14. Jahrgang, Nr. 166 November 2011 o t u c h s RT r i b ü n e f ü r Ko m m u n i s tFe n u n d So z i a l i s t e n i n De u t s c h l a n d Über die „Gags“ der Gacks

in Erlebnis aus Kindertagen – damals trüben Flut hierzulande in einem ebenso Ewar ich neun – hat sich mir besonders pathologischen wie grotesken Antikommu- tief eingeprägt: Im Mai 1942 ließ der faschi- nismus Bahn. Dabei besteht ihr schmutziger stische Propagandachef Joseph Goebbels Schaum vor allem in rüden Verunglimp- im Berliner Lustgarten eine antikommuni- fungen der DDR. Offensichtlich verfolgt die stische Horrorshow abziehen, bei der selbst 1989/90 erdrosselte Republik der Arbeiter für NS-Verhältnisse ungewöhnlich dick auf- und Bauern deren kapitalistische Klas- getragen wurde. senfeinde noch Es handelte sich immer in ihren um die durch ins Wach- und Alb- I n h a l t Auge springende träumen. Seite Plakate landes- Mit der Bewälti- Danke, „Leipziger Volkszeitung“! 2 weit beworbene gung der damals Augenzeuge eines Mordes: Ausstellung „Das erlittenen schwe- Als Hauptmann Arnstadt erschossen wurde 3 Über Tagträumer und Roßtäuscher 4 Sowjetparadies“. ren Niederlage Wie „Bild“ aus dem Rahmen fiel Das dort gezeigte und der Neufor- Pawlowsche Reflexe von Rot-Allergikern 5 „Beweismaterial“ mierung kommu- Ist die „deutsche Einheit“ ein Wert an sich? war vor allem nistisch-sozialis- Fragen eines Neußer Genossen an Egon Krenz 6 durch Experten tischer Kräfte be- Anpasser aus Passion: Holters „Heimatzeitung“ 7 der NS-Propagandakompanien (PK) aus faßt, sollten wir uns des Löwenmuts sol- „Seelenstorm“ – das kleine Blatt am Großen Moor 8 den von der Wehrmacht besetzten Gebieten cher Kämpfer wie Herbert Baum und sei- Das Dresdner Hannah-Arendt-Institut: Unikat totalitärer Geschichtsbetrachtung 9 der Sowjetunion herangeschleppt worden. ner Mitstreiter erinnern und daraus Kraft Wer den „Alten Fritz“ zur Lichtgestalt verklärt 10 Die Gruselstory ging den durch Nazi-Wo- schöpfen. Die imperialen Pläne Wilhelms II. 11 chenschauen und unablässige Sondermel- Doch nicht allein wir stützen uns auf Leit- Eine „Schere im Kopf“ 12 dungen der Reichssender abgerichteten bilder aus der eigenen Geschichte. Auch die Marxismus für Einsteiger: Mehrwert 12 Durchschnittsdeutschen gehörig unter die Antikommunisten besitzen solche und kön- DDR-Militäraufklärung: Haut. Eine so hohe Dosis antikommunisti- nen sich auf diese berufen. Schon 1852 – nur „Topas“ und andere Edelsteine 13 scher Injektionen schien kaum noch über- vier Jahre nach dem Erscheinen des Mani- Neue Spionage-Drohnen der BRD 13 bietbar zu sein! fests von Marx und Engels – begann mit Auswahlkriterium im BRD-Schulwesen: Reiche ins Töpfchen, Arme ins Kröpfchen 14 Doch gemach! Inzwischen stehen Leute dem Kölner Kommunistenprozeß die heilige Eine „Gänsekeule“ gefällig? 14 wie der sich ständig am eigenen Geifer ver- Hetzjagd auf ein außer Kontrolle geratenes Felicia Langer: Deutsche Kritik an Israel? 15 schluckende ZDF-Kriegsberichterstatter „Gespenst“. Gut ein Jahrhundert später – im Dranske im Wandel der Zeiten 16 Ulrich Gack, der mal von der afghanischen, August 1956 – folgte das Bundesverfassungs- n Walter Krämer war mal von der libyschen „Front“ der NATO im gericht in Karlsruhe dem Kölner Beispiel, der „Arzt von Buchenwald“ RF-Extra I Goebbels-Stil zu „informieren“ weiß, den indem es dem Antrag des mit Altfaschisten n Afghanistan: Wo die NATO entsprechenden Spezialisten des „Dritten wie dem antisemitischen Schreibtischmör- täglich den Tod sät RF-Extra III Reiches“ kaum nach. Solche mit Schaum vor der Globke durchsetzten Adenauer-Kabinetts In memoriam Mille Stand 17 dem Mund agierenden Profi-Hetzer gewis- entsprach, die KPD zu verbieten. Die Partei Frankreich: Madame Le Pen ante portas 18 ser BRD-Medien stellen diese fast noch in der antifaschistischen Helden und Märty- Chile: Die Aura der Camila Vallejo 19 den Schatten. rer wurde erneut in die Illegalität gezwun- Cuba Si – Synonym für Solidarität 19 Jenen Ausstellungsmachern, welche einst gen. Durch die Verfolgung und Einkerkerung USA: Gemeinsam gegen „Jim Crow“ „Das Sowjetparadies“ kreierten, wurde Tausender und Abertausender Kommuni- Der Klassenkampf hat keine Farbe 20 Griechenlands KKE fordert: übrigens eine gebührende Antwort erteilt. sten im zwölften Jahr nach dem Sieg der Kapitalmacht brechen! 21 Ganze Abschnitte des „antibolschewisti- Alliierten über Hitlers Schreckensregiment Räuber von Gottes Gnaden: schen“ Lügentempels gingen in Flammen auf. outete sich die BRD als ein in brauner Wolle Der Queen „gehört“ ein Sechstel der Erde 22 Zehn Mitglieder der Widerstandsgruppe des gefärbter Staat des deutschen Imperialismus. Warum Jemens Aufständische Jungkommunisten Herbert Baum setzten Er kann es sich zur Unehre anrechnen, daß nicht als „Rebellen“ gelten 23 den Komplex bei Tageslicht an sieben Stel- das infame Urteil gegen die KPD bis heute Ein Militär, dessen Waffe das Wort war: Walter Flegel 24 len in Brand. Das war ein Fanal mit welt- fortbesteht. „Geheimtip“: Der „RotFuchs“ braucht Welpen! 25 weitem Widerhall! Unter dem SPD-Kanzler Brandt folgte ihm Ein Könner der Funk- und Fernsehdramatik: 28 Männer und Frauen – durch Verrat in die eine Welle von Berufsverboten, die dafür Bernhard Seeger 26 Hände der Gestapo gefallen – starben unter sorgten, daß Kommunisten weder als Leh- Aus Hellges Anekdotenkiste: dem Fallbeil, Herbert Baum „wählte“ den rer noch als Lokführer, noch als Briefträger Die Klassiker-„Schwarte“ 27 „Freitod“. Die Großtat im Lustgarten ging für tätig sein durften. So sieht die vielgeprie- Hocke in Archies Haut – Eine Rezension 27 Die Geschichte vom Traumtänzer 28 immer in die Geschichte des Antifaschis- sene „politische Kultur“ im kapitalistischen Leserbriefe 29 mus und der deutschen Arbeiterbewegung Grafik des Monats 32 ein. Heute bricht sich die neue Welle dieser Fortsetzung auf Seite 2 Seite 2 RotFuchs / November 2011

Deutschland tatsächlich aus! Während rot Faschisten der NPD und die Schlägerko- Arbeiterschaft gestatten es ihm, einstweilen in den meisten Ländern Westeuropas als lonnen stupider Stiefelnazis, die zur Ein- auf härtere Bandagen zu verzichten und das ganz normale Farbe gilt, werden Rotgeblie- schüchterung linker und demokratischer scheindemokratische Mäntelchen anzubehal- bene im Rechtsstaat BRD diskreditiert, dis- Kräfte sowie „für alle Fälle“ in Bereitschaft ten, während die radikale Rechte zugleich kriminiert und den Gacks der Medien zum gehalten werden. Doch das derzeitige Kräf- ihren „Marsch durch die Institutionen“ unge- Fraß vorgeworfen. teverhältnis zwingt die kapitalistischen hindert fortsetzen kann. – Die in großen Wenn etliche Zeitgenossen den derzeitigen Magnaten und deren politische Marionet- Teilen Europas und ganz besonders in der Faschisierungsprozeß in der BRD noch nicht ten vorerst nicht dazu, die von ihnen bevor- von ihrem Nazi-Erbe belasteten BRD weiter hinreichend durchschauen, dann liegt das zugten „Glacéhandschuhe“ auszuziehen. Die voranschreitende Faschisierung ist in erster vor allem daran, daß traditionelle Attribute momentane Schwäche und Zersplitterung Linie an der Virulenz des Antikommunismus der Nazi-Diktatur wie Hakenkreuz, SA, SS, der Linken, die für das System nicht einmal meß- und erkennbar. Es ist hohe Zeit, zur Konzentrationslager und Holocaust im modi- im Augenblick seiner schwersten Existenz- Gegenoffensive anzutreten und den „Gags“ fizierten Erscheinungsbild fehlen. Gewiß krise eine Bedrohung darstellen, besonders der Gacks den Boden zu entziehen! gibt es nach wie vor die ungeschminkten aber das mangelnde Klassenbewußtsein der Klaus Steiniger

Danke, „Leipziger Volkszeitung“!

in zu anderen Zeiten traditionsreiches worden, tat die LVZ das Ihrige, um diese EBlatt, ist die LVZ als Folge der Anne- Scharte auszuwetzen. Sie brachte gleich xion der DDR und der damit verbundenen nebeneinander die Aufmachungen der bei- antikommunistischen Gleichschaltung den erwähnten Blätter und stellte in ihren der Medien im Einheitsbrei bourgeoiser großformatigen Beitrag überdies auch Desinformationspolitik versackt. Heute noch einen Rotdruck-Kasten mit folgen- ein stinknormales Konzern-Organ, hat dem unverfänglichen Zitat: „Klaus Stei- sie sich am 20./21. August dennoch um niger: Nicht ohne Grund sprach die DDR die gezielte Propagierung der „jungen vom antifaschistischen Schutzwall, gegen Welt“ und des „RotFuchs“ außerordentlich den fortan die schwarz-braune Flut bran- verdient gemacht. Ihr Autor Armin Görtz dete.“ Wie wahr! schoß mit dem Beitrag „Die Front der Mau- Solche nach hinten losgehende Konterpro- erfreunde“ ein unter Fußballfans begehr- paganda ist ein Grund mehr, die Leipziger tes Selbsttor: Auch wenn er behauptete, Kollegen dafür zu loben, daß sie die Akti- der durch die LVZ lang und breit zitierte vitäten der im Antifaschistischen Komitee RF – auf der Titelseite seiner August-Aus- gegen Krieg und Sozialraub „vernetzten gabe sah man bekanntlich dasselbe ein- Altkader“, die sich „der Grenzschließung drucksvolle Kampfgruppen-Foto wie auf Unterschied zu der in grelle Schlagzeilen rühmen“, so großzügig begleitet haben. Seite 1 der jW vom 13. August – sei im geratenen linken Tageszeitung „mißachtet“ Danke, LVZ! RF

Am 4. November um 15 Uhr findet in der Volkssolidarität, Logenstraße 1, eine Veranstaltung der RF-Regionalgruppe Frankfurt (Oder) statt. Dr. Karl Döring, ehemaliger Generaldirektor des EKO Eisenhüttenstadt, spricht über das Thema Das EKO gestern und heute aus sozialer, technischer und ökono- mischer Sicht

Alle RF-Leser und an der Zeitschrift Interessierten aus dem Kyffhäuserkreis (Altkreise Artern und Sondershausen), dem Unstrut-Hainich-Kreis (Altkreise Bad Lan- gensalza und Mühlhausen), den Kreisen Nordhausen, Eichsfeld (Altkreise Heili- genstadt, Worbis und Leinefelde) sowie Göttingen sind für den 12. November um 10 Uhr nach Sollstedt/Wipper, Festhalle, Am Markt 9, herzlich eingeladen. RF-Chefredakteur Dr. Klaus Steiniger spricht über das brandaktuelle Thema Die Verfaßtheit der Linkskräfte in Deutschland

Unser junger Kasseler Leser Kai Friedrich – mit diesem Genre Vertrauten als Comiczeich- Bücher aus seiner Feder sind vorrätig und ner Kaivel vielleicht schon ein Begriff – übersandte dem RF diese Karikatur mit im wahr- werden auf Wunsch signiert. sten Sinne des Wortes todernstem Hintergrund. RotFuchs / November 2011 Seite 3

Augenzeuge eines Mordes Als der Hauptmann der DDR-Grenztruppen Rudi Arnstadt vom BGS erschossen wurde

m 30. Juni 2011 führten zwei Mitarbei- bei mir, um eine Grenzkontrolle durch- hatte, BGS-Grenzoberjäger Plüschke habe Ater des MDR ein zweistündiges Inter- zuführen. Ich stand gerade mit Arnstadt in Notwehr gehandelt, als er seinem Haupt- view mit mir. Sie wollten in Erfahrung und seinem Begleiter bei einer Gruppe von mann Meißner, der von Rudi Arnstadt am bringen, was sich am 14. August 1962 in NVA-Angehörigen, als plötzlich eine Bun- weiteren bewaffneten und illegalen Betre- der Rhön tatsächlich ereignet hatte und desgrenzschutz-Streife das Gebiet der DDR ten von DDR-Territorium gehindert wer- dazu eine filmische Dokumentation erar- betrat und direkt auf uns zukam. Als sie den sollte, durch gezielte Schüsse zu Hilfe beiten. Das sagten sie jedenfalls. sich auf unserer Höhe befand, forderte sie gekommen sei. Nach dieser Interpretation An jenem Hochsommertag vor knapp 50 Genosse Arnstadt auf, sofort das DDR-Ter- war die Verteidigung der Staatsgrenze der Jahren wurde der Hauptmann der Grenz- ritorium zu verlassen, was sie auch tat. Wir DDR rechtswidrig, das Handeln der BGS- truppen der DDR Rudi Arnstadt durch verloren sie dann aus dem Blickfeld. Nach Streife hingegen rechtens. Angehörige des Bundesgrenzschutzes einiger Zeit kehrte die Streife zurück und In der Fuldaer Einstellungsverfügung ermordet. Es gäbe dazu verschiedene Ver- vom Mai 1998 hieß es: „Die Angriffshand- sionen beider Seiten, meinten die MDR- lung des sowjetzonalen Grenztruppenof- Journalisten. Von dem Interview wurden fiziers war deshalb nicht nur gebotene am 30. August im Spätprogramm aus dem Notwehr, sondern stellt sich ganz eindeu- Zusammenhang gerissene Teile gesendet. tig als rechtswidriger versuchter Totschlag Der Titel des Beitrags lautete: „Zwei Tote im dar. Plüschke war verpflichtet, den seinem Kalten Krieg – Hintergrund zweier Todes- Streifenführer drohenden Angriff abzu- fälle im August 1962“. Der zweite Tote war wehren.“ Wieso Grenzverletzer zu Recht das „Maueropfer“ Peter Fechter. schießen und sich der Festnahme entzie- Die beiden Filmemacher erfüllten ihren hen dürfen, bleibt das Geheimnis des Ober- Klassenauftrag vorbildlich. Aus Tatsachen, staatsanwalts Schneider beim Landgericht Halbwahrheiten, Verdrehungen, Lügen und Fulda. Die von ihm übernommene Version, dem Weglassen wesentlicher Teile des von die Angehörigen des BGS hätten insgesamt mir Gesagten entstand ein Machwerk, das nur drei Schuß abgegeben, ist keineswegs sich in die seit Monaten eskalierende Hetze Hauptmann allein das Ergebnis schlampiger Recher- gegen DDR, NVA und Grenztruppen naht- Rudi Arnstadt che, sondern eine vorsätzliche Lüge. Tat- los einreihte. sächlich wurden, wie bereits erwähnt, 20 Im Juli 1962 – ich war damals Kommandeur drang erneut auf unser Gebiet vor. Wieder bis 30 Schüsse auf uns abgefeuert. Haupt- eines Mot-Schützen-Bataillons des MSR-3 wurde sie dazu aufgefordert, sich unver- mann Arnstadt hatte seine Pistole zwar in in Brandenburg – erhielt ich den Befehl, züglich zurückzuziehen. Soldat Roßner gab der Hand, hob sie aber kein einziges Mal in meine Einheit per Bahn nach Bad Salzun- einen Warnschuß in die Luft ab und etwas Richtung der BGS-Angehörigen. Von seiner gen und von dort im Landmarsch nach später, ebenfalls steil nach oben, einen Seite fiel folglich auch kein Schuß. Dermbach (Rhön) zu verlegen. Nach dem weiteren Schuß. Die BGS-Streife trat den Oberstleutnant a. D. Gerhard Elies, Jüterbog Einrichten in einem Objekt des dortigen Rückzug an. In diesem Augenblick fiel aus Grenzregiments und der Inaugenschein- einem Getreidefeld jenseits der Grenze ein nahme von uns zu sperrender Abschnitte Schuß, der Hauptmann Arnstadt in den begannen die Arbeiten. Sie wurden von den Kopf traf. Auch Roßner wurde unter Feuer Unsere Zeitschrift hat einen treuen Angehörigen des Bataillons unbewaffnet genommen. Anschließend kamen BGS-An- Leser, der RF-Förderverein ein durchgeführt. Lediglich in Abständen von gehörige in Schützenkette schießend auf verläßliches Mitglied, Anne ihren einigen hundert Metern stationierten wir uns zu. Ich schätzte, daß etwa 20 bis 30 lieben Mann verloren. Genosse Sicherungsposten zum Schutz unserer eige- Schüsse abgefeuert wurden. Wir hatten nen Genossen. Wie sich dann zeigte, war uns an einem Abhang in Deckung bege- Hans Beck diese Maßnahme völlig berechtigt. ben und zogen uns dann geordnet zurück, aus Salzwedel, Flugzeugführer, Wir wurden von westdeutscher Seite um in etwa zwei Kilometer von der Grenze Ingenieur und Lehrer, ist am wochenlangem psychologischem Druck entfernt die volle Gefechtsbereitschaft her- 18. September im Alter von 75 Jah- ausgesetzt. Wiederholt schoß man über zustellen. Wer konnte wissen, was dieser ren verstorben. unsere Köpfe hinweg in Richtung DDR- verbrecherischen Provokation noch fol- Den Angehörigen gilt unser Mitge- Gebiet. Hubschrauber kreisten in unmit- gen würde. fühl. telbarer Nähe der Staatsgrenze, mitunter Die Staatsanwaltschaft Fulda leistete sich auch direkt über uns. Sie warfen eine Fäl- viele Jahre später ein Glanzstück. Am schung der NVA-Zeitung „Die Volksarmee“ 7. April 1998 teilte der leitende Oberstaats- ab und forderten unsere Soldaten zur Fah- anwalt beim dortigen Landgericht mit, er Am 9. Oktober ist Genosse Oberst- nenflucht auf. Täglich wurden Personen- habe das seinerzeit eingeleitete Ermitt- leutnant a. D. gruppen bis dicht an die Grenze geführt, lungsverfahren gegen Dieter Koch (BGS) die uns in unflätiger Weise beschimpften. wegen Totschlags (36 Jahre nach der Tat!) Egon Eismann Den Höhepunkt bildete ein „Gottesdienst“. von der Staatsanwaltschaft Meiningen aus Wernigerode im Alter von 81 Nach dem Absingen frommer Lieder und übernommen. Doch schon am 6. Mai wurde Jahren nach einer Operation ver- einem Gebet wandte sich der Pfarrer in das Verfahren nach § 170, Abs. 2 StPO ein- storben. Ein verdienter Offizier der Richtung Westen, breitete die Arme aus gestellt, da keine Straftat aufzuklären wäre. DDR-Grenztruppen, hat er sich als und rief: „Ich segne Deutschland.“ Dann Das Ermittlungsergebnis sei das gleiche Leiter der RF-Regionalgruppe Harz drehte er sich zu uns um und brüllte: „Und wie jenes, welches bereits am 8. Oktober bleibende Verdienste erworben. ich verfluche Asien.“ 1962 in Fulda zu der Einstellungsverfügung Wir sprechen seiner Familie unser Am 14. August meldete sich Hauptmann geführt habe. So blieb es bei der Version der Beileid aus. Arnstadt in Begleitung des Soldaten Roßner BRD-Justiz, die schon damals behauptet Seite 4 RotFuchs / November 2011

Über Tagträumer und Roßtäuscher Kein Sozialismus ohne revolutionäre Lösung der Macht- und Eigentumsfrage

ott sei Dank! Wie beruhigend, daß es die lediglich an ihrer eigenen – oftmals konsequent linken Kräften ein gemein- G sich gewisse Politiker der PDL nicht lukrativen – Karriere basteln oder arbei- samer „roter Faden“ gestrickt wird. Vor haben nehmen lassen, ihrerseits den ten lassen. Es ist erschreckend, wie viele allem aber gilt es, die von Älteren und 13. August „zu würdigen“. Natürlich als „Ossis“ sich unterdessen zu braven bundes- Alten gewonnenen Erkenntnisse an Kin- Unrecht und Mißbrauch sozialistischer deutschen Spießern „gemausert“ haben. der und Enkel weiterzugeben. Schritt für Ideen! Die diesjährige Stellungnahme der Obwohl wir ja eigentlich wissen müßten, Schritt sollten Grundlinien für das künf- PDL zu dieser Thematik reihte sich ein- daß das Sein das Bewußtsein bestimmt. tige Wirken einer landesweiten revolu- mal mehr in Bemühungen ein, histori- Jede Ausgabe von „Bild“, jeder politische tionären Partei entwickelt werden, die sche Erfahrungen einfach totzuschweigen. Fernsehkommentar, jede Nachrichtensen- wieder über ausreichende Positionen in Dabei müssen wir sogar froh sein, daß dung bei ARD, ZDF und anderen Stationen der Arbeiterklasse verfügt. Sie muß das man im Karl-Liebknecht-Haus fast noch trocknen Gehirn und Gewissen der Kon- politisch-ideologische Rüstzeug für die „die Kurve gekriegt“ hat und nicht auf das sumenten weiter aus. Inangriffnahme der notwendigen Umwäl- verbale Niveau des Bundespräsidenten Damit die Ware Arbeitskraft optimal zungen besitzen. Dabei ist eines klar: Die abgesunken ist. Am vernünftigsten im funktioniert, sind soziale Almosen, kon- Überwindung des Kapitalismus ohne Zusammenhang mit dem Thema Schutz- trollierte Bildung, ein Mindestmaß an Lösung der Macht- und Eigentumsfrage wall fand ich – neben der hervorragenden Gesundheitsfürsorge sowie die beständige bleibt bloße Illusion. Die Geister scheiden „Danke!“-Aufmachung der jW – das Sitzen- Manipulation der Massen unabdingbar. sich an diesem Kernthema. Leider gibt bleiben einiger Delegierter auf dem Lan- Die selbsternannten Erfüllungsgehilfen es derzeit nicht wenige im Einfluß- und desparteitag der PDL in M-V. von Daimler, Siemens & Co. aber verkaufen Betätigungsfeld der PDL, die lieber „- „Vor 21 Jahren ist die DDR ausgelöscht uns das dann auch noch als soziale Wohl- bereinigt“ in die Parlamente einziehen worden.“ Als mein Gesprächspartner das taten! Es ist schmerzhaft hinzufügen zu wollen, als über das Hier und Heute hin- Anfang Oktober sagte, mußte ich erst ein- müssen, daß die von der PDL propagierte ausweisende Lösungen anzubieten. mal innehalten: Ist es wirklich schon so Botschaft eines „demokratischen Sozia- Der Formierungs –, Konzentrations- und lange her, daß wir den Weg der Gestaltung lismus“ die Menschen lediglich hinhält. Einigungsprozeß auf der Linken ist das einer menschenwürdigeren, sozialeren Von den maßgeblichen Leuten der Partei wesentlichste Kriterium für die Heraus- Form des Zusammenlebens verlassen muß- traut sich inzwischen ja keiner mehr, klipp bildung einer wirklich gesellschaftsverän- ten? Daß eine irregeführte und leichtgläu- und klar zu sagen, man strebe ein sozia- dernden politischen Kraft in der BRD. Ob bige Bevölkerungsmehrheit mit wehenden listisch-kommunistisches Gesellschafts- er tatsächlich zustande kommt, hängt von Fahnen die Rückkehr zur Ausbeutung von modell an. Aus meiner Sicht aber muß es einer tragfähigen wissenschaftlich fun- Mensch und Natur feierte? Was aber trieb Sache linker Kräfte sein, in das Bewußt- dierten Konzeption ab, die uns zugleich einstige DDR-Bürger zuhauf in die Arme sein der „Arbeitnehmer“ und des „Prekari- auch hilft, Antwort auf drängende Fragen der Kapitalisten? Wieso wählten sie frei- ats“ (dieser Begriff für die benachteiligten der Gegenwart geben zu können. willig den Status von „Arbeitnehmern“, und am kapitalistischen System nicht par- Manfred Calvelage, Berlin priesen sie ihr Dasein als Ware Arbeits- tizipierenden Schichten der Bevölkerung kraft? „Es wächst zusammen, was zusam- ist bislang der absolute Gipfel des Perfi- mengehört!“ hieß damals die Parole. Aber den!) vorzudringen. Das bedeutet in erster war der Anschluß wirklich historisch Linie, auf den Kontrast zwischen nach- Am 12. November um 10 Uhr spricht unvermeidlich? Diese totale Plünderung vollziehbaren Zukunftsvisionen und den Prof. Dr. Anton Latzo auf einer Veranstal- des Volkseigentums und die Blockierung derzeitigen Lebensumständen der Ausge- tung der RF-Regionalgruppe Cottbus im unserer geistig-moralischen Werte? Hätte beuteten hinzuweisen. Brandenburger Hof, Friedrich-Ebert-Straße all das vermieden werden können? Fragen, Ohne Zweifel griffen viele einstmals ak- 33, über das Thema auf die ich, ehrlich gesagt, auch nach mehr tiv Beteiligte unterdessen zur Feder, Von 1891 bis Erfurt 2011 – als 20 Jahren noch keine mich befriedi- um – oftmals die letzte Chance nutzend Lehren der Geschichte gende Antwort gefunden habe. – Erlebnisse, Erfahrungen und persönliche Die eigentlich substanzarme Debatte um Schlußfolgerungen aus ihrem Leben in der die sogenannte K-Frage, aufgeworfen im DDR niederzuschreiben. Aber die Zeit ist Vorfeld der diesjährigen Rosa-Luxem- unerbittlich: Jeden Tag müssen wir von Am 26. November um 10 Uhr spricht burg-Konferenz der „jungen Welt“, hat mir Kampf- und Weggefährten Abschied neh- Prof. Dr. Werner Roß auf einer Ver- eine gehörige Portion Zuversicht genom- men. Die Apologeten des Kapitals speku- anstaltung der RF-Regionalgruppe in Zwickau, men, daß sich die inhaltliche Leere in für lieren auf „biologische Lösungen“. Nicht Chemnitz-Zwickau-Plauen Volkssolidarität, Hölderlinstraße 1, über mich erlebbarer Zeit überwinden läßt. wenige unserer halben und ganzen Gegner das Thema Sich als linksstehend bezeichnende PDL- lassen sich unverblümt von der Vorstel- Verantwortliche, die dem Phantom eines lung leiten, daß jene, die den Sozialismus Wo geht’s zum Kommunismus? „demokratischen Sozialismus“ weiterhin gestaltet und erlebt haben, bald nicht nachjagen, streben doch nur kosmetische mehr zur Verfügung stehen, womit sich Operationen an, die am Wesen des Kapita- der „rote Spuk“ von selbst erledigt habe. Herzlich gratulieren wir dem namhaften lismus nichts ändern. Die PDL scheint mir Dennoch werden nach wie vor enorme Theoretiker und Praktiker vertrauens- von einer den Sozialismus anvisierenden Summen für antikommunistische Hetze voller Zusammenarbeit mit weltan- Kraft inzwischen weit entfernt zu sein, ausgegeben. Am bittersten ist die Feststel- schaulich Andersgesinnten ganz zu schweigen von einer marxistisch- lung, daß diese auch von einer Mehrheit leninistischen Partei mit Masseneinfluß, in der Linkspartei nahezu widerstands- Dr. sc. Fritz Welsch die dringend gebraucht wird. los hingenommen wird. aus Berlin zum 85. Geburtstag am Wer besitzt hier und heute noch ein Damit muß Schluß sein! Um den Gegen- 7. November. Der Jubilar war einer der System in sich geschlossener Zukunfts- angriff einleiten zu können, bedarf es der Initiatoren des marxistisch-christlichen vorstellungen? Ich habe dabei weder die Zusammenführung einer großen Zahl bis- Dialogs. Hab Dank für treue Mitarbeit Tagträume weltfremder Politiker im Wahl- lang versprengter Einzelkämpfer. Es geht am RF, lieber Fritz! gerangel noch jene Roßtäuscher im Auge, darum, daß mit den bereits formierten RotFuchs / November 2011 Seite 5

Wie „Bild“ aus dem Rahmen fiel Ein Brief an Fidel löste bei Rot-Allergikern Pawlowsche Reflexe aus

ie von den Hitlerfaschisten in der „Menschenrechtsbeauftragte“ Erika Krieger mit der Begründung ab, solange Dbisher barbarischsten Form betrie- Steinbach, eine der übelsten Scharfma- nicht einmal die Gesellschaft „das Kapi- bene „Ausmerzung des Bolschewismus cherinnen im Chor deutscher Revanchi- tel“ aufgearbeitet habe, könne man dies mit Stumpf und Stiel“ endete 1945 mit sten, frohlockte, der Brief beweise: „Im schwerlich von der Schule erwarten. dem Hissen der roten Fahne auf dem Deutschen Bundestag sitzen Antidemo- Und: „Sobald man etwas in die Tiefe geht, Reichstag. Seit der Auslöschung der kraten.“ Das ist ja völlig richtig, doch wird es noch komplizierter. In der Masse UdSSR und der auf den Sozialismus ori- Steinbach meint natürlich die Falschen. haben die Menschen (aus der DDR) das entierten Länder Europas durch die Kon- Hubertus Knabe, der Oberbrunnenvergif- Bestehende gewollt“, wehrt sich Ulrich terrevolution wurde der apokalyptische ter von Hohenschönhausen, frohlockte: Thöne. Darüber kann sich Forschungs- Wunschtraum weltweiter Vorherrschaft „Hier zeigt die Linkspartei ihr wahres verbunds-Schroeder „richtig aufregen“. der kapitalistischen Wirtschafts- und Gesicht.“ Und der grün angestrichene So komme es zur „Verklärung der DDR- Gesellschaftsordnung erneut zum „Leit- Schwarze Volker Beck resümierte: „In der Vergangenheit“, giftet der als Wissen- motiv“ imperialistischer Ideologen. Mehr Linkspartei scheinen die alten Denkmu- schaftler verkleidete Berufshetzer. echte Demokratie und ökonomische ster aus dem Kalten Krieg immer noch Wird erst einmal ein derartiges Anti-Kom- Selbstbestimmung für die Massen, mehr lebendig zu sein.“ Erik Brok (CDU) gab munisten-Programm in einigen Bundes- soziale Menschenrechte durch Verge- ebenfalls seinen Senf dazu: „Sie sind vom ländern zum Unterrichts- und Abiturstoff, sellschaftung der Produktionsmittel als alten Konzept der DDR nie abgerückt.“ dann dürfte die statistisch erwiesene nachhaltige Alternative zum Amoklauf Nach dem jährlichen Kulminationspunkt Unkenntnis über die Geschichte des ein- entfesselter Kapitalherrschaft darf nach der auf mindestens 100 Jahre ausge- zigen nichtkapitalistischen Staates der diesen Vorstellungen keine Zukunfts- legten Hetzkampagne zum 13. August Deutschen komplett durch Goebbelsschen hoffnung irgendwo auf der Welt mehr wird offenbar: Alle noch so unterwür- Lügenbrei ersetzt werden. sein. Der Kapitalismus soll als Endpunkt figen Presseerklärungen, mit denen Wenn Führungskreise der PDL auf Bun- menschlicher Entwicklung gelten. Das sich PDL-Obere von der DDR und sich des- und Länderebene opportunistisch ist die Vorgabe der in der NATO und der selbst distanziert haben, nützen diesen und angsterfüllt derart hinter der Posi- EU, in Washington, Berlin und Paris Ton- schon deshalb nichts, weil die rabiaten tion und dem Erkenntnisstand der Leh- angebenden. Angriffe auf den Sozialismus und dessen rergewerkschaft zurückbleiben, dann In der Dritten Welt werden dafür sogar Verkörperung auf deutschem Boden – die erweisen sie den Schülern und sich selbst Staaten mit Krieg überzogen und nieder- DDR – nichts anderes als die Zersetzung einen Bärendienst. Authentisch sozia- gemacht, wenn sie noch eine Spur natio- ihrer Partei und deren Verdrängung aus listische Kräfte in der Linkspartei, die naler Unabhängigkeit und Herrschaft dem politischen Spektrum der BRD zum es zulassen, daß im Geiste des rechten, über die eigenen Ressourcen aufweisen. Ziel haben. eindeutig prokapitalistischen PDL-Flü- In Europa ergreifen reaktionäre oder Man behält dabei die strategisch ent- gels historische Alternativen wie die faschistoide Regierungen in wachsender scheidenden Schwachstellen der PDL DDR und Hoffnungsträger der neuen Zahl brutale Verbots- und Verfolgungs- genau im Blick: Rechte Opportunisten Volksbewegungen in der Dritten Welt maßnahmen gegen kommunistische fordern schon seit langem deren Ver- wie Fidel Castro dämonisiert werden, und andere linke Parteien oder Ver- zicht auf den Internationalismus, die schaufeln sich damit ihr eigenes poli- bände. Griechenland baut trotz klamm- Preisgabe der revolutionären Volksbe- tisches Grab. ster Kassen einen sieben Meter breiten wegungen in Lateinamerika, die Abkehr Jobst-Heinrich Müller, Lüneburg Grenzgraben von 140 km Länge. In „Spa- von Kuba und anderen sozialistischen nisch-Marokko“ hängen Menschen, die Alternativmodellen weltweit. Die infame vor dem Hunger nach Europa zu fliehen und geschichtsklitternde Gleichsetzung versuchen, tot im Zaun. NATO-Kriegs- der DDR mit dem massenmörderischen Er ist nicht nur hessischer DKP-Be- schiffe verweigern die Seenotrettung Hitlerregime – einer Ausgeburt des deut- zirksvorsitzender, sondern auch Mit- von Kriegsflüchtlingen im Mittelmeer. schen Kapitalismus – soll auch in sämt- glied des RF-Fördervereins. Am All das läuft unter der Losung vom „Auf- lichen Schulen der BRD die allgemeine 16. 11. wird unser seit Jahrzehnten an bau einer freiheitlich-demokratischen „Informationslinie“ sein, wie die Kultus- vorderster Front für die kommunisti- Zivilgesellschaft“. In Afrika, Asien ministerkonferenz schon 2009 „empfahl“. sche Sache einstehender Genosse und Lateinamerika kostet das täglich Der notorische Geschichtsfälscher Klaus unzählige Menschenleben durch Hunger, Schroeder vom „Forschungsverbund Michael Beltz Krankheiten, Elend und Mord. SED-Staat“, der Direktor des Gruselka- 70 Jahre alt. Wir grüßen ihn und seine Am 20. August erblickte man auf der binetts Hohenschönhausen Hubertus nicht minder couragierte Frau und Titelseite von Springers „Bild“ das Logo Knabe und Peter Lautzas vom Verband der Partei Die Linke mit der dem Niveau der Geschichtslehrer wollen „die Dimen- Kampfgefährtin Erika, die „seit Men- des Blattes und seiner Leserschaft Rech- sionen der kommunistischen Verbrechen“ schengedenken“ als verantwortliche nung tragenden Schlagzeile „Bizarrer und den „Diktaturcharakter des SED- Redakteurin des profilierten „Gießener Schleimbrief an Fidel Castro“. Auf Seite Staates“ im ständigen Vergleich mit der Echos“ wirkt, auf das herzlichste. 2 wurde dann die Grußadresse zum Naziherrschaft als Abiturthema veran- 85. Geburtstag des vor Jahren erkrank- kert sehen. Denn deutsche Schüler hätten ten und von allen Ämtern zurückgetrete- ein verharmlosendes und verklärendes Am 17. November um 16 Uhr spricht Prof. nen kubanischen Revolutionsführers mit DDR-Bild, „weil die Lehrer noch aus der Dr. Ekkehard Lieberam (Marxistisches den Unterschriften von Gesine Lötzsch Zeit der Entspannungspolitik“ kämen. Forum Sachsen) auf einer Veranstaltung und Klaus Ernst abgedruckt, die offen- Und in jenem Gebiet, welches früher der RF-Regionalgruppe Güstrow im sichtlich von der Arbeitsgemeinschaft die DDR war, gäbe es noch „viel zu viele Haus der Generationen, Weinbergstraße Cuba Sí dieser Partei vorbereitet worden Leute, die das erlebt haben. Sie kommen 28, über das Thema war. „Bild“-Schreiberling Ralf Schuler sofort und sagen: ‚Das war doch gar nicht Das Erfurter Programm der Links- titelte seinen Erguß mit der Frage: „Ist so.‘“ Noch lehnt die Lehrergewerkschaft partei und die Klassenfrage das Satire oder Wahnsinn?“ Die CDU- GEW solche Begehrlichkeiten der Kalten Seite 6 RotFuchs / November 2011

Ist die „deutsche Einheit“ ein Wert an sich? Fragen eines Neußer Genossen an Egon Krenz

m 16. April hielt Egon Krenz in Ham- behauptet werden. Aber ebenso sind wir Frage nach der „deutschen Einheit“ eine A burg eine Rede zu Ehren des von den offensichtlich noch weit von dem Zeit- neue Wendung. Schnell wurde klar, daß Faschisten ermordeten KPD-Vorsitzenden punkt entfernt, an dem er als historisch die sogenannte Wiedervereinigung nichts Ernst Thälmann, die der RF als Beilage überlebt absterben müßte. Vorerst werden anderes mehr sein konnte als die Begeg- veröffentlichte. wir uns also noch mit der Ausgestaltung nung von Sieger und Besiegtem! Genau Seine Worte zeugten von jenem gleichen des Nationalstaates zu beschäftigen haben. dieser Umstand macht es mir schwer ver- aufrechten Geist, welchen er bereits bewie- Für Kommunisten bedeutet dies zu fra- ständlich, warum Genosse Krenz erklärt, sen hatte, als er durch die BRD-Siegerjustiz gen: Welchen Klasseninteressen dient die die „deutsche Einheit“ nicht kritisieren kriminalisiert wurde. Seine Feststellung: Nation in ihrer jeweiligen Verfaßtheit? zu wollen. Ist hier „Einheit“ im abstrak- „Das Unglücksdatum der Deutschen ist Ähnliches gilt auch für die Frage der natio- ten oder im konkreten Sinne gemeint? Im nicht der 13. August 1961, sondern der nalen Einheit. Lange Zeit was das Thema ersten Fall mag man natürlich Betrachtun- Machtantritt Hitlers am 30. Januar 1933“ „deutsche Einheit“ von der Arbeiterbewe- gen darüber anstellen, daß es für Kommu- ist besonders hervorzuheben, ordnet sie gung besetzt. Während der Zeit vor der nisten und Sozialisten keinen vernünftigen doch die Grenzsicherungsmaßnahmen vor Reichsgründung 1871 verlangte die von Grund geben könne, eine Teilung Deutsch- 50 Jahren in den übergeordneten histo- August Bebel und Wilhelm Liebknecht lands auf immer und ewig zu wünschen. rischen Kontext ein. Das Verschweigen auf marxistischer Grundlage geschaf- Aus ihrer Sicht wäre ein demokratisches, unumstößlicher historischer Tatsachen, fene Sozialdemokratische Arbeiterpartei sozial fortschrittliches, gar sozialistisches die Diffamierung kritisch Nachfragender, die Gründung einer einheitlichen deut- Gesamtdeutschland allemal vorzuziehen. die Beweihräucherung der bestehenden schen Republik unter Einschluß Öster- Beachten wir aber die Verhältnisse der Machtverhältnisse sowie die geschmack- reichs. Das wurde als „großdeutsche Jahre 1989/ 90, so geraten wir mit solchen lose Ausschlachtung tragischer Menschen- Lösung“ bezeichnet. Diese Idee war der Überlegungen in das Reich der Träume. schicksale – all das gerinnt zu dem, was Gegenentwurf zu der bis dahin dominie- Derartiges stand damals nicht auf der die Knabes, Knopps und ihresgleichen renden deutschen Kleinstaaterei unter Tagesordnung. Seit ihrer Gründung war als „Geschichtsaufarbeitung“ bezeich- der Ägide parasitärer Fürstenhäuser. Wer es der Daseinszweck der Bundesrepublik, nen. Gegenstimmen vernimmt man selten. hätte damals daran denken können, daß als Provisorium bis zu dem Tag zu dienen, Gerade deshalb möchte man der Hambur- der Gedanke eines vereinigten, Österreich an dem Deutschland als ungeteilte, kapi- ger Rede des Genossen Egon Krenz weite- umfassenden Deutschlands unter Hitler talistisch-imperialistische Großmacht zu ste Verbreitung wünschen. wiederkehren würde? Der entscheidende alter „Normalität“ zurückfindet. Das ver- Eine Passage regt mich indes zum Nach- Unterschied bestand allerdings darin, daß einigte Deutschland des Jahres 1990 hatte fragen an. Sie lautet: „Das Wichtigste es nicht mehr um die Bildung einer demo- die Konterrevolution auf DDR-Gebiet zur bleibt für mich: „Die Deutschen in Ost kratischen, mit ihren Nachbarvölkern in zwingenden Voraussetzung. und West leben seit 1990 nicht mehr mit Freundschaft lebenden deutschen Repu- Welche Großmut wäre von den neuen Her- der Angst, zwei deutsche Staaten könn- blik ging, sondern um die Schaffung des ren den Ostdeutschen gegenüber reali- ten gegeneinander Krieg führen. Diese Brandherdes einer Barbarei, wie sie die stischerweise zu erwarten gewesen? Aus Gefahr bestand zu Zeiten des Kalten Krie- Menschheit bis dato noch nicht erlebt Sicht der westdeutschen Bourgeoisie war ges, der dem Wesen nach ein Balancie- hatte. Es ist gänzlich unergiebig, Grund- der aus der DDR kommende Bevölkerungs- ren am Rande eines Atomkrieges war. Ich satzfragen wie die „deutsche Einheit“ von teil mit der Erfahrung infiziert, daß ein kritisiere nicht die deutsche Einheit. Ich den konkreten Kräfte- und Klassenverhält- Leben ohne Privateigentum an den wesent- bemängele die Art und Weise ihres Zustan- nissen losgelöst zu diskutieren. lichen Produktionsmitteln möglich ist. dekommens und den Umgang der heute Auch in den 50er Jahren – also bald nach Die „Medizin“ gegen diese geistige Infek- Herrschenden mit den Ostdeutschen. Eine dem Ende des Zweiten Weltkrieges – waren tion war schnell gefunden: Deindustria- Ehe kann nicht funktionieren, wenn eine es die deutschen Kommunisten, welche lisierung, Massenentlassungen, gezielte Seite vermeintlich alles Angenehme und das Banner der nationalen Einheit erho- Zerstörung von Existenzen, politische die andere nur Schulden und Verbrechen ben. Dabei ging es um ein antifaschisti- Diskriminierung und Entwürdigung. eingebracht haben soll.“ sches, demokratisches Deutschland. Wie Gelegentlich vernahm man damals die Wer sich mit dem Thema „deutsche Ein- erbärmlich nahmen sich da Adenauers Stimmen Gutmeinender, die zu bedenken heit“ beschäftigt, betritt ein Terrain, das heuchlerische Bekenntnisse zur deutschen baten, „daß in der DDR nicht alles schlecht in der Geschichte unseres Landes immer Einheit aus, die bei allem Pathos seine Vor- gewesen sei“ und einiges in einem verei- wieder als ein von unterschiedlichsten liebe für einen zum antikommunistischen nigten Deutschland vielleicht von Nutzen Kräften umkämpftes Feld erscheint. Mitt- Rammbock ausgebildeten westdeutschen sein könne. Dabei dachten sie an soziale lerweile gibt es sich selbst zur Linken Zäh- Separatstaat nicht bemänteln konnten. Errungenschaften, vor allem auf den lende, die schon die bloße Beschäftigung Unvergessen sind seine Worte, daß ihm Gebieten der Bildung, Kinderbetreuung mit der nationalen Frage für unstatthaft das halbe Deutschland ganz lieber sei als und Arbeitsplatzsicherheit. halten. Allein der Begriff der Nation sollte das ganze Deutschland halb. Das erste, was die westdeutschen „Eliten“ ihres Erachtens der bürgerlich-konserva- Vereinigungspläne, wie sie z. B. in der taten, war die Rücknahme der unter dem tiven oder der offen faschistischen Reak- bekannten Stalin-Note anklangen, blie- Druck der Systemkonkurrenz der bundes- tion überlassen bleiben. Abgesehen davon, ben nach dem Willen der Westmächte deutschen Arbeiterklasse seit den 50er daß diese häufig unter der Flagge von auf der Strecke des Kalten Krieges. Ein Jahren gemachten sozialen Zugeständ- „Antideutschen“ segelnden Kräfte ande- Festhalten an ihnen seitens der UdSSR nisse. Warum sollte sie aus der Erbmasse rerseits selbst offen imperialistische und und der DDR mußte im weiteren Verlauf der DDR gerade das bewahren, was in rassistische Positionen beziehen, bleibt zwangsläufig als überholt erscheinen. Das schärfstem Gegensatz zu den in den Rang auch zu konstatieren, daß der National- internationale Kräfteverhältnis zwang einer Staatsreligion erhobenen neolibera- staat keine böswillige Erfindung darstellt, zur Umorientierung auf Sicherung des len Glaubenssätzen stand? sondern eine aufgrund historischer Gege- Bestehenden, d. h. die Stabilisierung und Genosse Krenz gibt seiner Zufrieden- benheiten gewachsene Formation ist. Daß Anerkennung der DDR. Erst die kapitu- heit darüber Ausdruck, daß nun nicht dieser in der uns jetzt bekannten Form lantenhafte Politik Gorbatschows und mehr ein Krieg Deutscher gegen Deutsche Ewigkeitsgeltung zukäme, kann nicht der Kollaps der Sowjetunion gaben der zu befürchten sei. Welcher vernünftige RotFuchs / November 2011 Seite 7

Mensch hätte sich so etwas wünschen Eine solche war seitens des Westens zu vom 18. März 1990, deren „Freiheit“ vor können? Tatsache ist aber auch, daß zur keinem Zeitpunkt angestrebt. Im günstig- allem darin bestand, unter einer beispiel- Zeit der vielbeklagten Teilung Deutsche sten Falle bedeutet eine Eheschließung, losen westdeutschen, d. h. ausländischen so wenig auf Deutsche schossen wie auf daß sich zwei Menschen, die einander Einmischung stattzufinden, reiste Bun- Serben und Afghanen! Die DDR lebte unter gut kennen, auf der Grundlage von Liebe, deskanzler Helmut Kohl im Stile eines dem Schutz der Sowjetmacht, was man Gleichberechtigung, Ehrlichkeit und Geschenke verteilenden Weihnachtsman- als Ausdruck begrenzter Souveränität des Respekt für ein gemeinsames Leben ent- nes durch die Lande und versprach den sozialistischen deutschen Staates auffas- scheiden. Taugt dieses Beispiel etwa für leider allzu begeisterten Menschen das sen kann. Betrachtet man aber die Zeit den Anschluß der DDR an die BRD? Wie Blaue vom Himmel. Was ist von einer Ehe von 1945 bis 1990 nüchtern und sachlich, weit es mit der im Westen jahrzehntelang zu halten, in die der eine „Partner“ den dann kann man den Satz unterschreiben: beschworenen Liebe zu den „Brüdern und anderen mit verlogenen Versprechungen Sowjetmacht ist (oder war) Friedensmacht! Schwestern in der Zone“ her war, konnte lockt? Kriege innerhalb und außerhalb von Eu- man bald erfahren, als es modern wurde, Mit Rücksicht auf alle verheirateten Ge- ropa mit deutscher Beteiligung wurden die Ostdeutschen als faule, lästige und nossinnen und Genossen möchte ich lieber erst später wieder führbar. undankbare Kostgänger herabzuwürdi- darauf verzichten, ein derartiges Schau- Zu dem von Egon Krenz bemühten Bild gen. Und die Ehrlichkeit? Im Vorfeld der spiel mit einer Ehe zu vergleichen. einer funktionierenden Ehe fällt mir ein: angeblich so „freien“ Volkskammerwahlen Erik Höhne, Neuß

Anpasser aus Passion Warum nennt Helmut Holter ein Flensburger Journal „meine Heimatzeitung“?

ie Landtagswahlen in Mecklenburg- ist ein ausgesprochenes Zeitschriften-Un- gesagt – „politische Nichtübereinstim- DVorpommern sind bereits Geschichte ternehmen mit über 300 Titeln in vielen mung“. Denn Sachlichkeit und ein aus- und ihre Resultate bekannt. Das Ziel der Ländern der Welt. Da stand es von Beginn gewogenes Urteil sind in den Spalten der Linkspartei, die stärkste Fraktion zu bil- an fest, daß er sich der SVZ über kurz SVZ heute nur noch selten anzutreffen. den, ist ebensowenig erreicht worden wie oder lang wieder entledigen würde. Andere Genossen lesen sie dennoch wei- Helmut Holters Ansinnen, Ministerprä- Als Käufer fand sich 2005 der Schleswig- ter, tun das aber „mit Kennerblick“. sident zu werden. Wahrscheinlich sucht Holstein-Zeitungsverlag aus Flensburg. Übrigens haben enorm viele Mecklen- man nun im Schweriner Landesvorstand Er richtete sogar eigens einen Schweri- burger seit 1990 nicht nur „ihre“ Zei- nach den Gründen der faktischen Nieder- ner Verlag ein. „Meine SVZ“ – wie Hol- tung aufgegeben, sondern auch ihre lage. Denn in das Honigfaß einer knappen ter die „Heimatzeitung“ vertraulich Heimat. Unter den auf der Suche nach prozentualen Zunahme ist der Teertrop- nennt – gehört also längst nach Schles- Arbeit Abgewanderten befinden sich fen des Verlustes von absolut 13 000 Wäh- wig-Holstein. Dort werden die Gewinne Journalisten, Drucker und andere mit lerstimmen gefallen. Zu Triumphalismus ausgeschüttet und verteilt. Das Blatt ist der Typographie verbundene Talente. besteht also kein Anlaß. „ein wenig“ teurer geworden: Inzwischen Dessenungeachtet lobt Holter seine „Hei- Im folgenden soll eine wahre Geschichte kostet ein Monats-Abo schlanke 22,95 € matzeitung“, was den Grad der Anpas- erzählt werden, die vielleicht manches – also rund 270 € im Jahr. sung an die „gegebenen Verhältnisse“ erklärt. Ganz locker hatte Helmut Holter Einem Spitzenpolitiker der Linkspartei reflektiert. in der Fernsehshow „DAS!“ zur Vorstel- sollte – so, wie die Dinge liegen – das Wort Summa summarum: Man kann sich lung der Spitzenkandidaten am 7. August „Heimatzeitung“ nicht so glatt über die schwer vorstellen, daß man mit dieser auf die Frage, wie er persönlich den Tag Lippen gehen. Ist dieses kapitalistische SVZ zu neuen Ufern gelangt. beginne, zu antworten gewußt: „Früh Blatt mit der entsprechenden Ausrich- Peter Pagel, Schwerin aufstehen, Radio an, NDR 1, Nachrichten tung tatsächlich Holters Lieblingspo- hören und dann gleich meine Heimatzei- stille? Das allein spräche Bände! tung, die SVZ, lesen.“ Ohne Zweifel gibt es heute ein weitaus Holter kennt die Geschichte der SVZ vielfältigeres Warenangebot und eine genau. Sie wurde 1946 als Organ der buntere Zeitungspalette als zu DDR-Zei- Liebe Grüße und Glückwünsche gehen gerade entstandenen SED gegründet und ten. Vieles hat sich verändert – auch die an den hochverdienten früheren Wis- teilte 1989 auch deren Schicksal. Sie war SVZ. Die „neue Umwelt“ und der Verlust marer Oberbürgermeister eine echte Heimatzeitung mit einer Auf- alter Gewohnheiten erzeugen bei nicht lage von über 200 000 Exemplaren und wenigen ehemaligen DDR-Bürgern „das Günter Lunow begleitete ihre Leser selbst in der Zeit des Lebensgefühl, sie seien Emigranten ohne aus Zierow, der am 12. November Untergangs der DDR, den manche irrtüm- Auswanderung“, meinte die Illustrierte sein 85. Lebensjahr vollendet. Günter, licherweise als Wende bezeichnen. „Stern“. Helmut Holter sieht das offen- der sich zu DDR-Zeiten als Staats- Die Redaktion spielte 1989/90 für kurze bar anders. Möglicherweise möchte er funktionär große Verdienste erwor- Zeit eine recht eigenständige Rolle. Doch sich den heutigen Eigentümern der SVZ ben hat, zeichnet sich besonders die PDS konnte sich eine Zeitung, die als „Partner mit Linkseinfluß“ andienen, durch Bescheidenheit und Volks- für monatlich 3 Mark der DDR frei Haus um künftig mehr Druckzeilen für sich geliefert wurde, nicht leisten. So geriet und seine Vorstellungen herauszuschin- verbundenheit aus. Hohe Achtung das Blatt bald in die Hände des berüch- den. Bei „gegenseitiger Rücksichtnahme“, genießt er auch als Vorsitzender der tigten Medienmagnaten Hubert Burda, versteht sich! RF-Regionalgruppe Mecklenburg- dessen international operierender Kon- Viele Genossen der Linkspartei haben Vorpommern/Nordwest. zern 2010 einen Umsatz von 1,7 Milliar- in den letzten Jahren diese Zeitung Sei herzlich umarmt, lieber Freund! den Euro erzielte. Der Burda-Verlag aber abbestellt. Der Grund war – gelinde Seite 8 RotFuchs / November 2011

Das kleine Blatt am Großen Moor Wie ein früherer Druckereimeister der SVZ Schwerinern die Augen öffnet

Alle 14 Tage hängt Rainer Stankiewitz in mögen dies anders sehen, das Volk jedoch reformierbar sind und welche nicht. Ein seinem Fenster den „Seelenstorm“ aus. nicht. Ansonsten bliebe es ja nicht der bißchen mitregieren, ein wenig vom gro- Man sieht das eindrucksvoll gestaltete Wahl fern. ßen Kuchen essen, leben und leben lassen, kleine und großforma- wird am Ende Wähler tige Blatt nicht nur dort, eher verprellen. sondern auch an einer Was ist wirklich nötig, „Säule für Demokratie um eine ausgewogene und Menschenrechte“ Gesellschaft zu etablie- vor dem Hauptpostamt ren, an der alle Men- auf der dichtbevölkerten schen Teilhabe finden? Schweriner Flaniermeile. Wir müssen das jetzige Der jederzeit parteilose System gegen ein besseres Herausgeber und Autor ersetzen. Was übrigens war Meister in der Druc- durchaus grundgesetz- kerei der „Schweriner konform ist. Nicht daß Volkszeitung“ und ist Eine Initiative, die Aufsehen erregt einer denkt, nun müsse heute Hartz-IV-Empfän- die DDR zurück! Obwohl ger. Inzwischen brodelt auch in Mecklenburg- – wir finden in diesem gescholtenen soge- Vorpommern ein mächtiger Kessel vol- nannten Unrechtsstaat viele Momente, die tellt euch vor, es ist Wahl und keiner ler Unmut, in dem der Zorn jener Leute ich mir auch in einer neuen Gesellschaft Sgeht hin. Dieses Mal raffte sich noch Druck aufbaut, die partout nicht zur Wahl wünsche. jeder zweite Mecklenburger und Vorpom- gehen wollen. Irgendwann könnte alles Manche kommen ohnehin wieder durch die mer auf. Wie mag es bloß in fünf Jahren explodieren. Die SPD – das hat sie immer Hintertür hereinspaziert, mit dem Gütesie- aussehen? Ist es dann nur noch jeder gemacht – schraubt schnell ein Ventil in gel „garantiert freiheitlich“. Dritte? Und wenn es so wäre: Aber auch mit der Freiheit ist Zum Regieren reichte auch, das so eine Sache. Wenn es an ließen sich lediglich ein paar den Speck der globalisierten Bedienstete der Staatskanzlei Finanzbeschaffung für wenige an der Wahlurne blicken oder Auserwählte geht, ist Schluß mit der eine oder andere im Dienst lustig. Dann ist eben mal Dikta- der Kirche stehende Pfaffe. Das tur angesagt. Wer in den Lissa- Volk soll ja, darf ja, aber muß bonner Verträgen blättert, dem ja nicht wählen. Wenn es nicht Die Nichtwähler sind in M-V die größte Partei kann angst und bange werden. will – nun, es wird niemand Demokratie und Kapital vertra- gezwungen. Aber regiert werden muß das den Kessel und läßt ein wenig Überdruck gen sich nicht. Bislang siegte immer einer. Land schließlich! heraus. Dann geht es erst einmal wieder. Daß dies weiter so bleibt, dafür steht auch Die Regierung regiert. In welcher Farbe Vielleicht haben das die Mecklenburger die Regierung in Mecklenburg, die einige sie gerade schillert, ist nicht so wichtig. erkannt und sagen: Rutscht mir doch den von uns gerade gewählt haben. Die Folgen Einige sagen, wir haben wieder eine Ein- Buckel runter! Vielleicht sind sie sogar an sind absehbar, Prognosen für viele Meck- heitspartei: ein rot-schwarz-grün-gelb der Gestaltung ihres Landes sehr inter- lenburger sind eher düster. Eindeutige Indi- gefiederter Vogel hält seine müden Fitti- essiert, könnten aber vermuten, daß ihr katoren sprechen dafür, daß Ängste der che über das Land gebreitet und behütet Engagement gegen eine Mauer des Wei- Menschen vor Verelendung nicht unbegrün- träge Paragraph 1 der alten mecklenbur- terso prallt und sie selbst eigentlich im det sind. Vielleicht ziehen sich diese Men- gischen Landesverfassung: Dat bliwwt Fluß einträglicher Regierungsgewohn- schen deswegen enttäuscht in ihre Nischen allens so, as dat west is. heiten stören. Vielleicht bleiben sie des- zurück, weil sie erkannt haben, wem ihre Die schöne Ministerin Schwesig oder den wegen weg. Politiker tatsächlich dienen. Zweifellos der smarten Ministerpräsidenten Sellering Es kann doch nun wirklich niemand mehr falsche Weg, um seiner Desillusionierung und den rustikalen Herrn Caffier scheint übersehen, wie viele Menschen dieses Ausdruck zu verleihen, aber den Regieren- es nicht zu stören, daß sie nur ein paar kapitalistische System produziert, die den anscheinend höchst willkommen. Hanseln vertreten. Sie verrichten auch in nicht mehr ihrer verbrieften Würde ent- Diese Ignoranz ist es, gepaart mit Hoch- Zukunft ihr Werk, immer mit einem mun- sprechend leben können. Die nicht mehr mut, die den Kessel des Zorns weiter befeu- teren Auge darauf gerichtet, daß ihnen nie- zur Wahl Gehenden brauchen nur in die ern wird. Wie lange geht das noch gut? mand etwas wegnimmt. Aber mich stört es kalten Gesichter mancher Staatsdiener zu Rainer Stankiewitz gewaltig, daß die Hälfte meiner Mitbürger blicken, um zu erkennen: Hier gehören wir sich abwendet vom politischen Gesche- nicht mehr hin, unser Revier ist die Sup- hen. Was treibt sie zurück in die Nischen, penküche. Vielleicht gehen sie deswegen Am 5. November um 10 Uhr findet aus denen sie vor ein paar Jahren elan- nicht wählen. in Chemnitz, Rothaus, Lohstraße 2 voll herausgestürmt kamen? Diese Frage Es ist auch schade um „Die Linke“. Doch (Getreidemarkt), eine Veranstaltung der stelle ich mir besorgt und versuche Ant- solange dort Leute meinen, sie bräuchten RF-Regionalgruppe Chemnitz-Zwickau- worten zu finden. den Kapitalisten nur ein paar Dukaten Plauen mit Oberst a. D. Klaus Eichner Die regierende SPD meint, MV tue gut aus dem Beutel zu schneiden und schon statt. Er spricht über das Thema und man sei auf gutem Weg. In ihrer wäre soziale Ausgewogenheit erreicht, Aktuelle Probleme des Kampfes Geschichte war die SPD immer auf gutem werden sich ihre Stimmenanteile dau- gegen Geschichtsfälscher, für die Weg. Nur ist sie selten angekommen; 1918 erhaft verringern. Linke sollten wissen, historische Wahrheit nicht und 1933 auch nicht. Die Funktionäre welche gesellschaftlichen Verhältnisse RotFuchs / November 2011 Seite 9

Unikat totalitärer Geschichtsbetrachtung Das Hannah-Arendt-Institut zählt zur Vorhut der Brunnenvergifter

nter den etwa 100 Instituten und Stif- Giftmord an Sachsens früherem Minister- seriösen „Diktaturen“-Vergleich selbstver- U tungen, die mit der „Erforschung“ von präsidenten Dr. Friedrichs erfunden, den ständlich sein müßte, stieß er auf hefti- Politik und Geschichte der vor 21 Jahren Innenminister Dr. Kurt Fischer im Juni gen Protest. Der CDU-Abgeordnete Arnold untergegangenen DDR ihre Daseinsbe- 1947 begangen haben sollte. Vaatz und der Politologe Prof. Dr. Werner rechtigung nachweisen wollen, nimmt Besonders verwerflich: Bereits vor dem Patzelt, der selbst in den Führungsgre- das Dresdner Hannah-Arendt-Institut für Druck wußten die Verfasser, daß der mien des Hannah-Arendt-Instituts Sitz Totalitarismusforschung einen besonde- und Stimme hat, schossen in den Medien ren Platz ein: Es wurde am 17. Juni 1993 vergiftete Pfeile ab. Sie hielten eine „Kurs- als Unikat und Ziehkind der sächsischen änderung“ für gefährlich, weil die „DDR- CDU gegründet. Ministerpräsident Kurt Forschung“ darunter leiden würde. Biedenkopf stand Pate, Helmut Kohl fei- Heydemann führte zu seiner Verteidi- erte die Verdienste des Instituts an des- gung an, bisher hätten mehr als 70 % aller sen zehntem Geburtstag. Mitarbeiter des Publikationen des Instituts die Abrech- Instituts erfüllen Aufträge, die nichts mit nung mit der DDR zum Inhalt gehabt. An Wissenschaft zu tun haben. Wiederholt dieser Stelle müßte eigentlich eine Ana- erschütterten Skandale das Institut, die lyse der über 160 vorliegenden Buchpu- zu Landtagsdebatten führten, u. a. bei blikationen versucht werden. Das ist aus der Ablösung der früheren Direktoren Platzgründen nicht möglich. Eine Kost- Prof. Dr. Klaus-Dietmar Henke und Prof. probe habe ich zu den „Arbeiten“ Richters Dr. Gerhard Besier. gegeben. „RotFuchs“-Leser kennen über- Das Institut segelt unter falscher Flagge. dies die schändliche Behandlung Man- Hannah Arendt hat die DDR nie als „tota- fred von Ardennes durch einen Autor des litäre Diktatur“ betrachtet. Das entdeckte Hannah-Arendt-Instituts. sogar Prof. Dr. Henke. Unter Verweis auf Die Bilanz des Jahres 2010 besteht aus sie machte er die Totalitarismusforscher sechs Monographien und der Herausgabe Backes, Jesse und andere darauf aufmerk- von fünf Büchern. Alle hätten auch ohne sam: „Bei kanonischer Auslegung der das Hannah-Arendt-Institut geschrie- Totalitarismus-Vorstellung von Hannah ben werden können. So „Das Präsidium Arendt müßte ein Hannah-Arendt-Insti- der Landesverwaltung Sachsen“ oder der tut für Totalitarismusforschung von der Zum 9. November 2011: Der Heldenkanzler Bericht einer von der Stadt eingesetz- Erforschung des Honecker-Mielke-Sozia- ten Kommission „Die Zerstörung Dres- Die diplomierte Malerin und Pressezeichnerin lismus gänzlich Abstand nehmen.“ Henke dens 13.–15. Februar 1945“. Insgesamt Heide Kramer aus Hannover übersandte uns folgerte: „Der Vergleich von SED-Staatsso- ihre Grafik aus dem Jahre 1987. ist nichts dabei, was man nicht auch zialismus und Nationalsozialismus – ist an anderen Geschichtsinstituten hätte ... in erster Linie Ressourcenvergeudung, untersuchen können. Außer der Rufschä- denn niemand ist, wenig überraschend, „Giftmord“ ein tragischer Herztod war. digung für die Historiker-Gilde muß auch dazu in der Lage darzulegen, welche Richter avancierte zum Hofhistoriker der finanzielle Schaden bedacht werden, Erkenntnisse uns über die NS-Zeit bzw. bestimmter „Wende“-Politiker in der für den der Freistaat Sachsen, also der die DDR ohne deren Vergleich bisher ver- CDU. Steuerzahler, in Regreß genommen wird. schlossen blieben.“ 2009 erblickte „Die Friedliche Revolution“ Denn im Haushalt sind für das Hannah- Ich konzentriere mich im folgenden auf das Licht der Welt. Dieses zweibändige Arendt-Institut stattliche Summen „ein- Auseinandersetzungen in jüngster Ver- Elaborat wurde von Stanislaw Tillich gestellt“: 2010 waren es 1336,4 Mio. Euro, gangenheit. vorgestellt und allen Lehrern wärmstens 2011 sind es 1336,4 Mio. Euro und 2012 Bis 2010 galt Dr. Michael Richter als eines empfohlen. Bundespräsident Horst Köh- werden es 1335,5 Mio. Euro sein. der feurigsten Pferde im Institutsstall. ler setzte sich bei der Verwendung des Wer überdies den moralischen Schaden, Er hatte Anfang der 80er Jahre in der Buches allerdings in die Nesseln. Am den das Hannah-Arendt-Institut der DDR Philosophie und Theologie studiert 9. Oktober 2009 beschwor er bei seiner Geschichtswissenschaft und dem „Zusam- und war dann 1982 in den Westen gegan- Festrede in Leipzig ein Horrorszenarium, menwachsen der Deutschen“ zugefügt gen. 1990 tauchte er im Umfeld der Kon- das sich Richter ausgedacht hatte. Das hat, in Erwägung zieht, könnte sich dem rad-Adenauer-Stiftung auf. Er besaß von brachte ihn in arge Bedrängnis. Aber Urteil Alan Poseners anschließen, der Beginn an mächtige Mäzene. Schon am noch deckte der Direktor des Hannah- einen Beitrag in der „Welt“ mit dem Titel 5. Dezember 1990 stellte Lothar de Mai- Arendt-Instituts seinen scheinbar uner- versah: „Nicht in ihrem Namen! Zeit für zière Richters Arbeit über die Geschichte setzlichen Paladin. den Schlußstrich. Das Hannah-Arendt- der Ost-CDU vor. Seither bestimmen des- Die Lage für diesen änderte sich indes Institut hat seine Glaubwürdigkeit ver- sen Wertungen weitgehend das über diese dramatisch, als am 18. November 2010 im spielt.“ Prof. Dr. Horst Schneider Blockpartei verbreitete Bild. MDR, kurz danach in der „Welt“ und ande- Richter etablierte sich nach Gründung ren Zeitungen darüber berichtet wurde, des Hannah-Arendt-Instituts in Dres- daß Dr. Michael Richter ein „Stasi-Spit- den. 1998 veröffentlichte er (mit Mike zel“ gewesen sei. Das war unverzeihlich. Am 8. November um 14 Uhr spricht Prof. Schmeitzner) das Buch mit dem langen Richter wurde entlassen. Dr. Christa Luft auf einer Veranstaltung Titel „Einer von beiden muß so bald als Zu Jahresbeginn 2011 äußerte sich Direk- der RF-Regionalgruppe Mecklenburg- möglich entfernt werden“. Dabei handelte tor Prof. Dr. Heydemann wiederholt über Vorpommern/Nordwest in der Begeg- es sich um eine Auftragsarbeit Kurt Bie- die künftige Arbeit des Instituts. Dabei nungsstätte der Volkssolidarität Wismar, denkopfs, der bei der Präsentation des wurde ein Tätigkeitsbericht für 2010 Hanno-Günther-Str. 6, über das Thema Machwerkes neben den Autoren saß, deren veröffentlicht. Heydemann schlug vor, Der Kapitalismus ist nicht das „Arbeit“ pries und prämierte. Auf 318 Sei- künftig auch die Nazi-Zeit stärker zu letzte Wort der Geschichte ten hatten Richter und Schmeitzner einen berücksichtigen. Obwohl das bei einem Seite 10 RotFuchs / November 2011

Nach dem Preußen-Finale vor 65 Jahren Wer den „Alten Fritz“ noch immer zur Lichtgestalt verklärt

m Jahresbeginn 2012 sollte man sich die „menschlichen Züge des alten Fritz“, im Schullesebuch auf den „gerechten, sein A zweier bedeutsamer Ereignisse der die von den Folgegenerationen weiterge- Vaterland verteidigenden, die Feinde ver- deutsch-preußischen Geschichte erinnern. geben worden seien und in der Erinnerung treibenden Helden, den alten Fritz“. Die Am 25. Februar 1947, also vor knapp 65 bewahrt werden müßten. (Eine ähnliche Realität waren Kriege, Hunger, Soziali- Jahren, verkündeten die vier Siegermächte Verklärung hat übrigens auch Königin stengesetz und letztlich der faschistische des 2. Weltkrieges das Kontrollratsgesetz Luise von Preußen zu ihrem 200. Todes- Völkermord. Hitler und Goebbels versuch- 46 zur Auflösung des Preußischen Staates. tag erfahren.) ten, den „großen König“ noch am Ende Sie waren der einmütigen Überzeugung, In solcher Empfänglichkeit für stark idea- ihrer Schreckensherrschaft „für Deutsch- daß „Preußen seit jeher Träger des Mili- lisierte preußische Traditionen gab und land reiten zu lassen“. tarismus und der Reaktion in Deutsch- gibt es scheinbar keine Klassenschranken. Der Legendenbildung um Preußen tra- land“ gewesen ist.Seine Liquidierung als Die friderizianische Innenpolitik wird als ten Marx und Engels, Franz Mehring und Staat erfolgte im „Interesse des Friedens, Beispiel sozialer Harmonie verklärt. Man Karl Liebknecht frühzeitig in dem Wis- der Sicherheit und der Wiederherstellung bedient damit auch pseudopatriotische sen entgegen, daß der Sturz der Klassen- des politischen Lebens auf demokrati- Haltungen und antidemokratische Gefühle. herrschaft des Kapitals in Deutschland scher Grundlage“. Der preußische Mili- Nicht zufällig wird jede aktuelle Hochzeit das Verschwinden Preußens vorausset- tarismus, die von ihm ausgelösten Kriege, in Königs- und Fürstenhäusern mit Hilfe zen würde.Die Art und Weise der preu- insbesondere die beiden großen Massa- der Medien zu einem gesellschaftspoli- ßisch dominierten Reichsgründung 1871, ker des 20. Jahrhunderts, veranlaßten tischen Orientierungslauf hochstilisiert. der „Verpreußung“ Deutschlands haben die Alliierten der Antihitlerkoalition zu In langen TV-Sendungen macht man Mon- sie dazu veranlaßt. Siege in diesem Kampf diesem signifikanten und nachhaltigen archen und Adel zu „Lenkern in schwerer waren der Kieler Matrosenaufstand, die Schritt. Ziel war nicht zuletzt die Ausmer- See“. Beinahe wäre es mit Herrn zu Gut- Novemberrevolution von 1918, der Kampf zung der Macht der ostelbischen Junker, tenberg gelungen, eine solche „Lichtge- gegen Fürstenabfindung und Panzerkreu- die Beseitigung ihrer Dominanz in Politik stalt“ zu inszenieren. zerbau. Der sichtbarste Triumph aber war und Militär sowie die Überwindung des Demgegenüber ist es ein wesentliches die Beseitigung der Grundlagen Preußens preußischen politischen Ungeistes auf Anliegen kritisch-sozialistischer Rezep- auf dem Boden der DDR. Dauer. Das dazu erlassene Gesetz befand tion, die Person Friedrichs II. und Preußen Demgegenüber sei daran erinnert, daß der sich in voller Übereinstimmung mit dem in die deutsche Gesamtgeschichte einzu- seinerzeitige BRD-Kanzler Helmut Kohl Potsdamer Abkommen. Angesichts der ordnen, um deren Rolle im historischen bereits kurz nach der Annexion der DDR unermeßlichen Menschenopfer in den vie- Prozeß zu erkennen. durch die BRD im August 1991 die Umbet- len preußischen Kriegen führte es den Friedrich II. war ein von aggressivem tung der sterblichen Überreste Friedrichs Niedergang Preußens kompromißlos zu Großmachtstreben beseelter Monarch. Er II. sowie der Skelette seiner Windhunde in Ende. Nicht allein einer der wechselnden vertrat die Ideologie des Erstschlages und den Park von Sanssouci veranlaßte. In die Herrscher – von Wilhelm II. und Bismarck griff nur solche fortschrittlichen Ideen auf, Kette solcher symbolischen Akte gehört bis zu Hitler und Göring – wurde geäch- die er zur Sicherung der feudalen Verhält- auch die Diskussion um ein einheitliches tet, sondern das System Preußen in sei- nisse einsetzen konnte. Er war ein intelli- Bundesland aus Berlin und Brandenburg ner Gesamtheit. genter Feldherr, ein engagierter Musiker, als „Preußen“. Auf den 24. Januar 2012 fällt ein völlig mit zunehmendem Alter aber auch ein aus- Es zeigt sich, daß in unseren Tagen ein anders geartetes Jubiläum: der 300. Ge- gesprochener Menschenverächter. Fried- aktives Zusammengehen aller demokra- burtstag Friedrichs II. Dieser war ohne rich II. erwies sich letztlich als ein König tischen Kräfte, die sich dem deutschen Frage eine herausragende Persönlich- des Übergangs im Vorfeld der Französi- Imperialismus widersetzen, dringend keit der deutschen Geschichte und in der schen Revolution sowie der Niederlage erforderlich ist. Dazu gehört auch der Kette preußischer Staatslenker von 1600 von Jena und Auerstädt. Gerade hier erlitt Widerstand gegen eine Reanimation Preu- bis 1947. Friedrichs Preußen dann ein Fiasko. ßens. Zugleich gilt es, sich einer Simplifi- Deutschlands bürgerliche Rechte haben Ein Volk sucht sich seine Geschichte zierung der preußischen Geschichte und den Preußenbezug nach dem Tode Fried- nicht aus. Sie ist Gewesenes und Unwie- der historischen Gestalt Friedrichs II. zu richs II. besonders in Krisensituationen derbringliches. Preußen gehört zu unse- erwehren. Eine solide Basis ist und bleibt aufgegriffen. Sie verweisen dann mit rer Vergangenheit. Das Stadtbild Berlins dabei das vor fast 65 Jahren in Kraft getre- besonderer Vorliebe auf die „glorreichen beweist es. Die Betrachtung preußischer tene Gesetz zur Auflösung Preußens. preußischen Traditionen“ als „konser- Geschichte führte und führt aus sozia- Ingo Hähnel, Berlin vatives Leitbild gegen Werteverfall und listischer Sicht keineswegs zur Identi- Orientierungslosigkeit“. Diese Diskus- fikation mit ihr. Die Traditionspflege in sion findet heute besonders am rechten der DDR stützte sich gerade auf solche Rand der CDU statt. Solche Kräfte ver- Werte, die bei der Überwindung des fri- Bereits am 1. September verstarb suchen derzeit abermals einen Rückgriff derizianisch-preußischen Staates nach unser langjähriger Leser, das Mit- auf scheinbare Erfolgsrezepte: Die unter 1806 in Deutschland und Brandenburg glied des RF-Fördervereins Friedrich II. angestrebten Maximen – z. B. entstanden. Der sozialistische Staat bezog Effizienz und Unbestechlichkeit der Beam- sich vor allem auf das Preußen solcher Paul Pohland tenschaft, moderne, zeitgemäße Verwal- Reformer wie Stein-Hardenberg, die anti- aus Oelsnitz/V. im Alter von 88 tung, relativ hohe Bildungsrate, religiöse napoleonischen Befreiungskriege und die Jahren. Ein bewußter DDR-Bürger Toleranz oder das „Eintreten für den klei- demokratischen Kräfte der 48er Revolu- und Sozialist, erwarb er sich u. a. nen Mann“ – werden dabei mit Eifer her- tion. Die DDR war demzufolge nicht – wie als Dozent an der Musikhochschule vorgehoben. Man stellt Friedrich II. als von ihren Gegnern behauptet wird – das „Franz Liszt“, Weimar, und als einen nachahmenswerten, „aufgeklärten „Land der roten Preußen“. Direktor der Musikschule Glauchau Monarchen“ dar. Er habe Wege eingeschla- Die revolutionäre deutsche Arbeiterbe- große Verdienste. Wir drücken gen, auf denen die Rechten in der BRD nur wegung hat einen langen und oft erfolg- seinen Angehörigen unser Mitge- allzugerne weiterwandeln möchten. Die reichen Kampf gegen den preußisch-deut- fühl aus. Huldigungen beziehen sich vor allem auf schen Militarismus geführt. Sie traf nur RotFuchs / November 2011 Seite 11

Die imperialen Pläne Wilhelms II. Von der „Hunnenrede“ zum „Panthersprung nach Agadir“

m 14. Juni 1941 starb der letzte deut- Kolonialpolitik mag den Interessen des Erzherzog Ferdinand in Sarajevo erreichte. Asche Kaiser und preußische König Wil- großkapitalistischen Unternehmertums Nach Potsdam zurückgekehrt, lag ihm am helm II., Enkel von Wilhelm I., der nicht dienen, dem Vaterland, dem Proletariat 3. Juli der Bericht des deutschen Botschaf- nur als „Kartätschenprinz“ bei der Nieder- bürdet sie nur Lasten auf.“ ters Heinrich von Tschirschky vor. Des- metzelung der deutschen Revolutionäre Der rücksichtslose Land- und Viehraub sen Mitteilung, er höre in Wien, auch bei von 1848/49 unrühmlich in die Geschichte sowie die Vergewaltigung einheimischer ernsten Leuten, vielfach den Wunsch, „es eingegangen ist, im niederländischen Exil. Frauen hatten 1904 zum Aufstand der müsse einmal gründlich mit den Serben Dieses Ereignis vor rund 70 Jahren wäre Hereros in der deutschen Kolonie Süd- abgerechnet werden“, versah der Kaiser allerdings nicht erwähnenswert, wenn es westafrika geführt. Nach der Schlacht am mit der Randbemerkung „Jetzt oder nie!“ nicht am 27. August das „Preußenspekta- Waterberg drängten die deutschen Kolo- Da Tschirschky aber auch vor übereilten kel“ gegeben hätte: die Hochzeit des Urur- nialsöldner einen Teil der Hereros in die Schritten warnte, fragte er empört: „Wer enkels in Potsdam. wasserlose Kalahariwüste, wo Zehntau- hat ihn dazu ermächtigt? Tschirschky soll Wilhelm wurde am 27. Januar 1859 in Pots- sende von Männern, Frauen und Kindern den Unsinn gefälligst lassen! Mit den Ser- dam geboren und war seit 1888 deutscher ums Leben kamen. Ein auf deutscher Seite ben muß aufgeräumt werden, und zwar Kaiser und preußischer König. Seine Politik kämpfender Afrikaner sagte unter Eid aus: bald!“ Wilhelm II. trug so die Mitverant- war durch Reaktion im Innern und Aggres- „Als das Gefecht vorüber war, entdeckten wortung für alle deutschen Verbrechen sivität nach außen geprägt. wir acht oder neun Frauen, die zurückge- während des Krieges, auch wenn die von Bei der Verabschiedung des deutschen lassen worden waren. Einige von ihnen ihm 1916 eingesetzte III. Oberste Heeres- Expeditionskorps zur Niederschlagung des waren blind. Wasser und Nahrung hat- leitung mit Hindenburg und Ludendorff Volksaufstandes der Yehetuan in China am ten sie noch. Die Deutschen haben sie bei faktisch eine Militärdiktatur in Deutsch- 27. Juni 1900 in Bremerhaven forderte er in lebendigem Leibe in der Hütte, in der sie land errichtete. einer Rede zu unerhörter Grausamkeit auf: lagen, verbrannt.“ Am 9. November 1918 gab Reichskanzler „Pardon wird nicht gegeben! Gefangene wer- Anfang Oktober 1904 erhoben sich unter Max von Baden von sich aus die Abdan- den nicht gemacht! Wer Euch in die Hände Führung von Hendrik Witboois auch die kung und den Thronverzicht Wilhelms II. fällt, sei Euch verfallen! Wie vor 1000 Jah- Nama (Hottentotten). Der Aufstand konnte bekannt, den dieser kurz danach akzep- ren die Hunnen sich einen Namen gemacht erst 1908 niedergeschlagen werden. tierte. haben, der sie noch jetzt gewaltig erschei- Mit dem „Marokkohandel“ war die pro- Die Weimarer Verfassung hob 1919 den Adel nen läßt, so möge der Name Deutscher in vokatorische Landung Wilhelms II. am als Stand auf. Das gilt bis heute. Adelstitel China auf 1000 Jahre durch Euch in einer 31. März 1905 in Tanger gemeint, die einen sind höchstens noch Teil des Namens. Das Weise bestätigt werden, daß niemals wie- internationalen Konflikt heraufbeschwor. ganze Gerede vom sogenannten deutschen der ein Chinese es wagt, einen Deutschen Marokkos Reichtum an Bodenschätzen und Hochadel ist also leeres Geschwätz. auch nur scheel anzusehen!“ seine günstige strategische Lage ließen das Dr. Kurt Laser, Berlin Generalleutnant Helmuth von Moltke Land zu einem heißumkämpften Objekt der schrieb am 11. Juli 1900 an seine Frau: „Auf Großmächte werden. Als Frankreich im das eigentlich treibende Motiv der Expe- Bündnis mit Spanien und Italien daranging, dition muß man freilich nicht eingehen, seine kolonialen Pläne zu verwirklichen, denn wenn wir ganz ehrlich sein wollen, entbrannte der offene Kampf. Deutsch- ist es Geldgier, die uns bewogen hat, den land kam ihm ins Gehege. In einer Flug- großen chinesischen Kuchen anzuschnei- schrift des Alldeutschen Verbandes wurde den. Wir wollten Geld verdienen, Eisen- 1904 auf die Frage, ob wegen Marokko ein bahnen bauen, Bergwerke in Betrieb setzen, Krieg geführt werden solle, geantwor- europäische Kultur bringen, das heißt in tet: „Wenn gar nichts weiter übrig bliebe, einem Wort ausgedrückt, Geld verdienen.“ dann ja! Tausendmal ja!“ Doch Anfang 1906 Für das deutsche Großkapital, dem der wurde Deutschland auf der Konferenz von Kaiser diente, ging es um den „Platz an Algeciras gezwungen, seine aggressiven der Sonne“. Absichten in bezug auf Marokko zunächst Die Chinesen sind heute höflich genug, die aufzugeben. Bundeskanzlerin nicht an die deutschen Als Frankreich 1911 die Städte Fes und Untaten von damals zu erinnern, wenn sie Meknes besetzte, entsandte Deutschland Menschenrechte in anderen Ländern ein- provokatorisch das Kanonenboot „Pan- klagen will, statt sich um diese im eigenen ther“ in den südmarokkanischen Hafen Land zu kümmern. Agadir. Der „Panthersprung nach Agadir“ Am 22. September 1906 zitierte Karl Lieb- löste die zweite Marokkokrise aus, in der knecht in einem in der Zeitschrift „Die junge Deutschland jedoch außenpolitisch wei- Garde“ erschienenen Artikel „Rekrutenab- terhin isoliert war. Bei Wahrung eigener schied“ den Kaiser mit den Worten: „Auf wirtschaftlicher Interessen erkannte die Vater und Mutter, Bruder und Schwester kaiserliche Berliner Regierung daher den sollt ihr nach Kommando schießen.“ Und Protektoratsvertrag mit Frankreich an, er fragte: „Fürs Vaterland?“, um hinzu- den der Sultan von Marokko unterzeichnen zufügen: „Denkt an unsere chinesischen mußte. Der Völkerbrand war noch einmal Heldentaten, an die Kämpfe in den afri- vertagt worden. kanischen Kolonien, an den Marokkohan- Auch am Ausbruch des Ersten Weltkrieges del, der drauf und dran war, Deutschland hatte Wilhelm II. wesentlichen Anteil. Er in einen Weltkrieg zu verwickeln, Mord beteiligte sich am 30. Juni 1914 wie all- und Brand über Europa zu breiten. Was jährlich an der Segelregatta auf der Kieler hatte das mit dem Schutz des Vaterlandes Förde, als ihn die Nachricht von der Ermor- zu tun? Die großmannssüchtige Welt- und dung des österreichischen Thronfolgers Seite 12 RotFuchs / November 2011

Eine „Schere im Kopf“

ilm- und Fernsehdokumentationen kön- seien die einzigen gewesen, die gegen Hit- Machart mit äußerstem Mißtrauen be- Fnen dazu dienen, historisches Geschehen lers Ermächtigungsgesetz gestimmt hät- gegnet? durch Faktengenauigkeit und authentische ten. In einem Falle wird das Bekenntnis Der historischen Wahrheit zuliebe wäre es Zeitzeugenberichte lebendig zu machen, des damaligen SPD-Vorsitzenden Otto Wels doch sicher nicht zuviel verlangt gewesen, Ereignisse zu erklären, Ursachen und zitiert: „Das Leben können Sie mir nehmen, wenigstens eine Anmerkung hinzuzufügen, Absichten der Akteure zu verdeutlichen. die Ehre nicht!“ daß die Kommunisten durch brutale Gewalt, Leider sind sie immer den politischen Vor- Doch waren die Sozialdemokraten tatsäch- drakonische Verfolgung, Inhaftierung etli- stellungen und Erkenntnissen der jeweili- lich die einzigen, die sich damals zur Wehr cher Abgeordneter sowie den bereits einset- gen Produzenten unterworfen. Ich meine setzten? Wie hatten denn die Kommunisten zenden Massenmord – Zehntausende ihrer hier nicht nur die Urheber offensichtlicher abgestimmt? Immerhin waren der Par- Genossen überlebten den Terror von SA, SS Geschichtsfälschungen, bei denen man auf tei Ernst Thälmanns bei den ersten (und und Gestapo zwischen 1933 und 1945 nicht Anhieb die Handschrift der Sieger erkennt, letzten) Wahlen unter Hitler im März 1933 – daran gehindert wurden, ihre Reichstags- sondern auch die um Wahrheit Bemühten, noch 81 Mandate zugefallen! Die eine der mandate wahrzunehmen. deren „Schere im Kopf“ sie daran hindert, beiden erwähnten Dokumentationen über- Und hätte es dem nur in dieser einen Minute diese uneingeschränkt darzustellen. ging diese Frage mit Stillschweigen, in der mutigen Otto Wels nicht gut zu Gesicht Als jemand, der deutscher Geschichte auf anderen hieß es süffisant: „Die Kommuni- gestanden, die brutale Jagd auf in den den Grund gehen will, verfolge ich eifrig sten waren abwesend.“ Abwesend? Feierten Reichstag gewählte kommunistische Abge- jene Dokumentationen, welche historische die Roten etwa gerade einen blauen Mon- ordnetenkollegen wenigstens zu mißbil- Abläufe betreffen. tag, oder hatten sie einfach keinen Bock ligen? Seine Fraktion war auf Grund des Nehmen wir nur das am 24. März 1933 im aufs Parlament, fuhren kurz mal ins Grüne faschistischen Terrors ebenfalls bereits deutschen Reichstag durchgepeitschte zum Hämmern und Sicheln? geschwächt. So muß Otto Wels eigentlich „Gesetz zur Behebung der Not von Volk Im „Volksbrockhaus“ von 1934, also zu einer klar gewesen sein, daß auf Sozialdemo- und Staat“, besser und wahrhaftiger als Zeit, als schon in faschistischer Ideolo- kraten wie Kommunisten nur Zuchthaus „Ermächtigungsgesetz“ bezeichnet. Es stand gie gebadet wurde, steht zum Stichwort und Lagerhaft, ja oft genug auch der Tod am Beginn der faschistischen Schreckens- „Reichstag“ der ebenso lapidare wie zyni- zukommen würden. Es ging also ums nackte herrschaft in Deutschland. Das „Gesetz“ sche Satz: „Die Kommunisten kamen nicht Überleben! Die Ehre aber, auf die sich der wurde von eben jenem Reichstag mit Mehr- zur Ausübung der Mandate.“ Die Gründe SPD-Vorsitzende bezog, würden die braunen heit beschlossen, der sich damit selbst ihrer Abwesenheit wurden abermals ver- und schwarzen Horden mit Füßen treten. abschaffte. Ein ungeheuerlicher Vorgang! schwiegen, so daß Bequemlichkeit oder Nur wenige Tage nach der letzten Reichs- In zwei offensichtlich voneinander unab- eine Familienfeier angenommen werden tagssitzung mußte sich Otto Wels vor den hängigen Fernsehdokumentationen wurde könnten. Ist es da ein Wunder, wenn man Faschisten ins Exil retten. jüngst hervorgehoben, die Sozialdemokraten den „gängigen“ Dokumentationen solcher Heinz Ehrenfeld, z. Zt. Kreta

Marxismus für Einsteiger Mehrwert

nde November 1857 ertappt Karl Marx die künftige Bereitstellung von Arbeiten- größeren Mehrwert herauszupressen. Die- Edie Mehrwerträuber auf frischer Tat. den und die Aufrechterhaltung kapitalisti- ser Zwang verschärft sich unter den heu- Er enthüllt das spezielle Entwicklungs- scher Zustände zwingend erforderlich ist. tigen Bedingungen der „Globalisierung“. gesetz der kapitalistischen Gesellschaft Die Mehrarbeit in den restlichen Arbeits- Wo er kann, verlängert der Kapitalist die und verwandelt dadurch den historischen stunden eignet er sich ohne Gegenleistung Arbeitszeit, um den ihm kostenlos zufal- Materialismus endgültig aus einer genialen an. lenden Anteil zu erhöhen. Vor allem jedoch wissenschaftlichen Hypothese in eine auch Geld wird erst zu Kapital, wenn es in der Pro- zwingt er die Lohnabhängigen zu höherer ökonomisch unterlegte Theorie. duktion mit dem Ziel eingesetzt wird, Profit Arbeitsintensität. Wer nichts besitzt als Ein die notwendige Konsumtion und den zu erzeugen. Der Kapitalist kauft Rohstoffe, seine Arbeitskraft und zudem ständig mit Ersatz verbrauchter Produktionsmittel über- Maschinen, Gebäude usw. Das ist „konstan- der Angst leben muß, sie nicht „verwerten“ steigendes Mehrprodukt gab es schon in tes Kapital“. Es geht im Produktionsprozeß zu können, lebt in Lohnsklaverei. den früheren Klassengesellschaften. Seine anteilig in den Wert der hergestellten Waren Kapitalistische Mehrwertproduktion heißt Aneignung durch die Herrschenden beruhte ein. Es kann also auch keinerlei Mehrwert auf dem Privateigentum an den entschei- auf unverhüllter Gewalt. Im Kapitalismus hervorbringen. Nur der Kapitalanteil, der denden Produktionsmitteln fußende Unter- dagegen schließt der produktiv Tätige mit für lebendige produktive Arbeit verwendet jochung. dem Ausbeuter einen Vertrag, der scheinbar wird – sei sie vorwiegend manueller oder Privateigentum und Ausbeutung sind Zwil- einen äquivalenten Austausch von Arbeit wissenschaftlich-technischer Natur – ver- linge. Bereits drei Jahrhunderte vor Marx’ gegen Lohn zum Inhalt hat. Verfällt man mag das. Diesen Teil kennzeichnet Marx des- Lebzeiten war in „Utopia“ von Thomas Morus diesem Trugbild, läßt sich nicht entschlüs- halb als „variables Kapital“. Die Kapitalisten zu lesen: „Bei Gott, wenn ich das alles über- seln, wie Mehrwert zustande kommt. sind durch die Konkurrenz untereinander denke, dann erscheint mir jeder der heutigen Mehrwert entsteht ursächlich weder durch gezwungen, menschliche Arbeit mehr und Staaten nur eine Verschwörung der Rei- Handel und schon gar nicht, weil das Geld mehr durch Maschinen zu ersetzen. So wird chen, die unter dem Vorwand des Gemein- „arbeitet“. Es gibt auf dem kapitalistischen die Arbeitsproduktivität gesteigert. Das wohls ihren eigenen Vorteil verfolgen und Markt nur eine Mehrwert produzierende ist die positive Seite dieses Vorgangs. Aber mit allen Kniffen und Schlichen danach Ware. Das ist die menschliche Arbeitskraft. damit wächst zugleich das konstante Kapital trachten, sich den Besitz dessen zu sichern, Die Entdeckung von Marx besteht in folgen- zu Lasten des variablen. Der Kapitalist ist was sie unrecht erworben haben, und die dem: Der Kapitalist bezahlt nicht die Arbeit, also – bei Strafe seines Untergangs – genö- Arbeit der Armen für so geringes Entgelt als sondern lediglich jenen Teil der Arbeits- tigt, ständig aus dem relativ kleiner wer- möglich für sich zu erlangen und auszubeu- zeit, der für den Erhalt der Arbeitskraft, denden variablen Teil des Gesamtkapitals ten.“ Prof. Dr. Götz Dieckmann RotFuchs / November 2011 Seite 13

„Topas“ und andere Edelsteine Wie DDR-Militäraufklärer den heißen Krieg verhindern halfen

„Militärspionage. Die DDR-Aufklärung Ein besonderes Kaliber erhält die Darstel- zu dem Schluß, daß es eine permanente in NATO und Bundeswehr“. Unter die- lung dadurch, daß Rainer Rupp kennt- Gefahr für den Weltfrieden bedeutet. sem Titel legen Rainer Rupp, einer der nisreich und authentisch, basierend auf Die Darstellung wird abgerundet durch verdienstvollsten Kundschafter der DDR, eigenem Erleben und belegt mit zahlrei- die Wiedergabe der durch die bundesdeut- sein Führungsoffizier Karl Rehbaum und chen Dokumenten, zu bezeugen weiß, wie sche Justiz vorgenommenen „strafrecht- der Verantwortliche für die Auswertung verhindert werden konnte, daß der Kalte lichen Würdigung“. Klaus Eichner Band 6 der Geschichte der Krieg zu einem heißen wurde. Das wird Man erfährt, wie das Oberlandesgericht HV A, der Auslandsaufklärung der DDR, mit aussagekräftigen Zitaten aus einer Düsseldorf bewußt Passagen aus den zur vor. Vielzahl von Handlungsgrundsätzen der Beweisführung herangezogenen Dokumen- „Das Arbeitsgebiet Militäraufklärung war NATO, von Strategie- und Planungskon- ten unterschlug, welche belegen, daß die eines der entscheidenden Kampffelder zepten sowie Langzeitrüstungsprogram- Arbeit der angeklagten und verurteilten unseres politischen und geheimdienst- men illustriert. DDR-Kundschafter auf die Friedenserhal- lichen Ringens um die Erhaltung und Kein Zweifel wird daran gelassen, daß tung ausgerichtet war, wobei ihr Wissen Sicherung des Friedens und bestimmte außer „Topas“ auch weitere Quellen der um die Geheimnisse des Gegners nicht von Anfang an wesentliche Elemente HV A und Aufklärer der Nationalen Volksar- zur Ausnutzung des militärischen Vor- des Einsatzes der ,Kundschafter an der mee einen maßgeblichen Anteil am Gesamt- teils diente. Das hätte ohne Zweifel das unsichtbaren Front‘. Die für sämtliche resultat hatten. Im Buch wird der Einsatz im Westen gepflegte antikommunistische Bereiche der Aufklärung der DDR über- von mehr als einem Dutzend solcher ver- Propagandaklischee einer vom Osten aus- greifende Maxime, alles zu tun, um einen dienstvoller Informanten gewürdigt. gehenden Bedrohung widerlegt. Deshalb heißen Krieg – konventionell oder ato- Die Autoren benennen auch die Bereiche, wurde vom NATO-Dokument MC161, Teil mar – zu verhindern, bestimmte vorran- die durch die DDR-Dienste nicht oder nur IV, zur Militärdoktrin der Sowjetunion gig die Einsatzrichtung aller Quellen und unzureichend aufgeklärt werden konnten, auch die Feststellung weggelassen, daß Kräfte der Militäraufklärung der HV A.“ so zur Planung der strategischen Angriffs- die UdSSR keine militärischen Schläge So formulierte es der letzte Leiter der HV operationen, zur nuklearen Zielplanung, gegen den Westen plante. A., Generaloberst a. D. Werner Großmann, zum Gesamtkonzept der NATO, dem Gene- Das Buch der drei Genossen ist allen im Vorwort. ral Defence Plan. Und es ist aufschlußreich RotFüchsen als Lektüre zu empfehlen. Das Buch verdeutlicht, wie die Entwick- zu erfahren, wie sie es dennoch schaff- Oberst a. D. Bernd Fischer lung in der BRD – von der Remilitari- ten, daß keine wirklichen Lücken blieben. sierung über die Einbeziehung in die Unterstrichen wird das durch die Feststel- westliche Militärallianz bis zur Statio- lung eines so unverdächtigen Zeugen wie Rainer Rupp, Karl Rehbaum, Klaus nierung von Kernwaffen – den Aufbau und Egon Bahr: „Die westliche Verteidigung Eichner: Militärspionage. Die DDR-Auf- Einsatz einer Militäraufklärung der DDR barg keine Geheimnisse für den Osten.“ klärung in NATO und Bundeswehr. Band bedingt hat. Insofern gebührt den Auto- Sachkundig unterzieht Rainer Rupp auch 6 der Geschichte der HV A, edition ost, ren auch das Verdienst, die Entwicklung das „neue“ strategische Konzept der NATO Berlin 2011, 288 S., 14,95 € der Struktur dieser Linie der DDR-Auf- einer kritischen Prüfung und gelangt dabei ISBN 978-3-360-01828-1 klärung in ihrem historischen Zusam- menhang dargestellt und verständlich gemacht zu haben. So erläutern sie, „daß eine der grundlegenden Herausforderun- gen des am 1. September 1951 gebildeten Außenpolitischen Nachrichtendienstes (APN) der DDR die Aufklärung und Doku- Neue Spionage-Drohnen der BRD mentierung der massiven Bestrebungen zur Remilitarisierung der Bundesrepu- „Unbemanntes Spionageflugzeug besteht und ohne Probleme verlaufen, sagte Offi- blik“ war. Atlantik-Test“. Unter dieser Schlagzeile zier Peter Schnell. Dafür waren mehrere In diesem Kontext kann Rupp, Rehbaum berichtete „Welt-Online“ am 21. Juli über Piloten in Deutschland und den USA im und Eichner bescheinigt werden, daß sie ein spektakuläres Ereignis der beson- Einsatz. damit einen wertvollen Beitrag zur Doku- deren Art. „Nach einem fast 10 000 km Sie saßen allerdings nicht im Flieger, son- mentierung der Geschichte des Kalten langen Flug ist dern überwachten Krieges geleistet haben. Zugleich liefern ein unbemanntes den Flug vom Boden sie einen Rückblick auf das internatio- Spionageflugzeug aus. In Manching nale Ringen um Abrüstung angesichts der Bundeswehr sollen nun Sen- der realen Gefährdung des Weltfriedens auf dem Luftwaf- soren in das Auf- durch die zugespitzte militärische Kon- fenstützpunkt in klärungsflugzeug frontation. Es gelingt den Autoren nachzu- Manching (Bay- eingebaut wer- weisen, welche wichtige Funktion gerade ern) gelandet. Am den. Diese Tech- für den Abrüstungsfortschritt der Aufklä- Mittwoch war der nik könne dann rung auf diesem Sektor zukommt. Prototyp der Rie- Radarstrahlungen Gleichermaßen verdienstvoll ist, daß an sendrohne Euro- genauso erfassen diesem Aufgabengebiet das enge Zusam- hawk von der wie Telefongesprä- menwirken und die gegenseitige Ergän- Edwards Air Force che, Radio- oder zung der Aufklärungs- und Abwehrlinien Base in Kalifornien Fernsehsendungen, des MfS und des Bereiches Aufklärung der gestartet. Knapp 24 sagte Schnell. Nationalen Volksarmee illustriert wird, Stunden später landete das Aufklärungs- Sofern die Tests positiv verlaufen, will ihr gemeinsames Ringen zur Herstellung flugzeug, das von der Spannweite der Flü- die Bundeswehr weitere vier Drohnen und Wahrung des militärstrategischen gel her mit einer Boeing 737 vergleichbar anschaffen.“ – Gesamtkosten: 1,2 Milli- Gleichgewichts zwischen Ost und West. ist, in Oberbayern. Der Flug sei schnell arden Euro. RF Seite 14 RotFuchs / November 2011

Reiche ins Töpfchen, Arme ins Kröpfchen Wie „bildungsferne Schichten“ vom BRD-Schulwesen ausgesondert werden

n deutschen Schulen ist die soziale Her- immer noch zu den Standard-Argumenten, allerdings wenig getan, was auf einen tat- Akunft der Kinder für eine erfolgreiche um den Fortbestand eines gesellschaftli- sächlichen Wandel im Wechselverhältnis Laufbahn ganz entscheidend, wie PISA- (Pro- chen „Gefälles“ und der seit Generationen von sozialer Herkunft und Talentförderung gram for International Student Assessment) eingeschliffenen „Auswahl“kriterien zu schließen läßt. Denkbar ist, daß – als „Lehre“ und IGLU- (Internationale Grundschul-Lese- rechtfertigen. Dieser Zustand führt letzt- aus dem schlechten Abschneiden bei PISA Untersuchung) Studien gezeigt haben. Schü- lich zu Vorverurteilungen, verstärkt Lern- 2000 und PISA 2003 – fortan im Schulunter- ler aus dem Arbeitermilieu oder anderen schwierigkeiten und bewirkt Mißerfolge richt gezielt „PISA-typische Aufgaben“ trai- „Unterschichten“ der Gesellschaft schnei- der Schüler, da Lehrer ihn als unumgäng- niert worden sind, was ein besseres Resultat den in aller Regel wesentlich schlechter ab lich betrachten. Durch das Verinnerlichen bei den nachfolgenden Kontrollen bewirkt als jene, welche aus der Bourgeoisie und solcher Argumentationsmuster potenziert hat. Es wäre indes vorschnell anzunehmen, begüterten Verhältnissen kommen. Ent- sich die Gefahr, daß auch gemeinhin wohl- daß ein von PISA festgestelltes günstigeres scheidende Faktoren für den Lernerfolg von wollende Pädagogen resignieren und den Bildungsresultat bei Kindern aus Arbeiterfa- Kindern sind der sozio-ökonomische Status begrenzten Wissenserwerb mangelnder milien etwa gleich die Auflösung des Zusam- und das Bildungsniveau der Eltern. Viele Intelligenz zuschreiben. menhangs zwischen sozialer Herkunft und Arbeiterkinder besuchen wie vorbestimmt Glaubt man den Ergebnissen der PISA-Stu- Kenntniserwerb bedeuten würde. eine Hauptschule, während der Nach- dien, dann soll zwischen 2000 und 2009 Philipp Legrand, Wunstorf wuchs der herrschenden Klasse zumeist eine gewisse Verringerung des Zusammen- die Gymnasien frequentiert. Selbst, wenn hangs zwischen Klassenzugehörigkeit und Unser niedersächsischer Autor ist in der sie den gleichen Kenntnisstand und ähn- Lernerfolgen erreicht worden sein. Praktisch Erwachsenenbildung tätig und arbeitet liche intellektuelle Fähigkeiten wie Schü- hat sich in den vergangenen zehn Jahren z. Zt. an seiner Dissertation. ler aus betuchten Verhältnissen aufweisen, erhalten sie weitaus seltener eine Gymna- sialempfehlung. Viele Lehrer entscheiden dabei mehr oder weniger unbewußt nach Der „RotFuchs“ bittet um eine „Gänsekeule“ subjektiven Kriterien, welcher Schüler für eine höhere Bildungskarriere in Betracht kommt. Den meisten Pädagogen scheint es Wir müssen die Hosentaschen nicht nach Antikommunisten Beton im Gehirn, dafür sichtlich schwerer zu fallen, jemandem, dem außen stülpen und den Offenbarungs- aber um so mehr im Kreuz. die Eltern immer wieder über die Schulter eid leisten, doch wir klopfen – wie in Der RF atmet den Geist der „Roten Fahne“ zu schauen in der Lage sind, weil sie dem jedem Herbst – rechtzeitig bei Euch an. Luxemburgs, Liebknechts und Thälmanns, Bildungsbürgertum angehören und sich Dank Eurer Solidarität ist der läßt sich von Lenins „Iskra“ evtl. noch zugunsten der Anstalt engagie- „RotFuchs“ während der fast 14 inspirieren, sucht den Esprit ren, eine entsprechende Schulempfehlung Jahre seines Erscheinens nicht der „Weltbühne“ Tucholskys zu verweigern, als einem Kind aus einer einen Tag in die roten Zahlen und Ossietzkys zu erfassen und „bildungsfernen“ sozialen Umwelt. geraten. Doch jetzt steht er – greift auch mal auf Erfahrun- Das deutsche Schulsystem gliedert sich nach wie immer in dieser Saison – gen der in DDR-Tagen populären vier Jahren in die Haupt- und Realschule vor einer Durststrecke. außenpolitischen Wochenzei- oder das Gymnasium. Diese Differenzierung Während die Ausbeuter und tung „horizont“ zurück. soll ein Unterrichten in annähernd ähnli- deren Regierer ohne Unter- Nicht wie andere vom Drei- chen Lerngruppen ermöglichen. Es wird laß „Rettungspakete“ für in gestirn der marxistischen davon ausgegangen, daß die Schüler dann Bedrängnis geratene Kon- Klassiker desertiert, sind wir größere Fortschritte machen, wenn sie einen zerne und Banken schnüren oder ihnen Antifaschisten und Todfeinde des imperia- vergleichbaren Wissensstand aufweisen. zu Ehren grelle „Rettungsschirme“ auf- listischen Krieges, wobei wir die Erlösung Daran ist an sich nichts auszusetzen. Doch spannen, gehen die angeblich bedachten der Menschheit durch die revolutionäre mit der Zuweisung von Kindern an die drei Völker leer aus. Lösung der Macht- und Eigentumsfrage als Schulformen findet nicht nur eine Aufglie- Da befindet sich unser „RotFuchs“ in strategisches Ziel betrachten. Kurzum: Wir derung nach Fähigkeiten und Kenntnissen, einer weitaus vorteilhafteren Lage: Ihn unterscheiden uns wie Feuer und Wasser sondern auch eine Auslese nach jeweiliger beschirmt die Solidarität der Mittellosen. von jenen, welche möchten, daß der Wolf Klassenzugehörigkeit statt. Sie ist sein einziges, dafür aber gesichertes satt und das Schaf nicht gefressen wird. Vergleichende Untersuchungen mit den Bil- Hinterland. Die vieltausenköpfige Schar Liebe Leserinnen und Leser! dungssystemen anderer Länder haben erge- seiner Freunde, Genossen und Weggefähr- Wer vor dem Einkauf von Weihnachtsge- ben, daß jene, welche nicht bereits nach dem ten läßt den RF nicht im Regen stehen, son- schenken oder beim Nachdenken über den vierten Schuljahr eine solche Trennung vor- dern greift ihm von Zeit zu Zeit nach dem Festtagsbraten zu dem Ergebnis gelangt, nehmen, die Schüler also unabhängig von Maß des Möglichen unter die Arme. Die daß auch noch eine symbolische „Gänse- ihrem Wissensstand längere Zeit gemeinsam Gründe dafür liegen auf der Hand: keule“ für den RF mit drin ist, den bitten unterrichten lassen, einen größeren Lerner- Wir spitzen nicht nur den Mund – wir pfei- wir, sich des beiliegenden Überweisungs- folg vermelden. Die „Entscheidung“ für eine fen auch. Wir bellen nicht nur – wir können scheins zu bedienen. Für Euren kleinen Schulform hat maßgeblichen Einfluß auf auch beißen! Kein Blatt für Weichgekochte, roten Mutmacher wäre das eine echte Hilfe! den nachfolgenden Wissenserwerb. Haupt- Angepaßte, die Flinte ins Korn Werfende Wie in all den Jahren zuvor sind wir des- schüler lernen bei gleichem Ausgangsniveau oder ihre eigene Herkunft Verleugnende, sen gewiß, daß Ihr den RF auch diesmal wie Gymnasiasten weitaus weniger. wird der RF von diesen als „Sprachrohr nicht im Stich lassen werdet. Das Schulsystem trägt durch seine rigiden ewiggestriger Betonköpfe“ geadelt. Aus der Den uns Verbundenen, die derzeit zu klamm und selektiven Strukturen in besonderem Vergangenheit schöpfend, in der Gegenwart sind, um dabei mithalten zu können, ver- Maße dazu bei, daß soziale Unterschiede im angesiedelt und der Zukunft zugewandt, sichern wir, daß sie ihr Blatt auch fortan Bildungsstand gewissermaßen zementiert haben wir zwar nicht wie die notorischen im Postkasten finden werden. werden, als sei dies naturbedingt. Ohne- Für das RF-Kollektiv: Klaus Steiniger hin zählt der Verweis auf die „Veranlagung“ RotFuchs / November 2011 Seite 15

Die legendäre Menschenrechtsanwältin Felicia Langer bejaht die Frage: Dürfen Deutsche Israel kritisieren?

n einem Spätsommertag kamen weit Menschenrechtsaktivisten und Wider- – ein normales Leben unmöglich. Israel A über hundert Menschen in die kleine standskämpfer vor israelischen Mili- kontrolliert den Zugang zu den Wasserres- Ladengalerie der Gesellschaft für Bür- tärgerichten, auch vor dem Obersten sourcen und enthält den dort siedelnden gerrecht und Menschenwürde (GBM) in Gerichtshof. Sie tut dies 23 lange Jahre, arabischen Menschen willkürlich diesen Berlin-Lichtenberg, um von Felicia Langer bis sie einsehen muß, daß ihre Arbeit nur lebenswichtigen Rohstoff vor. Siedler- zu hören, wie man angesichts der immer tum, Mauerbau, Krieg und ein schlim- katastrophaleren Situation in Palästina mes Besatzungsregime laufen auf eine und Israel „um Hoffnung kämpfen“ kann politische Kolonisierung hinaus, die das und muß. Die Atmosphäre während des Entstehen eines eigenständigen, überle- gut zweistündigen Vortrags der 80jähri- bensfähigen Palästinenserstaates, wie gen deutsch-israelischen Menschenrechts- er von der UN-Resolution 181 aus dem anwältin war angespannt aufmerksam. Jahre 1947 neben einem jüdischen Staat Entsprechend konstruktiv und sachbe- angedacht war, schier unmöglich macht. zogen gestaltete sich die anschließende Dennoch, so Frau Langer, käme der Aner- Fragerunde. kennung eines solchen Palästinenserstaa- Felicia Langer, Trägerin des GBM-Men- tes durch eine Zweidrittelmehrheit der schenrechtspreises, nahm die große, neue UN-Vollversammlung eine enorme sym- Bewegung für soziale Gerechtigkeit in bolische Bedeutung zu. Israel zum Ausgangspunkt ihrer Betrach- Bei der Veranstaltung mit Felicia Lan- tungen. Mit Uri Avnery schaut sie hoff- ger wurde die Antisemitismus-Resolution nungs-, aber auch sorgenvoll auf die der Bundestagsfraktion der Linkspartei, zuletzt 500 000 Bürger Israels in ihrer die Solidarisierungsmöglichkeiten mit zweiten Heimat, die ihren Protest auf die der Sache der Palästinenser nahezu aus- Straße getragen und das Beispiel der ara- schließt, scharf kritisiert. Die Akzeptanz bischen Welt nachgeahmt haben, indem sie Protestdemonstration auf dem Rothschild- eines militant pro-israelischen Arbeits- riefen: „Tahrir-Platz – nicht nur in Kairo!“ Bouvelard in Tel Aviv kreises unter der heuchlerischen Bezeich- Sie zitierte auch Gideon Levy, der jüngst in nung „Shalom“ (Frieden) in der Partei Die der Zeitung „Haaretz“ schrieb, die Bewe- als Feigenblatt dient. 1990 schließt sie ihr Linke stieß bei den Anwesenden auf Unver- gung befände sich noch am Anfang und Büro in Jerusalem. Ihr Kampf um die Men- ständnis, ebenso die Duldung sogenann- müsse politisch werden. Dazu gehört für schenrechte der Palästinenser und die Ein- ter Antideutscher im antifaschistischen Felicia Langer vor allem, nach den Wur- haltung des Völkerrechts im Nahen Osten Umfeld. zeln des Übels zu fragen. Etwa danach, geht seitdem auf anderer Ebene weiter. Frau Langer schloß ihre Ausführungen wo das viele Geld bleibt, das die israeli- Ihre anwaltliche Arbeit, ihr Engagement mit der Beantwortung einer von ihr selbst sche Regierung ständig erhält. Milliar- für die Opfer der israelischen Staatspoli- gestellten Frage: Wie können es Deutsche densummen würden für die Siedlungen tik aber war und ist, so glaubt sie zuver- wagen, Israel zu kritisieren? Sie zitierte in den besetzten Gebieten ausgegeben, sichtlich, nicht umsonst. dazu aus ihrem Buch „Die Frau, die nie- um sie attraktiv zu halten. Es handele Über ihr engagiertes Wirken in Israel sagt mals schweigt“. „In der Tat sind die Deut- sich um Mittel, die für soziale Investi- Felicia Langer: „Mein Mann war meine schen, gerade wegen ihrer Vergangenheit, tionen im „Kernland“ dringend benötigt Klagemauer, wenn ich von Besuchen bei dazu verpflichtet, sich überall dort ein- werden. Zu den „Geschenken“ gehören Gefangenen nach Hause kam, wenn ich die zumischen, wo Menschenrechte verletzt laut Langer aber auch nuklear ausstatt- Spuren der Folterungen, die gebrochenen werden. Sie haben schon einmal geschwie- bare U-Boote aus der BRD. Die Rüstungs- Glieder meiner oft jugendlichen Mandan- gen, wenn auch in einer anderen Zeit und importe dienen der Niederhaltung der ten sah. Wenn ich von meinen Landsleuten unter anderen Umständen. Das Schweigen Palästinenser, deren Existenzgrundlagen in Führungspositionen mit Schmähungen angesichts von Unrecht hat vor allem dann, man unter anderem durch die Siedlungen belegt, gar groteskerweise des „Antisemi- wenn es den Opfern helfen könnte, die immer weiter zerstört. Auf viel gründ- tismus“ beschuldigt werde, dann besinne Stimme zu erheben, einen Beigeschmack lichere Weise geschieht das aber durch ich mich auf das Leid der palästinensi- von Mittäterschaft. ... Wer behauptet, daß kriegerisches Vorgehen wie im Dezember/ schen Mütter, auf deren Schmerz um ihre man die Menschenrechtsverletzungen Januar 2008/09 während der „Operation Kinder. „Das Gesehene kann man nicht Israels, die dem Völkerrecht zuwiderlau- Gegossenes Blei“. Durch dieses Massaker ungesehen machen, genausowenig wie fen, nicht anprangern, also etwas nicht seien in Gaza allein 1400 Palästinenser man dem Oberbürgermeister von Nab- tun dürfe, was die Menschenrechtsorga- umgekommen, überwiegend Zivilisten. lus seine amputierten Beine zurückgeben nisationen in Israel und in der Welt schon Dabei habe es keinen Krieg zwischen zwei kann, die er nach einem durch den israe- seit Jahren tun, weil das Antisemitismus Armeen gegeben. lisch-jüdischen ,Widerstand‘ verübten sei, der lügt wissentlich, frech und erpres- Die Blockade des Gazastreifens sei übri- Attentat verloren hat.“ serisch, um die Stimme der Kritik zum gens nicht erst 2004 eröffnet worden, als Für die Palästinenser wird ihre Heimat Schweigen zu bringen. ... die Wahlen kein von den Besatzern erhoff- immer enger, die dort herrschenden Die Deutschen müssen ihre Verpflichtung, tes Ergebnis zeitigten. Gaza sei seitdem Zustände werden ständig bedrückender. die aufgrund ihrer Vergangenheit im Ver- aber Synonym für Unmenschlichkeit gegen Auf 78 % ihres einstigen Territoriums gleich mit anderen Völkern doppelt und Frauen und Kinder. Ausnahmslos jeder haben sie bereits verzichten müssen. Seit dreifach wiegt, ganz entschieden wahr- Politiker, der zu den dort auch weiterhin langem machen dort die schikanösen Sper- nehmen und gegen jedes Anzeichen von verübten Verbrechen schweige, mache ren, welche die Menschen voneinander Rassismus, Menschenrechtsverletzungen, sich mitschuldig. – Seit ihrer anwaltlichen trennen und die teils noch im Bau befind- Antisemitismus oder Fremdenhaß, in wel- Zulassung im Jahre 1967 verteidigt Feli- liche, auf 709 km angelegte Mauer – über- cher Form auch immer, ankämpfen.“ cia Langer angeklagte palästinensische wiegend auf palästinensischem Gebiet Irene Eckert, Berlin Seite 16 RotFuchs / November 2011

Dranske im Wandel der Zeiten Standort zweier Kriegsflotten und einer Friedensmarine

einen Sommerurlaub verbrachte ich Die Antwort der Gegenseite war ein am Schulen und das Heizkraftwerk fielen den Mdiesmal in Dranske auf der Insel Rü- Mast hochgezogener Galgen, der deut- neuen Herren zum Opfer. Das Schwimm- gen. Ich hatte dabei Gelegenheit, mich lich zum Ausdruck brachte, was man bad ist ungenutzt und verkommt. Der mit Geschichte und Gegenwart dieses den Matrosen der „Roten“ im durchaus zweiten Schule geht es nicht besser. Das Ortes auf der Bug genannten Halbinsel wörtlichen Sinne „an den Hals“ wünschte. ehemalige Haus der Armee wird nach lan- zu beschäftigen. Ein damals Beteiligter hat diesen dra- gem Leerstand zu einem Apart-Hotel für Schon in der Kaiserzeit wurde die bis matischen Augenblick bundesdeutscher Betuchte umgebaut. Hatte Dranske 1990 dahin verschlafene südliche Landzunge „Liebe“ zu den „Brüdern und Schwestern“ rund 4000 Einwohner, so waren es Ende vom Militär in Beschlag genommen. Eine im Osten auf Zelluloid gebannt. 2010 gerade noch 1203! Marinefliegerstaffel nutzte das abgele- Der enorme Ausbau des Marinestütz- 2001 wurde das Gebiet des Militärstütz- gene Gebiet. Nach 1918 schleifte man fast punktes veränderte abermals die Region. punktes an die Firma Oetken aus Olden- alle Gebäude, wie es der Versailler Ver- In Dranske entstanden große Neubau- burg veräußert. Eine Marina für 400 trag vorsah. Keine 20 Jahre später errich- blöcke, um Wohnraum für Berufssoldaten Segelboote sollte entstehen, 2000 Gäst- teten die Nazis an gleicher Stelle einen und Offiziere zu schaffen. Deren Familien ebetten waren vorgesehen. Realisiert Militärstützpunkt. Der riesige Seeflie- konnten moderne Kindergärten und -krip- wurde von all dem nichts. Der Süd-Bug gerhorst zerstörte die Idylle des Fischer- pen, Schulen und Einkaufsmöglichkeiten – das mag als gute Nachricht gelten – dorfes Dranske, das sich nördlich davon nutzen. Die Einwohnerzahl schnellte steil ist heute Teil des noch zu DDR-Zeiten befand. Neue Wohnbauten für Offiziere in die Höhe. Natürlich brachte das alles in Angriff genommenen Nationalparks entstanden, die das Erscheinungsbild der nicht nur Vorteile mit sich. Der Süd-Bug „Vorpommersche Boddenlandschaft“. Hier Ortsmitte bis heute weitgehend prägen. war militärisches Sperrgebiet, so daß versucht man der Natur dabei zu helfen, Nach der Niederlage der Hitlerfaschi- die Fischer nach Sonnenuntergang nicht sich auf dem früheren Militärgelände sten wurden die militärischen Einrich- mehr ausfahren durften. Das Leben in zu regenerieren. Erste Erfolge sind viel- tungen 1945 unter sowjetischer Aufsicht Dranske wurde vom nahen Stützpunkt versprechend. abermals demontiert. Für kurze Zeit ver- und dessen Regeln geprägt. An die dem Frieden dienende Geschichte wandelte sich der Bug in einen Ort der Andererseits entstanden Kulturgrup- der Volksmarine der DDR mußte ich den- Erholung. Stille kehrte ein. Dranske, das pen und Zirkel verschiedenster Art. 1971 ken, als ich einen Abstecher nach War- den Krieg heil überstanden hatte, wurde wurde ein modernes Klubgebäude ein- nemünde machte, wo gerade die „Hanse wieder zum Fischerdorf. geweiht, in dem sich neben Kino und Sail“ stattfand. Mitten unter den schö- Die permanente Bedrohung durch die Konzertsaal auch die Bibliothek und ver- nen Windjammern wie der „Greif“, die BRD, in der die alten Nazi-Eliten das schiedene Mehrzweckräume befanden. einst „Wilhelm Pieck“ hieß, stand grau Sagen hatten, zwang die DDR ab 1956 Ein Schwimmbad mit Sauna und eine und drohend die Fregatte „Mecklenburg- zum Aufbau einer eigenen Armee – der Sporthalle wurden gebaut. Diese Ein- Vorpommern“. Sie hat als Kriegsschiff NVA. Erfordernisse der Sicherung ihrer richtungen standen zwar den Militärs der BRD an der berüchtigten Operation Staatsgrenze im Ostseeraum rückten die des Stützpunktes und deren Angehöri- „Enduring Freedom“ im Rahmen des von Halbinsel Bug erneut ins Zentrum des gen zur Verfügung, den übrigen Einwoh- den USA erklärten „Krieges gegen den militärischen Interesses. Man brauchte nern Dranskes aber war der Zutritt – von Terror“ am Horn von Afrika teilgenom- einen möglichst weit westlich gelege- Ausnahmen abgesehen – nicht gestat- men. Dort machte sie Jagd auf somalische nen Außenposten für die seit 1960 als tet. Uneingeschränkt konnten alle hin- „Piraten“, denen die Möglichkeit entzogen Volksmarine bezeichneten DDR-Seestreit- gegen das Haus der Armee mit seinem worden war, in ihren eigenen Gewässern kräfte. 1962 fiel die Entscheidung, den Kino, den Gaststätten und Veranstal- zu fischen, weil sie von westlichen Fang- Bug für die bis dahin in Saßnitz statio- tungsräumen nutzen. Es bestanden etli- flotten verdrängt worden waren. nierte 6. Flottille zu nutzen. Am 8. Mai che Patenschaften zwischen Schulen und Beim Großereignis „Hanse Sail“ versuchte 1965 – genau 20 Jahre nach dem Ende des der Volksmarinebasis. Konzerte wie ein man offensichtlich, neues Kanonenfutter Zweiten Weltkrieges – wurde der inzwi- Auftritt der Puhdys sind unvergessen. für die Kriege des Kapitals zu ködern. Ich schen massiv ausgebaute Standort offi- 1972 konnte man Fidel Castro als Ehren- fühlte mich davon angeekelt. ziell übergeben. Nach der kaiserlichen gast in Dranske begrüßen. All das haftet Vor diesem Hintergrund können die Ange- Armee und der faschistischen Wehrmacht im Gedächtnis der Menschen des Land- hörigen der 6. Flottille wie alle, die in der zogen nun zum ersten Mal Soldaten dort strichs ebenso wie die Hilfe des Militärs NVA und ihrer Volksmarine Dienst taten, ein, die sich der Sicherung des Friedens bei der Schneeräumung in den harten von Stolz erfüllt sein. An ihren Händen verpflichtet fühlten. Rügener Wintermonaten. klebt kein Blut. Sie ermöglichten auch Die 6. Flottille war mit Torpedoschnell- Mit der Annexion der DDR endete auch mir eine sorgenfreie Kindheit in Frieden. booten, Raketenschnellbooten, Rake- die Geschichte des Flottenstützpunk- Dafür sage ich: Danke! Ulrich Guhl tenschiffen, Versorgungsschiffen und tes auf dem Bug. Am 2. Oktober 1990 zahlreichen Hilfsschiffen ausgestattet. fand die letzte Musterung der 6. Flot- Bis zur staatlichen Auflösung der DDR tille statt. Deren Ausrüstung wurde bald versah sie ihren Dienst zum Schutz der darauf demontiert und von der BRD in Am 5. November um 10 Uhr findet in Heimat. Dabei war sie ständig mit Pro- Entwicklungsländer verscheuert. Am der Drogenmühle Heidenau, Dresdner vokationen von westlicher Seite konfron- 20. Dezember 1991 schloß die Marineba- Straße 26, eine Veranstaltung der RF- tiert. Mir hat sich besonders ein Foto sis endgültig. Das Leben in Dranske war Regionalgruppe Dresden statt. eingeprägt, das ich im Heimatmuseum eng mit ihr verbunden. Eine selbständige Ellen Brombacher, Mitglied des Bundes- von Dranske betrachten konnte. Es zeigte Zukunft erschien da kaum denkbar. Die sprecherrates der Kommunistischen Platt- ein Schnellboot der 6. Flottille, dem sich meisten Gebäude auf dem Objektgelände form der Partei Die Linke, spricht über das „hautnah“ ein Schiff der BRD-Kriegsma- wurden zu Ruinen und später abgerissen. Thema rine in den Hoheitsgewässern der DDR Auch acht der fünfzehn Neubaublöcke Das Programm der Linkspartei – so stark näherte, daß es fast zur Kolli- teilten dieses Schicksal. Das moderne Rolle und Aufgaben nichtparlamen- sion kam. Dennoch ordnete der Volksma- Klubhaus, die Kindereinrichtungen „Anne tarischer Aktionen rine-Kommandant den Flaggengruß an. Frank“ und „Jenny Marx“, eine der zwei RotFuchs / November 2011 Seite 17

Ein großer Kämpfer und gütiger Mensch Seit 15 Jahren politischer Gefangener in den USA, trauert unser Genosse Kurt Stand um seinen Vater Mille

m 19. November wäre Maximilian und den Beschränkungen des Ghettole- und Solidaritätsgefühl. Man steckte ihn A(Mille) Stand 92 Jahre alt geworden. bens zu befreien suchte. Daraus ergaben in den Arrest der Feldarmee und versetzte Doch leider hat er sein Ziel, 2012 die Frei- sich sein gefestigtes Pflichtgefühl und ihn in eine andere Einheit, weil er gegen lassung seines jüngsten Sohnes Kurt noch eine selbstbewußte sozialistische Welt- die Diskriminierung farbiger GIs prote- zu erleben, nicht erreichen können. Mille anschauung. stiert hatte. starb am 12. Februar. Seine Frau Han- 1934 wurde Milles Vater inhaftiert. Die Mille lebte in einer kapitalistischen nelore (Holly) war ihm im August 2009 als Mutter floh zunächst zu Verwandten in Umwelt, fühlte sich ihr aber nicht zuge- 85jährige vorausgegangen. hörig. So weigerte er sich, Betroffen von dem schweren von der BRD finanzielle Verlust und der Entschei- Wiedergutmachung anzu- dung der US-Behörden, ihm nehmen, solange diese nicht wie beim Tod der Mutter die allen Opfern des Faschis- Teilnahme an der Trauerfeier mus – auch jenen, welche zu verwehren, bezeichnete zur nichtjüdischen Familie Kurt den Vater als „einen seiner Frau zählten – zuge- Mann, der ein erfülltes Le- billigt werde. Mille setzte ben geführt hat, in dem es seine Hoffnungen auf einen keine kleinen Dinge gab“. fundamentalen Wandel der Im letzten Gespräch, nur Gesellschaft. Diesen sah er wenige Tage vor Milles Tod, in der DDR verkörpert, mit hatten beide noch Zeit gefun- der er sich Zeit ihrer Exi- den, über Kurts inzwischen stenz auf das engste verbun- erwachsene Kinder, Mil- den fühlte. les Enkel Karl und Rosa, zu Das Leben in den 50er Jahren sprechen. Auch das nächste Holly, Kurt, seine Frau Lisa und Mille Stand war für ihn und seine damals Kapitel von Milles Schrift zu junge Familie alles andere Marxismus und Naturwis- als ein Zuckerschlecken. Mil- senschaft sowie jüngste Aufzeichnun- Polen. Am Ende des Jahres trafen alle les Name stand das ganze Jahrzehnt über gen Kurts hatten die beiden thematisch in Prag wieder zusammen, nachdem der auf der FBI-Liste für „unverbesserliche berührt. „Mein Vater war in der Gegen- Vater aus der Haft entkommen war. In der Rote“. Bis 1959 fand er keinen ständigen wart engagiert und blickte dabei in die tschechischen Hauptstadt begann Milles Job in seinem Beruf als Chemie-Ingenieur. Zukunft. So fällt es mir schwer zu begrei- Bildungsweg, konnte er seine berufliche Später erhielt er in dieser Branche einen fen, daß er nicht länger bei uns geblieben Ausbildung zum Chemiker antreten. Hier Arbeitsplatz, der für ihn große Bedeutung ist. Auch im Alter von 91 Jahren kam sein kam er mit der kommunistischen Jugend erlangte. Er konnte zahlreiche Patente Tod zu früh“, bemerkte Kurt. in Kontakt. In Prag wurde er auch Mit- anmelden, machte damit aber kein Geld. In der Gesellschaft für Rechtliche und glied der Partei. In ihren Reihen entwic- Die Naturwissenschaften und die Tech- Humanitäre Unterstützung (GRH), der kelten sich sein tiefes Verständnis für den nologie betrachtete er ohnehin nicht als Mille angehörte, galt er als zurückhal- Marxismus und sein Talent für die ille- Privateigentum. Freimütig teilte er sein tend und zugleich voller Emotionen. Im gale politisch-operative Arbeit. Gerade Wissen und seine Expertise als Industrie- folgenden möchte ich die Wurzeln seiner 17, wurde er bereits mehrfach als Grenz- Chemiker mit der DDR. Seit 1960 besaßen Verbundenheit mit der DDR, seiner tiefen schleuser eingesetzt. die Beziehungen zum sozialistischen deut- Menschenliebe und seines unerschütterli- Nach der Unterzeichnung des berüchtigten schen Staat für ihn höchste Priorität. chen sozialistischen Weltbildes ein wenig Münchner Abkommens emigrierte Milles Auch in fortgeschrittenem Alter zog sich freizulegen versuchen. Vater nach Frankreich, wo er gemeinsam Mille nicht aus dem politischen Leben in Mille wuchs in einem Leipziger jüdi- mit Hermann Duncker aus einem Lager den USA zurück. So engagierte er sich z. B. schen Wohnquartier auf, wo noch jiddisch entwich. Über Marokko gelangte er in im Westchester-Aktionskomitee für den gesprochen wurde. Seine Familie blickte die USA. Dort erwirkte er Einreisevisa Frieden, in der Regenbogen-Koalition und väterlicherseits auf eine lange rabbinische für seine Familie, so daß Mille – inzwi- bei Antikriegsdemonstrationen. Tradition zurück, mit der Milles Vater schen 19 – im Dezember 1938 in New York Unablässig bemühten sich Mille und Holly, brach, als er – ein Kürschnereiarbeiter – sein Studium fortsetzen konnte. Hier trat die im Alter fast völlig erblindet war, seit vor dem Ersten Weltkrieg SPD-Mitglied er der KP der USA bei und war aktiv in der Festnahme ihrer Eltern um die Enkel wurde und zu einem jüdischen Soziali- deren deutschem Arbeiterklub tätig. Er Karl und Rosa. Sie gewannen Kurts Bruder stenzirkel stieß. Seine Mutter entstammte begegnete Holly, die aus einer kommu- Peter und dessen Frau Susan dafür, die einer wohlhabenden jüdischen Familie, nistischen Proletarierfamilie stammte Vormundschaft zu übernehmen. Zugleich die sich nach der Oktoberrevolution für und in Ahlen (Westfalen) aufgewachsen waren sie bestrebt, die Enttäuschung der das polnische Exil entschieden hatte. war. Auch sie hatte den Faschisten ent- Heranwachsenden über die Scheidung Milles Vater protestierte gegen den Ersten kommen können. ihrer Eltern während deren Haft zu mil- Weltkrieg, wurde eingesperrt, dann zum 1942 meldete sich Mille freiwillig zur U. S. dern, ohne einen Zwiespalt entstehen zu Militär entlassen und bald darauf ver- Army. Er tat diesen Schritt nicht zuletzt, lassen. Und sie ergriffen die Initiative zur wundet. In einem österreichischen Laza- um die Staatsbürgerschaft zu erlangen Herstellung solidarischer Kontakte mit rett lernte er seine Frau kennen, die dort und Holly heiraten zu können. Im Krieg ehemaligen Kundschaftern der DDR im als Krankenschwester tätig war. Im wurde er Fallschirmjäger, kämpfte in den Westen sowie zur GRH in Berlin. November 1919 wurde Mille in Wien Ardennen und wurde schwer verwundet. Mille war ein großer Kämpfer und ein geboren. Er wuchs in einer Familie auf, Auch während seiner Zugehörigkeit zu gütiger Mensch. Er bleibt unvergessen. die sich von der Rassendiskriminierung den Streitkräften bewies Mille Charakter Lothar Ziemer, Berlin Seite 18 RotFuchs / November 2011

Madame Le Pen ante portas Bei den französischen Präsidentschaftswahlen 2012 steht auch eine Faschistin vor den Toren des Elysee-Palastes

n der Spitze der französischen Faschi- Der beste Beweis dafür ist die Tatsache, gerichtliche Strafen ein, was nicht etwa A sten ist im vergangenen Jahr eine daß Präsident Sarkozy – Merkels bevor- dazu führte, daß er aus dem Dunstkreis Wachablösung innerhalb der Familie – zugter Umarmungsfreund – von Rechtsex- des Staatschefs verschwand. Heute ist und zwar im durchaus wörtlichen Sinne tremisten geradezu eingekreist ist. Nicht Hortefeux UMP-Abgeordneter des Euro- – erfolgt: Jean-Marie Le Pen, der langjäh- wenige seiner Berater und „Personen mit paparlaments und Berater Sarkozys. rige Führer der frankophonen Nazipartei ständigem Zugang zum Staatschef“ denken Sein Nachfolger im Amt des Innenmini- Front National (FN), hat den Kommando- in wichtigen Fragen keineswegs anders sters wurde Claude Guéant. Nur wenige stab an seine Tochter Marine nicht nur als das FN-Lager. Vom Parteigründer Tage nach dessen Aufrücken in die Schlüs- in der Partei, sondern auch mit Blick selposition des innenpolitischen auf die 2012 anstehenden Präsident- Repressionsapparats und unmittel- schaftswahlen weitergereicht. Nach bar vor der ersten Runde der Kan- Umfragen sollen mehr als 20 % der tonalwahlen ließ Guéant die Katze Franzosen bereit sein, für die etwas ebenfalls aus dem Sack, indem er von flexibler als ihr Vater auftretende sich gab: „Angesichts der ihnen aufge- Rechtsradikale zu votieren. Diese zwungenen Einwanderung Fremder Größenordnung könnte durchaus der haben die Franzosen bisweilen nicht Realität entsprechen, bedenkt man, mehr das Gefühl, bei sich zu Hause daß immerhin 17 % der Stimmberech- zu sein.“ Marine Le Pen, die zu die- tigten bei den im März abgehaltenen sem Zeitpunkt gerade den Platz ihres Kantonalwahlen die FN-Bewerber Vaters an der FN-Spitze eingenommen unterstützten. Allerdings trafen bei hatte, fragte daraufhin bei Sarkozys diesem Urnengang 56 % (!) der ein- Innenminister ironisch an, ob sie ihm getragenen Wähler noch keine Ent- die Karte eines Ehrenmitglieds ihres scheidung. Mit anderen Worten: Sie schattigen Vereins zukommen lassen blieben der Abstimmung fern und solle. Dadurch nicht im geringsten machten so die Partei der Nichtwäh- alarmiert, ging Guéant noch einen ler auch in Frankreich zur stärksten Schritt weiter. Diesmal wandte er politischen Kraft. Der tatsächliche sich gegen den „Gebrauch religiöser Anteil der FN lag demnach zwischen Erkennungsmerkmale im öffentlichen sieben und acht Prozent der poten- Dienst“, was vor allem ein Affront tiellen Wählerschaft. Die Partei der Sarkozy facht das Feuer des Front National an gegen in Frankreich lebende Muslime extremen Rechten, wie man das Wort sein sollte. Faschisten nicht nur in Frankreich Und dann ist da auch noch der beson- gern zu umschreiben pflegt, führt ihren Jean-Marie Le Pen, einem eingefleisch- dere Präsidentenliebling Patrick Buisson. Kampf sowohl gegen die gesamte Linke, ten Rassisten, stammen solche durch die Dieser „Elite-Journalist“ und studierte deren bei Wahlen stärkste Kraft die Sozia- Equipe seiner Tochter Marine aus tak- Historiker stammt aus einer Familie mit listische Partei (PS) ist, als auch gegen die tischen Erwägungen inzwischen strikt langer antikommunistischer Tradition. „traditionelle“ Rechte, die sich gegenwärtig vermiedenen „Ausrutscher“ wie die Äuße- Sein publizistisches Debüt gab Buisson vor allem um Sarkozys prononciert kon- rung: „Die Gaskammern sind nur ein Teil nicht etwa in der rechten, sondern in der servative UMP gruppiert. der Geschichte.“ ultrarechten Presse. Sarkozy war von Bei den Präsidentschaftswahlen im April Jean-Luc Sallé von der linksgerichteten ihm entzückt und berief den Mann flugs 2002 war es der FN sogar gelungen, bis Union der Revolutionären und Kommuni- in seinen Beraterstab. Buissons Reden in die Stichwahl zwischen den Bestpla- stischen Kräfte (URCF) stellte gegenüber über Immigration und die damit verbun- zierten vorzudringen, während sie beim der belgischen Wochenzeitung „Solidaire“ dene „Unsicherheit“ im Lande stammen letzten Mal zwar einen relativ hohen Pro- fest: „Die UMP hat seit mehreren Jahren samt und sonders aus der Ideenküche von zentsatz erreichte, aber in der zweiten das Bett für die FN gemacht.“ Er konsta- Jean-Marie Le Pen. Dieser bezeichnete den Runde nicht mehr antreten konnte. Dar- tierte, der Anhang Sarkozys habe sich zum Sonderberater des Präsidenten aufge- aufhin rief sie ihre Klientel dazu auf, für gezielt nach rechts bewegt und von der rückten Faschisten als „Intellektuellen der Sarkozys Kandidatur und gegen dessen FN besetztes Territorium eingenommen, nationalen Rechten, der im Grunde seines PS-Konkurrentin zu stimmen. Mit ande- „um die Möbel zu retten“ und die Präsi- Herzens mehr meine Ideen als die Sarkozys ren Worten: Sarkozy wurde nur durch das dentschaftswahlen des nächsten Jahres teilt“. Übrigens ist Buisson inzwischen Votum der französischen Faschisten in ein zweites Mal zu gewinnen. auch Direktor der Geschichtskette von sein hohes Amt gehievt. Er revanchierte Nach seiner Inthronisierung als Staats- TF 1, dem wichtigsten kommerziellen Fern- sich prompt, indem er Jean-Marie Le Pen präsident schuf Sarkozy für seinen Freund seh-Netzwerk Frankreichs, und zugleich als ersten Gratulanten im Elysee-Palast Brice Hortefeux zunächst ein jedes nor- Chef des Instituts für politische Sondie- empfing. male Maß sprengendes Superministerium, rungen und Analysen, das sich Publi- Überhaupt wäre es ein Irrtum anzuneh- zu dessen Kompetenzen u. a. „Einwande- fact nennt. Beide „Häuser“ sollen Sarkozy men, die französischen Rechtsextremisten rungsfragen, Integration, nationale Iden- nahestehen. seien in der FN gewissermaßen politisch tität und solidarische Zusammenarbeit“ So viel zur Rechtsentwicklung in der ghettoisiert und befänden sich so „unter gehörten. Weniger als zwei Jahre später Französischen Republik – einem NATO- Kontrolle“. Tatsächlich spielen faschisto- übernahm Hortefeux dann das Arbeits- Staat, dessen Präsidentschaft 2012 auch ide und offen faschistische Tendenzen – ressort, um nur wenige Monate darauf durch eine waschechte Faschistin aus wie in Deutschlands CDU/CSU – vor allem Frankreichs Innenminister zu werden. dem Familienstall der Le Pens angesteu- auch in der jetzt am Ruder befindlichen 2009 trugen dem „Spezi“ des französischen ert werden dürfte. UMP eine außergewöhnlich große Rolle. Präsidenten rassistische Ausfälle zwei RF, gestützt auf Solidaire, Brüssel RotFuchs / November 2011 Seite 19

Die Aura der Camila Vallejo Chiles Studentenführerin ist populärer als der Staatspräsident

ie 23jährige Camila Vallejo ist nicht Eltern und Großeltern Erkämpftes und Studenten der Universität von Chile, Dnur eine hübsche junge Frau, son- Überliefertes stützen. sondern die des ganzen Landes reprä- dern auch die derzeit populärste Politi- Camila ist die Enkelin eines Mitglieds sentiere. Die enorme Zustimmung, die kerin ihres Landes. Bei Umfragen eines der seinerzeit recht einflußreichen Bewe- unsere Föderation und meine Arbeit sei- tens der Bevölkerung erhalten, liefert den Beweis, daß die Anschuldigungen lediglich Teil der verzweifelten Stra- tegie jener sind, welche sich als unfä- hig erweisen, die Schlacht der Ideen zu gewinnen.“ Als Antwort auf die gewaltigen Stra- ßendemonstrationen in Santiago setzte die Polizei des faschistoiden Innenmi- nisters Rodrigo Hinzpeter alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel der Repres- sion ein. Die Studenten mußten sogar den gewaltsamen Tod eines Kommilito- nen beklagen. Doch ihr Protest sprengte die relativ engen Grenzen des eigenen Spektrums und weitete sich zu einer schlagkräftigen sozialen, das System erschütternden Bewegung aus, die gemeinsame Forderungen geltend macht und von der Sympathie der Bevölke- rungsmehrheit getragen wird. Sie kann sich auf die reichen Erfahrungen voran- gegangener Massenkämpfe stützen. Die junge Kommunistin Camila Vallejo, heute Chiles politische Attraktion Nr. 1, ließ den Interviewer auch wissen, sie sehe ihre Perspektive in einer akademi- schen Laufbahn und strebe zunächst ein renommierten Meinungsforschungs- gung der Revolutionären Linken (MIR), Diplom an. Sie betrachte ihren derzei- instituts zum Beliebtheitsgrad chile- die der Unidad Popular Salvador Allen- tigen Einfluß als Verantwortung, ohne nischer Persönlichkeiten optierten 68 des einerseits Rückhalt gab, ihr ande- dabei irgendwelche Privilegien erlan- Prozent für Camila, aber nur 26 Pro- rerseits aber durch ultralinke Aktionen gen zu wollen. Sie könne indes nicht zent für den rechtsgerichteten Staats- das Regieren schwermachte. Camilas ausschließen, auch fortan bei der Ver- präsidenten Sebastián Piñera. Die Eltern sind Mitglieder der KP Chiles. tretung von Volksinteressen ihren Platz Geographiestudentin der hauptstäd- Sie selbst gehört der Partei ebenfalls an. einzunehmen. tischen Universität von Chile ist Vor- Von einem Journalisten der argentini- RF, gestützt auf „Pagina 12“, Buenos sitzende der seit Monaten machtvolle schen Zeitung „Pagina 12“ befragt, ob ihr Aires, und „Solidaire“, Brüssel Straßendemonstrationen organisie- daraus im Stu- renden Nationalen Konföderation der dentenverband Studenten Chiles (CONFECH). Diese Schwierigkeiten führt derzeit die breiteste Massenbe- erwüchsen, ant- wegung an, welche seit dem Ende der wortete Camila faschistischen Pinochet-Ära (1990) in sehr direkt: „Ich der Andenrepublik entstanden ist. Den habe das nie Zehntausenden für die Durchsetzung verheimlicht – einer qualitativ hochwertigen und vor im Gegenteil. allem gebührenfreien Hochschulbildung Es war voraus- kämpfenden Studenten haben sich auch sehbar, daß jene, Schüler, Eltern, Lehrer und Gewerk- welche den der- schaften angeschlossen. zeitigen Konflikt Camila Vallejo, die von den überwie- nicht unter Kon- gend rechtslastigen Medien Chiles und trolle zu bringen anderer lateinamerikanischer Länder vermögen, nach auf der Jagd nach Interviews regelrecht Argumenten su- umlagert wird, steht heute an der Spitze chen würden, einer neuen Generation politischer Füh- um nicht nur rer, denen die Schrecken der Diktatur mich, sondern erspart geblieben sind. a u c h a n d e r e Sie legen an das Geschehen ihre eige- CONFECH-Füh- Während andere Fidel Castro schmähen oder sich von Geburts- tagsglückwünschen an ihn zu distanzieren suchen, steht die AG nen Maßstäbe und Erfahrungen mit rer zu attackie- Cuba Sí der Linkspartei zu den fünf kubanischen Helden. René dem kapitalistischen System an. Indem ren. Es stimmt, Gonzalez (rechts) wurde am 6. Oktober nach 13 Haftjahren unter sie die Stafette der Generationen auf- daß ich heute diskriminierenden Bedingungen freigelassen. Er muß eine elektro- nehmen, können sie sich auf von ihren nicht allein die nische Fußfessel tragen und vorerst in den USA bleiben. Seite 20 RotFuchs / November 2011

USA: Gemeinsam gegen „Jim Crow“ Schon 1903 konstatierte Amerikas früher Sozialistenführer Eugene V. Debs: „Der Klassenkampf hat keine Farbe.“

ie Sozialistische Partei Amerikas Staaten ist eine Geschichte von Verbre- den Jugendverband YCL leitete, bevor er Dwurde 1901 gegründet. Dem waren chen ohne Beispiel.“ – nach langjähriger Haft, in der er erblin- heftige politische Auseinandersetzungen Der Sozialistenführer zog daraus den dete – Nationalvorsitzender der KP der USA und scharfe ideologische Kämpfe zwischen Schluß, daß es „keine Negerfrage außer- wurde. Seine Äußerung nach der Haftent- verschiedenen Strömungen vorausgegan- halb der Arbeiterfrage“ gebe. Wörtlich lassung: „I have lost my sight, but not my gen. Dabei standen sich Anhänger eher vision.“ (Ich habe mein Sehvermögen ver- konservativer – also rechtssozialdemo- loren, nicht aber meine Vision.) richteten kratischer –, sogenannter gemäßigter und viele wieder auf, die vom ideologischen revolutionärer Tendenzen gegenüber. Für und politischen Terror der McCarthy-Ära die Linken galt Eugene V. Debs – ein cha- entmutigt worden waren. rismatischer Arbeiterführer, der bereits Doch kehren wir noch einmal in die 20er die Eisenbahner gewerkschaftlich orga- und 30er Jahre zurück: Damals wuchs nisiert hatte – als Symbolfigur. Er bewarb nicht nur der linke Einfluß unter Afro- sich wiederholt als Kandidat der Soziali- Amerikanern, sondern nahmen auch der stischen Partei um hohe öffentliche Ämter, von der Klassenfrage getrennte schwarze darunter die Präsidentschaft der Vereinig- Nationalismus und Pan-Afrikanismus ten Staaten. Debs war ein leidenschaftli- zu. Beide waren ein Reflex auf den Jim cher Gegner durch die herrschende Klasse Crowismus. Bereits nach dem Ersten geführter Kriege und zugleich ein mutiger Weltkrieg hatte die von Marcus Garvey Kämpfer gegen „Jim Crow“ – ein Name, geführte Bewegung einen explosionsar- der in den USA als Synonym für weißen tigen Aufschwung erfahren. Ihr ström- Rassismus steht. Dafür wurde er mehrere ten damals Millionen Schwarze zu. Die Male ins Gefängnis geworfen. „Harlem Renaissance“ basierte auf dieser Auch herausragende Persönlichkeiten neuen Militanz. Aus den Südstaaten in aus dem afro-amerikanischen Spektrum, großer Zahl zugewanderte Afro-Amerika- unter ihnen William E. W. DuBois, stießen ner verliehen ihr besondere Schubkraft. sehr bald zu den Sozialisten. Bei deren Nach Gründung der Leninschen Interna- Mitgliedern und Anhängern gab es in tionale wuchs auch in den USA das Ver- bezug auf die Rolle der Schwarzen in der langen nach einer inhaltlichen Vertiefung Arbeiterbewegung des Landes zwei kon- des Kampfes für einen gesellschaftli- träre Standpunkte: Während die einen chen Wandel. Schon 1919 bemühten sich glaubten, man könne nur durch ein Her- sozialistische und kommunistische Strö- unterspielen des grassierenden Rassen- mungen in aller Welt um eine Anerken- wahns und der nationalen Unterdrückung Dieses Poster der KP der USA aus den 20er nung durch die gerade erst entstandene Jahren trägt die Losung: Überwindet den von Schwarzen breitere Schichten der wei- Komintern, was linke Kräfte zur Bildung Rassenhaß – zerschlagt die Hautfarben- ßen Bevölkerung erreichen, verfochten Schranke! revolutionärer Arbeiterparteien inspi- jene, welche sich zum linken Flügel rech- rierte. In den USA schlug der kapitali- neten, genau entgegengesetzte Auffassun- schrieb er: „Der Klassenkampf hat keine stische Staat brutal zu. Eine bis dahin gen: Man müsse den Rassenterror klar Farbe.“ Debs blieb damit kurz vor Marx beispiellose Jagd auf Kommunisten, die benennen und für dessen Überwindung stehen, der die Feststellung getroffen hatte, regelrecht zum Freiwild erklärt wurden, eintreten. daß sich „die Arbeit in weißer Haut nicht setzte ein. Unzählige von ihnen wurden Eugene Debs berichtete 1903 in einem emanzipieren“ könne, „wenn sie in schwar- verhaftet, deportiert oder in den Unter- Beitrag für die Zeitschrift „Internatio- zer Haut unterdrückt“ werde. grund getrieben. Erst 1921 konnte die nal Socialist Review“ von Erfahrungen, Nur wenige Jahre nach der Gründung der Bewegung wieder aus der Illegalität her- die er im texanischen Yoakum gesammelt Sozialistischen Partei fiel die Mehrheit vortreten. Jahre später gab sie sich den hatte. Dort war er Weißen begegnet, die der großen sozialdemokratischen Forma- Namen KP der USA. 1920 verkündete der ihren rassistischen Haß auf Afro-Ame- tionen dem chauvinistischen Taumel des 2. Kongreß der Komintern die These vom rikaner in besonders krasser Weise zur Ersten Weltkrieges zum Opfer. Die 2. Inter- Selbstbestimmungsrecht unterdrückter Schau stellten. Der Artikel trug die Über- nationale brach zusammen. Erst der Sieg Nationen. Lenin bezog sie konkret auf Iren schrift „Der Neger und der Klassenkampf“. der russischen Oktoberrevolution und die und Afro-Amerikaner in den USA – ein Debs beschrieb hier die von ihm beobach- Gründung der 3. Internationale schufen Umstand, der zum weiteren Anwachsen teten Rassisten als „faules Produkt des einen neuen Kristallisationspunkt für die des kommunistischen Einflusses unter kapitalistischen Systems“. Solche Leute weltweite Arbeiterbewegung. Auch eine ihnen beitrug. 1925 entstand der American würden von den Mächtigen selbst mit Ver- Anzahl von Afro-Amerikanern, die kom- Negro Labor Congress, der zur Verbreitung achtung behandelt, aber glaubten den- munistischen Auffassungen zuneigte, trat marxistisch-leninistischer Ideen unter noch, Schwarzen haushoch überlegen zu in den USA auf den Plan. Das signalisierte schwarzen Proletariern beitrug. sein, wobei sie nur die Gefühle ihrer Her- u. a. die Gründung der African Blood Brot- In einer Zeit, in der die KP der USA infolge ren reflektierten. herhood (ABB), der Afrikanischen Bluts- des antileninistischen und liquidatori- Debs konstatierte: „Jeder Mann steht brüderschaft. schen Kurses ihres derzeitigen Vorsit- hierzulande dem Neger gegenüber in der In den frühen 20er Jahren schlossen sich zenden Sam Webb – einer Neuauflage Pflicht. Die Tatsache, daß der weiße Hac- viele ABB-Mitglieder der kommunisti- Earl Browders – schwere Zeiten durch- ken noch immer auf dem schwarzen Genick schen Bewegung an. Später gingen her- macht, ist es von Wert, an das spezifische steht, beweist hinreichend, daß die Welt vorragende KP-Führer aus den Reihen der Gewicht zu erinnern, das diese Partei ein- vorerst nicht besonders zivilisiert ist. Die Schwarzen hervor. Am markantesten war mal besaß. Geschichte des Negers in den Vereinigten vielleicht Henry Winston, der zunächst RF, gestützt auf „The New Worker“, London RotFuchs / November 2011 Seite 21

KKE: Griechenlands Rettung erfordert die Brechung der Macht des Kapitals

eit zwei Jahren steckt Grie- entstandenen Situation zu der Schenland im eisernen Feststellung, „daß es im Rahmen Würgegriff der von Brüssel aus- der Europäischen Union keinen gestreckten „heilenden Hände“ Ausweg aus der Krise gibt, der für die Werktä- tigen günstig wäre“. Wenn immer mehr Griechen den Austritt des La ndes aus der EU und ein Verlas- sen der Euro- Zone sowie die Rückkehr zur Drachme verlangten, Massenkundgebung der KKE in Athen dann füge die KKE dem eine der EU. Die „Hilfspakete“ fal- über alles entscheidende For- len seinem Volk von Tag zu Tag derung hinzu: die Brechung der mehr auf die Füße. Der Massen- politischen und ökonomischen widerstand gegen die „Retter“ Macht der Kapitalisten. Ohne der Nation nimmt weiter zu. Eine deren Überwindung werde das Serie nationaler Streiks setzte Volk die Zeche teuer bezahlen. die rechtssozialdemokratische Die gesellschaftliche Alternative Athener Regierung Papandreou bestehe im Sozialismus. Deshalb auch von innen unter erhebli- trete die KKE mit Nachdruck chen Druck. dafür ein, die Energieversor- Gegen das Diktat des Europas gung, das Telekommunikations- der Monopole wenden sich mit und Transportwesen, sämtliche besonderem Gewicht die einfluß- Bodenschätze, die großen Indu- reiche Kommunistische Partei striebetriebe und andere Hebel Griechenlands (KKE) und die der Entwicklung in das Eigen- vor einigen Jahren auf deren tum des Volkes zu überführen. Initiative ins Leben gerufene Neben diesen profilbestimmen- Panhellenische Arbeiterfront den Wirtschaftszweigen sollten (PAME) – die klassenkämpfe- Genossenschaften der Bauern rische Gewerkschaftszentrale und der kleinen Händler geschaf- des Landes. KKE-Generalsekre- fen werden. tärin Aleka Papariga gelangte RF, gestützt auf „Solidaire“, nach gründlicher Analyse der Brüssel Collage: Heinrich Ruynat

Wladimir Gall der am 9. September 92jährig ver- starb, war einer der leisesten und zugleich lautersten Zeitgenossen. 1945 rang er der Nazi-Wehrmacht als Parlamentär der Roten Armee die kampflose Übergabe der Festung Spandau ab, später wirkte er jahrelang als Kulturoffizier der SMAD in Halle. Publizist und Buchautor, besaß er vor allem unter früheren DDR-Bürgern, aber auch im Westen, viele Freunde. Das bewegende Porträtfoto machte Rolf Junghanns im Juni 2010 in Karlsruhe. „RotFuchs“-Leser Wladimir Gall beim Signieren eines seiner Bücher (2009) Seite 22 RotFuchs / November 2011

Räuber von Gottes Gnaden Der britischen Königin „gehört“ ein Sechstel der Erdoberfläche

inleitend sei auf Kevin Cahill, Autor britische Krone sowie deren Trägerin Eliza- Regeln unterwerfen. Das aber würde eine E und Journalist, verwiesen, dessen For- beth II. symbolisiert. Deren offizieller Titel beträchtliche Einnahmequelle der Tories schungsarbeit es ermöglichte, den Landbe- lautet: … „von Gottes Gnaden Königin des austrocknen. sitz von Monarchen und Magnaten weltweit Vereinigten Königreichs von Großbritan- Viele Monarchen im Nahen und Mittleren zu vergleichen. Die Ergebnisse wurden am nien und Nordirland und ihrer anderen Osten leiten ebenfalls ihr Recht auf Herr- 14. März in der Londoner Zeitschrift „The Reiche und Territorien, Haupt des Com- schaft über Land und Leben der Untertanen New Statesman“ veröffentlicht. monwealth, Verteidigerin des Glaubens“. von der göttlichen Gnade ihres islamischen Seit der Industrialisierung strömten Men- Dieses Kapitel der britischen Verfassung Glaubens ab. Auflehnung gegen gottgege- schen aus verarmten Landgebieten in die bezieht sich auf riesige Ländereien, wel- bene Herrscher ist Ketzerei und zieht häu- Städte, wo Arbeit und ein komfortablerer che die Königin als ihr Eigentum bean- fig die Todesstrafe nach sich. Was sind Lebensstil winkten. In Asien und Afrika sprucht. An erster Stelle steht Australien, schon Menschenrechte gegen eines Got- ist dieser Prozeß noch nicht abgeschlossen. das mit seinen Territorien in der Antarktis tes Gebot? Die führenden Landbesitzer Für die sogenannten entwickelten Länder die größte politische Einheit der Welt dar- der Region sind nach der Weltliste außer prophezeien Futuristen sogar eine Rück- stellt. Diese aber gehört der Queen. Auch dem bereits erwähnten König Abdul- wanderung aufs Land, denn Mechanik und Kanada, das drittgrößte Land der Welt, ist lah von Saudi-Arabien, Marokkos König Automatik haben die Nutzung menschli- ganz in ihrem Besitz. Dazwischen liegt nur Mohammed (Nr. 4), Sultan Kabus von Oman cher Arbeitskraft im Produktionsablauf noch König Abdullahs Saudi-Arabien, flä- (Nr. 6), König Abdullah von Jordanien zunehmend eingeschränkt. Erwerbslosig- chenmäßig die Nr. 2. (Nr. 9), der Emir von Kuwait (Nr. 20) und keit, Verarmung und Luftverschmutzung In Kanada, Neuseeland und Australien ver- Scheich Hamad von Katar (Nr. 23). regen wachsendes Interesse an einer länd- walten und vermitteln Regierungsstellen Kaum anders ist es um den Papst bestellt, lichen Existenz mit Selbstverpflegung an: Ländereien im Namen der Krone. In keinem der nach dem Völkerrecht als Oberhaupt Schrebergarten und Hühnerstall, eine Kuh, dieser Mitgliedsstaaten des Commonwealth des Vatikan-Staates gilt. Katholischem ein Pferd, ein Schwein, Fahrrad statt Auto gibt es irgendwelche Unterlagen zu Geld- Dogma gemäß ist auch hier aller Grund – eine ökologische Idylle! überweisungen ins Vereinigte Königreich, und Boden auf göttliche Gnade zurückzu- Nur eine Frage bleibt unbeantwortbar: zugunsten der Königin. führen. Jahrhundertelang besaß der Papst Wird es genug bestellbares Land für alle In Australien stehen die Kidmans mit rund fast ebenso viele Ländereien wie die bri- geben? Dieses liegt nämlich in wenigen 10 Millionen km² Farm-und Weideland an tische Königin: Etwa 20 bis 30 % der Flä- Händen. achter Stelle unter den weltgrößten priva- che Westeuropas gehörten dem Vatikan, Ist es die Königin von England oder die ten, nicht-monarchischen, nicht-staatlichen nicht weniger in Südamerika. Viele dieser australische Millionärsfamilie Kidman Landnutzern. Doch sie können kein Land Besitztümer sind heute zwar weltlicher (zu der die Schauspielerin Nicole Kidman in Australien als ihr Eigentum betrach- Natur, aber dem Papst unterstehen noch gehört) oder König Abdullah von Saudi- ten, da dieses nur der britischen Königin immer sämtliche katholischen Institutio- Arabien oder gar der US-Medienmogul Ted zusteht. Was den Kidmans gewährt wird, nen, Klöster und Diözesen – weltweit etwa Turner, die über die größten Territorien ist eine Mischung aus verschiedenen Pacht- 420 Millionen km². der Welt verfügen? abkommen mit der Krone auf bestimmte Die russisch-orthodoxe Kirche ist auch Landnutzung geht Hand in Hand mit dem oder unbefristete Zeit. Ähnliche Arran- nicht ganz arm. Unter Lenin enteignet, Anspruch auf Besitzerrechte. Seit der gements genießen sieben andere Unter- besitzt sie inzwischen wieder riesige Flä- Feudalzeit hat sich die Idee eines monar- nehmen und private Landnutzer, darunter chen und unzählige Immobilien. chischen Eigentümers von himmlischen MacDonalds Holdings mit über drei Mil- Die griechisch-orthodoxe Kirche ist Eig- Gnaden konstitutionell verwurzelt. Mit der lionen km² australischen Bodens. nerin von 70 % des landwirtschaftlich imperialistischen Expansion Großbritan- Ted Turner steht mit seinem Landbesitz nutzbaren Bodens, während die helleni- niens wurde sie einem Viertel der Mensch- in den Vereinigten Staaten von knapp ei- schen Bauern lediglich Pächter sind. Auf heit aufgebürdet. ner Million km² erst an 24. Stelle der Welt- kirchliche Einnahmen werden keine Steu- Heute noch ist Queen Elizabeth II. die füh- liste, denn in den republikanisch-demokra- ern erhoben. Als Andreas Papandreou – rende feudale Grundbesitzerin der Welt. tischen USA kam es 1862 unter öffentlichem der Vater des heutigen Athener Premiers Als Herrscherin des britischen Common- Druck zur Verabschiedung des Homestead – ans Ruder gelangte und den Grundbe- wealth, das insgesamt 54 Länder umfaßt Act, wonach die Regierung an Familien nur sitz der Kirche nationalisieren wollte, und den größten geschlossenen Block im Grundstücke bis zu etwa 65 km² verteilen warnte ihn der Patriarch, sämtliche Kir- Rahmen der Vereinten Nationen darstellt, durfte. Größerer Landbesitz war vom eige- chengelder würden sofort in die Schweiz ist sie Oberhaupt von 32 Staaten. ein Über- nen Zahlungsvermögen der Interessenten transferiert. Athen wäre dadurch schon bleibsel des Feudalsystems, beansprucht abhängig oder konnte nach Ausrottung der damals bankrott gewesen. So wurde der sie Besitzerrechte über 15,7 Milliarden km² Indianerstämme und Abschlachten der Plan unverzüglich aufgegeben. oder ein Sechstel der Erdoberfläche. Büffelherden im „Wilden Westen“ durch Dr. Vera Butler, Melbourne Schon seit römischen Zeiten grassiert die Abenteurer usurpiert werden. Idee, alle Länder mitsamt ihrer Bevölke- Nach alter Tradition und heutigen „neolibe- rung gehörten den Göttern, die sie ihren ralen“ Prinzipien ist Elizabeth II. rechtmä- Am 11. November um 16 Uhr findet irdischen Vertretern lediglich zur Nutzung ßige Herrscherin über 13 der größten von in Suhl, Gaststätte „Suhler Weiber- überließen. Landbesitz war daher gottge- insgesamt 24 Räuberlagern für Steuerhin- wirtschaft“, Bahnhofstraße 1, eine geben – ein geschickter Seitensprung ins terzieher. Darunter befinden sich etliche „RotFuchs“-Veranstaltung für Mitglieder, Okkulte der ansonsten äußerst rationellen Inseln – von den Bermudas und Bahamas Leser und Interessenten aus der Region römischen Rechtsprechung, um die Plebejer bis zu denen im Ärmelkanal, aber auch statt. Der stellvertretende Vorsitzende des von den Ländereien der Patrizier fernzu- Landpositionen wie Gibraltar. RF-Fördervereins Wolfgang Dockhorn halten und ihnen mit der Androhung gött- Die Liberal-Demokraten, derzeitige Koali- spricht zum Thema licher Strafe Furcht einzuflößen. tionspartner der Konservativen des briti- Der „RotFuchs“ wird 14 Jahre alt Der Kern der überkommenen feudalen schen Premierministers David Cameron, – seine Position im Ringen um die Struktur ist das Erbschaftssystem. Es wollen diese kapitalistischen Freibeuter Einheit der linken Kräfte umfaßt viele Länder und wird durch die unter Kontrolle bringen und bestimmten RotFuchs / November 2011 Seite 23

Ein gehätschelter Schoßhund Warum die USA Jemens Widerständler nicht als „Rebellen“ bezeichnen

eit dem Frühjahr erschüttert eine Serie Jemen zunächst insofern unbotmäßig, als jünger als 15 Jahre – den meisten Heran- Saufeinanderfolgender Massenaktionen es gegen den Irak-Krieg der USA auf Distanz wachsenden eröffnet sich keinerlei sozi- – gemessen an der Einwohnerzahl denen ging. Später wurde das Saleh-Regime dann ale Perspektive. in Kairo durchaus ebenbürtig – den arabi- allerdings zu einem gehätschelten Schoß- Die Kräfte der Opposition haben sich vor schen Staat Jemen. In der Hauptstadt Sanaa hund aufeinanderfolgender US-Administra- Monaten in einem Forum zusammenge- trugen Zehntausende immer wieder ihren tionen. Die Gründe für Sanaas kurzzeitige schlossen, zu dem sowohl radikale Isla- Protest gegen den seit 33 Jahren im Sat- misten als auch Anhänger der Jemeniti- tel gehaltenen Präsidenten Saleh, der bei schen Sozialistischen Partei gehören. einem Anschlag schwer verletzt worden Während früher die Gegner Salehs häufig war, auf die Straße. Auch Teile der Armee getrennt voneinander aufbegehrten, hat gingen, als die Empörung den Siedepunkt sich der Diktator von Washingtons Gnaden erreichte, zu den Volkskräften über. Das in langjähriger Alleinherrschaft das große Schicksal des Diktators, der in ein sau- Verdienst erworben, sie im Kampf gegen disches Hospital überführt wurde, war sich und sein Regime zumindest zeitwei- damit aber noch nicht besiegelt. Während lig zusammengeführt zu haben. Ägyptens abgenutzte US-Gewährsleute um Dafür, daß dieses nicht sofort geopfert Mubarak unverzüglich aus dem Verkehr wurde, gibt es nur eine plausible Erklä- gezogen und einige von ihnen sogar vor rung: Die USA wollen ihren vor etlichen Gericht gestellt wurden, bleibt der Imperia- Jahren auf Linie gebrachten Vasallenstaat lismus im Falle Jemen untätig. Zur selben in einer Region von höchster strategi- Zeit wurden Himmel und Hölle in Bewe- scher Bedeutung unter keinen Umstän- gung gesetzt, um Syriens Präsident Assad den einbüßen. Deshalb erteilten sie zwar durch hochgeputschte Unruhen loszuwer- der syrischen Opposition höchste Noten den, nachdem 20 000 NATO-Luftangriffe und bedienten sich in Libyen der durch auf Libyen das „dem Westen“ verhaßte Gad- Auf dem El-Tahrir-Platz in Kairo: „Die Völker die NATO ins Spiel gebrachten „Rebellen“, dafi-Regime sturmreif geschossen hatten. sollten ihre Regierungen nicht fürchten, übten aber in bezug auf Jemen verdäch- Im Falle Damaskus ging es darum, das an doch die Regierungen sollten ihre Völker tige Zurückhaltung. Selbst wenn Saleh aus fürchten.“ Israel grenzende arabische Kernland „in dem Verkehr gezogen wird, dürfte sein den Griff zu bekommen“, bei Tripolis han- Regime überdauern. delte es sich schlichtweg um die Gier nach „Oppositionsrolle“ waren in erster Linie RF, gestützt auf „Solidaire“, Brüssel Öl. Unterdessen blieb ein längst fälliger darin zu suchen, daß damals noch Mit- Regimewechsel in Jemen außer Betracht. In glieder der Jemenitischen Sozialistischen der Wortwahl der imperialistischen Mäzene Partei aus dem Süden einige Ressorts in Besonders liebe Grüße übermitteln wir und Beschützer Salehs gab es dort weder der neuen Regierung besetzt hielten. Auf drei „etwas“ älteren Kampfgefährten „Rebellen“ noch „Freiheitskämpfer“, wohl diese mußte zunächst Rücksicht genom- mit ebenso ungewöhnlichen wie impo- aber unzählige Opfer der mit äußerster men werden. Härte vorgehenden Polizei. Saudi-Arabien, aufs engste mit den Verei- nierenden Biographien. Warum blieb Jemen von der Medienkam- nigten Staaten liiert, zahlte Sanaa dessen Am 5. November begeht der renom- pagne der NATO-Staaten weitgehend ver- Zurückhaltung in Sachen Irak-Krieg auf mierte DDR-Faschismus-Forscher und schont? „Empfehlung“ des Pentagons heim: Riad namhafte Autor, der Historiker Während Saleh taktisch zurückwich, zu- wies kurzerhand eine Million jemenitische nächst die „Präsidentschaft auf Lebenszeit“ „Gastarbeiter“ aus, was in deren Heimatland Dr. Kurt Gossweiler zur Disposition stellte und dann wiederholt auf Grund der plötzlich nicht mehr einge- zu demissionieren versprach, wurde er von henden Geldüberweisungen heftige ökono- seinen 94. Geburtstag. seinen „amerikanischen Freunden“ nicht mische Verwerfungen zur Folge hatte. Am 26. November wird der Shoa-Über- aus dem Sattel gestoßen. John Brennan, Jemens Führung verstand die Lektion und lebende, Spanienkämpfer und große Berater US-Präsident Obamas und ein glü- tanzte fortan nie wieder aus der Reihe. Der Internationalist unserer Tage, RF-Autor hender Verteidiger der jemenitischen Tyran- harte Saleh wurde zu Wachs in den Händen nei, empfahl lediglich eine „verantwortbare seiner überseeischen Gönner. Fritz Teppich Alternative“. Jemen ist mit 24 Millionen in etliche Seit einigen Jahren erhielt Sanaa von Wa- Stämme aufgespaltenen Einwohnern 93 Jahre alt. shington massive Unterstützung im Kampf heute das mit Abstand ärmste Land auf Am 29. November kann der ehemalige gegen den „Terrorismus“. Die US-Militär- der arabischen Halbinsel. Das Pro-Kopf- Buchenwaldhäftling, verdienstvolle hilfe von 11 Millionen Dollar im Jahre 2006 Einkommen der Bevölkerung beläuft sich DDR-Staatsfunktionär und frühe RF- wurde auf 70 Millionen im Jahre 2009 auf ein Zehntel des in den Nachbarlän- erhöht. Auch die angeblich zivile „US-Ent- dern Oman und Saudi-Arabien erzielten. Autor wicklungshilfe“ im Volumen von 121 Millio- Die Unterentwicklung auf allen Gebieten Herbert Thomas nen Dollar ging ausschließlich in jene Teile schreit förmlich zum Himmel. Die beacht- der jemenitischen Südprovinzen, wo einhei- lichen Errungenschaften, die zu Zeiten seinen 99. Geburtstag begehen. mische Truppen gemeinsam mit U.S. Special der Existenz der VDRJ (Hauptstadt Aden) Allen drei Berliner Genossen, auf deren Forces im Kampf gegen echte oder vermu- im Südteil durchgesetzt werden konnten, tete Stützpunkte von Al Quaida stehen. gehören der Vergangenheit an. Mit dem Verbundenheit mit dem „RotFuchs“ wir Nach der Liquidierung der linksorientierten, Wegfall der Hilfe sozialistischer Staaten stolz sind, gratulieren Redaktion und indes von inneren Machtkämpfen zerrisse- hatte diese ihren internationalen Rückhalt Förderverein von ganzem Herzen. Sie nen Jemenitischen Volksdemokratischen eingebüßt. Übrigens spielt auch die Bevöl- sind nicht nur Vorbilder an Langlebig- Republik (VDRJ) im Jahre 1991 und der kerungsstruktur eine erhebliche Rolle: keit, sondern auch als Kommunisten. Wiedervereinigung des Landes verhielt sich 44 % der jemenitischen Bevölkerung sind Seite 24 RotFuchs / November 2011

Ein Militär, dessen Waffe das Wort war: Walter Flegel

iteratur verbindet sich mit der Kunst, Den Dingen auf den Grund gehen. Das ist einem Doppelinterview äußert Heinz Senk- L an gewöhnlichen Leuten Ungewöhnli- es, worum sich Walter Flegel auch in seiner beil, wie Flegel Offizier und Schriftsteller, ches zu entdecken und dabei mit gewöhnli- umfangreichen Prosa – „In Bergheide und über seinen Autorenkollegen: „Alles, was chen Worten Außergewöhnliches zu sagen.“ anderswo“, „Ein Katzensprung“, „Es gibt er schreibt, greift direkt in die unmit- Ein einfacher Satz – eine Herausforde- telbare Gegenwart ein und wird aus ihr rung für den, der bereit ist, seinen Sinn geschrieben. Er vermittelt über seine Lite- anzunehmen. Er zierte den Schreibtisch ratur, was Arbeit und Alltag miteinander eines Mannes, der über Jahrzehnte mit zu tun haben.“ seinem literarischen Werk Leser anzieht, Einer damit verbundenen Haltung fühlt die mit kritischem Interesse aufnehmen, sich Walter Flegel weiter verpflichtet, auch was ihnen ein NVA-Offizier über sie, ihren als sich die Zeiten nicht nur schlechthin oft spannungsgeladenen Alltag und die – wie in den 40 Jahren DDR –, sondern Welt, in der sie leben, unverwechselbar grundsätzlich ändern. Der besorgte Fami- mitteilen will. Den 1934 geborenen Walter lienvater wird Mitglied des Verbandes Flegel vertreibt jener von seinen Lands- Deutscher Schriftsteller, Mitbegründer leuten verschuldete mörderische große und langjährig Geschäftsführer des Lite- Krieg aus der schlesischen Heimat. Er legt raturkollegiums Brandenburg, betreut im in Markleeberg die Reifeprüfung ab, geht Literaturklub Menschen mit und ohne – den großen Krieg im Gedächtnis – zur Behinderung, die Werkstatt „LitMatsch“ Kasernierten , besucht eine entsteht, bringt neue Talente hervor. Flegel Offiziersschule, wird NVA-Artillerieoffi- besorgt Nachdichtungen aus dem Russi- zier. Vor nunmehr fast vier Jahrzehnten schen, Zirkel Schreibender warten auf sei- schreibt mir der Autor in Uniform in eines nen sachkundigen Rat, Bibliotheken öffnen seiner Bücher:„Ich hoffe, daß wir noch oft ihm zu Lesungen wieder ihre Türen. miteinander zu tun haben …“ Zur großen „überregionalen“ Familie zählt „Der Regimentskommandeur“ erscheint wohl auch der Wildauer Kreis – Autoren, 1971 im Deutschen Militärverlag, Berlin. Lektoren, Literaturwissenschaftler und Dort begegnete ich, damals Kulturredak- Journalisten –, der nun ohne seinen am teur bei der Zeitung „Die Volksarmee“, 14. Juni plötzlich verstorbenen Walter und dem Autor Flegel erstmals leibhaftig: doch weiter mit ihm zusammenkommt. Sachlich und freundlich noch dazu war Treffen in einer kalten, friedlosen Welt – unser Gespräch. Das später auch ver- stets sachlich und freundlich, anregend filmte, mehrfach aufgelegte Buch sollte kein Niemandsland“, „Das einzige Leben“ und ermutigend weiterhin. zum Standardwerk über einen Lebensbe- und andere – immer wieder mit Erfolg Als Literatur von Wert aus dem Bestand reich werden, der die ganze Gesellschaft bemüht. Nicht ohne kritischen Unter- seines Landes in Containern und auf Hal- betrifft. Und ist so für den Autor zugleich ton über konkrete Lebensumstände sei- den verkommt sowie über die Treuhand ein schlagkräftiges Argument „gegen den ner „gewöhnlichen Leute“, mit und ohne den Bach runtergeht, beginnt Walter Flegel falschen Begriff Armeeliteratur“. Uniform. Die Kritik darauf ist, auch das weiter und wieder zu schreiben. Gesamt- Seine ihm wohl angeborene starke Nei- kommt vor, mitunter selbstgerecht und deutsches entsteht mit der „Reise an die gung, die Welt schreibend zu erkunden deshalb unvereinbar mit Anspruch und Mosel“, Kinder verlangen nach den „Jule“- und sich uniformiert auf den Weg sei- Ideal dieser Gesellschaft. Der Autor und Büchern, in „Jagodas Heimkehr“, „Unter ner Berufung zu machen, hat aus gutem Szenarist stellt für Buch- oder Filmprojekt der Schlinge“ und „Malvenweg“ gestaltet Grunde Förderung am Leipziger Literatu- vorgegebene Grenzen mit seinen künstleri- er, was ihm das Leben in einer neuen, alten rinstitut gefunden. Dieses Land braucht schen Mitteln durchaus auch infrage. Dar- Gesellschaft an Konflikten und Tragödien, auch sein Talent. Fürs eigene Fortkommen aus resultierende Kompromisse machen an Ungewöhnlichem bietet. mit – wie die Zukunft zeigen sollte – all ihm zu schaffen. Den Preis, den der Kör- Das nun alles, dazu die Auszeichnung mit den sichtbaren Erfolgen, aber ebenso den ner- und Nationalpreisträger Flegel dafür dem Ehm-Welk-Literaturpreis sowie dem unerwünschten, weil oft genug selbst- zahlen muß, daß ein in voller Länge abge- Kinder- und Jugendliteraturpreis „Eber- verschuldeten Fehlern, Irrtümern und drehter Film nicht bei „Wiedervorlage“, hard“, kann manchen jetzt tonangeben- Illusionen. sondern in der Ablage landet, kennt nur den Instanzen und Personen – wie sich Über die denkt Walter Flegel auch auf der er selbst. nach dem Schlaganfall-Datum zeigt, auch Insel Rügen nach. Die Region, wo Erde Flegels mehrfache Lebensprägung als über den Tod hinaus! – nur wenig gefal- und Mensch sich unaufhörlich trennen NVA-Kulturhausleiter, Mitarbeiter des len. Ist für sie doch eine Person wie „der und begegnen, ist für ihn mehr als nur ein Militärgeschichtlichen Instituts, Stadt- rote Flegel“ genau jener Typ, den es, nach Urlaubsdomizil. Hierhin kehrt er von Pots- verordneter, Präsidiumsmitglied im DDR- Kinkel, zu delegitimieren gilt. Und mit ihm, dam aus zu sich zurück. Im Dorfe Krim- Schriftstellerverband, Leiter des Aktivs quasi rückwirkend, sein untergegangenes nitz ist er ein Insulaner aus Passion. Ein Literatur und Landesverteidigung und Vaterland und dessen so manchem höchst Autor, dem Bodden und Meer, Sturm und schließlich ab 1986 als freischaffender suspekte Erinnerungswerte. Stille, dem Fischer und Landschaft den Autor findet sich, Leser bestätigen es, in Ein guter Freund, Walter Flegel, unser Stoff für feinsinnige Lyrik liefern. Wie seinen Werken wieder. Literatur als Denk- Mann aus Potsdam, hat schon zu Lebzei- in „Strandzeit“ aus dem Band „Ansichten anstoß und Wegbegleiter. So empfinden ten mit seinem dauerhaften Werk und Wir- von Rügen“: oder verstehen es seine Partner: Soldaten ken eine Antwort gegeben, die weniger den Im reifen Kornfeld rieche ich das Brot, in Eggesin, Matrosen in Stralsund, Gren- Tonangebenden, dafür aber seinen zahl- bevor es krustig auf den Tischen steht. zer in Suhl, Künstler im Kulturbundclub reichen Mitstreitern und Sympathisanten Der Anfang allen Lebens ist der Tod, „Johannes R. Becher“ Berlin, Werktätige gefallen wird. das weiß nur der, der bis zum Ursprung geht. der Leuna-Werke „Walter Ulbricht“. In Rudolf Hempel, Berlin RotFuchs / November 2011 Seite 25

Geheimtip aus Großdobritz: Der „RotFuchs“ braucht Welpen!

Anmache ... Du heiliger Bimbam! Was Sagen wir, er – unser „RotFuchs“ – hat Junge müssen unsere Kinder und Enkel heute bekommen. Welpen. Ich habe dafür ein alles aushalten! Emblem entworfen: Danach kam mir eine Idee. In den Rega- len meines Bücherschranks ging ich langsam die Reihen durch. Tja, sehr viele hatten doch schon immer und gerade für den jüngeren oder älteren Nachwuchs musiziert, gedichtet und geschrieben. Märchen der Gebrüder Grimm, Ander- sens „Des Kaisers neue Kleider“, Jona- than Swifts „Gulliver“, erst in Lilliputs Mildendo, dann seine Flucht ins Land der Riesen, Brobdingnag, oder Daniel Defoes Überlebenskünstler Robinson ... Aber auch andere stehen da in Reih‘ und Glied ... Vieles kann man sicher nachlesen bei uns, der älteren Generation oder auch im hr seht mich hier unter der Leselampe Internet aufsuchen. Da seid ihr als Ken- I sitzen und im „RotFuchs“ blättern. ner von Hard- und Software, PC, Note- Den gibt es ja schon seit fast 14 Jahren. book und MP3-Player, iPhone und iPad Unsere Kinder und Enkel durften, wenn uns doch weit überlegen. Nun bin ich gespannt auf Zuschriften: Was sie wollten, hineinschauen, um zu erfah- Aber warum sollte sich der „RotFuchs“ schreiben unsere seit Jahren treuen und die ren, was er anstellt. Ob er immer ver- nicht auch gerade dieser Sache in seinem Tag für Tag hinzukommenden Leser? Hat standen wurde oder gefallen hat? Denn Kessel, das heißt auf seinen Seiten, wid- man mit den eigenen Kindern und Enkeln, mit der Jugend war das stets so eine men? Beiträge für die Jugend. Oder weit klein oder groß, schon einmal darüber Sache … besser: Sie schreibt an uns, stellt uns gesprochen? Machen die vielleicht mit? In Neulich sahen sich meine Enkel Bilder ihre Fragen. Rundum und nicht allein einer Staffel muß der Stab ja nun einmal oder Fotos im RF an und lasen manch- zur Politik ... übergeben werden. Klaus Horn mal die dazu passende Geschichte. Dann fragten sie mich plötzlich: „Sag mal, habt ihr immer nur dafür gesorgt, daß Max in Unterwellenborn Wasser bekam, daß die Friedländer Wiese getrocknet wurde oder daß man an der Grenze Wache schob?“ Ich schaute verwundert auf. Und dann ging es munter in diesem Stil weiter: „Ihr habt euch damals doch nicht nur dafür interessiert und allein über solche Dinge gesprochen … Den Bären könnt ihr uns nicht aufbinden!“ Ich geriet darüber in tiefes Nachden- ken. Hatten sie nicht recht, meine Enkel? Denn wir Älteren wurden lange vor der Kreditkarte geboren, und Waschautoma- ten gab es auch noch nicht. Ebensowe- nig Last-Minute-Reise mit Scannern vor 1793 1845 1882 der Fliegerei. Unsere persönlichen Kon- takte? Ohne Hotline, ohne Handys! Auf unserer Butterbemme lag kein Analog- schinken. Fiel das Wort „Kids“, dachten wir an kleine Rehe. Unser Fachwissen hieß auch nicht „Know-how“. Wir such- ten nicht nach einem Job, sondern hatten Arbeit. Mit „Hallo“ oder „Hi“ ging‘s nicht auf zu Highlights, Events und Matthias Wendlers „Sie liebt den DJ.“ Superstars, Starfriseure und Models? Gab‘s nicht. Im TV ging es anfangs noch züchtig zu, ohne Thriller und Serienkiller. Feste der Volksmusik gab es nicht zu allen vier Jahreszeiten, gesprochen wurde und nicht Woche für Woche getalkt. Und schließlich diese Erotik heut‘ rings um uns her und noch mehr. Mit oder ohne 1932 1944 1983 Seite 26 RotFuchs / November 2011

Ein Könner der Funk- und Fernsehdramatik Bernhard Seegers „Märkische Chronik“ bewegte Millionen

n den 60er Jahren trug sich Bernhard zugetrieben. Er hatte drei Jahre an dem Sze- Roman war „Herbstrauch“ (1961). Nach einem ISeeger in das Autorenverzeichnis des narium gearbeitet. In den zwölf jeweils ein- schweren Autounfall schrieb er 1967 sei- DDR-Fernsehens ein. Er bereicherte die stündigen Folgen erzählte er chronologisch nen Roman „Vater Batti singt wieder“ (1972). Adlershofer Bildschirmdramatik mit bewe- recht abgerundete Geschichten. Das Ver- Sein Romanzyklus „Menschenwege“, von genden Geschichten und neuen Inhalten. dienst des Regisseurs Hubert Hoelzke lag in dem die ersten beiden Bände 1974 und 1987 Seeger wies sich zunächst beim Funk durch einer bildstarken Erzählweise ohne effekt- erschienen, blieb leider unvollendet. Der seine erfolgreichen Hörspiele aus: „Wo die haschendes Beiwerk und im detailfreudig durch seine Werke populäre Schriftsteller Nebel weichen“ (1957), „Der Auftrag“ (1958) ins Bild gebrachten Zeitkolorit. Mit dieser starb nach langer Krankheit am 14. März und „Paradies im Krähenwinkel“ (1960) stan- Fernsehserie wurden Menschenwege über- 1999 in Potsdam. den am Anfang seines Weges. Er erwarb sich zeugend als ein Stück jüngste Geschichte Bernhard Seeger stellte in Hörspielen, Roma- bald einen guten Ruf auch als Verfasser von optisch vermittelt. Rezensenten werteten nen und Fernsehinszenierungen Helden vor, Fernsehspielen, die oftmals aus schon frü- den Fernsehroman als „bleibende Erinne- die dazu beitrugen, daß ein Stück Geschichte her gesendeten Hörspielen hervorgingen. rung an bewegende Schicksale“ oder ,,wie geschrieben wurde. Er ließ bewegte Zeiten Einige seien hier erwähnt: „Unterm Wind aus Menschenwegen wahrhaft menschliche in zupackenden Fabeln lebendig werden. der Jahre“ (1962 Hörspiel, 1967 Fernsehspiel), Wege geworden sind“. Seine reizvolle Erzählweise, die ihm eine „Rauhreif“ (1963 Hörspiel, 1964 Fernsehspiel) Anfang 1986 äußerte Bernhard Seeger, das beachtliche Leser- und Zuschauergemeinde oder die Trilogie „Hannes Trostberg“ (1966 Fernsehen der DDR beabsichtige, einen bescherte, kam dadurch zum Tragen, daß Hör- und Fernsehspiel). Im Funk erprobte neuen Zyklus der „Märkischen Chronik“ mit er Menschen und Ereignisse in kraftvollen er zunächst seine Stoffe und Themen, die er im wesentlichen gleicher Besetzung zu dre- Bildern und überzeugenden Konflikten ein- dann als Fernsehfilme herausbrachte. So hen. Er solle den Zeitraum von 1947/48 bis ander zuzuordnen wußte. Dieter Fechner wurde aus dem Hörspiel „Fünfzig Nelken“ zum Beginn der 70er Jahre erfassen und der TV-Roman „Erben des Manifests“ (1967). künstlerisch gestalten. Die zweite Staffel, In einem Interview bekannte der Schrift- wieder mit Regisseur Hubert Hoelzke, wurde steller, die Hörspiele seien für ihn oft Vor- dann auch als sechsteiliger Fernsehroman Uhr und Zeit sind nicht dasselbe formen für größere literarische Arbeiten noch im Herbst 1989 gesendet. Unter den Die Rädchen alle dreh’n und dreh’n gewesen. Seegers Fernsehspiel „Fiete Stein“ Mitwirkenden befanden sich Renate Geiß- Durch Fleiß, Geschäftigkeit. (1970) erinnerte in Stoff und Thema an Her- ler, Solveig Müller, Ernstgeorg Schwill, Peter Nur frag ich heute: ach, für wen? mann Kants Roman „Die Aula“. Bause, Jochen Thomas, Horst Schulze und Wenn alle Räder stillestehn, Die zwölfteilige Fernsehserie „Märkische Thomas Rümann. Beflügelt es die Zeit. Chronik“ (1983), der Seegers Roman „Men- Frei nach Motiven von Bernhard Seegers schenwege“ (1974) zugrunde lag, blieb sein Roman „Der Harmonikaspieler“ (1981) drehte Dann würden Unternehmer blaß, mit Abstand größter Fernseherfolg. Darin Regisseur Joachim Hasler 1984 den Breit- Die Aktienkurse fielen. erzählte der Autor Schicksale im Spannungs- wandfilm in Farbe „Der Mann mit dem Ring Und dissonant der Kontrabaß feld von faschistischem Zusammenbruch und im Ohr“. Den Zimmermann Tilman Ruten- Im Graben ohne Unterlaß demokratischem Neubeginn. Im Zentrum schneider spielte der rumänische Schauspie- Spielt Moll – nicht für die vielen. stand die von Entbehrungen, Trennungen ler Vladimir Gaitan. Die Geschichte dieses und auch Rivalitäten geprägte Geschichte standhaften Mannes war zwischen 1932 und Dann wär’ die Welt Musik in Dur. der Freundschaft dreier junger Männer aus 1947 angesiedelt. Der Zimmermann kehrte Noch fehlt der Dirigent. dem märkischen Güterlohe. Sie begann kurz in sein Heimatdorf mit einer „fremdländi- Verschied’ne Töne, Stimmen nur vor dem zweiten Weltkrieg und endete nach schen“ Frau zurück und baute sich dort ein Und Rädchen dreh’n, dreh’n zwar die Uhr 1945, als im Osten die Bodenreform voll- Haus, um glücklich und seßhaft zu werden. Gar rückwärts. Wie sie rennt? zogen wurde. Den männlichen Hauptfigu- Faschistisch Gesinnte brannten es nieder, Uns hilft nicht Fleiß allein am Tag, ren standen anrührende Frauengestalten wobei Frau und Kind ums Leben kamen. Til- So klingt die Symphonie. gegenüber. Das Agieren der Gutsfrau, die mann selbst wurde ins Konzentrationsla- Die Räder steh’n mit Paukenschlag Ursula Karusseit spielte, stellte einen Hand- ger verschleppt, kehrte nach Kriegsende Und alle ernten den Ertrag. lungsschwerpunkt dar. Seeger meinte, die zurück und wirkte an der Neugestaltung mit. Die Zeit beflügelt sie! Fabeln habe ihm das Leben buchstäblich Seegers wichtigster, früher viel gelesener E. Rasmus

Herzlichen Glückwunsch unseren Jubilaren des Monats November!

In fester Verbundenheit grüßen wir den namhaften Wissenschaftler der DDR und standhaften Marxisten Prof. Dr. Hans Kölsch aus Berlin, der am 25. November seinen 91. Geburtstag begeht. Zum 85. Geburtstag gratulieren wir unseren treuen Lesern Margot Rommel (15. 11.) aus Berlin, Josef Grohmann (22. 11.) aus Boxberg und Dr. Erich Thieler (23. 11.) aus Berlin. Liebe Grüße gehen an die fortan 80jährigen Dr. Werner Freigang (2. 11.) aus Leipzig, Horst Schlüter (2. 11.) aus Neubrandenburg, Horst Lange (4. 11.) aus Altentreptow, Helmut Goldenbogen (6. 11.) aus Eberswalde, den frühen RF-Autor Dieter Itzerott (12. 11.) aus Torgau, Ingeborg Runge (17. 11.) aus Hamburg und Hans Leopold (22. 11.) aus Potsdam. Ihren 75. Geburtstag begehen Burkhard Löther (9. 11.) aus Berlin, Dr. Martin Kneifeld (10. 11.) aus Strausberg, Horst Nehls (28. 11.) aus Neubrandenburg und „RotFuchs“-Autor Harry Popow (30. 11.) aus Schöneiche. Von Herzen alles Gute! Ihren 70. Geburtstag feiern Rainer Richter (4. 11.) aus Falkensee und Manfred Dittrich (16. 11.) aus Berthelsdorf. Auch den „Nachwuchskadern“ gratulieren wir in fester Verbundenheit: Stefan Lier (27. 11.) aus Berlin und Jutta Hoschek (28. 11.) aus Erfurt werden 60 Jahre alt.

Wie immer sind auch alle anderen Geburtstagskinder des Monats in diesen Glückwunsch eingeschlossen. RotFuchs / November 2011 Seite 27

Aus Hellges Anekdotenkiste Die „Schwarte“ der Klassiker

ch hatte gerade drei Jahre als Neulehrer dert gefühlt und das dem Ministerium Ich gelobte Besserung und hatte auf der I an einer Grundschule unterrichtet, dann mitgeteilt hätte. gemeinsamen Rückfahrt mit Hella N. einen Jahreslehrgang für Geschichtsleh- Es überraschte mich indes außerordent- reichlich zu tun, der völlig Zerknirsch- rer absolviert, als ich Anfang 1950 den lich, als ich von Dr. Stamfort strengen ten zu versichern, daß ich in keiner Weise Auftrag erhielt, an der Pädagogischen Blickes gefragt wurde, wie ich denn dazu nachtragend sei. Fachschule Gera meine in der Praxis käme, das Kommunistische Manifest als In Gera teilte mir dann die Leiterin der erworbenen Kenntnisse an junge Werk- Schwarte zu bezeichnen. Ihm läge eine Fachschule mit, fortan werde ein neuer tätige, die zum Lehrerberuf „umsatteln“ Mitteilung der Studentin Hella N. vor, Kollege in eben jenen Fächern unterrich- wollten, weiterzugeben. Die mir zugeteil- wonach ich im Unterricht gesagt hätte: ten, die auch die meinen seien. Es war ten Fächer waren Geschichte der Pädago- „Auch für Nichtmarxisten ist es durchaus niemand anderes als der damals weithin gik und Einführung in den dialektischen gewinnbringend, mal einen Blick in diese bekannte Prof. Otto Jensen, der zu Zeiten und historischen Materialismus. Natür- Schwarte zu werfen.“ So habe er die junge der Weimarer Republik viele Jahre die lich besaß ich auf beiden Gebieten damals Frau gleich mit eingeladen. Heimvolkshochschule Gera-Tinz – eine nur ein bescheidenes Grundwissen, gab Ich wußte sofort, daß ich diese Formulie- renommierte Bildungsstätte für Sozial- mir aber den Anschein, ich stünde sou- rung zwar gebraucht, das Wort Schwarte demokraten – geleitet hatte. verän im Stoff. Dazu gehörte viel Fleiß aber gedanklich in Anführungszeichen Natürlich nutzte ich die erstbeste Gele- bei der Unterrichtsvorbereitung, was vor gesetzt hatte. Phonetisch waren diese genheit, dem Unterricht dieses erfahre- allem Lesen und nochmals Lesen bedeu- indes nicht wahrzunehmen. nen Pädagogen, der leider total erblindet tete. Dennoch war ich mir nicht sicher, ob So versuchte ich Dr. Stamfort zu erklä- war, beizuwohnen. Der Zufall wollte es, meine Zuhörer auch mit der Qualität des ren, daß ich … Der aber unterbrach mich daß er gerade das Kommunistische Mani- ihnen Gebotenen zufrieden waren. lächelnd und meinte nur, er habe sich das fest behandelte. Am Ende der Lektion traf Da wunderte es mich nicht, als mir mit- schon so denken können. Schließlich sei er mich fast der Schlag, als Prof. Jensen sich geteilt wurde, ich sollte mich – zusammen in meiner Kaderakte auf den Satz gestoßen: für die Formulierung entschied: „Ich emp- mit der Studentin Hella N. – am nächsten „Kollege Hellge neigt zu heiterer Selbstiro- fehle auch den Nichtmarxisten unter mei- Tag im thüringischen Volksbildungsmi- nie.“ Dennoch wurde ich darüber belehrt, nen Zuhörern, mal einen Blick in diese nisterium in Weimar bei Dr. Stamfort daß Ironie in der pädagogischen Arbeit Schwarte zu werfen.“ Ich hörte deutlich einfinden. Hella war mir als wißbegie- unangebracht sei, da Schüler mit Spott die Anführungszeichen mit, war mir aber rige Studentin aufgefallen. So wäre ich dieser Art noch nichts anzufangen wüß- nicht sicher, daß alle Seminarteilnehmer nicht sonderlich erstaunt gewesen, wenn ten. Selbst Erwachsene hätten dazu ja bis- ebenfalls ein so feines Ohr besaßen. sie sich bei meinen Lektionen unterfor- weilen keinen rechten Zugang. Helmuth Hellge, Berlin

Eine Kunstfigur mit autobiographischem Hintergrund Hocke in Archies Haut

en ständigen Lesern dieses Blattes ist beispielsweise wenn Archie seinen ame- DArchie – sein vollständiger Name lau- rikanischen Verwandten das Funktionie- tet Archibald Einfalt – gewiß schon lange ren unseres Trabbi zu erklären versucht; bekannt. Es handelt sich um eine Kunst- manchmal gerät er gewaltig in Zorn, etwa, figur mit dem autobiographischen Hinter- wenn er mit Neonazi-Umtrieben in der ost- grund ihres Erfinders Manfred Hocke. Da deutschen Provinz konfrontiert wird; und werden kleine Geschichten erzählt, wie ein anderes mal leidet er still, wenn er als ein pfiffiger, widerborstiger und oft zor- erfahrener und in die Untätigkeit entlas- niger Berliner die DDR und die Zeit der sener Dramaturg schlecht gemachte Fern- „Wende“ erlebt hat und wie er sich nun sehkrimis konsumiert. bisweilen „wie ein Emigrant im eigenen Ich kann und will die Abenteuer und Lande“ fühlt. Erkenntnisse dieses Archibald Einfalt Unlängst ist ein kleines Buch mit 60 sol- hier im einzelnen nicht wiedergeben, ver- cher skurrilen Geschichten samt einigen sichere aber, daß sie mit Amüsement zu lustigen Illustrationen von Heinz Herres- lesen sind. Zumal Hocke mit Sprache umzu- bach unter dem Titel „Archie in den Zeiten“ gehen weiß. An passender Stelle fällt er erschienen. unvermutet aus der Prosa sogar in lustige Es ist wohl kein Zufall, daß Kunstfiguren Räsoneur, der unsere Zeitläufte mit seinen Reimereien, und oft gelingen ihm notie- einer plebejischen Tradition, zu denen ein „unzeitgemäßen“ Ansichten begleitet, oder renswerte Aphorismen, die aus Platzgrün- Simplizius Simplizissimus ebenso gehört eben Hockes Archie gehören dazu. den hier leider nicht zitiert werden können. wie der brave Soldat Schwejk, in der neueren In manchen dieser Geschichten geht Kurz und gut: Ich kann „gelernten“ und Literatur wieder häufiger vorkommen. Vol- es recht phantastisch zu, denn Archie kritisch gebliebenen DDR-Bürgern dieses ker Brauns „Flick von Lauchhammer“, der kann mit allerlei Tieren kommunizieren, kleine Buch zur Lektüre nur empfehlen. arbeitslos gewordene Reparaturschlos- hat manch seltsame Träume und sogar Dr. Manfred Pauli ser aus dem Braunkohlenrevier, den die einen Schutzengel namens Guste an sei- erzwungene Tatenlosigkeit in die seltsam- ner Seite; in anderen Texten kommt der Manfred Hocke: Archie in den Zeiten, sten Abenteuer treibt, oder Armin Stolpers normale Wahnsinn des heutigen Alltags GNN-Verlag Schkeuditz 2010, 204 S., 15 €, „Kaschpar“, der kauzige polnisch-deutsche zur Sprache. Manchmal ist es reiner Spaß, ISBN 978-3-89819-347-4 Seite 28 RotFuchs / November 2011

Warum Archie als Traumtänzer galt

er Ruf eines Traumtänzers läuft Archie Malerei zu entwerfen. In seinen Zeichnun- Hasen waren übrigens durchaus keine Dseit seiner Kinderzeit auf der Tschepine, gen wimmelte es von freundlichen Men- Angsthasen, sondern gescheite Leute, die einem Breslauer Armenviertel, in dem er schen und Tieren unter einer lächelnden auf Grund langjähriger Erfahrung genau zunächst aufwuchs, hartnäckig hinterher. Sonne. Das war Ausdruck kindlicher Sehn- wußten, was „ging“ und was „nicht ging“. Das war vor 1945, als er sich ständig von sucht. Als er so malte, sagte der Vater: „Der Manche waren auch gebrannte Kinder, dort wegträumte und sei es auch nur zu Junge ist und bleibt halt doch ein Traum- denen irgendwann einmal Projekte aus der seiner Großmutter, die hinter dem Oder- tänzer!“ Schade, dachte Archie, hätte er Hand genommen oder einfach aufgegeben tor-Bahnhof wohnte, wo man vom Fenster doch nur allzugern mal etwas Positives worden waren. aus die ankommenden Züge sehen konnte. über sich aus diesem Mund gehört. Sie wollten eine Wiederholung dessen ver- Leute aus der billigeren Volksklasse stiegen Alle Welt dachte damals, Archie würde spä- meiden und fingen an, faule Kompromisse mit Geflügel unter dem Arm und in Käfi- ter einmal sein Geld mit Malen verdienen, einzugehen – zum Nachteil der Zuschauer. gen aus, um damit auf den Markt zu eilen, wobei im Milieu der armen Leute darunter Auf die Dauer lief das schief, da man den während aus der vornehmen 1. Klasse Leute Anstreichen verstanden wurde. Allerdings Menschen nicht solche Themen vorenthal- quollen, die – in feine Pelze und edles Tuch befand sich Archie in den Fächern Kunst- ten darf, die ihnen auf den Nägeln bren- gehüllt – ihren Geschäften bei Banken oder erziehung und Zeichnen als Schüler stets nen. Als Archie dies unbekümmert auf in anderen lukrativen Bereichen nachzuge- auf vorderen Plätzen. Er hatte eben früh einer Versammlung zur Sprache brachte, hen bestrebt waren. angefangen, sich seine eigene Traumwelt meinte einer der Anwesenden, er sei wohl Wieso kommen die einen immer aus der zu schaffen. ein Traumtänzer. Holzklasse und die anderen aus Polster und Auch Theaterleute neigen dazu, dasselbe Um das Bild abzurunden: Im großen und Plüsch? ging es Archie damals durch den auf den Brettern, welche die Welt bedeuten, ganzen war Archie durchaus mit seiner Kopf. Wer hatte das so eingerichtet? Warum zu tun. Deswegen landete Archie zunächst Rolle als Filmdramaturg zufrieden. Aller- riefen die Noblen immer: „He, Dienstmann, beim Schauspiel und später beim Film. dings wurde zuviel von Leuten hineinre- komm her, pack an!“ während die anderen Die Fiktion bietet wohl der Phantasie den giert, die zwar von Politik, nicht aber vom unterwürfig flöteten: „Bitte sehr, hab die größten Raum, vorausgesetzt, man läßt die Filmemachen Ahnung hatten. Ehr, was darf ich für Sie tun?“ Schöpfer gewähren. Fängt man aber damit Archie konnte in jener Zeit nicht ahnen, Auf der Tschepine beschäftigte sich Archies an, sie zu gängeln, dann benutzt man sie daß er schon bald danach als Dramaturg Kinderphantasie mit dem Lesezirkel – einer lediglich als Chauffeure für das Vehikel überhaupt nicht mehr gefragt sein würde. Mappe voller Journale, die für die Ärm- Film, um die Wünsche der jeweiligen Auf- Das war, als die Protagonisten der „freien sten der Armen neu genug waren, obwohl traggeber mehr als die eigenen Ideen zu Marktwirtschaft“ das gekaperte Studio ihr Erscheinungsdatum bereits um sechs befördern. übernahmen. Nun wurde er in der Tat zum Wochen zurücklag. Seit 1939 bestand deren Als Archie Jahre später beim DEFA-Spiel- Traumtänzer. Hatte er in der DDR immer- Inhalt aus Kriegsverherrlichung, Laza- film als Entwicklungsdramaturg Seite an hin ein Dutzend Filme auf die Leinwand rettberichten, Lili-Marleen-Schmonzet- Seite mit dem Regisseur, dem Kameramann, bringen können, wurde ihm nun beruflich ten, Greuelpropaganda aus dem Hause dem Dialog-Autor und dem Studio als sei- und darüber hinaus einfach die Luft abge- Goebbels, Berichten über Kinderlandver- nem Auftraggeber arbeitete, merkte er oft, drückt. Manfred Hocke schickung und im Laufe der Jahre immer daß in den Köpfen der Beteilig- magerer werdenden Erfolgsmeldungen von ten jeweils ein völlig anderer der Front. Hinzu kam dann um die Weih- Streifen im Entstehen war. Man nachtszeit noch der Nikolaus bei der kämp- bezeichnete dieses Stadium als fenden Truppe, ähnlich wie heute, wenn das Treatment, in dem der Film Rührseliges über den Krieg am Hindukusch in seinen Umrissen sichtbar zu lesen ist, wo deutsche Soldaten einmal wurde. Von diesem Moment mehr „ihre Heimat“ verteidigen. an wäre es richtig und nötig Gleichgeschaltete Berichterstattung gab es gewesen, daß nur noch einer also auch schon in Archies Kindheits-Lese- das Sagen gehabt hätte. Doch zirkelmappen. Damals beeindruckten sein leider war das nicht der Fall. Gemüt besonders die Horrorzeichnungen Oft genug versuchten gleich und Lithographien von Andreas Paul Weber, mehrere Instanzen parallel dem seit 1973 ein Museum in Ratzeburg oder gegeneinander Einfluß gewidmet ist. Dieser Meister des bizarren zu nehmen. Doch viele Köche Strichs verdüsterte Archies Gemüt der- verderben den Brei. maßen, daß er anfing, seine eigene Gegen- Gelegentlich schrieb Archie welt mit Stiften und Pinseln im Stil naiver auf, wie er sich als Dramaturg das Ganze gedacht hätte. Der jeweilige Regisseur las sich die Niederschrift durch und Tiefgekühlt sagte dann oft: „Nicht schlecht, sehr geschlossen und konse- Dividende – Hummer quent. Aber es ist Deine Sicht Profit – Champagner: und nicht ganz die gewünschte. immer mehr ökonomische Völlerei Das bekämen wir so nie durch. gefördert von einer Regierung Du bist einfach ein Traumtän- die eisglattweg lügt: sie sei sozial zer!“ Danach entstanden oft die frostklar berühmt-berüchtigten DEFA- daß immer weniger Menschen Stopfgänse. Es wurden ein- an demokratische Wärme glauben fach noch ein paar zusätzliche Problemchen reingenommen, Jürgen Riedel, Minden wobei das Hauptthema dann oftmals unterging. Alte DEFA- Grafik: Renatus Schulz RotFuchs / November 2011 Seite 29

2006 wurde vom Bundeskabinett ein neues 2011) recht problemlos verlief, wollte sich der Leserbriefe an „Weißbuch“ für die Bundeswehr beschlossen, das 50. absolut nicht einstellen. Wo und wie habe ich deren künftige Aufgaben definierte. Damit schrieb ihn dennoch entdeckt? Ro t Fu c h s man die Umstellung der Bundeswehr von einer Ich erhielt eine Einladung zu einem Klassen- der Territorialverteidigung dienenden Truppe auf treffen ehemaliger Absolventen des Instituts für eine globale Interventionsarmee fort und fest. „Die Lehrerbildung Kyritz. Ich hatte sie drei Jahre im Bundeswehr schreitet seit Jahren konsequent den Fach Marxismus-Leninismus unterrichtet. Als ich Weg des Wandels zu einer Armee im Einsatz“, plötzlich auftauchte, war das Hallo groß. Natürlich Danke für die prompte Hilfe! Ich wußte ja, daß Ihr hieß es dort. In der Praxis bedeutet das weltweite erwähnte ich gesprächsweise auch meine Mitarbeit mit der „jungen Welt“ solidarisch seid. Das war Kriegsführungsfähigkeit. am „RotFuchs“. Allgemeines Erstaunen: Von den heute eine Super-Anzeige! Ihr seid schon eine Als der seinerzeitige Bundespräsident Köhler im Mai 35 Anwesenden hatte noch keiner je etwas davon prima Truppe! 2010 anläßlich eines Truppenbesuchs in Afghanistan gehört. Etliche bekundeten ihr Interesse, doch nur Steffen Czubowicz, Ludwigshafen erklärte, „daß im Notfall auch militärischer Einsatz eine Frau entschloß sich sofort zum Bezug. Bei notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren anderen bleibe ich dran. Die große RF-Anzeige in der jW vom 24. August …“, löste das lautstarke Empörung aus. Köhler Noch ein Wort zu Leo Schabbel, über den ich im fand ich nicht nur inhaltlich gut, sondern auch das wurde vorgeworfen, ohne Rechtsgrundlage einem September-RF berichtete: Ein Genosse vom Ernst- richtige praktische Signal gegen den von Teilen der Krieg für wirtschaftliche Ziele das Wort geredet Busch-Chor informierte mich, daß Leo im September PDL-Spitze inszenierten Anzeigenboykott. zu haben. Dabei sagte er gar nichts anderes als 89 wurde und sich in einem nahegelegenen Heim Heinz-W. Hammer, Essen das, was auch im „Weißbuch“ der Bundeswehr befindet. Natürlich werde ich den Kontakt mit ihm nachzulesen ist. Sein baldiger Rücktritt dürfte mit suchen. Helmuth Hellge, Berlin In der „jungen Welt“ vom 15. September fanden diesem Ausplaudern eines Geheimnisses, das gar wir in der Rubrik „Abgeschrieben“ Auszüge aus keines war, zusammengehangen haben. Schon lange trage ich mich mit der Absicht, Euch einem „taz“-Artikel. Dort schrieb ein gewisser Oberstleutnant a. D. Roland Potstawa, für das unermüdliche Ringen Eurer Zeitschrift zu Stefan Reinecke u. a.: „Das Lob des Mauerbaus Königs Wusterhausen danken, unsere sozialistisch-kommunistischen durch die jW verniedlichte Lafontaine zur ‚Satire‘. Ideale nicht verleumden, diskreditieren und im Davor schrieb er einen Text für das Stasi-Nostalgie- Gerade las ich in der „jungen Welt“ die Nachricht historischen Sinne verfälschen zu lassen. Es hat Blatt ‚RotFuchs‘.“ vom Tode des in Moskau verstorbenen großen mich berührt, daß Ihr den 85. Geburtstag mei- Dazu fällt uns Sachsen-Anhaltern ein Ausspruch Humanisten, Kämpfers der Roten Armee und nes Mannes Prof. Dr. Heinz Sonntag, der leider Martin Luthers ein: „Was kümmert es die Eiche, Internationalisten Wladimir Samoilowitsch Gall. Ich erkrankt ist und sich in einem Heim befindet, nicht wenn sich die Schweine an ihr schubbern.“ lernte ihn 1971 in der UdSSR als Teilnehmer einer vergessen habt. Ingrid Lämmrich/Wolfhard Goldbach, Delegation von Abgesandten mehrerer Jugend- Dessau-Roßlau organisationen der BRD kennen, in der ich den Ein Wort zur PDL: Ohne Zweifel haben wir eine Marxistischen Studentenbund Spartakus vertrat. linkssozialistische Richtung, die von den Marxisten Das jW-Titelblatt zum 13. August hat mich – in Meine Eltern hatten am antifaschistischen Wider- und vorwiegend alten Genossen getragen wird, Anlehnung an Johannes R. Bechers „Dank Euch, stand aktiv teilgenommen und waren deshalb wobei man wohl in der Spitze auf eine biologische Ihr Sowjetsoldaten…“ – zu Versen angeregt, die ich verfolgt worden. Wir wurden durch die Rote Armee, Lösung hofft. Es bereitet mir Bauchschmerzen, wenn dem RF zur Verfügung stelle. zu der Wladimir Gall als Offizier gehörte, befreit. wir den Bestandteil der marxistisch-leninistischen Das werde ich nie vergessen. politischen Ökonomie „begraben“, weil wir dann Dank euch! Edwin Wesemann, Hannover auf die dialektisch-materialistische Gesellschafts- Dank euch, ihr Väter und Söhne! analyse, die uns von anderen unterscheidet, Ihr standet entschlossen bereit, Wladimir Gall, dem im Konrad-Wolf-Film „Ich war verzichten. Leider sorgen wir nicht dafür, daß die Zu hüten das Gute und Schöne, neunzehn“ ein Denkmal gesetzt wurde, hat in der jungen Genossen befähigt werden, marxistisch Die kostbare Friedenszeit. Phalanx sowjetischer Kulturoffiziere, für die Alex- denken zu lernen. Wir formen ihr Bewußtsein ander Dymschiz beispielhaft stand, die Hirne der nicht und überlassen es anderen an der hiesigen Wie können wir es euch lohnen? Deutschen von faschistischer Kulturbarbarei befreit. Friedrich-Schiller-Universität, einen fakultativen Ihr wachtet, statt müßiger Reden, Als ausgezeichnete Kenner deutscher Literatur und Grundkurs zum „Kapital“ durchzuführen. Für Arbeit und billiges Wohnen, Kunst haben sie für humanistisches Gedankengut Dr. Gisela Sonntag, Jena Gesundheit und Bildung für jeden. und die Bekanntschaft mit den eigenen großen Die Heimat konnte erblühen, Geistern, die sie damals besser als die meisten In meinem langen politischen Leben habe ich Es war ein stiller Sieg Deutschen kannten, Platz geschaffen. nichts Widerwärtigeres erlebt als den Schmu- In Jahren voller Mühen – Für uns Angehörige der Moskauer DDR-Botschaft sekurs von Gysi, Bisky, Holter, Lederer, Brie Kein Deutschland führte Krieg! war Wladimir ein häufiger und gern gesehener Gast. u. a., die in der Anbiederung an die Herrschenden Als Eltern hat es uns besonders gefreut, als er bei unverzichtbare Grundpositionen der marxistisch- K. Bernhardt, Berlin einer Feierstunde in der Botschaftsschule auch leninistischen Theorie und Praxis bedenkenlos über unserer Tochter das rote Halstuch überreichte. Bord geworfen haben. Der massive Angriff auf die Der 11. September ist nicht nur der Tag, an dem Wladimir Gall durchlebte einen Geschichtsab- „junge Welt“ stellte den bisherigen Höhepunkt des vor zehn Jahren der Anschlag auf die New Yorker schnitt, der heute im Visier der Verfälscher und Abrückens von linken Positionen dar. Wer zum Zwillingstürme erfolgte, sondern auch das Datum, Verdreher steht. Mögen die Nachrufe auf ihn Rufe Boykott der jW aufruft, schadet der Sache und an dem 1973 in Chile Panzer das Straßenbild in die Zukunft sein. sollte darum lieber seinen Hut nehmen. Da ist mir bestimmten und Flugzeuge Wohngebiete Santia- Wolfgang Kroschel, Cottbus Oskar Lafontaine wesentlich lieber, der mit seinen gos bombardierten. General Pinochet putschte im früheren „Genossen“ Schröder und Müntefering Auftrag der USA-Konzerne wie des einheimischen Nicht selten begleite ich verstorbene ehemalige brach und sich wiederholt recht deutlich zur Macht- Kapitals, vor allem aber mit Unterstützung der CIA Mitstreiter aus den bewaffneten Organen der DDR und Eigentumsfrage geäußert hat. gegen die freigewählte und linksgerichtete Regierung auf ihrem letzten Weg. Wenn beim Abschiednehmen Oberstleutnant a. D. Hans-Joachim Hartlieb, der Unidad Popular. Mehr als 40 000 Sozialisten, deren Lebensleistung und Wirken für den Schutz ihrer Dresden Kommunisten, Gewerkschafter und Angehörige sozialistischen Heimat eine gebührende Würdigung ultralinker Organisationen wurden verschleppt oder erfährt, erfüllt mich das mit Genugtuung. Glückwunsch zur September-Ausgabe! Der RF ist ermordet. Noch heute stehen mir die Bilder der im Leider gibt es aber auch Bestattungen, bei denen für mich eine Orientierungshilfe und bietet zugleich Zentralstadion zusammengetriebenen Antifaschisten im Leben des Verstorbenen besonders Wichtiges die Möglichkeit, eigenes Denken zu überprüfen. Für vor Augen. Dort wurde Chiles großer Sänger Victor unerwähnt bleibt. So die langjährige Zugehörigkeit mehrere Stunden bin ich dann nicht ansprechbar. Jara umgebracht. zur Partei der Arbeiterklasse oder der Ehrendienst Die Überlegungen Gleichgesinnter zu lesen, ist ein Carsten Hanke, Lambrechtshagen mit der Waffe. Das geschieht bisweilen, obwohl Lichtblick im heutigen Medienalltag. Schließlich gerade solche Faktoren das ganze Handeln des wird Zeitunglesen immer mehr zum Kreislauftrai- Bei keiner Veranstaltung zum 10. Jahrestag des von uns Gegangenen bestimmten. Warum? Aus ning. Ein Beispiel: das „Tagesspiegel“-Interview 11. September 2001 wurden die Opfer durch den USA- Angst? Vor wem denn? Wir dürfen nicht zulassen, des früheren PDS/PDL-Vorsitzenden Lothar Bisky. Imperialismus geführter Aggressionskriege erwähnt. daß die zeitweiligen Sieger der Geschichte ihren Er konstruiert dort ein Generationenproblem und Deshalb schlagen wir allen Linkskräften die Einführung Triumph bis zur letzten Ruhestätte unserer Genos- hofft, auf diese Weise die alten Genossen mit eines jährlich zu begehenden Gedenktages vor. Es sen auskosten können. ihren Erfahrungen und ihrem historischen Erleben böte sich das Datum des 1964 durch das Pentagon Generalmajor a. D. Dr. Dieter Lehmann, ausklinken zu können. Er bezeichnete sie 1999 als inszenierten Zwischenfalls im Golf von Tonking an, Dresden Parteivorsitzender (!) im öffentlichen Gespräch mit mit dem der USA-Krieg gegen die Demokratische Egon Bahr als „Klotz am Bein“. Und nun nennt der Republik Vietnam eingeleitet wurde. Endlich ist es mir gelungen, meinen 50. Abon- über 70jährige es „eine gute Idee, wenn die älteren Dr. Markus Fiedler, Bayreuth/ nenten für den RF zu gewinnen. Während es bei Damen oder Herren den Hut nehmen würden“. Andreas Meister, Kulmbach den 49 anderen (zwischen 2003 und dem Frühjahr Will er jene ausschalten, die den prinzipienlosen Seite 30 RotFuchs / November 2011

„Erneuerern“ ihre geschichtlichen Erfahrungen Wir waren unlängst im Oderbruch bei der Künst- eine Steinplatte eingelassen, auf der das Land, vorhalten könnten? Eine ahistorische Verurtei- lerin Goll zu Gast. Das ist eine sehr spannende der Name des Sportlers und dessen größte lung des 13. August 1961 läßt sich mit „jungen Frau. Zuerst haben wir Tee getrunken und über Erfolge vermerkt werden. Ein großer Stern Leuten“ lockerer durchsetzen als mit jenen, die die alten Zeiten, die sie erlebte, als sie dort und ein Gipsabdruck der Hand des Athleten damals dabei waren. hinkam, politisch diskutiert. Vor allem auch vervollständigen das Ensemble. Wenn Bisky der Meinung ist, „Jüngere“ könnten darüber, was für Schrott uns heute als „Politik“ Die „Hall of Fame“ der BRD existiert nur im es besser richten, sollte er als „älterer Herr“ angeboten wird. Die übliche Geschichtsverfäl- Internet und nirgendwo sonst. selbst den Hut nehmen und seinen lukrativen schung war dabei unser Thema. Die böse DDR, Gerhard Pfefferkorn, Lichtenstein Posten in Brüssel anderen übertragen. die bösen Kommunisten – immer drastischere Rudolf Krause, Berlin Volksverdummung. Als junger Genosse besuchte ich im Februar 1946 Dann kam Frau Goll auf Ihren „RotFuchs“ zu die Kreisparteischule der KPD in Weifa. Dort Während sich die Basis der Linkspartei im sprechen, den sie uns wärmstens empfahl. habe ich mir erste Kenntnisse der marxistisch- Wahlkampf den Interessen der Mehrheit der Eine kurze Leseprobe genügte vollauf. Auch wir leninistischen Philosophie und der Geschichte Bevölkerung zuwandte, schien für einige füh- möchten gerne Ihre Zeitschrift beziehen. der deutschen Arbeiterbewegung angeeignet. rende Genossen in den Landesvorständen Dr. Ellen und Max Witte, Heilbronn Mir wurde klar, daß deren fehlende Einheit der M-V und Berlin ein anderer Schwerpunkt zu entscheidende Grund dafür war, daß Hitler 1932/33 bestehen. Gemeinsam mit sich als „Reformer“ Den Glückwünschen für Almos Csongár zum an die Macht gelangen konnte. Auf der Schule ausgebenden Funktionären aus Fraktionen und 91. Geburtstag schließe ich mich gern an. Ich war von einem unmittelbar bevorstehenden höheren Etagen steckten sie viel Energie in inner- freue mich, daß ich im RF Nr. 164 einen Artikel Zusammenschluß der beiden Arbeiterparteien parteiliche Auseinandersetzungen. Sie führen meines früheren Ungarisch-Lehrers über Maja- vorerst noch nicht die Rede. offensichtlich einen immer schärferen Kampf für kowski lesen konnte. Die alten Zerwürfnisse und Feindseligkeiten, die eine andere Ausrichtung der Partei. Wie soll man Der Leitartikel Klaus Steinigers findet meine bewußt in die Arbeiterbewegung hineingetragen sonst die Angriffe im Zusammenhang mit dem Zustimmung. Der Beschluß der PDL-Bundes- worden waren, wirkten auch in den Vorständen Glückwunsch an Fidel Castro werten? Oder die tagsfraktion zum Antisemitismus war wirklich und Grundorganisationen von KPD und SPD nach. Art und Weise, wie die Kommunismus- und die überflüssig, da es an der klaren Haltung der Heute glaube ich, daß die Vereinigung beider Mauer-Diskussion geführt wurden. Hinzu kam Parteimitglieder in dieser Frage keinen Zweifel Parteien ideologisch viel gründlicher hätte vorbe- der mit Druck und Drohungen durchgesetzte geben kann. Das Existenzrecht eines israeli- reitet werden müssen. Auch bei der Jahre später Fraktionsbeschluß zu Israel. Als Krönung des schen und einen palästinensischen Staates erfolgenden Parteiüberprüfung mangelte es an Ganzen folgte dann noch der Boykottaufruf muß anerkannt werden. Voraussetzung dafür ist Konsequenz. Dennoch waren wir stolz darauf, gegen die linke Tageszeitung „junge Welt“. der Rückzug Israels aus allen 1967 okkupierten mit dem Zusammenschluß zur SED eine neue Hier geht es schon nicht mehr um Meinungsvielfalt arabischen Gebieten. Natürlich muß die Mauer Ära in der Geschichte der Arbeiterbewegung in einer pluralistischen Partei, sondern um die auf palästinensischem Gebiet weg. Man stelle eingeleitet zu haben. Niemand von uns wäre Durchsetzung der eigenen Deutungshoheit zu sich einmal vor, wir hätten 1961 die Mauer auf damals auf die absurde Idee gekommen, von aktueller linker Politik, strategischer Ausrich- Westberliner Territorium errichtet. einer Zwangsvereinigung zu reden. tung der Partei und Geschichtsbetrachtung Dr. Kurt Laser, Berlin Heinz Handrich, Leipzig aus linker Sicht. All das zeigt Wirkung: Genossen verlassen die Ich möchte Euch bitten, ein Wort der Anerken- Nun liegt der 50. Jahrestag des Mauerbaus Partei, weil sie der Querelen und ständigen nung für Euren Grafiker Klaus Parche an diesen bereits um Monate zurück. Viel Schmutz wurde Verbeugungen vor dem „Zeitgeist“ überdrüssig weiterzuleiten: Lieber Klaus, Deine Grafiken ausgeschüttet, ganze Seen haben sich mit Kro- sind. Für junge Leute ist sie aus dem gleichen sind phantastisch! Ich wünschte, ich hätte ein kodilstränen „gefüllt“. Die „Märkische Allgemeine“ Grund nicht sonderlich attraktiv. Wähler wan- solches Talent. Ich verstehe mich halt „nur“ auf bat um Berichte darüber, was Oma und Opa ihren dern ins Lager der Nichtwähler ab. Bei diesen Comics und Karikaturen. Mach weiter so! Auch Enkeln aus dieser Zeit erzählen würden. Auch Zerreißproben gibt es keine Sieger außer den ich werde mein möglichstes tun. ich beteiligte mich daran, ohne Berücksichtigung Herrschenden und ihrem Verfassungsschutz. Kai Friedrich (Kaivel), Kassel zu finden. In meinem Bericht schrieb ich, was Horst Neumann, Bad Kleinen ich meinen Nachkommen über den Mauerbau In seiner Ausgabe vom 11. August warb das ND und dessen Gründe zu sagen gedächte. Auch, 1990 gehörte ich der „ersten frei gewählten“ für eine Broschüre der Dresdner Studiengemein- daß es ohne ihn mit großer Wahrscheinlichkeit Volkskammer als Mitglied der CDU-Fraktion an. schaft Sicherheitspolitik e. V. Herausgeber sind zu einem Atomkrieg gekommen wäre. Der letzte Mit Freude habe ich damals dem Beitritt der DDR Wolfgang Scheler und Rolf Ziegenbein. Titel Satz lautete: „Ohne die Mauer würde es Euch zum Grundgesetz der BRD zugestimmt. Doch „Grenzschutz und Grenzregime an der deutsch- nicht geben.“ Hans-Peter Hoffmann, Velten schon kurze Zeit später kam die Ernüchterung. deutschen Grenze“. Behandelt wird der schon Eine solche Unrechtsgesellschaft wie die heu- länger währende Streit um die Doppelfunktion Wir essen, um zu leben, doch um leben zu tige hatte ich nicht erwartet. Viele Menschen der Deutschen Grenzpolizei/Grenztruppen der können, benötigen wir Lebensmittel. Was uns sind jetzt gezwungen, sich als Leiharbeiter und DDR. Dieses Organ erfüllte sowohl polizeiliche von dieser Branche angeboten wird, reicht aber Billiglöhner zu verdingen, um überhaupt einen als auch Aufgaben der Landesverteidigung. bestenfalls zum Überleben: Das wird getrickst, Job zu haben. Scheler, der das Vorwort schrieb, war Professor gefärbt, chemisch konserviert, präpariert, steri- Mein Leben in der DDR war besser, ruhiger, an der Dresdner Militärakademie „Friedrich lisiert, genmanipuliert, extrahiert und aufpoliert. ehrlicher und damit schöner. Ich gehörte keiner Engels“, wo ich ihn kennenlernte. In dem Text Vieles wird probiert, bis man die Gesundheit Partei an. Die Propaganda habe ich als „bloßen heißt es u. a.: „Seine früheren Ansichten … verliert! Dann wird operiert, man erhält reichlich Agitprop“ abgetan, als etwas „für Parteileute“. zu korrigieren, halte ich für die unabdingbare Pillen, alles patentiert, Hilfe nicht garantiert, der Dabei hat die SED damals nur das vorausgesagt, Voraussetzung, um in der … Debatte um das Kunde nicht informiert. was ich nun sehe und erlebe. Mein Versäumnis politisch und emotional brisante Thema der So könnte alles weiterlaufen, wenn wir jeden kann ich aber aufholen. Gerne gehe ich zu den deutsch-deutschen Grenze ernst genommen Unrat kaufen! Doch wir wollen weiterleben, statt Veranstaltungen der Leipziger „RotFuchs“-Gruppe, zu werden.“ Dax und Dollar hochzuheben! Nur Gesundheit wo alte Genossen sagen, wie es wirklich gewesen Auch ich bin für Meinungsstreit. Doch hier handelt ist uns wichtig – auf den Dax verzicht’ ich. ist. Heute gehöre ich der Partei Die Linke an. es sich wohl eher um den Versuch einer elitären Dr. sc. med. Siegfried Wiesner, Sternberg Ich hätte bei ihr gerne weniger Worte und mehr Studiengemeinschaft, sich die Deutungshoheit Kampfgeist, denn den am Ruder Befindlichen anzumaßen. Oberst a. D. Hans Linke, Suhl Mein Vater hatte mir vor Jahren einmal den kann nur ein harter Gegner die Grenzen ihrer RF zu lesen gegeben. Ich fand ihn interessant, Macht zeigen. Gerhard Masuch, Leipzig Seit etwa zehn Jahren gibt es in einigen Ländern bin ich doch als 50jähriger einer aus jener Ehrenstätten für Sportler. Meist nennt man sie Generation, welche die DDR noch bewußt Erst heute hat mich Eure Zeitschrift – glück- „Hall of Fame“ oder „Walk of Fame“. Einen der kennengelernt hat. licherweise nicht auf dem falschen, sondern schönsten Ruhmesorte findet man im österreichi- Ich dachte, in der Zeitschrift würde der Versuch auf dem richtigen Fuß – erwischt. Zu meinem schen Podersdorf inmitten des Burgenlandes. unternommen, zukunftsorientiert eine Alternative Bedauern muß ich gestehen, daß ich 1989 wie Dort werden Straßenradweltmeister geehrt. zum bestehenden System zu entwickeln. Mein vor den Kopf geschlagen war und das innere Vor einem Jahrzehnt gab es ein internationales Bestreben war es, angesichts der Einbindung Verhältnis zu meiner DDR verloren hatte. Erst mit Ausschreiben der Radsport-Illustrierten, wer die von „Entscheidungsträgern“ und Mitarbeitern den Jahren änderte sich das Schritt für Schritt. weltweit Besten dieser Disziplin seien. aus Schlüsselbereichen der DDR in Euer Auto- Heute bin ich wieder der Alte, jetzt allerdings Gustav-Adolf Schur stand dabei als erster und renkollektiv mehr Hintergrundwissen darüber auf anderem Niveau. Da tut mir Euer RF wirklich einziger Amateur an vierter Stelle. In dieser zu erhalten, was mit unserer DDR schiefge- gut. Er faßt meine Gedanken so zusammen, daß Reihenfolge wurde dann auch die Ehrung vor- laufen ist. sie schlüssiger werden. Danke! genommen. Im Juni 2007 verewigte man Täve Nach zwei Jahren RF-Lektüre muß ich jedoch PS: Seit gestern bin ich Abonnent des RF. dort nach Laurent Figon, Freddy Maertens und feststellen, daß sich Euer Blatt nicht weiterent- Jürgen Bauch, Dresden Helmut Wechselberger. Für die Geehrten wird wickelt hat und leider keinerlei Gefahr, nicht RotFuchs / November 2011 Seite 31

einmal intellektuell, darstellt, einen Beitrag im NATO-Vertrages an und forderten dafür eine Seit Jahren Leser Ihrer Zeitschrift, melde ich mich, obengenannten Sinne zu leisten. Zustimmung des Bundestages. angeregt durch die Zeilen von Dr.-Ing. Helmut Warum? Nach meinem Eindruck ist die Leser- Der außenpolitische Entscheidungsspielraum Kinne aus Zepernick zu Wort. Ich gehörte 1951 als schaft zu alt. Es gibt weder Ansatz noch Anreiz der Exekutive (Regierung) bleibt demnach ohne Oberwachtmeister der VP an und nahm wiederholt für junge Menschen, den RF zu lesen. Ihr drescht Einflußnahme der Legislative erhalten. Damit an den Einsätzen zur Sicherung des friedlichen nach alter Manier auf jeden ein, der andere ist das in Art. 59, Abs. 2 des Grundgesetzes Verlaufs der 3. Weltfestspiele teil. Später diente Ideen und Gedankengänge entwickelt. Der festgelegte Zustimmungsrecht des Bundestages ich als Offizier bei den Grenztruppen der DDR. Marxismus-Leninismus in Gestalt der Werke Makulatur. Günter Finke, Bramsche Noch immer bin ich politisch aktiv. der Klassiker hat in einer bestimmten Phase der gesellschaftlichen Entwicklung unbestritten Beim Hubschrauberabsturz in Afghanistan, Sigurd Dittrich, Bestensee seine Berechtigung gehabt. der von der „Mitteldeutschen Zeitung“ am Aber die Welt ist nun mal komplizierter, vielfältiger 8. August als „bisher schwerster Verlust“ gemel- Jobst-Heinrich Müller aus Lüneburg gibt in und dynamischer, und damit sind das auch die det wurde, war die US-Eliteeinheit „Navy Seals“ seinem Artikel (RF 164) Anregungen, wie die Ideen zu ihrer Bewältigung und Entwicklung. Ihr betroffen. Dabei handelt es sich um knallharte Geschichte der DDR erarbeitet werden sollte. müßt Euch allem ernsthaften linken Gedankengut Militärgangster. Man könnte noch mehr dazu sagen. So wäre unvoreingenommen öffnen. Leider schmort Ihr Man sollte sich daran erinnern, daß „Navy Seals“ z. B. die Frage zu beantworten, ob die DDR ohne viel zu sehr im eigenen Saft. in höchstem staatlichem Auftrag Osama bin äußere Einwirkung eine neue Gesellschaft, die Ich möchte nicht die vielen Leser und Autoren Laden ermordeten. Damals hatte nicht nur die sich an Marx und Engels orientierte, aufbauen beleidigen, die ehrlichen Herzens diese Zeitschrift gesamte Obama-Administration die Bluttat live konnte. Wohl kaum. Im Kalten Krieg standen verfolgen und unterstützen. Mein letztes Jahr am Bildschirm verfolgt. Auch unsere Christin 18 Millionen DDR-Bürgern 60 Millionen überwiegend verstorbener Vater war für mich der Prototyp Angela Merkel konnte unter geringfügiger Abwei- antikommunistisch manipulierte Westdeutsche Eurer Leserschaft. Ich werde Euch trotz der chung vom fünften Gebot ihr Entzücken über die gegenüber. Die BRD fügte der DDR enormen Kündigung als gelegentlicher Leser erhalten gezielte Tötung in Pakistan nicht verbergen. Schaden zu. Andererseits gestalteten sich die bleiben. Uwe Liebscher, Dresden Dr. Günther Freudenberg, Bernburg Beziehungen zwischen der UdSSR und der DDR nicht immer auf „gleicher Augenhöhe“. Unsere Wiederholt befassen sich RF-Autoren mit den Günter Vehoff wirft in seinem Leserbrief (RF Wirtschaft wurde – auch nach Zahlung der Gründen des Untergangs der DDR. Im neunten 164) die Frage nach dem Unterschied von Lebensjahrzehnt stehend, erinnere ich mich Idealismus und Materialismus auf und bittet um Reparationen – ganz schön zur Ader gelassen. an die sträfliche Mißachtung der politischen deren Beantwortung durch einen Philosophen. Es wäre also unrichtig, die DDR als eine Insel Hinterlassenschaft Walter Ulbrichts. Ich bin zwar keiner, doch die Frage hat mich im friedlichen Weltmeer zu beschreiben, auf In meiner Diplomarbeit (Staatsrecht 1964) hatte schon seit der Schulzeit in ihren Bann gezogen. der Männer und Frauen zu bestimmen hatten, ich mich einer seiner Formulierungen bedient, Im Grunde genommen geht es darum, was das die so manches, wie wir heute wissen, hätten deren Inhalt später zunehmend außer acht Ursprüngliche ist – der Geist oder die Materie. besser machen können. gelassen wurde. Ulbrichts Satz lautete: … „die Der Materialismus vertritt den Standpunkt, Siegfried Spantig, Hagenow Initiative und die Mitarbeit der Volksmassen daß die Materie ursprünglich und erkennbar (sind) notwendig, denn die Einbeziehung der ist. Sie widerspiegelt sich im menschlichen Ich befand mich zu einer Operation im Leipziger Werktätigen in die Leitung unseres Staates und Bewußtsein. Klinikum St. Georg. Kurz vor der Entlassung der Wirtschaft ist kein Lippenbekenntnis, son- Der Idealismus geht demgegenüber vom Primat entdeckte ich an der Nordseite des Areals eine dern eine Lebensfrage unserer sozialistischen des Ideellen und von der Annahme aus, das etwa anderthalb Meter hohe Aufschichtung mit Gesellschaftsordnung.“ Arndt Näser, Riesa Bewußtsein existiere außerhalb des materiellen Mörtel verbundener großer und kleiner Steine. Zusammenhangs. Walter Drexler, Berlin Auf einer Tafel stand: „Dank für den Schutz Eine Bemerkung zum Leitartikel der August- in der Nacht des Terrors. Errichtet von einer Ausgabe („Als sie an ihre Grenzen stießen“): Seit der Einverleibung der DDR treibt man die Gruppe sowjetischer Kriegsgefangener am 19. Ich halte die Formulierung „unsensible Ent- Christianisierung systematisch voran. Es existiert scheidungen von Staatsorganen bzw. einzelnen kein Bereich, in dem die Kirche – besonders die April 1945.“ Funktionären“ als fluchtauslösenden Grund katholische – nicht ihren Senf dazugibt. Dabei Ich machte mich mit der Geschichte der Einrichtung neben materiellen Beweggründen vieler DDR- ist der Anteil der Christen bei uns im Osten näher vertraut. Über den seinerzeitigen Direktor Bürger für eine unsensible Verniedlichung doch sehr gering. Das Theater um den Papst- des Klinikums, Prof. Dr. Karl Seyfarth, erfuhr ich, unserer Fehler. besuch war aus meiner Sicht Personenkult in daß er sich während des Zweiten Weltkrieges Ich halte unsere Methoden bei der Schaffung höchster Potenz. nachdrücklich für auf dem Krankenhausgelände Landwirtschaftlicher Produktionsgenossen- Der SPD-Abgeordnete Rolf Schwanitz schrieb am untergebrachte Kriegsgefangene eingesetzt und schaften und der Verstaatlichung von Klein- und 17./18. September in der „Sächsischen Zeitung“: deren Verschleppung in ein Konzentrationslager Mittelbetrieben sowie die Zugangsbeschrän- „Der Bundestag wird für den Papst mißbraucht.“ verhindert hatte. Klaus Pinkau, Leipzig kungen zu EOS und Unis für Kinder von Ange- Das spricht mir aus dem Herzen. hörigen der Intelligenz, Kirchenamtsträgern, Marianne Wuschko, Hoyerswerda Es erstaunt mich, daß die missionierungswütige Handwerkern und anderen Mittelständlern, westliche, christliche und freiheitlich-demo- die Ausgrenzung Andersdenkender und deren Der Bundestagsauftritt des bajuwarischen kratische Wertegemeinschaft so plötzlich und Verortung ins feindliche Lager, in das beileibe Herrn Ratzinger, der jetzt als „Stellvertre- alternativlos in der Bredouille steckt. Billionen nicht alle gehörten, für grobe Fehler und nicht ter Gottes“ amtiert, ist ein glatter Bruch der Schulden „winken“, wohin man nur blickt. Selbst lediglich für unsensibles Handeln. Wir haben vorgeschriebenen Trennung von Staat und uns damit diskreditiert und dem Gegner in die Kirche. Wir verspürten keinerlei Lust, uns die USA sind in ihrer Kreditwürdigkeit herunter- Hände gespielt. Thomas Fritsche, Berlin das Spektakel anzutun. Schließlich ist Bene- gestuft worden. Dennoch wird „angestrengt an dikt XVI. ja der Repräsentant einer Institu- Lösungen gearbeitet“. Worin sollen diese wohl Ich möchte den Artikel von Christine Buchholz tion, die sich während ihrer 2000jährigen bestehen? Geld drucken, die Banken aufpäppeln, „Nicht in unserem Namen!“ im September-RF Geschichte krimineller Methoden bediente. Börsenspekulanten bedienen und die Inflation etwas ergänzen: Der Zweite Senat des Bundes- Bevor er Papst wurde, leitete er im Vatikan weiter vorantreiben. Es kann doch niemand verfassungsgerichts hat in seiner Entscheidung – was keineswegs alle wissen – die Nachfolge- ernsthaft behaupten, daß der Schuldenberg der über Auslandeinsätze der Bundeswehr in einrichtung der Heiligen Römischen Inquisition. USA und der EU von unserer, der nächsten oder Jugoslawien, über der Adria und in Somalia am Falk Moldenhauer, Bochum/ der übernächsten Generation jemals abgetragen 12. Juli 1994 entschieden, daß Akte der auswär- Uwe Moldenhauer, Altena werden kann. tigen Gewalt (Art. 20, Abs. 2 GG) grundsätzlich Wirtschaften, so behaupten die bürgerlichen in den Kompetenzbereich der Bundesregierung Es ist nicht allzu lange her, da bemerkte ein Medien, könne nur der Kapitalismus. Diese These fallen. Danach bleibt dieser die Möglichkeit Medium giftig: Die Franzosen haben ihren Hessel wird Tag für Tag widerlegt. Die DDR leistete sich im vorbehalten, auch ohne Zustimmung des Bun- und die Deutschen ihren Sarrazin. Ein Kommunist Prinzip nur das, was ihre Menschen erarbeiteten. destages Völkervertragsrecht (s. NATO-Vertrag) ist Hessel nie gewesen. Er ist ein gestandener Dabei wurde sicher nicht immer das Erreichbare mittels „dynamischer“ und „authentischer Antifaschist und Anhänger des bürgerlichen ausgeschöpft. Ich glaube mittlerweile, daß wir Interpretation“ weiterzuentwickeln. Dabei darf Humanismus. Die Regierung der BRD könnte sich es sich aber um keine ausdrückliche Vertrags- glücklich schätzen, wenigstens einen einzigen die besseren Ökonomen besaßen. Die der DDR änderung handeln. dieser Art in ihrem Kreis zu haben. unterstellte „versteckte“ Arbeitslosigkeit, d. h. Vier Richter des Bundesverfassungsgerichts sahen Ich würde Hessels Text nicht als generelle Absage die Absicht, Menschen in jedem Falle einer mehr die mit dem Einsatz demonstrierte „Strategie an Gewalt verstehen. Schließlich wurde von der oder weniger sinnvollen Tätigkeit zuzuführen, der Friedenssicherung und Krisenbewältigung“ französischen Résistance, in deren Reihen Hessel war allemal besser, als im Kapitalismus durch bereits als Änderung des ausschließlichen stand, bekanntlich Gewalt angewendet. Hartz IV alimentiert zu werden. Verteidigungsauftrags nach Artikel 5 des Jochen Singer, Leipzig Reiner Neubert, Berlin Seite 32 RotFuchs / November 2011

Libyen oder der Gegenstand der Begierde Grafik von Klaus Parche

Am 11. November um 16.30 Uhr Am 18. November um 15 Uhr findet im STIC, Garzauer Am 19. November um 10 Uhr spricht spricht Prof. Dr. Anton Latzo Chaussee, eine Buchpräsentation der RF-Regionalgruppe RF-Chefredakteur Dr. Klaus Steiniger auf auf einer Veranstaltung der Strausberg mit den Autoren Rainer Rupp („Topas“), Karl einer Veranstaltung der RF-Regionalgruppe RF-Regionalgruppe Berlin in der Rehbaum und Klaus Eichner statt. Sie stellen ihren Titel Neubrandenburg in der REMA-Klause, Begegnungsstätte der Volkssolidari- Speicherstr. 3, über das Thema tät, Torstraße 203–205, zum Thema Militärspionage. Die DDR-Aufklärung in NATO und Bundeswehr Der „RotFuchs“ wird 14 Jahre alt Nachdenken über einen – sein Platz im Spektrum der BRD- Programmparteitag vor. Auf Wunsch signieren die Autoren das vorrätige Buch. Presselandschaft

IMPRESSUM Der im Februar 1998 gegründete „RotFuchs“ ist eine von Parteien unabhängige kommunistisch-sozialistische Zeitschrift. Herausgeber: Künstlerische Mitarbeit: Autorenkreis: Hans Horn „RotFuchs“-Förderverein e.V. Dieter Eckhardt, Heinz Herresbach, Dr. Matin Baraki Dr. Klaus Huhn Klaus Parche, Heinrich Ruynat, Renatus Schulz Chefredakteur: Rolf Berthold Dr. Hans-Dieter Krüger Dr. Klaus Steiniger (V.i.S.d.P.) Dr. Manfred Böttcher Rudi Kurz Versand und Vertrieb: Dr. Vera Butler (Melbourne) Karin Dockhorn Rheinsteinstraße 10, 10318 Berlin Wolfgang Mäder Wolfgang Clausner Postfach 02 12 19, 10123 Berlin Bruno Mahlow Tel. 030/561 34 04 Prof. Dr. Götz Dieckmann Tel. 030/2 41 26 73 Mail: [email protected] Dr. Bernhard Majorow [email protected] Dr. Rudolf Dix oder Sonja Brendel Prof. Dr. Herbert Meißner (Redaktionsadresse) Ralph Dobrawa Tel. 030/5 12 93 18 Dieter Fechner Wolfgang Metzger Heiner Brendel, Gerald Umlauf, Sekretärin: Karin Großmann Bernd Fischer Frank Mühlefeldt Hans Ludwig, Peter Barth u. v. a. m. Layout: Rüdiger Metzler Peter Franz Jobst-Heinrich Müller Finanzen: Jürgen Thiele

Günter Freyer Walter Ruge Wartenberger Str. 44, 13053 Berlin Herstellung: Druckerei Bunter Hund Tel. 030/981 56 74 Prof. Dr. Georg Grasnick Gerhard Schmidt Ulrich Guhl Unser Konto: Internet: www.rotfuchs.net Prof. Dr. Horst Schneider Bernd Gutte „RotFuchs“-Förderverein Prof. Dr. Rolf Sieber Internet-Präsentation und akusti- Dr. Ernst Heinz Kto.-Nr.: 2 143 031 400 sche Ausgabe (für Sehbehinderte): Jürgen Heiser Joachim Spitzner Berliner Sparkasse BLZ: 100 500 00 Sylvia Feldbinder Dr. Dieter Hillebrenner Fritz Teppich Manfred Hocke Dr.-Ing. Peter Tichauer Für Einzahler im Ausland Redaktionsschluß ist jeweils IBAN: DE 27 1005 0000 0220 1607 59 Prof. Dr. Hans Heinz Holz Prof. Dr. Zbigniew Wiktor (Wrocław) der erste Tag eines Monats. BIC: BELADEBEXXX Die Mitarbeit weiterer Autoren ist erwünscht. Die in namentlich gezeichneten Beiträgen zum Ausdruck gebrachten Auffassungen müssen nicht mit denen der Redaktion übereinstimmen.