auch in weiten Teilen lität würde also für Qualität sorgen. des Nahverkehrs immer noch einen quasi Mono- polisten haben, wäre es besonders wichtig, hier Es ist schlimm genug, dass die mangelnde Qualität bei der DB heute laut Bahnchef Mehdorn eine politisch nachzusteuern. Dass die DB einen rechtsfreien Raum nach eigenem Gutdünken füllen Größenordnung von schätzungsweise fast einer halben Milliarde Euro einnehmen soll. Wir müssen kann, bekommen Bahnfahrer täglich zu spüren. nun die Bahn aber wahrlich nicht auch noch dabei Auch jeder von uns hier kann sicherlich von unge- planten Abenteuern mit der Bahn berichten. Ob auf unterstützen, sich beim Service nicht weiter anzu-

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strengen, indem wir ihr weiterhin Narrenfreiheit peln würden. Denkbar wäre auch, den Netzbetrei- gewähren. Außerdem hat sich gezeigt, dass sich ber für mangelhafte Schienenstrecken in Regress der freiwillige Feldversuch bewährt. Während wir zu nehmen, indem wir nicht mehr die vollen Tras- hier noch von mehr Kundenrechten sprechen, hat senpreise zahlen. Denn oft ist die Netzqualität für der Großraum-Verkehr Hannover, der GVH, be- die Verspätungen verantwortlich. Vieles könnten reits gehandelt. Der GVH garantiert seinen Kunden wir ohne zusätzlichen Finanzaufwand aus Steuer- seit November 2003 Pünktlichkeit und Sauberkeit. geldern für die Kunden des öffentlichen Verkehrs Kommt der Kunde 20 Minuten später als geplant verbessern, damit deren gutes Geld künftig auch am Ziel an, schickt ihm der Großraum-Verkehr nur für gute Leistungen ausgegeben wird. - Vielen Hannover ein Tagesticket zu oder übernimmt auch Dank. Kosten für eine Taxifahrt - nachts - bis zu 20 Euro. Alles, was der Kunde zu tun hat, ist, ein Formular (Beifall bei den GRÜNEN) aus dem Internet oder an einem Service-Punkt auszufüllen, die möglichen Quittungen beizufügen Präsident Jürgen Gansäuer: und alles dem Großraum-Verkehr Hannover zuzu- Danke sehr. - Frau Kollegin Rühl, bitte schön! schicken. Von diesem Service wagen Kunden der Deutschen Bahn noch nicht einmal zu träumen. Brunhilde Rühl (CDU): Nach einer ersten Bilanz im Januar stellt der Groß- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber raum-Verkehr Hannover fest: Seine Kunden sind Herr Hagenah, Sie wissen, dass ich Ihre Anträge zufriedener. Das beste dabei ist: Der Service kos- immer ganz genau lese. Eigentlich schätze ich tet nicht mehr als vor der Garantiezusicherung. auch Ihre Arbeit sehr. Aber - ich sage das einmal Auch die CDU im Bund übrigens fordert mit ihrem ganz platt - heute fehlt mir irgendwo am Ende der jüngsten Antrag „grünes Licht für gesetzlich nor- Satz: „Die Erde ist eine Scheibe.“ - Sie können von mierte Fahrgastrechte“. Allerdings sind sich Frau uns nicht erwarten, dass wir uns über diesen An- Merkel und die Niedersächsische Landesregierung trag in einer langwierigen Ausschusssitzung, wo- bei diesem Thema offenbar nicht richtig einig. möglich länger als eine Stunde, unterhalten. Während nämlich die CDU in Berlin die Ziele des Gesetzentwurfes aus Nordrhein-Westfalen für eine Was erwarten Sie? Was wollen Sie wirklich? Mehr Bahnkundencharta unterstützt, boykottiert das Rechte für Fahrgäste, auch wenn dadurch die Land Niedersachsen das Bemühen um verbes- Bahn zwangsläufig - das wissen Sie - langsamer serte Fahrgastrechte im Bundesrat. Bei der letzten und teurer werden müsste? - Abgesehen davon, Sitzung des Verkehrsausschusses dort lehnte die dass meiner Meinung nach nicht in einem solchen Regierung Wulff den Entwurf aus Nordrhein- Umfang in Firmenpolitik eingegriffen werden sollte, Westfalen schlicht ab. müssten die Züge mit größeren Zeitreserven, also langsamer, verkehren, oder die Fahrpreise müss- (Zustimmung bei der FDP) ten wegen des Mehraufwandes für Entschädigun- Der Vorschlag ist sicherlich noch nicht der Weis- gen und zur Vermeidung von Verspätungen erheb- heit letzter Schluss. Daran sollte man noch weiter lich steigen. Das wollen Sie nicht - das weiß ich. arbeiten. Aber Sie mit Ihrer absoluten Boykotthal- Haben Sie sich einmal die Summe für die aus Ih- tung und Gesprächsunwilligkeit fallen nicht nur rem Antrag entstehenden finanziellen Belastungen Ihren CDU-Kollegen in Berlin, sondern vor allem für die DB AG nennen lassen? - Das sind auch den Bus- und Bahnkunden in den Rücken. 450 Millionen Euro pro Jahr. Das muss man sich einmal vorstellen. (Beifall bei den GRÜNEN) (Ursula Körtner [CDU]: Aha! - Zuruf Es gibt viele Ansätze, das Problem in den Griff zu von Enno Hagenah [GRÜNE]) bekommen, auch hier von Landesseite aus. Wir könnten das Landesnahverkehrsgesetz ändern, - Ich mache nur einen Vorschlag zur Güte. - Die eine Schlichtungsstelle nach dem Vorbild Nord- EU-Kommission, Herr Hagenah, hat im März 2004 rhein-Westfalens einrichten und eine Kunden- eine Verordnung zur Erweiterung von Fahrgast- charta für den Nahverkehr einführen, wenn wir die rechten vorgeschlagen. Die liegt Ihnen sicherlich Bedingungen im Verkehrsvertrag mit der Deut- vor. Diese neuen Regelungen könnten auch den schen Bahn nachverhandeln und an Qualität kop- innerstaatlichen Schienenverkehr erfassen, da ja umfassende EU-Regelungen nationale Regelun-

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gen wiederum verdrängen würden. Warten wir Nahverkehr Schadenersatz schon für 20 Minuten doch den Abschluss des gemeinschaftsrechtlichen Verspätung - Ersatz für Taxi und Übernachtung - Gesetzgebungsverfahrens erst einmal ab! Viel- zu zahlen, für ziemlich überzogen. Herr Hagenah, leicht sollten wir auch erst einmal abwarten und Nahverkehr und Übernachtung - irgendwo hört das dann bewerten, wie die Kundencharta der DB AG, auf. von der Sie gesprochen haben - es ist ja nicht so, dass gar nichts da ist; sie gibt es ja erst seit dem (Ursula Körtner [CDU]: Er versteht 1. Oktober 2004 -, angewandt wird. Im Sinne des das doch nicht!) Verbraucherschutzes könnte sie schon greifen. Wir beraten das hier das erste Mal. Wir sollten (Enno Hagenah [GRÜNE]: Nein!) noch einmal im Ausschuss miteinander darüber reden, auch über den unterschiedlichen Bahnser- - Warten Sie es doch einmal ab! Sie können doch vice und Pünktlichkeit für die Strecken zwischen nicht von jetzt auf gleich etwas erwarten. - Denn NRW und Niedersachsen. Das ist schon ein sehr diese Regelung gewährt bereits Entschädigungen großer Unterschied; denn was für Niedersachsen bei Verspätungen und ist dennoch klar, rechtssi- aus Ihrer Sicht erforderlich wäre, war vielleicht für cher und wirtschaftlich für die Bahn tragbar. NRW notwendig. Den Unterschied kann ich Ihnen aber im Ausschuss erklären. Wir wissen das: Das Sie haben eben gesagt: gewinnorientiert. - Das ist Gegenteil von „gut“ ist „gut gemeint“. Herr Hage- doch logisch. Oder haben Sie schon einmal ein nah, Ihr Antrag war nicht einmal gut gemeint. Unternehmen gesehen, das nicht gewinnorientiert - Danke schön. war? - Aber dann sagen Sie wiederum: zu büro- kratisch. - Sie wollen aber mit diesem Antrag doch (Beifall bei der CDU und bei der FDP) erst Bürokratie aufbauen. Präsident Jürgen Gansäuer: (Zurufe von Enno Hagenah [GRÜNE aufbauen.]) Herr Kollege Will, bitte schön!

Was ist denn außerdem mit unserem gemeinsa- Gerd Will (SPD): men verkehrspolitischen Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu holen? - Das war doch immer unser Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau gemeinsames Ziel. Ihr Vorschlag greift dann auch Rühl, Sie haben sich leider zu sehr mit der noch in den Wettbewerb der Verkehrsträger Bahn AG auseinandergesetzt. Man hätte sich dann Schiene und Straße ein. Die Bahn würde doch auch mit den Dingen stärker beschäftigen müssen, mehr haften als, sagen wir einmal, der Fernverkehr die Niedersachsen selbst steuern kann. Ich denke oder die Luftfahrt. Wen machen wir also haftbar, z. B. an die Landesnahverkehrsgesellschaft. Dort wenn wir auf Sie hören, oder wo bekommen wir gibt es eine Menge von Möglichkeiten. Aber mit den Benzingutschein, wenn wir mit dem PKW eine der A 1 bringen Sie einen direkt auf neue Ideen. Stunde auf der A 1 in Richtung Osnabrück im Stau gestanden haben? - Vielleicht sollten wir auch das (Beifall bei der SPD und bei den im Nachhinein noch regeln. GRÜNEN)

Noch ein paar Worte zum Schienenpersonennah- Meine Damen und Herren, der von Bündnis 90/Die verkehr und zu der von Ihnen vorgeschlagenen Grünen vorgelegte Entschließungsantrag befasst Kundencharta. Nach den Verträgen mit den Län- sich mit dem wichtigen Aspekt der Sicherung der dern haftet die Bahn schon heute. Sie hat sich Fahrgastrechte auch im Nahverkehr. Bahn- und durchaus zu einer bestimmten Leistungsqualität Buskunden sind aber insbesondere im Nahverkehr und Pünktlichkeit verpflichtet. Erreicht die Bahn täglich auf einen reibungslosen Ablauf und ent- dieses Ziel nicht, dann hat sie Vertragsstrafen an sprechende Pünktlichkeit durch die Verkehrsunter- die Länder zu zahlen. Das wissen Sie. Darüber nehmen angewiesen. Sie erwarten als Nutzer eine hinaus entschädigt die Bahn Fahrgäste bereits entsprechende Beförderungsqualität durch diese heute auch im Nahverkehr nach kundenorientierter Verkehrsunternehmen. Das gegenwärtig geltende Prüfung in Einzelfällen. Haftungsrecht, nach dem allgemeinen Eisenbahn- gesetz und dem Personenbeförderungsgesetz, Ich halte den NRW-Vorschlag - das haben Sie schließt ein Einstehen der Verkehrsunternehmen auch schon ein bisschen zurückgenommen -, im für die Folgen einer Verspätung bzw. eines Fahr-

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ausfalls ausdrücklich aus. Diese Regelungen, die verbindlich auch für den Nahverkehr gesetzlich aus dem vorletzten Jahrhundert stammen und die sicherzustellen. Auch eine Schlichtungsstelle nach verkehrlichen Zustände des 19. Jahrhunderts wie- dem Modell des Landes NRW scheint uns dabei dergeben, sind überholt und dringend an die heuti- nach den bisherigen praktischen Erfahrungen ziel- ge Zeit anzupassen. Anbieter der schienengebun- gerichtet zu sein. Insbesondere die in erster Linie denen Verkehrsleistung ist längst nicht mehr der durch öffentliche Ausschreibung vergebenen Nah- Staat allein. Die Deutsche Bundesbahn - in- verkehrsleistungen sollen darüber hinaus mit einer zwischen umgewandelt - ist eine Aktiengesell- Qualitätssicherung vonseiten der Aufgabenträger schaft, die den Börsengang anstrebt. Gerade im sichergestellt werden. Regionalverkehr gibt es eine Reihe von Mitwett- bewerbern. Meine Damen und Herren, nur ein qualitativ hoch- wertiger ÖPNV und SPNV mit sicheren Standards Die Verkehrsunternehmen treten ihren Kunden führt zu steigender Akzeptanz und zu einem Um- gegenüber mittlerweile als Wirtschaftsunterneh- stieg auf Bus und Bahn. Je schlechter das Image men auf und sind deshalb auch grundsätzlich ent- bei den erbrachten Dienstleistungen ist und je sprechend haftungsrechtlich zu behandeln. Insbe- weniger Kundenrechte im Sinne von „dagegen sondere der öffentliche Personennahverkehr ist kann man sich ohnehin nicht wehren“ bestehen, dabei der staatlichen Daseinsvorsorge unterstellt umso mehr wird wieder auf den Individualverkehr und wird in erheblicher Höhe durch öffentliche umgestiegen. Gerade ein Flächenland wie Nieder- Mittel gestützt. Diese Gemeinwirtschaftlichkeit des sachsen muss jedoch ein großes Interesse an der Personennahverkehrs schlägt sich in Fahrpreisen Sicherung eines qualitativ hochwertigen Systems des Nahverkehrs, die nicht im Verhältnis zu der des ÖPNV und SPNV haben. Deshalb müssen Transportleistung stehen, nieder. Es bedarf dem- Verbraucher- und Kundenrechte im ÖPNV gesi- entsprechend auch einer anderen Ausgestaltung chert und gestärkt werden. des haftungsrechtlichen Verhältnisses im Fernver- kehr zwischen Bahn und Fahrgast. Es ist daher (Vizepräsident Ulrich Biel über- sachgerecht und notwendig, die Fahrgastrechte im nimmt den Vorsitz) Nah- und Fernverkehr unterschiedlich zu regeln. ÖPNV-Leistungen werden schließlich staatlich in Dies berücksichtigt der in den Bundesrat einge- erheblicher Höhe subventioniert. Daraus entsteht brachte Gesetzentwurf. für den Nutzer und Steuerzahler ein Anspruch auf Die haftungsrechtliche Privilegierung der Nahver- Qualitätssicherung. Nicht zuletzt die Erfahrungen kehrsunternehmen bleibt deshalb als solche er- aus Nordrhein-Westfalen zeigen, dass z. B. staatli- halten, wird aber spürbar zugunsten des Fahrgas- che Schlichtungsstellen für Bus- und Bahnkunden tes eingeschränkt. Während sich die Haftung der angenommen werden. Bisher ist in dieser Hinsicht Bahn für Verspätungen und Zugausfälle im Fern- von den Leistungserbringern der Verkehrsunter- verkehr künftig nach den allgemeinen Regeln des nehmen freiwillig nichts Adäquates auf den Weg BGB richten soll, enthält der Gesetzentwurf eine gebracht worden, um eine gemeinsame oder ein- besondere Regelung für den ÖPNV. Der Mangel- seitige Selbstverpflichtung freiwillig zu gewährleis- Begriff ist bestimmt und eingeschränkt; der zu ten. ersetzende Schaden ist beschränkt. Auf der ande- Wir sehen den weiteren Beratungen im Ausschuss ren Seite strebt der Gesetzentwurf eine Vereinheit- mit Interesse entgegen und werden den Entschlie- lichung der entsprechenden Regelungen für schie- ßungsantrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grü- nengebundenen Personennahverkehr auf Regio- nen unterstützen. nalbahnstrecken mit Bussen, U-Bahnen und Stra- ßenbahnen an. (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor die- sem Hintergrund unterstützen wir den Entschlie- ßungsantrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grü- Vizepräsident Ulrich Biel: nen und damit die Bundesratsinitiative von NRW Nun hat der Abgeordnete Hermann von der FDP- zur Verbesserung der Fahrgastrechte auch im Fraktion das Wort. Ich erteile es ihm. Nahverkehr. Auf der Grundlage des NRW-Gesetz- entwurfs und der Praxis in vielen anderen Ländern Europas ist es folgerichtig, Fahrgastrechte rechts-

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Wolfgang Hermann (FDP): nen die Kunden dort auch zu ihrem Recht zu kommen. Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Für einen Handwerksmeister ist es selbstverständ- Wer vorgestern gut zugehört hat, der weiß, dass lich, dass er, wenn er einen Fehler macht, durch unser Fraktionsvorsitzender Dr. Philipp Rösler zum den ein Kunde einen Nachteil erleidet oder sogar Antidiskriminierungsgesetz gesagt hat, nicht jede zu Schaden kommt, regresspflichtig ist. Im BGB neue Behörde bringt auch eine Verbesserung. sind hierzu Regelungen enthalten. Zu meiner Überraschung musste ich jetzt erfahren - Herr Will, Auch der Zweck einer Kundencharta erschließt Sie haben es schon ausgeführt -, dass es im Fall sich mir nicht, Herr Hagenah. Abgesehen davon, der Bahn sogar eine Extravorschrift gibt, nämlich dass es ein gut klingender Name ist, ist sie über- § 17 der Eisenbahn-Verkehrsordnung, welche flüssig, sobald eine Regelung eingeführt wird. sämtliche Ansprüche von Fahrgästen gegenüber Haftungsansprüche werden übrigens im BGB ge- der Bahn ausdrücklich ausschließt. Dieses Privileg regelt, und dorthin gehören auch die Rechte von - auch das sagten Sie schon, Herr Will - ist mehr Kunden im Nah- und Fernverkehr. Natürlich muss als 100 Jahre alt. Es ist nicht mehr zeitgemäß und alles in einem realistischen Rahmen bleiben. Die gehört gestrichen. Aber an seiner Stelle müssen Ansprüche dürfen mittelständische Verkehrsunter- wir nicht neue Schlichtungsstellen schaffen, son- nehmen nicht übermäßig belasten. Ihre Durchset- dern wir müssen Gewährleistungsregeln, wie sie in zung darf nicht zu unnötiger Bürokratie führen. anderen Bereiche angewandt werden, auch für die Aber wie gesagt, um Details kümmern wir uns Bahn haben. später, wenn die Ergebnisse der Untersuchung vorliegen. Ein Gutachten, das Reformvorschläge aufzeigen soll, wird derzeit im Auftrag der Bundesregierung Fazit zum Antrag der Grünen: Drei Viertel sind erarbeitet. Ergebnisse werden im Mai erwartet. daneben, und um den Rest werden wir uns ohne- Vorher, Herr Hagenah, macht es keinen Sinn, über hin kümmern, Kollegin Brunhilde Rühl. - Danke für Reformen zu diskutieren. Aber warum tun Sie das, Ihre Aufmerksamkeit. Herr Hagenah? Warum sollen wir eine Bundes- (Beifall bei der FDP und bei der CDU - ratsinitiative aus Nordrhein-Westfalen, übrigens Stefan Wenzel [GRÜNE]: Wie oft fah- von Ihrer Grünen-Ministerin Bärbel Höhn geschrie- ren Sie denn Bahn?) ben, unterstützen? Ich denke, es ist ganz einfach: Es ist Wahlkamp in NRW. Aber, Herr Hagenah, ich frage mich: Ist die Regierungskoalition so Vizepräsident Ulrich Biel: schwach, dass sie Hilfe aus Niedersachsen Für die Landesregierung hat nun Herr Minister braucht, Herr Wenzel? Hirche das Wort. (Stefan Wenzel [GRÜNE]: Wir können doch auch im eigenen Verantwor- Walter Hirche, Minister für Wirtschaft, Arbeit tungsbereich handeln!) und Verkehr:

Herr Wenzel, natürlich hat dieser Antrag - ich Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für möchte es einmal so bezeichnen - eine fast Grü- diesen Antrag, über den wir debattieren, gilt der nen-typische Bürokratieschlagseite. alte Satz: „Gut gemeint“ ist nicht unbedingt „gut“.

(Beifall bei der FDP) (Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie fahren wohl immer nur Dienstwagen, Herr Um den Nahverkehr kundenfreundlicher zu ma- Hirche, oder mit der Bahn?) chen, fordern Sie erst einmal die Einrichtung einer neuen Institution. Eine Schlichtungsstelle Mobilität Ich werde deswegen einige Anmerkungen ma- für Bus- und Bahnkunden muss her. Der Bund hat chen. bereits eine solche eingerichtet und dafür bis 2006 Erstens. Die Landesregierung setzt sich für das 1,4 Millionen Euro Steuergelder bereitgestellt. Von Ziel eines Interessenausgleichs zwischen Fahrgast einer Schlichtungsstelle für Flugkunden, für Tele- und Beförderungsunternehmen im Nah- und Fern- fonkunden oder für Bäckerei- und Fleischereikun- verkehr ein. Nur ein Unternehmen - das hat auch den habe ich noch nichts gehört. Dennoch schei- der Kollege Hermann eben unterstrichen -, das

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Verantwortung für die erbrachte Leistung über- am 24. August 2002 verkündet worden ist. Ich nimmt, kann Kunden auf Dauer gewinnen. Das ist hätte wenigstens erwartet, dass Sie das nachge- unser Interesse. Ich denke, wir sind hier insgesamt prüft hätten und dies nicht als Wahlkampfhilfe vor auf dem richtigen Weg. dem Mai-Termin und vor Vorlage des Gutachtens hier im Landtag thematisieren, meine Damen und Erstens. Schon im Herbst 2003 hat der Bundesrat Herren. mit den Stimmen Niedersachsens die Bundesre- gierung aufgefordert, „die Rechtsstellung der (Zustimmung bei der FDP und bei der Bahnkunden zu verbessern und den Verbraucher- CDU) schutz zu stärken“. So kommen wir nicht voran. Wenn wir hier etwas Zweitens. Die Bundesregierung hat daraufhin ein machen wollen, muss schon ein Stück solide Ar- Gutachten zum Thema „Qualitätsoffensive im öf- beit geleistet werden. Diese Zeit sollten wir uns fentlichen Personennahverkehr - Verbraucher- nehmen, wenn die Bundesregierung bereit ist, die schutz und Kundenrechte stärken“ in Auftrag ge- Vorarbeit zu leisten. Dann können wir als Länder geben. zusammen mit dem Bund diskutieren. Wir werden das in dieser Frage in Übereinstimmung mit dem Drittens. Das Ergebnis des Gutachtens - auch das Bund machen und nicht in hektischer Betriebsam- hat Wolfgang Hermann eben gesagt - wird voraus- keit, weil irgendwo in einem Nachbarland eine sichtlich im Mai 2005 vorliegen. Das bleibt abzu- Landtagswahl ist, meine Damen und Herren. Das warten. Erst dann haben wir Eckpunkte und beleg- ist nicht der richtige Weg, um den Fahrgastrechten bare Daten, die eine Reform der Haftungsansprü- zum Erfolg zu verhelfen. che realistisch ermöglicht. Wichtig ist dabei, dass keine unzumutbaren Belastungen der mittelständi- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) schen Eisenbahnverkehrsunternehmen entstehen und dass der bürokratische Aufwand für Prüfung Vizepräsident Ulrich Biel: und Abwicklung von Ersatzansprüchen in Grenzen gehalten wird. Herr Abgeordneter Hagenah!

Meine Damen und Herren, das Beste wäre, die Enno Hagenah (GRÜNE): Fahrgastinteressen eindeutig, übersichtlich und einheitlich in den Normen des Eisenbahnrechts Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und bzw. des BGB zu regeln und nicht in zusätzlichen Herren! Unser Antrag ist aus mehreren Gründen vertraglichen Vereinbarungen mit den Verkehrs- zeitlich jetzt genau richtig gestellt worden. Zum verbünden. Wir wollen die Rechte stärken, aber wir einen müssen wir feststellen, dass die so genannte werden keine Regelungen anstreben, die nur zu Kundencharta der Deutschen Bahn AG nicht das weiteren unterschiedlichen Ansprüchen und zu hält, was der Name verspricht. Deswegen ist es zusätzlichem bürokratischen Aufwand führen. Das nötig, dass die Politik dazu auf Landessebene sage ich insbesondere auch unter Bezugnahme Stellung nimmt und klarstellt, dass das nicht die auf das Thema Schlichtungsstelle Mobilität, meine Kundenrechte sind, wie wir sie in der Zukunft für Damen und Herren. Es geht darum, Bürokratie angemessen halten, und dass da nachgebessert abzubauen. Ihre Vorschläge in jedem Antrag se- werden muss. hen die Einrichtung einer neuen bürokratischen Zum anderen ist das die Frage, wie sich das Bun- Stelle vor. Wo kommen wir dann eigentlich in desland Niedersachsen zu der im Kern richtigen Deutschland hin? und auch von der Bundes-CDU gestützten Initiati- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) ve des Landes Nordrhein-Westfalen verhält. Wenn Niedersachsen das im Bundesrat blockiert, blo- Meine Damen und Herren, ich empfehle auch, sich ckiert es damit auch einen entsprechenden Dis- einmal den NRW-Antrag anzusehen. Es ist er- kussionsprozess auf Bundesebene, der aus unse- staunlich, wie schlurig er erarbeitet worden ist. rer Sicht sinnvoll und dringend notwendig ist. Denn er bezieht sich in der Begründung und auch im Gesetzestext auf die Altfassung der Eisenbahn- Drittens haben wir in Niedersachsen mit dem von verordnung und nicht auf die geltende Fassung mir bereits beschriebenen Großraumverkehr Han- des Gesetzes zum Protokoll vom 3. Juni 1999 nover ein positives Beispiel im Nahverkehrsbe- betreffend die Änderung des Übereinkommens, die reich, das wir derzeit auch in den anderen Berei-

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chen in Niedersachsen umsetzen könnten, wo der ose Flucht aus der JVA Hannover. Spektakulär war Nahverkehr von den Landkreisen oder auch von das, weil er beim Hofgang über einen Blitzableiter der DB AG entsprechend vorgehalten wird. und über eine Reihe von Dächern türmte und sich dann aus 12 m Höhe abseilte. Dubios war das aus Zu der Frage Schlichtungsstelle: Eine Schlich- verschiedensten Gründen. So nahmen am Hof- tungsstelle macht dann Sinn, wenn nicht die nor- gang nur 16 Gefangene - das war eigentlich eine malen Marktgesetze gelten. Wenn zum Beispiel sehr überschaubare Zahl - und zwei Bedienstete von den drei Bäckern in einem Stadtteil ein Bäcker teil, und trotzdem ist nicht aufgefallen, dass einer immer schlechte Brötchen backt, Herr Hermann, fehlte. Dubios war das auch deshalb, weil nach dann regelt das der Markt. Hier haben wir jedoch einem Fehlalarm beide Bedienstete entgegen den durch die Verkehrsverträge in einer bestimmten Vorschriften ihren Dienstposten verlassen haben. Region - wenigstens zu einer bestimmten Zeit - Dubios war auch, dass der Blitzableiter, der als Monopole. Wenn man Monopole hat, sind die Poli- Kletterstange genutzt wurde, durch einen Bretter- tik und die Gesellschaft in der Pflicht, zwischen zaun zum Teil gar nicht einsehbar war. den Kunden und dem einzigen Anbieter, den es gibt, bei Streitfragen zu schlichten. Das ist nicht (Bernd Althusmann [CDU]: Und wer zusätzliche Bürokratie, sondern das ist richtig ver- ist jetzt schuld? Wir sind schuld?) standene Demokratie, meine Damen und Herren. Es war auch dubios, weil die Bediensteten nach (Zustimmung bei den GRÜNEN und der Feststellung, dass es sich um einen Fehlalarm Zustimmung von Gerd Will [SPD]) handelte,

(Bernd Althusmann [CDU]: Wir sind Vizepräsident Ulrich Biel: schuld!) Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. die Gefangenen beim Hofgang eigentlich keines Blickes würdigten, zumindest haben sie sie nicht Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Wer nachgezählt. Das lief nach dem Motto „Einer ist zustimmt, dass dieser Antrag dem Ausschuss für weg, und keiner hat es gemerkt“. Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zur Beratung über- wiesen wird, den bitte ich um das Handzeichen. - (Heike Bockmann [SPD]: Skandal! - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltun- Bernd Althusmann [CDU]: Wir sind gen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so be- schuld, die CDU-Fraktion ist schuld! - schlossen. Gegenruf von Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist so! Mehrheit ist Mehr- Wir kommen jetzt zum heit!)

Dubios war das auch deswegen, weil sich der Flüchtling nach einem langen Weg über die Dä- Tagesordnungspunkt 31: cher mit einem 13 m langen Seil auf die Straße Erste Beratung: abseilen konnte. Hat er das Seil eigentlich unent- Sicherheit im Justizvollzug besser ge- deckt zum Hofgang mitgebracht, und keiner hat es währleisten! - Antrag der Fraktion der SPD - gefunden? Oder lag es vielleicht schon vorher auf Drs. 15/1617 dem Dach, und war es von ihm dort deponiert wor- den? Dächer werden nicht kontrolliert. Eingebracht wird dieser Antrag von der Abgeord- Als die Flucht dann entdeckt wurde - übrigens neten Müller von der SPD-Fraktion. Frau Müller, durch den Hinweis eines anderen Gefangenen -, Sie haben das Wort. wurde erst einmal intern in der Anstalt gesucht. Das ist in Ordnung. Dann wurde um 10.30 Uhr die Elke Müller (SPD): Polizei informiert. Aber das Seil, das noch vom Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder Dach hinunterhing und die Stelle markiert, an der einmal ist der Justizministerin ein Gefangener aus der Gefangene die Anstalt verlassen hat, wurde dem geschlossenen Vollzug „abhanden“ gekom- erst irgendwann im Laufe des Nachmittags ent- men. Am 24. Dezember letzten Jahres gelang deckt. einem Mörder eine ebenso spektakuläre wie dubi-

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(Heike Bockmann [SPD]: Schlampe- drei Häftlinge aus dem geschlossenen Vollzug rei!) ausgebrochen. Das, Frau Ministerin, ist weniger als die halbe Wahrheit. Das gehört in die Abteilung Wie reagiert nun die Justizministerin auf diesen „tricksen, täuschen und vertuschen“. Vorfall? - Sie verweist als Erstes - das kennen wir schon; das ist die übliche Litanei - auf angebliche (Beifall bei der SPD und bei den bauliche Schwachstellen und Sanierungsmängel GRÜNEN) und verordnet - wie immer - als Erstes einige Rol- len Stacheldraht. Und sie erkennt die Beamten als Am 4. August 2003 - schon zu Ihrer Regierungs- die allein Schuldigen und versetzt sie auf einen zeit - sind aus Celle zwei Gefangene verschwun- anderen Dienstposten. Das, Frau Ministerin, ist den. Am 3. September 2004 ist aus Aurich einer nicht genug, um die Sicherheit der Bürger in Zu- und jetzt aus Hannover einer verschwunden. Das kunft zu verbessern. sind schon vier.

(Beifall bei der SPD) Aber was ist eigentlich mit dem Gefangenen aus Uelzen, der am 9. November 2004 beim Transport Wann wird Ihnen endlich klar, dass Sicherheit im vom Landgericht zurück in die Anstalt flüchten Vollzug nicht nur durch einige Rollen Stacheldraht konnte? Wie war es mit dem U-Gefangenen am gewährleistet wird, sondern in erster Linie durch 24. November, der trotz Handfesseln und Bewa- Menschen und Personal? chung aus dem Gericht in Goslar flüchten konnte? Wie war es eigentlich mit dem Gefangenen am Warum war dieser nun Flüchtige eigentlich nicht in 20. Dezember vorigen Jahres, der vom Amtsge- der Anstalt Celle untergebracht? Er war seit 2003 richt in Brake entkam? Der hat nämlich in der Mit- wegen Mordes verurteilt, hat aber Ende 2004 im- tagspause die Tür seiner Arrestzelle eingetreten. mer noch in Hannover eingesessen. Er saß noch Aber keiner hat das gehört. Wie man das so leise in der Einweisungsabteilung bzw. wartete darauf, macht, muss mir erst mal jemand erklären. diese durchlaufen zu können, weil es dort nach Ihrer eigenen Aussage eine lange Warteliste gibt. Und wie war es mit dem U-Gefangenen, der am Ist Ihnen eigentlich schon mal der Gedanke ge- 26. August 2004 aus dem Amtsgericht Wolfenbüt- kommen, dass man vielleicht das Personal in der tel entkam? Der entkam aus dem Toilettenfenster. Einweisungsabteilung aufstocken könnte? Dann gab es noch einen weiteren, der am (Zustimmung bei der SPD) 17. Dezember 2003 aus dem Amtsgericht in Brake entkam. Am 28. August 2003 entwischte Ihnen Das wäre für die von Ihnen ständig propagierte einer vom Amtgericht in Delmenhorst. Man hatte Sicherheit wahrscheinlich dringend notwendig. ihn sinnvollerweise mit Handschellen an eine Lei- tung in der Amtsmeisterei gefesselt. Es ist ihm Und was ist mit den Bediensteten, die sich falsch gelungen, sich aus den Handschellen zu befreien, verhalten haben? Nützt es eigentlich der Sicher- ohne dass ein Mensch in dieser Amtsmeisterei das heit, wenn Sie sie nur auf einen anderen Dienst- überhaupt gemerkt hätte. Weg war er! posten versetzen? Wäre es nicht viel sinnvoller, anstaltsinterne Weiterbildungsmaßnahmen und (Heike Bockmann [SPD]: Das ist ja Fortbildungen zur Auffrischung der Sicherheitsvor- wie im Krimi!) schriften zu veranlassen? Also, Frau Ministerin: Es sind bis zu diesem Zeit- (Beifall bei der SPD) punkt mindestens zehn, über die wir reden. Sie sind alle aus Ihrem Verantwortungsbereich ge- Oder sind vielleicht auch solche Maßnahmen we- flüchtet. Ich denke, Sie sind sich bewusst, dass gen Personalmangels nicht mehr leistbar? auch eine Flucht aus dem Gericht zu Ihrem Ver- Wir werden uns im Ausschuss sicherlich sehr in- antwortungsbereich gehört. In diesem Bereich - bei tensiv damit beschäftigen müssen. den Gerichten und bei Transporten - ist die Sicher- heit löcherig wie ein Schweizer Käse. Ich möchte noch einige Bemerkungen zu Ihrer Aussage in der Bild-Zeitung vom 29. Dezember (Beifall bei der SPD und bei den machen. Da erklären Sie, seit Ihrem Amtsantritt GRÜNEN) - das ist nun fast genau zwei Jahre her - seien nur

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Was tun Sie eigentlich gegen diese Sicherheitslü- Straftäter gefasst und wieder inhaftiert wird cken? Dazu haben wir bis heute noch kein einzi- - möglicherweise für den Rest seines Lebens. ges Wort gehört. Das versuchen Sie schlicht und einfach auszublenden oder zu verdrängen. (Beifall bei der CDU - Heike Bock- mann [SPD]: Das reicht aber nicht!) Eines aber, Frau Ministerin, ist klar: Für die Si- cherheit der Bevölkerung macht es keinen Unter- Meine Damen und Herren, natürlich wirft die Ent- schied, ob jemand über die Mauer oder über die weichung eines Mörders Fragen auf; das muss sie Dächer geht oder ob jemand beim Transport oder auch. Schließlich führt sie uns drastisch vor Augen, vom Gericht wegläuft. Das kommt auf das Gleiche welch wichtiger Teil der inneren Sicherheit in unse- heraus. rem Land von den Bediensteten in den Haftan- stalten erledigt wird. Unsere Sicherheit vor verur- Ich kann Ihnen nur sagen: Die von Ihnen ständig teilten Häftlingen liegt in den Händen dieser Mitar- beschworene Sicherheit im Vollzug wird von Ihnen beiterinnen und Mitarbeiter. Natürlich müssen wir nicht eingehalten. Das nennen wir Wortbruch. uns fragen, was wir tun können, damit es nicht noch einmal zu einer solchen Flucht kommen (Beifall bei der SPD und bei den kann. Bei jeder Entweichung müssen wir uns fra- GRÜNEN) gen: Haben wir die erforderlichen Mittel für Siche- rungsmaßnahmen und das erforderliche Personal Vizepräsident Ulrich Biel: zur Verfügung gestellt? Diese Fragen muss das Justizministerium beantworten. Diese Fragen müs- Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete sen von uns im Unterausschuss „Justizvollzug und Nacke das Wort. Straffälligenhilfe“ gestellt werden, und zwar von den Mitgliedern der Regierungsfraktionen, aber Jens Nacke (CDU): auch von der Opposition. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Mitarbei- Herren! „Es bleibt eine Niederlage“, so beschrieb terinnen und Mitarbeitern des Justizministerium der Leiter der JVA Hannover am 12. Januar 2005 und bei der Ministerin persönlich bedanken, die in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung die umfassend in der letzten Sitzung des Unteraus- Vorgänge rund um die Entweichung des verurteil- schusses auf unsere Fragen geantwortet haben. ten Mörders Erdogan Bagdaa. Ein besseres Fazit Nach meiner Erinnerung ist keine Frage offen hätte wohl keiner von uns ziehen können. Was war geblieben. geschehen? (Beifall bei der CDU und bei der FDP - Heiligabend kletterte nach den Erkenntnissen des Bernd Althusmann [CDU]: War Frau Ministeriums der Häftling Bagdaa an einem nur Müller da nicht da?) locker mit Dübeln an der Wand befestigten Blitz- ableiter 10 m in die Höhe. Anschließend über- Meine Damen und Herren, wenig hilfreich ist es querte er das Dach, um sich an einer Außenmauer dagegen bei einem solch sensiblen Thema, wenn des Gebäudes an einem Blitzableiter und einem seitens der Opposition versucht wird, die Bevölke- Seil wieder abzulassen und zu flüchten. rung zu verunsichern.

Meine Damen und Herren, bei dieser Flucht han- (Zuruf von der CDU: So ist es!) delt es sich um eine nicht für möglich gehaltene körperliche Leistung. Ohne einem von Ihnen zu Ich zitiere in diesem Zusammenhang die Neue nahe treten zu wollen: Von uns hätte das keiner Presse aus Hannover vom 28. Dezember 2004. geschafft. Vier Tage nach der Entweichung wird dort Frau Kollegin Merk zu der Gefährlichkeit des geflohenen (Unruhe - Glocke des Präsidenten) Häftlings befragt. In indirekter Rede werden Sie, Frau Merk, mit der Aussage zitiert, die Einschät- Es ist eine Niederlage, eine bittere Niederlage; zung, Erdogan Bagdaa stelle keine Gefahr für die denn ein Mörder, der hinter Gitter gehört, läuft frei Allgemeinheit dar, sei falsch. Wörtlich heißt es herum. Ich denke, ich spreche für das ganze Haus, weiter-ichzitiere-: wenn ich sage, dass wir alle den Zielfahndern der Polizei die Daumen drücken, damit der flüchtige

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„Bei einem verurteilten Mörder kann telang nicht als Gefahrenquelle, weil niemand ge- und muss man mit allem rechnen. Der glaubt hat, dass irgendjemand daran hochklettern Mann versteckt sich und ist wahr- könnte. Inzwischen ist der Blitzableiter gesichert. scheinlich noch nicht außer Landes. Hierbei handelte es sich also nicht um ein finan- Selbst mit gefälschten Papieren fiele zielles Problem, sondern um eine Erkenntnislücke. er schnell auf.“ Weiter heißt es unter drittens, ein angeblicher Per- Frau Kollegin Merk, woher wissen Sie das eigent- sonalabbau sei die Ursache. Ich erlaube mir noch lich? einmal,FrauMerk---Istsienochda?

(Heidrun Merk [SPD]: Weil es da ganz (Bernd Althusmann [CDU]: Nein, sie bestimmte konkrete Erfahrungen gibt!) ist gerade auf Spurensuche gegan- gen! - Heiterkeit und bei CDU und bei Frau Kollegin Merk, wie können Sie als ehemalige der FDP) Justizministerin öffentlich Miss Marple spielen? - Nein, sie ist nicht auf Spurensuche gegangen, (Heiterkeit und Beifall bei der CDU sondern sie wusste, was jetzt kommt. Ich erlaube und bei der FDP) mir, trotzdem noch einmal die Neue Presse vom 28. Dezember 2004 zu zitieren. Dort heißt es: Ich hielte das schon bei jedem Mitglied des Parla- ments für peinlich. Bei einer ehemaligen Justizmi- „Alle Blitzableiter sind nun mit Sta- nisterin halte ich es für unverantwortlich. cheldraht versehen.“

(Beifall bei der CDU und bei der FDP) Und weiter:

Meine Damen und Herren, wenig hilfreich ist es „Das reicht Merk nicht.“ des Weiteren, einen Antrag wie den hier vorlie- genden im Parlament einzubringen: fehlerhafte „Merk Marple" müsste hier stehen. Zitat: Darstellung der Fakten, Statistikspielchen und falsche Schlussfolgerungen. - Frau Kollegin Müller, „Das Land hat zu viel Personal im in Anbetracht Ihres Sachverstandes hätte ich mehr Strafvollzug eingespart, kritisiert die von Ihnen erwartet. Ex-Justizministerin, und durch diese Flucht mache sich das bemerkbar.“ (Beifall bei der CDU) Hätte Frau Merk doch jemanden gefragt, der sich Meine Damen und Herren, ich schenke mir einmal damit auskennt, z. B. den Leiter der JVA Hanno- die Zahlen und komme gleich zu den Forderungen. ver, Herrn Matthias Bormann. Ich zitiere einmal Da wird unter Nr. 1 gefordert, die notwendigen aus dem Interview in der Hannoverschen Allge- Erhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen durch- meinen Zeitung vom 12. Januar 2005. Zitat Bor- zuführen. - Mensch, Mensch, die trauen sich was! mann: Ich glaube, für alle Mitglieder des Unterausschus- ses, Frau Müller, sprechen zu können, wenn ich „In diesem Zusammenhang kann ich sage, dass wir sehr froh wären, wenn wir alle Sa- mit dem Gerücht aufräumen, Perso- nierungsmaßnahmen erledigt hätten, die durchzu- naleinsparungen der Landesregierung führen Sie in Ihrer Regierungszeit versäumt haben. hätten die Flucht begünstigt. Das ist absoluter Quatsch.“ (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Das richtet sich an Frau Merk. Bei der Haftanstalt in Hannover denke ich an den traurigen Zustand der Küche. Leider haben Sie (Beifall bei der CDU und bei der FDP) uns nicht das Geld dafür dagelassen, sondern nur Ich zitiere weiter: einen riesigen Berg Schulden, der auf uns lastet. „Wir haben bei rund 1 000 Gefange- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) nen etwa 570 Bedienstete. Das ist Nebenbei bemerkt: Die Entweichung des Häftlings völlig in Ordnung und seit vielen Jah- Bagdaa wäre durch diese Sanierung nicht verhin- ren konstant.“ dert worden; denn der Blitzableiter galt jahrzehn-

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(Beifall bei der CDU und bei der FDP) abzuschieben. Aber dieser perfiden Theorie will ich mich nicht anschließen. Schade, dass Frau Merk gegangen ist. Es wurde auch der Verdacht geäußert, dass der (Sigrid Leuschner [SPD]: Sie ist bei Gefangene Hilfe aus dem Vollzug erhalten hat. einer Besuchergruppe!) Korruption, meine sehr verehrten Damen und Her- ren, in einer niedersächsischen Strafanstalt wäre - Das konnte ich nicht wissen. Möglicherweise hat ein schlimmes Phänomen in unserem Land. sie Gelegenheit, darüber nachzudenken. Wenn Frau Merk die Daten des Justizvollzuges nicht oder (Editha Lorberg [CDU]: Das muss nicht mehr geläufig sind, dann würde ich ihr drin- man erst einmal nachprüfen!) gend dazu raten, sich mit öffentlichen Äußerungen zurückzuhalten. Der Ausbruch des Schwerverbrechers hat in den Medien hohe Wellen geschlagen, und natürlich Ich fasse zusammen: Erstens. Die Umstände der stellt sich hier immer die Frage: Wie viel Verant- schlimmen Entweichung sind zügig ermittelt wor- wortung trägt dafür die Ressortchefin, Justizminis- den. Zweitens. Die festgestellten Mängel wurden terin Heister-Neumann? abgestellt bzw. werden in Kürze beseitigt. Drittens. Der Antrag der Opposition ist nicht weiterführend. Hat man den niedersächsischen Bürgern nicht in Er soll lediglich dazu dienen, die Ministerin und die Wahlprogrammen, im Koalitionsvertrag und in Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Justizvollzug Pressekonferenzen bei der Vorstellung von ein- zu verunglimpfen. Das werden wir nicht zulassen. - heitlichen Vollzugskonzepten mehr innere Sicher- Ich danke Ihnen. heit versprochen? Was bleibt von diesen Verspre- chungen angesichts des Ausbruchs eines Kapital- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) verbrechers? - Ich will Ihnen eine Antwort geben: Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Es gibt Vizepräsident Ulrich Biel: keine fehlerfreien Systeme. Natürlich müssen wir die Bedingungen so gestalten, dass sich möglichst Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der wenig Fehler, vor allem in so hoch sensiblen Be- Abgeordnete Briese das Wort. reichen wie dem Justizvollzug, ereignen. Aber völlige Fehlerfreiheit und damit Sicherheit kann Ralf Briese (GRÜNE): und sollte uns niemand versprechen. Das ist ent- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und weder Täuschung, oder es ist Hybris. Herren! Herr Kollege Nacke, eine Vorbemerkung Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir ha- möchte ich machen - Sie sind meines Wissens ben daher den Ausbruch eines gefährlichen Straf- auch Sprecher für Strafvollzug -: Bei einem so gefangenen nicht hysterisch und populistisch ernsten Thema solch eine Büttenrede zu halten, skandalisiert und reflexartig den Rücktritt einer finde ich sehr merkwürdig; denn hier ist schließlich Ministerin gefordert, wie das die CDU-Fraktion mit ein gefährlicher Mörder entkommen. an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in (Beifall bei den GRÜNEN und bei der umgekehrter Rolle getan hätte. SPD) (Beifall bei den GRÜNEN und bei der In Niedersachsen, meine sehr verehrten Damen SPD - Carsten Lehmann [FDP]: Spe- und Herren, ist ein Strafgefangener auf spektaku- kulation!) läre Weise aus einer Justizvollzugsanstalt aus- Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU gebrochen. Es war kein Kleinkrimineller, der ent- in Schleswig-Holstein ist das tatsächliche und wischt ist, sondern das war ein schwerer Kapital- schlechteste Beispiel dafür; Sie wissen, was im verbrecher. Von ihm fehlt bisher jede Spur. Mit Moment dort abgeht. ziemlicher Sicherheit hat er sich bereits ins Aus- land abgesetzt. (Carsten Lehmann [FDP]: Wir sind aber in Niedersachsen!) Böswillige Menschen, meine sehr verehrten Da- men und Herren, könnten nun behaupten, die Meine sehr verehrten Damen und Herren, Fehler Landesregierung erfüllt hier eine Forderung, aus- sind etwas Menschliches, und solange nicht Fahr- ländische Straftäter zum Vollzug in das Heimatland lässigkeit oder sogar Vorsatz vorliegen, muss man

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auch entschuldigen können. Das ist ein Gebot der (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Fairness, und der politische Wettbewerb sollte nicht schäbig werden. Bei allen Besuchen, die ich in den verschiedensten Vollzugsanstalten in Niedersachsen gemacht habe Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, - sei es mit dem Unterausschuss oder im Rahmen die Ministerin muss sich dann auch kritische Fra- meiner sonstigen Abgeordnetentätigkeit -, habe ich gen gefallen lassen. Seit Sie regieren, Frau Heis- festgestellt - ich darf das auch für meine Fraktion ter-Neumann, gibt es einen kontinuierlichen Abbau feststellen -: Wir haben in unseren Vollzugsan- der Vollzugsstandards oder zumindest die Forde- stalten in Niedersachsen hoch motivierte und kom- rung danach. Sie wollen Mehrfachbelegung in petente Bedienstete, die sich beständig um Ver- Zellen, Sie bauen soziale Dienste in den Anstalten besserungen bemühen: um den Betrieb zu ab, und Sie wollen eine längere U-Haft und ein verbessern und um die Sicherheit in den Vollzugs- härteres Jugendstrafrecht, und zwar gegen den anstalten weiter zu erhöhen. geballten Sachverstand der Fachwelt. (Beifall bei der FDP und bei der CDU) (Editha Lorberg [CDU]: Das ist ja wohl sehr allgemein!) Der Nr. I.1 Ihres Antrages ist zu entnehmen, dass Sie offensichtlich weiterhin wollen, dass bei All- Schlechtere Knastbedingungen erhöhen die Aus- tagskriminalität die ausgeurteilten Strafen auch bruchgefahr. Gleichzeitig wird die Resozialisierung vollstreckt werden. Sie wollen also keine Aufwei- erschwert, und damit steigt die Gefahr von Rück- chung in dem Sinne, wie es auf Bundesebene fällen. Das ist weder Opferschutz noch mehr inne- versucht wird, nämlich Geld- statt Freiheitsstrafen re Sicherheit; das ist einfach eine unprofessionelle durchzusetzen. Das können wir nur ausdrücklich und antiquierte Vollzugspolitik, meine sehr verehr- begrüßen. Das steht aber im Gegensatz zu dem, ten Damen und Herren. was Sie selbst vor einigen Monaten hier im Plenum gesagt haben. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD) (Jörg Bode [FDP]: Aha!)

Schon verkünden Sie voll Stolz, dass jetzt die Aber das soll nicht das Thema sein, über das wir neue Sicherungsverwahrung auch in Niedersach- heute sprechen. sen greift, obwohl der Maßregelvollzug in Nieder- sachsen bereits aus allen Nähten platzt. Ich bin Sie selbst, verehrte Frau Kollegin Müller, haben gespannt, wie lange unter diesen Bedingungen der deutlich gemacht: Es geht Ihnen gar nicht darum, nächste Ausbruch auf sich warten lässt. allgemein über die Sicherheit im Vollzug zu spre- chen, sondern darum, noch einmal den Aufschlag Die Forderungen in diesem Antrag verdienen eine zu machen und über den Vorfall in der Justizvoll- angemessene Beratung und Berücksichtigung. zugsanstalt Hannover zu reden. Das überrascht Beim nächsten Ausbruch wird es nicht „in dubio mich allerdings sehr, weil wir - Kollege Nacke hat pro reo“ heißen. - Vielen Dank. das eben richtigerweise ausgeführt - im Unteraus- schuss bereits vollständig darüber aufgeklärt wor- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der den sind. Darauf werde ich aber gleich noch ein- SPD) mal eingehen.

Vizepräsident Ulrich Biel: Wichtig ist für mich festzustellen, dass Sie unter der Nr. I.2 Ihres Antrages versuchen, mit statisti- Für die FDP-Fraktion hat nun der Abgeordnete schen Spiegelfechtereien und maßlosen Übertrei- Lehmann das Wort. bungen

Carsten Lehmann (FDP): (Heike Bockmann [SPD]: Tatsachen!) Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und - das sind eben keine Tatsachen, Frau Bockmann - Herren! Da wir uns gerade im Bereich des Straf- die Tatsachen so zu verdrehen, dass sie in rechts befinden, meine ich, kann man zu diesem keinster Weise mehr der Wirklichkeit entsprechen. Antrag die Feststellung treffen: Das ist wieder ein- Daraus folgt eine Verunsicherung der Bevölkerung mal ein untauglicher Versuch, den niedersächsi- in Niedersachsen, die nun annehmen muss, der schen Strafvollzug zu diskreditieren.

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Strafvollzug sei nicht sicher, was aber tatsächlich - Frau Bockmann, Sie wissen, dass gerade in der nicht der Fall ist. JVA Hannover schon umfangreiche Arbeiten auf den Weg gebracht worden sind. Da kann man also Aus meiner Sicht - ich hatte das schon erwähnt, nicht sagen, wir würden alle Mittel streichen und und ich hatte den Eindruck, dass das quer durch gar nichts tun; das ist einfach falsch. alle Fraktionen ging - sind in der letzten Woche bei der wirklich nahtlosen Aufklärung der Vorfälle in Weil meine Redezeit abläuft, werde ich nur noch der JVA Hannover keine Fragen offen geblieben. wenige Sätze sagen. Es gab einen Personalabbau von 2003 auf 2004. Absichten, noch weiter Perso- Ich will nur noch einmal auf zwei Punkte eingehen. nal abzubauen, sind nicht zu erkennen; ich könnte Erstens. Man konnte bislang immer davon ausge- das auch nicht unterstützen. Vor allen Dingen soll hen, dass dieser Blitzableiter sicher ist. Dieser der Grundsatz der Einzelunterbringung nicht auf- Blitzableiter war dort schließlich nicht erst seit der geweicht werden. Regierungsübernahme durch die FDP und die CDU vorhanden, sondern auch schon vorher. Dass Das, was im Vollzug in Niedersachsen zurzeit ge- darin ein Sicherheitsproblem liegt, hätte also auch macht wird, ist das, was aufgrund der baulichen schon vorher - und da waren die Verantwortlich- Gegebenheiten möglich ist. Wir, die Fraktionen der keiten andere - auffallen können. CDU und der FDP, lassen uns jedenfalls nicht vorwerfen, wir würden es unterstützen, dass der Darüber hinaus ist auch das mit der scheinbaren Strafvollzug in Niedersachsen Schaden nimmt. Personalknappheit gerade in dem Haus 6, um das Das ist gerade nicht der Fall. Wir weisen das zu- es in diesem Fall geht, kein Problem; denn rück und lehnen Ihren Antrag damit ab. - Vielen schließlich hat sich die Personalbesetzung in der Dank. JVA Hannover seit Jahren nicht geändert. (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Deshalb kann auch nicht von einer Verschlechte- rung des Vollzuges, gerade in der JVA Hannover, Vizepräsident Ulrich Biel: gesprochen werden. Für die SPD-Fraktion hat noch einmal die Abge- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) ordnete Frau Müller das Wort. Noch eine letzte Bemerkung zu diesem Fall. Es ist klar geworden, dass in diesem Fall besondere Elke Müller (SPD): körperliche Voraussetzungen und besonders Herr Präsident! Herr Kollege Nacke und Herr Kol- günstige Umstände dazu beigetragen haben, dass lege Lehmann, ich kann ja gut verstehen, dass dieser sehr risikoreichen Ausbruch auch tatsäch- Ihnen unser Antrag nicht passt. lich gelingen konnte. Da werden die Missstände abzustellen sein; darin sind wir alle uns einig. (Bernd Althusmann [CDU]: Das geht uns bei fast allen Anträgen von Ihnen Den Vogel schießen Sie allerdings mit der Nr. II so!) Ihres Antrages ab, unter der Sie fordern, Erhal- tungs- und Sanierungsmaßnahmen gerade auch Dann müssten wir nämlich inhaltlich erneut dar- bei den Anstalten, durchzusetzen - die JVA Han- über diskutieren, welche Defizite es in der Voll- nover oder die Jugendstrafanstalt in Hameln -, bei zugspolitik der Landesregierung und der sie tra- denen die Missstände nicht erst seit März 2003 genden Fraktionen gibt. eingetreten sind, sondern sich schon über Jahre hinweg angesammelt haben. Ich frage mich: Wa- (Beifall bei der SPD und bei den rum haben Sie während Ihrer Regierungszeit denn GRÜNEN) nicht dazu beigetragen, diese Missstände nach Zum anderen: Wenn Sie sich erdreisten, uns zu und nach abzubauen bzw. Erhaltungsmaßnahmen unterstellen, wir wollten die Justizvollzugsbe- in dem Umfang einzubringen, dass sie heute nicht diensteten verunglimpfen, dann kann ich Ihnen nur mehr vorhanden wären? Folgendes sagen: Sie beide, die Sie hier neu sind, (Beifall bei der FDP und bei der CDU - sollten einmal in alten Protokollen nachlesen, wie Heike Bockmann [SPD]: Deshalb Ihre Vorgänger mit solchen Vorfällen umgegangen streichen Sie alle Mittel!) sind - und zwar nicht nur bezogen auf die damali-

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gen Minister, sondern auch bezogen auf das Per- Vizepräsident Ulrich Biel: sonal. Für die Landesregierung hat nun Frau Mi- (Beifall bei der SPD und bei den nisterin Heister-Neumann das Wort. GRÜNEN) Elisabeth Heister-Neumann, Justizministe- Ich verwahre mich gegen eine solche Unterstel- rin: lung. Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr (Zuruf von der CDU: Dann lassen Sie geehrten Damen und Herren! doch solche Anträge sein!)

- Wer schreit denn da immer von der Minister- Vizepräsident Ulrich Biel: bank? Das ist, wie ich glaube, nicht zulässig. Es heißt immer noch „Herr Präsident“. Wir - Entschuldigung, es kam von dort drüben. sind hier kein Verein.

Vizepräsident Ulrich Biel: (Heiterkeit) Frau Abgeordnete, reden Sie ruhig weiter. Das Elisabeth Heister-Neumann, Justizministe- Präsidium passt schon auf, dass hier alles ord- nungsgemäß abläuft. rin: Hier sitzen ja auch mehr als sieben. Elke Müller (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Nun zu der Frage, was für ein Sanierungsbedarf Herren! Jonglieren mit Einzelfällen - ist das der eigentlich besteht. Die Ministerin sagt immer, es richtige Weg, mit einem so sensiblen Thema wie gebe einen Sanierungsbedarf in Höhe von 124 Mil- der Sicherheit im Justizvollzug umzugehen und lionen Euro. Ich kann das nicht im Einzelnen nach- abzurechnen? Meiner Ansicht nach ist diese Frage rechnen. Ich nehme das einmal so hin und be- klar zu verneinen. Dies hätten auch unsere Mitar- streite es auch gar nicht. Bei den vielen Anstalten, beiterinnen und Mitarbeiter im Justizvollzug nicht die wir in diesem Lande haben, werden Sie den verdient, denen wir wohl bei allem Respekt gegen- Bedarf nie ganz abarbeiten können. Immer dann, über meinen Vorgängern im Amt, ob nun von der wenn Sie an dem einen Ende fertig sind, fangen SPD oder von der CDU, in allererster Linie die Sie an dem anderen Ende wieder an. Machen Sie Sicherheit im Justizvollzug nach innen und außen uns also nicht solche Vorhaltungen. Sonst müsste zu verdanken haben. ich einmal heraussuchen, was wir 1990 teilweise an Schrotthaufen übernommen haben. (Beifall bei der CDU und bei der FDP)

(Beifall bei der SPD und bei den Meine Damen und Herren, wer ein bisschen von GRÜNEN) Statistik versteht, rechnet sich die Zahlen im Zweifel dorthin, wohin er sie haben will. Dafür wer- Was wir in den 13 Jahren an finanziellen Mitteln für de ich Ihnen am Schluss noch eine ganz kleine Bau, Sicherheit, Sanierung, Neubauten und zu- Kostprobe geben. Aber Spaß beiseite! sätzliche Plätze aufgewandt haben, könnte ich Ihnen im Einzelnen mit Zahlen belegen. Ausweis- Sie haben mit Ihrem Entschließungsantrag ein lich einer Antwort dieser Landesregierung auf eine wichtiges Thema angesprochen, den Justizvollzug. Kleine Anfrage sind es in den 13 Jahren insgesamt Der Justizvollzug ist einer der Eckpfeiler unserer 151 365 000 Euro gewesen. Wenn Sie sagen, inneren Sicherheit. Der Umgang hiermit verlangt diese Mittel seien in 13 Jahren aufgewandt wor- kluges Denken, besonnenes Handeln und ange- den, sage ich Ihnen: Sie müssten erst einmal eine sichts der katastrophalen Haushaltslage unseres solche Summe in 13 Jahren aufwenden, bevor Sie Landes intelligente Lösungen für bekannte Prob- den Mund aufmachen können. Sie werden aber lemlagen. nie die Gelegenheit haben, 13 Jahre lang in die- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) sem Land zu regieren. Meine Damen und Herren, nach dem Regierungs- (Starker Beifall bei der SPD und bei wechsel habe ich sehr schnell die bauliche Situati- den GRÜNEN)

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on und die Sicherheitsstandards aller niedersäch- tig nicht mehr in der JVA Salinenmoor. Dies alles sischen Anstalten überprüfen lassen und dabei können Sie den Grundzügen unseres einheitlichen z. B. festgestellt, dass die von der Vorgängerregie- niedersächsischen Vollzugskonzeptes entnehmen, rung noch als zweitsicherste Anstalt des Landes das ich im vergangenen Sommer der Öffentlichkeit präsentierte Justizvollzugsanstalt Salinenmoor vorgestellt habe und das wir im Unterausschuss baulich marode und im Außenbereich unzulänglich „Justizvollzug und Straffälligenhilfe“, wie ich meine, gesichert war. sehr konstruktiv miteinander diskutiert haben. Mei- ne Damen und Herren, das ist mein Weg, für die (Jens Nacke [CDU]: Skandal!) Sicherheit in diesem Lande Sorge zu tragen.

Wenn Frau Müller hier sagt, dass sie den Sanie- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) rungsbedarf nicht nachvollziehen könne, wundert mich das ein wenig, alldieweil das einheitliche Natürlich bleibt auch bei mir die instrumentelle Justizvollzugskonzept alles wunderbar darstellt. Sicherheit - Mauerkronensicherung, Kameraüber- wachung und Sicherheitszäune - nicht außen vor. (Elke Müller [SPD]: Ich habe gesagt: Dazu drei Anmerkungen. Seit meinem Amtsantritt nach Euro und Cent! Außerdem habe sind rund 3,8 Millionen Euro in die bauliche und ich gesagt: Ich nehme das hin!) technische Verbesserung der Anstalten geflossen, u. a. eben auch für die Sicherung der eben bereits -Gut,okay. angesprochenen JVA Salinenmoor. Wir haben nach dem Sicherheitscheck, von dem Zum Zweiten habe ich bei meinem Amtsantritt ich eben gesprochen habe, ein neues Sicherheits- Anstalten mit modernster und teurer Sicherheits- konzept entwickelt und alle Anstalten des Landes technik übernommen. Dafür bin ich sehr dankbar. in vier Sicherheitsstufen eingestuft. Allerdings wurden die zwangsläufig notwendige In einem zweiten Schritt haben wir die Gefange- Unterhaltung und der Erhalt dieser Technik haus- nenklientel analysiert und bewertet und sie nach haltsmäßig nicht berücksichtigt und schon gar nicht Gefährlichkeit, Ausbruchsrisiko und Kriminalitäts- nachhaltig im Haushalt gesichert. Der Justizvollzug belastung klassifiziert. Wir haben den Vollstre- ist gegenwärtig dabei, diese große Last zu schul- ckungsplan geändert und bringen die insoweit tern. problematischen Gefangenen in unseren mit mo- Weitere bauliche Sicherungsmaßnahmen habe ich dernster Sicherheitstechnik ausgestatteten An- im April 2004 mit hoher Priorität in die mittelfristige stalten Celle, Oldenburg, Sehnde und künftig auch Finanzplanung eingebracht. Machen wir uns aber Rosdorf unter. Es ist übrigens ein enormes Investi- nichts vor - in dieser Hinsicht stimme ich mit Herrn tionsvolumen, das diese Landesregierung mit der Briese ausdrücklich überein -: 100-prozentige Si- Mehrheit in diesem Landtag da auf den Weg ge- cherheit wird es nie geben, weder bei der CDU bracht hat. noch bei der FDP und ebenso wenig bei der SPD (Beifall bei der CDU und bei der FDP) oder auch den Grünen. Das beste Beispiel dafür ist die im Entschließungsantrag erwähnte berühmt- Andere Gefangene, die aufgrund ihrer Straftaten, berüchtigte Bollerwagenflucht aus der Hochsicher- der Straflänge und ihrer Persönlichkeit nicht in heitsanstalt Oldenburg. Dies ist unter meinem Vor- einer Anstalt mit höchstem Sicherheitsstandard gänger passiert. Ich habe mir sagen lassen, dass untergebracht werden müssen, verlegen wir in dieser sich geweigert habe, den Vorfall als Aus- Anstalten, die den unteren Sicherheitsstufen zuge- bruch in die Statistik aufzunehmen. Er soll ihn - ich ordnet sind. Mit Inbetriebnahme der JVA Sehnde hoffe allerdings, Frau Müller, dass das nur scherz- Ende des vergangenen Jahres haben wir mit der haft gemeint war - als unerlaubten begleiteten Umsetzung dieses Konzepts bereits begonnen. Es Ausgang abgetan haben. wird mit der Inbetriebnahme der Justizvollzugsan- stalt Rosdorf vollendet sein. (Heiterkeit bei der CDU - Elke Müller [SPD]: Das war allerdings scherzhaft!) Meine Damen und Herren, auf den Punkt ge- bracht: Gefangenenklientel und vorhandener Si- Ich kann das nur deshalb so sagen, weil - sonst cherheitsstandard der Justizvollzugsanstalten wer- würde ich das hier auch gar nicht ansprechen - in den aufeinander abgestimmt. Anders als bei der der Pressemitteilung des Justizministeriums vom Vorgängerregierung sitzen Schwerverbrecher künf- 3. Januar 2003 vermeldet wurde - darauf habe ich

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natürlich geachtet -: Justizminister Pfeiffer zieht für (Beifall bei der CDU und bei der FDP - 2002 Bilanz über den Justizvollzug: kein einziger Wolfgang Jüttner [SPD]: Seit Sie das Ausbruch, 18 Ausbruchsversuche im Vorfeld auf- machen, ist der sicher!) gedeckt und vereitelt. Zweitens. Absolute Sicherheit hat es weder zu Aber wann ist der Vollzug sicher und wann nicht? SPD-Regierungszeiten gegeben, noch kann ich Bei durchschnittlich 40 Ausbrechern pro Jahr wie Ihnen die absolute Sicherheit für die Zukunft ga- bei Frau Merk, bei durchschnittlich zehn Ausbre- rantieren. chern wie bei Herrn Weber, dem gleich neun Un- tersuchungsgefangene aus der JVA Wilhelmsha- (Wilhelm Heidemann [CDU]: Da ha- ven geflüchtet sind? Wem wollen Sie die Ausbrü- ben Sie wieder nicht zugehört, Herr che von zwei Gefangenen aus der Justizvollzugs- Jüttner!) anstalt Salinenmoor zurechnen, die - wohl plat- Drittens. Mit unserem einheitlichen niedersächsi- ziert - am letzten Tag der Amtszeit von Herrn schen Vollzugskonzept sind wir auf dem Weg, die Pfeiffer das ganze bauliche Elend dieser Anstalt erforderliche Sicherheit unserer Bevölkerung und haben offenkundig werden lassen? die Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Beifall bei der CDU und bei der FDP) im Justizvollzug in Niedersachsen noch besser zu gewährleisten. Davon allerdings bin ich fest über- Ich durfte die Konsequenzen daraus ziehen. zeugt. - Herzlichen Dank.

Zum Schluss aber noch ganz kurz zu dem Zahlen- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) spiel, das ich Ihnen versprochen habe. Meine Da- men und Herren, das Risiko eines Ausbruches Vizepräsident Ulrich Biel: betrug 1995 0,28 %, in den Jahren 2001 und 2002 zusammengenommen 0,018 % und 2004 - das war Für die SPD-Fraktion hat sich noch einmal die komplett unter meiner politischen Verantwortung - Abgeordnete Müller gemeldet. Ich erteile ihr das nur noch 0,015 %. Meine Damen und Herren, Sie Wort. sehen: Statistisch stehe ich nicht schlecht da. Elke Müller (SPD): (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Aber ich möchte jetzt noch einmal ernst werden; Ministerin, lassen Sie mich zur Klarstellung noch ich möchte diese Statistik hier nicht in den Vorder- einmal Folgendes sagen: Den Ausbruch von zwei grund stellen. Seit meinem Amtsantritt gab es nicht Gefangenen aus Celle am letzten Tag unserer sieben Ausbrüche, wie es die SPD in ihrem Ent- Regierungszeit, gemeldet am ersten oder zweiten schließungsantrag behauptet, sondern vier. Diese Tag Ihrer Regierungszeit, habe ich in meine Rech- Zahl wurde exakt nach der Klassifizierung ermittelt, nung nicht mit einbezogen. Aber am 4. August die es dafür seit Jahren gibt und die es auch schon 2003 - zu diesem Zeitpunkt regierten Sie schon ein unter der Vorgängerregierung gab, Frau Müller. An paar Monate - sind zwei Gefangene aus Celle dieser Definition hat sich nichts geändert. Die Zahl ausgebrochen. Ich habe sämtliche Meldungen der Entweichungen aus dem offenen Männervoll- über Vorkommnisse, nur dass wir uns darin nicht zug hat in meiner Amtszeit nicht zugenommen, wie missverstehen. Sie behauptet haben, (Hans-Christian Biallas [CDU] be- (Elke Müller [SPD]: Ich habe über- spricht sich mit Minister Uwe Schü- haupt nicht vom offenen Vollzug ge- nemann an der Regierungsbank) sprochen!) sondern sie ist von 136 in den ersten drei Halbjah- Vizepräsident Ulrich Biel: ren vor dem Regierungswechsel auf 118 in den Frau Müller, einen Augenblick! - Meine sehr ge- drei nachfolgenden Halbjahren gesunken. ehrten Damen und Herren, ich möchte wirklich noch einmal darauf hinweisen, dass es unhöflich Lassen Sie mich abschließend zusammenfassen: ist, eine Sprechstunde an der Regierungsbank Erstens. Der niedersächsische Justizvollzug ist durchzuführen, während hier jemand redet. Dieses sicher.

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Verhalten sollten wir möglichst eindämmen. Es ist Tagesordnungspunkt 32: genug Zeit, mit den Ministern zu reden. - Bitte! Erste Beratung: Arbeitsbedingungen der Frauenbeauftrag- Elke Müller (SPD): ten nicht verschlechtern - Antrag der Frakti- Ich glaube, wir sind uns auch darüber, dass es on der SPD - Drs. 15/1618 eine hundertprozentige Sicherheit nicht geben Der Antrag wird eingebracht von der Abgeordneten kann. Nur, wenn Ihnen in den letzten zwei Jahren Groskurt. Ich erteile ihr das Wort. mindestens sechs Gefangene bei der Vorführung zu Zeugenaussagen vor Gericht und Ähnlichem abhanden gekommen sind, dann gibt es da eine Ulla Groskurt (SPD): Schwachstelle, und über diese Schwachstelle Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen müssen wir reden. und Herren! Die SPD-Fraktion gibt die Hoffnung nicht auf, Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Wir haben das Vollzugskonzept sachlich diskutiert, und die Landesregierung davon überzeugen zu wenngleich wir auch nicht in allen Punkten der können, dass Frauenbeauftragte in Niedersachsen gleichen Meinung sind. Ich wünsche mir, dass wir den derzeitigen Status unbedingt behalten müs- diesen Antrag genau so sachlich und ausführlich sen. im Ausschuss diskutieren und nicht deshalb eine Beratung im Ausschuss für nicht erforderlich oder (Beifall bei der SPD) lohnenswert halten, weil jemandem der eine oder andere Punkt unangenehm ist. Herr Nacke, so Dabei sollte man meinen, dass gar keine Überzeu- populistisch sollten Sie mit solchen Angelegen- gungsarbeit notwendig ist, wenn man im Internet heiten nicht umgehen. Aber dass Sie ein gnaden- auf der Homepage des Ministeriums für Soziales, loser Populist sind, das wissen wir schon. Frauen, Familie und Gesundheit surft. Da konnte ich z. B. zu meiner Freude und eigentlich auch (Beifall bei der SPD - Widerspruch bei Beruhigung lesen: der CDU - Editha Lorberg [CDU]: Schade, dass Sie während der Anhö- „Mit der Verabschiedung des so ge- rung keine Fragen gestellt haben, nannten Frauenbeauftragtengesetzes Frau Müller!) ... mit dem die Niedersächsische Ge- meindeordnung und die Niedersäch- Vizepräsident Ulrich Biel: sische Landkreisordnung ... geändert wurden, wurde 1993 eine wichtige Meine Damen und Herren, man sollte einmal frauenpolitische Etappe genommen.“ überlegen, was man sagt und wie man sich unter- einander tituliert. (Beifall bei der SPD)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr Dann folgt eine Aufzählung, welche Landkreise vor. und Gemeinden mit welchem Erfolg kommunale Frauenbeauftragte eingestellt haben. Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der An- trag soll zur federführenden Beratung an den Aus- Außerdem durfte ich lesen: schuss für Rechts- und Verfassungsfragen und zur „Gleichberechtigung - eine gesell- Mitberatung an den Unterausschuss „Justizvollzug schaftspolitische Herausforderung und Straffälligenhilfe“ sowie an den Ausschuss für ersten Ranges ... Um den nieder- Haushalt und Finanzen überwiesen werden. Wer sächsischen Frauen bessere Möglich- dem so zustimmen will, den bitte ich um das keiten zur Verwirklichung ihres Grund- Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Gibt es Stimm- rechtes auf Gleichberechtigung zu enthaltungen? - Dann ist das so beschlossen. schaffen, hat das Land zwei Gesetze Wir kommen jetzt zu verabschiedet.“

Nämlich die von mir gerade erwähnten Gesetze; das muss ich nicht wiederholen.

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Dann konnte ich das Ganze sogar noch als Su- (Beifall bei der SPD) perlative lesen: Phase 3, Februar 2004, wieder eine Antwort der „Das Niedersächsische Gleichberech- Ministerin auf eine weitere Dringliche Anfrage der tigungsgesetz war ein Meilenstein für Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen.“ „Ich möchte Ihnen sagen, was die Stellung der Frauen und Gleichstel- (Beifall bei der SPD - Heidrun Merk lungsbeauftragten in Niedersachsen [SPD]: Das ist es auch!) tatsächlich gefährdet: Das ist ein in- zwischen zehn Jahre altes Gesetz, Mit Recht wird voller Stolz auf die vorgenannten das von Anfang an darauf angelegt Gesetze verwiesen. Diese Information hat mich war, Gleichberechtigungspolitik nicht - das muss ich zugeben - ziemlich verwirrt. Das im Miteinander voranzubringen, son- muss Sie, sehr geehrte Damen und Herren, aber dern das aus dem alten Geist der nicht weiter beunruhigen, denn das kann ich erklä- Konfrontation geboren war.“ ren. Ich glaube nämlich, dass ich die Debatten zum Thema „hauptberufliche kommunale Frauenbeauf- Fazit für mich - ich glaube, auch nicht nur für tragte“ leider nicht geträumt habe. mich -: die Tatsachen und sich selbst auf den Kopf gestellt. Ein paar Punkte zur Erinnerung: (Beifall bei der SPD und bei den Phase 1, August/September 2003. Frau Ministerin GRÜNEN) Dr. von der Leyen lehnt die öffentliche Forderung der kommunalen Spitzenverbände nach einer Ab- Zu diesem Salto kann auch die eifrigste Fangruppe schaffung der in der Niedersächsischen Gemein- nicht mehr applaudieren. deordnung geregelten Berufung von Frauenbeauf- tragten ab. Alle Frauen fühlen sich von der Ministe- (Beifall bei der SPD) rin gut vertreten. Erinnern Sie sich an meine ersten Sätze, die ich Phase 2, Januar 2004, Antwort der Ministerin auf Ihnen aus den Internetseiten des Ministeriums eine Dringliche Anfrage der Fraktion Bünd- vorgelesen habe? 1993 - wichtige frauenpolitische nis 90/Die Grünen: Etappe, eine gesellschaftspolitische Herausforde- rung des ersten Ranges, Meilensteine für die tat- „Seit mehr als zehn Jahren sind die sächliche Gleichberechtigung. - Frau Dr. von der kommunalen Frauenbeauftragten bei Leyen, ich befürchte, Sie versuchen mit Sieben- uns in Niedersachsen gesetzlich ver- meilenstiefeln rückwärts zu gehen. Da müssen Sie ankert. Sie haben sich bewährt und einfach ins Stolpern kommen. erfüllen eine Vielzahl von Aufgaben, die dazu beitragen, die Lebenssituati- (Beifall bei der SPD und bei den on nicht nur von Frauen, sondern von GRÜNEN) uns allen zu verbessern.“ Ich will mich aber nicht nur auf die Landesregie- (Heidrun Merk [SPD]: Recht hat sie!) rung und Frau Ministerin Dr. von der Leyen bezie- hen, sondern ich möchte außerdem gerne Ihnen, Dem kann man nichts entgegenhalten. - Das Zitat sehr geehrte Damen von der CDU, die Kleine An- geht noch weiter: frage Ihrer Kolleginnen Frau Pawelski und Frau Schliepack vom März 2001 in Erinnerung rufen, die „Sie sind oftmals die Triebfeder für sich Sorgen um die unzureichende Absicherung Verwaltung und Politik. Die Frauen- der kommunalen Frauenbeauftragten machten. beauftragten sind ein wichtiger Motor für die Gleichberechtigung von Frau- Vor diesem Hintergrund der Erinnerung später en und Männern in diesem Land.“ frage ich Sie: Worauf wollen Sie in Zukunft mit Stolz verweisen? An dieser Stelle muss ich etwas erstaunt eine Fra- ge anknüpfen. Warum wollen Sie so einen Turbo- (Unruhe - Glocke des Präsidenten) motor abwürgen?

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Vizepräsident Ulrich Biel: lichen Frauenbeauftragten verzichten will. Bis zur Fertigstellung des Berichtes sollte die Landesregie- Frau Groskurt, Augenblick bitte! - Herr Opper- rung den Gesetzentwurf zurückstellen. mann, ich hatte gerade vor ein paar Minuten ge- sagt, die Sprechstunde an der Regierungsbank ist Ich bin überzeugt, aufgrund dieses Berichtes wer- für heute geschlossen. - Fahren Sie bitte fort! den Sie Ihren Gesetzentwurf, ohne weiteres Auf- sehen zu erregen, still und verschämt zurückzie- Ulla Groskurt (SPD): hen, da ihm jegliche tragfähige Grundlage fehlt.

Herr Präsident, Sie wissen aber, dass die Zeit (Beifall bei der SPD) weiterläuft. Ich verspreche Ihnen auch, die SPD-Fraktion wird Vizepräsident Ulrich Biel: nicht nachfragen, wohin denn der Gesetzentwurf so plötzlich verschwunden ist. Sie brauchen keine Sorge zu haben. Reden Sie weiter! Ich muss Ihnen aber noch einmal einiges vor Au- gen führen, da es wirklich ein mühseliges Geschäft ist, Sie von Ihrer eigenen Meinung zu überzeugen: Ulla Groskurt (SPD): Vor diesem Hintergrund der Erinnerung später Die Institution der Frauenbeauftragten darf nicht frage ich Sie: Worauf wollen Sie in Zukunft mit zur Disposition gestellt werden. Sie muss mindes- Stolz verweisen, wenn Sie Ihren Entwurf eines tens in ihrer jetzigen Form beibehalten werden. Auf Gesetzes zur Änderung des niedersächsischen keinen Fall darf Frauenförderung zur freiwilligen Kommunalverfassungsrechts verabschiedet ha- Selbstverpflichtung werden. ben? - Wenn Sie den vorliegenden Gesetzentwurf (Beifall bei der SPD) durchsetzen, drehen Sie wie schon mit einigen anderen Gesetzen die Entwicklung in unserem Statt Frauenbeauftragte in Frage zu stellen, muss Land um Jahrzehnte zurück. die Stellung von Frauenbeauftragten gestärkt wer- den. Frauenförderung, insbesondere durch Frau- (Beifall bei der SPD und bei den enbeauftragte im öffentlichen Dienst, ist nach wie GRÜNEN - Widerspruch und Zurufe vor nötig, um das Grundrecht der Gleichberechti- von der CDU) gung der Frauen zu fördern und um als Vorbild für Ich frage Sie allen Ernstes: Warum wollen Sie sich die Privatwirtschaft zu dienen. Denn genau dort diese unnötige Arbeit machen? Sie haben doch zeigt sich, wie wenig effektiv eine freiwillige Selbst- wirklich genug mit sich selbst zu tun, und die verpflichtung ist. Nur 4,5 % aller Firmen haben kommunalen Spitzenverbände werden es Ihnen einen Frauenförderplan aufgestellt. Meiner Mei- auch nicht danken. nung nach sind die meist männlich dominierten Führungsetagen nicht in der Lage, sich explizit um (Beifall bei der SPD und bei den Frauenförderung zu kümmern. Dazu müssen wir GRÜNEN - Zurufe von der CDU) ihnen schon die Frauenbeauftragten zur Beratung an ihrer Seite belassen. Bevor so substanzielle Gesetze wie das Nieder- sächsische Gleichberechtigungsgesetz, die Nie- (Beifall bei der SPD) dersächsische Gemeindeordnung und die Nieder- sächsische Landkreisordnung geändert werden, Frau Ministerin Dr. von der Leyen, Sie haben in der sollte äußerst sorgfältig ein Bericht über die Erfah- Plenarsitzung am 18. September 2003 deutlich rungen mit der bisherigen Arbeit der Frauenbeauf- gesagt - da stimme ich Ihnen voll und ganz zu -: tragten erstellt und vorgelegt werden. Nehmen Sie „Gleichberechtigungspolitik ist kein bitte die Vorschläge der Landesarbeitsgemein- Randthema, sondern gehört zu den schaft kommunaler Frauenbüros auf, die darauf Kernbereichen unserer Gesellschafts- abzielen, bisherige Erfahrungen zu nutzen. Der politik. Das Ziel der Gleichberechti- Bericht sollte dabei insbesondere auf die Arbeit der gung ist nicht erreicht, solange Frauen Frauenbeauftragten in den Städten und Gemein- im Berufsleben Nachteile erfahren, den eingehen, in denen die Landesregierung in nur weil sie es sind, die die Kinder zur Zukunft auf die Pflicht zur Berufung von hauptamt- Welt bringen. Solange Frauen in

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manchen Bereichen immer noch bei zehnte ziehen. Dem schließe ich mich gerne an. gleicher Arbeit schlechter bezahlt Mit dem Ergebnis dieser Bilanz werden Sie, sehr werden als Männer, solange Frauen geehrte Damen und Herren, unserem heutigen auf herkömmliche Rollenmuster fest- Antrag zustimmen müssen, und die Arbeitsbedin- gelegt werden, solange die Erziehung gungen der Frauenbeauftragten werden nicht ver- von Kindern ein Nachteil in der sozia- schlechtert. - Ich danke Ihnen fürs Zuhören. len Sicherung ist, solange Frauen in Entscheidungsgremien hoffnungslos (Beifall bei der SPD und bei den unterrepräsentiert sind, solange gilt GRÜNEN) nach wie vor der Auftrag unseres Grundgesetzes von 1994, wonach es Vizepräsident Ulrich Biel: Aufgabe aller staatlichen Elemente ist, Für die CDU-Fraktion hat nun die Abgeordnete auf die Verwirklichung der Gleichbe- Ross-Luttmann das Wort. rechtigung hinzuwirken.“

(Beifall bei der SPD und bei den Mechthild Ross-Luttmann (CDU): GRÜNEN) Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehr- Siesagenweiter: ten Damen und Herren! Meine Damen und Herren von der SPD, nichts bewegt Sie so wie das Fest- „Niemand darf dabei aus der Verant- halten an staatlicher Bürokratie und an Überregu- wortung entlassen werden, weder in lierung. den Parlamenten noch in den Kom- munen vor Ort. Unser Grundgesetz (Beifall bei der CDU) und unsere Niedersächsische Verfas- Dieser Eindruck entsteht immer wieder, wenn man sung geben uns allen einen klaren Ihre Anträge liest. Sie scheinen zu glauben, mit Auftrag. Alle Ebenen des Staates vielen Berichten und immer mehr Gängelung von müssen auf die Verwirklichung der oben könnten Sie Ihre ideologischen Forderungen Gleichberechtigung von Frauen und durchsetzen. Männern hinwirken.“ (Beifall bei der CDU) Weiter führen Sie sehr überzeugend und richtig aus, dass Verfassungsaufträge sich nicht von Sie wollen den Status quo überall erhalten und selbst erfüllen, dass sich an den Grundfragen, keine Veränderung zulassen. nämlich an den männlich dominierten Strukturen, nicht wirklich etwas geändert hat. (Beifall bei der CDU und bei der FDP - Sigmar Gabriel [SPD]: Sie müssen so Sehr geehrte Damen und Herren, Sie können aber etwas ernst vortragen! Sie dürfen da- auch ehrlicherweise doch nicht erwarten, dass sich bei nicht lachen! - Zuruf von Ursula in nur zehn Jahren grundlegende Verhaltensmus- Helmhold [GRÜNE]) ter zwischen Männern und Frauen ändern, die Jahrtausende gelebt wurden. Nach nur zehn Jah- Das ist ein falscher und demzufolge nicht unser ren das Handtuch zu werfen, wäre wohl bei der Weg. Uns bewegt nichts so sehr wie die Stärkung Dimension von Zeit reichlich verfrüht. Hier argu- des eigenverantwortlichen Handelns, wie die Ab- mentieren Sie mit einem sehr kleinen Zeithorizont. schaffung unnötiger und überflüssiger Bürokratie.

Das Instrument Frauenbeauftragte aufzugeben, (Beifall bei der CDU und bei der FDP) das von allen Frauen überall genutzt wird, oder die Arbeitsbedingungen zu verschlechtern, halte ich Meine Damen und Herren, wir wollen die Ent- für sehr fahrlässig. scheidungsfreiheit vor Ort. Wir sind davon über- zeugt, dass Entscheidungen zum Wohl der Bürger (Beifall bei der SPD) besser unmittelbar vor Ort getroffen werden kön- nen. Wir haben Vertrauen in die Entscheidungsfä- Frau Ministerin, Sie haben selber gefordert, wir higkeit der kommunalen Räte - Sie scheinbar nicht. sollten eine ehrliche Bilanz der Gleichberechti- gungspolitik der vergangenen Jahre und Jahr-

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(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Vizepräsident Ulrich Biel: Zuruf von Ursula Helmhold [GRÜNE]) Gestatten Sie eine Zwischenfrage? Ich hätte mich gefreut, wenn wir heute - Anfang des 21. Jahrhunderts - hätten beschließen können, Mechthild Ross-Luttmann (CDU): dass wir Frauenbeauftragte nicht mehr brauchen, da das verfassungsrechtlich vorgeschriebene Ziel Nein, dann reicht meine Redezeit nicht mehr. - der Gleichberechtigung erreicht ist. Entsprechend der vom Grundgesetz geforderten Gleichstellung von Frau und Mann besteht daher (Ursula Helmhold [GRÜNE]: Seit wie auch die Pflicht für die Landkreise, die kreisfreien vielen Jahren?) Städte, die Region Hannover sowie die großen selbstständigen Städte, eine hauptamtliche Gleich- Aber dem ist leider nicht so. Dieses Ziel ist nicht stellungsbeauftragte zu bestellen. Für alle anderen erreicht. Noch immer sind die Chancen von Frauen Gemeinden - mit Ausnahme der Mitgliedsgemein- und Männern ungleich verteilt, noch immer gibt es den von Samtgemeinden - gilt das Gleiche. Aber Rollenklischees, ungleiche Bezahlung für gleiche diese können selbst entscheiden, ob sie die Arbeit, Doppelbelastung der Frauen in Familie und Gleichstellungsbeauftragte hauptamtlich, neben- Beruf und viele Vorurteile. amtlich oder ehrenamtlich beschäftigen.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Und die (Sigrid Leuschner [SPD]: Freiwillig!) Schlussfolgerung?) Die Gleichstellungsbeauftragte wird künftig bei Es bleibt daher wichtige Aufgabe des Staates und allen Vorhaben, Entscheidungen, Programmen dieser Landesregierung, die immer noch vorhan- und Maßnahmen - es ist wichtig für uns, dass wir dene Benachteiligung von Frauen abzubauen. die Programme, für die sie verantwortlich ist, auch nennen - mitwirken, die Auswirkungen auf die Frau Groskurt, ich danke Ihnen, dass Sie im Inter- Gleichberechtigung der Geschlechter und die An- net auf der Seite unserer Familienministerin gesurft erkennung der gleichwertigen Stellung von Män- haben. nern und Frauen in der Gesellschaft haben. Sie (Sigmar Gabriel [SPD]: Biallas soll re- soll insbesondere Maßnahmen anregen, meine den!) Damen und Herren, die der Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie dienen. Ich meine, da haben Sie gesehen, dass es gerade unserer Sozialministerin, Frau Dr. von der Leyen, (Zuruf von der SPD: Das brauchen zu verdanken ist, dass wir in Niedersachsen Mehr- Sie uns nicht zu erzählen!) generationenhäuser haben. Damit haben wir ihr Aufgabenspektrum sogar noch (Beifall bei der CDU und bei der FDP - erweitert. Ich verstehe Ihre Aufregung überhaupt Zurufe von der SPD und von den nicht. GRÜNEN: Oh!) (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Ich kann Ihren Unmut verstehen, weil Sie das in 13 Diese Erweiterung ist gerade auch unter dem Ge- Jahren Regierungstätigkeit nicht geschafft haben! sichtspunkt des drohenden demografischen Wan- (Beifall bei der CDU und bei der FDP - dels von besonderer Bedeutung. Ich danke beson- Zurufe von der SPD und von den ders unserer Familienministerin, die sich diesem GRÜNEN) Feld ganz besonders widmet.

Familienpolitik hat einen hohen Stellenwert. Neue (Beifall bei der CDU und bei der FDP - Gesetze werden unter dem Gesichtspunkt „Aus- Sigrid Leuschner [SPD]: Oh ja!) wirkungen auf Frauen“ nach dem Vorbild Gender Ich halte also fest: Das Betätigungsfeld der Gleich- Mainstreaming geprüft. Das gilt selbstverständlich stellungsbeauftragten ist auf die von Artikel 3 un- auch für die Novelle zur Änderung der niedersäch- seres Grundgesetzes geforderte Gleichberechti- sischen Kommunalverfassung, die in § 5 a die gung von Mann und Frau ausgerichtet. Rechtsgrundlage für Gleichstellungsbeauftragte mit konkreter Aufgabenbeschreibung für die Kom- munen vorsieht.

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Wenn Sie nun befürchten, dass durch diese Ände- nicht zu großen Veränderungen. Gesetze müssen rungen die Umsetzung des Verfassungsgebotes gelebt und flankierende Maßnahmen geschaffen der Gleichberechtigung von Frauen und Männern werden. Der verfassungsrechtliche Auftrag richtet nachhaltig gestört wird, dann muss ich Ihnen vor- sich nicht nur an die hierfür bestellten Kräfte, son- werfen, dass Sie wenig Vertrauen in die von Bür- dern - das ist mir wichtig - an uns alle. Wir alle gern demokratisch gewählten Rats- oder Kreis- müssen die Gleichberechtigung von Mann und tagsvertreter haben. Wir machen ernst damit, de- Frau in der Arbeitswelt, der Politik, der Gesell- nen die Kompetenzen zu geben, die vor Ort die schaft und - an die Männer dieses Hauses gerich- Entscheidungen treffen und auch zu verantworten tet - auch in der Familie wollen. haben. (Beifall bei der CDU und bei der FDP) (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Dies ist und bleibt eine gesamtgesellschaftspoliti- Unser Handeln muss doch darauf ausgerichtet sche Herausforderung. Ich wünsche mir mit Ihnen sein, den Entscheidungsträgern mehr Eigenver- eine verstärkte inhaltliche Diskussion über das Wie antwortung zu geben. Das ist nämlich auch zent- des Abbaus der Benachteiligung von Frauen und rales Ziel unserer Politik: die Handlungsfähigkeit nicht immer nur die ideologischen Debatten, die der Kommunen - übrigens ebenfalls ein Verfas- Sie so gerne führen. Das ist mir wichtig. sungsgebot - zu stärken, die Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, in den 13 Jahren (Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ihrer Regierungszeit unnötig, ohne das Wort „Kon- Zurufe von der SPD und den GRÜ- nexität“ jemals ernsthaft in den Mund genommen NEN) zu haben, eingeengt haben. Wir schaffen die Rahmenbedingungen, um erfolg- (Beifall bei der CDU und bei der FDP - reich für die Gleichberechtigung von Mann und Sigmar Gabriel [SPD]: Wer streicht Frau streiten zu können. Das ist die bessere Poli- denn jetzt eigentlich Mittel? Wie viele tik; davon bin ich überzeugt. Ich wünsche mir eine Millionen streichen Sie jetzt?) gute Diskussion in den Fachausschüssen.

- Ach, Herr Gabriel. - Wie alle anderen im Landtag (Starker, anhaltender Beifall bei der vertretenen Fraktionen ist selbstverständlich auch CDU und bei der FDP) die CDU-Fraktion von der wertvollen Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten überzeugt. Viele mei- Vizepräsident Ulrich Biel: ner - und sicherlich auch Ihrer - Kollegen, die Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die kommunalpolitisch tätig sind, kennen und schätzen Abgeordnete Helmhold das Wort. die gute Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten) Ursula Helmhold (GRÜNE):

Wir brauchen keine weiteren Gutachten oder Be- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und richte, wie Sie sie einfordern. Ich komme übrigens Herren! Frau Ross-Luttmann, ich wundere mich, aus einem Landkreis - weil Sie danach gefragt wenn Sie von Vertrauen und Freiwilligkeit spre- haben -, in dem es eine hauptamtliche Gleichstel- chen. lungsbeauftragte gibt, die in den Bereichen Ausbil- (Bernd Althusmann [CDU]: So sind dung, Hilfe bei Existenzgründung von Unterneh- wir!) merinnen und Motivierung von Familien beim be- ruflichen Wiedereinstieg nach der Familienpause Ich will einige wenige Zahlen nennen: 1996 - und immens viel getan hat, und zwar auch und gerade das hat sich nicht sehr geändert; die neuesten weil ihre Arbeit von der Verwaltung und der örtli- Zahlen liegen noch nicht vor - betrug in Ihrer Partei chen Politik anerkannt und unterstützt wird. der Anteil von Frauen in den kommunalen Parla- menten in den Landkreisen und in den selbststän- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) digen Städten 17,2 %. In den kreisangehörigen Auch diesen Aspekt sollte man durchaus einmal in Gemeinden lag der Frauenanteil bei 16 % und in den Vordergrund der Betrachtung stellen. Das den Samtgemeinden bei 11,5 %. Verabschieden von Gesetzen allein führt noch

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(Thorsten Thümler [CDU]: Klasse statt Eine weitere Absicht der Novelle ist es, die Ar- Masse!) beitsbedingungen der wenigen dann noch verblei- benden Hauptamtlichen zu verschlechtern, indem Glauben Sie wirklich, dass diese männerdomi- man sie künftig mit einfacher Mehrheit abwählen nierten Räte freiwillig die Einsetzung von Frauen- kann. Es ist doch offensichtlich, dass Sie sich da- beauftragten beschließen? - Das werden sie nicht von einen beträchtlichen Domestizierungseffekt tun. versprechen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der (Bernd Althusmann [CDU]: Was? Was SPD - Hans-Werner Schwarz [FDP]: verstehen Sie unter „Domestizie- Warum nicht?) rungseffekt“?)

Das kann ich auch mit aktuellen Zahlen belegen: Wenn es neben den sehr offensichtlichen Zeichen Allein die Ankündigung dessen, was Sie jetzt im - wie der Zusammensetzung von Regierungsfrakti- Bereich der kommunalen Frauenbeauftragten vor- onen und Kabinett - noch eines Beweises für die haben, hat bereits dazu geführt, dass in neun Ge- Nichtbedeutung von Frauen und Frauenpolitik meinden die Hauptamtlichkeit in Neben- und Eh- unter der neuen Mehrheit bedurft hätte, dann wur- renamtlichkeit umgewandelt wird, dass in zwei de er damit geliefert. Gemeinden konkret geplant ist, diese Veränderung nach der Gesetzesänderung durchzuführen, dass (Beifall bei den GRÜNEN und bei der vier Gemeinden bereits jetzt ohne Frauenbeauf- SPD) tragte sind, weil sie keine Neueinstellung vorneh- men und abwarten, bis die Hauptamtlichkeit abge- Sie können ja meinethalben glauben, das sei alles schafft wird, und dass viele Stellen gekürzt wer- notwendig und richtig; das ist Ihr gutes Recht. Aber den, auch bei den Mitarbeiterinnen. Aber Sie er- ich finde es nicht recht, sondern eher billig, dass zählen mir hier etwas von Vertrauen in die kom- Sie nicht mit offenen Karten spielen. Was haben munalen Gremien. Da kann man doch wirklich nur Sie hier im Plenum in diesem Zusammenhang noch einen Krampf kriegen. bereits mit Nebelkerzen geworfen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der Nebelkerze 1: Man schafft die Frauenbeauftragten SPD - Zurufe von der CDU) überhaupt nicht ab. - Die Wahrheit aber ist, dass die Verpflichtung für 60 % der Kommunen wegfällt. Es nützt doch auch nichts, wenn die Frauenminis- terin ständig in warmen Worten die Arbeit der Nebelkerze 2: Alle Kommunen sind weiterhin zur kommunalen Frauenbeauftragten preist. Das hilft Bestellung einer Frauenbeauftragten verpflichtet. - denen nichts; denn die hauptamtliche Bestellung Die Wahrheit aber ist, dass es den Kommunen in ist massiv in Frage gestellt. Speerspitze der Bewe- Zukunft freigestellt ist, ob dieses Amt hauptamtlich, gung ist der Innenminister Schünemann, der den nebenamtlich oder sogar, wie es die Männer am kommunalen Hauptverwaltungsbeamten die unbe- liebsten hätten, im Ehrenamt ausgeführt wird. quemen Frauen gerne vom Leibe schaffen möch- (Hans-Werner Schwarz [FDP]: Ja- te. wohl!) (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Nebelkerze 3: Die Maßnahmen erhöhen das Mit- SPD - Björn Thümler [CDU]: Was ver- einander von Frauen und Männern beim Erreichen stehen Sie unter „unbequemen Frau- gleicher Ziele. - Die Wahrheit ist aber doch, dass en“?) sich Männer und Frauen im Erreichen dieser Ziele Die Frauenministerin hat kurz dagegen gehalten, leider überhaupt nicht einig sind; denn schließlich aber sich dann doch getreu ihrem Schlachtruf „mit hatten die Männer jahrzehntelang Zeit, dieses Ziel den Männern“ sehr umstandslos auf deren Seite einzufordern und Frauen entsprechend zu beteili- geschlagen und den Kotau vor diesen Männern gen. gemacht. (Zustimmung bei der SPD) (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Wären wir immer Seit‘ an Seit‘ geschritten, hätten SPD) wir Gleichstellungsgesetze gar nicht gebraucht. So waresabernicht.

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Bundesdeutsche Realität ist, dass Frauen ten nicht verschlechtern“. Man spricht also von schlechter bezahlt werden, dass Frauen in den einer Gefährdung des bestehenden Standards in Hierarchien schlechter positioniert sind, dass sie der Frauenpolitik. trotz besserer Schulabschlüsse die schlechteren Jobs bekommen und dass sie allein für die Familie Liebe Kollegen von der SPD, an Ihren Befürchtun- verantwortlich sind und diese Verantwortung mit gen ist nichts dran; die Landesregierung macht ihrem Beruf vereinbaren müssen. Das ist auch in genau das Gegenteil. niedersächsischen Kommunen so. Frauenbeauf- (Zustimmung bei der FDP und bei der tragte wollen und sollen das ändern. CDU) Der großartigste Vernebelungsversuch dieser Lan- Es ist nun einmal so, dass sich die Geisteshaltung desregierung ist aber Nebelkerze 4: Sie behaupten in der Gesellschaft inzwischen stark verändert hat. allen Ernstes, die Position und Akzeptanz der Frauenbeauftragten würde gestärkt, indem man (Zurufe von Christina Bührmann ihre Zahl dezimiert und ihre Abwahl erleichtert. - [SPD] und Heidrun Merk [SPD] - Meine Damen und Herren, ich kenne wohl das Weitere Zurufe von der SPD) Prinzip, dass man Stärken stärkt und Schwächen schwächt, aber Stärkung durch Schwächung ist Vizepräsident Ulrich Biel: ganz neu. Das ist eine Erfindung dieser Landesre- gierung. Dieses Prinzip müssen Sie mir, den nie- Herr Abgeordneter Bode, einen Augenblick bitte! dersächsischen Frauen und den Frauenbeauf- Von Ihrer Redezeit wird nichts abgezogen. - Fah- tragten noch einmal ganz genau erklären. Viel- renSiebittefort. leicht können Sie es auch mit Beispielen aus män- nerdominierten Bereichen untermauern, in denen Jörg Bode (FDP): Sie mit Stärkung durch Schwächung ebensolche Ziele verfolgen. Sonst verstehen wir das nämlich Frau Merk, es ist nun einmal nicht so, dass Frau- nicht. enförderung heutzutage nur dann stattfindet, wenn eine Frauenbeauftragte quasi als Überraschungs- (Sigmar Gabriel [SPD]: Nun wollen wir gast an Sitzungen von Verwaltungsleitungen teil- die Dummheiten aber nicht auswei- nimmt. ten!) (Zustimmung bei der FDP - Zurufe Der Antrag der SPD zielt insoweit in die richtige von der SPD) Richtung. Erklären Sie uns doch bitte datenge- stützt, warum Sie dieses bewährte Instrument ab- Es herrscht vielmehr ein ganz anderes Klima in der bauen wollen. So lange lassen Sie die kommuna- Gesellschaft. Die Vereinbarkeit von Familie und len Frauenbeauftragten gefälligst in Ruhe. Beruf ist inzwischen in das Bewusstsein aller ein- gegangen. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD) (Ursula Helmhold [GRÜNE]: Was tun Sie denn dafür?)

Vizepräsident Ulrich Biel: Vielfältige Untersuchungen und Berechnungen, Für die FDP-Fraktion hat nun der Abgeordnete u. a. auch unseres Landesrechnungshofes, legen Bode das Wort. genau dar, dass es für ein Unternehmen und auch für die öffentliche Verwaltung sehr viel günstiger (Sigmar Gabriel [SPD]: Wir machen ist, Bedingungen für Frauen zu schaffen, die ihnen die Frauenbeauftragten zu Hilfsshe- die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermögli- riffs! - Weitere Zurufe von der SPD - chen, als neue Mitarbeiter einzustellen und zu Unruhe - Glocke des Präsidenten) qualifizieren.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Und für Jörg Bode (FDP): Männer, Herr Bode? Gilt das nur für Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frauen?) Überschrift des Entschließungsantrags der SPD lautet „Arbeitsbedingungen der Frauenbeauftrag-

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Weil diese Vereinbarkeit von Familie und Beruf, So etwas sollten andere nachahmen. Wir werden Frau Helmhold, der eigentlich elementare Bereich alle Frauenbeauftragte in ihren Bemühungen un- bei der Frauenförderung ist, terstützen, solche Modelle zu kopieren.

(Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Auf Der in Ihrem Antrag geforderte Bericht über die das Schlagwort habe ich gewartet! - Ausgestaltung der Arbeit der Frauenbeauftragten Sigmar Gabriel [SPD]: Sie sind eine ist überflüssig, weil die einzelne Kommune künftig tolle liberale Partei!) vor Ort selber prüfen und entscheiden kann, wie sie den Bereich Frauenförderung darstellt. Er ist setzen wir an der Ursache an, Herr Gabriel, und auch deshalb überflüssig, weil die Frauenbeauf- nicht nur an Symptomen. Weil dies so ist, haben tragten schon in der Vergangenheit ihrem Rat oder wir diesen Bereich zur zentralen Aufgabe gemacht ihrem Kreistag regelmäßig Bericht erstattet haben. Das ist überall so. Wir haben diese Berichtspflicht (Heidrun Merk [SPD]: Das merkt in unserem Gesetzentwurf noch ausgeweitet. man!) Wenn Sie die vorliegenden Berichte nachlesen, und jetzt auch im Gesetz festgeschrieben. Wir werden Sie feststellen, dass die Befürchtung, unterstützen unsere Frauenbeauftragten im Land Frauenbeauftragte in den Kommunen würden auf allen Ebenen. Das tut man am besten - Herr wegbrechen, völlig illusorisch ist. Gabriel, das sage ich gern auch an denjenigen, Danach, was wir bereits getan haben, indem wir der früher hier Verantwortung trug -, indem man mit gutem Beispiel vorangehen, kann ich abschlie- mit gutem Beispiel vorangeht. ßend nur eines sagen: Wir werden die Frauen und (Sigmar Gabriel [SPD]: Mein Land- die Frauenförderung weiter unterstützen und Ihren kreis hat zwei Frauenbeauftragte!) Antrag ablehnen. - Vielen Dank.

Wenn man mit gutem Beispiel vorangeht, werden (Beifall bei der FDP und Zustimmung andere es auch übernehmen wollen. Die Modelle, bei der CDU) die wir inzwischen bei der Landesregierung umge- setzt haben, sind schon beispielhaft. Vizepräsident Ulrich Biel:

(Sigmar Gabriel [SPD]: Das stimmt! Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Aber nicht beispielgebend!) Dr. von der Leyen das Wort.

Das Sozialministerium ist zertifiziert als familien- Dr. Ursula von der Leyen, Ministerin für So- freundlicher Betrieb. Es gibt dort Krabbelgruppen, ziales, Frauen, Familie und Gesundheit: Kinderbetreuung und eine Vielzahl von Heim- und Telearbeitsplätzen. Es ist ein Vorbild für alle Ver- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn waltungen und auch für die Wirtschaft. man den Tenor dieser Debatte verfolgt - auch auf den Zuschauerrängen - und das Gelächter, die (Zustimmung bei der FDP) Häme und den Spott wahrnimmt, mit der eine Seite Das Innenministerium hat im letzten Jahr eine die andere beharkt, dann beginnt man zu ahnen, neue Telearbeitsverordnung für das gesamte Ka- was die Ursache dafür ist, dass dieses Thema binett vorgelegt. immer noch polarisiert ist, obwohl es doch ein ge- meinsames Anliegen sein müsste. (Sigmar Gabriel [SPD]: Das macht Herr Sander wohl als Erster!) (Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Diese Telearbeitsverordnung, Herr Gabriel, ist Wir alle sind in den Inhalten und bei den Fragen, meines Erachtens ein Meilenstein für die Verbes- die in der Gleichstellungspolitik zu lösen sind, wohl serung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gar nicht so weit auseinander. Es mag unter- und gilt im gesamten Kabinett. Das ist ehrenwert. schiedliche Schwerpunkte geben, und niemand hier im Raum wird behaupten, dass wir z. B. das (Sigmar Gabriel [SPD]: Das ist ja Problem der unterschiedlichen Bezahlung von klasse! Telearbeit im Kabinett! Jetzt Männern und Frauen hier und heute lösen können. wird mir einiges klar!) Beim eigentlichen Streit in dieser Frage geht es um die Instrumente.

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(Gesine Meißner [FDP]: Das stimmt!) Frauenbeauftragten in der Entscheidungskraft einer Kommune liegt, wenn sie eine gewisse Grö- Ich meine, dass auch die Kolleginnen und Kolle- ße nicht überschreitet. Damit nehmen wir die gen von SPD und Grünen, wenn sie sich für einen Kommunen in die Verantwortung, Rede und Ant- Moment zurücklehnen und über das Horrorszena- wort auf die Frage zu stehen: Wie haltet ihr es rio, das sie zeichnen, nachdenken, feststellen denn mit der Gleichstellungspolitik? müssen, dass wir uns zunächst folgende Frage stellen müssen: Warum ist in den Kommunen die (Zuruf von Heidrun Merk [SPD]) kommunale Frauenbeauftragte offensichtlich nicht so akzeptiert, wie Sie es angenommen haben? Wir belassen es auch im Benehmen der Kommu- nen, zu entscheiden, welchen Weg sie gehen (Zuruf von Christina Bührmann [SPD]) wollen. Es gibt nicht nur ein einziges Instrument in der Gleichstellungspolitik. Dann stellt sich aber auch die Frage: Warum ha- ben Sie Ihr Gesetz von 1993 nicht früher evaluiert (Beifall bei der CDU und bei der FDP) und überlegt, wie man die Akzeptanz erhöhen kann? - Wir alle sind uns doch gerade in anderen Meine Damen und Herren, auch das Land - ich Rechtsgebieten einig, dass man Mentalitätswech- hätte mich gefreut, wenn Sie auch dazu hier im sel nicht von oben vorschreiben kann, sondern Landtag einmal Stellung genommen hätten - ist bei dass sie von unten gelegt werden müssen. Des- den Themen demografischer Wandel und Gleich- halb bleibe ich nach wie vor bei meiner Überzeu- stellungspolitik gefordert. Es gilt, auch da Akzente gung, dass die Verabschiedung dieses Gesetzes zu setzen, anstatt das zu tun, was in der Vergan- damals, in einer Zeit, in der die Gleichstellungspo- genheit eine Abgabe der Verantwortung war nach litik in anderer Form diskutiert worden ist, sicherlich dem Motto: Wir schreiben die kommunale Frauen- richtig gewesen sein mag. Aber das sture Fest- beauftragte vor, womit unser Handlungsrahmen halten an einer Form, ohne darauf zu hören, was auch ausgefüllt ist. auf kommunaler Ebene gesagt wird, bringt uns Wir haben inzwischen andere Wege beschritten. nicht weiter. Sie müssen beiden Seiten - Männern Sie wissen, dass wir mit den Unternehmerverbän- und Frauen - zugestehen, bei dieser Problematik den in eine Offensive der familiengerechten Ar- mitzureden. Auch die Männer haben selbstver- beitswelt gestartet sind. Sie wissen, dass wir mit ständlich ein Recht dazu. Das sollte man nicht großer Freude inzwischen das Programm für allein einfach mit Häme und mit Lachen abtun. Wir müs- erziehende Sozialhilfeempfängerinnen in der dua- sen doch bereit sein, darüber nachzudenken, ob len Ausbildung in Teilzeit verfolgen. Sie wissen, die Instrumente noch zeitgemäß sind. dass wir genau zu diesen Fragen einen Kabinetts- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) TÜV in der Gesetzgebung eingerichtet haben. Das heißt, wir als Land legen inzwischen sehr stark den Ich freue mich immer, dass Ihre Bundesfamilien- Fokus darauf, was das Land in seiner Handlungs- ministerin auf dem Gebiet schon ein ganzes Stück hoheit bei dieser Frage - „Männer und Frauen mit weiter ist. Ich freue mich auch, dass sie inzwischen Kindern“, „Gleichstellung“ - tun kann. das Thema Gleichstellung und demografischer Wandel genau in der Form aufgreift, dass es eine (Zustimmung bei der CDU und bei der Chance hat, eine gelebte Veränderung - nämlich FDP) mit den Männern, mit den Frauen und vor allen Lassen Sie mich abschließend sagen, meine Da- Dingen mit den Kindern - zu bekommen; men und Herren: Selbstverständlich werden wir bei (Zustimmung bei der CDU) diesem Thema nicht zusammenkommen; denn es gehört offensichtlich zur politischen Kultur, dass denn hier scheiden sich die Geister, was die The- man sich auf der jeweiligen Seite festbeißt. Nichts- men Gleichstellung, Teilhabe am Arbeitsleben, an destotrotz meine ich: Wenn wir dieses Thema mit den Karrieremöglichkeiten und an Entscheidungs- Aufrichtigkeit angehen wollen, dann hat es keinen prozessen angeht. Zweck, in den alten Positionen zu verharren und den anderen immer zuzuschreiben, sie wären die Meine Damen und Herren, deshalb werden wir schlechteren Menschen, ihnen zu unterstellen jetzt einen anderen Weg gehen. Das Gesetz wird - ganz gleich, welche Seite -, sie würden die kommen. Sie wissen, dass die Verankerung der Gleichstellung von Männern und Frauen mit Si-

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cherheit niemals voranbringen. Ich meine, es ist Die Ministerin ist nicht auf die Internetinhalte - wir ein gesamtgesellschaftliches Anliegen. Man muss werden in den nächsten Tagen sehen, ob sie es jeder Gruppe, sowohl den Frauen als auch den herausnimmt - eingegangen, die bei ihr noch ein- Männern, aber auch jeder politischen Ebene zuge- gestellt sind. Sie hätte nämlich sagen müssen: stehen, dass sie ihre eigenen Instrumente dafür Jawohl, ich stehe zu dem, was ich Millionen von entwickelt. - Vielen Dank. Menschen über das Internet zur Kenntnis gebe. Stattdessen hat sie sich davor gedrückt und ge- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) sagt, wir würden Altes wieder voranbringen. Frau Ministerin, Sie haben bisher noch nicht belegt, wo Vizepräsident Ulrich Biel: Sie ernsthaft auf der Seite der Frauen stehen. Eine moderne Seite fehlt Ihnen komplett. Für die SPD-Fraktion hat sich die Abgeordnete Merk zu Wort gemeldet. Ich erteile ihr nach (Beifall bei der SPD und bei den § 71 Abs. 2 der Geschäftsordnung drei Minuten GRÜNEN - Bernd Althusmann [CDU]: Redezeit. Von Frauen wie Ihnen fühlt sich nie- mand mehr vertreten! Das ist ja ein Heidrun Merk (SPD): Pawlow'scher Reflex bei Ihnen!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Meine Damen und Herren, ich habe gestern die Rückwärtsgewandtheit, die ich dem Debattenbei- Mittagspause genutzt, um die Protokolle von 1992 trag der Ministerin entnommen habe, aber auch und 1993 zu lesen. Da war auch die FDP dabei, da dem von Herrn Bode, bei dem ich fragen muss, wo war auch die CDU dabei. er einer Frauenbeauftragten jemals begegnet ist - ansonsten könnte man nicht so reden; „Überra- (Bernd Althusmann [CDU]: Wischen schungsgast“ nennt er die Frauenbeauftragte und Sie sich mal den Schaum vor dem ihre Arbeit, meine Damen und Herren -, ist be- Mund weg!) schämend gegenüber den Frauenbeauftragten! Alle im Land werden zur Kenntnis nehmen, wie die Ich fühlte mich stark zurückgesetzt in die damalige FDP über die Frauenbeauftragten als Überra- Zeit, die damals die gleiche Debatte gebracht hat, schungsgäste spricht. Es ist eine Schande, was wie wir sie eben gehört haben. Wissen Sie, was hier abläuft! wir damals von der FDP gehört haben? - Da waren Frau Vogelsang und vor allen Dingen Frau Lenke, (Beifall bei der SPD und bei den die heute im Bundestag sitzt. Die Dame hat da- GRÜNEN - Zurufe von der CDU und mals gesagt, die Frauenbeauftragten verletzen das der FDP) Selbstverwaltungsrecht der Kommunen, und daher würden alle Kommunen dagegen klagen. Meine Wenn die Ministerin und das ganze Kabinett die Damen und Herren, das Gegenteil ist der Fall, Stärkung des ländlichen Raumes als eines ihrer sonst hätten wir nicht den Internetauftritt von Frau Kernelemente nennen, aber genau da, wo Frau- Ministerin, in dem gerade diese Position gelobt enbeauftragte im ländlichen Raum tätig sind, total wird. versagt, indem sie diese Position streicht, dann wissen wir, meine Damen und Herren: Was die Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Frau Vogel- Linke nicht will, macht offensichtlich die Rechte sang war der Meinung, dass die Frauen als Frau- - und umgekehrt. Es ist der Innenminister, der die enbeauftragte zu viele Rechte hätten. Genau das Frauenpolitik bestimmt, und offensichtlich nicht höre ich jetzt wieder. Mir wird schlecht und Angst mehr diejenige, die sich gerade noch nebenbei und Bange für diese Frauen in unserem Lande. „Frauenministerin“ nennt und das als eine Frage von Mehrgenerationenhäusern versteht. Das ist die (Beifall bei der SPD und bei den Lage, das ist die Rückwärtsgewandtheit in diesem GRÜNEN - Unruhe) Lande! Vizepräsident Ulrich Biel: (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Bernd Althusmann [CDU]: Meine Damen und Herren, ein bisschen ruhiger Das ist eine Unverschämtheit! Schau- bitte. - Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen en Sie sich doch einmal Ihre Bilanz hat um zusätzliche Redezeit nach § 71 Abs. 2 an!) unserer Geschäftsordnung gebeten. Sie bekom-

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men zwei Minuten Redezeit. Frau Helmhold, Sie Kreistagen selbstverständlich nicht passt, sind sie haben das Wort. nicht akzeptiert. Aber es geht hier nicht darum, ob der Kreistag die Frauenbeauftragte akzeptiert, Ursula Helmhold (GRÜNE): sondern darum, ob die Frauenbeauftragten unbe- quem genug sind, eine gute Arbeit im Sinne der Man kann so schlecht ruhig bleiben, wenn es um Frauen zu machen. Dafür wurde dieses Instrument dieses Thema geht und wenn es vor allem so be- geschaffen. handelt wird. Zum neuen frauenpolitischen Spre- cher der FDP-Fraktion, Herrn Bode, hat Frau Merk (Beifall bei den GRÜNEN und bei der alles gesagt, was dazu zu sagen ist. Ich bedanke SPD - Bernd Althusmann [CDU]: Sie mich ausdrücklich. führen Kämpfe, die längst vorüber sind! - Mechthild Ross-Luttmann Frau Ministerin, es geht in dieser Debatte nicht [CDU]: Nicht immer gegen die Män- darum, wer die besseren Menschen sind. ner! Mit den Männern!)

(Bernd Althusmann [CDU]: Den Ein- Wenn Sie ehrlich sind, geben Sie mir Recht, wenn druck haben wir schon!) ich sage, dass Sie jetzt die Position der Frauenbe- auftragten schwächen, damit die Männer sie bes- Es geht darum, wer die bessere Frauenpolitik ser akzeptieren. Sie ziehen ihnen die Zähne, mei- macht, meine Damen und Herren. ne Damen und Herren. Das haben die Frauenbe- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der auftragten nicht verdient, vor allem nicht von einer SPD) Frauenministerin. Sie sind unsere Frauenministerin und nicht die Männerministerin der Frauen in die- Bei Ihnen wird aus Frauenpolitik zunehmend Fami- sem Lande. lienpolitik. Das akzeptieren wir nicht. Das ist nur ein Segment der Frauenpolitik oder überhaupt von (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Frauenbiografien. SPD - David McAllister [CDU]: Ist das flach!) (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Ulrich Biel: Da sollten Sie vor allem die Männer besser mit- Meine Damen und Herren, die Abgeordnete Frau nehmen. Da bin ich dann sehr an Ihrer Seite. Meißner von der FDP-Fraktion hat sich zu Wort gemeldet. Auch Sie bekommt eine zusätzliche Sie sprechen hier weiter von Freiwilligkeit. Ich ha- Redezeit von zwei Minuten. be Ihnen eben vorgetragen, dass bereits 15 Ge- meinden die Chance, die sich ihnen nur mit der Ankündigung einer Novelle bietet, nutzen und be- Gesine Meißner (FDP): reits im Vorfeld tätig werden. Da können Sie mir Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu- nicht sagen, dass das Einzelfälle seien. Das wird in nächst einmal möchte ich etwas richtig stellen. Zukunft noch weitergehen. Ich habe da überhaupt Frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion bin kein Vertrauen. nach wie vor ich. Herr Jörg Bode ist für die Kom- munalpolitik zuständig. Das, was wir jetzt novellie- Selbstverständlich: Wir streiten uns um Instru- ren wollen, ist eine kommunale Gesetzgebung. mente und darum, dass Sie hier ein bewährtes Instrument platt machen, von dem Sie selbst im- Weiterhin wurde gesagt, es sei wichtig, Kompeten- mer erzählen, dass es gut ist. Ich verweise auf zen zu haben. Frau Merk, Sie haben das ange- Ihren Internetauftritt. sprochen. Ich bin seit Anfang der 80er-Jahre frau- enpolitisch aktiv und habe viele Seminare veran- Warum sind die Frauenbeauftragten nicht akzep- staltet. Als Sie Frauenministerin waren, habe ich tiert? - Frau Ministerin, das wissen Sie doch. Sie auch in Ihrem Hause einen Vortrag über Gleich- sind nicht akzeptiert, weil sie unbequem sind, weil stellungsfragen gehalten. Ich bin von Ihnen dazu sie sich quer stellen, weil sie den Finger in die eingeladen worden. Von daher nehme ich an, dass Wunde legen und weil sie sagen: Wir wollen die dies ein Zeichen dafür ist, dass mir Kompetenz Hälfte des Himmels, und zwar möglichst schnell. zugestanden wird. - Das zum einen. Weil das den männerdominierten Räten und

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(Beifall bei der FDP und bei der CDU) der Meinung, dass hinsichtlich der Gleichstellung noch vieles passieren muss. Wir werden dafür Zum anderen Folgendes: Ob eine Frauenbeauf- sorgen und werden dieses Thema auf jeden Fall tragte ihre Arbeit schafft oder nicht und ob sie ak- im Auge behalten. Warten Sie einmal ab, ob das zeptiert wird oder nicht, hat nichts damit zu tun, ob nicht besser funktioniert, wenn es dafür eine breite sie ehrenamtlich oder hauptamtlich tätig ist. In Unterstützung gibt. gewisser Weise haben Sie hier die Ehrenamtlichen diffamiert. Das heißt jetzt aber nicht, dass ich den (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Ehrenamtlichen das Wort rede. Ich habe mit zahl- reichen Frauenbeauftragten viele, viele Jahre lang Vizepräsident Ulrich Biel: zu tun gehabt. Ich kenne viele Frauenbeauftragte, die gesagt haben: egal, ob ehrenamtlich oder Für die CDU-Fraktion hat sich die Abgeordnete hauptamtlich. Was sie vermisst haben, ist eine Jakob zu Wort gemeldet. Auch ihr erteile ich nach breitere Unterstützung in den Räten. Wenn sie § 71 Abs. 2 eine zusätzliche Redezeit von drei diese Unterstützung haben, dann läuft die Sache Minuten. auch. Gabriele Jakob (CDU): (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Diese Unterstützung in den Räten schaffen wir Herren! Ich kann die Aufregung nicht verstehen; nicht durch eine Festlegung auf hauptamtlich oder denn im Gesetz steht ganz klar: Jede Kommune ist ehrenamtlich. Diese Unterstützung schaffen wir auch in Zukunft verpflichtet, eine Gleichstellungs- vielmehr dadurch, dass wir in die Köpfe aller Men- beauftragte zu bestellen. - Wir gehen im Gesetz schen ein Bewusstsein dafür hineinbringen, dass sogar noch weiter, weil wir den Hauptverwaltungs- wir Gleichstellung benötigen. beamten mehr in die Pflicht nehmen wollen. Er muss nach drei Jahren bilanzieren, wie er den (Unruhe) Gleichstellungsauftrag umgesetzt hat.

- Vielleicht könnte es hier ein bisschen leiser sein. (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Ich möchte jetzt etwas Wichtiges sagen, Herr Prä- sident. - Ja? - Gut. Die Ministerin hat erklärt, dass wir das kontrollieren werden. Die Kommunen wollen mehr Verantwor- Es ist sicherlich wichtig und von entscheidender tung. Wir wollen sie ihnen gern geben. Wir werden Bedeutung: Bis jetzt sind die Frauenbeauftragten sehen, wie sie damit umgehen. Das ist doch schon verpflichtet, einen Bericht darüber zu erstellen, mal was. Das haben Sie bisher nicht getan. Sie inwieweit sie die Gleichstellung durch ihre Arbeit haben Gesetze nicht kontrolliert. vorangebracht haben. Sie konnten dabei unter- stützt werden - unabhängig von ihrem Status -, (Beifall bei der CDU und bei der FDP) oder sie konnten allein gelassen werden und in den Räten auflaufen. Auch das ist passiert, und Wir konnten feststellen, dass wir die Erstellung zwar unabhängig davon, welchen Status sie hat- eines Stufenplans gesetzlich vorgeschrieben ha- ten. ben. Ferner mussten wir feststellen, dass die Lan- deshauptstadt Hannover einen solchen Stufenplan Wir wollen jetzt einen Neuansatz versuchen, indem nach drei Jahren, also bis zum Jahr 1999, noch wir sagen: Die Aufgabe, alle zwei Jahre einen Be- nicht erstellt hatte. Das haben Sie gar nicht ge- richt darüber zu erstellen, inwieweit sich die merkt. Gleichstellung in der betreffenden Gemeinde ver- bessert hat, fällt in den Zuständigkeitsbereich des (Zurufe von der CDU - Unruhe - Glo- Hauptverwaltungsbeamten. Das heißt, der muss cke des Präsidenten) sehen, wie er diese Arbeit schafft, und der Rat muss ihn bei dieser Arbeit überprüfen. Damit wird Vizepräsident Ulrich Biel: dieser Bericht auf viel breitere Füße gestellt. Ob es Einen Augenblick! - Meine Damen und Herren, so funktioniert, wird die Zukunft zeigen. Das ist aber geht es wirklich nicht weiter. Zwischenrufe gehören ein neuer Ansatz. Den jetzt schlechtzureden und zu einer Debatte und würzen sie. So laut, wie es so zu tun, als wäre er eine Rolle rückwärts, ist nun derzeit hier im Parlament ist, geht es nun wirklich aber wirklich nicht angebracht. Wir sind sehr wohl

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nicht. Lassen Sie die Rednerin hier vorne reden, bewegt als in der Vergangenheit. Bislang bewegt und dann geht es gut weiter. - Bitte schön! sich nämlich nur sehr wenig. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, haben in den letzten Gabriele Jakob (CDU): Jahren zwar viele Gesetze auf den Weg gebracht, aber an der Umsetzung hat es gefehlt und geha- Meine Damen und Herren, es wäre wichtig, wenn pert. Es ist nicht kontrolliert worden. Wir wollen es wir uns gegenseitig zuhören würden. - Sie kritisie- anders machen, wir wollen es besser machen. ren hier, dass die Frauenbeauftragte nur mit einfa- Abgerechnet wird im Jahr 2008. Dann treffen wir cher Mehrheit abgewählt werden kann. Wir haben uns hier wieder und werden hier wieder darüber darüber auch bei uns im Arbeitskreis und in der diskutierten. Fraktion diskutiert. Sie werden sich wundern, dass ich als frauenpolitische Sprecherin mich dafür aus- (Starker, lang anhaltender Beifall bei gesprochen habe. der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Schluss der Debat- Warum habe ich das getan? - Ich habe in Hanno- te! - Bernd Althusmann [CDU]: Weite- ver im Rat schmerzliche Erfahrungen gemacht. Ich re Wortmeldungen liegen mir nicht gehörte im Jahr 1996 gemeinsam mit Oberbür- vor!) germeister Schmalstieg und anderen Fraktions- vertretern einer Kommission an, die die Aufgabe Vizepräsident Ulrich Biel: hatte, eine neue Frauenbeauftragte zu suchen. Ich habe mir die Mühe gemacht, 130 Bewerbungen Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen durchzuackern. Jedes Kommissionsmitglied sollte liegen mir nicht vor. fünf Bewerberinnen heraussuchen, die es für ge- eignet hielt, dieses Amt auszufüllen. (Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wir haben uns ein zweites Mal getroffen. Zum Teil - Meine Damen und Herren, lassen Sie mich bitte gab es zwischen uns Übereinstimmung. Eine Frau die Sitzung führen. Sie verzögern mit Ihrer Laut- aber haben nur Oberbürgermeister Schmalstieg stärke die Beratungen. und die Grünen ausgesucht. Uns anderen war sie Wir kommen jetzt zur Ausschussüberweisung. nicht aufgefallen. Sie wurde in den Fraktionen Federführend tätig werden soll der Ausschuss für vorgestellt. Wir waren uns darin einig, dass diese Inneres und Sport, mitberatend tätig werden soll Frau nicht geeignet ist. Anschließend bin ich sehr der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und verwundert gewesen, weil die SPD-Ratsfraktion Gesundheit. Wer dem zustimmen will, den bitte ich diese Frau vorgeschlagen hat. Ich bin dann zu um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - meinem Kollegen gegangen und habe gesagt: Das Gibt es Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlos- kann doch nicht euer Ernst sein. - Er sagte mir: sen. Gabi, die Grünen haben in den Koalitionsvereinba- rungen darauf bestanden, dass sie das Vor- Meine Damen und Herren, der Abgeordnete Bode schlagsrecht für die Frauenbeauftragte haben. - hat sich zur Abgabe einer persönlichen Bemer- Das ist die Schuld. Sie haben die Frauenbeauf- kung nach § 76 unserer Geschäftsordnung zu Wort tragte zu einer politischen Person gemacht. Somit gemeldet. Damit Klarheit besteht, lese ich diesen haben Sie sie missbraucht. So geht das aber nicht. Paragrafen vor:

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei „Einem Mitglied des Landtages, das der FDP - Hans-Werner Schwarz sich zu einer persönlichen Bemerkung [FDP]: Das gibt’s ja wohl nicht! Das ist zum Wort gemeldet hat, ist das Wort der Kern der Sache! - David McAllister auch nach Schluss der Besprechung [CDU]: Das ist das System Grüne! - zu erteilen. Das Mitglied des Landta- Weitere Zurufe - Glocke des Präsi- ges darf in der persönlichen Bemer- denten) kung nur Angriffe zurückweisen, die in der Aussprache gegen es gerichtet Insofern sollten wir jetzt einmal abwarten, wie sich wurden, oder eigene Ausführungen dieses Gesetz in der Praxis bewährt. Vielleicht berichtigen. Es darf nicht länger als können wir nach drei Jahren feststellen, dass die- fünf Minuten sprechen. Bei Verstößen ses Gesetz so gut ist, dass sich hier jetzt mehr gilt § 71 Abs. 3 entsprechend.“

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Herr Abgeordneter Bode, Sie haben das Wort. dafür eingesetzt, dass, nachdem die eine Frauen- beauftragte - Herr Meyer, das werden Sie ebenfalls Jörg Bode (FDP): bestätigen können - ein Kind bekommen hat - - - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau (Heiterkeit bei der FDP und bei der Merk und auch Frau Helmhold - Sie haben Frau CDU - Beifall bei der SPD - Unruhe Merk zugestimmt -, ich weise Ihre Anschuldigung - Glocke des Präsidenten) gegen meine Person entschieden zurück. Ich habe die Arbeit von Frauenbeauftragten keinesfalls dif- Ich habe mich sogar dafür eingesetzt, dass wir für famiert, Frau Merk. Im Gegenteil, ich habe gesagt, die Frauenbeauftragte - Herr Meyer, das werden dass ich den Eindruck habe, dass Ihre Geistes- Sie ebenfalls bestätigen können -, die ein Kind haltung diejenige ist, dass Sie glauben, Frauenför- bekommen hat, eine Regelung gefunden haben, derung gebe es nur dann, wenn eine Frauenbe- damit sie Beruf und Familie vereinbaren und wie- auftragte auf den Plan tritt. Ich habe im Gegensatz der ihre beruflichen Tätigkeit ausüben konnte. Ich dazu gesagt, dass nach meiner festen Überzeu- denke, das ist der richtige Weg, wie wir Frauenför- gung Frauenförderung eine gesellschaftliche Auf- derung betreiben sollten. - Vielen Dank. gabe ist, die alle unabhängig von dem Beisein (Lebhafter Beifall bei der FDP und bei einer Frauenbeauftragten wahrnehmen müssen der CDU - Zuruf von der CDU: Bravo!) (Ursula Helmhold [GRÜNE]: Und dann haben Sie sie als Überra- Vizepräsident Ulrich Biel: schungsgast bezeichnet! - Unruhe) Meine Damen und Herren, ich rufe auf und auch wahrnehmen werden, Frau Helmhold.

Das habe ich gesagt. Tagesordnungspunkt 34: (Unruhe) Erste Beratung: Beim Kampf gegen AIDS nicht nachlassen Vizepräsident Ulrich Biel: - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1619

Herr Bode, einen Augenblick! - Meine Damen und Zu Wort gemeldet hat sich die Abgeordnete Frau Herren, es gilt wirklich das, was ich vorhin gesagt Krämer. Ich erteile Ihnen das Wort. habe. Ich werde jetzt härter durchgreifen. Herr Bode hat das Wort. Sie sollten zuhören, was der- Gerda Krämer (SPD): jenige, der sich nach § 76 der Geschäftsordnung gemeldet hat, zu sagen hat. - Bitte, Herr Bode! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Aids hat uns schon vor einigen Monaten im Jörg Bode (FDP): Parlament beschäftigt, Ich werde das auch weiterhin so sagen, weil ich (Unruhe - Glocke des Präsidenten) der festen Überzeugung bin, dass dies der einzig richtige Weg ist, ein gesamtgesellschaftliches Kli- aber aufgrund aktueller Zahlen der Welt-Aids- ma für die Frauenförderung insgesamt zu schaffen. Organisation und der Weltgesundheitsorganisati- on, die aussagen, dass die Zahlen der HIV- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Infizierten und Aidstoten dramatisch ansteigen, können wir nicht tatenlos zusehen. Unser Antrag Frau Merk, Sie haben bestritten, dass ich mich „Beim Kampf gegen AIDS nicht nachlassen“ fordert jemals - so habe ich es verstanden - mit Frauen- daher die Landesregierung auf, die Aidsprävention beauftragten getroffen oder unterhalten habe. Ich zu verstärken. Wir sind dabei guten Mutes; denn in kann Ihnen garantieren: Ich habe in meiner kom- ihrer Unterrichtung vom 17. November letzten Jah- munalpolitischen Tätigkeit bereits mehrere Frau- res sieht die Landesregierung zum Thema Zukunft enbeauftragte gewählt. Ich bin - Herr Meyer wird der Aidsprävention viele Punkte genauso wie die das hoffentlich auch bestätigen - mit der Arbeit der SPD-Fraktion. So geht aus der Unterrichtung z. B. Frauenbeauftragten hoch zufrieden. Ich habe auch hervor, dass man die sich verändernden Heraus- nicht im Entferntesten die Absicht, eine von denen forderungen, ein sich veränderndes Klientel sowie abzuberufen. Im Gegenteil. Ich habe mich sogar

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ein nachlassendes Bewusstsein in der Bevölke- den dort tätigen Pädagogen sollten Fachleute von rung für Aidserkrankungen erkannt hat. Auch wird Aidsberatungsstellen kontinuierlich - das ist wich- darauf hingewiesen, dass die Aidshilfen auf allen tig - in den Schulen vortragen, aufklären und be- Tätigkeitsfeldern stark in Anspruch genommen raten. werden und dass durch die steigenden Infektions- zahlen bei Migrantinnen und Migranten erhöhte (Beifall bei der SPD) Anforderung an die Aidshilfen im Bereich der Prä- Ebenso muss die Aufklärung in die Medien, z. B. vention gestellt werden. Diese Aussagen, meine Presse, Radio und Fernsehen, wieder intensiviert Damen und Herren, lassen, wenn man es ernst werden. Junge Menschen müssen mit der Gefahr meint, nur den Schluss zu, dass die Landesregie- von Aids regelmäßig konfrontiert werden, um einer rung die Gefahr einer weiteren Ausbreitung von gewissen Sorglosigkeit vorzubeugen. Leider wurde Aids erkannt hat und verstärkt tätig werden will. seitens der Landesregierung das Spritzenaus- Wenn unser Antrag dabei unterstützende Wirkung tauschprogramm in Vechta und Lingen abgeschafft hat, würde mich das sehr freuen. - eine Entscheidung, die mir auch heute noch völlig Zur weiteren Begründung unseres Antrages: Aktu- unverständlich ist. Spritzen gehören in den Justiz- ell veröffentlichte Zahlen machen deutlich, dass die vollzugsanstalten zum täglichen Leben. Das ist so, Anzahl der neu mit HIV Infizierten sowie die Anzahl und das kann man auch nicht schönreden. Ohne der Aidstoten weltweit weiterhin dramatisch steigt Spritzenaustauschprogramm besteht die Gefahr, - auch in Deutschland. „Eine Zeitbombe tickt gleich dass die Ansteckungsrate durch den Mehrfach- hinter der polnischen Grenze“ - so lautete die gebrauch erheblich steigt und durch diese Spritzen Schlagzeile einer Zeitung zu diesem Thema. Ex- bei Verletzungen auch die Bediensteten gefährdet perten warnen vor der Gefahr, dass sich die in sind. Im Übrigen setzt die Schweiz dieses Sprit- Osteuropa dramatisch ausbreitenden Infektions- zenaustauschprogramm seit Jahren erfolgreich krankheiten Aids und Hepatitis in den nächsten ein. Sie erfüllt damit eine Forderung, die schon Jahren auch in Richtung Deutschland ausweiten. lange seitens der Weltgesundheitsorganisation 70 bis 90 % der grenznah tätigen Prostituierten aufgestellt wird. Niedersachsen hat sich mit der kommen aus Weißrussland, aus der Ukraine oder Abschaffung des Spritzenaustauschprogramms auf aus anderen GUS-Staaten, wo sich Aids vor allem den falschen Weg begeben. Es wird daher Zeit, durch die Weitergabe von Drogenspritzen Besorg- dass in den niedersächsischen geschlossenen nis erregend ausbreitet. Haftanstalten dieses Programm flächendeckend eingeführt wird. Um einen Überblick zu erhalten, Auf der einen Seite lässt das Bewusstsein für die welche Auswirkungen die Absetzung des Sprit- Aidsgefahr bei den Freiern immer mehr nach, was zenaustauschprogramms in den beiden Vollzugs- eine Gefahr für deren nächste Partnerin oder anstalten Vechta und Lingen hatte, bitten wir das nächsten Partner bedeutet, und auf der anderen Justizministerium um einen entsprechenden Be- Seite gibt es nur unzureichende Informationen richt. über den Gesundheitszustand der Prostituierten. Auf diese Tatsachen wurde auf dem bundesweiten Ein weiterer Rückschritt in der Aidsprävention ist, Aidstag ganz besonders hingewiesen. Die stei- dass es seit dem 1. Januar dieses Jahres keine gende Zahl der Neuinfektionen muss daher auch externe Drogenberatung in den Vollzugsanstalten in Deutschland und in Niedersachsen zum Anlass mehr gibt. Das heißt, Experten aus den etablierten genommen werden, die Präventionsaktivitäten Beratungseinrichtungen wurden und werden ge- weiter auszubauen bzw. neu zu konzipieren. Das gen Bedienstete aus den Anstalten ausgetauscht. heißt, wir brauchen ein neues Aidspräventionskon- Sicherlich wurden und werden diese Mitarbeiter zept für Niedersachsen, basierend auf den neu- der Justizvollzugsanstalten geschult. Aber sie kön- esten Entwicklungen und Erkenntnissen. Dabei nen einfach kein Ersatz für die bisher eingesetzten sollten die Präventionsaktivitäten gebündelt und Fachleute sein. Hier stellt sich für uns die Frage: bundesweit standardisiert werden. Die finanziellen Wie viele Inhaftierte, vor allem Jugendliche, wer- Mittel dürfen deswegen auf gar keinen Fall weiter den aufgrund der jetzt internen Drogenberatung reduziert, sondern müssen im Gegenteil wieder noch aus der Haft in die Therapie vermittelt? erhöht werden. Die bisher schon geleistete Präventionsarbeit im Auch die Aufklärung über Aids in den niedersäch- Kampf gegen Aids, meine Damen und Herren, hat sischen Schulen muss intensiviert werden. Neben sicherlich dazu beigetragen, dass die Situation in

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Deutschland und auch in Niedersachsen ver- Meiner Meinung nach muss die Kirche, hier die gleichsweise günstig ist. Es ist aber wichtig, dass katholische Kirche, vertreten durch den Vatikan, evaluiert wird, welche epidemiologischen und sozi- neben dem Begriff „Liebe deine Nächsten“ auch alen Entwicklungen eingetreten sind oder sich die Aussage „Schütze deine Nächsten“ als Bot- abzeichnen und wo Änderungsbedarf besteht. Wir schaft weitergeben. Ich hoffe, dass - zur Not auf schlagen daher vor, dass die Landesregierung Druck der Öffentlichkeit - ein Umdenken in der dem Landtag alle zwei Jahre einen entsprechen- katholischen Kirche erfolgt und dass der Vatikan den Bericht über Aidserkrankungen und HIV- dann ein wirklich realistischer Partner für alle Be- Infektionen vorlegt. Erstmalig sollte dieser Bericht teiligten in dem Kampf gegen Aids wird. zum 30. Juni 2005 erfolgen. Wir sind zunächst für die Menschen in Nieder- Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle sachsen verantwortlich. Daher bitte ich Sie, meine wissen, dass die Aidsprävention aufgrund der ak- Damen und Herren: Lassen Sie uns diesen Antrag tuellen nationalen und internationalen Entwicklung im Sozialausschuss positiv beraten und dann letzt- ausgebaut werden muss, und zwar in Niedersach- endlich gemeinsam auf den Weg bringen. - Ich sen, länderübergreifend in Deutschland und über bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Europa hinaus, weltweit. Nur so haben wir eine Chance, diese schreckliche Krankheit einzudäm- (Beifall bei der SPD) men und vielleicht in den Griff zu bekommen, auf jeden Fall aber eine noch größere Ausweitung zu Vizepräsident Ulrich Biel: verhindern. Auf die immensen Folgekosten von Für die CDU-Fraktion hat nun die Abgeordnete Aidserkrankungen will ich gar nicht weiter hinwei- Mundlos das Wort. Ich erteile es ihr. sen und eingehen.

Aber ein Punkt, meine Damen und Herren, ist mir Heidemarie Mundlos (CDU): noch sehr wichtig. Vor ein paar Tagen gab es eine Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! erneute Stellungnahme der katholischen Kirche Es ist richtig: Die Neuinfektionsrate ist nicht rück- hinsichtlich Aidsprävention, und zwar aufgrund der läufig. Deswegen möchte ich meinen Ausführun- Anti-Aids-Kampagne in Spanien. Dazu möchte ich gen gerne voranstellen, dass wir uns unserer Ver- an dieser Stelle klar und deutlich sagen: Aussagen antwortung bewusst sind und beim Kampf gegen von hohen kirchlichen Würdenträgern des Vati- Aids sicherlich nicht nachlassen werden. So ist kans, dass die katholische Kirche bei der Be- auch der heutige Antrag nicht der erste Antrag in kämpfung von Aids auf Keuschheit und Enthalt- dieser Wahlperiode. samkeit setzt - Zitat: „Wir akzeptieren den Gebrauch von Kondomen nicht“ -, sind meiner (Unruhe) Meinung nach im Kampf gegen Aids einfach nur schädlich und führen zu einer weiteren Ausbrei- Vizepräsident Ulrich Biel: tung dieser Krankheit. Einen Augenblick, Frau Abgeordnete Mundlos! - (Beifall bei der SPD) Ich habe es vorhin gesagt: Eine Sprechstunde gibt es im Plenarsaal nicht. Gläubige Christen auch hier bei uns werden durch diese Aussage in einen tiefen Konflikt gestürzt. (Zuruf von der CDU) Hin- und hergerissen zwischen Gehorsam der Kirche gegenüber und dem Zusammenleben, ein- - Das gilt für alle. schließlich der natürlichen sexuellen Bedürfnisse, tun sie dann in punkto Aidsprävention nichts und Heidemarie Mundlos (CDU): verlassen sich einfach auf ihr Glück, frei nach dem Motto: Ich steck mich schon nicht an, mir wird Sie erinnern sich sicherlich an die gemeinsame schon nichts passieren. Welcher Trugschluss das Beschlussempfehlung zu diesem Thema. ist und wie bitter dann die Infektion für jeden Ein- Zu Ihren Forderungen: Es gibt eine unglaubliche zelnen und seine Angehörigen ist, muss ich sicher- Anzahl von Institutionen, die sich mit der Aidser- lich nicht näher erläutern. krankung bzw. mit HIV befassen. Das beginnt auf der Ebene der Freiwilligen, der Ehrenamtlichen und der Selbsthilfegruppen, schließt die Kommu-

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nen ein. Mediziner bilden Kompetenznetze, natio- sen wohl jeder Schüler die Bedeutung der roten nal und international, zum Teil gefördert durch den Schleife kennt. Also steht auch dieser Ihrer Forde- Staat. Sie arbeiten dabei mit Universitäten, mit rung bereits Handeln gegenüber. Kliniken, mit den Medien, mit der Deutschen Aids- hilfe, mit Apotheken und Lehrkräften zusammen, Zu Ihrer vierten Forderung: Seit mehr als zehn z. B. auch mit dem Robert-Koch-Institut in Jahren ist keine Zunahme der HIV-Infektionsraten Deutschland oder mit dem Pasteur-Institut in Paris. im Justizvollzug zu erkennen. Dies betrifft alle Der Informationsaustausch erfolgt in einer Form, Bundesländer. In einem Zeitraum von mehr als 15 wie sie sich manch andere Gruppierung bei ihrem Jahren wurde lediglich eine HIV-Infektion während Thema nur wünschen würde. Natürlich erfährt der der Inhaftierung im niedersächsischen Justizvoll- Präventionsgedanke dabei eine besondere Be- zug beobachtet. Alle anderen erhobenen Infektio- wertung. Stets werden neue Erkenntnisse und nen waren vor der Inhaftierung erfolgt. Der Anteil aktuelle Entwicklungen so schnell wie möglich der HIV-infizierten Gefangenen liegt durchschnitt- beachtet und einbezogen. Berichte zum Thema lich konstant bei 0,5 %. gibt es von allen Beteiligten in unterschiedlichen Die Infektionsraten wurden zwischen den Bun- Abständen und bei neuen Erkenntnissen auch desländern ausgetauscht. Es hat sich gezeigt, unmittelbar. Wenn man ins Internet schaut, wird dass der befürchtete Anstieg der Infektionen aus- man feststellen, dass es eine große Flut an Infor- blieb. Die Erhebungsfrequenz wurde jetzt auf ein- mationen gibt und dass kaum eine Frage offen mal jährlich reduziert. bleibt. Die Aidsaufklärungskampagne ist die größte und umfassendste Kampagne zur Gesundheits- Niedersachsen hat 1996, also zu einer Zeit, in der prävention in Deutschland und somit natürlich von einer bedrohlichen Zunahme der HIV- auch in Niedersachsen. Sie ist modellhaft für die Infektionen ausgegangen wurde, den Spritzen- erfolgreiche bundesweite, öffentlichkeitswirksame austausch in der zentralen Frauenanstalt des Lan- Präventionsstrategie, gerade eben auch in Nieder- des und in einer Abteilung des geschlossenen sachsen. Männervollzugs erprobt. Einziges Ziel war die In- fektionsprophylaxe. Man hoffte, durch die Vergabe (Beifall bei der CDU) steriler Einwegspritzen HIV- und Hepatitisinfektio- Die Kampagne „Gib Aids keine Chance“ greift auch nen verringern zu können. Da bis heute nicht in Niedersachsen. Mein Dank gilt an dieser Stelle nachgewiesen werden konnte, dass sich dadurch den Selbsthilfegruppen ebenso wie den Medien. ein infektionsvorbeugender Effekt eingestellt hat, Aber ich danke auch der Landesregierung, die hat das Justizministerium beide Spritzenaus- dem Antrag „Beim Kampf gegen AIDS nicht nach- tauschprogramme - zu Recht, wie ich meine - zum lassen“ inhaltlich längst gerecht wird. 1. Juli 2003 eingestellt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP) Zu Punkt 5: Einer Information zum 30. Juni dieses Jahres steht sicherlich nichts entgegen. Wir be- Mit Ihrem Antrag tragen Sie, mit Verlaub, Eulen grüßen das und möchten darüber hinaus gerne nach Athen. Aber ich denke, das macht nichts, gibt eine regelmäßige Berichterstattung im Rahmen der es uns doch Gelegenheit, die Leistungsfähigkeit Gesundheitsberichterstattung erfolgen lassen. unserer Landesregierung wieder einmal darzu- stellen. (Beifall bei der CDU und bei der FDP)

(Elke Müller [SPD]: Lieber nicht!) Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie se- hen, dass der Antrag der SPD-Fraktion inhaltlich Zu Ihrer dritten Forderung: Aufklärung in den auf dem besten Wege ist. Das meiste ist in Arbeit Schulen. In allen Jahrgängen der Sekundarstufe I bzw. aktueller Sachstand. Deshalb erlaube ich mir, ist es verpflichtend, das Thema in den Fächern Frau Krämer, nicht nur Ihre Vorstellungen auf- Biologie, Religion sowie Werte und Normen zu zugreifen, sondern anzukündigen, dass wir bereit thematisieren. Es gibt Projektwochen, und fast alle sind, einen Änderungsantrag vorzulegen, und zwar Schulen beteiligen sich thematisch am Welt-Aids- zeitnah, um Ihnen Gelegenheit zu geben, ihn ent- Tag. Externe Beratung, Frau Krämer, wird dabei sprechend bearbeiten zu können und um - ähnlich selbstverständlich sehr gerne genutzt. Auch im wie beim letzten Antrag zum Thema Aids - einen Primarbereich wird das Thema zum Teil nach Be- gemeinsamen Beschluss zu fassen. Eine breite darf aufgegriffen. Ich glaube, dass in Niedersach- Basis und ein breiter Konsens sind der Sache si-

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cherlich dienlich. Wir reichen dazu die Hand. Las- sachsen im Kampf gegen Aids und HIV-Infizierung sen Sie uns arbeiten und zum Wohl der Sache hervorragend dasteht. Das kommt natürlich nicht etwas voranbringen. - Vielen Dank. von ungefähr. Das kommt dadurch, dass sich sehr viele Menschen hauptberuflich oder ehrenamtlich (Beifall bei der CDU und bei der FDP) auf diesem Gebiet engagieren. Denen kann man gar nicht genug danken, Vizepräsident Ulrich Biel: (Zustimmung bei der FDP und bei der Für die FDP-Fraktion hat nun die Abgeordnete CDU) Meißner das Wort. und man muss ihnen immer wieder sagen: Es ist Gesine Meißner (FDP): wichtig, da weiterzumachen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Aber das Bewusstsein, dass es nach wie vor ge- Mundlos hat gerade schon angesprochen, dass wir fährlich ist, dass man nach wie vor an Aids sterben durchaus bereit sind, einen Änderungsantrag ein- kann und dass es nach wie vor auch eine Bedro- zubringen und gemeinsam weiterhin das Vorgehen hung durch Neuinfektionen gerade aus dem Aus- gegen Aids zu unterstützen. land gibt, ist gesunken. Deswegen müssen wir immer weiter in die Medien gehen und - ähnlich Generell wird vieles von dem, was Sie in Ihrem wie damals, als Aids aufkam - Aufklärungskam- Antrag fordern, Frau Krämer, schon getan. Wir alle pagnen durchführen. Seinerzeit gab es Aufklä- sind uns bewusst, wie wichtig es ist, uns gegen rungsspots mit Prominenten, in denen darauf hin- Aids und HIV-Infizierung einzusetzen und auf kei- gewiesen wurde, dass man sich nicht gleich infi- nen Fall in unseren Bemühungen nachzulassen, ziert, wenn man aus Versehen eine Kaffeetasse aufzuklären und allen Menschen zu helfen, die von einem an Aids erkrankten Kollegen bekommt. davon betroffen sind. So etwas brauchen wir wieder. Gleichzeitig muss aber darauf hingewiesen werden, dass man sich Ich habe jetzt vielleicht etwas Ungewöhnliches nach wie vor infizieren kann. gemacht. Bei uns haben in dieser Woche auch Praktikanten aus Schulen hospitiert. Einen Prakti- Jetzt direkt zu Ihrem Antrag. Generell, Frau Krä- kant, der mich begleitet hat, besonders an Aids mer, habe ich schon gesagt: Wir alle sind einer interessiert ist und darüber ein Referat gehalten Meinung. Wir brauchen weiterhin einen intensiven hat, habe ich gebeten zu sagen, was ich hier er- Kampf gegen Aids. zählen soll. Er hat sich den Antrag angesehen und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er in der Dem vierten Punkt können wir nicht zustimmen. Schule bestens unterrichtet worden ist, dass er Das sagte auch Frau Mundlos schon. Denn wir auch von anderen wisse, die in der Schule hervor- haben bei dem Spritzenaustauschprogramm ge- ragend aufgeklärt werden, wobei man da nicht merkt, dass es dadurch keinerlei Veränderung gab. nachlassen sollte. Dann hat er insbesondere ge- Es ist nichts besser geworden. Deswegen wurde sagt - da kann ich Ihnen nur beipflichten, Frau es abgesetzt. Auch nachdem es abgesetzt worden Krämer -: Man sollte bei der Präventionsarbeit ist, haben wir gemerkt: Das hat sich in keiner Wei- verstärkt auf Aufklärungsprogramme in den Me- se verschlechternd ausgewirkt. Daher werden wir dien setzen. Er schrieb mir auch: dieser Forderung sicherlich nicht zustimmen.

„Dabei sollte man den Schwerpunkt Bei allem anderen sind wir völlig d’accord. Wir auf die verschiedenen Übertragungs- müssen weiter etwas tun. wege des HIV legen, da viele Men- schen in Niedersachsen nicht wissen, Da Sie Spanien angesprochen haben: Spanien ist wie es übertragen wird. Somit be- ja ein schönes Land, aber gerade was Aids und kämpft man auch die Ausgrenzung die Stellung zu Aids angeht, sind wir zum Glück in der HIV-infizierten Personen aus der Niedersachsen und nicht in Spanien. Das ist auch Gesellschaft, die ein Produkt von Un- gut so; denn Niedersachsen leistet hierbei vorbild- wissenheit ist.“ liche Arbeit. Dafür, dass es weiter so bleibt, wer- den wir uns alle gemeinsam einsetzen. Ich halte das für ganz wichtig. Auch hier ist mehr- fach darauf hingewiesen worden, dass Nieder- (Beifall bei der FDP und bei der CDU)

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Vizepräsident Ulrich Biel: dass es gewärtig ist, dass Verhaltensweisen, die sich wieder eingeschlichen haben, geändert wer- Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun den müssen, um sich selbst und andere Menschen die Abgeordnete Janssen-Kucz das Wort. Bitte zu schützen. schön! (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Meta Janssen-Kucz (GRÜNE): SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor Meine Damen und Herren, bis heute ist ungeklärt, einem Dreivierteljahr haben wir hier den Antrag zur wie die Präventionsarbeit zur Aufklärung und Ver- Zukunft der Arbeit gegen Aids einstimmig verab- hütung in den Strafvollzugsanstalten nach der von schiedet. Der Entschließungsantrag war ein Mini- der Landesregierung beschlossenen externen malkonsens und diente vor allem dazu, die beste- Drogenberatung durchgeführt wird. Das Vollzugs- henden Strukturen bei der Förderung der qualifi- personal soll mit einer Karo-einfach-Schulung mit zierten Beratung und Hilfsangebote der Nieder- Begriffen, die im Drobs-Bereich benutzt werde, in sächsischen AIDS-Hilfe abzusichern. Der Welt- zehn Schulungstagen auf einen Wissens- und Aids-Tag und die damit verbundene weltweite Beurteilungsstand gebracht werden, den man Presseöffentlichkeit hat uns allen mit seinen durch ein Studium und längere Beratungspraxis in Schlagzeilen „Noch nie so viele Aidstote“, „Frauen diesem Bereich erwerben kann. Das steht in keiner und Kinder am stärksten gefährdet“ deutlich vor Relation. Fehlüberweisungen in die falsche Thera- Augen geführt, dass die Immunschwächekrankheit pieeinrichtung werden mit Sicherheit folgen, wenn Aids weltweit zu einem unkontrollierbaren Problem überhaupt welche erfolgen, weil es einfach nicht zu werden droht. Aus Deutschland wurde eine erkannt wird. So kann man mit diesem Thema steigende Zahl von diagnostizierten Aidsfällen nicht umgehen. gemeldet. Dies - so folgern Experten - könnte auf einen Anstieg der Zahl der Neuinfektionen hin- Das Thema Spritzenaustausch wurde auch schon deuten. angesprochen. Das Zahlenmaterial, auf das sich das Ministerium beruft, ist keine Grundlage. So Meine Damen und Herren, der Minimalkonsens beurteilen Fachleute dies. Dabei wird alles Mögli- wurde durch die neuen Berichte und Zahlenmate- che vermengt. Ich glaube, an diesen Punkt müs- rialien hinfällig. Die Wahrung des Status quo, den sen wir im Ausschuss noch einmal heran, nämlich wir gemeinsam verabschiedet haben, ist offen- das Zahlenmaterial auf den Tisch zu legen, welche sichtlich nicht ausreichend. Da haben mir auch Krankheitsbilder wie vermengt werden. Das ist in meine Vorrednerinnen und Vorredner zugestimmt. dieser Form nicht haltbar, dass man plötzlich sa- Alarmierend ist insbesondere die Sorglosigkeit gen kann: Der Spritzenaustausch hat nichts ge- vieler Jugendlicher im Umgang mit den Risiken bracht, also schaffen wir das einfach ab, dann einer HIV-Infektion. Wir brauchen weiter neue We- haben wir einen kleinen Kostenblock weniger. - So ge, um das Problembewusstsein junger Menschen kann man mit diesem Thema nicht umgehen. zu schärfen. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Für die nachwachsenden Generationen müssen SPD) Aufklärung und Prävention vor Aids zu einem Ba- sisbestandteil im Unterricht wie auch in der außer- Meine Damen und Herren, ich habe auch Proble- schulischen Jugendarbeit werden. Die Aidsaufklä- me damit, wie man mit den Häftlingen umgeht. rung kann meines Erachtens nur gewinnen, wenn Was passiert nach dem Verwahrvollzug und der sie die Politik der vielen kleinen Schritte verfolgt nicht stattgefundenen Prävention? Wenn sie wie- und als generationenübergreifende Aufgabe ange- der herauskommen, sind sie eine große Gefahr. nommen wird. Die vorliegenden Anhaltspunkte haben uns leider Ich hatte gerade während der Rede von Frau bestätigt: Das Risiko einer Ausbreitung von HIV- Meißner ein Zwiegespräch, in dem ich gesagt ha- Infektionen steigt auch in Deutschland wieder. Mit be: Wir machen so viel Aufklärung, aber das, was hohem Risiko behaftet und schwer zu erreichen in den 80er-Jahren passiert ist, dass es wirklich bei sind insbesondere Freier und Prostituierte. Dazu uns im Kopf angekommen ist, ist heute leider ver- gehören auch eingeschleuste Migrantinnen, Sex- loren gegangen. Wir müssen einen gemeinsamen touristen und drogenabhängige Inhaftierte. Wir Weg finden, dass es wieder im Kopf ankommt, müssen die präventive Arbeit in diesen Risiko-

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gruppen intensivieren und die Zusammenarbeit mit weiteren Meilenstein niedersächsischer Bildungs- osteuropäischen Initiativen und Organisationen politik, und zwar in zweifacher Hinsicht: erheblich verstärken. Die Arbeit von Phoenix auf der deutschen Seite und von La Strada auf der (Beifall bei der CDU und bei der FDP) polnischen Seite ist ein hoffnungsvoller Beginn. zum einen hinsichtlich der Entwicklung des Hoch- Doch stehen die immensen menschlichen Folgen schulwesens innerhalb des Bologna-Prozesses und krankheitsbedingten Kosten in keiner Relation und zum anderen auch als Meilenstein auf dem zum beschränkten Mitteleinsatz. Das sollten wir Weg zur Qualitätsschule in Niedersachsen. uns vor Augen halten. Zunächst zur Bedeutung für das Hochschulwesen. Meine Damen und Herren, notwendig ist eine ge- Es ist natürlich völlig klar, dass dem Wegfall politi- meinsame konzertierte Aktion nicht nur in Nieder- scher und wirtschaftlicher Grenzen ein freier Zu- sachsen, sondern bundesweit mit der Deutschen gang auf den Arbeitsmärkten in Europa folgen AIDS-Hilfe und der Niedersächsischen AIDS-Hilfe. muss. Damit Hochschulabschlüsse international - Danke. anerkannt werden können, müssen sie natürlich (Beifall bei den GRÜNEN und bei der vergleichbar sein. Entsprechend den Vereinbarun- SPD) gen von Bologna - davon war in diesem Hause mehrfach die Rede - wird das Hochschulsystem auf Bachelor- und Master-Abschlüsse umgestellt. Vizepräsident Ulrich Biel: Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen Dazu gehört der Aufbau der Studiengänge in so liegen nicht vor. genannten Modulen - das sind inhaltlich abge- schlossene Einheiten -, der Erwerb von Kredit- Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Feder- punkten und studienbegleitende Prüfungen, die im führend soll sich der Ausschuss für Soziales, Endeffekt das Examen entlasten. Das, was bei den Frauen, Familie und Gesundheit und mitberatend Modulen neu ist und mir wesentlich erscheint, ist sollen sich der Unterausschuss „Justizvollzug und die Tatsache, dass diese Module aus der Leh- Straffälligenhilfe“, der Ausschuss für Rechts- und rerausbildung gleichzeitig für die Lehrerfortbildung Verfassungsfragen sowie der Ausschuss für Haus- genutzt werden sollen. Man kann damit zwei Flie- halt und Finanzen mit diesem Antrag befassen. gen mit einer Klappe schlagen; das ist klar: Die Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Erkenntnisse der Wissenschaft gelangen schneller Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es in die Schulen, und die Erfahrungen aus der Be- Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Dann rufspraxis kommen so auch in die Hochschulen. ist das so beschlossen. Deswegen sieht der Antrag vor, dass die Zusam- menarbeit von Schule und Hochschule festge- Wir kommen jetzt zum schrieben wird.

Von besonderer Bedeutung ist die Reform der Lehramtsausbildung natürlich für die Schule selbst. Tagesordnungspunkt 35: Kernstück von Schule ist das Unterrichten. Der Erste Beratung: Lehrer nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein und hat Praxisnahe und schulformbezogene Lehr- eine große Verantwortung für die Qualität der Bil- amtsausbildung - Antrag der Fraktionen der dungsprozesse. Insofern ist völlig klar, dass die CDU und der FDP - Drs. 15/1621 Lehramtsausbildung jetzt in den Blickwinkel der Schulreform gerät. Die Frage, die sich dann natür- Eingebracht wird dieser Antrag von der Abgeord- lich stellt, ist: War die bisherige Lehramtsausbil- neten Bertholdes-Sandrock. Ich erteile ihr das dung schlecht? - Das war sie nicht. Die Lehrer in Wort. Deutschland hatten eine gute Ausbildung und leisten gute Arbeit. Aber die gesellschaftlichen und Karin Bertholdes-Sandrock (CDU): internationalen Bedingungen - ich sprach vorhin vom Öffnungsprozess in Europa - haben sich dra- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe matisch verändert. Da ist es mehr als recht und Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag billig, wenn bei der Lehramtsausbildung darauf „Praxisnahe und schulformbezogene Lehr- reagiert wird. amtsausbildung“ von CDU und FDP markiert einen

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(Beifall bei der CDU und bei der FDP) Profile entwickelt, die selbst die Verantwortung für die Qualität der Lernprozesse in der Schule über- Auch sind die Erwartungen an Schule mächtig nimmt, so ist eigentlich auch klar, dass bei den gestiegen. Auch damit hat sich die Lehramtsaus- Lehrerinnen und Lehrern, die in einer solchen bildung auseinander zu setzen, allerdings - das Schule arbeiten, ein verändertes Verständnis von sage ich ganz deutlich - ohne die Schule in die Kooperationsbereitschaft, eine veränderte Fähig- Rolle des Reparaturbetriebs für die gesamte Ge- keit zur Kooperation vorhanden sein muss; denn sellschaft zu drücken. man ist ja dann für alles verantwortlich und nicht nur, wie in der Vergangenheit, für den eigenen Außerdem - ich denke, das ist jedem in diesem Unterricht. Das erscheint mir als sehr wesentlich. Haus bekannt - kommt der Ruf nach Veränderung der Lehramtsausbildung auch aus den Schulen (Beifall bei der CDU und bei der FDP) selbst. Viele Lehrer, Berufseinsteiger insbesonde- re, fühlen sich dem Arbeitsalltag im Schulleben oft Ferner - da bekomme ich vielleicht auch ein biss- nicht gewachsen. Gerade die Berufseinsteiger chen Zustimmung von der anderen Seite des Hau- empfinden die Praxis als einen Schock. Wir wis- ses - wollen wir in der Schule eine stärkere indivi- sen, dass diesem Sprung ins kalte Wasser nicht duelle Förderung von Schülern, und zwar von stär- bei jedem das Freischwimmen folgt, sondern dass keren und schwächeren. Man denke an die indivi- viele im Grunde auf Dauer Schwierigkeiten haben. duellen Förderpläne, die diese Landesregierung Deshalb ist es wichtig, dass mehr Anteile an Praxis jetzt auf den Weg bringt. Eingang in die Lehramtsausbildung finden. (Wolfgang Wulf [SPD]: Das war unse- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) re Idee!)

Dabei geht es aber nicht bloß um ein zusätzliches - Warum sollen Sie nicht auch eine gute Idee ha- Mehr an Praxis, sondern es geht - das scheint uns ben? auch aufgrund von Gesprächen mit Praktikern wesentlich - um einen anderen Umgang mit dieser (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Praxis. Einerseits muss die Praxis stärker reflek- Wenn man diese stärkere individuelle Förderung tiert werden. Was hat man da überhaupt erlebt? denn will und auch wirklich beherrschen können Umgekehrt muss die dann daraus gebildete Theo- will, dann braucht man dazu eine bessere Diagno- rie - das klingt jetzt theoretisch, ist aber sehr nötig - sefähigkeit. Das heißt, die Lehrerinnen und Lehrer, mehr in die Praxis eingehen. Uns geht es also die diese Förderung betreiben, müssen Fragen insgesamt darum, dass wir ein professionelleres stellen und natürlich auch die entsprechenden Instrumentarium entwickeln, das Lehrerinnen und Antworten geben können: Was kann ein Schüler, Lehrer befähigt, dem Schulalltag auch auf Dauer der vor einem sitzt, wirklich? Wo soll er hin? Was gewachsen zu sein. sind die Mittel für diesen Schüler? Vielleicht geht (Beifall bei der CDU und bei der FDP) es aber auch um die Frage: Was ist für ihn dann nicht mehr zumutbar? - Solche Fähigkeiten muss Für den, der schon relativ früh das Gefühl hatte, man natürlich in der Lehramtsausbildung entwi- dass er dem vielleicht doch nicht so gewachsen ist ckeln. - er will nicht, er kann nicht; wie auch immer -, war es bisher außerordentlich schwierig, die Lehr- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) amtsausbildung zu verlassen und in einen anderen Gerade in diesem Zusammenhang ist bei Lehre- Studiengang zu wechseln. Durch eine breiter an- rinnen und Lehrern insgesamt mehr Beratungs- gelegte Ausbildung, die wir ausdrücklich anstre- kompetenz gefragt. Das ist nicht nur im Umgang ben, soll dieser Wechsel eher ermöglicht werden. mit den Schülerinnen und Schülern wichtig, son- Möglicherweise verringert sich dadurch die Zahl dern auch mit den Eltern. Ich erinnere daran, dass der Studienabbrecher. wir nicht ohne Grund die Beratungspflicht der Das Wichtigste für die Veränderung der Lehr- Schule gegenüber der Eltern in das Schulgesetz amtsausbildung ist in diesem Zusammenhang aber aufgenommen haben. Ich denke, dieser Anspruch ein gewandeltes Verständnis von Schule. Wenn kann auch Eingang in eine veränderte Lehreraus- wir von der eigenverantwortlichen Schule spre- bildung finden. chen, die ihre eigenen Programme und eigene (Beifall bei der CDU und bei der FDP)

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Ich möchte in diesem Zusammenhang ausdrück- genverantwortlich und selbstständig organisiert lich betonen, dass die Lehramtsausbildung schul- und nicht nur konsumiert. formbezogen sein muss. (Beifall bei der CDU und bei der FDP) (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Damit Schülerinnen und Schüler aber genau dies Zumindest muss sie für uns schulformbezogen beherrschen, muss es ihnen beigebracht werden. sein, die wir sagen, dass die Gliederung des Wer es beibringen soll, muss es natürlich auch Schulwesens in verschiedene Schulformen die selbst gelernt haben. Hier ist ein sehr starker An- angemessene Förderung für alle ist. Insofern spruch an Veränderung im System der Lehreraus- schlägt sich das hier nieder. bildung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP) Außerdem denke ich mir - das als Zweites zum Begriff der Modernität -, dass wir insgesamt noch Selbstverständlich haben auch vor dem Hinter- wesentlich anschaulichere Formen von Unterricht grund von PISA ganz bestimmte Ansprüche und haben müssen. Das wissen doch Sie alle, ob Sie Erwartungen Eingang in die Überlegungen zur nun Eltern sind oder aus der Lehramtspraxis kom- Lehramtsausbildung gefunden. Wenn wir Bil- men: Schülerinnen und Schüler hören nicht ein- dungsstandards entwickeln, die man erreichen fach deshalb dem Lehrer zu oder machen im Un- muss, dann muss sowohl das als auch die Fähig- terricht mit, weil gerade Unterricht ist, sondern sie keit, dorthin zu gelangen, Eingang in die Lehr- müssen schon irgendwie gepackt und mitgezogen amtsausbildung finden. werden. Und genau diese Fähigkeit zu motivieren- dem Lernen und zu motiviertem Lernen müssen Wir wollen - das scheint mir ein wichtiger neuer Lehrerinnen und Lehrer verstärkt haben. Wir brau- Anspruch des Kultusministers zu sein - bei der chen also insgesamt deutlich mehr Professionali- Leistungsbewertung - Sie gestatten diesen Aus- tät. druck - zu einer eher output-orientierten Beurtei- lung kommen, d. h. zu einer Beurteilung der Leis- (Zustimmung von Ursula Körtner tung vom Ende her, also von dem her, was der [CDU]) Schüler kann, und weg von der eher input- orientierten Betrachtung, nämlich vom Lehrer her Konsequenterweise müssen wir, wenn wir „mehr nach dem Motto: Was hat der Lehrer gemacht? Professionalität“ sagen, dies nicht nur für die Lehr- Wenn man eine solche veränderte Sichtweise von amtspraxis, sondern auch - breiter angelegt gerade Leistung hat, dann ist es selbstverständlich, dass im Grundstudium - für andere Berufe nutzbar ma- die Fähigkeit dazu natürlich auch in der Lehr- chen. Konsequenterweise müssen wir ferner sa- amtsausbildung erworben werden muss. gen, dass die Praktika auch außerhalb des Prakti- kumsortes Schule stattfinden müssen, und zwar In diesem Zusammenhang ist etwas ganz wichtig, zum Teil in ganz anderen Berufen. was ich nennen möchte: der vermehrte Anspruch an Modernität im Unterricht. Nun ist „modern“ ein (Zustimmung bei der CDU) vager Begriff. Ich will nur zwei Gesichtspunkte nennen, die ich für wirklich zukunftsweisend halte. Eines ist wichtig: Der Zirkel „Schule - Hochschule - Schule“ muss zugunsten anderer, auch sehr inte- (Unruhe - Glocke des Präsidenten) ressanter und notwendiger Schnittstellen durch- brochen werden, z. B. der Wirtschaft. Vizepräsident Ulrich Biel: (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Ist die Sprechstunde beendet? Nun werden Sie fragen: Wo stehen wir insgesamt in der Debatte? - Die Kultusministerkonferenz hat Karin Bertholdes-Sandrock (CDU): sich trotz längerer Diskussionen noch nicht einigen Das eine ist die Notwendigkeit für Schülerinnen können. Das, was ich versucht habe, Ihnen vorzu- und Schüler, für ein lebenslanges Lernen gerüstet tragen, ist die niedersächsische Positionsausrich- zu sein. Wer das während seines ganzen Lebens tung struktureller wie inhaltlicher Art. Wir meinen, beherrschen will, muss bereits in der Schule dahin dass der alte ideologische Grundsatzstreit „staatli- gekommen sein, dass er seine Lernprozesse ei- che Abschlüsse gegen universitäre Abschlüsse“ im Grunde nicht zielführend ist.

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(Ursula Körtner [CDU]: Richtig!) Vizepräsident Ulrich Biel:

Wir in Niedersachsen sagen: Wir wollen selbst und Herr Abgeordneter Wulf, gestatten Sie eine Zwi- jetzt die Verantwortung für die Bildung in diesem schenfrage des Abgeordneten Schwarz? Land übernehmen, und dazu gehört auch die Lehramtsausbildung. In diesem Zusammenhang Wolfgang Wulf (SPD): brauchen wir alle Ihre konstruktive Mitarbeit bei der Beratung des Antrages in diesem Hause. - Vielen Das gestatte ich nicht, da ich nur wenig Zeit habe. Dank. Ich muss viel zu dem sagen, was hier vorgebracht wurde. (Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dorothea Steiner [GRÜNE]: Das war Sie haben damals den Antrag der SPD-Fraktion ein ganz treffender Beitrag!) auf eine Abstimmung abgelehnt, weil Sie noch Beratungsbedarf hatten. Das stimmte in der Tat; den hatten Sie dringend. Aber ich kann auch fest- Vizepräsident Ulrich Biel: stellen: Offensichtlich haben Ihre Besuche, z. B. in Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Wulf Oldenburg bei der dortigen Lehrerausbildung, ge- das Wort. fruchtet. Von daher sind einige Punkte in Ihrem Antrag durchaus korrekt. Aber das sind natürlich Wolfgang Wulf (SPD): genau die Passagen, die Sie von uns abgeschrie- ben haben. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich den Antrag von CDU und FDP das (Hans-Werner Schwarz [FDP]: Nein, erste Mal gelesen habe, fiel mir natürlich sofort das Herr Wulf!) Wort „Plagiat“ ein. Sie wissen, Plagiat ist die An- In allen Veröffentlichungen und Beschlussvorla- eignung fremden Gedankenguts. Unter dem Beg- gen, die wir von der SPD-Fraktion seit dem Jahr riff „Plagiat“ wird die unbefugte Übernahme frem- 2000 zur Veränderung der Lehrerausbildung vor- den Geistesgutes, der Diebstahl geistigen Eigen- gelegt haben, haben wir immer wieder verdeutlicht, tums verstanden. Aber diese Möglichkeit hat man dass von Anfang an eine verstärkte Verknüpfung natürlich, gerade auch in der Politik. Das ist in von Theorie und Praxis notwendig ist, dass der Ihrem Antrag nämlich der Fall. In wesentlichen Stellenwert der Fachdidaktik erhöht werden muss, Teilen haben Sie von der CDU- und der FDP- dass die Grundwissenschaften verstärkt werden Fraktion einfach aus Papieren und aus einem An- müssen und dass die Diagnosefähigkeit der Lehr- trag der SPD-Fraktion aus dem Mai letzten Jahres amtsstudenten stärker herausgebildet werden abgeschrieben. muss. Das haben Sie von uns abgeschrieben. Es (Hans-Werner Schwarz [FDP]: Wo steht in Ihrem Antrag und ist ja auch richtig. stand denn „schulformbezogene Aus- Immerhin: Die Erkenntnis ist bei Ihnen angekom- bildung“, Herr Wulf?) men. Aber eines kommt noch hinzu: Es kommt Wenn Sie unsere Positionen als Meilenstein be- nicht nur entscheidend darauf an, dass das von zeichnen, dann ehrt uns das. Das finde ich ganz in Anfang an geschieht; das ist in der Regel bei den Ordnung. meisten Lehramtsstudiengängen sowieso der Fall. Es kommt aber entscheidend darauf an, dass der Allerdings ist aber auch festzustellen - Frau Bert- Anteil der Fachdidaktik, der Erziehungswissen- holdes-Sandrock, das will ich durchaus sagen -: schaften, der Praxis deutlich erhöht wird - darum Bei Ihnen ist ein Lernfortschritt erkennbar. Das ist geht es; das ist der entscheidende Punkt - und auch dringend nötig; denn im Oktober letzten Jah- dass die inhaltlichen Anforderungen stärker auf die res, als der Antrag der SPD-Fraktion im Ausschuss tatsächliche berufliche Praxis ausgerichtet sind. behandelt worden ist, sind Dinge von Ihren Das sind die entscheidenden Tatsachen. Doch um Vertreterinnen und Vertretern dargebracht worden, diese Äußerungen drücken Sie sich offensichtlich, die so falsch und so schlimm gewesen sind, dass weil Sie wissen, das erfordert natürlich auch ver- Sie sich eigentlich hätten in Grund und Boden stärkt finanzielle Mittel. Und diese geben Sie ja schämen müssen. Sie wussten noch nicht einmal, offensichtlich nicht her, sondern Sie kürzen an den was das Wort „Polyvalenz“ bedeutet, also die Hochschulen. Mehrfachnutzbarkeit des Bachelor-Abschlusses.

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Der von Ihnen geforderte verstärkte Ausbau von das inzwischen erkannt haben. Sie wissen natür- Kooperationen mit Schulen in der Lehramtsausbil- lich, dass das eine absolute Notwendigkeit ist. dung ist natürlich richtig, verkennt aber völlig die Tatsache, dass diese Kooperation an den lehr- In diesem Zusammenhang haben Sie, Frau Bert- amtsausbildenden Hochschulen in der Regel holdes-Sandrock, erwähnt, dass es im Rahmen schon seit vielen Jahren erfolgt, allerdings in un- der KMK zum Scheitern der Verhandlungen kam. terschiedlicher Intensität. Wir würden natürlich gerne wissen - Herr Minister Stratmann, vielleicht können Sie uns das darle- Besonders bei den herausragenden Hochschulen gen -, wie das jetzt weitergehen soll, welche kon- in dem Bereich der Lehrerausbildung, wie z. B. kreten Vorstellungen das Land Niedersachsen hat Oldenburg, ist diese Zusammenarbeit mit den und wie diese Verhandlungen im Rahmen der Schulen schon seit Jahren der Fall. Das entstand KMK laufen sollen. Vielleicht können Sie uns über nämlich, als die vorbildliche einphasige Lehreraus- den neuesten Stand der Verhandlungen berichten. bildung entwickelt worden ist. Seinerzeit ist ein Ich meine, das Parlament hat ein Recht darauf, zu umfassendes System von mit den Hochschulen erfahren, wie die Landesregierung die Interessen zusammenarbeitenden Schulen entwickelt worden, der Lehramtsstudierenden Niedersachsens im von dem noch heute profitiert wird. Das sind vor Rahmen der von Ihnen doch so geliebten KMK allen Dingen so genannte mitwirkende Lehrer, die vertritt. an der Lehrerausbildung mitarbeiten. Das ist an anderen Hochschulen dieses Landes nicht so aus- Natürlich interessiert uns auch eine andere wichti- geprägt. Dort fehlt es durchaus an einer hinrei- ge Frage, die im Ausschuss beraten worden ist, chenden Zahl kooperierender Schulen. Das haben nämlich: Wie soll die staatliche Beteiligung - Sie mir z. B. die verantwortlichen Leute an der Hoch- haben es erwähnt - vonseiten des Landesprü- schule Vechta dargestellt. Da muss nachgebessert fungsamtes an den Abschlussprüfungen beim werden. Master aussehen? Welche Regelungen soll es da geben? - Es gab einen Verhandlungsstand zwi- Das bedeutet in der Konsequenz - darüber müs- schen dem MWK und den Hochschulen. Wie ist sen Sie sich im Klaren sein -, dass die notwendi- das inzwischen fortgeschritten? Wie sieht das gen Stunden für diese Lehrkräfte bereitgestellt Kultusministerium das? Wie ist der neueste Stand werden müssen, damit sie von der Unterrichtstä- in dieser Sache? - Ein Bericht in dieser Sache tigkeit an den Schulen entlastet werden, um an würde uns interessieren. den Hochschulen in der Lehrerausbildung mitzu- wirken. Dazu fehlen bei Ihnen leider konkrete Aus- Sie haben, wie ich es schon gesagt habe, inzwi- sagen; denn das kostet nun einmal etwas. Da bit- schen verstanden, was Polyvalenz bedeutet. Frau ten wir ein bisschen um Butter bei die Fische. Bertholdes-Sandrock, ich muss Ihnen sagen: Ihr Beitrag hob sich wohltuend von dem ab, was ich in (Beifall bei der SPD und bei den der Vergangenheit von den Vertretern Ihrer Frakti- GRÜNEN) on gehört habe. Sie wissen, dass es notwendig ist, die Studierenden in die Lage zu versetzen, ihre Wenn Sie fordern, dass die erforderliche inhaltliche Befähigung für das gewählte Berufsziel zu erken- Reform der Lehrerausbildung auch mit entspre- nen. Sie haben erkannt, dass eine Durchlässigkeit chenden Vorgaben abgesichert werden soll, dann zwischen Lehramtsstudium und Fachstudium not- müssen Sie eben sagen, dass es selbstverständ- wendig ist. Ich will es aber ergänzen: Es kommt lich auch finanzielle Mittel zur Absicherung dieser auch darauf an, dass man eine Flexibilität in der Vorhaben erfordert. Das bedeutet ein Mehr an Wahl der Lehrämter, auch in den ersten Semes- Hochschullehrern und ein Mehr an mitwirkenden tern, herstellen muss; denn viele Studierende er- Lehrkräften in der Ausbildung. Da beißt die Maus kennen erst während der Praktika, ob sie eher in keinen Faden ab: Das kostet nun einmal Geld. der Lage sind, z. B. mit Grundschülern zu arbeiten, oder ob ihre Fähigkeiten mehr bei der Frage der Bereits mehrfach in mündlichen und schriftlichen Vermittlung von Wissen an gymnasiale Oberstu- Anfragen und zuletzt in unserem Antrag aus dem fenschüler liegt. Auch hier muss ein Wechsel mög- Mai letzten Jahres haben wir gefordert, dass die lich sein. Abschlüsse der Master- und Bachelor-Studien- gänge der Lehramtsausbildung bundesweit aner- In diesem Zusammenhang möchte ich Sie ernst- kannt werden müssen. Es ist schön, dass auch Sie haft bitten, von Ihrem Vorhaben abzulassen, die

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seit einigen Jahren eingeführte gemeinsame Leh- noch nicht eine Qualitätssteigerung in der Leh- rerinnen- und Lehrerausbildung im Bereich der rerausbildung. Entscheidend ist die finanzielle Grund-, Haupt- und Realschullehrer zu zerschla- Ausstattung der Hochschulen mit qualifiziertem gen, wie Sie das angedroht haben. Lehrpersonal und mit ausreichenden materiellen Mitteln. (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) Inhaltlich kommt es entscheidend darauf an, die Praxisorientierung sowie die fachdidaktische und Die übergroße Zahl auch Ihrer Fachleute wird Ih- grundwissenschaftliche Orientierung in diesen nen insbesondere im Hinblick auf die Frage der Studiengängen von Anfang an zu verstärken. Bei Unterrichtsversorgung sagen, dass eine solche diesen Punkten wird sich zeigen, ob wir den qua- Zerschlagung dieses gemeinsamen Lehramtes vor litativen Sprung schaffen. Daran sollten wir ge- dem Hintergrund zurückgehender Schülerinnen- meinsam arbeiten. Dazu sind wir bereit. - Schönen und Schülerzahlen und der damit drohenden Aus- Dank. dünnung der Schullandschaft völlig kontraproduktiv ist. Es ist nämlich notwendig, über Lehrkräfte zu (Beifall bei der SPD und bei den verfügen, die zwar einen Schulformschwerpunkt GRÜNEN) haben - das wird durchaus auch in dieser gemein- samen Ausbildung gemacht -, die aber so flexibel Vizepräsident Ulrich Biel: ausgebildet sind, dass sie auch in verschiedenen Schulformen unterrichten können. Wenn Sie die Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die gemeinsame Lehrerausbildung zerschlagen, dann Abgeordnete Dr. Heinen-Kljajić das Wort. werden Sie nur noch Lehrkräfte bekommen, die eindimensional ausgebildet und die für den not- Dr. Gabriele Heinen-Kljajić (GRÜNE): wendigen flexiblen Einsatz in der Praxis nicht mehr Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und geeignet sind. Wir brauchen jedoch solche flexib- Herren! Meine Damen und Herren von den Regie- len Lehrkräfte, wenn es an einigen Orten wegen rungsfraktionen, wir beraten über das Thema Lehr- zurückgehender Schülerinnen- und Schülerzahlen amtsausbildung ja jetzt schon seit einigen Monaten keine eigenständigen Schulformen mehr gibt. im Ausschuss. Ich muss gestehen, welchen neuen Die Abschaffung flexibel einsetzbarer Lehrkräfte, Beitrag Sie dazu mit dem neuen Antrag leisten meine Damen und Herren von der CDU und der wollen, kann ich nicht erkennen. FDP, kann doch wohl nicht ernsthaft Ihr Ziel sein. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Oder? Kommen Sie von Ihrer ideologischen SPD) Scheuklappenpolitik ab. Außer Allgemeinplätzen habe ich auch heute hier (Inse-Marie Ortgies [CDU]: Wer die nichts gehört. Sie befürworten die bundesweite wohl hat!) Anerkennung, einen stärkeren Praxisbezug und Seien Sie pragmatisch, und nähern Sie sich der die Erhöhung des Anteils der Berufswissenschaf- Wirklichkeit des Lebens in der Schullandschaft. ten. Diesbezüglich hätten Sie sich in der Tat ein- fach den Anträgen von SPD und Grünen, die sich Wir werden im Ausschuss im Übrigen beantragen, bereits in der Beratung befinden, anschließen kön- dass zu den drei vorliegenden Anträgen, dem An- nen. trag von der CDU und der FDP, dem Änderungs- antrag, den die Grünen im Ausschuss eingebracht Bei der wirklich spannenden Frage - damit meine haben, und unserem Antrag, eine gemeinsame ich konkret die Frage nach der Polyvalenz des Anhörung der wichtigen, an der Lehrerausbildung Bachelors - bleiben Sie aber hinter den aktuellen beteiligten und interessierten Einrichtungen durch- Entwicklungen zurück. Sie reden im Titel Ihres geführt wird, um deren Meinung zu hören. Antrags von schulformbezogener Ausbildung, füh- ren aber weder in Ihrem Antrag noch in Ihren Re- Abschließend dies: Bachelor- und Masterausbil- debeiträgen hier konkret aus, was Sie damit ei- dung in der Lehramtsausbildung entspricht zwar, gentlich meinen. Meine Damen und Herren, Sie wie Sie es gesagt haben, der europäischen Ent- denken bei Polyvalenz anscheinend an ein Ein- wicklung. Es ist deswegen eine notwendige und bahnstraßenmodell. Das heißt, wer nach der be- richtige Maßnahme. Das allein garantiert aber reits schulformbezogenen Bachelor-Ausbildung als

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Lehrer scheitert, darf mit dem Abschluss auch CDU und FDP, verkommt nämlich der Bachelor- einen anderen Beruf ergreifen. Das wollen Sie Abschluss zu nichts anderem als einem Durch- gestatten. Ein schulformübergreifender Bachelor gangsabschluss auf dem Weg zum Master. Damit oder gar ein Quereinstieg in die Lehramtsausbil- klammern Sie in Ihrem Antrag bewusst einen ganz dung erst ab dem Master kommt jedoch in Ihrem entscheidenden Aspekt aus, nämlich die Durchläs- Antrag nicht vor. Diese Festlegung, meine Damen sigkeit. Gerade die breite Verwendung des Ba- und Herren von CDU und FDP, hat aber zwei ganz chelor-Abschlusses - ich nenne hier die Möglich- entscheidende Nachteile. keit zum sofortigen Einstieg in das Berufsleben, die Aufnahme eines schulartspezifischen Master- Erstens fallen Sie damit hinter das zurück, was an Studiengangs und die Aufnahme eines entweder Niedersachsens Hochschulen geplant bzw. zum anwendungs- oder forschungsorientierten fachwis- Teil auch schon konkret umgesetzt ist. senschaftlichen Master-Studiengangs - macht doch die Attraktivität der neuen Strukturen erst (Beifall bei den GRÜNEN und bei der aus. SPD - Hans-Werner Schwarz [FDP]: Sie haben Recht, das wollen wir in der (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Tat anders haben!) SPD)

Das Verbundvorhaben Bachelor/Master in der Gerade diese hohe Flexibilität in Kombination mit Lehramtsausbildung sieht einen polyvalenten Ba- einem hohen Anteil von Praxisblöcken bereits im chelor vor und nimmt die endgültige Schulformdif- Bachelor-Studiengang schafft doch erst die Vor- ferenzierung erst ab dem Master vor. aussetzungen, dass Studierende relativ risikolos ihre Eignung für den Lehrerberuf jederzeit über- (Zuruf von der CDU) prüfen können, was Sie doch eigentlich auch wol- - Wenn Sie das wollen, müssen Sie die Frage nach len. Meine Damen und Herren, deshalb empfiehlt dem Zeitpunkt stellen. - In allen Vereinbarungen die OECD in ihrem Länderbericht Deutschland über die Umstellung von Staatsexamensstudien- ausdrücklich die Aufhebung der Fragmentierung in gängen auf Bachelor- und Master-Strukturen im der Lehrerausbildung. Sie verweist darauf, dass im Lehramt, geschlossen zwischen dem MWK und Hinblick auf die Verwirklichung der Bologna- den betroffenen Hochschulen, ist ausdrücklich von Grundsätze der Zugang zum Lehramtsstudium einem polyvalenten Bachelor und einem lehramts- flexibler gestaltet werden sollte. Wenn Lehrkräfte spezifischen Master die Rede. Ich empfehle Ihnen aufgrund ihrer Ausbildung breiter einsetzbar wä- beides dringend als Lektüre. ren, würde auch das Schulsystem in seiner Anpas- sungsfähigkeit an sich verändernde Gegebenhei- (Beifall bei den GRÜNEN und bei der ten wesentlich flexibler. SPD) (Zustimmung bei den GRÜNEN) Meine Damen und Herren, diese späte Schulform- differenzierung ist auch sinnvoll; denn sie orientiert Ich hoffe deshalb, dass es uns in den Ausschuss- sich am neuen Leitbild des Lehrerberufs, das Sie beratungen doch noch gelingt, Ihnen ein klares sich anscheinend noch nicht richtig vergegenwär- Bekenntnis zum polyvalenten, schulformübergrei- tigt haben. Wenn die Kernkompetenz des Lehrers fenden Bachelor-Studiengang abzuringen. - Ich die Fähigkeit zu gezielter Planung, Organisation danke für Ihre Aufmerksamkeit. und Reflexion von Lehr-Lern-Situationen sein soll, (Beifall bei den GRÜNEN und bei der wenn angesichts der Forderung nach autonomen SPD) Schulen Strategieplanung und Qualitätsmanage- ment zum Qualifikationsprofil einer Lehrkraft gehö- ren sollen, dann macht es Sinn, diese Kenntnisse Vizepräsident Ulrich Biel: schulformübergreifend zu vermitteln. Für die FDP-Fraktion hat nun der Abgeordnete (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Dr. Dr. Zielke das Wort. SPD) Professor Dr. Dr. Roland Zielke (FDP): Zweitens verspielen Sie mit der Ausklammerung der Polyvalenz ein ganz entscheidendes Reform- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese element. Bei Ihnen, meine Damen und Herren von Koalition ist nicht nur, aber doch ganz wesentlich

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deshalb gewählt worden, weil die Menschen in Am 2. Februar 2003 ist in Niedersachsen mehr als Niedersachsen die überholte Reformpädagogik eine Regierung abgewählt worden. Es ist eine und die schlechten Ergebnisse ihrer Kinder bei ganze Geisteshaltung abgewählt worden, Tests wie TIMSS und PISA-E einfach satt hatten (Beifall bei der FDP und bei der CDU) (Beifall bei der FDP und bei der CDU) nämlich die der sozialistischen Gleichmacherei auf und weil sie von der Orientierungsstufe enttäuscht Biegen und Brechen. waren und zu Recht dem Schnellschuss der För- derstufe misstraut haben. Die Menschen in Nie- (Beifall bei der FDP und bei der CDU - dersachsen wollten und wollen das gegliederte Lachen bei der SPD) Schulwesen in seiner Vielfalt. Trotzdem hat man den Eindruck, manche han- (Zustimmung bei der FDP) delnden Personen - das gilt auf vielen Ebenen: in Ministerien, Hochschulen oder auch Lehrersemina- Wenn die erweiterten Möglichkeiten der Durchläs- ren - versuchen, das bis heute zu ignorieren und sigkeit, die wir geschaffen haben, genutzt werden, weiterzumachen wie bisher, wenn auch nolens ist das ein sehr faires und gerechtes System. volens unter neuen Etikettierungen. Allein dadurch, dass das Lehramtsstudium in Bachelor- und Mas- Für ein gegliedertes Schulwesen brauchen wir ter-Phasen neu gegliedert wird, ist inhaltlich noch dann aber auch eine passgenaue Lehrerausbil- gar nichts erreicht - trotz Plurimorphie, Polypotenz dung, und Multivalenz.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU) (Bernd Althusmann [CDU]: Und Poly- phonie! - Heiterkeit und Beifall bei der die auf die speziellen Anforderungen der differen- FDP, bei der CDU und bei der SPD) zierten Schulangebote ausgerichtet ist. Gymnasi- allehrer müssen auf wissenschaftliches Arbeiten - Ja, Polyphonie auch. - Wenn man sich die neue vorbereiten und auch fachlich vertieft unterrichten Studienordnung für den Professionalisierungsbe- können. Realschullehrer müssen die Brücke zwi- reich - das sind die pädagogischen Anteile - des schen intellektueller Förderung und Praxisbezug fächerübergreifenden Bachelor-Studiengangs an schlagen. der Universität Oldenburg für das Lehramt an Gymnasien anschaut - eine Hochschule, die sich (Unruhe - Glocke des Präsidenten) ihrer progressiven Lehrerausbildung rühmt -, dann Hauptschullehrer müssen praxisbezogen auf die kommt man schon ins Grübeln. Legt man nämlich Ausbildungsfähigkeit ihrer Schüler hinarbeiten. die Studienordnung für den Studiengang Sonder- pädagogik daneben, dann sieht man, dass die (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Lehrveranstaltungen - neudeutsch „Module“ - exakt dieselben sind. Dass Förderschulen, Grundschulen und Berufs- schulen ihre ganz spezifischen pädagogischen Herausforderungen haben, dürfte unmittelbar ein- Vizepräsident Ulrich Biel: leuchten. Kurz gesagt: Lehrer müssen individuell Herr Dr. Zielke, gestatten Sie eine Frage? fördern und fordern können.

Wir begrüßen daher ausdrücklich, dass es gelun- Professor Dr. Dr. Roland Zielke (FDP): gen ist, sämtliche für das Lehramt ausbildenden Nein. Hochschulen in Niedersachsen grundsätzlich für eine Neuausrichtung der Lehramtsstudiengänge (Beifall bei der FDP und bei der CDU - zu gewinnen. Ich sage nicht ohne Bedacht „grund- Axel Plaue [SPD]: Jetzt wissen wir, sätzlich“. Es ist relativ einfach, etwas in ein Wahl- welche Geisteshaltung Sie haben!) programm, in ein Gesetz oder in eine Zielvereinba- rung zu schreiben. Papier ist geduldig, und - wie Das Gleiche gilt für die Studienordnung des Lehr- die Russen früher sagten - der Zar ist weit. Viele amtes an Grund-, Haupt- und Realschulen. Mit Regelungen neigen dazu, im Gestrüpp der prakti- anderen Worten: Einheitslehrer pur, alles wie ge- schen Umsetzung stecken zu bleiben oder gar in habt. ihr Gegenteil verkehrt zu werden.

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(Beifall bei der FDP und bei der CDU) nen-Kljajić, ich meine, dass das nicht der Fall ist. Ich meine, dass wir selbstverständlich dafür Sorge Auch das, die Grund-, Haupt- und Realschulleh- tragen wollen und müssen - das ist in auch un- rereinheitsausbildung, ist eben veraltet. streitig in Deutschland -, dass es Polyvalenz gibt. Wir brauchen Polyvalenz. Polyvalenz ist im Grunde (Beifall bei der FDP und bei der CDU) genommen, wenn Sie so wollen, neben der Inter- Wir brauchen unterschiedliche Ausbildungen für nalisierung eines der Hauptargumente für die Mo- unterschiedliche Schulformen und Anforderungen. dularisierung und den Bologna-Prozess. Wir müs- Deshalb wollen wir mit diesem Antrag unsere Lan- sen es aber im Hinblick auf den Bachelor auch desregierung ganz deutlich in ihrem Bemühen schaffen, die Module so zu gestalten, dass der unterstützen, den einmal eingeschlagenen Weg unterschiedlichen Klientel, mit der wir es an der konsequent weiterzugehen. Dazu gehört, die Hauptschule, an der Realschule und an dem Gym- schulformbezogenen Anforderungen an die künfti- nasium zu tun haben, Rechnung getragen wird. ge Lehrerausbildung in Zusammenarbeit mit den Das ist die hohe Kunst. Wir als Landesregierung Hochschulen detailliert zu beschreiben und die haben uns vorgenommen, dieses Problem zu lö- Umsetzung sorgfältig zu überwachen. - Vielen sen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es uns gelin- Dank. gen wird, der schulformbezogenen Ausbildung bei Beibehaltung der Polyvalenz Rechnung zu tragen. (Beifall bei der FDP und bei der CDU - Hans-Werner Schwarz [FDP]: Sehr Zugegeben: Die Lehramtsausbildung ist eine ganz gut!) besondere Ausbildung. Ich gebe auch zu, dass dieses Ziel im Bereich der Lehramtsausbildung Vizepräsident Ulrich Biel: größere Probleme aufwirft, als es in anderen Aus- bildungsabschnitten der Fall sein wird. Aber das Für die Landesregierung nun Herr Minister Strat- darf uns nicht daran hindern, an diesem Ziel fest- mann! zuhalten. Ich sage noch einmal: Wenn wir ganz ehrlich sind, gibt es bis auf diesen Punkt einen (Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Endlich Grundkonsens. kommt jetzt wieder Qualität hinein!) Damit bin ich bei der Kultusministerkonferenz an- Lutz Stratmann, Minister für Wissenschaft gelangt. Auch da ist dieser Grundkonsens im Prin- und Kultur: zip gefunden. Dass die Staatssekretärsebene bis- her noch kein Ergebnis erzielen konnte, liegt eher Herr Präsident, haben Sie bitte keine Sorgen. Ich an Detail- und Nebenfragen. Ich will Ihnen dazu kann mich relativ kurz halten; ein Beispiel nennen.

(Beifall bei der SPD und bei den (Reinhold Coenen [CDU] bespricht GRÜNEN) sich an der Regierungsbank mit Mi- nister Uwe Schünemann) denn wenn wir die Redebeiträge einmal reflektie- ren, dann kommen wir, wenn wir ehrlich sind, doch zu dem Ergebnis, dass hier im Großen und Gan- Vizepräsident Ulrich Biel: zen ein Grundkonsens vorherrscht. Herr Minister, Augenblick mal!

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Nein, (Reinhold Coenen [CDU] begibt sich nicht unbedingt!) zu seinem Platz)

Es gibt eigentlich nur einen Dissens, der soeben - Wunderbar. - Fahren Sie fort! durch die Rede der Kollegin Heinen-Kljajić deutlich geworden ist, die in ihrer, wie ich finde, sehr an der Lutz Stratmann, Minister für Wissenschaft Sache orientierten Rede und Kultur: (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Mir reicht es immer, wenn die zuhören, die sich mit - das hat sie - ein Stück weit den Eindruck vermit- dem Thema befassen. - Dass z. B. die Bayern ak- telt hat, als seien Polyvalenz und Schulformbezo- zeptiert haben, dass die entsprechende Arbeits- genheit ein unauflösbarer Widerspruch. Frau Hei- gruppe auf Staatssekretärsebene von Herrn Dr.

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Lange geleitet wird, war, da die Bayern unsere Entgegen der Verabredung im Ältestenrat sind die Position kennen, schon ein Indiz dafür, dass die Fraktionen übereingekommen, dass federführend Bayern kompromissbereit sind. Sie sind in der Tat der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr kompromissbereit. Es gibt über die Grundfragen sein soll und mitberatend der Ausschuss für Sozi- - also die gegenseitige Anerkennung usw. - keinen ales, Frauen, Familie und Gesundheit sowie der Streit mehr. Offene Fragen gibt es, die z. B. die Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen Länge des Referendariats betreffen, also die Fra- sein sollen. Wer dem so zustimmen will, den bitte ge, ob wir das Referendariat um ein halbes Jahr ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstim- kürzen, um dieses halbe Jahr der universitären men? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Das ist so Ausbildung zuzuschlagen. Diese Fragen werden beschlossen. aber nach meinem Dafürhalten auf Ministerebene gelöst werden, sodass ich ziemlich zuversichtlich Dann kommen wir zu bin, Frau Heinen-Kljajić, Frau Andretta und die lieben Kolleginnen und Kollegen von den Regie- rungsfraktionen, dass wir in Kürze auf Minister- Tagesordnungspunkt 37: ebene die letzten Fragen werden beantworten Verbraucherschutz unteilbar - keine Diffe- können und es vermutlich schon in der nächsten renzierung zwischen „erwünschten“ und Vollversammlung der KMK einen Beschluss geben wird, sodass dann sichergestellt ist, dass wir das, „unerwünschten“ Tierhaltungssystemen - was wir angeschoben haben, um bei Beibehaltung Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - der Qualität den Bologna-Prozess auch im Lehr- Drs. 15/1623 amtsbereich zum Erfolg zu führen, in Deutschland erfolgreich realisieren können. Die Fraktionen sind übereingekommen, auch die- sen Antrag ohne Beratung in die Ausschüsse zu (Beifall bei der CDU, bei der SPD und überweisen. bei der FDP) Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Feder- führend soll der Ausschuss für den ländlichen Vizepräsident Ulrich Biel: Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- Meine Damen und Herren, es liegen keine Wort- cherschutz sein, mitberatend sollen sein der Aus- meldungen mehr vor. schuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesund- heit sowie der Umweltausschuss. Wer dem so Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Feder- zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. führend soll sein der Ausschuss für Wissenschaft - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - und Kultur, mitberatend sollen sein der Kultusaus- Das ist so beschlossen. schuss und der Ausschuss für Haushalt und Fi- nanzen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um Meine Damen und Herren, bevor ich nun zu dem das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Ich Hinweis zur Festlegung der Zeit und der Tages- sehe, das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? - ordnung des nächsten Tagungsabschnittes kom- Die gibt es auch nicht. me, möchte ich den Kollegen Bartels aus dem Landtag verabschieden. Meine Damen und Herren, ich rufe nun auf Herr Kollege Bartels, Sie sind seit 1978 in diesem Hause gewesen - nicht immer als Abgeordneter, sondern auch in Regierungsverantwortung. Ich Tagesordnungspunkt 36: wünsche Ihnen für Ihre neue Tätigkeit als Bürger- Einhaltung des grundgesetzlich gesicher- meister in Vechta viel Glück und viel Erfolg zum ten Gleichheitsgrundsatzes ohne zusätzli- Wohle der Bürgerinnen und Bürger. che bürokratische Vorschriften - Antrag der (Starker Beifall im ganzen Hause) Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/1622 Der nächste Tagungsabschnitt ist vom 23. bis zum 25. Februar 2005 vorgesehen. Der Präsident wird Die Fraktionen sind übereingekommen, dass die- den Landtag einberufen und im Einvernehmen mit ser Punkt ohne Beratung in die Ausschüsse über- dem Ältestenrat den Beginn und die Tagesordnung wiesen wird. der Sitzung bestimmen.

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Meine Damen und Herren, ich wünsche allen einen guten Heimweg. Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 14.10 Uhr.

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Anlagen zum Stenografischen Bericht In den letzten Jahren ist ein stetiger Anstieg von überschuldeten Privathaushalten zu verzeichnen. noch: Diesen Schuldnern wurde im Jahr 1999 der Weg zur Entschuldung über das Verbraucherinsolvenz- Tagesordnungspunkt 33: verfahren ermöglicht. Waren es im Jahr 2001 noch Mündliche Anfragen - Drs. 15/1635 9 070 eröffnete verfahren in Deutschland, von denen 2 552 mangels Masse abgewiesen wurden, Anlage 1 so schnellten im Jahr 2002 die Zahlen auf 19 857 und 2003 auf 32 131 Verfahren hoch, die Fälle der Antwort Abweisung mangels Masse schrumpften dagegen des Justizministeriums auf die Frage 4 der Abg. auf 489 (2002) und 244 im Jahr 2003. Gisela Konrath und Dr. Uwe Biester (CDU) Ein wesentlicher Grund für diesen starken Anstieg Verbraucherinsolvenzen in Niedersachsen der Verbraucherinsolvenzen liegt u. a. in der 2002 eingeführten Stundung der Verfahrenskosten für Die 1999 eingeführte Insolvenzordnung ermög- vermögenslose Antragsteller. Darüber hinaus ist licht es auch privaten Haushalten, ohne Vertei- lungsmasse Insolvenz anzumelden. Im Rah- der Kreis der im Rechtssinne vermögenslosen men des anschließenden Restschuldbefrei- Schuldner mit Wirkung vom 1. Januar 2002 noch ungsverfahrens wird ein Sechsjahresplan zur erweitert worden, und zwar durch eine beträchtli- Entschuldung erarbeitet. Bei Wohlverhalten des che Anhebung der Pfändungsfreigrenzen, die das Schuldners in dieser Phase erlöschen die verbleibenden Verbindlichkeiten des Schuld- der Vollstreckung zugängliche Schuldnervermögen ners ohne weitere Prüfung, wenn die Gläubiger weiter reduziert. Im Verbraucherinsolvenzverfahren keine Versagungsgründe geltend machen. ist die Kombination von Verfahrenskostenstundung

Nach Schätzungen sachverständiger Institutio- und Vorlage eines „Null-Plans“ - d. h. eines Schul- nen werden in Deutschland in diesem Jahr rund denbereinigungsplanes, der keinerlei Zahlungsan- 48 500 Haushalte ihre persönliche Zahlungs- gebot an die Gläubiger enthält - mittlerweile der unfähigkeit erklären und Antrag auf Eröffnung Regelfall geworden. Sie macht schätzungsweise eines Verbraucherinsolvenzverfahrens einrei- chen. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies zwei Drittel aller Fälle aus, bei steigender Tendenz. eine Zunahme von fast 50 %. Bei der großen Mehrzahl der seit 2002 eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren dürfte es sich um Das Entschuldungsinstrument der Privatinsol- masselose Verfahren handeln, die nur mithilfe der venz steht grundsätzlich jedem Betroffenen of- fen. Gegen Missbrauch ist das System prak- Kostenstundung zur Eröffnung gelangt sind. Dieser tisch nicht abgesichert. Es existieren keine all- Entwicklung ist zu begegnen. Es bedarf gesetzge- gemeinen Anforderungen an den Schuldner, berischer Maßnahmen, die dem Interessenaus- eine Überwachung findet abgesehen von dem gleich zwischen Gläubigern auf der einen und Treuhänder nicht statt. Auch zulasten kleiner und mittelständischer Betriebe können sich Pri- überschuldeten Personen auf der anderen Seite vatpersonen ohne nennenswerte Prüfung ihrer Rechnung trägt. Erlasswürdigkeit der angehäuften Schulden entledigen. Eine eidesstattliche Versicherung Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die ge- für die Richtigkeit der im Antragsverfahren ge- stellten Fragen im Namen der Landesregierung tätigten Angaben wird vom Schuldner nicht verlangt. wie folgt:

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landes- Zu 1: Die Zahl der Restschuldbefreiungsverfahren regierung: bzw. der Insolvenzverfahren, denen ein Rest- schuldbefreiungsverfahren nachfolgt, wird statis- 1. Wie viele Personen haben im laufenden Jahr in Niedersachsen einen Antrag auf Durchfüh- tisch bisher nicht isoliert erfasst. Es ist jedoch da- rung eines Privatinsolvenzverfahrens mit an- von auszugehen, dass fast alle Privatpersonen, die schließendem Restschuldbefreiungsverfahren Insolvenz beantragen, auch in die Restschuldbe- gestellt? freiungsphase gehen wollen. Im Jahre 2004 hatten 2. Von welchem durchschnittlichen Restschuld- bis einschließlich Oktober 2004 in Niedersachsen betrag ist künftig auszugehen, der dem Schuld- 8 935 Privatpersonen einen Antrag auf Eröffnung ner erlassen wird? eines (Regel- und Verbraucher-)Insolvenzverfah- 3. Sieht die Landesregierung eine Notwendig- rens gestellt. Abschließende Zahlen für das Jahr keit, Änderungen beim jetzigen Verfahren anzu- 2004 liegen dem Landesamt für Statistik noch regen? nicht vor. Es wird auf eine Zahl von mehr als

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10 000 Anträgen von Privatpersonen auf Eröffnung venzverfahren. Daneben ist eine grundlegende eines (Regel- und Verbraucher-)Insolvenzverfah- Reform des Restschuldbefreiungsverfahrens selbst rens für 2004 hinauslaufen. Das bedeutet eine nötig. Dass diese Verfahren die Justiz mindestens Steigerung im Vergleich zum Vorjahr von ca. 30 %. sechs Jahre, in masselosen Verfahren bis zu zehn Jahre beanspruchen, ist ebenso wenig hinnehm- Zu 2: Zahlen über den durchschnittlichen Rest- bar wie der auch in diesen Verfahren meist außer schuldbetrag, der den Schuldnern erlassen wird, Verhältnis stehende Aufwand und die damit ver- liegen bisher nicht vor. Eine Statistik ist erst dann bundenen Kosten, die den Fiskus und die am aussagekräftig, wenn seit In-Kraft-Treten der InsO Verfahren beteiligten Parteien belasten. Deshalb 1999 die Wohlverhaltensperiode von sechs Jahren wird geprüft, ob es nicht einfachere und sachge- abgelaufen ist, an deren Ende im Restschulbefrei- rechtere Wege zur Entschuldung von überschul- ungsverfahren die restlichen Forderungen erlassen deten natürlichen Personen gibt. werden. Zuverlässige Angaben können dazu aber auch deshalb noch nicht gemacht werden, weil Die Konferenz der Justizminister hat im November nicht abzuschätzen ist, in welchem Umfang 2004 beschlossen, bis zur Frühjahrskonferenz der Schuldner während der Wohlverhaltensperiode „in Justizminister im April 2005 eigene Lösungsvor- Lohn und Brot“ stehen oder verwertbares Vermö- schläge für die Probleme bei der Abwicklung von gen erwerben, das zur Schuldtilgung zur Verfü- Insolvenzen natürlicher Personen und bei der gung steht. Bei ungünstigem Verlauf liegt der Restschuldbefreiung zu erarbeiten. Restschuldbetrag so hoch wie der Ausgangs- schuldbetrag, wenn der Schuldner nämlich kein Das Land hält es nach wie vor für sachgerecht, Einkommen über der Pfändungsfreigrenze erzielt. redlichen Schuldnern den Weg in eine schulden- freie Zukunft zu ermöglichen. Die Entschuldung Zu 3: Die Landesregierung hält Änderungen des soll also weiter möglich bleiben. Für den Regelfall Verfahrens für dringend notwendig und beteiligt hat sich allerdings der eingeschlagene Weg zu sich an den dazu bereits aufgenommenen Arbei- diesem Ziel als Irrweg herausgestellt, auf dem sich ten. Die Frage, wie die Masse im Rechtssinne alle - also Schuldner, Gläubiger und Justiz - müh- vermögensloser Individualschuldner angemessen sam bergauf quälen, ohne recht voranzukommen. und effizient zu behandeln ist, stellt das wichtigste Deshalb muss im Interesse aller Beteiligten ein ungelöste Strukturproblem der Insolvenzordnung anderer, einfacherer Weg zu diesem Ziel gefunden dar. Die derzeitige Konzeption der Insolvenzord- werden, der nicht zwangsläufig über den Berg des nung, die nicht nur die zwingende Durchführung Insolvenzverfahrens führen muss. Denn diesen zu eines Insolvenzverfahrens auch bei fehlender oder besteigen, ist sinnlos, wenn es sich mangels Mas- ungenügender Masse, sondern daran anschlie- se nicht lohnt. Außerdem muss auch über weitere ßend ein weiteres aufwendiges, teures und lang- Maßnahmen außerhalb der Insolvenzordnung andauerndes Verfahren zur Entschuldung über- nachgedacht werden, um langfristig die Zahl der schuldeter natürlicher Personen vorsieht, ist insol- überschuldeten Haushalte zu senken und die Wirt- venzrechtlich, sozialpolitisch und volkswirtschaft- schaft zu stärken. lich nicht zweckmäßig. Sie läuft den Interessen aller am Verfahren beteiligten Parteien zuwider Anlage 2 und bindet unnötig qualifizierte Arbeitskraft in der Antwort Justiz. Eine Entwicklung, die in ihrem Ausmaß noch gar nicht abzusehen ist. In diesem Zusam- des Finanzministeriums auf die Frage 5 der Abg. menhang verweise ich auch auf meine im Novem- Filiz Polat (GRÜNE) ber 2004 im Plenum gegebene Antwort auf die Anfrage Nr. 9 (LT-Drs. 15/1435) des Abgeordneten Verkauf der NILEG Oppermann wegen der erforderlichen finanziellen Laut Presseberichterstattung will die Norddeut- Ausgestaltung der Schuldnerberatungsstellen. sche Landesbank (NORD/LB) die Niedersäch- sische Landesentwicklungsgesellschaft Um Aufwand und Ertrag im Rahmen der sozialpoli- (NILEG) „als Ganzes“ veräußern. Als mögliche tisch und volkswirtschaftlich sinnvollen Entschul- Käufer werden international tätige Investment- gesellschaften wie Terra Firma, Cerberus, Lone dung überschuldeter natürlicher Personen für die Star u. a. genannt, deren Ausrichtung als rein Parteien, die Justiz und den Fiskus in eine ange- renditeorientiert gilt. Der Deutsche Mieterbund messene Relation zu bringen, bedarf es der Ent- befürchtet bei Verkauf eine erhebliche Beein- koppelung der Restschuldbefreiung vom Insol- trächtigung der Mieterschutzrechte.

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Ich frage die Landesregierung: Die Veräußerung steht in unmittelbarem Zu- sammenhang mit dem neuen Geschäftsmodell 1. In welchem Zeithorizont beabsichtigt die NORD/LB ihre Immobilientochter NILEG zu der NORD/LB und dem Fortfall der Gewährträ- veräußern? gerhaftung ab dem 19.07.2005. Die NORD/LB konzentriert sich auf ihr Kerngeschäft, das 2. Welche rechtlich wasserdichten Schutzklau- seln für die Mieterinnen und Mieter wird die Bankgeschäft. NORD/LB bei einem Verkauf zur Bedingung für den Kaufvertrag machen? Bau, Ankauf und Vermietung von Immobilien- beständen binden Kapital und Ressourcen der 3. Warum werden die Wohnungen nicht zuerst Bank außerhalb des eigentlichen Bankge- den Mieterinnen und Mietern zum Kauf ange- boten? schäftes.

Bei der NILEG Immobilien-Holding GmbH (NILEG) Zu Frage 1: handelt es sich um eine Tochtergesellschaft der Der Verkauf soll bis zum 30.06.2005 erfolgen. Norddeutschen Landesbank - Girozentrale - (NORD/LB), an der wiederum das Land Nieder- Zu Frage 2: sachsen zu 40 % beteiligt ist. Die Befürchtungen, dass es durch den Verkauf Der Verkauf der NILEG erfolgt im Rahmen des zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Mie- neuen Geschäftsmodells der NORD/LB, das eine terschutzrechte kommen könnte, sind unbe- Konzentration auf die Kernkompetenzen der Bank gründet: vorsieht. Es handelt sich somit um eine geschäfts- politische Entscheidung des Vorstands der Bank. - Das deutsche Mietrecht gilt zu Recht als ei- Sie liegt nicht im Einflussbereich der Niedersächsi- nes der mieterfreundlichsten der Welt und schen Landesregierung. schützt jeden Wohnungsmieter vor Kündi- gung und unberechtigter Mieterhöhung, un- Ungeachtet dessen hat die Niedersächsische Lan- abhängig davon, ob er Mieter eines öffentli- desregierung die NORD/LB um Stellungnahme zu chen oder eines privaten Wohnungsbestands der gestellten Anfrage gebeten. Sie hat den fol- ist. genden Antwortentwurf übermittelt: - Im Zuge des Ankaufs der beiden Eisenbah- „Vorbemerkung: nerwohnungsgesellschaften und der OWG sind in den Vertragswerken zu Gunsten der Die Veräußerungsabsicht der NORD/LB um- Mieter weit reichende Schutzrechte vertrag- fasst die NILEG Immobilien-Holding GmbH, die lich vereinbart, die ein Erwerber übernehmen zu 100 Prozent der NORD/LB gehört, mit ihren muss. wesentlichen Beteiligungen: - Beim Wohnungsbestand der NILEG Nord- - 79,6 Prozent an der NILEG Norddeutsche deutsche Immobiliengesellschaft handelt es Immobiliengesellschaft mbH - weitere sich bei einem nicht unwesentlichen Teil um 10 Prozent gehören der Bremer Landesbank ohnehin mit Belegungsrechten verknüpfte Kreditanstalt Oldenburg Girozentrale (Anteil Sozialwohnungen. der NORD/LB: 92,5 Prozent) - Abgesehen von der rechtlichen Situation sind - 94,9 Prozent an der Wohnungsbau Nieder- zufriedene Mieter für den Erfolg eines Woh- sachsen mbH (Eisenbahnerwohnungsgesell- nungsunternehmens von zentraler Bedeu- schaft) tung. Jeder Erwerber wird im eigenen Inte- - 94,9 Prozent an der Wohnungsgesellschaft resse um die Gunst der Mieter werben müs- Norden mbH (Eisenbahnerwohnungsgesell- sen, weil er sie entweder als Mieter behalten schaft mit Beständen hauptsächlich in Ham- oder als mögliche Käufer gewinnen will. burg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg- Es sei ferner darauf verwiesen, dass in den Vorpommern) vergangenen sieben Jahren viele öffentliche - 94,9 Prozent an der OWG Osnabrücker Wohnungsbestände mit großem Erfolg in pri- Wohnungsgesellschaft mbH vate Hände gegeben wurden.

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- So hat der Bund Mitte des vergangenen Jah- stellen, die für diese für die Vielfalt unserer Bil- res über die Bundesversicherungsanstalt für dungslandschaft unverzichtbaren Schulen end- lich Planungssicherheit schafft, kürzt die Lan- Angestellte die GAGFAH mit einem Woh- desregierung von Haushaltsjahr zu Haushalts- nungsbestand von etwa 73 000 Wohnungen jahr immer weiter an den Zuwendungen. Schon an die Fa. Fortress verkauft. lange deckt die Finanzhilfe des Landes nicht annähernd die Personalkosten der freien - In 2001 konnte das Bundeseisenbahnvermö- Schulen gen insgesamt 64 000 Wohnungen in 10 Ei- Im Haushaltsbegleitgesetz zum Haushalt 2005 senbahnerwohnungsgesellschaften an die sind weitere massive Kürzungen bis 2008 um Deutsche Annington verkaufen, deren Ge- ca. 12 Millionen Euro geplant, indem der Fak- schäftstätigkeit von der britischen Terra Fir- tor, mit dem nach § 150 Abs. 7 des Nieder- sächsischen Schulgesetzes das Mittelgehalt für ma verantwortet wird. die Lehrkräfte der Schulen in freier Trägerschaft berechnet wird, schrittweise auf 12 abgesenkt - Die Stadt Hannover hat kürzlich Wohnungen wird. Damit bringt die Landesregierung die der GBH an Cerberus veräußert. ersten privaten Schulen in Existenznöte. Sie gefährdet auf diese Weise das durch private - Darüber hinaus haben sich viele Kommunen Schulen breiter gefächerte Bildungsangebot in mit Erfolg und zur Zufriedenheit aller An- Niedersachsen. Im Falle der Schließung von Schulen muss das Land deren Aufgaben über- spruchsgruppen von ihren Wohnungsbe- nehmen, was zu Mehrkosten führen kann. ständen teilweise oder ganz getrennt. In anderen Bundesländern - Hamburg, Baden- Sowohl für das Bundeseisenbahnvermögen, die Württemberg - ist die Berechnung der Finanz- Bundesversicherung für Angestellte, die Bun- hilfen bereits auf ein neues, transparentes und gerechtes System umgestellt worden. desrepublik Deutschland als auch die genann- ten Kommunen waren die genannten Käufer Ich frage die Landesregierung: aus guten Gründen akzeptabel. 1. Wann wird sie die versprochene Arbeits- gruppe zur Neuberechnung der Finanzhilfen für Zu Frage 3: Schulen in freier Trägerschaft einrichten, und werden die Fraktionen des Landtages sowie Die NILEG führt aus ihren Beständen immer Vertreterinnen und Vertreter der freien Schulen wieder Verkäufe an Mieter durch. Allerdings daran beteiligt? zeigen die Erfahrungen hieraus, dass der Ver- 2. Wann soll die Berechnung der Finanzhilfe für such eines partiellen oder generellen Einzelver- Schulen in freier Trägerschaft auf ein neues kaufs nicht zu der mit dem jetzigen Verfahren System umgestellt werden, das analog zum angestrebten umfassenden Lösung des Ver- Modell in Baden-Württemberg die Pro-Kopf- kaufs der gesamten Beteiligung führen würde.“ Gesamtkosten für die Beschulung einer Schüle- rin/eines Schülers an einer öffentlichen Schule Anlage 3 zur Grundlage macht? 3. Ist die Landesregierung bereit zuzusichern, Antwort dass das im Haushaltsbegleitgesetz 2005 be- schriebene Stufenmodell zur Absenkung des des Kultusministeriums auf die Frage 6 der Abg. Faktors nach § 150 Abs. 7 des Niedersächsi- Ina Korter (GRÜNE) schen Schulgesetzes bis 2006 befristet wird, weil später, ab 2007, ein neues Finanzhilfemo- Was tut die Landesregierung, um die Fi- dell zum Tragen kommt? nanzhilfe für Schulen in freier Trägerschaft auf eine zukunftsfähige Grundlage zu stel- Die Landesregierung hat zugesagt, gemeinsam mit len? den Trägern der freien Schulen die Grundlagen für In der Regierungserklärung vom 4. März 2003 eine Weiterentwicklung der Finanzhilfe zu einem hat Ministerpräsident Christian Wulff erklärt: möglichst noch gerechteren und auch transparen- „Wir wissen um die Schulen in freier Träger- teren System zu erörtern. In Gesprächen mit den schaft und werden auch mit ihnen über eine Trägern habe ich die Einrichtung einer entspre- unbürokratische Bedarfsermittlung reden, damit das den Schülern und Lehrern zugute kommt chenden Arbeitsgruppe für den Beginn dieses und nicht etwa der Schulbürokratie“ (Stenogra- Jahres vereinbart. Die Arbeiten dazu haben bereits fischer Bericht, S. 41). - wie Sie es vom Kultusministerium gewohnt sind - begonnen. Statt die Finanzhilfe für die privaten Schulen endlich auf eine neue, tragfähige Grundlage zu

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Sie wissen, dass die Landesregierung bei der Re- freien Schulen werden die Evangelisch-lutherische gierungsübernahme im März 2003 eine Gesamt- Landeskirche, das Katholische Büro Niedersach- verschuldung unseres Bundeslandes Niedersach- sen, die Arbeitsgemeinschaft freie Schulen in Nie- sen in der katastrophalen Höhe von 40 Milliarden dersachsen und der Verband Deutscher Privat- Euro übernommen hat. Um für das Land wieder schulen gebeten, Mitglieder zu benennen. Da eine einen verfassungskonformen Haushalt erreichen Neuregelung der Finanzhilfebestimmungen eines zu können und damit zugleich einen unverantwort- Gesetzes bedarf, ist insoweit auch die Beteiligung lichen Schuldenberg für die kommenden Generati- der Fraktionen des Niedersächsischen Landtages onen zu vermeiden, mussten wir u. a. den Be- gewährleistet. diensteten des Landes tatsächliche Einkommens- verluste abverlangen. Wenn die Landesregierung Zu 2: Zu einer qualifizierten Aussage sowohl über aber zu derart drastischen Einsparungen bei den den Inhalt als auch den Zeitpunkt einer Neurege- eigenen Bediensteten gezwungen ist, dann ist es lung ist zunächst einmal ein Vorschlag der Arbeits- nicht zuletzt eine Frage der Gerechtigkeit und der gruppe erforderlich. Es würde der Arbeitsgruppe Konsequenz aus der geschilderten Lage, alle Zu- vorgreifen und wäre unredlich, hier eine Festle- wendungsempfänger in den Blick zu nehmen und gung dahin gehend zu treffen, dass eine dem die Berechnungsgrundlagen für die Finanzhilfe für System in einem anderen Bundesland entspre- Schulen in freier Trägerschaft anzupassen. Be- chende Regelung angestrebt werde. kanntlich werden aus der Finanzhilfe überwiegend Zu 3: Es steht der Landesregierung nicht an, eine auch Personalkosten gedeckt. Zusicherung über den Zeitpunkt oder den Inhalt Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass sich einer vom Niedersächsischen Landtag zu be- die Ist-Ausgaben des Landes für die Finanzhilfe schließenden gesetzlichen Regelung zu geben. allein in den Jahren 2002 bis 2004 von rund Anlage 4 178 Millionen Euro auf nunmehr gut 194 Millionen Euro und damit um über 9 % erhöht haben. Antwort

Bei allen nachvollziehbaren Sorgen, die die Träger des Ministeriums für Inneres und Sport auf die der freien Schulen mit der vom Landtag beschlos- Frage 7 des Abg. Klaus-Peter Dehde (SPD) senen maßvollen Reduzierung verbinden, zeigten sie in den Gesprächen dennoch Verständnis für Strukturkonferenz Lüchow-Dannenberg die Handlungszwänge des Landes. Dabei wurde In nunmehr sechs Veranstaltungen zur so ge- begrüßt, dass die Reduzierung der Finanzhilfe in nannten Strukturkonferenz Lüchow-Dannen- einem über mehrere Jahre andauernden Über- berg erläuterte der dortige Landrat sein Kon- gangszeitraum erfolgt und so langfristige Bindun- zept einer kreisfreien Regionalstadt oder Regi- onalgemeinde oder Ähnliches. Als Einspareffekt gen wie Arbeits- und Tarifverträge neu verhandelt wurde in verschiedenen Variationen ein Betrag werden können. Daneben sieht die hier im Landtag von ca. 10 Millionen Euro p. a. genannt. Unter beschlossene Änderung des Niedersächsischen anderem soll ein Betrag von mehr als 3 Mil- Schulgesetzes erstmalig die Möglichkeit vor, einer lionen Euro durch die so genannte Einwohner- veredelung als Mehreinnahme - also nicht Ein- in wirtschaftliche Not geratenen Schule unter be- sparung - über den kommunalen Finanzaus- stimmten Voraussetzungen durch eine Zuwendung gleich erzielt werden. Obwohl mehrere ernst zu zu helfen. Auch dies wurde seitens der Träger nehmende Stimmen bezweifeln, dass die Ge- begrüßt. In den ausführlichen Gesprächen zwi- setzessystematik des FAG für ein Gebilde mit 52 000 Einwohnern auf mehr als 1 200 km2 schen Vertretern der freien Schulen und meinem Fläche eine solche Einwohnerveredelung zu- Haus war der gemeinsame Wille vorherrschend, zu lässt, wird diese Behauptung konsequent weiter einer guten Lösung für alle Seiten zu kommen. erhoben. Anwesende Vertreter des Innenmi- Insoweit verkennt die Fragestellerin die gegenwär- nisteriums haben während der Strukturkonfe- renzveranstaltungen trotz entsprechender tige Ausgangslage. Nachfrage zu dieser Thematik keine klare Aus- kunft gegeben. Dies vorangeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt: Vor diesem Hintergrund frage ich die Landes- regierung: Zu 1: Die Arbeitsgruppe zur Erörterung des Novel- 1. Welche Anforderungen werden an Kommu- lierungsbedarfes bei den Finanzhilferegelungen nen gestellt, die den Status der Kreisfreiheit er- wird unverzüglich eingesetzt. Für die Träger der halten wollen?

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2. Hält die Landesregierung die Bildung von jahres in den Klassen 5 bis 8 ist ein Unter- kreisfreien Regionalstädten für eine beispiel- richtsausfall von ca. 30 Stunden eingetreten. hafte Lösung der Finanzprobleme niedersäch- sischer Kommunen und Landkreise? Ich frage die Landesregierung:

3. Kann die Landesregierung der Region Lü- 1. Welche Lehrerversorgung am Gymnasium chow-Dannenberg die Einwohnerveredelung Bremervörde im Fach Englisch gibt es? und die darauf folgenden Mehreinnahmen für den Fall der Bildung einer kreisfreien Regional- 2. In welchen Fächern gibt es darüber hinaus gemeinde oder Ähnlichem definitiv zusagen, eine mangelhafte Unterrichtsversorgung? und hat sie bereits eine entsprechende ver- bindliche Zusage gemacht? 3. Welche Ursachen gibt es an dem Gymnasi- um für die Unterschreitungen des 100-prozen- Die Anfrage beantworte ich namens der Landesre- tigen Ziels, und welche Maßnahmen werden ergriffen, um die versprochene 100-prozentige gierung wie folgt: Lehrerversorgung zu erreichen?

Zu 1: Die Kreisfreiheit kann gemeindlichen Körper- Vorrangige bildungspolitische Zielsetzung der schaften nur im Einzelfall durch Gesetz verliehen Landesregierung ist die volle Unterrichtsversor- werden. Verbindliche Anforderungen an Größe gung aller Schülerinnen und Schüler in den allge- und Siedlungsstruktur gibt es dabei in Niedersach- mein bildenden Schulen des Landes. Dieses Ziel sen nicht. ist mit einer Unterrichtsversorgung von genau 100 % zum letzten Erhebungsstichtag im Bezirk Zu 2: Die Überlegungen zur kommunalen Neuglie- Lüneburg auch erreicht. Bei der Vielzahl von derung im Landkreis Lüchow-Dannenberg betref- Schulen und Schulformen sind Abweichungen vom fen einen spezifisch gelagerten Einzelfall und sind Durchschnitt nicht zu vermeiden. Es ist dabei Auf- nicht allgemein geeignet, die Finanzprobleme nie- gabe der Schule, die zugewiesenen Lehrerstunden dersächsischer Gemeinden und Landkreise zu verantwortungsvoll mit dem Vorrang für den lösen. Pflichtunterricht einzusetzen. Die Unterrichtsver- Zu 3: Sollte im jetzigen Landkreis Lüchow-Dannen- sorgung des Gymnasiums Bremervörde entspricht berg nur eine finanzausgleichsberechtigte kommu- mit 98,9 % der durchschnittlichen Unterrichtsver- nale Körperschaft gebildet werden, die das ge- sorgung aller Gymnasien im Bezirk Lüneburg. samte bisherige Kreisgebiet umfasst, würde für Dies vorangestellt, beantworte ich namens der diese neue Körperschaft grundsätzlich § 5 des Landesregierung die einzelnen Fragen wie folgt: Niedersächsischen Finanzausgleichsgesetzes mit dem entsprechenden Gemeindegrößenansatz Zu 1: Das Gymnasium Bremervörde verfügt über Anwendung finden. Für eine derartige Neugliede- neun unterrichtende Lehrkräfte mit der Lehrbefähi- rungsmaßnahme müssten zahlreiche gesetzliche gung im Fach Englisch, die maximal 167,5 Stun- Sonderregelungen geschaffen werden. Ob solche den in diesem Fach unterrichten können. Somit hat auch den Bereich des Finanzausgleichs berühren, das Gymnasium genügend Fachlehrkräfte, um den wäre letztlich vom Gesetzgeber zu beurteilen und Englischunterricht voll erteilen zu können. Die zu entscheiden. Eine Zusage der Landesregierung Prüfung des Unterrichtseinsatzes der Lehrkräfte kann schon aus diesem Grund nicht erfolgen. hat ergeben, dass die Oberstufe des Gymnasiums Bremervörde zulasten des Sekundarbereichs I Anlage 5 überversorgt wurde. Dies gilt auch für das Fach Antwort Englisch. Die Schulleitung wurde inzwischen auf- gefordert, zum 1. Februar 2005 eine ausgegliche- des Kultusministeriums auf die Frage 8 des Abg. ne Unterrichtsversorgung herzustellen. Dies wird Friedhelm Helberg (SPD) auch dadurch erleichtert, dass die Schule zum 1. Februar 2005 einen zusätzlichen „Springer- Unterrichtsversorgung im Fach Englisch am Gymnasium Bremervörde Arbeitsplatz“ mit dem Fach Englisch als Ersatz für zwei Referendare erhält, die den Unterricht in ei- Entgegen der Zusage einer 100-prozentigen gener Verantwortung beenden. Bisher konnte je- Unterrichtsversorgung der CDU/FDP-Landesre- doch noch keine Lehrkraft mit Englisch gefunden gierung an allen Schulformen beklagt sich der Elternrat des Gymnasiums Bremervörde über werden, die bereit ist, den Arbeitsplatz anzuneh- eine mangelhafte Unterrichtsversorgung im men. Fach Englisch. Seit Beginn des jetzigen Schul-

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Zu 2: Die fachspezifische Lehrerversorgung der Zu diesem Zeitpunkt - unmittelbar nach dem Schule ist so gestaltet, dass alle Unterrichtsange- Bergrutsch - von Abbauoptimierung zu spre- chen, erscheint zumindest kühn. Zuerst müssen bote nach dem Pflichtbereich der Stundentafel die zuständigen Behörden klären, ob überhaupt zufrieden stellend mit Lehrerstunden erteilt werden noch ein weiterer Abbau am Messingsberg oh- könnten. ne Gefährdung des Personals im Steinbruch möglich ist. Es kann auch nicht Ziel des Abbaus Zu 3: Die Schülerzahlen sind im Bezirk Lüneburg sein, den Berg vollständig abzutragen und da- mit die Landschaft und wertvolle Naturbereiche stärker angestiegen als in den anderen Lan- grundlegend zu verändern. desteilen. Trotz einer überproportionalen Zuwei- sung bei der Lehrereinstellung liegt der Bezirk Ich frage die Landesregierung: noch um einen Prozentpunkt unter dem Landes- 1. Welche Bewegungen des Messingsbergs durchschnitt. Die Angleichungen werden schritt- sind aus den vorliegenden Daten des dort vor- weise zu dem nächsten Einstellungstermin vorge- handenen Messpunktes der LGN seit Einrich- nommen. So hat die Abteilung Lüneburg der Lan- tung des Messpunktes nachweisbar? desschulbehörde zum 1. Februar 2005 mit 72 von 2. Wie bewertet die Landesregierung den Ein- 140 Neueinstellungen mehr als die Hälfte aller sturz der Steilwand in der Nacht vom 11. auf Einstellungen erhalten. den 12. Dezember und in der Folge das Abrut- schen des Bergkamms in Hinsicht auf die An- Anlage 6 forderungen des Arbeitsschutzes für die im Steinbruch Beschäftigten sowie Anwohner und Antwort Erholung Suchende? 3. Welche Konsequenzen wird die Landesregie- des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr rung aus der Tatsache ziehen, dass die in der auf die Frage 9 der Abg. Ursula Helmhold (GRÜ- Vergangenheit durch die Steinbruchbetreiber in NE) Auftrag gegebenen und vom NLfB bewerteten Gutachten zur Standfestigkeit des Messings- Messingsberg I.: Der Berg ruft nicht mehr, er berg offensichtlich zu falschen Schlussfolge- kommt jetzt selbst rungen der Abbaufähigkeit des Bergs geführt haben? Erstmals öffentlich wurde die Tatsache, dass der Messingsberg in Schaumburg als Folge des Zum Unglück im Steinbruch Steinbergen kam es Abbaus nach Norden hin abrutscht, durch Mes- am Samstagabend, dem 11. Dezember 2004, ge- sungen des Katasteramtes. Auf dem Kamm des gen 22.15 Uhr MEZ, als ein keilförmiger Block aus Messingsberg ist ein Messpunkt der landes- weiten Festpunktfeldüberwachung (als Drei- dem Bergkamm des Messingsbergs im bisher nicht ecke in topografischen Karten verzeichnet) der als akut rutschungsgefährdet beurteilten östlichen LGN eingerichtet. Die Schaumburger Zeitung Bereich des Südhangs auf einer Länge von nahe- meldete am 11. Juni 1997, dass bei topogra- zu 300 m und einer Tiefe von bis zu 50 m ab- phischen Routinemessungen des Katasteram- tes festgestellt wurde, dass sich der ganze rutschte und dabei Gesteinsblöcke bis zu 340 m Bergabschnitt Richtung Norden mit einem weit in den Tagebau stürzten. Nach Schätzungen Tempo von 2,5 cm pro Monat bewegt. Auf einer beträgt das Gewicht der abgerutschten Gesteins- Länge von 100 m wurde damals mit einer Not- masse ca. 1 Million t. Es handelt sich um einen sprengung ein Widerlager hergestellt, um die Bewegung des Berges an dieser Stelle zu Böschungsrutsch in einem Steinbruch von bisher stoppen. Weitere Vorsorgesprengungen wur- ungekanntem Ausmaß. Die Ursachen werden der- den im Jahr 1999 vorgenommen, um das Zu- zeit umfassend untersucht; das Betreiberunter- sammenbrechen weiterer Teile der durch den nehmen informiert die Öffentlichkeit jeweils zeitnah Abbau entstandenen Steilwand zu verhindern. Der jüngste Bergrutsch zeigt allerdings, dass bei Vorliegen neuer Erkenntnisse. die getroffenen Maßnahmen nicht geeignet wa- ren, ein weiteres Abrutschen des Berges zu Zur Historie: Der Steinbruch ist eine genehmi- verhindern. Es kann nur als glücklicher Zufall gungsbedürftige Anlage im Sinne des Bundes- bezeichnet werden, dass der Zeitpunkt des Immissionsschutzgesetzes (BImSchG); die nach Vorfalls nicht in die Arbeitszeit fiel und somit keine dort Beschäftigten betroffen waren. damaligem Recht erforderliche Bodenabbauge- nehmigung wurde am 2. Dezember 1976 vom Die „Aktionsgemeinschaft Weserbergland“ hat Landkreis erteilt. Nunmehr ist das Staatliche Ge- am 15. Dezember 2004 Fotos vom Bergrutsch werbeaufsichtsamt Hildesheim zuständige Auf- veröffentlicht, bei denen auf einer Zeichnung des ersten Aufmasses (Datum 12. Dezember sichtsbehörde nach Immissions- und Arbeits- 2004) der abgerutschten Gesteinsmassen das schutzrecht Wort „Abbauoptimierung“ erkennbar ist.

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Die Standsicherheit der Südwand des Steinbruchs Kluftwasserdrücke durch Drainagebohrungen zur wurde im Jahr 1999 in einem von dem Betrei- Entwässerung der Klüfte und ein Monitoring zur berunternehmen in Auftrag gegebenen Gutachten Beobachtung der Bergwasserstände und der Ver- eingehend untersucht. In diesem Gutachten, das schiebung im Kammbereich empfohlen. der Landkreis Schaumburg, das Katasteramt Rin- teln, die Fürstliche Hofkammer Bückeburg (Forst- Zur gegenwärtigen Situation: Der Bergrutsch hat amt), das NLfB und das Gewerbeaufsichtsamt sich nunmehr genau in dem Bereich ereignet, in Hildesheim zur Kenntnis erhielten, wurde die Ab- dem die Vorsprengungen in diesem Jahr erfolgen bauwand in erstens akut, zweitens latent und drit- sollten. Bereits wenige Tage nach Schadenseintritt tens nicht rutschungsgefährdete Bereiche einge- wurde der international anerkannte Experte Pro- stuft. Zur Sicherung des als rutschungsgefährdet fessor Dr. E. Krauter (geo-international, Vorsitzen- beurteilten Gebirgsbereichs wurde empfohlen, der der Forschungsstelle Rutschungen an der verschiedene Teilabsprengungen durchzuführen Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Sach- und das Schuttmaterial als Widerlager am Wand- verständiger für Geotechnik des Eisenbahn- fuß zu belassen. Diese Maßnahme, die im fort- Bundesamtes) mit der Begutachtung beauftragt. schreitenden Abbaubetrieb auch erfolgen sollte, Der Gutachter stellt fest, dass das Gefährdungs- wurde in Verbindung mit einem spezifischen Mess- potenzial durch Felsrutschungen, Kipp- und Sturz- und bewegungen im Bereich der Abbausüdwand in den Überwachungssystem als geeignet und ausrei- vorangegangenen Gutachten unterschätzt worden chend angesehen, um künftige Gesteinsabrut- sei. Die dort empfohlenen Sicherungs- und Kon- schungen zu verhindern. trollmaßnahmen seien nicht ausreichend gewesen. Nach einer entsprechenden Änderung der Boden- Durch „Teilabsprengungen“ sei vielmehr die seitli- abbaugenehmigung durch den Landkreis Schaum- che Einspannung der unmittelbar anschließenden burg ordnete das GAA Hildesheim die Vorspren- Abbauwände reduziert worden, was letztlich zum gungen sowie begleitende Messungen an und ließ weiteren Stabilitätsverlust in diesen Felsbereichen diese Maßnahmen in den Jahren 2000 und 2001 in geführt habe. dem als „akut rutschungsgefährdet“ eingestuften In diesem Zusammenhang weist er ausdrücklich Bereich des westlichen Teils der Südwand durch- darauf hin, dass weder das Unternehmen noch die führen. Ausweislich des maßgeblichen Erläute- Aufsichtsbehörden das tatsächliche Gefährdungs- rungsberichts waren im Zuge des fortschreitenden potenzial hätten erkennen können, sodass auch Abbaus in östlicher Richtung drei weitere Vor- keine Notwendigkeit zu besonderen bzw. zusätzli- sprengungen vorgesehen; die nächste Vorspren- chen Sicherungsmaßnahmen bestanden habe. gung sollte im Jahr 2005 erfolgen. Als begleitende Auch für etwaige Änderungen der Abbaumethode Maßnahmen und zu Kontrollzwecken wurden re- habe es keinen sichtbaren Anlass gegeben. gelmäßige Bewegungsmessungen vorgeschlagen und auch durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Der Gutachter führt weiter aus, dass das Unter- digitalen Distanzmessungen zeigten zunächst eine nehmen die Empfehlungen über erforderliche Si- deutliche Verringerung der Bewegungsgeschwin- cherungsmaßnahmen, Absprengungen in Verbin- digkeit. Da die Gleitbewegung jedoch noch nicht dung mit Vorschüttungen sowie einer episodischen vollständig zum Stillstand gekommen war, wurden Kontrolle von Bewegungen durch Messbrücken im von dem Betreiberunternehmen weitere Vermes- Bereich von Spalten und durch Messpunkte ord- sungen und Gutachten zur Geologie, zur struktur- nungsgemäß umgesetzt habe. Nach den Messer- geologischen Situation und zur Untersuchung der gebnissen habe man im Beobachtungsbereich Standsicherheit der Südböschung sowie zur Ge- gegenwärtig nicht mit einer Felsrutschung rechnen währleistung eines sicheren weiteren Gesteinsab- müssen. bau in Auftrag gegeben. Gemäß einem Gutachten vom Januar 2003 konnten über bereits vorhande- Zutreffend ist die in der Kleinen Anfrage enthaltene ne Erkenntnisse hinaus keinerlei Hinweise auf Aussage, dass es nicht Ziel des Abbaus sein kön- weitere Gleitbewegungen am Messingsberg fest- ne, den Berg vollständig abzutragen und damit die gestellt werden. In einem weiteren Gutachten vom Landschaft und wertvolle Naturbereiche grundle- August 2004 wurden zur Erhöhung der Standsi- gend zu verändern. Der Abbau von Rohstoffen ist cherheit und als Grundvoraussetzung für den si- vielmehr ein singuläres Interesse, das in Konkur- cheren Abbau (lediglich) die Unterbindung der renz zu verschiedenen anderen, grundsätzlich

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gleichwertigen Interessen steht; zur Beurteilung denursache zu ermitteln und Vorkehrungen treffen der Angemessenheit einer geplanten Maßnahme zu können, damit sich ein solches Unglück nicht bedarf es deshalb immer einer sorgfältigen Abwä- wiederholen kann. Es muss an dieser Stelle jedoch gung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Die ausdrücklich betont werden, dass der Böschungs- Verträglichkeit des Rohstoffabbaus mit anderen rutsch nach den vorliegenden Gutachten, Messun- Nutzungen hat für die Landesregierung einen ho- gen und Prognosen nicht vorsehbar und damit hen Stellenwert. Dies gilt insbesondere für den auch nach den seinerzeitigen Erkenntnissen nicht Aspekt der Umweltverträglichkeit. Einen Berg ab- vermeidbar war. zutragen, ist niemals Ziel, sondern allenfalls not- wendige Folge eines Abbaus. Ziel ist immer die Im Hinblick auf den zukünftigen Schutz sollen Versorgung mit Rohstoffen, die als wesentliches kurzfristig alle notwendigen Sicherungsmaßnah- Element der Daseinsvorsorge große volkswirt- men ergriffen und von den zuständigen Behörden schaftliche Bedeutung hat und daher nicht ernst- überwacht werden. haft zur Disposition stehen kann. Als konkrete Sicherungsmaßnahmen im Stein- Zutreffend ist weiter die Feststellung, dass auf bruch Steinbergen sind beabsichtigt: permanente einer Zeichnung des ersten Aufmasses das Wort Überwachung, Installation eines Frühwarnsystems, „Abbauoptimierung“ vermerkt ist. Dieses Wort steht Maßnahmen zur Abstützung des bestehenden allerdings nicht im Zusammenhang mit dem Erd- Südhangs (insbesondere durch stabile Vorschüt- rutsch, sondern mit dem Bemühen des Unterneh- tungen). Damit soll verhindert werden, dass der mens, die Abbaureihenfolge in den Blöcken sowie Kamm komplett abrutscht und das Landschaftsbild die Rekultivierungsreihenfolge zu überprüfen. Die nachhaltig verändert wird. zu diesem Zweck von einem Planungsbüro gefer- Als Sofortmaßnahme wird im Moment ein Kontroll- tigten Pläne wurden unmittelbar nach dem Erd- und Frühwarnsystem für ein permanentes Monito- rutsch verwendet, um nicht mit der Herstellung ring installiert. Dieses System dient zum einen der neuer Pläne unnötig Zeit zu verlieren. Arbeitssicherheit im Steinbruchbetrieb, zum ande- Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen ren der Sicherheit der Mannschaften, die die Si- im Namen der Landesregierung wie folgt: cherungsmaßnahmen durchführen. Gleichzeitig bietet es auch einen Schutz für Fußgänger auf Zu 1: Bei dem Messpunkt der Landesvermessung dem Kammweg bei unerwarteten Spaltenöffnun- und Geobasisinformation Niedersachsen (LGN) gen. Auch die Wirksamkeit der empfohlenen Ab- handelt es sich um einen so genannten trigono- sprengungen und Vorschüttungen kann damit metrischen Punkt. Dies ist ein Fixpunkt für die überprüft werden. Landesvermessung, der der Bestimmung des Raumbezuges dient. Ein solcher Punkt darf sich Eine Gefährdung von Beschäftigten, Anwohnern nicht bewegen, damit die Veränderungen des und Erholung Suchenden kann gegenwärtig aus- Raums im Verhältnis zu diesem Punkt gemessen geschlossen werden, weil der Abbaubetrieb einge- werden können. Als im Jahr 1995 festgestellt wur- stellt, das Betreten des Gefahrenbereichs unter- de, dass sich der trigonometrische Punkt auf dem sagt und der Kammbereich weiträumig durch Wild- Kamm des Messingsbergs bewegt hat, wurden von schutzzaun und Verbotsschilder abgesperrt und dort keine Daten mehr aufgenommen und ausge- gesichert sind. Anwohner sind im Gefährdungsbe- wertet. Es liegen somit nur Daten bis zum Jahr reich nicht ansässig, und für die Ortschaften im 1995 vor, die für die aktuelle Fragestellung nicht Süden des Messingsbergs bestehen aufgrund der verwertbar sind. Darüber hinausgehende Bewe- geologischen Gegebenheiten keine Gefahren. gungen des Punktes sind nicht feststellbar. Zu 3: Das aktuelle erste Teilgutachten des Gut- Zu 2: Der Bergrutsch im Steinbruch Steinbergen ist achters Professor Krauter bestätigt, dass die da- ein Unglücksfall, der - schon im Hinblick auf die mals handelnden Personen aus den vorliegenden Sicherheit der Beschäftigten und Erholung Su- früheren Gutachten die richtigen Schlussfolgerun- chenden - nicht hätte vorkommen dürfen und der gen gezogen haben und ihnen keine schuldhaften sich auch nicht wiederholen darf. Unternehmen, Versäumnisse vorgeworfen werden können. Aus Landesregierung und Fachbehörden, aber auch heutiger Sicht muss man hinsichtlich der Sicherheit der eingeschaltete Gutachter unternehmen daher des Abbaus jedoch zu anderen Ergebnissen kom- alles Erforderliche, um schnellstmöglich die Scha- men (s. o. zum Gutachten von Professor Krauter).

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Das Risiko von fehlerhaften Einschätzungen in 2. Wie wurden diese Differenzen beigelegt? Gutachten ist nie ganz auszuschließen. 3. Welche Position hat das Land Niedersach- sen in diesem Zusammenhang eingenommen? Bezüglich der weiteren Abbaufähigkeit des Mes- singsberg ist der jetzt eingeschaltete Gutachter Das Ostpreußische Landesmuseum Lüneburg ist Professor Krauter auch beauftragt worden, für die eine etablierte Einrichtung, die fachlich anerkannte genehmigten Flächen im Norden und Osten des Ausstellungen und Veranstaltungen zur Kultur-, Steinbruchs eine erneute Gefährdungseinschät- Natur- und Kunstgeschichte Ostpreußens anbietet. zung vorzunehmen und gegebenenfalls Schutz- Das Ostpreußische Landesmuseum in Lüneburg maßnahmen vorzuschlagen. ist in der Trägerschaft der Ostpreußischen Kultur- stiftung mit Sitz in Ellingen/Bayern. Die zuständige Als präventive Maßnahme beabsichtigt das Ge- Stiftungsaufsicht hat ihren Sitz in Ans- werbeaufsichtsamt Hildesheim als zuständige Be- bach/Mittelfranken. Es wird nach § 96 des Bun- hörde, für die im Aufsichtsbezirk gelegenen Stein- desvertriebenengesetz vom Bund mit 70% geför- brüche mit vergleichbaren geologischen Verhält- dert, das Land gibt knapp 30% der anfallenden nissen neue Überprüfungen bezüglich der Stand- Kosten. Das Ostpreußische Landesmuseum hat im sicherheit der Abbauwände vorzunehmen. Bei Durchschnitt zwischen 20 000 und 25 000 Besu- konkreten Hinweisen auf Bergbewegungen werden cher pro Jahr. geeignete Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen veranlasst. Angesichts der historischen Entwicklung seit 1989/90 hatte das Museum Anfang 2003 ein Kon- Anlage 7 zept für eine Neuorganisation und Erweiterung, Antwort insbesondere um eine deutsch-baltische Abteilung vorgelegt. Dieses Konzept erschien dem MWK des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur auf nicht hinreichend tragfähig. Deshalb wurde dem die Frage 10 des Abg. Andreas Meihsies (GRÜNE) Ostpreußischen Landesmuseum mit Schreiben des MWK vom 19. Juni 2003 mitgeteilt: Fristlose Kündigung des Direktors des Ost- preußischen Landesmuseums „Bezüglich des inhaltlichen Konzeptes blieben Der Vorsitzende des Stiftungsrates der Ost- allerdings erhebliche Fragen offen. An erster preußischen Kulturstiftung hat dem Leiter des Stelle sind hier die Aussagen zur Sammlungs- Ostpreußischen Landesmuseums, Dr. Kabus, struktur und das Sammlungskonzept für die zu- mit sofortiger Wirkung eine Kündigung seines künftigen Ausstellungsflächen sowie die neue Arbeitsverhältnisses ausgesprochen. Diese Kündigung ist bei zahlreichen Verantwortlichen Abteilung ‚Baltikum‘ unzureichend. Auch ist ein in Stadt und Landkreis auf Erstaunen und Un- detaillierteres Gestaltungs- und Vermittlungs- verständnis gestoßen. Unter der Leitung von konzept unabdingbar. Darüber hinaus müssten Dr. Kabus hat sich das Ostpreußische Landes- die derzeitigen und geplanten Beziehungen museum, so der Erste Kreisrat des Landkreises Lüneburg, Dr. Prowol, zu „einem Publikums- zum aktuellen Kunst- und Kulturgeschehen in magneten“ verwandelt. Der Oberbürgermeister den heutigen Staaten auf ostpreußischen und der Stadt Lüneburg bezeichnete Dr. Kabus als baltischem Territorium präzisiert und in eine „einen führenden Kulturmanager der Stadt“. zeitliche Entwicklungsplanung gebracht wer- Das Land Niedersachsen ist an der Finanzie- rung des Landesmuseums mit 28 % beteiligt. den. Diese konzeptionellen Grundlagen sind Laut den Aussagen des CDU-Abgeordneten besonders im Hinblick auf die künftige Ent- Bernd Althusmann gab es „Differenzen zwi- wicklung des Ostpreußischen Landesmuseums schen Bund, Land, Stiftung und Dr. Kabus“. von großer Bedeutung, steht doch in der aktu- Und weiter: „Dieses hätte dazu geführt, die Zu- sammenarbeit mit Dr. Kabus zu beenden“. Das ellen Diskussion in den Geschichtswissen- Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft schaften der ‚Dreiklang‘ Vertreibung - Integrati- und Kultur hat am Donnerstag in der Landes- on - Aussöhnung im Zentrum. Dieses erfordert zeitung für die Lüneburger Heide keine Stel- auch die Darstellung der Vernetzung des Mu- lungnahme abgegeben und „wegen der Perso- nalangelegenheit auf die Stiftung als Ansprech- seums mit vergleichbaren Museen und Ein- partnerin“ verwiesen. richtungen vergleichbarer Aufgabenstellung."

Ich frage die Landesregierung: Auf dieser Grundlage und wegen der besonderen 1. Welche Differenzen hat es zwischen Bund, Verantwortung gegenüber der Kultur der Vertrie- Land, Stiftung und Dr. Kabus gegeben? benen wurde im Jahr 2004 auf intensives Betrei-

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ben des Landes eine neue Konzeption für das 5 200 Schienenkilometern, die die DB bis 2010 Museum erarbeitet, die einen besonderen abbauen will, genau betroffen? Schwerpunkt auf den intensiven kulturellen Kon- 2. Wie wird die Landesregierung den massiven takt mit den heutigen Ländern in Nordosteuropa Abbau an Schienenkilometern verhindern? legt. Diese Konzeption wurde im Dezember 2004 3. Unter welchen Bedingungen wäre für die vom Museumsträger, der Ostpreußischen Kultur- Landesregierung die Übernahme regionaler stiftung, vorgelegt. Sie entspricht den Entwürfen Netze analog zur Aufteilung der Straßenver- des Direktors Dr. Kabus. kehrswege in Bundesstraßen, Autobahnen und Landesstraßen ein denkbarer Weg zur Siche- Dieses vorausgeschickt, beantworte ich Ihre Frage rung einer flächendeckenden Schieneninfra- namens der Landesregierung wie folgt: struktur in Niedersachsen? Aus den bisherigen Veröffentlichungen zu den Zu 1: Zwischen dem Museumsträger, der Ostpreu- Rückbauplänen der DB AG ergibt sich, dass sich ßischen Kulturstiftung, und dem Direktor hat es diese weniger auf Strecken als auf Nebengleise, schon in der Vergangenheit Differenzen gegeben. Rangier- und Abstellanlagen beziehen. Die Fi- Das Land hat und hatte - abgesehen von den dar- nanzplanung des Unternehmens geht davon aus, gestellten inhaltlichen Fragen - weder Differenzen dass der Anlagenumfang des Schienennetzes mit dem Direktor des Museums noch mit der Ost- dort, wo es notwendig ist, angepasst werden muss. preußischen Kulturstiftung als Träger der Einrich- Das ist z. B. dann der Fall, tung. - wenn neue Elektronische Stellwerke (ESTW) Zu 2 und 3: Auf die Antwort zu Frage 1 und die gebaut werden und der Spurplan vereinfacht einleitenden Ausführungen wird verwiesen. Zu wird, um den Betriebsablauf zu verbessern dem schwebenden Verfahren in Bezug auf die und die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen, Personalangelegenheit kann keine Stellung ge- nommen werden. - wenn bei der Konzentration der Zugbil- dungsaufgaben auf wenige, vollautomati- Anlage 8 sierte Hochleistungsrangierbahnhöfe Altan- Antwort lagen ersetzt werden, des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - oder der Bereich von veralteten und nicht auf die Frage 11 des Abg. Enno Hagenah (GRÜ- mehr benötigten Abstell- und Bahnhofsanla- NE) gen für neue Nutzungen zur Verfügung ge- stellt wird. DB darf Schienennetz in Niedersachsen nicht ruinieren Die Infrastruktur der DB Netz AG in Niedersachsen befindet sich in einem weitgehend durchrationali- Bis 2010 will die Deutsche Bahn (DB) bundes- weit 5 200 km Gleis und 22 800 Weichen ab- sierten Zustand. Daher ist davon auszugehen, bauen, um Kosten zu senken. Private und dass ein Rückbau von Anlagen nur im Zuge der kommunale Eisenbahnen befürchten, dass es bereits beispielhaft genannten Ertüchtigungsvor- dadurch zu massiven Engpässen insbesondere haben erfolgen wird. Ein massiver Abbau von An- beim Schienengüterverkehr kommt. Eine Studie des Verbandes Deutscher Verkehrsunterneh- lagen muss nicht befürchtet werden. Derzeit be- men (VDV) aus dem Vorjahr belegt, dass schon stehen daher weder für einzelne Strecken noch für jetzt und noch vor der Umsetzung der Bahnplä- den Bereich der Bahnhofs-, Rangier- und Abstell- ne der Schienengüterverkehr durch Netzstillle- anlagen konkrete Rückbauplanungen. In Nieder- gungen beeinträchtigt ist und weitere Einbußen kaum verträgt. In anderen Bundesländern wie sachsen sind bis 2009 folgende Verbesserungs- Schleswig-Holstein sind vorschnell entfernte maßnahmen geplant, die im Einzelfall den Abbau Kreuzungsgleise bereits wieder eingebaut wor- von nicht mehr betriebsnotwendigen Anlagen mit den. Damit solche Pannen und Fehler in Nie- sich bringen können: dersachsen vermieden werden können, ist es notwendig zu wissen, wo und in welchem Aus- maß das niedersächsische Schienennetz von - Neubau eines ESTW in Hildesheim, 2005- den Planungen der Bahn betroffen ist. 2006,

Ich frage die Landesregierung: - Neubau eines ESTW in Kreiensen (für das so genannte HarzWeserNetz), vsl. 2006- 1. Welche niedersächsischen Strecken, Gleise, Weichen und Kreuzungen sind von den 2009,

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- Modernisierung der Strecken des HarzWe- gen durch Einführung des so genannten DRG- serNetzes. Systems, ihre Kliniken an gemeinnützige oder privatgewerbliche Träger zu veräußern. Auch die Beteiligung privatgewerblicher oder ge- Die Entscheidung darüber, welche Anlagen nicht meinnütziger Träger an kommunalen Häusern mehr betriebsnotwendig sind, liegt in der alleinigen wird in einzelnen Gebietskörperschaften heftig unternehmerischen Verantwortung der bundesei- diskutiert. genen DB AG und ihrer Aufsichtsgremien. Dabei Ich frage die Landesregierung: bedürfen nur bestimmte Vorhaben einer vorheri- gen Genehmigung des Eisenbahn-Bundesamtes. 1. Welche Regionen, Landkreise, kreisfreien Sofern die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben Städte und kreisangehörigen Kommunen haben sind, hat die DB AG einen Rechtsanspruch auf ihre Krankenhäuser bis zum 31. Dezember 2004 an welche Träger verkauft? Erteilung einer beantragten Stilllegungsgenehmi- gung. Im Übrigen ist nach dem Grundgesetz der 2. Bei welchen bisher kommunalen Kranken- Bund für den Erhalt eines bedarfsgerechten häusern sind a) privatgewerbliche oder b) ge- meinnützige Träger a) als Mitträger bzw. Ge- Schienennetzes der DB AG - insbesondere im sellschafter dieser Kliniken oder b) als Ge- Schienengüterverkehr - verantwortlich (Artikel 87 e schäftsbesorger gewonnen worden? Abs. 4 GG). 3. Welche Zusagen haben diese neuen Träger Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen nach Übernahme a) für den Weiterbestand der Standorte und b) für den Fortbestand welcher namens der Landesregierung wie folgt: Abteilungen in den Häusern gemacht?

Zu 1: Derzeit bestehen nach Auskunft der DB AG Zweck des Krankenhausfinanzierungsgesetzes für Niedersachsen keine konkreten Rückbaupla- (KHG) ist die wirtschaftliche Sicherung der Kran- nungen. kenhäuser, um eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen, eigenver- Zu 2: Rechtlich besteht nur bei Stilllegungsverfah- antwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern zu ren, die Strecken oder Teilstrecken, für die Be- gewährleisten und zu sozial tragbaren Pflegesät- triebsabwicklung wichtige komplette Bahnhöfe zen beizutragen. Dabei ist nach Maßgabe des betreffen oder Vorhaben, die die Streckenkapazität Landesrechts die wirtschaftliche Sicherung frei- deutlich verringern, ein Anspruch des Landes auf gemeinnütziger und privater Krankenhausträger zu vorherige Beteiligung. Dennoch wird sich das Land gewährleisten. Der Gesetzgeber geht damit im - wie bisher - im Einzelfall für den Erhalt einer be- Grundsatz von einem Nachrang kommunaler darfsgerechten Infrastruktur einsetzen. Krankenhäuser in der stationären Krankenversor- Zu 3: Im Hinblick auf die im Grundgesetz veran- gung aus. kerte Infrastrukturverantwortung des Bundes für Das Niedersächsische KHG folgt diesem Grund- die Anlagen der bundeseigenen DB Netz AG ist satz. In seinem § 1 legt das Gesetz zwar fest, dass die Übernahme von Strecken oder Anlagen in die die Landkreise und kreisfreien Städte die Kran- Verantwortung der Länder als sehr kritisch zu kenhausversorgung der Bevölkerung als Aufgabe werten. Die Übernahme von Netzen in regionale des eigenen Wirkungskreises nach Maßgabe des Verantwortung setzt mindestens einen angemes- Krankenhausplanes und des § 2 des Gesetzes senen finanziellen Ausgleich des Bundes an die sicherzustellen haben. Sie haben eigene Kranken- Länder für die damit einhergehenden Belastungen häuser zu errichten und zu unterhalten, soweit die voraus. Krankenhausversorgung nicht durch andere Trä- Anlage 9 ger gewährleistet wird. Unter den umfassend ver- änderten Rahmenbedingungen im Krankenhaus- Antwort wesen sehen kommunale Krankenhausträger sich zunehmend veranlasst, die betriebswirtschaftlichen des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Grundlagen ihrer Krankenhäuser zu verändern, um Gesundheit auf die Frage 12 der Abg. Meta Jans- diese für die Zukunft auf dem Markt der Gesund- sen-Kucz (GRÜNE) heitsdienstleistungen wettbewerbsfähiger zu ma- Zukunft kommunaler Krankenhäuser chen. In vielen Fällen sind kommunale Eigenbe- triebe bereits in privatwirtschaftliche Rechtsträger- Immer mehr kommunale Gebietskörperschaften schaften und hier insbesondere in GmbHs über- versuchen vor dem Hintergrund erheblicher Haushaltsdefizite und gestiegener Anforderun- führt worden. Andere Kommunen haben ihre Kran-

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kenhäuser an frei-gemeinnützige oder aber auch Sperrwerkes passieren, in diesem Falle wäre private Krankenhausträger bzw. Krankenhausket- aufgrund der Ebbe jedoch eine Pause in Leer nötig geworden, berichtete die Ostfriesen-Zei- ten veräußert. Ein Ende der aufgezeigten Ent- tung in ihrer Ausgabe vom 11. Januar 2005. Als wicklung ist bisher noch nicht absehbar. weitere Begründung für den Emsstau führt der genannte Pressebericht an, dass die besondere Dies vorausgeschickt, beantworte ich die einzelnen Konstruktion und das markante Aussehen des Fragen namens der Landesregierung wie folgt: Schiffes wieder Schaulustige an die Ems locken würden.

Zu 1 und 2: Der Landesregierung liegen keine In ihrer Antwort auf die Anfrage „Gründe für Informationen vor, welche Kommunen an wen ihre Kostensteigerungen bei Bau und Betrieb des Krankenhäuser verkauft haben. Lediglich in den Emssperrwerkes“ (Drs 15/1219) führt die Lan- Fällen, in denen ein Wechsel in der Krankenhaus- desregierung aus, nach dem gültigen Kostenta- rif zur Allgemeinen Gebührenordnung betrage trägerschaft eingetreten ist, erhält MS als Kran- die Gebühr für das Aufstauen der Ems kenhausplanungsbehörde Mitteilungen über eine 12 800 Euro je angefangene Stunde des Auf- geänderte Rechtsform in der Trägerschaft und die stauens. hierauf basierenden Vertretungsbefugnisse z. B. Am 13. Januar 2005 war aus der Emder Zei- durch Vorlage eines Handelsregisterauszuges. Die tung zu erfahren, dass nicht geklärt sei, wer die dem Trägerwechsel zugrunde liegenden vertragli- fälligen Staugebühren zahlt. Das Land ist über chen Vereinbarungen sind nur in den Fällen be- den Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küs- kannt, in denen ein Krankenhausträger diese von ten- und Naturschutz Betreiber des Emssperr- werks und von daher zuständig für das Auf- sich aus vorlegt. Ein Rechtsanspruch auf Vorlage stauen der Ems bei Schiffsüberführungen, den- derartiger Unterlagen besteht nicht. noch will das Land dieses Mal keine Gebühr für das Aufstauen der Ems von der Papenburger Zu 3: Es sind der Landesregierung Informationen Meyer-Werft verlangen. Das Umweltministerium zur Kenntnis gelangt, dass Krankenhauserwerber vertritt die Position, dass, wenn die Ems in ei- nem entsprechenden Zustand wäre, das Con- den veräußernden Kommunen Zusagen gemacht tainerschiff „Eilbek“ ohne Sperrwerksunterstüt- haben sollen, Standorte oder auch Abteilungen auf zung die Passage absolvieren könnte. Für die längere Frist weiter betreiben zu wollen. Die Herstellung der Basistiefe ist der Bund, das Grundlagen für diese Aussagen sind jedoch nicht Wasser- und Schifffahrtsamt, zuständig, das die Position vertritt, dass nicht über den Bedarf bekannt und können die Krankenhausplanungsbe- hinaus gebaggert werden sollte und für den hörde auch in keiner Weise binden. In den Nieder- täglichen Schiffsverkehr die vorhandene Tiefe sächsischen Krankenhausplan sind nur die Kran- ausreiche. kenhäuser aufzunehmen, die für eine bedarfsge- Wir fragen die Landesregierung: rechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versor- gung der Bevölkerung erforderlich sind. Jeder 1. Wie lange war das Emssperrwerk für die Krankenhausträger ist damit aufgefordert, gegebe- Überführung des Containerschiffs „Eilbek“ in Betrieb, und wurde der Betrieb des Emssperr- nenfalls im Zusammenwirken mit der Kranken- werkes gemäß oben genannter Gebührenord- hausplanungsbehörde, sein Krankenhaus wirt- nung abgerechnet, und wer bezahlt die ent- schaftlich zu führen und, soweit erforderlich, seine standen Kosten? Angebotsstrukturen an veränderte Rahmenbedin- 2. Wie hoch waren die tatsächlichen, dem Land gungen bis hin zur Aufgabe von Abteilungen oder als Betreiber entstandenen Kosten für den Be- Krankenhausstandorten anzupassen. trieb des Emssperrwerkes für die Überführung der „Eilbek“? Anlage 10 3. Wo werden die Gebühreneinnahmen des Antwort Emssperrwerkes für die Staufunktion zwecks Überführung eines Schiffes als Einnahme ver- des Umweltministeriums auf die Frage 13 der Abg. bucht, und können sie für die entstandenen Staukosten im Rahmen einer Schiffsüberfüh- Hans-Joachim Janßen und Meta Janssen-Kucz rung als Ausgabe (Betriebskosten) verwendet (GRÜNE) werden, bzw. wie werden die Einnahmen ver- wendet? Schiffsüberführungs-Event zulasten der Landeskasse und der Natur? Der Planfeststellungsbeschluss für das Emssperr- werk bestimmt den Grundsatz „Stauen vor Bag- Am 16. Januar 2005 werde das in der Meyer- Werft neu gebaute Containerschiff „Eilbek“ mit- gern“, insofern ist die Inanspruchnahme des Ems- hilfe des Emssperrwerkes überführt. Das Schiff könne die Ems zwar auch ohne Nutzung des

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sperrwerkes mit seiner Staufunktion ein ausdrück- beauftragte der nächst höheren Dienststelle die lich vorgesehener Vorgang. Interessen der Beschäftigten wahrnehmen.“ Wir fragen die Landesregierung: Die an die Landesregierung gestellten Fragen beantworte ich wie folgt: 1. In welchen Abteilungen der Landesregierung wird auf Basis welcher Erkenntnisse und Erfor- Zu 1: Das Emssperrwerk war für die Überführung dernisse derzeit konkret die Möglichkeit, kleine- des Containerschiffs „Eilbek“ elf Stunden in Be- re Dienststellen von der Verpflichtung zur Be- stellung einer Frauenbeauftragten auszuneh- trieb. Für den Einsatz des Sperrwerkes wird die men, diskutiert? Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes als Antragstellerin des Staufalles und damit Kos- 2. Wie definiert die Landesregierung „kleinere tenschuldnerin einen Gebührenbescheid erhalten. Dienststelle“, und auf wie viele der niedersäch- sischen Dienststellen träfe demnach im Umset- zungsfalle die Neuregelung zu? Zu 2: Die Berechnung der Gebühr setzt sich aus verschiedenen Positionen wie z. B. den Betriebs- 3. Welche Reduzierung des Freistellungsum- und den Investitionskosten zusammen. Die Kalku- fanges für Frauenbeauftragte und demzufolge der Personalkosten erhofft sich die Landesre- lation der Gebührenhöhe wird letztendlich durch gierung von einer solchen Neuregelung? die Prognose der Nutzung der Staufunktion des Sperrwerkes verbunden mit den zu beachtenden Im Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Bedingungen des Niedersächsischen Verwal- Gesundheit wird eine Novellierung des Nieder- tungskostengesetzes erstellt. Die Gebührenhöhe sächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG) liegt derzeit bei 12 800 Euro/Stunde. Damit werden erarbeitet. Vorgesehen ist danach u. a., dass nur auch die für diesen Staufall überschlägig ermittel- Dienststellen mit mindestens 50 Beschäftigten eine ten Betriebskosten in Höhe von rund 22 000 Euro Gleichstellungsbeauftragte und eine Vertreterin zu abgegolten. bestellen haben. Dienststellen mit weniger Be- schäftigten können - auch gemeinsam mit anderen Zu 3: Einnahmen aus dem Betrieb des Emssperr- kleinen Dienststellen - eine Gleichstellungsbeauf- werkes werden beim Niedersächsischen Landes- tragte und ihre Vertreterin bestellen. Wird in klei- betrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Natur- nen Dienststellen danach eine Gleichstellungsbe- schutz (NLWKN) gebucht. Sie dienen neben ande- auftragte nicht bestellt, nimmt nach dem Entwurf ren Einnahmen des NLWKN sowie den im Einzel- die Gleichstellungsbeauftragte der übergeordneten plan 15 ausgewiesenen Zuführungen aus dem Dienststelle die Aufgaben der Gleichstellungsbe- Landeshaushalt zur Finanzierung aller Ausgaben auftragten für die kleine Dienststelle wahr. des Landesbetriebes. Dies vorangestellt, beantworte ich die Einzelfragen Anlage 11 namens der Landesregierung wie folgt:

Antwort Zu 1 und 2: Siehe Vorbemerkung. Kleine Dienst- stellen sind nach dem Referentenentwurf Dienst- des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und stellen, die weniger als 50 Beschäftigte haben. Gesundheit auf die Frage 14 der Abg. Ursula Nach der Beschäftigtenstatistik vom 30. Juni 2002 Helmhold und Professor Dr. Hans-Albert Lennartz haben 133 Dienststellen der Landesverwaltung (GRÜNE) unter 50 Beschäftigte. Die öffentlich-rechtlichen Befreiung von der Verpflichtung zur Bestel- Körperschaften, Anstalten und Stiftungen, die un- lung einer Frauenbeauftragten für kleinere ter den Geltungsbereich des NGG fallen, haben Dienststellen alle mindestens 50 Beschäftigte. Die Kommunen In der Beantwortung der Kleinen Anfrage „Lan- sind von der Veränderung nicht berührt, da die desrechnungshof warnt vor der Personalkos- Vorschriften des NGG über die Frauenbeauftrag- tenfalle im Landeshaushalt; Finanzexperten ten für sie nicht gelten. fordern deutliche Verringerung des Umfanges der Freistellung für Tätigkeiten als Personalrat Zu 3: Wenn davon ausgegangen wird, dass die oder Frauenbeauftragte“ (Drs 15/1595) führt das Ministerium für Inneres und Sport wörtlich Frauenbeauftragten in kleinen Dienststellen mit aus: „In der Diskussion ist, kleinere Dienststel- durchschnittlich 5 % der Regelarbeitszeit für diese len von einer Verpflichtung zur Bestellung einer Tätigkeit freigestellt worden sind, beträgt nach den Frauenbeauftragten auszunehmen. Für diese Tabellen der standardisierten Personalkosten die Dienststellen würde dann die Gleichstellungs- Entlastung pro kleiner Dienststelle rund 3 500 Euro

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jährlich. Die Gesamtentlastung bei 133 Dienststel- welcher Bürokratieabbau ist in alleiniger Zu- len beträgt damit rund 475 000 Euro. Gegenzu- ständigkeit des Landes konkret geplant, und wo sind bundes- oder europarechtliche Schranken rechnen sind noch nicht absehbare Mehrbelastun- zu überwinden? gen, die eventuell daraus entstehen, dass die Gleichstellungsbeauftragte der übergeordneten 2. Welche konkreten kommunalrechtlichen Ent- Dienststelle in höherem Maße entlastet werden bürokratisierungsschritte sind für Städte, Ge- meinden, Landkreise sowie Bürgerinnen und muss. Bürger bisher unternommen worden oder ge- plant, und in welchen Fällen liegt die Begrün- Anlage 12 dung nur im tagtäglichen Verwaltungshandeln, weil bestehendes Bau-, Hygiene- oder Umwelt- Antwort recht falsch ausgelegt oder angewendet wird? des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr 3. In wie vielen konkreten baurechtlichen Ver- fahren seit 2003 mit welchem Hintergrund lie- auf die Frage 16 des Abg. Dieter Möhrmann (SPD) gen ihr Beschwerden aus dem Landkreis Sol- tau-Fallingbostel vor, und wie werden die Fra- Bürokratische Hürden im Baurecht gen des Landrates im oben geschilderten Fall beantwortet? Nach einer Meldung der Hannoverschen All- gemeinen Zeitung vom 1. September 2004 liegt für Wirtschaftsminister Walter Hirche ein Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Möhr- Haupthindernis beim Abbau bürokratischer mann beantworte ich namens der Landesregierung Hürden im Baurecht begründet, weitere Prob- wie folgt: leme lägen im Umwelt- und Hygienerecht. Bis- herige erfolgreiche Maßnahmen seien die Zu 1: Der Alltag des deutschen Mittelstandes ist Farbgestaltungsfreiheit von Taxen und die Frei- von Überregulierungen aller Art, übermäßigen heit zum Betreiben von kleinen Stehcafes ohne bürokratische Gängelung. Als Beispiel für Genehmigungserfordernissen und unnötigen Pa- Probleme im Baurecht benennt der Minister ei- ragraphen geprägt. Daher gehört der Bürokratie- ne Firma in Soltau. Dazu heißt es in dem Zei- abbau für die Landesregierung zu den zentralen tungsbericht, dass ein Gebäude abgebrannt Aufgaben. Bei den benannten Rechtsgebieten ist sei. Die Firma „sollte nun gegenüber den Be- hörden die Zulässigkeit der Genehmigung des die Zielsetzung der Landesregierung auf eine Be- alten, abgebrannten Teiles nachweisen, bevor schleunigung und Verschlankung von Genehmi- sie neu bauen konnte. Zudem hätte der Land- gungsverfahren gerichtet, um mehr Flexibilität für kreis schon jetzt eine Vorkasse verlangt für eine unternehmerisches Handeln zu erreichen. Rechts- Statikberechnung, die aber erst nach Beendi- gung der Bauarbeiten angestellt würde." Nach normen mit unnötigen bürokratischen Einschrän- Bericht der Zeitung kommentierte der Minister kungen wirtschaftlicher Betätigung sowie einseiti- wörtlich: „Mit solchen Problemen müssen sich gen Nachteilen für die Wirtschaft werden abgeän- Firmen in Deutschland herumschlagen.“ Des- dert. Davon umfasst sind auch Bestandteile der halb arbeite sein Ministerium daran, den Staat „zurückzudrehen“, eine „große, aber langwieri- Genehmigungsverfahren nach der Niedersächsi- ge Aufgabe“, deren Erfolg erst in einigen Jah- schen Bauordnung ebenso wie nach dem Nieder- ren zu sehen sein werde. sächsischen Naturschutzgesetz. Die Zielsetzung Mit Schreiben vom 7. September 2004 hat sich der Landesregierung schließt dabei nicht nur das der Landrat des Kreises Soltau-Fallingbostel, in eigener Kompetenz liegende Landesrecht, son- nachdem ich ihn wegen des Vorfalles um Auf- dern ebenfalls bundesrechtlich normierte Hemm- klärung gebeten hatte, an Minister Hirche ge- nisse mit ein. So hat Niedersachsen eine Bundes- wandt und seinerseits um Aufklärung gebeten, da ein derartiger Vorgang ihm, dem Landrat, ratsinitiative zur Vereinfachung der Umweltverträg- nicht bekannt sei. Landrat Hermann Söder bat lichkeitsprüfung für die Anlagenbetreiber einge- um kurzfristige Äußerung zu den Fragen nach bracht. Ebenso wurde auf Initiative Niedersach- dem Namen der Firma, dem Zeitpunkt des sens im Bundesrat eine Entschließung verab- Brandes und um eine Antwort, in welchen Fäl- len erst nach Beendigung von Bauarbeiten eine schiedet, die den Bund auffordert, in der bundes- Statikberechnung anzustellen sei. Nach Aus- rechtlichen Umsetzung der europarechtlichen Nor- kunft der Kreisverwaltung gibt es bis heute kei- men zur Umweltverträglichkeitsprüfung nicht über ne Antwort des Ministers. deren Vorgaben hinauszugehen. Die Entscheidung Vor diesem Hintergrund frage ich die Landes- des Bundestages steht noch aus. In Zusammenar- regierung: beit mit anderen Bundesländern wurde der Bund aufgefordert, bei der Europäischen Kommission 1. An welchen konkreten neuen Freiheiten von überbordender Bürokratie wird im Bereich des auf die Abänderung der Richtlinie zur Umweltver- Bau-, Hygiene- und Umweltrechts gearbeitet,

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träglichkeit hinzuwirken und eine Verminderung in der Endstufe um immerhin 1 560 Euro. In der der umfassten Projektarten zu erreichen. B-Besoldung differieren die Grundgehaltssätze sogar um mehr als 5 000 Euro“.

Zu 2: Im Focus des notwendigen Bürokratieabbaus Aus diesem Grund bitte ich nunmehr um exakte stehen nicht die Städte und Gemeinden, sondern Beantwortung und frage die Landesregierung: die vielfältigen bürokratischen Hemmnisse, die insbesondere die kleineren und mittleren Unter- 1. Wie alt sind die Beamtinnen und Beamten, bei denen von der Möglichkeit des § 109 NBG nehmen belasten und deren Handlungsfähigkeit Gebrauch gemacht werden soll (Stichtag und Investitionskraft nachhaltig beeinträchtigen. 31. Dezember 2004, bitte jeweils das konkrete Diese bürokratischen Hemmnisse existieren we- Alter angeben)? gen der Verrechtlichung aller Lebensbereiche un- 2. In welchen konkreten Besoldungsgruppen ter der damit verbundenen übermäßigen Rege- und Dienstaltersstufen befinden sich diese Be- lungsintensität in allen Rechtsgebieten. Mängel in amtinnen und Beamten jeweils? der Rechtsanwendung können dabei ein Hinweis 3. Welches konkrete Alter und welche Besol- auf eine zu hohe Normenkomplexität darstellen. dung haben die „etwa 100“ weiteren Interes- Eine Reduktion der Verfahrensanforderungen und senten, bei denen die Landesregierung zum der Regelungsdichte führt auch zu einer Verminde- Zeitpunkt der Beantwortung meiner ursprüngli- rung der Fehlinterpretationen von Rechtsnormen chen Anfrage noch nicht abschließend über die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand bei den ausführenden Verwaltungsbehörden. entschieden hatte, und wie viele weitere Ver- setzungen in den einstweiligen Ruhestand plant Zu 3: Die Notwendigkeit der Entbürokratisierung die Landesregierung in dieser Legislaturperio- gründet sich nicht auf die Anzahl der Beschwerden de? in einzelnen Landkreisen. Die Fragen von Herrn Bei der Gesetzesfolgenabschätzung zur Verwal- Landrat Söder in seinem Schreiben vom 7. Sep- tungsreform ist die Landesregierung von einer tember 2004 sind von mir mit Schreiben vom zurückhaltend geschätzten Zahl von 250 Fällen 8. Oktober 2004 beantwortet worden. des einstweiligen Ruhestandes nach § 109 Abs. 2 Anlage 13 NBG ausgegangen. Diese Zahl beruhte auf einer informellen Interessenabfrage, die bei den Bezirks- Antwort regierungen im April 2004 - acht Monate vor der Auflösung dieser Behörden - durchgeführt wurde. des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Insofern ist nachvollziehbar, dass die damalige Frage 18 der Abg. Sigrid Leuschner (SPD) Prognose der Gesetzesfolgenabschätzung nun Nachfragen zur Anfrage „Inflationäre Aus- voraussichtlich deutlich zum Vorteil des Landes- weitung des goldenen Handschlags?“ haushaltes übertroffen werden wird, zumal auch weitere Behörden aufgelöst wurden. In meiner Kleinen Anfrage für das Dezember- Plenum hatte ich nach Besoldungsgruppen und Die Zahlen sind jedoch immer noch vorläufig, da Alter derjenigen Beamtinnen und Beamten ge- fragt, die die Landesregierung mittels § 109 nur ein Teil der Versetzungen in den einstweiligen Abs. 2 des Niedersächsischen Beamtengeset- Ruhestand zum 1. Januar 2005 erfolgt ist. Ein zes in den einstweiligen Ruhestand versetzen weiterer Teil wird im Laufe des Jahres 2005 je will. Ausgangspunkt meiner Frage war, dass die nach Vorliegen der dienstlichen Voraussetzungen Landesregierung in ihrer Gesetzesfolgenab- schätzung zur Verwaltungsreform noch von le- von den Ressorts vollzogen. Über die von den diglich 250 Fällen des goldenen Handschlags Ministerien und der Staatskanzlei tatsächlich aus- ausgegangen war, mittlerweile jedoch von 522 gesprochenen Versetzungen kann daher vollstän- plus x solcher Fälle ausgegangen werden dig erst nach dem 31. Dezember 2005 berichtet muss, da nach Angaben der Landesregierung die Anträge von mindestens 100 weiteren Inte- werden. Die jetzigen Zahlen basieren auf den ressenten noch geprüft werden. Die Landesre- Vorlagen der Ressorts an MI und MF, deren Not- gierung hat entgegen dem Wortlaut meiner An- wendigkeit von der Landesregierung zur Durchset- frage nicht die konkreten Besoldungs-, sondern zung einer landeseinheitlichen Anwendung des lediglich die Laufbahngruppen der betroffenen Beamtinnen und Beamten benannt. Für den § 109 Abs. 2 NBG beschlossen worden ist. Steuerzahler macht es jedoch einen großen Unterschied, ob es sich etwa im höheren Dienst Die Landesregierung weist erneut darauf hin, dass um einen Beamten der Besoldungsgruppe A 13 die in den einstweiligen Ruhestand versetzten oder A 16 handelt, denn das Grundgehalt in Bediensteten gemäß § 4 Abs. 1 BBesG für drei diesen Besoldungsgruppen unterscheidet sich Monate ihre zuletzt bezogene Besoldung und da-

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nach gemäß § 14 Abs. 6 BeamtVG für bis zu drei Jahre Versorgungsbezüge aus der Endstufe ihrer letzten Besoldungsgruppe und dann entsprechend Besoldungsgruppe: Anzahl: ihrer persönlichen Dienstzeit Versorgungsbezüge A 6 einfacher Dienst 2 erhalten. Abfindungen oder sonstige Übergangs- A 8 mittlerer Dienst 6 zahlungen werden nicht gezahlt. A 9 mittlerer Dienst 46 A 9 gehobener Dienst 17 Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Nachfra- A 10 gehobener Dienst 15 gen zur Anfrage namens der Landesregierung wie A 11 gehobener Dienst 106 folgt: A 12 gehobener Dienst 119 A 13 gehobener Dienst 69 Zu 1: Nach dem Stand vom 31. Dezember 2004 A 13 höherer Dienst 35 könnten 544 Beamtinnen und Beamte gemäß A 14 höherer Dienst 29 § 109 Abs. 2 NBG bis zum 31. Dezember 2005 in A 15 höherer Dienst 62 den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Das A 16 höherer Dienst 29 Alter dieser Personen ergibt sich aus der nach- B 2 höherer Dienst 7 stehenden Tabelle. B 3 höherer Dienst 1

Da die Versetzungen in den einstweiligen Ruhe- B 4 höherer Dienst 1 stand gemäß § 109 Abs. 2 NBG bis zum 31. De- zember 2005 vollzogen werden, wurde bei der Datenerhebung dieser Zeitpunkt als Stichtag für Zu 3: Nach dem Stand vom 31. Dezember 2004 die Ermittlung des Lebensalters der betroffenen gibt es 83 weitere interessierte Personen, die ge- Beamtinnen und Beamten zugrunde gelegt. gebenenfalls nach Prüfung der Voraussetzungen durch die beteiligten Fachressorts, die Stabsstelle Alter: Anzahl: Verwaltungsmodernisierung und das Finanzminis- 64 Jahre 28 terium bis zum 31. Dezember 2005 in den einst- (bis zum Erreichen der ge- setzlichen Altersgrenze) weiligen Ruhestand versetzt werden können. Vor- 63 Jahre 27 sorglich weise ich darauf hin, dass nicht alle inte- 62 Jahre 36 ressierten Personen die Maßgaben der Landesre- 61 Jahre 53 gierung zur Versetzung in den einstweiligen Ruhe- 60 Jahre 32 stand nach § 109 Abs. 2 NBG erfüllen und daher 59 Jahre 43 - beispielsweise aufgrund des Alters - in dieser 58 Jahre 41 Zahl auch abzulehnende Fälle enthalten sind. Die 57 Jahre 51 Tabellen sind insofern nur bedingt aussagekräftig. 56 Jahre 66 55 Jahre 52 Alter: Anzahl: 54 Jahre 40 64 Jahre 4 53 Jahre 29 (bis zum Erreichen der ge- 52 Jahre 13 setzlichen Altersgrenze) 51 Jahre 19 63 Jahre 3 50 Jahre 14 62 Jahre 5 61 Jahre 8 Zu 2: Die Zuordnung zu Besoldungsgruppen ergibt 60 Jahre 6 sich aus der nachstehenden Tabelle. Die Zuord- 59 Jahre 5 nung der 544 Einzelfälle kann lediglich zu den 58 Jahre 5 Besoldungsgruppen, nicht aber zu den Dienstal- 57 Jahre 7 56 Jahre 9 tersstufen erfolgen. Die Ermittlung der Dienstal- 55 Jahre 10 tersstufen erfordert einen erheblichen Verwal- 54 Jahre 1 tungsaufwand, der in der Kürze der für die Beant- 53 Jahre 3 wortung der Frage zur Verfügung stehenden Zeit, 52 Jahre 6 nicht zu realisieren war. 51 Jahre 2 50 Jahre 2 unter 50 Jahre 7

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Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landes- regierung: Besoldungsgruppe: Anzahl: 1. Auf welche Untersuchungen gehen die An- A 7 mittlerer Dienst 2 gaben über erhöhte Dioxinwerte in Freilandei- A 8 mittlerer Dienst 9 ern zurück, und gibt es solche Untersuchungen A 9 mittlerer Dienst 14 auch für andere Lebensmittel, wenn ja, mit wel- A 9 gehobener Dienst 2 chen Ergebnissen? A 10 gehobener Dienst 2 2. Welche Zahlen liegen für Niedersachsen vor, A 11 gehobener Dienst 11 und besteht eine akute Gefahr für die Bevölke- A 12 gehobener Dienst 16 rung? A 13 gehobener Dienst 7 A 13 höherer Dienst 1 3. Welche aktuellen Kontrollen gibt es in Nie- dersachen, wie oft werden die Kontrollen A 14 höherer Dienst 1 durchgeführt, und was genau wird kontrolliert? A 15 höherer Dienst 9 A 16 höherer Dienst 9 Die SPD-Fraktion nimmt die Pressemeldungen dieser Woche zum Anlass, die Basis dieser Mel- Weitere Versetzungen in den einstweiligen Ruhe- dungen, also die zugrunde liegenden Untersu- stand sind grundsätzlich nicht geplant und können chungsergebnisse, zu hinterfragen. Hierzu will ich auch nur dann in Betracht kommen, wenn die Vor- Ihnen gerne genauere Informationen geben. aussetzungen des § 109 Abs. 2 NBG gegeben sind. Die zu den erhöhten Dioxinwerten in Freilandeiern gemachten Aussagen beziehen sich auf die Unter- Anlage 14 suchungsergebnisse von Eiern, die im Rahmen des so genannten Nationalen Rückstandskontroll- Antwort planes in Niedersachsen untersucht worden sind. des Ministeriums für den ländlichen Raum, Ernäh- Der Nationale Rückstandskontrollplan legt bun- rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf desweit für jedes Lebensmittel in Abhängigkeit des die Frage 19 der Abg. Karin Stief-Kreihe, Klaus Produktionsumfanges im jeweiligen Bundesland Fleer, Claus Johannßen, Rolf Meyer, Dieter Stein- fest, wie viele Proben zu entnehmen sind und auf ecke und Uwe Harden (SPD) welche Fragestellungen hin diese Lebensmittel untersucht werden müssen. Besteht tatsächlich eine Gefährdung der Bevölkerung durch Dioxin in Freilandeiern? Für Niedersachsen liegen für das vergangene Jahr

Die Zeitungsmeldungen Anfang der Woche wa- 68 Untersuchungsergebnisse für Eierproben vor. ren voll mit Meldungen über dioxinbelastete Ei- Sieben der untersuchten Eierproben stammen aus er aus Freilandhaltung. Hintergrund waren die Freilandhaltungen. Legt man die jedoch erst seit seit dem 1. Januar 2005 geltenden schärferen diesem Jahr geltenden Vorgabewerte der EU Grenzwerte, die durch eine EU-Verordnung eingeführt worden sind. Durch die zahlreichen zugrunde, so lag eine untersuchte Probe über dem Berichterstattungen ist der Eindruck entstan- so genannten Auslösewert. Dies ist ein Warnwert, den, dass der Verzehr von Eiern aus Freiland- der die betroffenen Betriebe und auch die Überwa- haltung zu einer höheren Aufnahme von Dioxin chungsbehörden auf ein Problem aufmerksam führe und sich damit auch das Krebsrisiko er- höhen könne. Der niedersächsische Landwirt- macht. Eine Probe lag über dem jetzt geltenden schaftminister schaltete sich ebenfalls in die Grenzwert. Von größerer Bedeutung ist aber, dass Diskussion ein und stellte fest: „Fakt ist, dass alle sieben Dioxinwerte im Mittel deutlich über Eier aus Käfigen oder anderen geschlossenen denen der Käfighaltungseiern lagen. Systemen kaum Dioxin enthalten.“ (Hannover- sche Allgemeine Zeitung 18. Januar 2005) Er Für das Jahr 2005 werden im Rahmen der Abar- soll die Verbraucherinnen und Verbraucher so- gar aufgefordert haben, besser Eier aus Käfig- beitung der Vorgaben des Nationalen Rückstands- haltung als Eier aus Freilandhaltung oder Bio- kontrollplans von insgesamt 65 Proben aus allen eier zu kaufen. Haltungssystemen anteilig 27 Proben aus Frei-

Diese Diskussion verunsichert wieder einmal landhaltungen entnommen und untersucht werden. Verbraucherinnen und Verbraucher, und es Darüber hinaus sollen, soweit die Kapazität des stellt sich eine Vielzahl von Fragen, z. B. wie Dioxinlabors im Niedersächsischen Landesamt für groß die Gefährdung durch Dioxin in den Eiern Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit tatsächlich ist und welche Maßnahmen seitens der Länder ergriffen werden, um die Lebens- (LAVES) dies zulässt, weitere Bestandsproben von mittel sicherer zu machen. Freilandeiern untersucht werden, um die nieder-

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sächsische Situation möglichst weitgehend über- Dorferneuerung fortführen blicken zu können. Ergebnisse der rechtlich vorge- Das Dorferneuerungsprogramm hat in den ver- gebenen Eigenkontrolle der Erzeugerbetriebe wer- gangenen Jahren dazu beigetragen, die Le- den die Erkenntnisse aus den amtlichen Untersu- bensqualität unserer Dörfer zu verbessern. chungen ergänzen. Zahlreiche Maßnahmen, Verbesserung der In- frastruktur, Erhaltung von Bausubstanz, Ausbau Aufgrund der aktuellen Diskussion sind in der touristischer und kultureller Angebote und die Schaffung von Arbeitsplätzen konnten durch letzten Woche die ersten zwölf Proben, bestehend das Programm gefördert werden. aus jeweils 20 Eiern, aus Freilandhaltungen ent- nommen worden. Alle Ergebnisse dieser Untersu- In der mittelfristigen Finanzplanung 2004 - 2008 chungen liegen unterhalb des Auslösewertes, im sind für den Bereich der Dorferneuerung im Gegensatz zur mittelfristigen Finanzplanung Durchschnitt aber über den bislang bekannten 2003 - 2007 keine Finanzmittel eingeplant wor- Werten bei geschlossenen Systemen. den.

Sie sollten in diesem Zusammenhang wissen, dass Durch Presseveröffentlichungen wird deutlich, dass noch viele Dörfer auf die Aufnahme in das eine Dioxinuntersuchung mit der vorgeschriebenen Programm bzw. auf entsprechende Bewilli- Doppeluntersuchung mit 1 000 bis 1 200 Euro zu gungsbescheide warten. Unsicherheiten be- Buche schlägt. Im normalen Laborbetrieb dauert stehen auch hinsichtlich der Weiterfinanzierung die Bearbeitung eingehender Proben etwa zwei von Maßnahmen für Dörfer, die bereits in das Wochen. Sie können daran erkennen, dass die Dorferneuerungsprogramm aufgenommen wur- den. Mitarbeiter des Dioxinlabors des LAVES mit Hoch- druck - auch am Wochenende - an diesen aktuel- Ich frage die Landesregierung: len Proben gearbeitet haben. 1. Welche Dörfer befinden sich gegenwärtig im Dorferneuerungsprogramm einschließlich Fi- Der Rückstandskontrollplan umfasst, wie ich ein- nanzvolumen, und in welchen zeitlichen Vorga- gangs schon erwähnt habe, alle Lebensmittel. Wir ben erfolgt die Mittelzuweisung, bzw. ist die haben also ein umfassendes Bild der Dioxinbe- Weiterfinanzierung gesichert? lastung aller in Niedersachsen produzierten Le- 2. Welche Dörfer haben die Aufnahme in das bensmittel. Grenzwertüberschreitungen sind bei Dorferneuerungsprogramm beantragt, und wer- allen diesen Untersuchungen nicht festgestellt den 2005 neue Dörfer aufgenommen? worden. 3. Gibt es Dörfer, die bereits in das Dorferneue- Lassen Sie mich abschließend ganz deutlich sa- rungsprogramm aufgenommen worden sind, a- ber 2005 keine Finanzmittel erhalten? gen: Eine akute Gesundheitsgefahr geht auch von den festgestellten erhöhten Werten nicht aus. Di- Die von der Abgeordneten Stief-Kreihe gestellte oxin ist aber ein Umweltgift, das in den Böden der Frage beantworte ich wie folgt: Industrieländer überall vorhanden ist, sich kaum abbaut und das mittel- und insbesondere langfris- Für die Landesregierung ist die Entwicklung des tig Krebs erzeugende Eigenschaften hat. Wir ha- ländlichen Raumes eine zentrale Aufgabe. Die ben also dafür zu sorgen, dass der einzelne Dorferneuerung ist dafür ein wichtiges Instrument. Mensch so wenig Dioxin wie eben möglich auf- Daher hat die Landesregierung trotz der ange- nimmt. Deshalb ist mir wichtig, dass der Verbrau- spannten Situation des Landeshaushaltes in den cher von der höheren Belastung weiß und sie in Jahren 2003 und 2004 insgesamt rund 78 Millio- seine Kaufentscheidung einfließen lassen kann. nen Euro an EU-, Gemeinschaftsaufgabe- und Das ist aktiver Verbraucherschutz, für den ich ste- Landesmitteln für die Dorferneuerung zur Verfü- he. gung gestellt.

Anlage 15 Auch in den folgenden Jahren wird die Landesre- gierung erhebliche Mittel aus der Gemeinschafts- Antwort aufgabe und aus ProLand für die Dorferneuerung bereitstellen. Die Ausweisung der Dorferneue- des Ministeriums für den ländlichen Raum, Ernäh- rungsmittel erfolgt in der mittelfristigen Finanzpla- rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf nung nur deshalb nicht mehr ausdrücklich, weil die die Frage 20 der Abg. Karin Stief-Kreihe (SPD) Dorferneuerung Bestandteil der Förderung der integrierten ländlichen Entwicklung geworden ist. Die Mittel für die integrierte ländliche Entwicklung

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sind dafür in den Jahren 2005 und 2006 auf 25 Am 11. Dezember 2004 sind aus der Südwand Millionen Euro aufgestockt worden. Damit werden des Steinbruches Steinbergen bei Rinteln ca. 400 000 m3 Felsmasse abgerutscht. In den um- die im Dorferneuerungsprogramm befindlichen liegenden Ortschaften waren ein zweimaliges Dörfer auch in den folgenden Jahren die wesentli- Donnern und Grollen zu hören. Experten bestä- chen Projekte für ihre dörfliche Entwicklung umset- tigten, dass südlich der Abbruchstelle noch zen können. weitere Felsmassen absturzgefährdet seien, auch eine Absturzgefahr im Westen des Gebir- ges könne nicht ausgeschlossen werden. Der Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Frage Tagebaubetrieb im Steinbruch wurde zunächst wie folgt: eingestellt. Es erfolgte eine weiträumige Ab- sperrung des Kammbereiches durch einen Zu 1: Es befinden zur Zeit 435 Orte im Dorferneue- Wildschutzzaun mit der Beschilderung des rungsprogramm. Bei Bedarf kann eine Liste mit Gefahrenbereichs durch „Betreten verboten“- den Namen der einzelnen Dörfer zur Verfügung Schilder. gestellt werden. Für diese Orte wurde ein finan- Im Zusammenhang mit den weiteren Siche- zieller Rahmen von 230 Millionen Euro festgesetzt, rungsmaßnahmen - insbesondere Art und von dem bereits rund 100 Millionen Euro bewilligt Kosten - und bezüglich der bestehenden Ab- baugenehmigung im Steinbruch Steinbergen worden sind. Die Landesregierung geht davon aus, stellt sich für die betroffene Bevölkerung eine dass dieses Fördervolumen in fünf bis sechs Jah- Reihe von Fragen. ren abgearbeitet sein kann. Dies ist u. a. wesent- lich davon abhängig, wie viel Mittel der EU in ei- Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landes- regierung: nem Nachfolgeprogramm ProLand zur Entwicklung des ländlichen Raumes nach Niedersachsen flie- 1. Welche Sicherungsmaßnahmen wurden er- ßen werden. griffen, um eine weitere Abrutschung des Ber- ges zu verhindern, welche Maßnahmen werden Zu 2: Insgesamt haben 569 Dörfer einen Antrag zukünftig notwendig sein, und wer trägt die Kosten für diese Maßnahmen? auf Aufnahme in das Dorferneuerungsprogramm gestellt. Die Landesregierung wird zum 1. Juli 2005 2. Wie wird angesichts der aktuellen Ereignisse eine Fortschreibung des Programms vornehmen . in den Weserbergen sichergestellt, dass ver- gleichbare Bergrutsche in den übrigen Stein- Zu 3: Die Finanzplanung für das Jahr 2005 ist bei brüchen nicht erfolgen können? den Behörden für Geodaten, Landentwicklung und 3. Werden sich die aktuellen Ereignisse im Liegenschaften (GLL) noch nicht abschließend Steinbruch Steinbergen auf die Genehmi- erfolgt. Die Landsregierung geht davon aus, dass gungspraxis der weiteren acht Vorsorgegebiete die wesentlichen für das Jahr 2005 vorgesehenen für Gesteinsabbau auswirken, und wird eine Einschränkung der bereits bestehenden Ab- Maßnahmen gefördert werden können. baugenehmigungen geprüft?

Anlage 16 In der Anfrage ist ausgeführt, dass es in der Regi- on Wesergebirge und Süntel insgesamt elf in Be- Antwort trieb befindliche Steinbrüche und acht weitere Vor- des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sorgegebiete für den Gesteinsabbau geben solle. auf die Frage 21 der Abg. Heiner Bartling und Vol- Darüber hinaus werden „immer neue Abbauvorha- ker Brockmann (SPD) ben insbesondere bei Hartgestein“ angesprochen. Diese Aussagen können von der Landesregierung Rohstoffsicherung in Niedersachsen um je- nicht nachvollzogen werden. den Preis? Im Wesergebirge und Süntel sind insgesamt fünf Rohstoffsicherung ist Teil der Daseinsvorsorge, auch in Niedersachsen. In den letzten Jahren Steinbrüche genehmigt und in Betrieb (aus Rich- ist es jedoch, angesichts immer neuer Abbau- tung der Landesgrenze nach Osten sind das fol- vorhaben insbesondere bei Hartgestein, inner- gende Steinbrüche: Messingsberg/Steinbergen, halb der Bevölkerung zu starken Protesten ge- Westendorfer Egge/Bernsen, Rohden, Riesen- kommen. Betroffene Bürgerinnen und Bürger sehen zunehmend eine einseitige Belastung berg/Segelhorst und Mattenberg/Hamelspringe). durch die Rohstoffsicherung und -gewinnung in Alle genannten Steinbrüche sind seit vielen Jahr- ihren Gebieten. Als Beispiele seien hier das zehnten in Betrieb. Erweiterungsanträge wurden Wesergebirge und der Süntel angeführt, wo es und werden nur bei Erschöpfung der genehmigten allein elf in Betrieb befindliche Steinbrüche gibt und acht weitere als Vorsorgegebiete für den Vorräte von den Unternehmen gestellt. Der Lan- Gesteinsabbau gelten. desregierung liegen keinerlei Informationen dar-

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über vor, dass „immer neue Abbauvorhaben ins- Rohstoff-Forums, das im Sommer 2004 vom Mi- besondere von Hartgestein“, die über die partielle nisterium für den ländlichen Raum, Ernährung, Erweiterung vorhandener Betriebe hinausgehen, Landwirtschaft und Verbraucherschutz eingeleitet beantragt oder geplant sind. worden ist. Am „Rohstoff-Forum“ sind die kommu- nalen Spitzenverbände, die Landtagsfraktionen, Sofern mit den „acht Vorsorgegebieten“ die in Wirtschafts- und Umweltverbände, Sachverständi- Raumordnungsplänen festgelegten „Vorsorgege- ge und die betroffenen Ressorts beteiligt. Einbe- biete für Rohstoffgewinnung“ gemeint sein sollten, zogen ist auch die „Aktionsgemeinschaft Weser- ist diese Aussage eindeutig unzutreffend. Für die bergland“, die sich bereits mit einer umfangreichen Landkreise Schaumburg und Hameln-Pyrmont Stellungnahme eingebracht hat. Ziel des Rohstoff- liegen aktuelle und gültige Regionale Raumord- Forums ist es, zu einer objektivierten Auseinander- nungsprogramme vor, in denen keine Vorsorgege- setzung im Konfliktfeld Rohstoffsicherung beizu- biete für den Gesteinsabbau im Wesergebirge und tragen. Süntel ausgewiesen sind. Darüber hinaus gibt es im gesamten dortigen Bereich der Weserberge Bei dem Unglück am Messingsberg handelt es sich keine weiteren Festlegungen für Vorsorgegebiete um einen Böschungsrutsch in einem Steinbruch für die Rohstoffgewinnung (Gesteinsabbau). von bisher ungekanntem Ausmaß. Die Ursachen werden derzeit umfassend untersucht; das Betrei- Nach Auffassung der Landesregierung führen ein berunternehmen informiert die Öffentlichkeit je- fahrlässiger Umgang mit Fakten und übertriebene weils zeitnah bei Vorliegen neuer Erkenntnisse. So und unsachliche Darstellungen letztendlich zu wurden erste Ergebnisse eines Gutachtens bereits einer Emotionalisierung, die bei der Durchsetzung am 10. und 11. Januar 2005 einer breiten Öffent- tragfähiger und akzeptierter Lösungen im Bereich lichkeit vorgestellt. der Rohstoffsicherung nicht hilfreich ist. Zur Historie: Der Steinbruch ist eine genehmi- Für die niedersächsische Rohstoffwirtschaft hat gungsbedürftige Anlage im Sinne des Bundes- das Wesergebirge - so wie auch andere Regionen Immissionsschutzgesetzes (BImSchG); die nach des Landes - eine unzweifelhaft wichtige Rolle. damaligem Recht erforderliche Bodenabbauge- Eine besondere, landesweite Bedeutung hat hier nehmigung wurde am 2. Dezember 1976 vom die Gewinnung von Naturstein. Für die Mehrzahl Landkreis erteilt. Nunmehr ist das Staatliche Ge- der dortigen Abbaubetriebe ist in wenigen Jahren werbeaufsichtsamt (GAA) Hildesheim zuständige mit einem vollständigen Abbau der genehmigten Aufsichtsbehörde nach Immissions- und Arbeits- Reserven zu rechnen; hier seien insbesondere die schutzrecht Steinbrüche Westendorfer Egge und Rohden ge- nannt, in denen nur noch ein „Restabbau“ betrie- Die Standsicherheit der Südwand des Steinbruchs ben wird. Raumordnerische Festlegungen zur wurde im Jahr 1999 in einem von dem Betrei- Rohstoffsicherung, die bislang noch nicht genutzte berunternehmen in Auftrag gegebenen Gutachten Lagerstätten für einen Abbau in Zukunft sichern eingehend untersucht. In diesem Gutachten, das würden, bestehen im Wesergebirge nicht. Von der der Landkreis Schaumburg, das Katasteramt Rin- Festlegung eines Vorranggebiets zur Rohstoffge- teln, die Fürstliche Hofkammer Bückeburg (Forst- winnung im Dachtelfeld/Süntel durch das Landes- amt), das Niedersächsische Landesamt für Bo- Raumordnungsprogramm ist im Jahr 2002 aus- denforschung und das GAA Hildesheim zur Kennt- drücklich abgesehen worden. Insofern ist bei die- nis erhielten, wurde die Abbauwand in erstens sen Voraussetzungen zukünftig mit einem deutli- akut, zweitens latent und drittens nicht rutschungs- chen Rückgang - und nicht mit einer Zunahme - gefährdete Bereiche eingestuft. Zur Sicherung des der Abbautätigkeit im Wesergebirge zu rechnen. als rutschungsgefährdet beurteilten Gebirgsbe- reichs wurde empfohlen, verschiedene Teilab- Wie auch in den Anfrage dargestellt, ist in den sprengungen durchzuführen und das Schuttmate- vergangenen Jahren im Bereich des Wesergebir- rial als Widerlager am Wandfuß zu belassen. Die- ges und des Süntel ein starker Konflikt zwischen se Maßnahme, die im fortschreitenden Abbaube- den Zielen der Rohstoffsicherung und den Interes- trieb auch erfolgen sollte, wurde in Verbindung mit sen an der Bewahrung der Natur, der Wohnum- einem spezifischen Mess- und Überwachungs- feldqualität und der Heimat deutlich geworden und system als geeignet und ausreichend angesehen, entsprechend artikuliert worden. Für die Landesre- um künftige Gesteinsabrutschungen zu verhindern. gierung war dies Anlass für die Initiierung eines

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Nach einer entsprechenden Änderung der Boden- Bereich von Spalten und durch Messpunkte ord- abbaugenehmigung durch den Landkreis Schaum- nungsgemäß umgesetzt habe. Nach den Mess- burg ordnete das GAA Hildesheim die Vorspren- ergebnissen habe man im Beobachtungsbereich gungen sowie begleitende Messungen an und ließ gegenwärtig nicht mit einer Felsrutschung rechnen diese Maßnahmen in den Jahren 2000 und 2001 müssen. von dem Betreiberunternehmen in dem als „akut rutschungsgefährdet“ eingestuften Bereich des Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen westlichen Teils der Südwand durchführen. Aus- im Namen der Landesregierung wie folgt: weislich des maßgeblichen Erläuterungsberichts Zu 1: Nach den Ergebnissen des ersten Teils des waren im Zuge des fortschreitenden Abbaus in Gutachtens von Professor Krauter gibt es nach östlicher Richtung drei weitere Vorsprengungen den bereits gerutschten Blöcken (Block 1 und 2) vorgesehen; die nächste Vorsprengung sollte im derzeit noch zwei Felsblöcke, die als akut rut- Jahr 2005 erfolgen. Als begleitende Maßnahmen schungsgefährdet, d. h. mit einer hohen Wahr- und zu Kontrollzwecken wurden regelmäßige Be- scheinlichkeit des Abrutschens in den Steinbruch, wegungsmessungen vorgeschlagen und auch einzustufen sind. Es handelt sich um einen Block durchgeführt. unmittelbar hinter den bereits gerutschten Blöcken Zur gegenwärtigen Situation: Der Bergrutsch hat (Block 3) sowie einen Block, der unmittelbar östlich sich nunmehr genau in dem Bereich ereignet, in an die gerutschten Blöcke (Block 4) anschließt. dem die Vorsprengungen in diesem Jahr erfolgen Block 3 wird durch die Geröllmassen der Blöcke 1 sollten. Bereits wenige Tage nach Schadenseintritt und 2 nach einigen Metern gebremst. Block 4 wurde der international anerkannte Experte Pro- könnte neben den bereits gerutschten Blöcken in fessor Dr. E. Krauter (geo-international, Vorsitzen- den Steinbruch rutschen. der der Forschungsstelle Rutschungen an der Um weitere Rutschungen und damit eine Gefähr- Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Sach- dung von Personen und eine weitere nachhaltige verständiger für Geotechnik des Eisenbahn- Veränderung des Landschaftsbildes zu verhindern, Bundesamtes) mit der Begutachtung beauftragt. werden folgende konkrete Sicherungsmaßnahmen Der Gutachter stellt fest, dass das Gefährdungs- erwogen: potenzial durch Felsrutschungen, Kipp- und Sturz- - Permanente Überwachung und Messung des bewegungen im Bereich der Abbausüdwand in den Bewegungen (Monitoring), vorangegangenen Gutachten unterschätzt worden sei. Die dort empfohlenen Sicherungs- und Kon- - Installation eines Frühwarnsystems und trollmaßnahmen seien nicht ausreichend gewesen. Durch die „Teilabsprengungen“ sei vielmehr die - Maßnahmen zur Abstützung des bestehenden seitliche Einspannung durch die unmittelbar an- Südhangs (insbesondere durch stabile Vor- schließenden Abbauwände reduziert worden, was schüttungen). letztlich zum weiteren Stabilitätsverlust in diesen Als Sofortmaßnahme wird derzeit vom Betrei- Felsbereichen geführt habe. berunternehmen - auf dessen Kosten - in Abspra- In diesem Zusammenhang weist Professor Krauter che mit den zuständigen Behörden ein Kontroll- ausdrücklich darauf hin, dass weder das Unter- und Frühwarnsystem für ein permanentes Monito- nehmen noch die Aufsichtsbehörden das tatsächli- ring installiert. Dieses System dient zum einen der che Gefährdungspotenzial hätten erkennen kön- Arbeitssicherheit im Steinbruchbetrieb, zum ande- nen, sodass auch keine Notwendigkeit zu beson- ren der Sicherheit der Mannschaften, die die Si- deren bzw. zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen cherungsmaßnahmen durchführen. Gleichzeitig bestanden habe. Auch für etwaige Änderungen der bietet es auch einen Schutz für Fußgänger auf Abbaumethode habe es keinen sichtbaren Anlass dem Kammweg bei unerwarteten Spaltenöffnun- gegeben. gen. Auch die Wirksamkeit der empfohlenen Ab- sprengungen und Vorschüttungen kann damit Der Gutachter führt weiter aus, dass das Unter- überprüft werden. nehmen die Empfehlungen über erforderliche Si- cherungsmaßnahmen, Absprengungen in Verbin- Anwohner sind im Gefährdungsbereich nicht an- dung mit Vorschüttungen sowie einer episodischen sässig, und für die Ortschaften im Süden des Mes- Kontrolle von Bewegungen durch Messbrücken im singsbergs bestehen aufgrund der geologischen

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Gegebenheiten keine Gefahren. Die unmittelbar liegen noch zu wenig fundierte Kenntnisse vor. nach dem Bergrutsch eingerichtete Absperrung Zum jetzigen Zeitpunkt kann daher nur ausgeführt und sonstige Absicherungen erfolgten gleichfalls werden, dass der jetzt eingeschaltete Gutachter auf Kosten des Betreiberunternehmens. Professor Krauter auch beauftragt wurde, für die genehmigten Flächen im Norden und Osten des Für die zukünftige Sicherung des Südhangs sind Steinbruchs Messingsberg eine erneute Gefähr- nach Ansicht von Professor Krauter stabile Vor- dungseinschätzung vorzunehmen und gegebe- schüttungen, die einen anderen Aufbau aufweisen nenfalls Schutzmaßnahmen vorzuschlagen. Nach als die bisherigen - wobei hier nochmals betont Vorliegen der Ergebnisse wird die zuständige Be- wird, dass der Bereich gerutscht ist, in dem die hörde über das weitere Vorgehen entscheiden. Vorschüttungen noch nicht erfolgt waren -, ausrei- chend. Ein Abtragen des Bergkamms würde 100- Anlage 17 prozentige Sicherheit bedeuten, dies wird aller- dings hier zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht er- Antwort wogen. Da das Betreiberunternehmen nach dem des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Bundes-Immissionsschutzgesetzes u. a. die Pflich- Frage 22 der Abg. Klaus-Peter Bachmann, Heiner ten hat, die Anlage so zu errichten und zu betrei- Bartling, Susanne Grote, Sigrid Leuschner, Johan- ben, dass Gefahren für die Allgemeinheit und die ne Modder, Jutta Rübke, Ingolf Viereck und Moni- Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können ka Wörmer-Zimmermann (SPD) und Vorsorge gegen solche Gefahren getroffen wird, werden die Kosten für die Vorschüttungen Unterstützt die Landesregierung die Reform - ebenso wie die Kosten der bisherigen Vorschüt- des Beamtenrechts? tungen - von dem Betreiberunternehmen getragen. Unter der Überschrift „Neue Wege im öffentli- chen Dienst“ haben der Bundesminister des In- Zu 2: Als präventive Maßnahme beabsichtigt das nern, der Bundesvorsitzende des dbb beam- Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim als zuständige tenbund und tarifunion und der Vorsitzende der Behörde, für die im Aufsichtsbezirk gelegenen in Vereinten Dienstleistungswerkschaft ver.di am Betrieb befindlichen Steinbrüche mit vergleichba- 4. September 2004 Eckpunkte für eine Reform des Beamtenrechts vorgelegt. ren geologischen Verhältnissen neue Überprüfun- gen bezüglich der Standsicherheit der Abbauwän- Um Bürgerorientierung, Qualität und Wirtschaft- de und des Gefährdungspotenzials vorzunehmen. lichkeit der öffentlichen Aufgabenerfüllung wei- ter zu verbessern, sollen Eigenverantwortung, Bei konkreten Hinweisen auf Bergbewegungen Motivation und Leistungsbereitschaft im öffent- werden geeignete Sicherungsmaßnahmen veran- lichen Dienst gestärkt werden. Darüber hinaus lasst. Bei den zu ergreifenden Maßnahmen muss erfordern nach Aussage des Eckpunktepapiers den Umständen des Einzelfalles Rechnung getra- die absehbaren Folgen der demografischen Entwicklung für den Arbeitsmarkt und die sozi- gen werden. alen Sicherungssysteme eine Neugestaltung der Beschäftigungsbedingungen des öffentli- Zu 3: Wie oben bereits näher ausgeführt, gibt es in chen Dienstes. Das Beamtenrecht sei auf diese den für dieses Gebiet geltenden Raumordnungs- Anforderungen nicht ausreichend vorbereitet. programmen keine Vorsorgegebiete für die Roh- Das Bezahlungssystem sieht häufig nur eine stoffgewinnung (Gesteinsabbau). Anträge auf Ge- unzureichende Verknüpfung des individuellen Einkommens mit der tatsächlich wahrgenom- nehmigung außerhalb der festgesetzten Vorrang- menen Funktion vor. Die Einkommensentwick- gebiete im Bereich der bereits bestehenden Stein- lung hängt mehr von Alter und Familienstand brüche liegen der Landesregierung nach derzeiti- als von der individuellen Leistung ab. Dem Per- gem Kenntnisstand nicht vor. Grundsätzlich wer- sonalaustausch zwischen öffentlicher Verwal- tung und Privatwirtschaft stehen faktisch zu ho- den Anträge nach dem geltenden, gesetzlich vor- he Hindernisse entgegen. Das Bezahlungs- gesehenen Verfahren beschieden. Das bedeutet system bietet dem Bund und den einzelnen konkret, dass eine Genehmigung nur erteilt wird, Ländern zu wenig Gestaltungsspielraum, um wenn nach ingenieurgeologisch-geotechnischen den regional unterschiedlichen wirtschaftlichen, arbeitsmarktpolitischen und finanziellen Bedin- Gutachten durch den Gesteinsabbau keine Berg- gungen Rechnung tragen zu können. Die Auto- rutschungen verursacht werden und ein gefahrlo- ren des Eckpunktepapiers kommen daher zu ser Abbaubetrieb gesichert ist. dem Schluss, dass das Beamtenrecht neue Wege gehen muss, um die Leistungs- und Hinsichtlich der Frage, ob sich Einschränkungen Kostenorientierung des öffentlichen Dienstes zu fördern und qualifizierten und engagierten Mit- der bestehenden Abbaugenehmigungen ergeben,

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arbeiterinnen und Mitarbeitern neue Perspekti- konkrete gesetzliche Umsetzung der vorgestellten ven zu eröffnen. Reformüberlegungen ankommen. Die Niedersäch- In seiner Ansprache anlässlich einer Arbeitsta- sische Landesregierung wird den angekündigten gung von dbb beamtenbund und tarifunion am Gesetzentwurf konstruktiv-kritisch begleiten. 10. Januar 2005 in Bad Kissingen hat Bundes- innenminister die zügige Umsetzung Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der des mit dem dbb und der Dienstleistungsge- Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie werkschaft ver.di vereinbarten Eckpunktepa- piers zur Modernisierung des öffentlichen folgt: Dienstrechtes gefordert. Einen besonderen Ap- pell richtete Schily dabei an die Bundesländer, Zu 1: Siehe Vorbemerkung. ihre Vorstellungen in die politische Diskussion einzubringen. Zu 2: Auch wenn sich die Landesregierung mit Blick auf die Personalhoheit über die in der nieder- Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landes- regierung: sächsischen Landesverwaltung eingesetzten Be- amtinnen und Beamten größere Gestaltungsspiel- 1. Wie bewertet sie das Eckpunktepapier „Neue räume im Zuge einer Neuordnung der Gesetzge- Wege im öffentlichen Dienst“? bungszuständigkeiten gewünscht hätte, begrüßt 2. Welche darin geäußerten Reformüberlegun- sie die im Eckpunktepapier niedergelegten Re- gen unterstützt sie, welche kann sie nicht mit- formüberlegungen, die den Ländern im Rahmen tragen, und welche darüber hinausgehenden des geltenden Verfassungsrechts durch Deregulie- bundeseinheitlichen Reformen im Bereich des rung der rahmenrechtlichen Vorgaben sowie öffentlichen Dienstes hält sie für notwendig? Schaffung von Öffnungsklauseln größere Spiel- 3. Welchen Beitrag beabsichtigt sie - insbeson- räume und damit mehr Eigenständigkeit einräu- dere vor dem Hintergrund der von ihr zu ver- men. Die Landesregierung wird den von Bundes- antwortenden weitestgehenden Streichung von Weihnachts- und Urlaubsgeld - dafür zu leisten, innenminister Schily für März 2005 angekündigten dass der öffentliche Dienst im gesamten Bun- Gesetzentwurf zur Dienstrechtsreform daraufhin desgebiet gleichermaßen leistungs- und wett- prüfen, inwieweit er mit ihren Vorstellungen verein- bewerbsfähig bleibt und ein flexibles und leis- bar ist. tungsgemäßes Beamten- und Besoldungsrecht mit bundeseinheitlichen Grundstrukturen ge- Zu 3: Die Landesregierung teilt die Einschätzung, schaffen wird? dass das geltende Besoldungssystem auch mit Der öffentliche Dienst steht vor weit reichenden den in letzter Zeit geschaffenen Öffnungsklauseln Veränderungen. Vorrangiges Ziel muss es dabei Bund und Ländern noch zu wenig Gestaltungs- sein, zu einer größeren Flexibilität bei Personalein- spielraum bietet. Das Eckpunktepapier enthält satz und Aufgabenerfüllung zu gelangen. Vor die- insofern interessante Ansätze, weitere Schritte auf sem Hintergrund ist das Eckpunktepapier „Neue diesem Weg zu gehen. Für mehr Flexibilität, ein- Wege im öffentlichen Dienst“ ein wichtiger Schritt hergehend mit einer stärkeren Orientierung der in Richtung einer grundlegenden Reform des Be- Besoldung an der individuellen Leistung, tritt auch amtenrechts. die Landesregierung ein. Ein Mindestmaß an bun- deseinheitlichen Grundstrukturen vor allem im Im Mittelpunkt stehen die Einführung eines stärker Statusrecht, aber auch im Besoldungs- und Ver- leistungsbezogenen Bezahlungssystems sowie sorgungsrecht muss dabei aber schon deshalb eine Öffnung des Laufbahnrechts. Die vorgesehe- gewahrt bleiben, um den Wechsel der Beamtinnen ne Reform des bestehenden Laufbahnsystems und Beamten zwischen den Dienstherren nicht zu erhöht die Flexibilität und Durchlässigkeit der bis- behindern. herigen starren Laufbahnschranken und eröffnet damit auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Anlage 18 ein größeres Spektrum an beruflichen Entwick- lungsmöglichkeiten. Antwort

Insgesamt geht es um den richtigen Weg zu einer des Umweltministeriums auf die Frage 23 des Abg. weitgehenden Flexibilisierung innerhalb des öffent- Hans-Jürgen Klein (GRÜNE) lichen Dienstes, der dazu beitragen kann, die Moti- Freisetzungen gentechnisch veränderter Or- vation, Leistungsbereitschaft und damit Effizienz in ganismen (GVO) in Niedersachsen der öffentlichen Verwaltung weiter zu erhöhen und zu fördern. Es wird deshalb wesentlich auf die

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Mit der Diskussion und der Verabschiedung des Solavista GmbH und Co KG an den Standorten neuen Gentechnikgesetzes in Deutschland hat Teschendorf und Plastau (Gemeinde Wittingen, sich die Debatte um die Nutzung der Agro- Gentechnik auf den Bereich des zu erwarten- LK Gifhorn) sowie in Funnix (LK Wittmund) und den kommerziellen Anbaus und den durchge- Rastede-Lehmden (LK Ammerland), führten Erprobungsanbau konzentriert. Darüber sind die Genehmigung und Durchführung von b) gentechnisch veränderter Mais der Fa. Mon- Freilandversuchen mit GVO weitgehend aus santo am Standort Wedemark/Vesbeck (RKI- dem öffentlichen Blickfeld gerückt. Zuständig dafür ist das Robert Koch-Institut (RKI). Für die Az. 6786-01-0115) Überwachung der Versuche sind die Behörden der Bundesländer zuständig, die auch zu den Zu 2: Für die Überwachung von Freisetzungen in Genehmigungsanträgen mit Standorten in ih- Niedersachsen sind die Staatlichen Gewerbeauf- rem Bundesland Stellung nehmen. sichtsämter vor Ort zuständig. Nach interner Re-

Mit Stand 22. Dezember 2004 weist die Frei- gelung erfolgte in 2004 die Überwachung der Frei- setzungsdatenbank des RKI 141 Freisetzungs- setzungen in Funnix und Rastede-Lehmen durch vorhaben mit Standorten in Niedersachsen aus. das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Osnabrück. Bei 56 dieser Vorhaben besteht eine Freiset- Inhalt und Umfang der Überwachungsmaßnahmen zungsgenehmigung für das Jahr 2004. sind es, die Einhaltung des Genehmigungsbe- Die Anzahl der neuen Genehmigungen betrug scheides und insbesondere der darin enthaltenen im Jahr 2004 = 6, 2003 = 4, 2002 = 9, 2001 = 4 Nebenbestimmungen zu überprüfen. und 2000 = 21. Das GAA Braunschweig hat die Freisetzungen in Ich frage die Landesregierung: Teschendorf und Plastau zur Aussaat, zur Ernte 1. Welche dieser genehmigten Freisetzungs- und während der Vegetationsperiode überwacht. vorhaben wurden tatsächlich 2004 durchge- Da die Mitteilung über eine Teilzerstörung des führt? Versuchsfeldes einging, wurden ein zusätzlicher 2. In welcher Form, in welchem Umfang und mit Aufsichtsbesuch zur Besichtigung des Umfanges welchem Ergebnis erfolgte die Überwachung der Zerstörung und nachgehend eine erneute Ve- dieser Freisetzungen? getationskontrolle durchgeführt. Das Lager für die 3. Welche und wie viele neue Genehmigungs- geernteten Kartoffeln wurde ebenfalls überwacht. anträge für 2005 ff. liegen bzw. lagen für Nie- Die Maßnahmen ergaben keine Beanstandung. dersachsen zur Stellungnahme vor (Standort, Freisetzungszeitraum, Organismus, gentechni- Die experimentelle Überprüfung der erneut zur sche Veränderung, Antragsteller)? Aussaat gebrachten Kartoffelkonstrukte wurde im Die Kleine Anfrage beantworte ich namens der Jahr 2003 durchgeführt und ergab keine Abwei- Landesregierung wie folgt: chungen zum Genehmigungsbescheid.

Die Novelle des Gentechnikgesetzes wurde im In Funnix und Lehmden wurden Auspflanzung und November 2004 verabschiedet, aber bisher noch Ernte überwacht und vor Ort protokolliert. Beson- nicht veröffentlicht. Mit der Novelle wird nur ein Teil dere Vorkommnisse oder Beanstandungen waren der EU-Richtlinie 2001/18/EG in nationales Recht nicht zu verzeichnen. umgesetzt. Die Regelungen, die die Zustimmung Die Freisetzung in Vesbeck wurde zur Aussaat und der Länder erfordern, wurden aus dem Gesetz her- zur Probennahme vom GAA Hannover überwacht. ausgenommen und werden voraussichtlich durch In einem Revisionsschreiben wurden zu geringe Verordnungen umgesetzt. Isolationsabstände bemängelt; der Mangel wurde Da die Zuständigkeiten im Bereich Gentechnik behoben. Fragen zur Entsorgung des Erntegutes vom BMG auf das BMVEL übergegangen sind, wurden über das GAA mit RKI, Bezirksregierung wurde das Zentrum Gentechnologie im RKI im und Betreiber abgestimmt. Die Proben des Mais- Jahr 2004 dem Bundesamt für Verbraucherschutz saatgutes wurden im Gentechnik-Überwachungs- und Lebensmittelsicherheit (BVL) zugeordnet. labor im NLÖ Hildesheim untersucht und ergaben keine Abweichung. Zu 1: Im Jahr 2004 wurden folgende, vom RKI genehmigte Freisetzungsvorhaben durchgeführt: Im Aufsichtsbezirk des GAA Göttingen wurden 2004 keine neuen Freisetzungen durchgeführt. Es a) gentechnisch veränderte Kartoffeln (RKI- wurden zum Abschluss der Nachkontrollpflicht des Aktenzeichen 6786-01-0142 und -149) der Fa. Betreibers die Standorte Gladebeck und Siebolds-

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hausen (Freilandversuch mit GVO-Zuckerrüben Aus Niedersachsen ist lediglich bekannt, dass sich aus 2002) aufgesucht. die psychiatrische Klinik der Medizinischen Hoch- schule Hannover seit längerem damit befasst, ein Zu 3: Für 2005 sind Freisetzungen mit drei ver- entsprechendes Konzept umzusetzen. Auf einer schiedenen Kartoffelkonstrukten beantragt. allgemein-psychiatrischen Modellstation in der sek- torisierten gemeindepsychiatrischen Versorgung Am Standort Funnix sollen erneut die Kartoffeln der MHH wurden deshalb Soteria-Elemente im aus RKI-Az 6786-01-142 und -149 ausgebracht Rahmen der Behandlung integriert. Hierzu zählen werden. insbesondere ein weiches Zimmer zur Einzelbe- Neu beantragt in Niedersachsen wurde der Stand- gleitung und als Rückzugsraum, konsequente Um- ort Werpeloh (Emsland), an dem von der Fa. BASF setzung eines Bezugstherapeutensystems, eine Plant Science GmbH stärkemodifizierte Kartoffeln Niedrigmedikation oder auf Wunsch keine Medika- ausgesät werden sollen. Beantragt ist der Zeitraum tion, die Einbeziehung von Angehörigen, eine von 2005 bis 2009. Wohnküche als zentraler Begegnungs- und Kom- munikationsraum sowie ein Empfangstresen zur Anlage 19 Gewährleistung offener Stationstüren.

Antwort Dies vorausgeschickt, beantworte ich die einzelnen Fragen namens der Landesregierung wie folgt: des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit auf die Frage 24 der Abg. Ursula Zu 1: Die o. a. Komponenten einer praktischen Helmhold (GRÜNE) Umsetzung der Soteria-Idee auf Modellstationen, wie zurzeit in der MHH modellhaft praktiziert, wer- Soterien in psychiatrischen Einrichtungen Niedersachsens den fachlicherseits grundsätzlich im Sinne eines sozialpsychiatrischen Behandlungsansatzes be- In der (sozial-)psychiatrischen Versorgung fin- grüßt. det das Konzept der Soteria immer mehr Ver- breitung. Das Konzept der Soteriaarbeit verfolgt Zu 2: Nach hiesiger Kenntnis wird zurzeit in Nie- das Ziel, die Patientinnen und Patienten vorr- angig mit Beziehungsarbeit - bei Minderung dersachsen lediglich in der MHH die Umsetzung oder Weglassung der Medikamententherapie - der Soteria-Idee modellhaft auf einer allgemein- zu einem eigenen, möglichst selbstbestimmten psychiatrischen Station praktisch erprobt. Umgang mit ihrer Erkrankung zu bewegen und die Entwicklung zu einer selbständigen Le- Zu 3: Ein fundierter Erfahrungsbericht liegt dem bensführung zu befördern. Die Medizinische Hochschule Hannover hat bereits zu diesem Sozialministerium zurzeit noch nicht vor. Ansatz ein Forschungsvorhaben gestartet. Anlage 20 Ich frage die Landesregierung: Antwort 1. Wie bewertet sie das Konzept der Soteria? des Umweltministeriums auf die Frage 25 der Abg. 2. An welchen psychiatrischen Einrichtungen wird das Konzept der Soteria modellhaft oder Filiz Polat (GRÜNE) regelhaft in Niedersachsen derzeit praktiziert? Erfolgreiche energetische Gebäudemoder- 3. Welche Erfahrungen wurden bislang damit nisierung im Rahmen der „Landesinitiative gemacht? Energieeinsparung“ beendet

Nach hiesiger Kenntnis ist unter Soteria eine ei- Der erste und einzige Baustein der „Landesini- tiative Energieeinsparung“ wurde der energeti- genständige therapeutische Wohngemeinschaft für schen Gebäudesanierung gewidmet. Die Nie- sechs bis acht Patienten mit der Erstmanifestation dersächsische Landestreuhandstelle (LTS) einer schizophrenen Psychose außerhalb psychia- hatte im Auftrag des Niedersächsischen Minis- trischer Kliniken zu verstehen. Ziel einer Soteria ist teriums für Soziales, Frauen, Familie und Ge- sundheit seit Februar 2004 die bauliche und es, durch ein elementar beruhigendes und Sicher- energetische Modernisierung von Wohnungen heit gebendes Milieu in der akuten Psychose die mit einer Landesbürgschaft von zunächst Heilung zu fördern sowie Reifungsprozesse und 18 Millionen Euro unterstützt.

Lernerfahrungen anzustoßen. Wegen der großen Nachfrage ist die zur Verfü- gung gestellte Landesbürgschaft auf 31,3 Milli- onen Euro aufgestockt worden.

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Der Erfolg besteht darin, dass die LTS die KfW- Modernisierung von Wohnungen bereitgestellt, Programme zu besonders günstigen Konditio- darunter nen anbieten konnte und gleichzeitig im Rah- men der Landesinitiative die Funktion der Hausbanken übernommen hat. Denn diese - das „CO2-Minderungsprogramm“, halten sich mit der Empfehlung der KfW-Pro- gramme aufgrund des Haftungsrisikos und der - das „CO2-Gebäude-Sanierungsprogramm“ und geringen Verdienstspanne eher bedeckt. - das „Wohnraum-Modernisierungsprogramm Förderziele und -verfahren wurden mittels der 2003“. Landesinitiative optimal kombiniert und genutzt. Da die KfW im Bundesgebiet nicht in der Fläche Das Thema Energieeinsparung hat im Bereich der Gebäudeplanung, aber vor allem im Be- vertreten ist, wurden die angebotenen Darlehen reich der Sanierung von Wohnungen und Ge- über Banken und Sparkassen vertrieben, die die bäuden im Altbaubestand eine herausragende Antragsbearbeitung übernommen, die Darlehen Bedeutung. Maßnahmen zur Stärkung der jedoch lediglich durchgereicht haben. Energieeffizienz im Gebäudebereich tragen zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen in der mittelständischen Bauwirtschaft und im Niedersachsen hat dabei das Ziel verfolgt, diese Handwerk bei und reduzieren gleichzeitig den Programme über die Niedersächsische Lan- Ausstoß von klimaschädlichen Gasen. Auch destreuhandstelle für das Wohnungswesen (LTS) Ministerpräsident Wulff forderte in seiner Regie- zu vertreiben, die als organisatorisch selbständi- rungserklärung am 4. März 2003‚ den Klima- schutz mittels der „Landesinitiative Energieein- ger, rechtlich jedoch unselbständiger Teil der sparung“ für die energetische Optimierung von NORD/LB treuhänderisch bereits die soziale Gebäuden, Anlagen und Geräten sowie von Wohnraumförderung des Landes durchführt. Verkehrssystemen nachhaltig voranzubringen. Voraussetzung für die Anerkennung der LTS als Ich frage die Landesregierung: Hausbank durch die KfW war jedoch die Absiche- 1. Aus welchen Gründen werden - trotz der ho- rung des Ausfallrisikos durch haftendes Eigenka- hen Nachfrage nach den zinsgünstigen Kredi- pital oder eine Bürgschaft in Kreditrahmenhöhe. ten zur energetischen Gebäudesanierung - der Da die LTS selbst nicht über Eigenkapital verfügt LTS keine weiteren Landesbürgschaften ge- währt, um die Landesinitiative fortzuführen? und eine alternativ zu stellende Bankbürgschaft, - beispielsweise der NORD/LB - die Zinsmarge der 2. In welcher Form beabsichtigt die Landesre- LTS nahezu vollständig aufgezehrt sowie damit die gierung, die „Landesinitiative Energieeinspa- rung“ weiterzuführen? beabsichtigte weitere Zinsverbilligung für die End- kreditnehmer vereitelt hätte, wurden die betreffen- 3. Welche weiteren Maßnahmen plant die Lan- den KfW-Mittel landesverbürgt. In die Bürgschafts- desregierung, um die energetische Gebäude- übernahme in Höhe von zunächst 18,0 Millionen modernisierung z. B. auch bei den landeseige- nen Liegenschaften zu unterstützen und zu för- Euro haben die Landesregierung in ihrer Sitzung dern? am 23. September 2003 und der Ausschuss für Haushalt und Finanzen des Niedersächsischen Die Landesregierung hat im Rahmen ihrer Lan- Landtages (AfHuF) in seiner Sitzung am 5. No- desinitiative Energieeinsparung verschiedene vember 2003 eingewilligt. Maßnahmen zur Energieeinsparung an Gebäuden, Anlagen und im Straßenverkehr initiiert; ein Teil Im Anschluss daran konnte die Landesinitiative dieser Maßnahmen ist die energetische Sanierung Energieeinsparung erfolgreich gestartet werden. von Wohngebäuden. Ziel der Landesinitiative für Die LTS förderte dabei die Akzeptanz der KfW- diesen Programmsektor war es u. a., durch die Programme zusätzlich durch den Verzicht auf ei- Inanspruchnahme von Programmmitteln anderer nen Teil der ihr für den Verwaltungsaufwand zu- Träger eine möglichst hohe Allokation von Förder- stehenden Bankenmarge, sodass die Darlehen mitteln in Niedersachsen zu erreichen. noch einmal mit einem günstigeren Zinssatz an die Endkreditnehmer ausgereicht werden konnten. Anbieter solcher Fördermittel ist die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), eine öffentlich-rechtliche Die Landesinitiative hat sich von Anfang an noch Förderbank des Bundes (80 %) und der Länder besser entwickelt, als zunächst erwartet worden (20 %). Die KfW hat bis Ende 2004 verschiedene war. So war der zunächst festgelegte Bürgschafts- niedrigverzinsliche Darlehensprogramme für die rahmen nur wenige Wochen nach dem Programm- start fast vollständig belegt und zum überwiegen-

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den Teil auch bewilligt. Aufgrund des großen Erfol- Anlage 21 ges der Landesinitiative ist daraufhin der Bürg- schaftsrahmen mit Kabinettsentscheidung vom Antwort 15. Juni 2004 und Beschluss des AfHuF vom des Kultusministeriums auf die Frage 26 der Abg. 28. Juni 2004 auf 31,3 Millionen. Euro aufgestockt Ina Korter (GRÜNE) worden. Wie wird die Möglichkeit des Übergangs von Dies vorausgeschickt, werden die Fragen wie folgt der Förderschule zur Hauptschule gewähr- beantwortet: leistet?

Zu 1 und 2: Die Förderung soll im Rahmen der Gemäß Runderlass des Kultusministeriums „Die Arbeit in der Schule für Lernbehinderte“ ist Landesinitiative Energieeinsparung fortgesetzt es Aufgabe der Schule für Lernbehinderte, Fä- werden. Das Niedersächsische Ministerium für higkeiten zu vermitteln, die eine Rücküberwei- Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit (MS) sung der Schülerinnen und Schüler in die prüft derzeit eine Fortführung auf der Basis eines Hauptschule offen halten. mit KfW-Mitteln refinanzierten und mit eigenen Während das Fach Englisch an Förderschulen Mitteln aus Rückflüssen der Wohnraumförde- mit Schwerpunkt Lernen als Arbeitsgemein- rungsprogramme ergänzten reinen Lan- schaft angeboten wird, ist die Teilnahme am desprogrammes. Unabhängig hiervon wird Lan- Englischunterricht in den Jahrgängen 5 bis 9 gemäß Runderlass des Kultusministeriums vom desinitiative Energieeinsparung durch ein weiteres 3. Februar 2004 Voraussetzung für das Erlan- Projekt ergänzt. Das Niedersächsische Umweltmi- gen des Hauptschulabschlusses an einer nisterium unterstützt die Energieberatung und be- Hauptschule. absichtigt, ein Projekt „Energiemobil Niedersach- Damit ist der Übergang von der Förder- in die sen“ zu fördern. Schwerpunkt sind dabei die Infor- Hauptschule nicht bzw. theoretisch nur in Klas- mation und Beratung zur energieeffizienten Ge- se 5 möglich, sofern die betreffende Schüle- bäudesanierung und Nutzung von Energiesparpo- rin/der betreffende Schüler nicht am freiwilligen Englischunterricht der Förderschule teilgenom- tenzialen im Haus. In einer Informationskampagne men hat. sollen durch Verbände, regionale Handwerkerin- nungen, Architekten und/oder Energieberater der Ich frage die Landesregierung:

Verbraucherberatung die Verbraucher zum The- 1. Wie soll in Zukunft die Durchlässigkeit für menkreis Energieeinsparung neutral, sach- und Schülerinnen und Schüler, die von der Förder- zielorientiert beraten werden. schule auf die Hauptschule wechseln wollen, gewährleistet werden? Zu 3: Zur energetischen Gebäudemodernisierung 2. Sind Ausnahmeregelungen bzw. Übergangs- werden bei Liegenschaften und Gebäuden des regelungen für das Fach Englisch geplant, die Landes im Zuge der kontinuierlichen Bauunterhal- den Schülerinnen und Schülern den Übergang tungsaufwendungen und im Rahmen kleiner und von der Förder- in die Hauptschule ermögli- großer Baumaßnahmen laufend auch Sanierungen chen? und Instandsetzungen betriebstechnischer Anla- 3. Wie viele Schülerinnen und Schüler sind in gen (Wärme, Kälte, Wasser, Strom) durchgeführt den vergangenen beiden Schuljahren in Nie- und damit die Energie- und Medienverbräuche dersachsen von der Förder- in die Hauptschule gesenkt. Des Weiteren werden im Altbaubestand gewechselt? wärmeschutztechnische Maßnahmen zeitgleich mit Schülerinnen und Schüler mit einem sonderpäda- anderen notwendigen Arbeiten an der Gebäude- gogischen Förderbedarf können den Hauptschul- hülle wie z. B. bei Abgängigkeit von Dächern, abschluss in allen Förderschulen mit Ausnahme Fenstern, Fassaden etc. oder bei Umnutzun- der Förderschule mit dem Schwerpunkt Geistige gen/Umbauten vorgenommen. Entwicklung erwerben. Neben dem Erwerb des Hauptschulabschlusses an Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen ist auch die Möglichkeit der Rückschulung in die Hauptschule gegeben.

Der Erlass „Die Arbeit in der Schule für Lernbehin- derte“ von 1980 wird demnächst durch den Erlass „Sonderpädagogische Förderung“ abgelöst. Dieser

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wird am 1. Februar 2005 veröffentlicht und tritt zum Zu 1: Um die Durchlässigkeit zu gewährleisten, ist 1. August 2005 in Kraft. an den Förderschulen mit dem Schwerpunkt Ler- nen Englischunterricht für die Schülerinnen und Der neue Erlass, der auf alle Förderschwerpunkte Schüler einzurichten, für die eine Rückschulung bezogen ist, führt die Möglichkeit der Rückschu- voraussichtlich möglich ist. lung von der Förderschule in die Hauptschule - neben dem Hauptschulabschluss in der Förder- Zu 2: Die Arbeit in der Förderschule mit dem schule - konsequent weiter. Dies wird sowohl im Schwerpunkt Lernen ist auf Durchlässigkeit und allgemeinen als auch im besonderen Teil des Er- Rückführung auszurichten, Ausnahme- und Über- lasses mehrfach deutlich zum Ausdruck gebracht. gangsregelungen sind nicht notwendig.

Im Erlass heißt es im allgemeinen Teil unter Ziffer Zu 3: Im Schuljahr 2002 wurden landesweit 164 I.5.6.3: Schülerinnen und Schüler der Förderschulen mit den Schwerpunkten Lernen und Emotionale und „Die für eine Rückschulung oder die Erlangung Soziale Entwicklung in Hauptschulen bzw. Haupt- des Hauptschulabschlusses nach dem schulzweige rückgeschult, im Schuljahr 2003 wa- 10. Schuljahr notwendigen Differenzierungs- ren es 185 Schülerinnen und Schüler. 2004 waren maßnahmen und Lernangebote wie Englisch- es ca. 280 Schülerinnen und Schüler; hier liegen unterricht sind in enger Zusammenarbeit mit gesicherte Zahlen aber noch nicht vor. Differen- der Grund- und Hauptschule durchzuführen und ziertere Zahlen gebe ich zu Protokoll. aufzunehmen.“ Schul- Anzahl Schulgliede- Im Erlass heißt es weiter unter Ziffer 5.6.6 im be- jahr Bezirk Schüler rung sonderen Teil, zum Förderschwerpunkt Lernen: 2002 Braunschweig 36 Hauptschule 2002 Hannover 44 Hauptschule „Zusammenarbeit mit anderen Schulen, unter- 2002 Lüneburg 27 Hauptschule stützenden und weiterführenden Einrichtungen 2002 Weser-Ems 49 Hauptschule KGS-Haupt- Die Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen 2002 Hannover 1 schulzweig arbeitet mit der Grund- und der Hauptschule 2002 Hannover 2 IGS zusammen, um die pädagogischen und fachli- KGS-Haupt- chen Voraussetzungen für eine kontinuierliche 2002 Weser-Ems 5 schulzweig Fortsetzung der Lernentwicklung und Rück- Gesamt schulung der Schülerinnen und Schüler zu 2002 164 schaffen. Inhaltliche und strukturelle Vernet- zungen sollen zu höherer Transparenz und 2003 Braunschweig 25 Hauptschule Durchlässigkeit zwischen den Schulen führen.“ 2003 Hannover 52 Hauptschule 2003 Lüneburg 27 Hauptschule In Bezug auf die Stundentafel wird unter Ziffer 2003 Weser-Ems 75 Hauptschule I.5.6.4 ausgeführt: 2003 Braunschweig 2 IGS KGS-Haupt- „Die Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen 2003 Hannover 2 schulzweig orientiert sich an den Stundentafeln der Grund- 2003 Weser-Ems 2 IGS und der Hauptschule.“ Gesamt 2003 185 Eine verbindliche Einführung von Englischunter- richt für die Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen ist weiterhin nicht erforderlich. Die Förder- Die nachfolgenden Daten aus 2004 entstammen schulen sind verpflichtet, den Schülerinnen und der Erhebung zur Unterrichtsversorgung am Schülern Englischunterricht zu ermöglichen, sofern 2. September 2004 und sind noch nicht durch das sie aufgrund ihrer Voraussetzungen für eine Rück- Niedersächsische Landesamt für Statistik plausibi- schulung in Frage kommen können. lisiert und aufbereitet.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

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als Anstalt öffentlichen Rechts geführte Musik- schule überprüft und deutlich zurückgeführt Schul- Anzahl Schul- werden müssen. Die Konstruktion und Finan- jahr Bezirk Schüler gliederung zierung waren zuvor durch die Kommunalauf- sicht des Landes genehmigt worden. 2004 Braunschweig 63 Hauptschule 2004 Hannover 72 Hauptschule Ich frage die Landesregierung:

2004 Lüneburg 49 Hauptschule 1. Wie hoch fallen 2005 die Kürzungen der Re- 2004 Weser-Ems 90 Hauptschule gierung, bezogen auf die Kreismusikschule Lü- 2004 Weser-Ems 1 IGS chow-Dannenberg, aus? KGS-Haupt- 2. Wird der Ministerpräsident die Anordnungen 2004 Weser-Ems 2 schulzweig und Weisungen des Innenministeriums in Be- KGS-Haupt- zug auf die Kreismusikschule Lüchow-Dannen- 2004 Braunschweig 3 schulzweig berg zurücknehmen und so die mittelfristige Si- 2004 Hannover 1 IGS cherung des Betriebes gewährleisten? KGS-Haupt- Musikschulen als Einrichtungen der musikalischen 2004 Hannover 6 schulzweig Gesamt Bildung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene 2004 287 erfüllen einen wichtigen Teil des öffentlichen Bil- dungsauftrages. Eine Bildung, die Kenntnisse und Fertigkeiten nur auf die rationalen und kognitiven Diese Zahlen zu den Rückschulungen sind - bei Aspekte reduziert, wäre keine ganzheitliche Bil- aller gebotenen Vorsicht bei der Interpretation - als dung, wie sie für die junge Generation erforderlich sehr erfreulich zu bewerten: Obgleich wir von 2002 ist. Gleichwohl war es angesichts der dramati- nach 2003 eine fast gleich bleibende, im Folgejahr schen Haushaltslage nicht zu vermeiden, auch in sogar eine um 1 260 zurückgehende Zahl der För- diesem Bereich maßvolle Kürzungen zu beschlie- derschüler hatten, stieg doch in beiden Fällen die ßen. Dies war im Bereich der Musikschulen insbe- Zahl der Rückschüler. Dies macht deutlich, wie sondere deshalb vertretbar, da der Landesanteil sowohl die intensivierten Bemühungen der Lehr- von ca. 2 %, gemessen an den Gesamtbudgets kräfte generell als auch die verbesserte sonderpä- der Musikschulen, nur eine nachgeordnete Rolle dagogische Grundversorgung der Grundschulen spielt und die Musikschulen in erster Linie von den Wirkung zeigen. Nutzern und in zweiter Linie von den Kommunen finanziert werden. Anlage 22 Dies vorausgeschickt, beantworte ich Ihre Anfrage Antwort namens der Landesregierung wie folgt: des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur auf Zu 1: Die Kürzung der Landesförderung (Finanz- die Frage 27 des Abg. Klaus-Peter Dehde (SPD) hilfe gemäß § 7 Abs. NLottG) für die Kreismusik- Anders handeln als sprechen - Zerschlägt schule Lüchow-Dannenberg beträgt für das Jahr die Landesregierung die Kreismusikschule 2005 25 vom Hundert. Sie reduziert sich damit Lüchow-Dannenberg? von derzeit 9 924,20 Euro um voraussichtlich Am 4. Dezember 2004 feierte die Elbe-Jeetzel- 2 481,05 Euro auf 7 443,15 Euro. Zeitung in Lüchow ihr 150-jähriges Firmenjubi- läum im Rahmen einer Festveranstaltung. Mu- Zu 2: Das Ministerium für Inneres und Sport hat sikalisch umrahmt wurde die Feier durch ein dem Landkreis Lüchow-Dannenberg eine Bedarfs- Orchester der Kreismusikschule Lüchow-Dan- zuweisung in Höhe von 3 Millionen Euro in Aus- nenberg. In seinem anschließenden ausführli- sicht gestellt. Voraussetzung ist der Abschluss chen Festvortrag ging Ministerpräsident Wulff auf die seines Erachtens hervorragende musi- einer Zielvereinbarung, in der sich der Landkreis kalische Qualität des Orchesters ein. Er lobte verpflichtet, durch bestimmte Maßnahmen eine die Einrichtung und betonte die überragende dauerhafte Entlastung seines Haushaltes zu errei- Bedeutung eines musikalischen Angebotes der chen. Früherziehung etc. Darüber hinaus sei eine derartige Einrichtung für das kulturelle Angebot im ländlichen Raum unverzichtbar. In einem Abstimmungsgespräch am 26. November 2004 mit Vertretern des Kreistages und der Kreis- Nahezu zeitgleich ordnet die Niedersächsische verwaltung erklärten die Vertreter des Innenminis- Landesregierung an, dass die Zuwendungen teriums, dass die Zielvereinbarung eine dauerhafte des Landkreises Lüchow-Dannenberg an die

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strukturelle Entlastung des Verwaltungshaushaltes Das Voranmeldungs- und Anmeldungsverfahren um 3 Millionen Euro/Jahr ab 2005 vorsehen müs- - kurz: Steueranmeldungsverfahren - ist ein Mas- se. Es ist gegenwärtig Aufgabe des Landkreises senverfahren. Es misst Schnelligkeit und geringem Lüchow-Dannenberg, dem Ministerium darzulegen, bürokratischen Aufwand im Interesse der Steuer- mit welchen konkreten Maßnahmen er diese For- pflichtigen ein großes Gewicht bei. Bisher sind derungen erfüllen will. Von einer Anordnung bzw. kaum Manipulationen vorgekommen, insbesondere Weisung kann daher keine Rede sein. keine nennenswerten kriminellen Manipulations- versuche. Anlage 23 Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen Antwort namens der Landesregierung wie folgt: des Finanzministeriums auf die Frage 28 des Abg. Zu 1: Ab 1. Januar 2006 wird eine elektronische Enno Hagenah (GRÜNE) Übermittlung von Steuererklärungsdaten nur noch Liquiditätsrisiken durch elektronische Steu- möglich sein, wenn dem Datenlieferer nach vorhe- ermeldung? riger Registrierung eine Zugangsberechtigung erteilt wurde. Seit Jahresbeginn müssen Unternehmen ihre Umsatz- und Lohnsteuervoranmeldung auf Zu 2: Sollten Unternehmer bzw. Arbeitgeber auf elektronischem Weg an die Finanzämter mel- den. Die Handwerkskammer Lüneburg-Stade die bisherige Teilnahme an dem Einzugsermächti- weist nun ihre Mitgliedsbetriebe darauf hin, gungsverfahren verzichten wollen, so sind sie dass IT-Experten vor Sicherheitslücken gewarnt selbst für den rechtzeitigen Zahlungseingang ver- haben, die mit der von der Finanzverwaltung antwortlich. Es kann daher in ihrem Unternehmen eingesetzten Software „Elster“ verbunden sei- en. Da kein geschützter Kennwortzugang erfor- bzw. ihrem Betrieb Mehraufwand durch Überwa- derlich ist, könnten Dritte die Voranmeldung ei- chung und Durchführung der Zahlungsvorgänge nes Unternehmens manipulieren. Dafür würden entstehen. Eine konkrete Bezifferung des gegebe- sie lediglich den Namen und die Steuernummer nenfalls entstehenden Zusatzaufwandes in den des Unternehmens, die auf jeder Rechnung vermerkt sind, benötigen. Unternehmen könn- Finanzämtern ist nicht möglich, da die Berechnung ten so durch böswillige Manipulationen von von unterschiedlichen Faktoren abhängt und nicht Konkurrenten im Zuge der automatischen zuletzt durch das Verhalten der Steuerpflichtigen Steuerabbuchung in Liquiditätsprobleme gera- beeinflusst wird. ten.

Aufgrund der Ankündigung der Finanzverwal- Zu 3: Auf Bund-Länder-Ebene wurde zur Erleichte- tung, erst 2006 die bekannten Sicherheitsprob- rung der Unternehmer bzw. Arbeitgeber eine bun- leme der Software zu beheben, empfiehlt die desweit einheitliche Regelung getroffen: Kammer nun den Unternehmen, vorhandene Einzugsermächtigungen zu kündigen. Außer- - Für bis zum 31. März 2005 endende Voranmel- dem wird gefordert, dass Ausnahmegenehmi- dungs- bzw. Anmeldungszeiträume kann der gungen für kleine Unternehmen mit fehlender technischer Ausstattung zur elektronischen Unternehmer bzw. Arbeitgeber die Steueranmel- Steueranmeldungen großzügig erteilt werden. dungen ohne gesonderte Begründung wie bisher auf Papier abgeben. Ich frage die Landesregierung:

1. Bis wann und wie kann die Steuerverwaltung - Darüber hinaus kann für anschließende Vo- durch eine beschleunigte Behebung der ge- ranmeldungs- bzw. Anmeldungszeiträume zur nannten Sicherheitslücke dem befürchteten Vermeidung so genannter unbilliger Härten das Missbrauch durch Konkurrenten entgegenwir- zuständige Finanzamt auf Antrag zulassen, dass ken? die Steueranmeldungen in herkömmlicher Form 2. Mit welchen Zusatzkosten durch Mehrarbeit wie bisher auf Papier abgegeben werden. Dem im Zuge der drohenden Kündigung vieler Ein- Antrag ist insbesondere dann zuzustimmen, zugsermächtigungen von Unternehmen ist ge- wenn dem Unternehmer bzw. Arbeitgeber die gebenenfalls zu rechnen? Schaffung der technischen Voraussetzungen für 3. Wird die Verwaltung für die kleinen Unter- die Übermittlung nicht zuzumuten ist und er sich nehmen, die bisher nicht über die technischen keines steuerlichen Beraters bedient. Kleinere Möglichkeiten zur elektronischen Meldung ver- fügen, unbürokratisch Ausnahmegenehmigun- Unternehmer bzw. Arbeitgeber, die bisher über gen zur Fortführung der schriftlichen Steuer- keine PC-Ausstattung verfügen, fallen regelmä- meldung zulassen? ßig unter die „Härtefallregelung“.

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