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Wie nachhaltig

ist die EU? Überprüfung der EU-Strategie für Nachhaltige Entwicklung

- Abschlussdokumentation -

Entwicklung ist nachhaltig, wenn sie gegenwärtig und zukünftig umwelt- und sozialverträglich ist. Nachhaltige Entwicklung ist somit nur möglich, wenn ökologische und sozial gerechte Gesichts- punkte dauerhaft in alle Gebiete integriert sind.

EU-Koordination

Nachhaltiges Europa

Wie nachhaltig ist die EU? Überprüfung der EU-Strategie für Nachhaltige Entwicklung - Abschlussdokumentation -

Entwicklung ist nachhaltig, wenn sie gegenwärtig und zukünftig umwelt- und sozialverträglich ist. Nachhaltige Entwicklung ist somit nur möglich, wenn ökologische und sozial gerechte Gesichts- punkte dauerhaft in alle Gebiete integriert sind.

Impressum

Berlin 2005

Herausgeber Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland

Durchführung und Koordination EastNature Partnership GbR

Förderhinweis Dieses Projekt wird finanziell von der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland gefördert. Der Förderer übernimmt keine Gewähr für die Richtigkeit, Genauigkeit und Vollständigkeit der Angaben sowie für die Beachtung der Rechte Dritter. Die geäußerten Ansichten und Meinungen müssen nicht mit denen des Förderers übereinstimmen.

Inhalt Grußwort: Das Projekt Nachhaltiges Europa 7

Dr. Gerhard Sabathil Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, Berlin Tile von Damm, Leiter Perspektiven Globaler Politik Nika Greger, Leiterin DNR Berlin Annette Baumann, Leiterin Internationales Grüne Liga Die Europäische Nachhaltigkeitsstrategie 8 Margot Wallström, Mitglied der Europäischen Kommission Tile von Damm, Leiter Perspektiven Globaler Politik Nika Greger, Leiterin DNR Berlin Steffi Lemke, Politische Bundesgeschäftsführerin Bündnis 90/Die Grünen Dr. Günther Bachmann, Rat für Nachhaltige Entwicklung, Leiter der Geschäftsstelle, Berlin Dr. Christian Hey, Generalsekretär des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen Stefan Richter, Geschäftsführer GRÜNE LIGA Berlin e.V. Klimaschutz und Erneuerbare Energien 27 Dr. Harry Lehmann, Vize-Präsident, EUROSOLAR Stefan Schurig, Leiter der Klima- und Energieabteilung, Dr. Werner Marnette, Vorstandsvorsitzender der Norddeutschen Affinerie AG und Vizepräses der Handelskammer Hamburg Nachhaltigkeit und Globalisierung 42 Rupert Schlegelmilch, Referatsleiter Generaldirektion Handel, Europäische Kommission, Brüssel Josef Göppel, MdB, Vorsitzender des Umweltarbeitskreises der CSU Peter Rottach, Brot für die Welt, Referent für Ernährungssicherung, Landwirtschaft und Umwelt Nachhaltige Finanzierung 56 Dr. Manfred Bergmann, Referatsleiter, GD Wirtschaft und Finanzen, Europäische Kommission, Brüssel Gerhard Schick, Projektmanager, Bertelsmann Stiftung Das Projekt Nachhaltiges Europa Anhang 63 Autor/innen Die Konferenzreihe Projektpartner

Nachhaltiges Europa

Das Projekt Nachhaltiges Europa Dr. Gerhard Sabathil

Sehr geehrte Damen und Herren, ring (DNR), der Grünen Liga und Perspektiven Globaler Politik (PerGlobal) in den Jahren 2003 auf dem Europäischen Rat im Juni 2001 in Göte- und 2004 eine bundesweite Veranstaltungsreihe borg wurde die Europäische Nachhaltigkeitsstrate- zum Thema „Nachhaltiges Europa“ durchgeführt. gie verabschiedet. Sie integriert die Ziele des Sechsten Umweltaktionsprogramms und ergänzt Die Ergebnisse und Impulse der Diskussionsfora die in Lissabon beschlossene Strategie für Wachs- „Nachhaltige Entwicklung“ hin zu mehr ökologisch tum, Beschäftigung und größeren sozialen Zu- vertretbarem Wettbewerb und Wachstum sind im sammenhalt um eine ökologische Komponente. vorliegenden Bericht zusammengefasst. Wir dan- ken den Teilnehmern für die Darlegung der diver- Nachhaltigkeit ist damit immer auch eine Quer- sen Aspekte aus den unterschiedlichsten Blickwi- schnittsaufgabe, weil sie alle Bereiche unserer Le- ckeln und möchten alle Akteure einladen, die Um- bens und Wirtschaftens betrifft. Für den Umgang setzung der Europäischen Nachhaltigkeitsstrategie mit unserer Umwelt bedeutet das, dass wir mit aktiv zu verfolgen und zu unterstützen. Blick auf die heutigen und zukünftigen Generatio- nen verantwortungsvoll, sorgfältig und effizient Die in diesem Bericht veröffentlichten Ideen und mit unseren Ressourcen umgehen müssen. Standpunkte geben nicht die Meinung der Europäi- schen Kommission wieder, wurden aber an die zu- Die Mitteilung der Kommission bekräftigt die Ver- ständigen Dienststellen der Europäischen Kommis- pflichtung der Europäischen Union zu nachhaltiger sion in Brüssel weitergeleitet. Entwicklung. Die Union strebt eine Gesellschaft an, die gleichzeitig eine gesunde Wirtschaft, ein hohes Maß an Beschäftigung und Bildung, sozialen Zu-

sammenhalt und Umweltschutz verwirklicht und die auf Freiheit, Demokratie und Achtung der Men- schenrechte sowie auf Chancengleichheit und Soli-

darität zwischen den Generationen aufgebaut ist.

Um den in Deutschland in diesem Bereich invol- vierten Gruppierungen aus Wirtschaft, Nicht- Regierungsorganisationen, Verbänden und ande-

ren Organisationen sowie der breiten Öffentlichkeit ein Diskussionsforum zu bieten, hat die Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Naturschutz-

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Tile von Damm, Nika Greger, Annette Baumann

"Nachhaltiges Europa" benennt zwei gleicherma- Neben der Fokussierung auf erneuerbare Energien ßen wichtige Politikfelder: die Implementierung und Klimawandel standen vor allem soziale Aspek- und Umsetzung einer nachhaltigen Politik und die te der Europäisierung und Globalisierung sowie die Ausgestaltung der europäischen Ebene. Das ge- Implementierung und Ausrichtung des Finanzsek- meinsam von der Vertretung der Europäischen tors und der Wirtschaft auf Nachhaltigkeit im Mit- Kommission in Deutschland, dem Deutschen telpunkt der Konferenzen. Naturschutzring (DNR), der Grünen Liga und Das Projekt war darauf bedacht, sowohl auf hori- Perspektiven Globaler Politik (PerGlobal) durchge- zontaler als auch vertikaler Ebene Akteure einzu- führte Projekt "Nachhaltiges Europa" behandelte beziehen. Gerade durch eine Verbindung der loka- ausführlich die Europäische Nachhaltigkeitsstrate- len Ebenen mit der nationalen und europäischen gie. Innerhalb eines Jahres wurden in fünf ver- Ebene wurde das Verständnis der europäischen schiedenen deutschen Städten im Rahmen von Strategie wesentlich verbessert. Hierzu hat das Panelkonferenzen die grundlegenden Facetten der Projekt die wichtigsten Schwerpunkte der euro- Strategie diskutiert. päischen Nachhaltigkeitsstrategie aufgegriffen und Das Ziel des Projektes war die Stärkung der Aus- sie durch spezifische Veranstaltungen in lokale einandersetzung mit europäischer und nachhalti- Schwerpunkte eingebunden. Zudem wurden die ger Politik. Dies beinhaltet neben einer notwendi- Veranstaltungen in Kooperation mit Akteuren aus gen Informationsvermittlung auch die kritische Umweltverbänden, Industrie, Universitäten und Auseinandersetzung mit der Europäischen Nach- Politiker/innen vor Ort sowie aus Berlin und haltigkeitsstrategie. Durch die im Herbst 2004 Brüssel organisiert. Sie ermöglichten eine intensi- beendete Phase des Beteiligungsverfahrens am ve Kommunikation und gegenseitige Wahrneh- Revisionsprozess der Strategie war die Rückspie- mung der an Nachhaltigkeitsprozessen aktiv Betei- gelung der gewonnenen Erkenntnisse und der Dis- ligten und Interessierten aus den unterschied- kussionen ein weiterer Aspekt des Projektes. lichsten gesellschaftlichen Bereichen. So konnte Durch die gezielte Einbindung von Akteuren und neben einer notwendigen Informationsvermittlung Interessierten in diese hochaktuelle Thematik vor allem der Austausch und die Transparenz ge- wurde ein breiter Diskussionsprozess ermöglicht. fördert werden. Die fünf Panelkonferenzen wurden durch die Web- Das Projekt hat Dialog- und Vernetzungsansätze site www.nachhaltiges-europa.de sowie die Etab- im Bereich der europäischen und internationalen lierung eines Informationsnetzwerkes zu europäi- Umweltpolitik gefördert und unterstützt, sowie zu scher Nachhaltigkeitspolitik flankiert. einer erhöhten Transparenz dieser Prozesse beige- Die Themenauswahl richtete sich sowohl nach tragen. Es zeichnete sich außerdem durch die er- aktuell diskutierten Politikfeldern, als auch nach folgreiche Kooperation der Vertretung der Europäi- grundlegenden Fragen einer nachhaltigen Entwick- schen Kommission in Deutschland und der zivilge- lung. Das äußerte sich zudem in der gezielten sellschaftlichen Partnerorganisationen aus. Dass Thematisierung der ökologischen und sozialen As- zudem wichtige Zukunftsfragen thematisiert und pekte gegenüber einer ausschließlich ökonomisch diskutiert wurden und die erarbeiteten Ergebnisse begründeten Politikgestaltung. wiederum in die Gestaltung des Prozesses einflie- ßen, ist nicht zuletzt als großer Erfolg zu werten.

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Die Europäische Nachhaltigkeitsstrategie

Auf dem Europäischen Gipfel in Göteborg wurde die Europäische Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet. Diese Strategie integriert die Ziele des Sechsten Umweltaktionsprogramms und ergänzt die in Lissabon beschlossene Strategie, mit der die EU zum "wettbewerbs- fähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt" werden soll, um eine ökologische Komponente. Die sechs Kernbereiche sind:

· Stabilisierung des Weltklimas durch Begrenzung der Treibhausgasemissionen und Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien; · Sicherung einer nachhaltigen Verkehrspolitik durch die Reduktion des Verkehrsauf- kommens, die Förderung umweltfreundlicher Verkehrsmittel und die Internalisierung der externen Kosten im Verkehrsbereich; · Sicherung der öffentlichen Gesundheit - Reduktion giftiger Stoffe in der Umwelt, Lebensmittelsicherheit und Maßnahmen gegen antibiotische Resistenz von Bakterien; · Verantwortliches Management der Ressourcen; · Bekämpfung der Armut (Lissabon-Strategie); · Demographische Entwicklung und Überalterung (Lissabon-Strategie).

Hinzu kommen als wichtigste Querschnittmaßnahmen:

· Integration von Umweltzielen in die einzelnen Sektorpolitiken; · Maßnahmen zur Preispolitik, um die wahren Kosten verschiedener Produkte und Dienstleistungen zu integrieren; · Forschung und Ausbildung.

Die Mitgliedstaaten und Ministerräte sind beauftragt, diese Ziele und Vorschläge in ihrer Politik umzusetzen. Im Rahmen jedes Frühjahrsgipfels wird über den Stand der Umsetzung berichtet.

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From words to deeds Margot Wallström, Mitglied der Europäischen Kommission1

I want to illustrate the two temporal dimensions of They are implementing EU social policies and now sustainable development. One of them is inter- fully benefit from the internal market. And they generational or simply about the future: it is our are putting into practice the EU’s Sustainable De- responsibility to our children, grandchildren and velopment Strategy. their children. The other temporal dimension is in- EU Sustainable Development Strategy tra-generational, about the here and now: a re- sponsibility to the existing generations on this This Strategy was adopted by EU leaders in Goth- planet. enburg in 2001. It is composed of two main parts. The first focuses on a number of key unsustainable What I would like to pass on to my children is a trends that threaten our current and future well- world that is sustainable. A world where we take being, such as climate change, rapid transport good care of our planet - a world that is prosper- growth, environmental threats to human health ous - but a world where we make sure that pros- and unsustainable use of natural resources. For perity and social justice extend to all people. each of these key issues the strategy proposes For me, sustainable development is about bringing headline objectives and a series of policy meas- the future and the rest of the world into the pic- ures. ture. In other words: it is about the wholeness of The second, and arguably the more ambitious part life. This is something that engages and is essen- of the strategy, revises the very way that we tial to all of us. It carries a vision. And we need vi- make policies. It calls for a new integrated and ho- sions to move forward. I will now briefly describe listic approach to policy-making to ensure that how the EU is trying to make sustainable devel- economic, social and environmental policies are opment a reality, not only within the EU, but also dealt with in a mutually reinforcing way. globally. We are not there yet, so I will also open up a few questions - what changes are necessary Achievements to really reach sustainable patterns of develop- So what have we achieved? I think our main ment. achievements have been threefold - we have From words to deeds - enlargement made progress internally, with regard to the ex- ternal effects of EU policies, and related to our in- Overall, I think the EU has made good progress ternational commitments. since the concept of sustainable development be- came an issue in the 1990s and was then, in Firstly, we have developed various policies to en- 1997, included in the EU Treaty as an overarching hance sustainability internally, though most of political objective. them also have positive external repercussions. For example: Perhaps the most important contribution the EU has made to sustainable development in the EU, · The EU is the global leader in implementing but also globally, is actually fairly recent: the Kyoto Protocol and reducing greenhouse gas emissions. I am now European Commissioner for 25 coun- tries. Five decades after the European project be- · Once adopted, the EU's new regulatory system gan, the divisions of the Cold War are gone and for chemicals, REACH, will protect from the risks of we live in a Europe of common values, which is chemicals not only our health and our environ- home to 455 million people. To get here has taken ment, but also the health of Inuit and other people courage, determination and a lot of effort. It is a on this planet, as well as the global ecosystem. moment of historical significance. · Our Environmental Technologies Action Plan In the field of environment, the ten new Members (ETAP), launched in January, will help remove bar- States have adopted EU standards and made con- riers to the development and uptake of technolo- siderable efforts, with the support of EU funds, to gies that are good for the environment and can at upgrade their environmental infrastructure. the same time increase competitiveness.

1 , zuständig für Umweltpolitik von 10/1999 bis 11/2004

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· We are developing integrated holistic strate- SD and economic growth gies for a sustainable use of natural resources and As you can see, the EU’s record in advancing sus- the prevention and recycling of waste, while our tainable development both in the EU and globally Integrated Product Policy initiative seeks to reduce is impressive. However, we must not fool our- the environmental impacts of products throughout selves by painting too rosy a picture. We are not their lifecycles. there yet.

· At a big EU biodiversity conference in Ireland, We have the tools, we have the knowledge, we organised by the Irish Presidency, we identified have the commitments. So, what is missing? further measures that we need to take to stop biodiversity loss in the EU, but also globally. I would like to raise this question for discussion here, but will briefly mention two issues that I · We will soon publish a Handbook on Green consider important. Public Procurement, which will advise public One problem I see is that economic growth is still authorities at all levels in the Member States how regarded as the main key to improving human to purchase sustainable goods and services. welfare. And during times of economic downturn, · We are reaching out to citizens by informing all the other aspects of sustainable development - them on environmental matters and encouraging its social, environmental, future-oriented and them to participate in decision-making, by closely intra-generational dimensions - tend to be consid- consulting their associations and other stake- ered “unaffordable extras.” holders when we draw up new policies, and by giv- Most of us will probably agree that this is a short- ing consumers a choice through eco-labelling. sighted view. There is no business case for using · Major policy proposals by the European Com- chemicals without knowing what they do to us. We mission are now accompanied by impact assess- are paying dearly for this mistake, for example by ments, which examine and balance their eco- spending billions of € and US$ on treating and nomic, social and environmental effects. compensating victims of asbestos and removing it from our buildings. Secondly, the EU has taken steps to improve co- herence between its internal policies and their ex- There is no business case for standing by and ternal effects. The ongoing reforms of the EU's watching climate change unfold. According to common agricultural and fisheries policies clearly Swiss Re, one of the world's largest re-insurers, represent a move towards greater sustainability. the economic costs of global warming threaten to rise to 150 billion dollars a year in 10 years. Thirdly, we are delivering on our international commitments. And still, opposition to REACH and our climate change policies is strong. Is it due to the fact that · The EU offered major concessions to inject the critics are not the ones who have to pay for new life into the WTO talks under the Doha the damage caused by chemicals and climate Development Agenda. change - that the external costs of certain policies · Overall, EU Member States are steadily in- and practices are not internalised? If political lead- creasing their levels of official development aid as ers are willing to change this - how can they do agreed at the international Monterrey conference this without triggering an exodus of businesses? on financing development two years ago. Secondly, sustainable development will not hap- pen unless there is real demand for it in society – · We are spending this aid more effectively and this demand is not there yet. Is it because it is through better co-ordination of development co- a somewhat abstract concept that is difficult to operation policies, the untying of aid, and partici- convey in concrete terms? What is needed to con- pation in the Heavily Indebted Poor Country Initia- vince the wider public of the value of sustainable tive. development? · Last, but not least, we launched three major As I said at the beginning, sustainable develop- Partnership initiatives in Johannesburg: the EU ment is a vision. It has the potential to become a Energy Initiative, the Forest Action Plan and the guiding principle for future human development EU Water Initiative. For the Water Initiative, which and to help us reach a balance between economic seeks to improve access to clean water and sanita- freedoms, social justice and a healthy planet, tion in the developing world, the EU has recently between North and South – planet, people, made half a billion € available. prosperity.

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Wie nachhaltig ist Europa?

Nika Greger, Leiterin DNR Berlin Tile von Damm, Leiter Perspektiven Globaler Politik

Im Frühjahr 2005 steht die Halbzeitüberprüfung "Best Practice"-Beispiele gesetzt wird - dass diese der Lissabon-Strategie an. Unter dem vorherr- beiden Instrumente aber nur selten positive Wir- schenden Paradigma der Wettbewerbsfähigkeit, kung zeigen, beweist nicht zuletzt die Unfähigkeit unter welchem soziale und ökologische Kriterien der Chemieindustrie, ihr eingegangenes Selbstver- als Hindernis angesehen werden, ist zu befürch- pflichtungsprogramm "Responsible Care" umzuset- ten, dass die beiden letztgenannten Komponenten zen bzw. ihre Blockade gegen REACH. weiter geschwächt werden. Innovativ sein, statt auf altmodische Industrie- Inwieweit die im Herbst 2004 begonnene Überprü- politik zu setzen fung der Nachhaltigkeitsstrategie ökologisch posi- Die Politik sollte zukünftig weniger auf altmodische tive Aspekte in die Lissabon-Strategie einbringen und auslaufende Wirtschaftsmodelle und ihre Ver- kann, ist aufgrund der de facto politisch nachge- fechter in den Wirtschaftsverbänden hören, son- stellten Nachhaltigkeitsstrategie noch offen. dern vielmehr auf neue und innovative Wirt- Kritik der Umweltverbände schaftsbereiche setzen, die erkannt haben, dass ohne Umwelt- und Ressourcenschutz sowie hohe Die Europäische Nachhaltigkeitsstrategie ist weit soziale Standards Wettbewerbsfähigkeit nicht zu von ihren gesteckten Zielen entfernt. In ihrer Be- haben ist. wertung der bisherigen Erfolge bei der Umsetzung der Strategie haben deutsche und europäische "Business as usual"-Szenarien, die auf die Ausbeu- Umweltverbände kritisiert, dass sie nicht als Agen- tung der natürlichen Ressourcen und die immer da für einen wirklichen Wandel angesehen werden weitere Aufweichung sozialer und ökologischer kann. Rechte setzen, werden die Wirtschaftsfähigkeit der EU wohl kaum stärken. So stellt die EU- Zwar erkennen die Umweltverbände in einigen Be- Kommission in ihrer Mitteilung "Den Strukturwan- reichen der europäischen Politik wie dem Klima- del begleiten: Eine Industriepolitik für die erwei- schutz oder der Landwirtschaft durchaus positive, terte Union" ganz richtig fest, dass es keinerlei auch von der Strategie ausgegangene Impulse und Nachweise für einen allgemeinen Prozess der De- Fortschritte an, konkrete Auswirkungen auf die Industrialisierung gibt. "Stattdessen sieht sich die Umwelt findet man - auch unter Berücksichtigung europäische Industrie dem Prozess des Struktur- des relativ kurzen Prozesses – eher selten. Insbe- wandels ausgesetzt, der im Allgemeinen von Vor- sondere das Instrument der Folgenabschätzung teil ist und der insbesondere durch Politiken ermu- hat sich als Trojanisches Pferd erwiesen: Die ur- tigt werden muss, die die Schaffung und die Nut- sprüngliche Ausrichtung auf umwelt- und sozialpo- zung von Wissen vereinfachen. Unter diesem Ge- litische Auswirkungen der europäischen Gesetzge- sichtspunkt sind die ungenügenden Leistungen Eu- bung weicht zunehmend dem einseitigen Fokus ropas insbesondere hinsichtlich Produktivität, For- auf die Wirtschafts- und Wettbewerbsfähigkeit schung und Innovation besorgniserregend." europäischer Unternehmen. Bessere Rahmenbedingungen Noch mehr Freiwilligkeit Die EU sollte solche Unternehmen unterstützen, Dass dies zu einer generellen Abschwächung der die einen Großteil ihres Umweltbudgets nicht dafür ökologisch verbindlichen Regeln innerhalb der EU ausgeben, neue wie alte Umweltgesetze zu be- führen wird, ist zu befürchten. So verwundert es kämpfen, sondern solche, die auf neue Anforde- nicht, dass mit dem Argument, zunächst müsste rungen mit der Entwicklung innovativer und neuer der ökologische Standard in den zehn neuen Län- Technologien und Herstellungsmechanismen rea- dern der EU angepasst werden, weitere ökologi- gieren. Dafür muss die EU mit ihren Mitgliedstaa- sche Maßnahmen in der gesamten Union abge- ten die bestmöglichen Rahmenbedingungen blockt werden. schaffen! Dazu kommt, dass EU-weit immer stärker auf Umwelt- und sozialpolitische Verpflichtungen soll- freiwillige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft und ten sich immer an klaren Zielvorgaben orientieren,

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denn dadurch wird Unternehmen ein voraussehba- men müssen ebenfalls mit klaren Zielen und Zeit- rer und klarer Rahmen gegeben, nach dem sie sich plänen versehen sein. richten können. Probleme der Lissabon-Strategie Last but not least stehen die EU und ihre Mitglied- Wird die Nachhaltigkeitsstrategie verstanden als staaten noch immer in einer Bringschuld, was ein auf Jahre ausgelegtes Programm mit dem Ziel umwelt- und sozialpolitische Vereinbarungen und der Schaffung einer nachhaltigen EU, so ist die Gesetze angeht. In der Lissabon- genauso wie in Lissabon-Strategie kurzfristig angelegt mit einer der Nachhaltigkeitsstrategie wurden eine ganze starken bis ausschließlichen Ausrichtung auf wirt- Reihe von Versprechungen gegeben, bisher aber schaftliche Aspekte. Dadurch fehlt ihr – vor allem werden in der EU Umweltgesetze chronisch in Verbindung mit der Nachhaltigkeitsstrategie – schlecht umgesetzt, mehr und bessere Arbeitsplät- eine kohärente Ausrichtung, die zu der Umsetzung ze sind in den letzen Jahren kaum geschaffen wor- einer nachhaltigen Entwicklung in der EU und den den, es gibt weniger sozialen Zusammenhalt und in der SDS genannten Zielen führen kann. von der weltweit größten wissensbasierten Gesell- schaft sind nicht nur einzelne Mitgliedstaaten, Damit die Lissabon-Strategie die SDS als ihre öko- sondern die EU als Ganzes noch weit entfernt. nomische Komponente unterstützen kann, muss sie komplett überarbeitet werden. Probleme der Nachhaltigkeitsstrategie Ausblick Ein zugrundeliegendes Ziel der Nachhaltigkeits- strategie ist es, die derzeitigen Produktions- und Nach unserer Meinung ist eine verbindliche Ver- Konsummuster in der EU zu verändern. Das ge- pflichtungserklärung, dass die Nachhaltigkeitsstra- genwärtige gesellschaftliche System ist nicht zu- tegie an erster Stelle der EU-Politik steht und nicht kunftstauglich, d.h. Nachhaltigkeitspolitik sollte der Wettbewerbsfähigkeitsagenda untergeordnet sich heute neben der Lösung der eigentlichen Um- wird, erforderlich. Daher sollten die Kriterien für welt- und Sozialprobleme vor allem für die Ände- eine nachhaltige Entwicklung die Auswahl für die rung der Rahmenbedingungen einsetzen. Die Fra- Unterstützung einzelner Bereiche bestimmen. ge, die sich daraus ergibt, und für die die EU eine Solange es keine verbindlichen strukturellen Ver- Lösung finden muss, ist: Warum gelingt es nicht, änderungen begleitet von konkreten Maßnahmen die rechtlichen und wirtschaftspolitischen Rah- und Regelmechanismen gibt, mit denen das Leit- menbedingungen nachhaltig umzugestalten? Ein bild erstens konkretisiert und zweitens in alle Poli- Grund liegt mit Sicherheit darin, dass sich Partiku- tikfelder getragen wird - und dies nicht auch re- larinteressen permanent auf Kosten des Allge- gelmäßig überprüft werden kann -, wird sich die meinwohls durchsetzen. EU nicht zu einem nachhaltigen Europa entwickeln. Daraus folgt auch, dass die Nachhaltigkeitsstrate- Bisher hat die Europäische Nachhaltigkeitsstrate- gie noch deutlicher auf die internationale Dimensi- gie nicht dazu beigetragen, dass sich ein beständi- on eingehen muss. Einerseits sollten innerhalb der ger und kohärenter Ansatz innerhalb der EU- aktuellen prioritären Bereiche weitere Punkte in- Kommission, was die Umsetzung der Nachhaltig- tegriert werden, andererseits sollte die Strategie keitsziele angeht, entwickelt hat. Es mangelt an einen speziellen Abschnitt über den Beitrag, den beständiger Koordination und Kohärenz, zusätzlich die EU für die globale nachhaltige Entwicklung leis- fehlt eine Bewertung der Fortschritte auf allen ten wird, enthalten. Ebenen. Das gilt beispielsweise für die Klimapoli- Weiterhin ist der soziale Aspekt innerhalb der tik: noch immer werden viele europäische Geset- Strategie bisher unterrepräsentiert. Um eine lang- zesinitiativen entwickelt, ohne ihre Klimaauswir- fristige Vision zu entwickeln und umzusetzen, be- kungen zu berücksichtigen – trotz oder gerade darf es in diesem Bereich einer deutlichen Stär- wegen der Folgenabschätzungen, die durch die kung innerhalb wie außerhalb der EU. Die Lissa- Nachhaltigkeitsstrategie durchgeführt werden. bon-Strategie mit ihrer starken Ausrichtung auf Typische Beispiele sind große Infrastruktur- Wirtschaftswachstum und Wettbewerb ist nicht in Projekte oder die Fortsetzung von Subventionen der Lage, diese Lücke zu schließen. für fossile Brennstoffgewinnung, insbesondere für die Kohleförderung. Berücksichtigt werden sollte bei allen Veränderun- gen an der Strategie, dass Genauigkeit und klare Vorherrschende Meinung ist noch immer, dass Zielvorgaben nicht verloren gehen. An den Stellen, nachhaltige Entwicklung eine Aufgabe der Gene- wo klare Ziele, Aufgaben und Zeitpläne fehlen, raldirektionen Umwelt und Entwicklung bzw. den müssen sie unbedingt ergänzt werden. Neue The- entsprechenden Ministerien der Mitgliedstaaten ist. Diese Einstellung ist falsch und wird sich ändern

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müssen, wenn die EU einen wirklichen Fortschritt Unternehmensverantwortung: in Richtung nachhaltiger Entwicklung machen soll. Die EU sollte in ihren Nachhaltigkeitsbemühungen auf europäischer und internationaler Ebene dafür Dass eine starke Umwelt- und Sozialpolitik zu ei- sorgen, dass eine internationale Übereinkunft zur nem Verlust an wirtschaftlichem Wachstum und Unternehmensverantwortung zustande kommt. Es Wettbewerbsfähigkeit führt, hat sich bisher als un- bedarf dringend der Annahme solcher Grundre- begründet herausgestellt, vielmehr ist das Gegen- geln, die dafür sorgen, dass Unternehmen sich teil der Fall. gemäß der Rio-Deklaration von 1992 verhalten Das gilt exemplarisch für folgende Politikbereiche: und Haftung (Prinzip 13), Doppelte Standards (Prinzip 14), Vorsorgeprinzip (Prinzip 15) und Ver- WTO: ursacherprinzip (Prinzip 16) berücksichtigen. Es bedarf eines neuen internationalen Handelssys- tems, welches nachhaltige Entwicklung und soziale Da die Staaten für das Gemeinwohl verantwortlich Rechte als Eckpfeiler hat. Gegenwärtig begünstigt sind, liegt es auch in der Verantwortung der Staa- die WTO vor allem Industrieländer und Unterneh- ten, solche Gesetze zu erlassen, die dafür sorgen, men. Andere Interessen, etwa der Entwicklungs- dass Unternehmen das Gemeinwohl achten und länder, der Menschenrechte und des Umweltschut- fördern. Der Staat muss außerdem die Umsetzung zes, werden übergangen. der Gesetze überwachen und sicherstellen, dass Unternehmen bei Nichteinhaltung zur Verantwor- Die EU sollte die Regeln des derzeitigen Handels- tung gezogen werden. systems gründlich überprüfen, Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung einfordern, um umwelt- Gegenwärtig ziehen Unternehmen aus dem globa- schützenden und sozialen Prioritäten neben den len Markt vor allem Nutzen für ihre Entwicklung, rein ökonomischen zum Durchbruch zu verhelfen. zur Verantwortung gezogen werden sie allerdings kaum. Die EU muss sich international dafür einset- Dazu gehört beispielsweise, dass das Vorsorge- zen, dass die derzeitigen Strukturen durch interna- prinzip integriert wird, dass internationale Um- tionale Abkommen zur Unternehmensverantwor- weltabkommen wie das Cartagena-Protokoll über tung und •haftung verbessert werden. Dabei geht die biologische Sicherheit, die Konvention über die es vor allem um Schadenersatz, Altlastensanie- Biologische Vielfalt oder das Washingtoner Arten- rung, Auskunftsanspruch sowie den Schutz der schutzabkommen anerkannt und unterstützt wer- Menschenrechte und der Rechte lokaler und regio- den oder dass umweltfreundliche und sozial ver- naler Gemeinschaften sowie indigener Völker. Un- trägliche Produktionsweisen und Konsummuster - verbindliche Selbstverpflichtungen helfen hier nur wie ökologische Landwirtschaft, nachhaltige Forst- wenig. wirtschaft oder fairer Handel - gegenüber zerstöre- rischen Produktionsformen bevorzugt werden.

EU-Innenpolitik: Wofür die EU auf internationaler Ebene eintritt, spiegelt sich nicht in der eigenen “Innenpolitik” wider. Das beinhaltet besonders die Förderung einer nachhaltigen Produktion und eines nachhalti- gen Konsums, die Steigerung der Entwicklungshil- fe und die Unterstützung einer weltweiten Nah- rungsmittelversorgung, bei der die gemeinsame Agrarpolitik weiterhin ein Hindernis ist.

Thematische Prioritäten sollten eine nachhaltige Fischerei, die die Erholung der Fischbestände er- möglicht, die Förderung erneuerbarer Energien, der Stopp der Abholzung, die Wiederaufforstung oder der Erhalt der biologischen Vielfalt sein.

Des weiteren bedarf es nach wie vor eines konkre- ten Zeitplans zu Erreichung des 0,7% ODA-Ziels sowie einer zunehmenden finanziellen Unterstüt- zung für das nachhaltige Management natürlicher Ressourcen in Entwicklungsländern.

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Nachhaltigkeit in der EU

Steffi Lemke, Bundesgeschäftsführerin Bündnis 90/Die Grünen

Das Verhältnis zwischen der grünen Partei und der Die europäische Nachhaltigkeitsstrategie ist das EU war nicht immer einfach. Schließlich galt die notwendige Korrektiv zur europäischen Wachs- Europäische Gemeinschaft bei Gründung der Grü- tumsstrategie, wie sie im sogenannten Lissabon- nen als Inbegriff eines veralteten und verkürzten Prozess festgeschrieben wird. Europa soll danach ökonomischen Konzepts: Die EG förderte Kohle, bis 2010 zum wettbewerbsstärksten und wachs- Stahl und Atomkraft, war undurchsichtig und un- tumsstärksten Raum Europas werden. Die europä- demokratisch und überhaupt in erster Linie Agen- ische Nachhaltigkeitsstrategie erweitert die Lissa- tin des europäischen Großkapitals. bon-Strategie entscheidend um die ökologische Heute fördert die EU noch immer Kohle und Stahl, Dimension. noch immer wird Atomkraft subventioniert. Und Der Europäische Rat hat die EU- die Öffnung der EU hin zu mehr Transparenz und Nachhaltigkeitsstrategie im Juni 2001 in Göteborg Demokratie steht mit der Debatte um die Verfas- beschlossen. Sie soll als Querschnittsaufgabe sung erst an ihrem Anfang. Dennoch bekennen wir einen Rahmen für die ökologische, ökonomische Grüne uns inzwischen klar zur Europäischen Integ- und soziale Entwicklung der Union setzen und si- ration. Warum? Unser Bekenntnis zu Europa rührt cherstellen, dass Umweltschutz in die anderen Po- nicht aus einer plötzlichen romantischen Schwär- litikbereiche der EU integriert wird. In dieser Stra- merei, sondern aus der nüchternen Erkenntnis tegie heißt es unter anderem: heraus: Wir brauchen die Europäische Union trotz „[Sie] sollte in den nächsten Jahren als Katalysator all ihrer Fehler. Wir brauchen sie, um die gesell- für politische Entscheidungsträger und die öffentli- schaftliche Modernisierung voranzutreiben, die wir che Meinung dienen und zur treibenden Kraft für auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene institutionelle Reformen und ein verändertes Ver- bereits so erfolgreich begonnen haben. Unser Be- halten von Unternehmen und Verbrauchern wer- kenntnis zu Europa rührt aus der Einsicht, dass die den.“ Probleme der Zukunft keine Grenzen kennen und deshalb grenzüberschreitend – also europäisch – Die EU-Nachhaltigkeitsstrategie ist damit auch ein gelöst werden müssen: zum Beispiel in der Klima- wichtiger Beitrag für den Folgeprozess des Um- politik, zum Beispiel in der Frage einheitlicher E- weltgipfels in Rio de Janeiro. Dort hatte sich die in- nergiesteuern, zum Beispiel beim gemeinsamen ternationale Staatengemeinschaft mit der Agenda Schutz vor Hochwasser. 21 zum ersten Mal in der Geschichte verpflichtet, die globale Verantwortung sowohl für den Schutz Insofern ist Europa eine grüne Chance – ebenso der natürlichen Lebensgrundlagen, als auch zur wie ich natürlich hoffe, dass die Grünen auch eine Armutsbekämpfung in den Entwicklungsländern zu Chance für Europa sind. übernehmen. Diesem Geist folgt die EU- Was ist die Europäische Nachhaltigkeitsstrategie. Nachhaltigkeitsstrategie? Manche von Ihnen werden sich vielleicht fragen: Die Europäische Nachhaltigkeitsstrategie ist eine Wozu brauchen wir überhaupt eine solche Strate- grüne Chance für Europa. Sie ist ein wesentliches gie in der europäischen Umweltpolitik? Ist das Instrument, um der europäischen Integration eine nicht alles viel zu abstrakt im Gegensatz zu kon- Richtung zu geben, die zu mehr Ökologie und kreten Gesetzen? Ich denke, wir brauchen eine mehr Generationengerechtigkeit führt. Ich habe in solche Strategie vor allem deshalb, weil nachhalti- allen akademischen Debatten um den Nachhaltig- ge Entwicklung eben nicht nur durch Umweltpolitik keitsbegriff nie eine wirklich überzeugende Defini- allein zu erreichen ist, sondern eine Quer- tion gehört. Wenn ich also gefragt werde, was schnittsaufgabe ist, die nur durch strategische Nachhaltigkeit ist, zitiere ich deshalb sehr gerne Vorgaben und Instrumente durchsetzbar ist. den grünen Slogan „Wir haben die Erde von unse- ren Kindern nur geborgt“ – denn ich kenne bis heute nichts, was die normative Grundlage einer Nachhaltigkeitsstrategie besser auf den Punkt bringt.

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Probleme der Nachhaltigkeitsstrategie bunden. Dennoch unterliegen die Themen Umwelt- schutz und Soziales häufig der Hierarchie der Poli- Natürlich ist eine Strategie immer nur eine not- tikfelder Wirtschaft und Arbeit. Eine gleichwertige wendige, aber keine hinreichende Bedingung für Integration der Themen findet häufig nicht statt. die Erreichung eines Ziels. Schließlich nützt die schönste Strategie nichts, wenn nicht ausreichend Europas Grüne und die europäischen Umweltver- Macht hinter ihr steht, um sie durchzusetzen. Las- bände sind längst zur Einsicht gelangt, dass Öko- sen Sie mich deshalb nun zu den Problemen der logie und Ökonomie nicht gegeneinander ausge- EU-Nachhaltigkeitsstrategie kommen. spielt werden dürfen. Dass mächtige gesellschaftli- che Gruppen in Deutschland und Europa die Grä- Erstes Problem: In der EU hat sich das Kräfte- ben der Vergangenheit wieder auszuheben begin- verhältnis zu Ungunsten der Umweltpolitik ver- nen, ist für uns eine schmerzliche Erfahrung und schoben. deutliche Warnung. Die Grünen sind in Frankreich, Belgien, Finnland, Drittes Problem: Die Osterweiterung verlangsamt Italien, Niederland und Dänemark nicht mehr in die europäische Umweltpolitik der Regierung vertreten. Damit ist die Zeit vorbei, in der eine ganze Reihe grüner Umweltminister Generell ist die Osterweiterung eine große Chance den EU-Umweltrat dominieren konnten. Jürgen für die Umwelt in Europa. Das europäische Um- Trittin ist inzwischen der dienstälteste Umweltmi- weltrecht wird in den Beitrittsländern übernommen nister in der Europäischen Union. Die Positionen und umgesetzt werden, eine moderne Umweltver- der Generaldirektion Umwelt finden innerhalb der waltung wird aufgebaut. Dadurch werden sich die gesamten Kommission zunehmend weniger Unter- Umweltbelastungen in Europa erheblich verrin- stützung. Erwähnt seien hier die Angriffe von Tei- gern. Dieser Prozess wird durch Partnerschaften len der Kommission auf das deutsche Dosenpfand, zwischen einem Mitgliedstaat und einem Beitritts- die exemplarisch zeigen, wie schwer es umweltpo- land gefördert. Deutschland beteiligt sich an dieser litischen Anliegen haben, die im Verdacht stehen, Initiative mit eigenen Partnerschaften in Tsche- Binnenmarkt und Wettbewerb zu behindern. chien, Ungarn und Polen.

Zwar werden Umweltprinzipien nicht abgeschafft, Trotz der Chancen können wir nicht ignorieren, aber in der europäischen Rechtssetzung deutlich dass viele Beitrittsländer in den klassischen Um- „tiefer gehängt“. Wurde in der Vergangenheit der weltbereichen vor ganz erhebliche Anforderungen Europäische Rat als ganzer mit der Bearbeitung stehen: beim Schutz von Wasser, Boden und Luft. eines politischen Themas beauftragt, so werden Dies kann in den kommenden Jahren zumindest in jetzt Zuständigkeiten oft direkt an den Wettbe- Teilbereichen die europäische Umweltpolitik ver- werbskommissar überwiesen. So wird die Einfluss- langsamen, wenn nicht sogar zur Absenkung um- nahme der Umweltminister beim Umgang mit weltpolitischer Standards führen. Umweltfragen minimiert. Belege für diese schwie- Viertes Problem: Den Strategien und Maßnahmen rige Gemengelage zeigen sich nicht nur in der fehlt es an Kohärenz und Transparenz. europäischen Chemikalienpolitik, sondern auch bei der Liberalisierung im Bereich der kommunalen Der Nachhaltigkeitsstrategie fehlt ein roter Faden Daseinsfürsorge – vor allem im Wasserbereich. und eine Systematik. Sie setzt sich aus wenig übersichtlichen Dokumenten des Rates und der Zweites Problem: Sowohl in Deutschland als Europäischen Kommission zusammen. Außerdem auch in Europa wird zunehmend versucht, Öko- fehlen verständliche Botschaften, um die Nachhal- logie und Ökonomie gegeneinander auszuspie- tigkeitsstrategie erfolgreich zu kommunizieren und len. anzuwenden. Dies haben wir Grüne erst kürzlich bei der Durch- Was könne wir Grüne tun, um der EU- setzung des Emissionshandels erfahren müssen. Nachhaltigkeitspolitik zu mehr Durchschlagskraft Der aggressive Lobbykurs der Wirtschaftsverbän- zu verhelfen? de, von Teilen der Industrie und auch der Gewerk- schaften gegen die Klimapolitik hat uns alle über- 1. Wir müssen die Europäischen Grünen stärken. rascht. Überrascht hat uns ebenfalls das offene Das gilt sowohl für die Grünen im Europäischen Ohr, das sie beim Bundeswirtschaftsminister fan- Parlament als auch in den nationalen Regierungen. den. Die These von der Europapartei ist eben keine Wahlkampfmarotte, sondern Teil eines strategi- Doch auch in der EU kommen derzeit die ökologi- schen Konzepts. Nur eine starke, freche und schen Aspekte zu kurz. Umwelt wurde nach der selbstbewusste grüne Fraktion im Europäischen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik als drittes Parlament kann einer dort drohenden Großen Koa- Schwerpunktthema in den Lissabonprozess einge-

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lition von Wachstumsfetischisten Paroli bieten. Je ten und der Gewerkschaften. Wir brauchen Unter- mehr Unterstützung die jungen grünen Parteien in stützung von den Unternehmen, die die Chancen den Beitrittsländern von ihren Schwesterparteien der ökologischen Modernisierung erkannt haben: bekommen, desto schneller werden sie die natio- die Solarbranche, Windanlagenbauer oder Öko- nalen Parlamente in Budapest, Warschau oder landwirte. Die Debatte um den Emissionshandel Prag erobern – so wie sie es in Riga oder Ljubljana hat gezeigt, wie wichtig ein gemeinsames Agieren bereits geschafft haben. dieser gesellschaftlichen Gruppen sind.

Deshalb führen Europas Grüne auch als einzige Die EU-Nachhaltigkeitsstrategie hat in den letzten politische Familie einen gemeinsamen Europa- Jahren bereits Früchte getragen: Bei der Reform wahlkampf. Deshalb werden wir die inhaltliche und der Agrarsubventionen, beim Schutz vor genetisch strategische Kooperation innerhalb der Europäi- manipulierten Lebensmitteln, bei der Harmonisie- schen Grünen Parteien perspektivisch deutlich rung der Energiesteuerung. intensivieren. Für die nächste Legislaturperiode stehen neue 2. Wir müssen ein breites europäisches Bündnis umweltpolitische Herausforderungen an: zum Bei- zur Durchsetzung der EU-Nachhaltigkeitsstrategie spiel in der Chemikalienpolitik, zum Beispiel beim schmieden. europaweiten Atomausstieg, aber auch bei einer europäischen Flusspolitik. Wir Grüne sind bereit Ohne Verbündete in Politik, Wirtschaft und Gesell- für diese Herausforderungen und wir sind bereit, schaft fehlt uns Grünen die Durchsetzungskraft – die europäische Nachhaltigkeitsstrategie weiter mit sowohl in Berlin als auch in Brüssel. Wir brauchen Leben zu füllen. den Schulterschluss mit den Umweltverbänden, mit den fortschrittlichen Teilen der Sozialdemokra-

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Strengthening Sustainable Development in the EU

Günther Bachmann2, Rat für Nachhaltige Entwicklung. Leiter der Geschäftsstelle

Where we are: Europe’s Strategy for Sustainabil- Some of these concrete measures begin to flesh ity as Unfinished Business out the more abstract overall framework of the

The EU Sustainable Development Strategy (EU- strategy. In sum, the present EU-SDS provides a SDS) is a moving asset: The Lisbon and Gothen- reasonably balanced mix of long-term targets and burg European Councils conclusions and the specific short-term measures, and is clearly point- Johannesburg commitments are forming the politi- ing in the right direction for sustainability. Also re- cally binding essence of the EU-SDS, with the flected in the quantity and quality of proposed Gothenburg conclusions defining its environmental measures, the Brussels European Council of March dimension while the 6th Environmental Action Pro- 2003 contains positive features, e.g. its call to re- gramme (6EAP) and the Cardiff integration proc- vive the Cardiff Process and its proposals to in- ess supplement the environmental dimension of crease maritime safety. The review and co- sustainable development in Europe. Also of rele- ordination process, as envisaged by EU-SDS, has vance for European sustainable development poli- positive elements. The EC, comprised by the Head cies were the Commission Spring Reports and the of States and Governments, reviews the EU-SDS, Commission's Communication "A sustainable including its environmental dimension. The annual Europe for a better world", which the Gothenburg rhythm ought furthermore to offer a regular op- Council draws upon. These documents are inter- portunity to assess progress. However, the EU- twined and refer to each other, making it difficult SDS and its current status has several shortcom- to pinpoint content and scope of a European ings: Sustainable Development Strategy. Outdated concepts and insufficient attention to The following recommendations focus mainly on the environmental dimension. strengthening the environmental dimension of Although the Barcelona European Council calls to sustainable development in the EU Sustainable give equal attention to all three dimensions during Development Strategy and in the regular annual policy-making and decision-taking processes, envi- cycles of review, while not overlooking the eco- ronmental considerations have apparently not nomic and social dimensions. been as high on the political agenda as their eco- Positive Features and Shortcomings nomic and social counterparts. The EU-SDS still has a strong focus on economic policies, as re- The EU-SDS has a number of positive features. flected by the economic bias of the Spring Re- The EU-SDS provides a general and comprehen- ports, in particular the 2002 Report. In addition to sive framework for sustainable development in the this shortcoming, the EU-SDS economic dimension EU. It is a widely appreciated effort to set guide- is driven by traditional policy issues. The way in lines for political leadership at the highest level which social welfare and economic growth are and it shows consistency to the extent that it re- looked upon is short term orientated and follows peats and underlines features of primary impor- the concept of adding environmental policies as a tance, e.g. decoupling of economic development follow-up to economic progress. This is an out- and resource consumption and reform of environ- dated concept. Sustainability needs economic poli- mentally adverse subsidies. The EU-SDS calls for cies to reflect criteria such as intergenerational the implementation of specific measures within justice and the long-term assessment of capital specified timeframes. It recognises the need to and natural stocks. Primary features of the EU- take action deemed necessary in the pursuit of SDS such as decoupling fall short in many cases sustainable development, such as to reach an and lack timetables and roadmaps. Also, the re- agreement on the energy tax directive or the di- vival of the Cardiff Process still has not succeeded. rective on environmental liability.

2 Zusammen mit: Derek Osborn, Member of the UK Sustainable Development Commission (UK SDC)

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No stimulation for public understanding, no lead- Accordingly, their environmental targets and indi- ership. cators differ considerably. Only occasionally have these targets apparentlyinfluenced each other. The EU-SDS has an additive rather than integra- Some national SD Strategies envisage an ambi- tive character. The strategy is scattered over sev- tious set of specific targets and timeframes,3 eral documents and lacks an accessible and under- whereas the EU-SDS does not contain these or standable message, which considerably weakens similar targets and timeframes. There is a current its impact on everyday decision-making. This for- lack of interaction between the European and the mat does not stimulate public participation. Its national level, the wording of national SD Strate- messages have received extremely limited public gies is often vague and omits specific EU-related attention, and even among small expert circles its commitments and timeframes. influence has not been great. Accordingly, the EU- SDS does not provide the necessary leadership A poor long-term and political perspective. and its impact on public debate is limited. So far, The strategy does thus not present a consistent the EU-SDS has not strengthened civil society en- approach in line with a long-term and politically gagement. binding strategy to cope with the unsustainable Missing link to national SD Councils and Strate- trends in economic, social and ecological chal- gies and to civil society. lenges. Although the EU-SDS takes account of the need to adopt specific measures, it occasionally The EU-SDS does not contain an adequate mecha- fails to set measures specific in scope and time- nism to involve civil society. National Councils for frame. The EU-SDS lacks clear targets to replace Sustainable Development could provisde one use- old technology, to increase the share of environ- ful channel for expanding this engagement. There mentally friendly cars by 2010 or to reduce CO2 are now in Europe several national Councils for emissions in the order of 60 % by 2050, as pro- Sustainable Development, which have often devel- posed by Prime Ministers Blair and Persson in their oped from rather scientific, environment-oriented letter to the Greek Presidency of 25 February institutions into organisations engaging a broad 2003. range of stakeholders, reflecting civil society. On the national level, some national Councils for Sus- Proposed cut in the number of indicators is side- tainable Development have already recommended lining the core idea of sustainability. establishing linkages between the national SD The list of more than 40 European indicators (with Strategy in their respective country and the EU. seven covering the environment) reflects the scat- There are examples for issue specific strategies – tered character of the EU-SDS as these indicators such as those relating to waste for example – that do not necessarily correspond with the areas cov- are driven by the need to meet the requirements ered by the SDS and by Member States SD of EU Directives. For other domestic goals and tar- Strategies. Instead of clarifying and streamlining gets, conditional targets (a national target is valid these indicators the European Commission re- only if EU decides to set up a European target, see cently proposed to cut the number of environment esp. the issue of climate change) are introduced. related indicators from seven to one. The cut is However, these examples are somewhat scat- part of an overall reduction of the number of indi- tered. The lack of a specific strategy for linking EU cators used to measure the Lisbon process. The SD policy to national policies is a serious weak- cut is sidelining environmental and SD indicators. ness. For example the liberalisation of the electric- As a late addition to the Lisbon process the Goth- ity and gas markets will require accompanying enburg European Council 2001 introduced a list of measures to ensure sustainability on both national seven environmental indicators. Now, only the in- and EU level. dicator for greenhouse gas emissions remains. The Lack of interaction between national and Euro- short list categorises two other indicators (energy pean level. intensity and volume of transport) as indicators of ‘environmental’ aspects of sustainable develop- Currently, national SD Strategies and the EU-SDS ment’, but it is doubtful that the implementation of are developing in isolation from each other. There these indicators will set the appropriate context for is no formal or informal co-ordination between EU an adequate environmental assessment. organs and national institutions. Instead, the ex- change of ideas between the European and na- tional strategies is primarily based on informal and somewhat coincidental discussions between in- volved individuals, resulting in limited interaction 3 E.g. energy and resource efficiency shall have doubled by 2020 (compared to 1990 respectively 1994), transport shall be reduced by 5 % (goods) and 20 % (persons) by 2020 (compared to 1999), exposure of the population between the EU-SDS and national SD Strategies. to significant air pollutants shall be reduced by 70 % in 2010 (compared to 1990).

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Institutional shortcomings and the lack of lead- Expectations and Recommendations in order to ership and co-ordination. Strengthen Sustainable Development in the EU.

The European Council´s agenda is usually crowded Judging from the experiences of national Councils and susceptible to short-term and fundamental for SD the poor political performance of a SD changes in line with shifting perceptions of ur- Strategy may lead to a setback for environmental gency. The 2003 Spring Council was overshad- and SD policies. This seems to be a real danger owed by the war in Iraq and almost exclusively the EU-SDS is facing. On the other hand, a well perceived as the "Iraq summit". Moreover, the fo- drafted and implemented EU-SDS could open new cus of the EC work has been on the economic di- windows of opportunity for a succesful and mean- mension of the Lisbon strategy. Similarly, the ingful political move into an era of fully integrated General Affairs & External Relations Council sustainable development which redirects economic (GAERC), partly due to its workload and political growth into paths that take full account both of considerations, did not adequately address issues environmental needs and of social and intergen- of sustainable development and its environmental erational welfare. The Member States’ Councils for dimension. Other issues were usually deemed SD urge the European Commission to make use of more important, creating a notable lack of leader- these experiences and to open a way to better ship and horizontal co-ordination. balancing and defining the content of Europe’s SD

Strategy4. SD Strategies can make a difference. Neither the GAERC nor other Council formations played a prominent role in strengthening the EU- I. Reflecting Sustainable Development in the EU SDS, partly because these institutions are special- Convention ised in negotiating proposals. These institutional We welcome the fact that the objective of sustain- shortcomings are aggravated by the fact that the able development and the principle of environ- European Parliament, generally an advocate of mental integration were finally restored in the progressive environmental policies, is not an im- draft Constitution. We support Commissioner Wall- portant actor in the field of the EU-SDS. While the strom's proposal to add a Protocol on Sustainable EP has commented on the outcomes of the Spring Development to the future Constitution. Councils, it has not been formally involved in drafting or even adopting the Council conclusions. However, in addition to this the Constitution’s wording on the policies of the EU needs to be up- Missing focus on enlargement. dated. In order to meet the reality of current poli- For the past decade, enlargement of the EU has cies and to allow the EU to deal with new envi- been one of the most dominant and important is- ronmental and social challenges we suggest add- sues. With great likelihood, enlargement will be ing the eradication of poverty as a primary objec- the most important item on the 2004 Spring tive and introducing a requirement to make the Council’s agenda, to be held only weeks before the policies of the EU consistent with the principle of formal accession of 10 new Member States. How- sustainable development. The corresponding arti- ever, the EU-SDS has not addressed enlargement cles in Part III especially in the field of agriculture, in detail. The adoption of the acquis in the new cohesion, transport, energy and trade policies Member States may be expected to have some should also be worded in such a way as to reflect important positive environmental effects but at the this. The concept of sustainable development same time enlargement is also likely to have some should also appear in the provisions on environ- damaging impacts on ecology in the accession mental policy. countries and these impacts need to be addressed. Instead, while stressing the positive economic effects of enlargement, the Brussels European Council only refers to the potential benefits of enlargement on sustainable development at the global level, arguing that a Union of 25 would be an even stronger global leader in implementing the commitments of Doha, Monterrey and Johannesburg.

4 In February 2001 the EEAC presented a statement of proposals for the EU SD Strategy, Greening Sustainable Development Strategies. There are many suggestions in that document which would still be relevant to strengthening and completing the EU strategy.

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and participation processes and linking of national II. EU-SDS should be focused in order to place and European SD policies. sustainability as an overarching goal of the Union and to make Europe the world’s most eco- IV. Linking national and European level of SD efficient area by 2010. policies.

In order to live up to the request of the Barcelona The EC should promote a stronger link between European Council to give equal attention in policy- EU-SDS and national SD Strategies. A more insti- making and decision-taking processes to eco- tutionalised but still informal exchange of positive nomic, social and environmental considerations, experiences and best practice examples between the Lisbon overarching goal to become the most the EU- and national SD Strategies would be an competitive and dynamic knowledge-based econ- important step towards making the SD Strategies omy by 2010 should be supplemented by a new more visible in public perception. Furthermore, strategic target, according to which the EU should better co-ordination between the national and develop into the world's most eco-efficient area by European level would improve the quality and im- 2010. plementation of the EU-SDS, as policies on sustainable development are increasingly deter- We propose the introduction of more ambitious mined at EU- and implemented at Member State targets and timetables inter alia for decoupling level. economic development and resources consumption, preserving both natural and agricul- We also recommend to better link European efforts tural biodiversity and reducing losses of species, to the Johannesburg Plan of Action, e.g. with the shifting energy production to renewable energies UN Decade on Sustainability and Education and and a clean energy supply. The strategy should with the developing of the EU’s ten-year commit- encourage fiscal reform in order to reduce envi- ment to sustainable consumption and production. ronmental pressure, stimulate the creation of work V. Delivering solutions instead of words. and give stronger incentives to economic innova- tion. And it should propose appropriate delivery Independent political comments from outside the mechanisms to stimulate the technical innovation European Union frequently perceive the EU-SDS as and changes of lifestyle required and to encourage a programmatic paper that is strong in words but ethical investment. very poor in delivering the European contribution to the Millennium Goals, the Monterrey Promises We appreciate the emphasis of the Sustainable or the Johannesburg Plan of Implementation. As to Development Round Table of independent experts the global challenges of sustainability the consis- reporting directly to Romano Prodi on developing a tency of EU policies and the Union’s decision mak- specifically European way of reshaping and en- ing capability are often challenged. hancing the cultural, economic and social rationale for welfare systems while modernising them to re- Within the current process for preparing meetings ply to the growing requirements for environmental of the European Council and for co-ordinating im- sustainability. plementation of the EU-SDS, the interests of the environment and the global challenges are not suf- III. European SD policy needs a sounding board. ficiently represented. Respective mechanisms to remedy the current shortcomings should be con- The impact and successful implementation of the sidered. A high level group on sustainable devel- EU-SDS strongly depend on its acceptance in civil opment under the auspices of GAERC could be an society. It is vital for the EU process towards a appropriate entity to address the lack of political more sustainable development to provide strong leadership and co-ordination. Equally important, links with civil society and to deliver at EU level a the EP needs to be engaged more closely. stronger expression of the environmental options as a driving force for sustainability. Therefore, the The conclusions of the Brussels European Council EU should establish, complementarily to the na- should form the basis for an enhanced and tional Councils for Sustainable Development, an strengthened Cardiff-Process, providing goals, in- EU Council for Sustainable Development which dicators, timeframes, monitoring, and expanding should make good use of the Member States’ ex- the Cardiff-Process to other policy areas such as periences in involving national SD Councils. Its education and employment, while taking advan- task should be to facilitate and encourage the ex- tage of the foreseen annual stocktaking. The effort change of experience and it should contribute to to establish an appropriate set of indicators needs the agenda setting and monitoring of the EU-SDS to be renewed. The current shortlist does not pro- while enforcing strategic assessment mechanisms vide a suitable instrument to review the European progress in sustainable development.

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VI. Focusing on enlargement. VII. Communicating Sustainability

On the eve of the accession of 10 new member The EU-SDS should be promulgated more widely states, the EU-SDS needs to address specific and in a much more accessible format so as to be- environmental problems arising from enlargement, come leader and focus for efforts throughout in particular the increase in traffic. Enlargement is Europe. Accessibility and visibility are essential a unique opportunity to strengthen sustainable features to improve public participation and to en- development in the whole of Europe, as the EU- hance the political weight of sustainability policies. SDS provides a frame to address concrete issues, The EU-SDS has to move away from its current such as land, water and waste management or abstract and inaccessible format. Instead, it needs reforms of the structural fund in light of environ- to be compiled in one accessible document. Its fo- mental considerations. To seize this unique oppor- cus should be on concrete measures to illustrate tunity, the information flow between the old and and deliver the ideas of sustainability, and on new Member States has to improve. binding targets and timetables to provide clear guidance for public discussion and decision- making. Visible and easily comprehensible meas- ures as leitmotiv for EU-SDS, e.g. sustainable con- sumption and production patterns, are important tools to "link sustainable development to real life of people".

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Strategien der EU

Christian Hey, Generalsekretär des Sachverständigenrates für Umweltfragen5

Die EU verliert sich seit Ende der 90er Jahre in ei- Hierzu gehören: nem Gestrüpp schönklingender Strategien. Ge- · die permanente Neufiguration politischer genstand dieser Strategien sind Themen wie Konstellationen Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit, Umweltpoli- tikintegration, ausgewiesene Umweltprobleme, · die (Ex-Post)Legitimation konkreter Vorhaben neue umweltpolitische Steuerungsansätze und · die Kommunikation durch Bündelung einzelner Prioritäten. Zwischen den Strategien findet gerade Vorhaben ein wilder Kampf um die Hegemonie statt. Eine logische Architektur der vielfältigsten Strategien · die Pflege aktuell nicht durchsetzbarer, aber ist nicht erkennbar. Angesichts dessen stellt sich langfristig gewünschter Themen. die grundsätzliche Frage, was eine „ Strategie“ auf Diese Funktionen lassen sich anhand der Strate- der europäischen Ebene überhaupt ist. giepapiere an einigen Beispielen gut illustrieren. Strategien sind Teil eines neuen Steuerungs- a) Neufiguration der Debatte ansatzes der Europäischen Kommission. In Ergän- zung und auch anstelle von Integration durch In der Auseinandersetzung zwischen der Nachhal- Recht versucht sich die Europäische Kommission tigkeitsstrategie (Göteborg) und der Lissabon- als Manager überkomplexer Strategiekonzepte und Strategie geht es im Kern um die Prioritäten- ambitionierter Projekte der Bildung von Akteurs- setzung der politischen Agenda. Gerade die Lissa- netzwerken. Hierzu gehören neben den 7 themati- bon-Strategie ist strategisch genutzt worden, um schen Strategien in Folge des 6. Umwelt- die Umweltdiskussion in die Defensive zu rücken. aktionsprogrammes auch andere Strategie- Neue Verfahrenshürden wie das Impact Assess- prozesse, wie die Integrierte Produktpolitik, das ment wurden aufgebaut oder der Stellenwert der Umwelttechnologieaktionsprogramm, das Europäi- Umweltpolitiker im umweltpolitischen Entschei- sche Klimaschutzprogramm oder die übergeordne- dungsprozess wurde zurückgedrängt (Bsp. ten Strategien, wie die Lissabon-, die Göteborg- REACh). Dies hat wenig mit einer fachlichen Aus- strategie und der Cardiffprozess. Ob dies eine einandersetzung um den Zusammenhang zwischen neue Qualität der Umweltpolitik oder einfach Wettbewerbsfähigkeit und Umweltschutz zu tun - Handlungsersatz darstellt, ist noch nicht entschie- hier gibt es einen wissenschaftlichen Mainstream, den. Vom bisherigen Erfolgsmodell der europäi- der vielfältige Synergien identifiziert – mehr aber schen Umweltpolitik soll zumindest weniger Ge- um die Konfiguration einer Debatte, mit anderen brauch gemacht werden . Worten darum, dass sich um die neuen Leitideen neue Akteurskoalitionen bilden, alte Fronten durch Strategien haben eine ganz besondere Funktion in neue Konstellationen abgelöst werden, ein Moment der europäischen Umweltpolitik. Man sollte sich von Wachheit, Offenheit und Unberechenbarkeit in dabei von der Vorstellung einer „Strategie“ in der den Prozess hereinkommt – letztlich um die ideo- Clausewitz´schen Tradition als planmäßiges Han- logische Lufthoheit in der Debatte, um den Be- deln zur Umsetzung von Zielen unter Berücksichti- zugspunkt auf den sich alle Akteure beziehen gung der gegebenen Handlungsbedingungen ver- müssen. abschieden. Im Mittelpunkt des Strategieverständ- nisses der Europäischen Kommission steht nicht Auch bei der Entwicklung der Abfallpolitik kann ein top-down Prozess einer rationalen Ziel- man eine solche Funktion von Strategien beobach- Mittelfindung und einer Prioritätensetzung. Im ten: Mit der Verabschiedung der Altauto–, Mittelpunkt stehen eher andere Funktionen im Elektroschrott- und novellierten Verpackungsricht- Sinne eines Prozessmanagements, das neue Hand- linien wurde politisch das Ende einer Politik der lungschancen identifiziert. Abfallstromsteuerung durch Vorgaben von Zielen der hochwertigen Verwertung eingeläutet. Der Strategieentwicklungsprozess ist damit gleichzeitig auch ein Reflektionsprozess über die Neuausrich- tung der Abfallpolitik insgesamt. Die Ressourcen-

5 Die hier entwickelte Einschätzung ist eine persönliche Einschätzung des Autors. Sie spiegelt in keinster Weise einen offiziellen Meinungs- und Diskussionsstand des SRU.

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strategie soll vor allem die informatorischen d) Pflege kurzfristig wenig durchsetzbarer The- Grundlagen zur Erkennung des Zusammenhanges men zwischen Ressourcenverbrauch und Umweltaus- wirkungen schaffen. Auf dieser Wissensbasis sind Zum strategischen Agenda-Setting der Europäi- eventuell Prioritätensetzungen für eine ressour- schen Kommission gehört auch, politisch aktuell cenbezogene Abfallpolitik zu erwarten, die von der nicht akzeptable oder durchsetzbare Themen ohne bisherigen Leitvorstellung einer Abfallhierarchie unmittelbaren Handlungsdruck auf der Agenda zu abweicht. halten. Hierzu gehört das Feld der ökonomischen Instrumente, insbesondere der Umweltabgaben b) Ex-Post Legitimation und Steuern, neuerdings auch des Zertifikatehan- Es wäre verfehlt anzunehmen, eine Strategie wür- dels. Die Mitgliedsstaaten reagieren seit Jahrzehn- de schrittweise konkretisiert und operationalisiert. ten reserviert auf diesbezügliche Vorschläge und Vielmehr lässt sich beobachten, dass der Rechtset- Initiativen der Europäischen Kommission. Dennoch zungsprozess und die Strategieprozesse gleichzei- tauchen solche Ideen regelmäßig wieder als Optio- tig nebeneinander her laufen. Allerdings lässt sich nen in den verschiedenen Strategiedokumenten beobachten, wie die neuen Axiome der Strategien auf. Es kann dabei nur darum gehen, zu vermei- dann in die Begründungszusammenhänge konkre- den, dass diese Optionen gänzlich von der lang- ter Maßnahmen miteinfließen. fristigen Agenda verschwinden und somit auch Momente günstiger Konstellationen (sog. Politik- So befindet sich die Revision der Abfallrahmen- fenster ) verpasst werden. richtlinie, dabei auch die kritische Überprüfung des Abfallbegriffes und der Abfallhierarchie, bereits auf Insofern ist auch nicht verwunderlich, dass gar dem legislativen Fahrplan, bevor die entsprechen- nicht ausformulierte Strategien, wie die europäi- den thematischen Strategien zum Ressourcen- sche Nachhaltigkeitsstrategie, nun evaluiert und verbrauch und zum Recycling vorgestellt worden erneuert werden sollen. Was vordergründig wie ei- wären. Versuche, die sogenannte Richtlinie zu ne Placebo-Aktion aussieht, ist bei genauer Be- energieverbrauchenden Produkten energie- und trachtung der Versuch der Umweltakteure in klimaschutzpolitisch zu profilieren, hat die Europä- Kommission und Rat, das Thema Nachhaltigkeit ische Kommission mit dem Hinweis auf die Wider- noch auf der Agenda zu halten. Hierzu gehört auch sprüche zum ganzheitlichen IPP-Ansatz abgelehnt, die Rhetorik von der „Göteborg-Strategie“, die es als ob IPP bereits gesetztes Recht wäre. Die Revi- bei genauer Betrachtung noch gar nicht gibt. sion der Abfallver- Fazit bringungsrichtlinie hat insbesondere im Hinblick auf die bessere Kontrolle von Abfallexporten Wer überzogene Vorstellungen von Strategie als in Länder mit niederwertigen Verwertungs- oder rational geplantem Prozess aufgibt und sie als Teil Beseitigungsanlagen regulative Maßnahmen er- des Prozessmanagements der Kommission, als Teil griffen, bevor diese durch die Strategiepapiere eines Suchprozesses nach neuen Handlungschan- vorbereitet worden wären. cen und nach Teil eines Kampfes um die konzepti- onelle Hegemonie begreift, der erkennt den ver- c) Kommunikationsfunktion steckten Sinn des Strategiebildungschaos auf eu- Packaging und „Unpackaging“ gehören seit lan- ropäischer Ebene. Wer dabei nicht mitspielt, hat gem zu den Techniken des europäischen Prozess- leider schon verloren. managements. Einzelmaßnahmen können in einer

Debatte um größere strategische Zusammenhänge „versteckt“ oder auch besser „verkauft“ werden. Große strategische Themen sind für die Profilie- rung der Leitungsebene oft attraktiver, als die Mü- hen des täglichen Klein-Klein. In dieser Funktion – dem Profilierungsfeld für die Leitungsebene – sind „Strategien“ unschlagbar. Sie sind kommunikativ besser darstellbar als technische Detailmaßnah- men, sie erhöhen die Chance die Aufmerksamkeit der höheren „Hierarchie“ auf sich zu ziehen. Sie erleichtern die Orientierung für Leitungs- personal mit horizontalen Funktionen und dienen damit auch als Steuerungsinstrument nach unten.

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Umwelt- und Naturschutz in Europa

Stefan Richter, Geschäftsführer GRÜNE LIGA Berlin e.V.

Die Prioritäten für den Umwelt- und Naturschutz in formen. Der Umweltaspekt wurde hier nahezu der Europäischen Union wurden im Jahr 2001 im komplett vergessen und erst später ergänzt. 6. Umweltaktionsprogramm zusammengeführt. Als Selbst im Umweltaktionsprogramm muss sich der bisherige Erfolge in der Umweltpolitik wurden die Umweltschutz rechtfertigen. Dort heißt es ver- Senkung des industriellen Ausstoßes giftiger Stoffe schämt: „Umweltschutz ist nicht zwangsläufig mit wie Blei und Quecksilber, die Zurückführung der einer Drosselung des Wachstums oder des Kon- Versauerung unserer Wälder und Flüsse sowie die sums an sich gleichzusetzen“. Mehr Wachstum und Verbesserung des Zustandes vieler Seen und Flüs- mehr Konsum führen jedoch nicht zwangsläufig zu se durch Gewässer- und Abwasserbehandlung auf- mehr Lebensqualität. Die Fakten sprechen trotz geführt. Das ist ein schöner Erfolg – nicht zuletzt einer Vervielfachung der Wirtschaftsleistung in den für die Umweltbewegung in Europa. letzten Jahrzehnten für eine Zunahme von Krank- heiten, Lärm, Enge und Zeitnot. Die Häufung von Die Liste der Sorgenkinder ist jedoch ungleich län- Unwetterkatastrophen, der Anstieg der Kriminali- ger. Aufgeführt werden der Klimawandel, der Ver- tät, der Terrorismus oder Befindlichkeitsstörungen lust der biologischen Vielfalt und Habitate, der Bo- sind weitere Begleiterscheinungen des stetigen denverlust und die Verschlechterung der Boden- Wachstums. Die Europäische Umweltagentur ana- qualität, das zunehmende Abfallaufkommen, die lysiert treffend, dass das Wirtschaftswachstum die Akkumulierung chemischer Stoffe in der Umwelt, Erfolge der Umweltpolitik wieder auffrisst. Lärm und bestimmte Luft- und Wasserschadstoffe. Nirgends wird das deutlicher als im Verkehrssek- Die EU-Umweltminister hoben in ihrer Analyse im tor, wo die Effizienzgewinne beim Verbrauch durch März 2004 die negativen Trends im Klimawandel, einen massiven Anstieg der Verkehrsleistung im Energieverbrauch, im Verkehr sowie bei der überkompensiert werden. Biodiversität hervor. Einige Zahlen belegen diese Trends sehr deutlich. So haben Portugal, Spanien Es bleibt die Aufgabe der Umweltbewegung aufzu- und Irland ihre durch das wenig ambitionierte klären und Menschen in ihrem eigenen Interesse Kyoto-Protokoll zugestandenen Zuwächse bei den für mehr Umwelt- und Naturschutz zu gewinnen. Treibhausgasemissionen bereits jetzt deutlich Betroffenheit und Engagement entsteht vor Ort. überschritten. Deutschland tritt seit dem Jahr Um aufzuklären und Engagement zu ermöglichen 2000 auf der Stelle. Insgesamt ist die EU mit ei- veranstaltet die GRÜNE LIGA jedes Jahr zum Tag nem Anteil von 5% an der Weltbevölkerung für der Umwelt das Umweltfestival rund um das Bran- 15% aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. denburger Tor im Herzen Berlins. 2004 präsentier- Allein bei den Luftfahrtemissionen rechnet die ten sich auf über 200 Ständen Umwelt- und Natur- Europäische Kommission in den Jahren von 1990 schutzverbände, Solaranlagen- und Windpark- bis 2010 mit einem Zuwachs von 100% und liegt betreiber, Biobauern, Eine Welt Initiativen und gut im „Plan“. Das Erreichen selbst gesteckter Verkehrsverbände. 150.000 Besucherinnen und Umweltziele, wie die Steigerung des Anteiles von Besucher kamen. Engagement für Umwelt und Na- Strom aus regenerativen Quellen am Bruttoener- tur muss vielfältig sein, von der Mitarbeit in einer gieverbrauch bis 2010 auf 22%, schätzt die Euro- Umweltinitiative, über den Kauf beim Biobauern, päische Kommission mittlerweile selbst als un- der Nutzung ökologischer Verkehrsträger, dem fi- wahrscheinlich ein. nanziellen Investment in einer Bürgersolaranlage, dem nachhaltigen Reisen bis hin zur Akzeptanz- Wenn sich die Prioritätensetzung bei der Europäi- werbung für eine konsequente ökologische Ge- schen Kommission nicht ändert, wird es zu keiner setzgebung. Und gerade dafür braucht die Um- dringend notwendigen weitreichenden ökologi- weltbewegung in den europäischen Städten im schen Trendumkehr kommen. Zu einseitig setzt Jahr 2005 jede Menge Unterstützung. die Kommission auf wirtschaftliches Wachstum. Im Zentrum der Brüsseler Politik steht die im Jahr Am 1. Januar 2005 tritt die neue Luftqualitätsrah- 2000 beschlossene Lissabonstrategie. Dessen menrichtlinie verbindlich in Kraft. Diese Entschei- übergeordnetes Ziel ist es, Europa zum wettbe- dung traf der Europäische Rat bereits 1996. Damit werbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu werden die Grenzwerte für Feinstäube wie Ruß eu- ropaweit verschärft, um die Gesundheit der Men-

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schen gerade in den größeren Städten besser zu tragenden wären wieder viele, die Profiteure nur schützen. Mit einer Abnahme der Belastungen oh- einige wenige, aber sehr lautstarke. ne einschneidende Maßnahmen ist nicht zu rech- Für mehr Umweltschutz und mehr Lebensqualität nen. Viele Lobbyisten haben in den letzten Mona- müssen sich die Bürgerinnen und Bürger selbst ten die Richtlinie bekämpft – bisher ohne Erfolg. einsetzen – das wird auch weiter so bleiben. Es gilt Die Betroffenen müssen einklagen, dass die Lob- Verbesserungen bei dem Erhalt unserer natürli- byisten das Problem bekämpfen und nicht die chen Lebensgrundlagen schneller zu erreichen. Je Richtlinie. Die Behörden können Industriebetriebe langsamer die Veränderungen kommen, umso hef- zeitweise stilllegen, Tempolimits verhängen oder tiger werden die Umstellungen ausfallen. Und es Ballungszentren für Lkw und Pkw sperren, sofern gilt den Lobbyisten der grauen Industrie die Stirn die Grenzwerte für Luftschadstoffe anders nicht in zu bieten. Der Standortwettbewerb darf nicht zu den Griff zu kriegen sind. Mit diesem Knüppel in Lasten unserer Umwelt und der zukünftigen Gene- der Hand sollten alle motiviert sein, ihren Beitrag rationen geführt werden. Gesellschaft und Wirt- zur Reduzierung der Feinstaubbelastungen zu leis- schaft können sich nur in einem gesunden und ge- ten. Ein Selbstläufer ist das aber nicht. Es wäre schützten Umweltraum entwickeln. Nur mit dieser nicht das erste Gesetz, welches dank einer starken Prioritätensetzung kann es eine Trendwende zu Gegenlobby nie durchgesetzt worden ist. Die Leid- mehr Umwelt- und Naturschutz und letztendlich mehr Lebensqualität in Europa geben.

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Klimaschutz und Erneuerbare Energien

Die EU-Kommission hat im Bereich Klimaschutz und erneuerbare Energien in den letzten drei Jahren eine Reihe von guten Instrumenten vor allem im Bereich des Energieversor- gungssektors vorgelegt. Bedauerlicherweise konnten auf der anderen Seite vor allem bei der Implementierung wichtiger Teile der EU-Klimastrategie (z.B. beim Emissionshandel) nur wenig Fortschritte gemacht werden, um Emissionen gemäß den gegenwärtigen Erfor- dernissen wirkungsvoll zu reduzieren.

Dazu kommt, dass zwar alle Mitgliedstaaten das Kyoto-Protokoll ratifiziert haben, folgt man aber den neuesten Daten der Europäischen Umweltagentur, so können nur die wenigsten der alten Mitgliedstaaten ihre Verpflichtungen erreichen. Besonders die Kohäsi- onsländer sind weit davon entfernt, trotz der großzügigen Grundlage, die ihnen unter dem EU-Burden-Sharing eingeräumt wurde.

Vorausgesetzt, dass diese Verpflichtungsperiode nur die erste Stufe auf dem Weg zu einer europäischen Wirtschaft ohne Öl und Kohle ist, muss die EU sich beeilen, will sie die Er- wärmung unter zwei Grad Celsius halten. Nichtsdestotrotz wird schon dieser Grad der Er- wärmung zu einem bezeichnenden negativen Klimawandel in Europa und über die Grenzen hinaus führen.

Während mehrere gute Strategien für den Energieversorgungssektor entwickelt wurden, waren Maßnahmen für die Energienachfrageseite schleppend und unzureichend. Der Ver- kehrssektor, der in ECCP-Berichten als wichtig eingestuft wurde, wurde fast vollkommen ignoriert. Zusätzliche Strategien werden dringend benötigt, um zu verhindern, dass die Emissionen im Verkehrsbereich wieder anwachsen. Die freiwillige Vereinbarung mit euro- päischen und asiatischen Autoherstellern ist mehr oder weniger die einzige Strategie in diesem Bereich, allerdings hat die Industrie Zweifel aufkommen lassen, ob sie ihre Ziele erreichen wird. Maßnahmen müssen gewährleisten, dass die Vereinbarung zu 100 Prozent erfüllt wird. Auch bei den Ausstößen der Industrie hinkt die Strategie hinterher. Bedauerlicherweise verlässt die EU sich lieber auf bessere Kontrollen von hochgefährlichen Stoffen, als auf die Förderung von weniger schädlichen Alternativen.

Die Einführung wichtiger Instrumente der Klimaschutzpolitik, wie z.B. die Richtlinie zu er- neuerbaren Energien, die Energiesteuerrichtlinie und das System des Emissionshandels werden bezeichnenderweise in ihrer Ausführung auf dem Niveau der Mitgliedstaaten ge- schwächt und reichen noch immer nicht an das Potential des Emissionsrückgangs heran. Die EU-Länder müssen anfangen, sich ernsthaft mit den gemeinsamen und koordinierten Strategien und Maßnahmen zum Klimawandel auseinander zusetzen.

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Solare Vollversorgung

Harry Lehmann, Vize-Präsident, EUROSOLAR

Merkmale einer zukunftsfähigen Gesellschaft sind freundlichere Energietechnologien - sie sind die schon skizziert und diskutiert, aber von der Gesell- energetische Basis für ein zukunftsfähiges Zivilisa- schaft kaum umgesetzt worden. Dazu gehört u.a.: tionsmodell.

· die ressourcenoptimierte Bereitstellung von Eine zukunftsfähige Energieversorgung für Europa Dienstleistungen (Faktor 10)6, und die Länder Europas wird sich auf drei Säulen stützen müssen: erstens auf die erneuerbaren · den erhaltenden Umgang mit Böden7, Energien, zweitens auf eine effiziente Nutzung der · die Hinterfragung und Neubewertung dessen, verfügbaren Ressourcen und drittens auf eine be- was wir Wohlstand nennen und wieviel davon wußte Entscheidung über Grenzen des Konsums, genug ist, die Suffizienz. Sonne-Effizienz-Suffizienz sind die Eckpfeiler einer zukunftsfähigen Energiewirtschaft. · die Umstellung auf erneuerbare Ressour- cen/Energien und die effiziente Nutzung dieser Ressourcen.

Die Umstellung auf erneuerbare Ressourcen muß insbesondere in der Energiewirtschaft schnell stattfinden, da durch den stattfindenden Klima- wandel hier ein rascher Handlungsbedarf existiert. Doch dies ist nicht der einzige Grund auf Sonnen- energie umzustellen. Die Sonnenenergie, die Geo- thermie und die durch die Gravitation bedingten Gezeitenkräfte (Wind, Wasser) sind die einzig wirklichen Energie-Einkommen der Erde. Die Aus- beutung der in der Erde gelagerten Materialspei- cher an Kohle, Öl und Erdgas, die über sehr lange Zeiträume aus diesen Energien entstanden, ist nichts weiter als eine riesige Umverteilung zu Las- ten zukünftiger Generationen.

Verschärft wird dieses durch die Menschen, die Abbildung 1: Schema einer solaren Vollversorgung; heute noch gar nicht teilhaben an dem energeti- H.Lehmann, 1998. schen Überfluß eines Teils der Welt. Jeder dritte, In Anbetracht der Tatsache, dass die meisten für mit steigender Tendenz, ist weltweit an kein eine solche Entwicklung benötigten Technologien Stromnetz angeschlossen. Diese Menschen mit bereits entwickelt und erprobt sind, stellen sich Strom und damit mit Information, Licht, Kühlung zum jetzigen Zeitpunkt die folgenden Fragen: und andere Grunddienstleistungen zu versorgen, wird angesichts des dezentralen Charakters dieser · Wie können regenerative Energien in die exis- Versorgungsproblematik und der schwindenden tierenden Energiesysteme und in die einzelnen fossilen Energiereserven nur mit erneuerbaren Länder mit einem ausreichend hohen Verbrei- Energietechnologien stattfinden können. An dieser tungsgrad integriert werden? Stelle sei auch darauf hingewiesen, daß es hinrei- · Wie kommen wir dorthin? chende Anzeichen für eine in den nächsten zwei Jahrzehnten anstehende Knappheit an Öl und Gas8 · Wie hoch sind die Kosten und der Nutzen einer gibt. Aus all diesen Gründen sind die erneuerbaren solchen Strategie? Energien weit mehr als nur alternative, umwelt- · Welche weiteren ökonomischen, ökologischen und soziale Ziele können realisiert werden? 6 siehe auch: F. Schmidt-Bleek, F. "Wieviel Umwelt braucht der Mensch – MIPS das Maß für ökologisches Wirtschaf- ten", Birkhäuser Verlag, Basel (1994) · Welches sind die wesentlichen Hindernisse und 7 siehe auch: H. Lehmann, T. Reetz "Sustainable land use in the European Union – Actual status and a possible scenario for 2010", Wuppertal Paper, November 1994 Hemmnisse für solch eine Entwicklung? 8 Schindler J., Zittel H. :“Wie lange reicht das billige Öl“, Scheidewege,Jahresschrift für skeptisches Den- ken,28,1998/99, Baiersbronn 1998

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Solche Szenarien und Energieversorgungsstruktu- ropäischen Flächennutzung - d.h. Ernährung vom ren wurden innerhalb verschiedener Projekte – eigenen Flächenpotential). Diese haben die Gestal- dem Projekt “Long-Term-Integration of Renewable tung eines funktionierenden Energiesystems er- Energies into the European Energy System and its schwert, da u.a. Potentiale bei Biomasse und Wind Potential Economical and Environmental Impacts” eingeschränkt wurden. (LTI), der Enquete Kommission des Deutschen Weitere Szenarien (siehe Szenario „Opti“) können Bundestages „Nachhaltige Energieversorgung un- dank verbesserter Simulationstechnik (erhöhte ter den Bedingungen der Globalisierung und der räumliche und zeitliche Auflösung) andere und Liberalisierung“ und dem Projekt „Energy Rich Ja- neuere Technologien (insb. dezentrale Brennstoff- pan“ - in den letzten Jahren untersucht. zellen und Geothermie) mitbetrachten. Solares Europa - das LTI Projekt9 Die untersuchten Szenarien stellen aufgrund der Im LTI-Projekt wurde von “Extrem”-Szenarien - extrem verschiedenen Annahmen „Leitplanken“ ei- mit sehr unterschiedlichen aber ehrgeizigen, öko- ner möglichen Entwicklung dar. Diese Szenarien nomischen, sozialen und ökologischen Zielen - sind keine Prognosen einer möglichen Entwicklung. ausgegangen, die in den nächsten Jahrzehnten er- Die Realität wird sich als ein Mix verschiedener reicht werden sollen. Denn wenn ein europäisches Trends ergeben. Die Szenarien sind gestaltet wor- Energieversorgungssystem auf der Basis erneuer- den, um möglichst viel über eine solare Versor- barer Energien unter diesen hohen Ansprüchen gung der europäischen Staaten zu lernen. darstellbar ist, ist die Realisierungsmöglichkeit ei- Ein solares Energieversorgungssystem, das eine nes solaren Europas mit weniger ehrgeizigen Zie- sichere und ganzjährige Versorgung ermöglicht, len größer. beinhaltet zum einen die konsequente Nutzung der Ausgehend von zwei Archetypen des Bürgers – vor Ort verfügbaren Ressourcen an erneuerbaren dem ökologisch motivierten Bürger und dem kon- Energien: an den Küsten oder in windigen Regio- sumorientierten Bürger – wurden zwei Szenarien nen mehr die Windkraft, in ländlichen Gebieten entwickelt die zu einer 80% CO2-Reduktion für Eu- mehr die Biomasse, in bebauten Gebieten Photo- ropa bis ins Jahr 2050 führen. Im „Sustainable“ voltaik, sowie die passive und aktive Wärmenut- Szenario sorgt der Staat dafür, dass der aus öko- zung, in sonnenreichen Regionen solarthermische logischer Sicht beste Mix an Technologien genutzt Kraftwerke zur Stromerzeugung und dort, wo es wird und der Bürger unterstützt ihn durch entspre- möglich ist, die Wasserenergie. Zum anderen ist chende Konsumänderungen. Im anderen Szenario, der intelligente Austausch von Energie zwischen dem „Fair Market“ Szenario, gibt es einen Markt, den Regionen ein weiteres Merkmal einer solchen auf dem die verschiedenen Energietechnologien Energieversorgungsstruktur. Dieser Austausch unter Berücksichtigung ihrer externen Kosten mit- kann über ein Stromnetz, ein Gasnetz oder aber einander konkurrieren können. über den Transport von Biomasse erfolgen. Das überregionale Netz dient neben dem Energieaus- Beide Szenarien benutzen nur Technologien aus tausch auch der Speicherung von Überschüssen. dem Jahr 1995 – neuere Entwicklungen (z.B. Das Speichermedium kann Biogas sein oder auch Windkraftanlagen der Megawattklasse, kleine solar erzeugter Wasserstoff. Brennstoffzellen oder virtuelle Kraftwerke) sind nicht genutzt worden. Beide Szenarien versuchen nur mit innereuropäischen erneuerbaren Energie- quellen auszukommen. Für die gesamte EU wer- den bis zum Jahre 2050 gleiche Lebensstandards sowie eine Verfügbarkeit von Geräten ähnlich der gegenwärtigen Situation in Dänemark, Deutsch- land oder den Niederlanden angenommen, d.h. der Wohlstand steigt beträchtlich in vielen Regio- nen der EU.

Im „Sustainable“ Szenario sind anspruchsvolle An- nahmen über die Umsetzung ökologischer und so- zialer Ziele gemacht worden (wie z.B. flächende- ckende Einführung ökologischer Landwirtschaft, 10% der Flächen Europas als Naturschutzgebiet, ausgeglichene Import/Export Bilanz der außereu-

9 Long-Term Integration of Renewables Energy Sources into the European Energy System”, The LTI Research Team, Physica Verlag (1998); der Autor war Mitglied des LTI Research Teams

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tion plant, und endet bei Verbrauchern, die ihren Energieverbrauch dem Angebot an Energie anpas- sen. Die in den nächsten Jahren auf den Markt kommenden kleinen Brennstoffzellen, die aus der Verbrennung von Wasserstoff oder Biogas Wärme und Strom produzieren können, werden eine neue Form des „intelligenten“ Verbrauchers ermögli- chen. Der Verbraucher benötigt dann nur eine Gasversorgung (mehr oder weniger basierend auf solar erzeugtem Wasserstoff) und kann sich selbst mit Wärme und Strom versorgen. Er kann aber noch mehr: Dieses „persönliche Kraftwerk“ kann auch Strom ans Netz liefern, z.B. auf Anfrage einer Leitstelle, die eine Spitzenlast abfangen möchte oder im Rahmen eines Zusammenschlusses von mehreren „persönlichen Kraftwerken“, die dann ein virtuelles größeres Kraftwerk darstellen (diese virtuellen Kraftwerke sind in den hier beschriebe- nen Szenarien nicht benutzt worden).

„Vorausschauendes“ Management ermöglicht, dass Technologien, deren Energieproduktion wetter- und jahreszeitabhängig ist, und solche, deren Abbildung 2: Anteil der Energieträger an der Versorgung Energie zeitlich jederzeit verfügbar ist, zusammen 2050 in drei verschiedenen Szenarien. mit dem überregionalen Austausch eine stabile Die Wirkung der Anwendung der passive Solarar- Energieversorgung der Verbraucher garantieren. chitektur ist in diesen Szenarien nur durch Verrin- Dies ist erst heute - durch die Kommunikations- gerung der Energienachfrage im Gebäudebereich technologien, die dem Internet zugrunde liegen, dargestellt. Insgesamt ist durch Effizienz und und durch die modernen Computertechnologien - Energie sparen die Nachfrage zwischen 38 und möglich geworden. 62% gesenkt worden. Geothermie, importierter Die in den Szenarien betrachteten erneuerbaren Solarwasserstoff u.a. sind in den Szenarien Energiequellen sind Biomasse, Wasserenergie, So- „Sustainable“ und „Fair Market“ nicht mitbetrach- larthermie, Photovoltaik und Windenergie. Andere tet worden und im „Opti“-Szenario unter „other“ Quellen wie Geothermie, Wellen- und Gezeiten- 10 zusammengefaßt. energie wurden nicht einbezogen. Dies bedeutet Die unterschiedlichen Technologien zur Nutzung allerdings nicht, dass diese Technologien keine der erneuerbaren Energien und die Potentiale der Beachtung finden sollen; sie sollen vielmehr bei verschiedenen Regionen werden sich dabei mit ih- geeigneten lokalen Potentialen genutzt werden. ren unterschiedlichen Stärken und Schwächen ge- Des Weiteren wurden die heute durch verschiede- genseitig zu einer ganzjährig funktionierenden ne Studien dargestellten Effizienzgewinne in den Energieversorgung ergänzen. Insbesondere wer- verschiedenen Sektoren als Nachfragesenkung mit den die zeitlichen Schwankungen bei der Bereit- einberechnet. stellung von Energie, wie sie bei einem Teil der er- Folgende Technologien wurden ausschließlich zur neuerbaren Energietechnologien (wie z.B. Wind) Stromproduktion herangezogen: Windturbinen, so- auftreten, durch diesen Ansatz ausgeglichen. larthermische Kraftwerke, Photovoltaik, existie- Wenn z.B. in einer Region kein Wind weht, kommt rende Großwasserkraftwerke und zusätzlich Klein- der Strom zuerst aus anderen regionalen Quellen, wasserkraftwerke. z.B. den vor Ort installierten Biomasse- Kraftwerken oder der Photovoltaik. Reicht dies Wärme wird durch Solarkollektoren, feste und nicht, so liefern Anlagen aus anderen Regionen. flüssige Biobrennstoffe, Wasserstoff, Wärmepum- pen oder elektrischen Strom erzeugt und in Eine solche Energieversorgungsstruktur wird viel Warmwasserstanks gespeichert. Die Solararchitek- „intelligenter“ sein müssen als die heutige. Das tur wurde aus systematischen Gründen als “Effi- fängt bei der Regelung des Systems an, das mit- zienz”-Gewinn dargestellt. Umgebungswärme wird tels Wettervorhersagemodellen die Energieproduk- durch Wärmepumpen genutzt.

10 Long-Term Integration of Renewables Energy Sources into the European Energy System” The LTI Research Team, Physica Verlag (1998) und H.Lehmann et.al. 1999.

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hat. Dieses Defizit könnte durch die Versorgung mit fossilen Brennstoffen gedeckt werden und würde dem Ziel einer 80%igen CO2-Reduktion nicht entgegenstehen. Ein Simulationslauf offen- barte, dass nur zusätzliche 450 W/Kopf dieses Problem lösen würden, die in dem Szenarium auch mit nicht-fossilen Maßnahmen bereit gestellt wer- den können. Es könnten mehr Wasserstoff und mehr aus Biomasse gewonnene Brennstoffe pro- duziert oder die Wohnungen besser isoliert wer- den; es könnte aber auch die Kapazität der Photo- voltaik reduziert (es gibt im Sommer einen Über- schuss an Strom) und die frei werdenden Dachflä- chen für solarthermische Nutzung genutzt werden, welche dann aber auch mehr saisonale Wärme- speicherkapazitäten erfordern würde. Damit ist das erarbeitete Endszenario in der Lage, ganzjäh- rig Energie (Strom, Wärme und Brennstoffe) in ausreichender Menge bereit zu stellen. Fluktuatio- nen der Stromversorgung lassen sich durch eine entsprechende Führung der zuschaltbaren Kraft- werke (z.B. Brennstoffzellen) ausgleichen. Kürzlich durchgeführte Simulationen mit einer höheren Abbildung 3: Zeitliche Entwicklung des „Sustainable Szenario“ Quelle : "Long-Term Integration of Renewables Energy zeitlichen und räumlichen Auflösung zeigen, dass Sources into the European Energy System”, The LTI Research die Probleme der Fluktuationen viel geringer sind Team, Physica Verlag (1998). als erwartet und damit die Notwendigkeit der Kombinierte Strom- und Wärmeproduktion erfolgt Speicherung verringern. durch Kraftwärmekopplung und Brennstoffzellen. In den beiden anderen Szenarien ist es durch den Biomasse wird zu verschiedenen gasförmigen noch hohen Anteil an fossilen Brennstoffen oder Brennstoffen, wie Biogas oder Wasserstoff für re- importierter Solarenergie (z.B. als Wasserstoff versible Brennstoffzellen, verarbeitet. Außerdem oder Stromimporte) einfacher, eine ganzjährig wird Biomasse in Form von Flüssigbrennstoffen im stabile Energieversorgung darzustellen. Verkehrssektor genutzt. In einigen Fällen, wo Effi- zienzmaßnahmen und erneuerbare Energien die Sind die Einführungskurven für die Energietech- Energienachfrage noch nicht ausreichend abde- nologien realistisch? cken können, werden fossile Brennstoffe einge- Vergleicht man die errechneten Markteinführungs- setzt. Dies ist hauptsächlich im Verkehrssektor kurven für die erneuerbaren Energietechnologien und für einige übriggebliebene Backup-Systeme mit historischen Beispielen (z.B. Automobil, Luft- der Fall. Solare Kraftwerke werden für die Elektro- transport, Computer, insbesondere Windenergie lyse zur Produktion von Wasserstoff eingesetzt; nach 1995), so gibt es in der Geschichte der Tech- dieser wird entweder über Pipelines verteilt, direkt nologieentwicklungen Markteinführungen, die verbrannt oder in Brennstoffzellen zur Strompro- schneller sind. In den Szenarien werden durch- duktion genutzt. schnittliche Steigerungen der Installationen der An die entwickelten solaren Energieversorgungs- erneuerbaren Energien bis 2050 (Basis 1990) um strukturen und die Einführungsszenarien sind eini- jährlich 5,8% bis 7% angenommen. Dies bedeutet ge kritische Fragen zu stellen, dabei auch die Rolle aber nicht, dass die Markteinführung deshalb “von der Architektur, des Gebäudesektors zu untersu- selbst” kommt, sondern in einigen Fällen (insbe- chen. sondere Photovoltaik) sogar noch besonders star- ker Anstrengungen bedarf. Historisch zufällig, Funktioniert dieses System das ganze Jahr? trotzdem erwähnenswert ist, dass der im „Sustai- Die resultierenden Energiesysteme sind im Detail nable“ Szenario errechnete Wert für 2010 nicht abgebildet worden und mit realen Wetterdaten si- weit weg ist von dem im Weißbuch für erneuerba- muliert worden. Die Konsistenzüberprüfung durch re Energien für Europa formulierten Ziel. ein Simulationsmodell auf Stundenbasis zeigte, Bei den Effizienzsteigerungen im Industriesektor, dass das „Sustainable“-Szenario ein mögliches im Verkehrssektor und bei den Geräten der Haus- Problem bei der Bereitstellung von ausreichend halte wurde mit vorsichtigen Werten gerechnet. Niedertemperaturwärme für Heizzwecke im Winter

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Im „Sustainable“-Szenario mit den höchsten Effi- fern. Laut Einsetzungsbeschluss sollen dazu für zienzsteigerungen wurde als durchschnittliche den Zeitraum bis 2050 „robuste“, nachhaltig zu- Steigerung der Effizienz nur 1,6% pro Jahr ange- kunftsfähige Entwicklungspfade im Energiesektor nommen, dies ist nicht viel höher als die derzeiti- und politische Handlungsmöglichkeiten angesichts gen durchschnittlichen Effizienzsteigerungen. zunehmender Umwelt- und Entwicklungsprobleme unter den veränderten Rahmenbedingungen von Ist eine 100% Versorgung realisierbar ? Globalisierung und Liberalisierung aufgezeigt wer- Der fehlende Anteil an einer vollen solaren Versor- den. Der Endbericht ist im August 2002 veröffent- gung im „Sustainable“ Szenario wird im Wesentli- licht worden. chen durch den Verkehr verursacht. Da wir bei der Insgesamt wurden vierzehn Szenarien und Varian- Formulierung der Szenarien nur auf Technologien ten für Deutschland gerechnet – alle unter der zurück gegriffen haben, die schon auf dem Markt Maßgabe der ambitionierten Klimaschutzziele, die sind, konnten einige für eine solare Energieversor- von einer Reduktion des Treibhausgasausstoßes gung wichtige Technologien wie z.B. Brennstoffzel- um 80% bis 2050 ausgehen. Drei Hauptszenarien len (mobil und dezentral) nicht in dem Szenario stehen repräsentativ für die grundsätzlichen Ent- mit berücksichtigt werden. Mit diesen Techno- wicklungslinien einer zukünftigen Energieversor- logien und den oben ausgeführten zusätzlichen Po- gung: tentialen ist eine volle solare Versorgung Europas möglich, auch wenn die Ziele im Gebäudebestand Im Szenario „Umwandlungseffizienz“ (UWE) wird nicht vollständig erreicht werden. eine Strategie der forcierten Steigerung der Effi- zienz in der Energieumwandlung und -anwendung Im „Fair Market“ Szenario braucht nur der noch gewählt. Die Nutzung der Kernenergie wird nicht verbliebene Anteil an fossilen Energieträgern durch fortgesetzt. Um fossile Energieträger (vor allem importierte Solarenergie ersetzt zu werden. Im Kohle) trotz der ambitionierten Klimaschutzziele „Opti“-Szenario ist eine solare Vollversorgung er- weiter nutzen zu können, wird die Abtrennung und reicht worden. Endlagerung von Kohlendioxid zugelassen. Betrachtet man den Gebäudesektor, so ändert sich dieses optimistische Bild etwas. Um die klimapoli- tischen Ziele einzuhalten, mussten in diesem Sek- tor technologisch realisierbare aber dennoch star- ke Steigerungen in der Effizienz und der Nutzung solarer Gewinne angenommen werden. Diese müs- sen auch im Baubestand umgesetzt werden. Hier müßte die Sanierungsrate europaweit verdoppelt werden, um die in dem „Sustainable“ Szenario dargestellte Entwicklung auch abbilden zu können. Im „Sustainable“ Szenario wird ein durchschnittli- cher Energieverbrauch von 30 KWh für Heizung Abbildung 4: Absoluter Endenergieverbrauch in Deutschland und/oder Kühlung pro Quadratmeter und Jahr (die in den Szenarien im Jahr 2050 in PJ. passiven Gewinne sind hier bereits eingerechnet) im Jahr 2050 angenommen11. Der Einsatz dezen- Im Szenario „REG/REN-Offensive“ (RRO) wird bis traler Wärme/Stromproduktion mit kleinen Brenn- 2030 aus der Kernkraft vollständig und bis 2050 stoffzellen könnte dieses Problem entscheidend lö- aus der Nutzung der fossilen Energieträger soweit sen. In den anderen Szenarien ist dieses Problem ausgestiegen, dass die Klimaschutzziele erreicht nicht so stark. werden können. Zur Kompensation werden Ener- gieeffizienz und erneuerbare Energiequellen mas- Enquete Kommission „Nachhaltige Energiever- siv forciert. Der Anteil der erneuerbaren Energie- 12 sorgung“ quellen soll nach den Vorgaben im Jahr 2050 min- Der Deutsche Bundestag hat im Februar 2000 die destens 50% des Primärenergieverbrauchs betra- Enquete-Kommission „Nachhaltige Energieversor- gen. Zusätzlich zu diesem Szenario wurde eine Va- gung unter den Bedingungen der Globalisierung riante Solare Vollversorgung modelliert, in der die und der Liberalisierung“ eingesetzt. Der Kommis- Energieversorgung 2050 vollständig durch regene- sion wurde der Auftrag erteilt, dem Bundestag für rative Energieträger gewährleistet wird. die energiepolitischen Entscheidungen der Zukunft Eine dritte Variante unter dem Eindruck des 11. eine wissenschaftlich fundierte Grundlage zu lie- Septembers betrachtet, inwieweit ein sehr kurz- fristiger Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie 11zum Vergleich Energieverbrauch 1990 in der BRD pro Jahr für Heizung 150 KWh/m2 möglich ist. 12 der Autor war Mitglied der Bundestag Enquete Kommission.

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· Erdgas nimmt in einigen Szenarien eine wich- tige Brückenfunktion beim endgültigen Über- gang zu CO2-freien Energieträgern ein,

· eine solare Vollversorgung ist möglich,

· die REG/REN-Offensive in ihrer Hauptform ist ein Entwicklungspfad, der auch für Zeiträume jenseits der hier betrachteten Horizonte weite- re Entfaltungsmöglichkeiten zulässt.

Auch unter den genannten Einschränkungen, so- wohl bezüglich der Unsicherheit der Aussagen über Technologien und Kosten sowie der gewählten, re- Abbildung 5: Nettostrombereitstellung im Jahr 2050 lativ konservativen Rahmenannahmen kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass eine Reduktion Im Szenario „Fossil-nuklearer Energiemix“ (FNE) der Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 % wird die Nutzung der Kernenergie fortgesetzt und (gegenüber dem Niveau von 1990) aus heutiger ein Ausbau ermöglicht. Der Ausbau der erneuerba- Sicht technisch und wirtschaftlich realisierbar ist. ren Energien sowie die Energieeffizienz werden in- Sämtliche untersuchten Technologiepfade in den sofern nicht forciert. Die Abtrennung und Endlage- Zielszenarien erlauben eine Erreichung der ehrgei- rung von Kohlendioxid wird ebenfalls zugelassen. zigen Treibhausgas-Reduktionsziele, die in Im Referenzszenario und den anderen Szenarien Deutschland bereits heute in ersten Schritten in noch enthaltene Restriktionen, z.B. im Verkehrs- Angriff genommen werden. Der Entwicklungspfad und Gebäudebereich, werden zudem aufgehoben. in ein regeneratives und effizienteres Energiesys- Um die Unsicherheiten, die aufgrund von Annah- tem ist eine realistische Zukunftsoption und keine men über die Entwicklung zukünftiger Kosten Sackgasse: auch eine weitgehende bzw. vollstän- schon beim Modellinput bestehen, abschätzen zu dige Versorgung Deutschlands aus erneuerbaren können, wurde zu jedem Szenario und auch zum Energiequellen ist aus heutiger Sicht in einem Referenzszenario eine Variante gerechnet, der ein hocheffizienten Energiesystem möglich. von der Minderheit der Kommission entworfener Nur wenn die in den Modellen angenommenen Datensatz zugrunde gelegt wurde. Damit konnte Entwicklungen der Technologien - und dies gilt für die Sensitivität der Modelle auf die Kostenvorga- alle drei Pfade - auch durch entsprechende Rah- ben getestet werden. menbedingungen und Energiepolitiken forciert werden, werden die Ergebnisse der Szenarien rea- lisierbar. Dabei unterscheiden sich die Szenarien in ihrer Abhängigkeit von Technologien. Die Reali- sierbarkeit der Szenarien Umwandlungseffizienz (UWE) und fossil-nuklearer Energiemix (FNE) ist jeweils maßgeblich von einer Schlüsseltechnologie abhängig (CO2–Abtrennung und Speicherung bzw. Kernkraft), das Szenario REG/REN-Offensive (RRO) baut dagegen auf einer relativ großen Viel- falt von für die Emissionsminderung relevanten Technologien auf. Sollten sich die Erwartungen z.B. an die Photovoltaik nicht erfüllen, so ließe sich Abbildung 6:Zusammensetzung des Kraftwerksparks im Jahr dies durch eine andere erneuerbare Technologie 2050 abdecken. Dieser Aspekt kann sich gleichzeitig als Analysiert man die Ausbaupfade, so lässt sich zu- ein wichtiger Beitrag zur Versorgungssicherheit sammenfassen: erweisen.

· auf die Kernkraft kann verzichtet werden, Es lassen sich jenseits aller Unsicherheit und poli- tischer Maßnahmen drei robuste Trends ausma- · eine maßgebliche Rolle für Stein- und Braun- chen, die allen Szenarien gemeinsam sind: rege- kohle kann nachhaltig nur dann aufrechterhal- nerative Energien, rationelle Energieverwendung ten werden, wenn die Abtrennung von CO2 und ein neuer Sekundärenergieträger werden in und dessen dauerhafte Speicherung technisch Zukunft eine wichtige Rolle spielen. und kostengünstig gelöst wird,

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Energieeffizienz

Alle Szenarien beinhalten über den Trend hinaus- gehende Effizienzsteigerungen. Wichtige Einspar- potenziale liegen im Gebäudebereich, sowohl in den Privathaushalten als auch in Gewerbe, Handel und Dienstleistungen. Die Energieeinsparungen bei den Neubauten und dem Gebäudebestand sind insbesondere wegen der Langlebigkeit der Gebäu- Abbildung 7: Anteil der Erneuerbaren Energiequellen am Ge- de und der langen Zeiträume zwischen den Sanie- samtprimärenergieverbrauch; Anmerkung des Autors: Beim Szenario „solare Vollversorgung“ zeigt die Analyse der rungsmaßnahmen ab sofort möglichst kontinuier- verbleibenden Anteile, dass diese auch mit erneuerbaren Res- lich – im Zuge ohnehin erfolgender Sanierungen - sourcen abdeckbar sind. 13 zu realisieren. Die Sanierungsziele sind heute technisch und in den meisten Fällen auch einzel- Der Mix der verschiedenen erneuerbaren Energien wirtschaftlich bei entsprechend günstigen Rah- in den Szenarien resultiert in den Simulationen menbedingungen machbar. In den Szenarien wer- bzw. Optimierungen aus Kostengesichtspunkten den als Ziel im Jahr 2050 energetische Sanie- oder wurde exogen auf Grund von Expertenschät- rungsraten von 1,3 % bis zu 2,5 % angenommen. zungen vorgegeben. Nach Ansicht der Kommission Diese liegen erheblich über der heutigen energeti- wird insbesondere eine Energiewirtschaft, die vor- schen Sanierungsrate von 0,5 % pro Jahr. nehmlich auf erneuerbare Energieträger aufbaut, den Mix auch daran orientieren müssen, dass eine Erneuerbare Energien durchgängig sichere Versorgung mit Energie- Alle Szenarien, auch das Szenario (fossile) Um- dienstleistungen gewährleistet ist. wandlungseffizienz, beinhalten in weit höherem Sekundärenergieträger Umfang als das Referenzszenario den Einsatz re- generativer Energieträger. Dies ergibt sich zwar In allen Szenarien wird bis spätestens 2050 Was- auch durch Berücksichtigung der politischen For- serstoff als neuer Sekundärenergieträger einge- derung der Europäischen Union, die für Deutsch- führt. Die notwendige Einführung eines Sekundär- land bis 2010 mit 12,5 % der Stromerzeugung energieträgers, der keine Treibhausgasemissionen durch erneuerbare Energien spezifiziert wurde. Es verursacht, hier Wasserstoff, oder einer anderen, zeigt sich jedoch auch im „fossil-nuklearen“ Sze- heute noch nicht etablierten (Speicher-) Technolo- nario, dass ein weiterer Ausbau aller regenerativen gie, zeigt auch auf, dass erhebliche Anstrengungen Energien zur Erreichung der Klimaschutzziele un- notwendig sind, um ein nachhaltiges Energiesys- abdingbar ist. Die FNE-Szenarien zeigen anderer- tem im allgemeinen und die Klimaschutzziele im seits, dass die erneuerbaren Technologien, wenn besonderen zu erreichen. Wenn Wasserstoff zu- sie durch risikobehafteten Atomstrom bei ihrer künftig die Funktion eines Speichers übernehmen Markteinführung behindert werden, nicht die not- soll, der im Wesentlichen ohne zusätzliche Treib- wendige Entwicklungszeit für ausreichende Kos- hausgasemissionen den Umbau zu einer klima- tensenkungen bekommen und daher ihren Markt- freundlichen Energiewirtschaft ermöglicht, sind da- anteil nicht ausweiten können. Die Kommission ist für frühzeitig politische Weichenstellungen not- daher der Auffassung, dass in allen denkbaren wendig. Sinnvoll erscheint im ersten Schritt eine Entwicklungspfaden eine langfristige, angemesse- Erweiterung der Erdgas-Infrastruktur auch für ne Fortsetzung von Markteinführungsmaßnahmen Erdgas-Fahrzeuge als Übergangstechnologie mit (wie z.B. EEG und Marktanreizprogramm, Länder- der Option eines stetig wachsenden Wasserstoff- förderprogramme, Programme der Energiewirt- anteils im Erdgasnetz, bis dann (wegen techni- schaft) aus Klimaschutz- und Innovationsgründen scher Eigenschaften) später eine Umrüstung der gerechtfertigt ist. Infrastruktur notwendig und möglich wird.

13 Primäre Energie ist der Betrag an Energie, der in das Versorgungssystem eingespeist werden muss, um die Endenergie zu produzieren und wird mittels statistischen Verfahren, die den Wirkungsgrad beinhalten, berech- net. Der Endenergiebedarf ist die Menge Energie, die am Verbrauchsort benötigt wird z.B. Produktionsstätten, Haushalte, etc. Die Brutto-Energieproduktion des Versorgungssystems ist die gesamte Menge der durch die verschiedenen Technologien produzierten Energie.

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zu behindern, so wird es noch leichter, den ge- wünschten Klimaschutzeffekt zu erreichen.

„Energy Rich Japan“14

Das Ziel der Studie ist es nachzuweisen, dass eine Region wie Japan in der Lage ist, den kompletten Energieeigenbedarf mit erneuerbaren Energien zu decken. Japan ist ein stark industrialisiertes Land mit einer Bevölkerung von 127 Millionen, die in ei- nem kleinen Inselstaat lebt und trotzdem 1999 die weltweit zweit stärkste Wirtschaft aufweist mit ei- ner Industriebasis, die als eine der energieeffizien- Abbildung 8: Reg/Ren Offensive (RRO-WI) Szenario der En- testen überhaupt gilt. quete Kommission des Deutschen Bundestages „Nachhaltige Energieversorgung“. Japan sah sich gezwungen, ziemlich effizient im Umgang mit Energie zu werden, da sehr wenig lo- kale Vorräte an sogenannten herkömmlichen Energiequellen zur Verfügung stehen. Diese indus- trielle Großmacht deckt das Gros ihres Energiebe- darfs aus dem Import von nuklearen und fossilen Brennstoffen aufgestockt mit einer kleinen Menge an lokaler Öl- und Gasproduktion sowie einem An- teil an geothermischer und Wasserkraft. Der kom- plette primäre Energiebedarf Japans im Jahre 1999 betrug etwas mehr als 22,950 Petajoules. Davon wurden 18,500 Petajoules (80%) als nukle- are und fossile Brennstoffe importiert. Abbildung 9: Reg/Ren Offensive (RRO-IER) Szenario der En- quete Kommission des Deutschen Bundestages „Nachhaltige Mittels Basisdaten aus dem Jahr 1999 zeigt der Energieversorgung“. „Energy Rich Japan“ Bericht, wie eine Kombination der besten heute verfügbaren energieeffizienten Technologien und eine massive Investition in er- neuerbare Energien dazu beitragen könnte, Japans Energiebedarf letztendlich zu 100% aus erneuer- baren Quellen zu decken - inklusive Treibstoffe für den Transport. Japan kann auf teure und umwelt- schädliche importierte fossile und nukleare Brenn- stoffe verzichten. Statt „Energiesicherheit“ in sei- nem extrem teuren und verschmutzenden Atom- programm zu suchen, könnte Japan zum Beispiel die eigene erneuerbare Energieindustrie ausbauen. Abbildung 10: Reg/Ren Offensive 100% (RRO-IER-V2) Sze- Als energiehungriges und angeblich ressourcenar- nario der Enquete Kommission des Deutschen Bundestages mes Land könnte Japan diese Umstellung zu sau- „Nachhaltige Energieversorgung“ - Solare Vollversorgung. Anmerkung des Autors: Beim Szenario „solare Vollversor- berer, erneuerbarer Energie bewältigen, ohne Ein- gung“ zeigt die Analyse der verbleibenden Anteile, dass diese schränkungen im Lebensstandard oder in der in- auch mit erneuerbaren Ressourcen abdeckbar sind. dustriellen Kapazität zu erleiden.

Die Kommission kommt in ihrer Mehrheit zusam- Die Studie nimmt Japans derzeitigen Energie- menfassend zu der Überzeugung, dass nur ein am verbrauch, basierend auf 1999 Niveau, und zeigt, Szenario „REG/REN-Offensive“ orientierter Ent- dass der Energiebedarf um 50% reduziert werden wicklungspfad als nachhaltig bezeichnet werden kann mittels energieeffizienter Technologien, die kann. Eine Hauptaufgabe von zukünftiger Energie- heute bereits weltweit verfügbar sind. Fast 40% politik wird es sein, die heutige Energiewirtschaft des heutigen Energiebedarfs im Industriesektor, und neue Akteure in diesem Transformationspro- über 50% im Haushalts- und GHD-Sektor und et- zess zu begleiten und zu fördern. Integriert man in wa 70% im Transportsektor könnten eingespart diese REG/REN-Offensive auch noch Aspekte der werden. Steigerung der Umwandlungseffizienz ohne dabei den Ausbau der erneuerbaren Energietechnologien

14 Lehmann, H. et al. (2003) „Energy Rich Japan - A Vision for the Future“. http://www.energyrichjapan.info.

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Darüber hinaus wird nachgewiesen, wie erneuer- wicklung anzugeben, um die Möglichkeit einer so- bare Energien verwendet werden können, um die- laren Energieversorgung Japans nachzuweisen. sen gesenkten Bedarf das ganze Jahr über zu de- Das hier beschriebene System bietet die Rahmen- cken und die Notwendigkeit von Energieimporten bedingungen für die Diskussion zur Umstrukturie- zu reduzieren und letztendlich zu beseitigen. rung der japanischen Energiewirtschaft. Eine Um- Sechs mögliche Szenarien, wie dieses Ziel erreicht strukturierung hin zu erneuerbaren Energien muss werden kann, sind in der Studie beschrieben, wo- nicht auf die in diesem Bericht beschriebenen bei jedes Szenario Japan mit 100% erneuerbaren Ideen beschränkt sein. Andere Systeme, andere Energien versorgen kann. Angefangen mit einem Kombinationen von Energietechnologien, die Japan Basis Szenario, dass über 50% des gesamten mit erneuerbarer Energie versorgen können, sind Energiebedarfs aus einheimischen erneuerbaren ebenfalls möglich. Energiequellen deckt, bieten die folgenden Szena- rien Variationen oder Erweiterungen zu Szenario Alle hier beschriebenen Szenarien können, sowohl Eins, wo nach und nach die Notwendigkeit von von einem technischen Standpunkt als auch von Energieimporten reduziert wird. Einbezogen wer- den vorhandenen Ressourcen wie Wind, solarer den verschiedene Bevölkerungsvorhersagen und Einstrahlung und geothermischer Kapazität aus, in zu erwartende Verbesserungen in erneuerbarer Japan realisiert werden. Die entscheidenden Fak- Energieproduktion, was dazu führt, dass die Sze- toren werden öffentliche Akzeptanz, die Prioritäten narien Fünf und Sechs komplett auf Energieimpor- der Energiepolitik in Bezug auf Versorgungssicher- te verzichten. heit und internationale Verpflichtungen und die zukünftige Entwicklung der erneuerbaren Energie- technologien sein.

Abbildung 12: Die Abbildung zeigt die Dynamik der Energie- Abbildung 11: Links: Energienachfrage 1999 und das Energy Rich Japan High Efficiency Demand Szenario. Rechts: sechs produktion für 2 Wochen des Jahres. Das Versorgungssystem Versorgungsszenarien mit verschiedenen Importanteilen (Im- produziert immer genug Elektrizität um den Bedarf zu de- portierte Brennstoffe). Szenarien 2,4 und 6 gehen von einer cken. Wenn niedrige Produktion der Windenergie und der Fo- Bevölkerungsabnahme in Japan aus. tovoltaic zusammen fallen, werden Pumpspeicher entleert, Da Versorgungssicherheit im Elektrizitätssektor am um Versorgung zu gewährleisten (siehe Tage 14, 18, 19 und 271). wichtigsten ist, wo Versorgung und Nachfrage sich jederzeit decken müssen, wurde eine Simulation Schlussworte des japanischen elektrischen Energiesystems und Es wurde gezeigt, dass das europäische Energie- Teil des Heizungssystems mit dem Computerpro- system und Deutschland innerhalb der nächsten gramm SimREN programmiert. Mit über 250 Wet- 60 Jahre verändert werden können, hin zu einem terdatensätzen konnte Japan mit einer Auflösung nachhaltigen Einsatz von Energie. Des Weiteren von fünfzehn Minuten gerechnet werden. Diese wurde detailliert die Struktur und Dynamik einer Simulation wurde auch verwandt, um die Kraft- solaren Vollversorgung Japans aufgezeigt. Ener- werkszusammensetzung zu optimieren. gieeffizienzmaßnahmen und umfangreiche Nut- Diese Studie versucht explizit nicht zwei Kernfra- zung erneuerbarer Energien können die Atom- gen zu beantworten: Wie schnell kann ein solches energienutzung beenden und den Einsatz fossiler System implementiert werden und wieviel wird Brennstoffe zur gleichen Zeit dramatisch reduzie- dieses System kosten? Es ist nicht notwendig, die ren und später beenden. Mittel- und langfristig Kosten und das Zeitfenster für eine solche Ent- wird das umstrukturierte Energiesystem nicht teu- rer als das gegenwärtige sein und wird mehr Ar-

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beitsplätze schaffen als ein konventionelles Sys- Die heute anvisierten Ziele (z.B. Verdopplung der tem. In der Anfangszeit werden zusätzliche Inves- Nutzung der erneuerbaren Energien bis 2010 - titionen nötig, um diese Entwicklung anzustoßen. Weißbuch der EU) sind der richtige erste Schritt in Einer vollen solaren/erneuerbaren Energieversor- Richtung einer vollen solaren Versorgung. Es darf gung stehen keine prinzipiellen technischen oder aber nicht dabei bleiben. Von 2010 bis 2020 muß finanziellen Hindernisse entgegen. mindestens noch mal verdoppelt werden.

Ökonomische, rechtliche und institutionelle Rah- Forschung und Entwicklung haben erneuerbare menbedingungen des Energiesystems müssen je- und effiziente Energietechnologien für eine dauer- doch grundlegend und bald verändert werden. In hafte Energieversorgung geschaffen. Politik und der Praxis wird man sich auf eine Mischung von Wirtschaft müssen nun die Maßnahmen ergreifen, Instrumentarien stützen müssen. um eine ”Sonnenstrategie” zu realisieren. Wich- tigste Maßnahme ist, sofort anzufangen, denn je- Der Gebäudebereich ist ein Schlüsselbereich, der der Tag, der vergeht, ohne dass eine ”Sonnenstra- bald angegangen werden muß. Jedes heute neu zu tegie” verwirklicht wird, macht das Problem nur bauende oder zu renovierende Haus ohne ausrei- größer und schwieriger – weil der Energie- chende Verbesserung seiner Energieeffizienz und verbrauch weiter gestiegen ist, weil Gelder weiter der Nutzung solarer Gewinne wird für die nächsten in ein “fossiles” System investiert wurden und weil Jahrzehnte zu einem zusätzlichen Hemmnis bei- später damit begonnen wird, das Klimaproblem zu tragen. lösen.

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Doppelter Kraftakt: Die Energiewende in der EU Stefan Schurig, Leiter der Klima- und Energieabteilung, Greenpeace Deutschland

giekommissars als Richtschnur aller energiepoliti- schen Entscheidungen dienen. In einem Deutsch- Flutlichtbeleuchtung auf dem Wenzelsplatz in Prag, landfunk-Interview Ende letzten Jahres sagte er, auf dem Pilsudski-Platz in Warschau und dem Rat- dass es in Wirklichkeit zwei oder drei wichtige Auf- hausplatz in der litauischen Hauptstadt Vilnius. In gaben gebe, die zusammen wirken. Die erste sei vielen europäischen Ländern wurden in der Nacht die Versorgung mit Energieressourcen in einer auf den 1. Mai des vergangenen Jahres die blauen Weise, die der Umwelt nicht schade und künftige Fahnen mit dem goldenen Sternenkreis ge- Generationen berücksichtige. Das bedeute, Ener- schwenkt. Über Nacht wächst die Europäische Uni- gieeffizienz, erneuerbare Energien und natürlich on auf einen Schlag von 15 auf 25 Staaten. Die auch Wissenschaft seine besser zu nutzen, um größte Erweiterung in der Geschichte der EU. Sie eine Lösung für konventionelle Energie zu finden. geht vor allem in Richtung Osten. Polen, Tsche- Das sei eine Hauptaufgabe: eine gute Versorgung, chien, Slowakei, Ungarn, Slowenien. Doch bis die die nicht schädlich für die Umwelt ist. neue Europäische Union wirklich zu den “ of Europe” zusammen gewachsen ist, wird So die Position des neuen Energiekommissar es einige Zeit dauern. Die Zukunft der Energiever- Andris Piebalgs. In den Grundzügen hat der Lette sorgung innerhalb der neuen Europäischen Union das Prinzip einer nachhaltigen Energiewirtschaft ist dabei von zentraler Bedeutung. richtig dargestellt. Inwieweit der neue Kommissar aber tatsächlich die notwendigen Weichen stellen Die Europäische Union ist der größte Energiejunkie wird, wird er erst noch beweisen müssen. der Welt. Über die Hälfte der benötigten Energie in der EU muss importiert werden. Die EU- Ein konkreter Gradmesser für die falsche oder die Kommission geht davon aus, dass sich dieser richtige Richtung der Energiepolitik wird zum Bei- alarmierende Zustand sogar noch zuspitzen wird. spiel der Ausbau der europäischen Netz- Für 2030 wird eine Abhängigkeit von bis zu 70 Infrastruktur sein. Steigt der Energieverbrauch, Prozent prognostiziert. Der Auto- und LKW- steigen auch die Importe und damit die Notwen- Verkehr wird sich, gemessen am Jahr 1990, laut digkeit für neue Versorgungswege wie Straßen, Prognose der EU-Kommission bis 2030 Stromnetze und Pipelines. Wenn also die Politik verdoppeln. schwerpunktmäßig den Ausbau vorantreibt, ist dies ein Indikator für die falsche Richtung. Die Erweiterung der Union um zehn Staaten ist ei- ne der Ursachen für diesen Trend, auch wenn eini- Setzt die Politik aber vor allem auf die Nutzung der ge der Länder, wie zum Beispiel Polen, Primär- Schienenwege, den Ausbau der Erneuerbaren energie-Produzenten sind. Gleichzeitig hat sich Energien und allem voran auf Energieeinsparung aber die EU vorgenommen, bis zum Jahr 2020 bis und effiziente Techniken, werden sich die Investi- zu 30 Prozent der klimaschädlichen Treibhausgas- tionen in eine Energieinfrastruktur auf die emissionen zu reduzieren, verglichen mit 1990. Instandhaltung konzentrieren können. Und damit hätten wir bereits die beiden wichtigs- Die Verpflichtung der EU zum Schutz des Klimas ten Leitplanken einer europäischen Energiepolitik und die massive Rohstoff-Abhängigkeit von ande- beschrieben: Die Abhängigkeit von Rohstoffen ren Ländern erfordern in den kommenden Jahren senken und gleichzeitig entschlossen gegen die Weichenstellungen in Richtung einer dezentralen, weitere Erwärmung des Planeten vorgehen und die effizienten und umweltfreundlichen Energiewirt- damit verbundene großflächige Zerstörung von schaft. Zugleich wollen EDF, EON und RWE aber Lebensgrundlagen verhindern. Beides könnte man weiterhin an Kohle- und Atomenergie festhalten auch zusammenfassen und sagen: Es geht darum, und ihre uneffiziente und zentrale Kraftwerks- endlich Verantwortung für nachkommende Gene- struktur sogar noch ausbauen. rationen zu übernehmen und nicht nur nach dem Hier und Jetzt zu wirtschaften! Als Politiker die Verantwortung für nachkommende Generationen anzunehmen und gleichzeitig die In der Theorie sind sich meistens alle einig. Die großen Energie-Unternehmen für die Energiewen- Frage der Importabhängigkeit und des Klimaschut- de zu gewinnen, denn gegen sie geht es nicht, zes sollte folglich auch aus Sicht des neuen Ener-

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erfordert gleich einen doppelten Kraftakt. der Vorstandschef der RWE-Vertriebstochter RWE Und mutige Entscheidungen! Plus AG, Heinz-Werner Ufer: "Es ist zutreffend, dass wir an der Slowakei und Rumänien, aber Eile ist geboten. Denn in den neu hinzugekomme- auch an Polen interessiert sind". Inzwischen lässt nen baltischen Staaten droht unterdessen das RWE immer mal wieder wissen, dass sie auch über Gleiche zu passieren, wie zum Beispiel in Deutsch- den Bau eines Atomkraftwerkes in dem bevölke- land, Frankreich und England. Die zum Teil ehe- rungsreichsten Land der Beitrittsstaaten nachden- mals staatlichen Energieriesen sichern sich durch ken. massive politische Einflussnahme ihre Monopol- stellung. Es geht immerhin um knapp ein Viertel Hinzu kommt, dass in den Beitrittsländern die neuer privater Stromkunden. Wie in Deutschland Schwelle für den Markteintritt der erneuerbaren geschehen, droht die gleiche Situation in den neu- Energien immer noch sehr hoch ist. So gibt es in en EU-Staaten indem die Energiekonzerne durch Polen noch nicht einmal mehr ein Einspeisegesetz ihr Monopol jahrelang kleineren Stromanbietern für erneuerbare Energien. Es fehlt an Planungssi- den Zugang zu ihren Stromnetzen erschweren und cherheit für Investoren. eine unabhängige Regulierung verhindern. Fazit: Wir brauchen in allen europäischen Ländern Der Feldzug der Großen ist in vollem Gange vergleichbare und faire Spielregeln für den Strommarkt. Der Zunahme des Straßenverkehrs So hält der französische Konzern Electricité de muss durch die bessere Auslastung des guten France (EDF) selbst oder über seine Beteiligung an Schienennetzes entgegen gewirkt werden. Auch der deutschen EnBW mittlerweile Anteile an hier muss politisch gesteuert werden. Eine effi- Stromunternehmen in Polen, Ungarn, der Slowakei ziente Energiegewinnung muss als die wichtigste und Tschechien. “Energiequelle” genutzt werden und die großen Auch EON drängt schon seit Beginn der Transfor- Energiekonzerne müssen ihre Verantwortung für mationen Anfang der 1990er Jahre auf den nun die Energiewende endlich annehmen. Zugleich gemeinsamen Markt. Beteiligungen und Kooperati- müssen wir uns hüten vor Trojanischen Pferden onen bestehen in den baltischen Staaten, Polen, wie nuklear erzeugtem Wasserstoff. Dazu braucht Tschechien und Ungarn. In Tschechien ist der Kon- es einen zügigen Ausbau von politischen Netzwer- zern für 25% der Stromverteilung verantwortlich, ken sowohl auf politischer Ebene als auch auf der in Ungarn sogar für 45%. Bedeutende Anteile die- Ebene von Nicht-Regierungs-Organisationen. Die ses Stroms stammen dabei aus schrottreifen Zukunft der Energieversorgung ist die Zukunft für Atomkraftwerken. Bereits Anfang 2002 erklärte unsere Kinder. So banal es klingt, so wahr ist es.

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Energiepolitik als Standortfaktor Werner Marnette, Vorstandsvorsitzender der Norddeutschen Affinerie AG und Vizepräses der Handelskammer Hamburg

Deutschland ist Vorreiter im Klimaschutz. Bei der liberalisierung im Jahr 1999 ist der Strompreis für Stromerzeugung steigt der Anteil der erneuerba- industrielle Verbraucher um 26 % gestiegen. Dar- ren Energien, die Ökosteuer verteuert den an haben staatliche Belastungen wie Stromsteuer, Verbrauch von Brennstoffen und der Ausstieg aus EEG- und KWK-Umlage maßgeblichen Anteil. der Kernenergie ist beschlossene Sache. Aus Sicht Nachdenklich stimmt, dass die Klimaschutzinstru- der Industrie hat in Deutschland bereits die Ener- mente Stromsteuer, EEG und KWK im Wesentli- giewende begonnen – mit fatalen Folgen für die chen einen preistreibenden Effekt haben, wohin- Wirtschaft und die Arbeitsplätze. gegen ihr Beitrag zum Klimaschutz gering ausfällt. Energie ist Rohstoff für die Industrie. Die energie- Die Dauersubventionen für erneuerbaren Energien intensiven Industriezweige beschäftigen in über den Strompreis gehen zu Lasten der Kauf- Deutschland mehr als 600.000 Menschen. Über kraft der privaten Haushalte und energieintensiver 1,5 Mio. Arbeitsplätze hängen direkt und indirekt Industrieunternehmen. Diese werden, auch unter von der energieintensiven Produktion ab. Die Ausnutzung der Härtefallregelung, von den Kos- Grundstoffindustrie hat von allen Industriebran- tenbelastungen durch die Förderung der erneuer- chen den höchsten Energieverbrauch. Als erstes baren Energien in ihrer internationalen Wettbe- Glied in der industriellen Wertschöpfungskette si- werbsfähigkeit schmerzhaft getroffen. Durch die chern Metallerzeugung und chemische Industrie Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, ins- Arbeitsplätze in den weiterverarbeitenden Bran- besondere aus Windkraft, werden die Emissionen chen. Doch die Entwicklung der Strompreise seit von Treibhausgasen kaum gesenkt. Zudem ist das der Energiemarktliberalisierung im Jahr 1998 ge- Kosten-Nutzen-Verhältnis im Vergleich zur kon- fährdet die industrielle Basis in Deutschland. ventionellen Energieerzeugung sehr ungünstig.

Energie muss langfristig gesichert und umweltver- Die Vermeidung von CO2-Emissionen durch den träglich sein sowie zu international wettbewerbs- Ausbau von Windkraft und Solarenergie ist volks- fähigen Preisen zur Verfügung stehen. Nur unter wirtschaftlich äußerst ineffizient. Selbst vorsichtige diesen Bedingungen kann die Wirtschaft voraus- Schätzungen, die nur die Einspeisevergütung be- schauend planen, investieren und Arbeitsplätze rücksichtigen und somit die erhöhten Netzkosten schaffen. Dass Deutschland heute eines der und die Kosten für die Nutzung von Back-up- Schlusslichter in der wirtschaftlichen Entwicklung Kapazitäten außer Acht lassen, veranschlagen den

ist, hat auch mit der Energiepolitik der Bundesre- Preis jeder vermiedenen Tonne CO2 auf mindes- gierung und dem mangelnden Wettbewerb auf den tens 195 €. Dagegen dürften Maßnahmen bei Koh- Energiemärkten zu tun. Die deutsche Energieland- le- und Gaskraftwerken deutlich unter 30 € je schaft ist gekennzeichnet durch die Verbindung ei- Tonne kosten. ner ideologisch orientierten Politik mit der Ausnut- Deutschland ist Vorreiter im Umwelt- und Klima- zung von Marktmacht durch vier große Stromver- schutz. Doch übertriebene Umweltschutzziele und sorgungsunternehmen. Staatliche Eingriffe und die nationale Alleingänge gefährden die industrielle einseitigen Interessen der Energiewirtschaft ge- Produktion. Die Bundesrepublik übernimmt freiwil- fährden durch eine Preisspirale die Wettbewerbfä- lig 75 % der europäischen Minderungsverpflich- higkeit des Industriestandorts Deutschland. tung des Kyoto-Protokolls. Auch angesichts der Energiepolitik als Standortfaktor begreifen Schwäche von Industrie und Energiewirtschaft in Die aktuelle Energiepolitik verstößt gegen die den neuen Bundesländern, die großteils zur Re-

gleichrangigen Grundprinzipien von Versorgungssi- duktion der CO2-Emissionen seit 1991 beigetragen cherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Umweltver- hat, ist dies ein ehrgeiziges Ziel. Bis zum Jahr

träglichkeit. Sie setzt den Schwerpunkt auf die 2012 soll der deutsche CO2-Ausstoß um 21 % sin-

Ökologie. Durch die Eingriffe des Staates sind die ken. Im Jahr 2002 konnten die CO2-Emissionen im Energiepreise dramatisch gestiegen – mit erhebli- Vergleich zu 1991 bereits um 18 % verringert chen Kostennachteilen für die industrielle Produk- werden. Dennoch bemühte sich die Bundesregie- tion. Im internationalen Vergleich zahlen deutsche rung, schon in der Einführungsphase des Emissi-

Industrieunternehmen nach Italien die höchsten onshandels die CO2-Emissionen zu senken, obwohl Strompreise in Europa. Seit Beginn der Markt- sich dieses neue Instrument zunächst einmal ein-

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spielen und bewähren muss. Dabei wird weitge- Energieeinsparung allein wird diese Kapazitätslü- hend außer Acht gelassen, dass die Industrie über cke nicht zu schließen sein. Außer Frage steht, ihre Selbstverpflichtung eine erhebliche Vorleis- dass auch die erneuerbaren Energien die Kapazi- tung erbracht hat. tätslücke nicht schließen können, selbst wenn das Noch schwerer wiegt die unzureichende weltweite ambitionierte Ziel der Bundesregierung erreicht Durchsetzung des Emissionshandels. Während die wird, im Jahr 2020 mindestens 20 % des Stroms Nicht-Kyoto-Staaten wie China, USA und Indien aus erneuerbaren Energien zu erzeugen. Daher ist aufgrund ihres starken Wirtschaftswachstums es zwingend notwendig, umgehend mit der Pla- kräftig zulegten und weiter zulegen dürfen, ist es nung und dem Bau von neuen Kohle- und Gas- der deutschen Industrie nur unter großen Mühen kraftwerken zu beginnen. Je länger die Kernkraft- gelungen, eine weitere Reduktionsverpflichtung zu werke laufen, desto mehr Zeit bleibt, modernste vermeiden. Eine solche Wettbewerbsverzerrung Technik einzusetzen, die mit einem minimalen zulasten der europäischen Industrie ist nicht zum CO2-Ausstoß verbunden ist. Voraussetzung für den Nutzen des Weltklimas. Die regional ungleiche zügigen Ersatz ist eine grundlegende Überarbei- tung des deutschen Planungsrechts. Deckelung der CO2-Emissionen verteuert in Europa die Energiepreise. Diese Kostennachteile induzie- Wettbewerb auf den Energiemärkten schaffen ren eine Verlagerung besonders energieintensiver Nach Beginn der EU-weiten Marktöffnung sanken Produkte in Staaten, die nicht das Kyoto-Protokoll die deutschen Strompreise und verhalfen den hie- ratifiziert haben. Darunter sind überwiegend sigen Stromkunden aus Industrie und Gewerbe zu Standorte mit deutlich niedrigeren Umweltschutz- Wettbewerbsvorteilen. Diese Liberalisierungserfol- standards als in Europa. Somit kann die Vorreiter- ge sind heute aufgezehrt. Während die deutschen rolle Europas im Umweltschutz letztlich dem glo- Strompreise wieder das Niveau wie vor der Libera- balen Umweltschutz zuwider laufen. Denn Produk- lisierung und darüber hinaus erreicht haben, zah- te, die europäische Unternehmen nach höchsten len europäische Wettbewerber mittlerweile deut- Umweltschutzstandards produzieren, werden nach lich niedrigere Strompreise als im Jahr 1998. Ur- Einführung des Emissionshandels durch Importe sache für diese Entwicklung ist neben den staatli- ersetzt, die weit geringeren Umweltschutzstan- chen Einflussfaktoren vor allem der unzureichende dards genügen. Wettbewerb auf dem Strommarkt. Durch Fusionen Durch die Nutzung der Kernenergie zur Stromer- und den Erwerb von Beteiligungen liegen mittler- zeugung werden jährlich 120 bis 150 Mio. Tonnen weile rund 80 % der deutschen Stromerzeugungs-

CO2-Emissionen in Deutschland vermieden. Der kapazität in den Händen der vier großen Stroman- Ausstiegsbeschluss stellt daher Deutschland vor bieter. Nach der Liberalisierung im Jahr 1998 wur- erhebliche Probleme bei der Einhaltung der ver- de die Entwicklung wettbewerbsfähiger Märkte einbarten Klimaschutzziele. Zudem gehen durch durch die Konzentration der Erzeugungs- und das Auslaufen der Kernkraftwerke rund 50 % der Netzkapazitäten unterbrochen. Intransparente und deutschen Grundlastversorgung verloren. Die er- im internationalen Vergleich überhöhte Netznut- neuerbaren Energien sind weder mengenmäßig zungsentgelte behindern den Wettbewerb. Nur noch preislich in der Lage, die Stromerzeugung durch eine schlagkräftige Regulierungsbehörde, aus Kernkraft zu ersetzten. Weltweit erlebt die die schnellstmöglich ihre Arbeit aufnehmen muss, Kernkraft derzeit eine Renaissance. Die deutschen kann Wettbewerb im Strom- und Gasmarkt er- Kernkraftwerke zählen zu den sichersten und leis- reicht werden. tungsstärksten Reaktoren. Um der starken Verteu- Deutschland hat trotz der seit 1998 andauernden erung anderer Energieträger wie Kohle und Öl aus Energiediskussion bislang zu keiner tragfähigen dem Weg zu gehen und gleichzeitig die Klima- Energiepolitik gefunden. Die drei Ziele der Ener- schutzziele zu erfüllen, erscheint es naheliegend, giepolitik, Versorgungssicherheit, Umweltfreund- die Laufzeit der deutschen Kernkraftwerke zumin- lichkeit und Wettbewerbsfähigkeit, müssen gleich- dest von 32 Jahren auf 40 oder 50 Jahre zu ver- rangig verfolgt werden. Die ideologische Orientie- längern. Damit ist Zeit gewonnen, ein tragfähiges rung auf die Umweltfreundlichkeit gefährdet den Energiekonzept zu erarbeiten und umzusetzen. Industriestandort Deutschland. Die Politik verteu- Der deutsche Kraftwerkspark ist überaltert. Bis ert durch Steuern und Umlagen die Strompreise, 2020 gehen zwei Drittel der konventionellen ohne greifbare Erfolge beim Klimaschutz zu errei- Kraftwerke aus Altersgründen vom Netz. Dies wird chen. Es wird Zeit, die Energiewende zu stoppen durch den Atomausstieg verschärft. Aus Sicht ei- und zu einer ausgewogenen Energiepolitik zurück- nes funktionsfähigen Wettbewerbs ist problema- zukehren. tisch, dass der Kapazitätsabbau den vier großen Stromanbietern ein weiteres Instrument zur Ange- bots- und Preisgestaltung an die Hand gibt. Durch

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Nachhaltigkeit und Globalisierung

Großen Teilen der europäischen Politik und der handelnden Akteure fehlt noch immer die Fähigkeit, sich kritisch mit dem herrschenden Wirtschaftssystem auseinander zusetzen. Die Analyse der Ausgangssituation und die daraus folgende Strategie sollte neu überdacht wer- den, was vor allem die Lissabon-Strategie und die sich daraus ergebende Ausrichtung auf Wirtschaftswachstum und Wettbewerb um jeden Preis angeht. Dabei sollte im Mittelpunkt stehen, die Marktmechanismen so umzugestalten, dass sie nicht länger natürliche Lebens- grundlagen zerstören und soziale Maßnahmen konterkarieren.

Bisher wurden kaum Maßnahmen unternommen, um die zunehmende soziale Ausgrenzung innerhalb der EU-(Nachhaltigkeits-)Politik wirkungsvoll zu bekämpfen. Zwar gelten soziale Ausgrenzung und Alterung als zwei der wichtigsten Herausforderungen, der Schwerpunkt der EU liegt aber bisher vor allem auf dem Bereich demographischer Wandel. Konkrete Maßnahme gegen die soziale Ausgrenzung gibt es bisher zu wenig. Insbesondere die öko- nomisch einseitige Ausrichtung auf ein „Mehr an Wettbewerb“, die gleichzeitig zum Abbau der Arbeitslosigkeit, der Armut und der sozialen Ausgrenzung führen soll, ist fragwürdig.

Bei gleichzeitigem Abbau der sozialen Sicherungssysteme zugunsten eines „freien“ Handels, ist nicht zu erkennen, dass die EU ihren ehrgeizig gesteckten Zielen nahe kommt. De facto unterstützt die Lissabon-Strategie die Schaffung eines Niedriglohnsektors (in Deutschland sog. Ein-Euro-Jobs). In der von der Kommission herausgegebenen Studie „Die soziale Lage in der Europäischen Union 2002“ wird festgehalten, dass „eine wichtige Ursache für Armut und soziale Ausgrenzung [...] die Arbeitslosigkeit oder eine Niedriglohnbeschäftigung“ ist. Maßnahmen seitens der EU, dieser Tatsache vorzubeugen und Niedriglohnbeschäftigungen zu bekämpfen, sind nicht zu erkennen.

Durch die direkte Kopplung der Armutsbekämpfung und der sozialen Sicherheit an Wettbe- werb und Wirtschaftswachstum, besteht die Gefahr, dass - wie in vielen Mitgliedstaaten be- reits geschehen - Sozialpolitik als ein nicht notwendiger Kostenfaktor angesehen wird. Die Folge ist die ausdrücklich von der EU nicht gewollte Ausrichtung von aktiver zu passiver Sozialpolitik.

Eine wirkungsvolle aktive Sozialpolitik sollte grundsätzlich von der Abhängigkeit des Wirt- schaftswachstums entkoppelt werden. Zudem sind als zusätzliche Maßnahmen der Zugang zu Wissen, insbesondere im Online-Bereich, aufzunehmen. Der restriktive Ausbau des Copyrights und der Patente ist im Sinne von Zugangsgerechtigkeit und einer nachhaltigen Wissensgesellschaft, an der jede/r Bürger/in der EU partizipieren kann, zu überprüfen. Wissen und die Möglichkeit, freien Zugang zu Wissen zu haben, sind Grundvoraussetzungen für den Abbau von Armut und sozialer Ausgrenzung.

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Wie nachhaltig ist grenzenloser Wettbewerb?15

Rupert Schlegelmilch, Europäische Kommission, Referatsleiter Generaldirektion Handel

choose, producing and consuming quite different things from us. Let’s hope they do, in many cases. Those who formulate the themes for the meeting So the “common sense” reading of our theme is to go in for double meanings. “Grenzenlos” in the do with the question about ecological and social ill- sense of without borders or the sense of without effects of globalisation. That is what is being de- limits? I am afraid that we shall have to spend just scribed as “grenzenloser Wettbewerb”. a little time at the beginning looking at some defi- nitions and sorting out the meaning of words and If we are truly concerned about sustainability, it is concepts. But perhaps here, in the Patentamt, to not only the social, environmental and economic begin with some work on definitions is not the consequences of developments at home that problem that it might be in some other settings. should concern us – there is after all only one global environment, only one humankind, and Let’s start with a relatively easy one: sustainabil- economics is not a zero-sum game, so we can as- ity. Without getting too philosophical (even though pire, and should aspire, to a good standard of liv- this is a German audience), we have to begin by ing for all. reminding ourselves that sustainability is a chal- lenge to the natural order of time and space. En- So now, what are borders for? In the traditional tropy, second law of thermodynamics, the limits of nation state borders define very much more than a the reach of our actions in the here and now, eve- territory. They define the space in which the peo- rything points to sustainability being the one thing ple live with whom one is supposed to feel uncon- that is guaranteed to be unattainable. That is why ditional solidarity. Within this space the same val- the usual use of sustainability in Sustainable De- ues are shared, the same national story has been velopment definitions is deliberately reduced to enacted and related, the same laws prevail for the human scale of a lifetime and what we can do everyone and the chances of devising lasting so- for our children – at least leave them no worse off cietal systems are vastly improved by reason of with the natural assets with which to make their prescribed limits to its coverage. National (and lives than we are as we try to make ours. European) borders serve as anchors against the entropy (Greek entrope=change) and chaos of the So we should remain realistic in our expectations, wider world and the still wider universe. and the benchmarks by which we judge develop- ments around us. When we ask about the sustain- So how sustainable is „grenzenloser Wettbe- ability of „grenzenloser Wettbewerb” we can not werb“? be saying (or should not be saying) “does this Against the ideal of sustainability we are invited to phenomenon contribute to a world which we can judge something described as “grenzenlos”. On pin down and make into an ideal system that will the face of it we are being asked to think about last for ever” Obviously not, but it is a connotation the problem of companies being able to shift their that I think I can detect in the phrase, especially production to developing countries where social when linked to the question of borders, the con- and environmental protection may not be as we cept I want to look at next. would wish, including the problem of their using Before I do that, though, let me acknowledge this possibility as a threat with which to ratchet straight away that “sustainable” is often used as down standards at home. This conveys the idea of shorthand for “conducive to sustainable develop- the twin evils of job losses at home and social and ment”. Thus “sustainable production and con- environmental damage in the world. But let’s pay sumption” does not mean that the particular con- attention to the language a little – rather than the sumption and production patterns have to remain economically positive concepts of labour flexibility, immutable throughout time, only that the produc- job mobility, technology transfer, economic con- tion and consumption in question do not contribute vergence, the very phrase „grenzenloser to preventing succeeding generations from pro- Wettbewerb” carries with it the condemnation we ducing and consuming in their turn, and if they so feel for anything carried to excess: “your drinking habits are without bounds”. It also conveys a psy-

chological difficulty of imposing a satisfactory or-

15 The author is indebted to Gareth Steel for substantive input.

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der without having first defined the area on which paring the trends in agreements on hours across this order is to be imposed. different European countries where in some cases workers have been willing to secure their jobs by So let’s be careful not to take on attitudes about working longer hours, but in other countries the global phenomena on the basis of the associations hours stay short but a wage cut is negotiated. we have with some of the words. I said earlier that Either way it is a response to competition. Re- sustainability may be an impossible ideal, but it is member too, that as far as our own conditions in a very powerful and important guiding principle. In Europe are concerned we can and do decide the the same way borderlessness may be a distressing level at which the pressures are intolerable and it concept in many ways, but it very much reflects is the job or industrial sector itself that must go the reality of today’s world. If you lean against a rather than trimming the environmental or social window and fail to notice that somebody has re- standards. At the end of the day we can set the moved the glass you are likely to fall through. In rules for our own environment and our own social the same way I take it as a given that if we in conditions. There are limits to how much we can Europe are going to survive and prosper in the do that for the places where the jobs might go. I world of the 21st century, we need to have a good will talk later about some of the rule-setting and grasp of the reality of what that world is. The ex- some of the non-rule based but consumer-driven tent to which the world is borderless is an impor- voluntary actions which can help to guard against tant aspect. It is no good being the person falling the downside of these developments. I don’t say out of the building saying to himself – “but a win- that our efforts at rule-setting or using voluntary dow has glass and therefore I can lean against it”. systems has yet proved to be perfectly effective, There is no point in denying that improvements in but there is an enormous movement going on and world-wide communications including transport, effort going in towards making that so. What I do and the world-wide organisation of capital, as well want to say is that those rule-making and con- as some political and institutional developments sumer-driven developments represent the way have all worn away much of what borders used to forward and answer to our concerns, and we stand for. And it is true that the concern about should not follow some alternative path of re- sustainability which this fact gives rise to is not inventing some constraints to in some way replace only about the social and ecological consequences the old borders. of production conditions abroad. It is also about It is not that such constraints are impossible to the economic consequences at home. What we imagine – we could put some together in a few have to bear in mind is that whereas the role minutes. But it would be extremely difficult to per- played by developing countries in the past had suade anyone of their merit, especially the coun- relatively insignificant impacts on the European tries whose development would be affected by it. job market, this is about to change, big time. The The only conceivable way of getting away with majority of European trade used to be trading such a development would be to pay for it and I similar products between European countries am afraid that we could not afford it. So, as we which had similar industrial structures. Philips cannot afford to pay transfer payments to the would compete against Miele, Lacoste against whole rest of the world, why put restraints on their Benetton, rather than one country trading white ability to compete? goods (electromenager) and another textiles. A half percent to one percent of jobs used to be af- Let’s look a bit more at what we mean by compe- fected by imports. This is going to change sub- tition and competitiveness. stantially in the next fifteen years. It is a sudden The normal understanding of what we mean when change. The North accounted for two thirds of we say that an individual firm or an entire indus- growth in exports and four fifths of the growth in trial sector is the most competitive, is that its unit imports from 1995 to 1998. But now just in these costs of production are lower than those of its last few years the South has gone from a third to competitors. This does not of course mean the more than half the growth in exports and has dou- same thing as having the worst social conditions, bled its share of the growth in imports to two the lowest wages, and charging least for the prod- fifths. uct. It is much more like saying that it manufac- So, many more European jobs are threatened by tures the product best and most effectively, so developing country competition than previously. that people want to buy it. And the movement of jobs can be taken in some So soon after the successful Athens Olympic way as a proxy or a short-cut for some of the Games I think we can all see and admit the bene- more subtle pressures on our own standards that fits of world-wide competition in principle. World is also an issue here. We can see this when com-

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record performances would not happen if every- - China is looking to scoop gold on textiles and body practised their sports alone or in small wood and paper-based products. groups. In exactly the same way industrial and - Brazil will be the agricultural champion as the technological innovation does not happen auto- playing field is levelled, and turn iron and steel matically. It is part of a struggle against others to into silvers and bronzes. win customers, and if the struggle is world-wide the standard that has to be beaten is a high one. - India will compete hard on textiles, and me- You might argue, as it has sometimes been the chanical engineering, chemicals and steel. case in education circles, that if in a class of 20 But despite these broad trends it is also clear that only one child can win a race and all the others the idea of an international division of labour “lose”, then it is better not to have a race at all. I whereby the North specialises in recent techno- don’t think that’s right. You may come last in run- logical industries like IT and communications, and ning and be first in the astronomy club. Coming the South capitalises on its strengths in traditional last is still good if you ran faster than last time sectors like textiles and toys is no longer valid. (and if you enjoyed the training, and improved The South will compete on everything. Only really your health etc). The benefits of competition are in some fast-changing and capital-intensive sec- not confined to the gold medal winners. Millions tors like aeronautics, electric components, and and millions of individuals derive the benefits from automobiles will the North resist the pull of the competing in a sport discipline, but only one indi- South better. vidual gets the gold medal. Bear in mind though, that the markets for much of It’s pretty much the same with economic activity: this production will also be in the South. Whilst I am inclined to think that we can afford to see CEPII worries that BRIC countries have the ability different gold medallists in different areas of activ- to sustain lower wage levels for a long time, it is ity, and at different times. As a country you don’t clear that their societies will be transformed by have to get the gold medal in every sport to enjoy higher levels of material consumption which can the benefits of competing in them. As standards of benefit us. At last somebody in the US govern- living catch up in other countries, we can expect to ment has spotted this upside, and pointed out that see their share of gold medal winners – both on globalisation creates jobs in the US too. Elaine our TVs and on the manufacturers label on those Chao, the US Labor Secretary, pointed out on Sep- TVs - creep up as well. tember 1st this year that whilst around 300,000 Some warn against the dangers of losing a manu- jobs have been eliminated in favour of cheaper la- facturing base to one’s economy. But I don’t think bour elsewhere, there are around 9 million Ameri- that we should worry unduly about the material cans working for US subsidiaries of foreign-owned consequences for ourselves of seeing some new companies. Remember too that in some cases the faces on the winners’ podium for traditional manu- companies overseeing the production in the South facturing sectors. Reports like the recent one by will be controlled here in the North. Not that con- CEPII, or press articles that ask what is left for us trol needs to be the issue that it has been in the once India and China have realised their potential, past. The international interdependency from inte- all rest on questioning what is in fact a vital gration means that loss of control is not posed in notion: that economics is not a zero-sum game. same terms as in the past. They rest on a defeatist and depressing belief that A greater and a more balanced international inter- there is no room for us all to enjoy good standards dependency in fact only restores a better balance of living; that there is a limited place in the sun that used to exist. According to Angus Maddison, and we all have to use our elbows. In this they are the economic historian, in the early 19th century probably motivated more by a concern about self- Asia generated about 60 per cent of world output esteem – about a future with fewer gold medals - (measured at purchasing power parity), with China than a genuine economic concern. This leads to alone generating a third and India a sixth. Then phoney arguments like the argument that manu- began a century and a half of stagnation, with the facturing industry is more important than services exception only of Japan. By 1950 Asia's share of because productivity gains are easier to obtain. global gross domestic product had fallen from Friends, if a productivity gain is cancelled out by three fifths to below one fifth. Then between 1950 falling prices, its impact on living standards is nil. and 1973 Asia's share in world gross domestic The CEPII report points very clearly to certain de- product rose from a fifth to a quarter, almost velopments which it anticipates will underlie the entirely because of Japan's dynamism. By 2001 it convergence of the BRIC countries (Brazil, India, had risen to two fifths, with China's share rising China) with the highest existing standards: from 5 per cent in 1973 to 12 per cent in 2001

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and India's from 3 per cent to 5 per cent over the lesser extent, India - both global inequality and same period. poverty have been falling.

By 2001 China's real GDP per head, at purchasing Thus if we compare the April 2004 World Devel- power parity, was still only 15 per cent of US opment Indicators from the World Bank, it tran- levels, up from 5 per cent in 1978. India's real spires that the numbers in extreme poverty, de- GDP per head was still only 7 per cent of US levels fined by the Bank's poverty line of $1 a day, at in 2001. Some now expect China and India to 1993 purchasing power parity, fell from 1.5bn in have done the major part of their catching up by 1981 to 1.2bn in 1990 and 1.1bn in 2001. As a 2050, even though the growth levels this would proportion of the population of developing coun- require are very high. As the past impediments to tries, the decline was from 39.5 per cent in 1981 competition are reduced – be they isolation, to 27.9 per cent in 1990 and 21.3 per cent in bureaucracy or Maoism - many think that they are 2001. Let me repeat that heartening set of fig- capable of these high growth levels (with all the ures: the proportion of the population of develop- issues for the environment that this entails, but ing countries in extreme poverty has gone, in suc- that is another discussion). cessive decades since 1980, from 40% to 30% to 20%, more or less. If it were not for the impact of So competition is good, and a winning attitude is AIDS in Africa I would feel confident that we were healthy, but we should be realistic enough to ad- on our way, albeit in an unpredictable world, to mit that we are not going to win everything, but eliminating extreme poverty. that we will benefit from the world-wide competi- tive process. When our political leaders committed So when the World Commission on the Social Di- at Lisbon to making Europe the “most competitive mension of Globalisation points to sad develop- and dynamic knowledge-based society in the ments like this: „In 1960, per capita GDP in the world, with more and better jobs, and increased richest 20 countries was 18 times that in the poor- social cohesion” they did not make the mistake of est 20 countries. By 1995, this gap had widened to saying we must be the most competitive at every- 37 times.“ Or this: „In 1960, the ratio between the thing. It was much more a comment on the type richest 20% of world population and the poorest of focus - the choice of Olympic event to concen- was 20%. In 1998, it had surpassed 70.“ (UNDP trate our resources on doing well in - whilst recog- 1998, cited in German Bundestag 14/9200, 2002) nising that in future we will be one competitor This in some ways allows the tut-tutting about the amongst many. wealthy to give a distorted picture of the reality. Now let us return to the concern for sustainable The reality is that where once vast numbers were development flowing from a world where competi- swimming around in a sea of poverty – the below tion is more and more borderless. One of the fears $1 a day mark – today, more and more have about globalisation – or borderlessness – is that it clambered on to the life-raft. That is the most im- does not benefit the poor. Noam Chomsky put it in portant thing – both in absolute terms and propor- a way which many can identify with when he said tionately there are many more on the life-raft than in 2001 “Inequality is soaring through the global- there used to be, and instead of the life-raft isation period - within countries and across coun- getting overcrowded and dangerous it is growing tries. That's expected to continue." all the time so that there is room for more. That is why we are on course to meet the Millenium De- But Professor Martin Wolf, formerly an economist velopment Goal of a halving in absolute poverty by with the World Bank, has put his finger on the 2015. But it is true that the second most impor- right riposte to this when he says: tant thing to note is that those who are not yet on We need first to ask what matters more, inequality the life-raft are drifting further away from it. If we or poverty? The answer for the great majority of are going to eliminate absolute poverty altogether people must be the latter. [poverty] Many people something has to be done to correct that. That is would prefer more equality to less, but few would largely for another discussion too. What is impor- prefer a world of uniform poverty to one of un- tant for today is that it is difficult to argue that equal wealth, provided the [inequality inherent in what is at fault and causing them to drift the] latter brought a reduction in destitution in its away from safety is the very system under which train. Fortunately, the evidence that the world has so many have already been rescued. It is difficult been achieving a big fall in the proportion of desti- to say that globalisation is to blame, rather than tute people and a significant fall in the absolute other factors. What other factors? We could get numbers of the destitute is strong. Indeed, with into the blame game here, and say that if some of the recent acceleration in the rates of growth of these countries lack the necessary conditions for large poor countries - above all, China, and, to a development that must be bound up with colonial

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legacy and pillaged resources and all the rest. But, dancy of those who do so whilst taking those val- however you judge the colonial legacy, it is per- ues on as their own. haps more important to note that as a given, a But it is important too to remember the ways in starting point from which some countries have which the world is still not entirely borderless - far managed to extricate themselves and not others. from it. Even within the EU let’s remember that What we see in the world is that economic growth trade is three to four times more intensive within and rising prosperity have been particularly the member states than between them. This is marked in those countries whose economic policies partly a matter of rules. No single EU rules on have been geared towards greater interaction in bankruptcy, company statute, … But it may even the global economy. Some East Asian economies turn out that there are some deeply ingrained cul- have recently been enjoying double digit rates of tural constraints on a) development, and b) per- growth in merchandise trade whilst others, par- meability of markets. ticularly in sub-Saharan Africa have fared badly. It is very arguable that these countries have suf- The matter of culture – for example language, fered, not from globalisation, but too little global- loyalties to local producers, and the ability of a na- isation - their failure to be geared up to the global- tional producer to understand the specific tastes of isation going on around them. Globalization has its own public. This even applies to globalised been insufficiently global. Some are being left out brands. A recent study has reported that to some of this so-called global convergence and growth of extent there is a globalised culture, but not a ho- interdependence. Partly this is to do with the small mogeneous world market. The rise of a global cul- size of many developing economies which reduces ture does not mean that consumers share the the incentives to invest in them. But it is also same tastes or values. Rather, people in different much to do not only with the spread of AIDS, with nations, often with conflicting viewpoints, partici- the domestic policy environment, which may lack pate in a shared conversation, drawing on shared trade openness, secure property rights, the rule of symbols. One of the key symbols in that conversa- law, social policies and stable macroeconomic and tion is the global brand. financial policies. Corruption and unaccountable Companies which acted in the belief that there was government can also be a factor. a global market to exploit by pushing out a stan- So if we persist in blaming globalisation for all the dardised global product have had to adjust their problems of the poor, that’s a little like saying, OK ideas [and concentrate on getting the economies we have a problem, there are people out there of global scale on backroom activities such as who are drifting away from this life-raft that sup- technology, production and organisation whilst ports us all; and the sharks are getting them. It’s customising product features and their sales tech- unfair that we’re on the raft, so here’s the answer: niques to the local tastes of a particular region]. break up the raft and start again with everyone The very existence of a global brand carries nega- grabbing the raft-building materials they can from tive connotations for around 1 in 10 consumers, the open sea. If that’s what you think, remind me and companies have had to fight for their lives in never to go rafting with you. Surely that is not an response to information campaigns that draw at- option. tention to inadequate standards in their supply lines. It has become clear that people expect Borderless? Not entirely global companies to address social problems linked So the world is getting very borderless, competi- to what they sell and how they conduct business. tion is using this borderlessness to create a world They may turn a blind eye when local companies in which inequality may be increasing, but as a take advantage of employees, but insist on trans- function of increasing wealth and not increasing national businesses doing better. Global brands poverty, indeed the spectre of absolute poverty is cannot escape notice: they have never been more decreasing. In this world the overwhelming eco- prominent in consumers' minds. Because of their nomic pre-eminence of Europe along with the ubiquity, people see them as powerful institutions, economies that derived from it, both in ethnic capable of doing good as well as causing consider- make-up and ideology, will not last. I would argue able harm. that this is not in itself a problem that we have to Procter & Gamble, for example, recently tested fight against, rather it is a good thing if it goes such an initiative in Latin America's poorest along with resolving the remaining underdevelop- communities. More than 2m people die every year ment of the world. Our values have proved to from diarrhoea as a result of unsafe drinking have a lot of universal validity and attractiveness, water. P&G developed an affordable water purifi- so we have little to fear from the relative ascen-

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cation system that, if reproduced globally, will “Classical” trade measures such as duties, levies have huge social impact. and quotas are on the way out, but procedures, rules and norms play an ever-greater role. To be credible, global companies' social responsi- bility efforts must show that the companies have 1. On the private action side Corporate Social harnessed their ample resources to benefit soci- Responsibility (CSR) is a concept whereby com- ety. Some may argue that corporations have no panies integrate social and environmental con- business expending resources on activities that cerns in their business activities and in interaction lack a profit motive. That is short-sighted. If con- with their stakeholders on a voluntary basis sumers believe that global companies must shoul- ("triple bottom line"). Voluntary social and envi- der greater social responsibility, executives do not ronmental practices of business, going beyond have much of a choice, do they? companies' existing legal obligations, can play a major role in filling the governance gap in an inno- What can we do? vative way. CSR is not a substitute, but a com- The harsh effects of short term reactions to global- plement to hard law. As such it must not be isation can be mitigated in two main ways: detrimental to public authorities' task to establish binding rules, at domestic and/or at international · private actions: consumer intolerance of poor level, for the respect of certain minimum social supply chain conditions – CSR companies realising and environmental standards. behaving responsibly is enlightened self-interest. There has been some debate in this respect about · governance, institutional, rules and frame- whether voluntary or binding instruments are works: prosperity drags up standards, interna- called for, latterly this debate has moved on to- tional agreements push standards up, trade and wards the broader challenge of devising reporting other incentives provide some push. tools and verification mechanisms to ensure that And against that background the EU has a companies are doing what they say they are Sustainable Development strategy framework with doing. If they do not do what they say they are a host of individual actions that are pushing in the doing and if this becomes known, there are plenty same direction. of you out there who will make their life uncom- fortable until they do better. But ultimately it comes back to borders – you can no longer aim for a sustainable „wohlhabendere Corporate Social Responsibility is a business con- und gerechtere Gesellschaft” behind the protective tribution to Sustainable Development. In a borders of nation or region, whilst the rest of the development context, it provides a tool to reach world goes hang. Globalization means that you the Millennium Development Goals and contributes have to be concerned about economic and social to poverty reduction and Sustainable Develop- conditions everywhere. You have to be concerned ment. CSR is however not a substitute but a com- to build a society that others will want to emulate plement to norms. CSR is a useful tool in “har- and reproduce. It’s largely happening. Exclusive- nessing globalisation”, which can be used in com- ness is out. bination with international and domestic regula- tions. Corporate Social Responsibility elements in How to do it? trade instruments are progressively developed. The Commission believes that three major imbal- The OECD Guidelines for Multinational Enterprises ances result from the acceleration of the globalisa- that were fully renewed in 2000 are part of the tion process: global architecture of CSR policy tools and have a · imbalance between the rapid process of liber- special role to play since they allow a certain level- alisation and the time necessary to elaborate the playing field and involve public authorities in their international regulatory framework for these ex- implementation mechanism. changes; 2. The OECD Guidelines for Multinational En- · imbalance between the advanced governance terprises also play a significant role. In 2000, a systems in industrialised countries, and the lack of number of drivers were pushing for the ameliora- such governance in developing countries as well as tion of the Guidelines: at international level; – The Commissioner for Trade wanted to work to- · imbalance between the highly developed eco- wards a “globalisation with a human face”. This nomic pillars of global governance (IMF, World implied assessing the impact of trade policies, Bank, WTO) and the embryonic state of the social which further developed into the systematisation and environmental pillars of such a system. of Sustainable Impact Assessments (SIAs), and

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enhancing available global instruments that could (GSP) which reserves certain tariff preferences to go in the right direction, such as the OECD Guide- countries who ratify and implement MEAs. lines for Multinational Enterprises. This is very much part of the European Union’s – The European Parliament originally wanted a successive positions and Council Conclusions on “European Code of Conduct” for EU-based Multina- sustainable development, we need to promote tional Enterprises. The Commission suggested that sustainable development externally by means improved OECD Guidelines could usefully play that which draw on the experience we have gained in- role while levelling the playing field. ternally of building institutions and basing behav- iour on a clearly understood framework of rules. – Civil society has been asking since the end of the negotiation of the draft Multilateral Agreement The role of EU values and practice on Investment in the OECD, and in the WTO con- The EU is, of course, a very particular model of po- text as well, that Multinational Enterprises should litical, economic and social integration. While pre- contribute to Sustainable Development. serving distinct national identities for its Member The OECD review of the Guidelines for Multina- States, the EU has created a single market with tional Enterprises led to a new instrument that free movement of goods, services, capital and was successfully agreed upon in June 2000. The people. Economic and monetary union has pushed guidelines contain best practices for companies the process further still, opening up new opportu- notably in the field of social relations and the envi- nities for producers of goods, providers of services ronment. and for consumers. In doing so, it has contributed to improving living conditions of its citizens and in In terms of process, the OECD Committee on In- particular for those in the least developed Member vestment and Multinational Enterprises (CIME) States. The GDP per capita of Spain and Portugal consulted civil society through representatives to has increased from respectively 71% and 54% of the OECD of business (BIAC, Business and Indus- the EU average in 1985, when they joined the EU, try Advisory Committee to the OECD), trade un- to 86% and 71% in 2002, while that of Ireland has ions (TUAC, Trade Union Advisory Committee to jumped from 60% in 1973 to over 125% in 2002. the OECD) and non-governmental organisations. The draft text was also posted on the internet for There has long been a strong social dimension to comments. This process helped in empowering all the economic integration of Europe. At the time of stakeholders in the CSR cooperative working habit, the common market, the social dimension focused and gave a stronger support for the compromise principally on workers' rights, gender equality and from civil society. The Guidelines now represent an social and economic cohesion through Structural important instrument of the global architecture of Funds. But, with increasing integration, it has ex- CSR that is widely recognised. panded to encompass a broader range of objec- tives, including full employment and higher quality One of the questions that is preoccupying us today jobs, the quality of education and training sys- is what to do to combat the short-termism which tems, adequate and sustainable social protection, might make a company, or a sector, lay so much the promotion of social dialogue and the fight stress on maximising shareholder value or this against discrimination and social exclusion. These year’s profits, that keeping a responsible contract objectives are reflected in the European treaties with its employees takes second place. CSR, and and the conclusions of Heads of State and the civil pressure that it channels, have important Government of EU Member States at various roles to play in increasing the number of compa- meetings of the European Council. nies who see their own interest in taking the longer view. The report of the World Commission on the Social Dimension of Globalisation (WCSDG) identifies a Rules number of elements of the EU model as having But CSR is a complement to improving the inter- contributed particularly to its success in improving national framework of rules, such as Multilateral living and working conditions: a strong legal Environmental Agreements (MEAs), and core framework; openness to the world economy and labour standards, which can be agreed upon at in- an effective market economy; supportive national ternational level and whose implementation falls to social protection systems and common minimum nation states. Where that implementation is unsat- standards for employment; involvement of the isfactory there are also state-driven and rules- stakeholders through the European social dia- driven ways of bringing pressure to bear. See the logue; gender equality; and, more widely, respect revision of the EU’s General System of Preferences for human rights and the rule of law, democracy and the strengthening of democratic supervision

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through the European Parliament. The EU's eco- – ensure effective follow-up to the commitment nomic and social model, and the Lisbon strategy made in Monterrey on the realisation of the 0,7% which translate it into practice, cannot simply be target for official development aid; transposed to other parts of the world. Neverthe- – enhance corporate social and environmental less, the WCSDG has highlighted a number of as- responsibility both at EU level and internationally; pects of the model which may be of interest to the – promote sustainable and fair trade, notably EU's partners, especially in terms of the processes through developing incentives to trade in sustain- which are essential to the achievement of the bal- ably produced goods and encouraging export ance between all the objectives at stake. The EU credits consistent with sustainable development; model places particular emphasis on solid institu- tional structures for the management of economic, – further develop and implement the Union's social and environmental issues and the interplay "Water for Life" and "Energy for Poverty Eradica- between them, on effective public services and tion and Sustainable Development" initiatives; services of general interest, on strong social and – contribute to the development of regional sus- civil dialogue, on investment in human capital and tainable development strategies, building for ex- on the quality of employment. ample on the experience gained in the context of We do not just expect our model to be self- the EUROMED process; propagating – we have taken active steps to – timely elaborate at both international and EU propagate our vision. level the 10-year framework of programmes on sustainable consumption and production, on which After Lisbon, and its ambition for competitiveness, the EU should take the lead; the Stockholm European Council then decided that the EU ambition should explicitly including an envi- – strengthen international environmental govern- ronmental dimension. This recognises that in the ance, which could lead to the upgrading of UNEP long term, economic growth, social cohesion and into a specialised UN agency with a broadly-based environmental protection must go hand in hand. mandate on environmental matters”. Then, on the Commission’s proposals in its 2001 The process of producing the next sustainable de- Communication “A Sustainable Europe for a Bet- velopment strategy, mentioned in Gothenburg, is terWorld: A European Union Strategy for Sustain- of course now under way. able Development” the June 2001 European Coun- Currently, DG Environment is coordinating a proc- cil in Gothenburg adopted the EU's general sus- ess of drawing up an inventory of actions that tainable development strategy which included a have been taken both by Member States and at EU number of key characteristics of the EU’s ap- level under the Sustainable Development Strategy. proach. The external dimension was firmly The next EU Sustainable Consumption and Produc- included. tion expert meeting will take place in Brussels at It was decided that all policies should have sus- the end of the month. The Inventory will then be tainable development as their core concern, and finalised and printed in due time for the “European particularly the impending reviews of Common Stakeholder Meeting on Sustainable Consumption Policies. A commitment was made to consider how and Production” taking place in Ostend 25 – 26 the strategy was progressing against key indica- November 2004. tors at each successive Spring Council The internal developments are perhaps too nu- A two-yearly stakeholder forum was set up as merous to mention them all, but the recent from 2002, the Commission was committed to enlargement of the EU is too major to miss: producing a revised SD strategy document at the - Harmonisation with the environmental and social beginning of each of its five yearly terms. acquis in the new Member States subject to transi- Finally, in March 2003, the European Council tional arrangements. agreed to add on some additional elements to be – Support to new Member States to implement the included in the Sustainable Development Strategy acquis, through relevant Community instruments. as part of EU follow-up to WSSD to: – Alignment of the new members with the - ensure effective follow-up to the new goals and objectives of EU development policy targets agreed in Johannesburg on water and sani- – Intensified environmental focus on new neigh- tation, the protection of the marine environment, bours in the context of the Wider Europe Strategy. depleted fish stocks, chemicals and natural re- sources, including forests and biodiversity;

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And where is trade in all of this? The WCSDG acknowledges the crucial role of the Finally on sustainable globalisation and trade the DDA, and encourages efforts to make multilateral EU has a full agenda; trade liberalisation mutually beneficial to all coun- tries and socially equitable within them. The – Participating in WTO negotiations in accordance WCSDG also underlines that trade liberalisation with the Doha Development Agenda, particularly should be a means to achieve ultimate objectives, with a view to allowing developing countries to such as high and sustained growth, full employ- effectively integrate into the world trading system. ment, promotion of decent work and the reduction – Strengthening of the sustainability dimension of of poverty. regional and bilateral trade agreements under The EU has sought to reflect these goals in its own negotiations. negotiating position by taking account of social – Strengthening of international economic govern- development aspects in all key negotiating areas, ance through co-operation between the WTO and in many cases as a form of special and differential Bretton Woods institutions and achieve mutual treatment. In its September 2002 Communication supportiveness between trade and environment on Trade and Development, the Commission iden- through co-operative arrangements involving the tified three essential elements, subsequently en- WTO, UNEP/MEAs and UNCTAD; dorsed by the Council, vital to achieve genuinely – Promotion of trade in environmentally friendly pro-development outcomes in the DDA, namely: goods, notably from developing countries, through market access; multilateral rules; and trade- the Trade Helpdesk, support to STICS and other related assistance and capacity building. measures. Respect for democratic principles, human rights – Work on capacity building and technical and the rule of law have been included as essential assistance programmes to help developing coun- elements of all EU Agreements with third countries tries expand exports and develop policy responses or regional groupings since 1992. Civil society and to sustainability challenges. Support a strategic the social partners are also part of the process. partnership between the WTO and other relevant Dialogue and consultation with local civil society international organisations involved in trade and between partner countries authorities and assistance and capacity building for sustainable local civil society is promoted. All bilateral negotia- development. tions provide the opportunity for the Commission to strengthen the sustainable development dimen- – Improvement of the draft OECD recommen- sion of its Agreements and translate its policy dation on export credits and the environment, with commitments into concrete action. Therefore it is a view to its formal adoption early in 2004. important that existing provisions on CLS, such as – Work to strengthen corporate social and envi- art. 50 of Cotonou and other Agreements, are ef- ronmental responsibility, including the contribution fectively implemented. by EU companies to sustainable development in The Commission is also committed to carrying out third countries, and implement the OECD Guide- Sustainability Impact Assessments (SIAs) of multi- lines for multinational enterprises. lateral and bilateral negotiations. These assess, – Contribute to the follow-up and implementation inter alia, the impacts on social development in of the report of the WCSDG. the EU and its partner countries, using a broad set – Development of Sustainable Impact Assessment of indicators and involving in a wide consultation (SIA) methodology and dialogue with stakeholders stakeholders, such as private sector associations, involved in the SIA-process. trade unions and civil society at large. The DDA negotiations offer an opportunity to con- Conclusion tribute to the achievement of the social develop- But ultimately it comes back to borders – you can ment goals established by the Millennium Declara- no longer aim for a sustainable “wohlhabendere tion as well as to contribute to sustainable devel- und gerechtere Gesellschaft” behind the protective opment. They have great potential to foster long- borders of nation or region, whilst the rest of the term economic growth, stimulate trade and in- world goes hang. Globalization means that you vestment, promote sustainable development and have to be concerned about economic and social the management of the challenges of globalisation conditions everywhere. You have to be concerned and to thereby assist developing countries’ inte- to build a society that others will want to emulate gration into the world trade system in a way that and reproduce. It’s largely happening. Exclusive- will help them combat poverty and raise living and ness is out. working standards in an equitable manner.

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Nachhaltiges Wirtschaften Josef Göppel, MdB, Vorsitzender des Umweltarbeitskreises der CSU in Bayern

Arbeitslosigkeit und Schutz der natürlichen Le- Der gewerbliche Luftverkehr ist im Vergleich zu bensgrundlagen sind zwei gleichermaßen drän- anderen Verkehrsträgern steuerlich wesentlich gende Probleme, denen wir uns stellen müssen. besser gestellt. Dabei trägt ein Urlaubsflug nach Mallorca zum Treibhauseffekt so stark bei, wie ein Es bedarf noch vieler Anstrengungen, um dem Jahr Autofahren. Die Beendigung dieser ökologisch Leitbild der Nachhaltigkeit voll gerecht zu werden. kontraproduktiven Subvention führt zu 120.000 Die gleichzeitige Beachtung wirtschaftlicher, sozia- zusätzlichen Arbeitsplätzen in der deutschen ler und ökologischer Ziele ist schwer, aber unum- Tourismusbranche. Bayern als Urlaubsland Nr. 1 gänglich. Die Sicherung und Schaffung von zu- würde davon am meisten profitieren. kunftsträchtigen Arbeitsplätzen muss mit der Um- weltvorsorge verknüpft werden. Die Maßnahmen Eine sorgfältig mit der Wirtschaft abgestimmte der Politik müssen so angelegt sein, dass neue ökologische Finanzreform ist unumgänglich. Sie Wertschöpfung durch verbesserte Rohstoff- und muss so angelegt sein, dass sie den Faktor Arbeit Energieeffizienz entstehen kann. Die geringere entlastet und die Ressourcenproduktivität erhöht. Abhängigkeit von fossilen Energieträgern stellt Die Gesamtbelastung für die Bürger darf dabei einen wichtigen Vorteil im internationalen Wettbe- nicht steigen. Um die ökologische Treffsicherheit werb dar. Der Markt für erneuerbare Energien ver- zu verbessern, sollen als Instrumente vor allem spricht im In- und Ausland dynamisches Wachs- verursacher- und schadstoffbezogene Abgaben tum. eingesetzt werden.

Nachhaltiges Wirtschaften ist deshalb ein umfas- Der Erhalt einer vielfältigen und artenreichen Kul- sender Beitrag zur Sicherung von Beschäftigung in turlandschaft wird nur selten aus der Arbeitsplatz- Deutschland. perspektive betrachtet. Dabei liegt hier der Schlüssel, um dem ländlichen Raum neue Beispielhaft geht es um folgende Einzelmaßnah- Zukunftschancen zu eröffnen. Die nationale Aus- men: gestaltung der europäischen Agrarreform vom Juni Die Förderung des Wärmeschutzes in der Altbau- 2003 muss so erfolgen, dass eine flächendecken- substanz erbringt einerseits den größten Einzelbei- de, umweltverträgliche Bewirtschaftung langfristig trag zum Klimaschutz und andererseits einen un- gesichert ist. mittelbaren Beschäftigungseffekt für das Bau- Die vorgeschlagenen Maßnahmen verdeutlichen handwerk. Das bedeutet nach einer Studie des beispielhaft, welche Chancen durch eine strategi- Umweltbundesamts bis zu 250.000 neue Arbeits- sche Verknüpfung von Umweltvorsorge und plätze im regional verankerten Mittelstand. Arbeitsplatzsicherung entstehen. Dieser Ansatz Im Sektor erneuerbare Energien sind bundesweit muss in Deutschland zur Generallinie der Politik heute schon 130.000 Menschen beschäftigt. Mit werden. dem neuen EEG muss die Wertschöpfung in ländli-

chen Räumen über den energetischen Einsatz von Biomasse verbessert werden. Alle erneuerbaren Energien sind im Hinblick auf ihre Exporteignung

zu optimieren. Wasserkraft, Biomasse und Foto- voltaik haben ihren Schwerpunkt in Bayern. Be- reits heute ist unser Land beim Einsatz erneuerba-

rer Energien mit 9% Anteil an der Stromversor- gung Spitzenreiter. Bei konsequenter politischer Unterstützung kann daraus ein neues zentrales Standbein der bayerischen Industrie werden. Dies gilt auch für die regenerative Wärmenutzung aus Biomasse, Solarkollektoren und Geothermie.

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Können Freihandel und grenzenloser Wettbewerb Instrumente der Armutsbekämpfung sein?

Peter Rottach, Brot für die Welt, Referent für Ernährungssicherung, Landwirtschaft und Umwelt

Die „Armenhäuser der Welt“ aufgrund exzessiven Konsums hochverarbeiteter Lebensmittel in den Industriestaaten. In der Entwicklungszusammenarbeit hat sich bei vielen die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine sog. Besonders krass mutet die globale Verteilung der „nachholende Entwicklung“, die dem Vorbild der Vermögen an. Von den 300 Reichsten heißt es, sie industrialisierten und post-industrialisierten westli- besäßen soviel wie die drei Milliarden Ärmsten zu- chen Welt nacheifert, kein Modell für bevölke- sammen genommen. Zehn Prozent der US- rungsreiche und ressourcenarme Länder des Sü- amerikanischen Bevölkerung besitzt weit mehr als dens sein kann. Dafür reichen weder die Energie- die Gesamtbevölkerung Afrikas und Lateinameri- und Rohstoffquellen der Erde aus noch wären die kas. natürlichen Ökosysteme in der Lage, die Umwelt- Exportlandwirtschaft auswirkungen zu verkraften. Trotzdem ist immer deutlicher zu beobachten, dass sich in den meisten Exportlandwirtschaft verschärft in der Regel be- Südländern wohlhabende Mittel- und Oberschich- stehende soziale Unterschiede. Kleinbauern wer- ten ausbilden, die im Lebensstandard den Durch- den zugunsten lukrativer Produktionsanlagen ver- schnitt der Industrieländer hinter sich lassen, wäh- trieben. Finanzielle Ressourcen fehlen für armuts- rend gleichzeitig breite Bevölkerungsschichten zentrierte Entwicklungsprogramme. Armutsbe- weiter verarmen oder in extremer Armut verhar- kämpfung über eine Förderung der Exportlandwirt- ren. Der Wohlstand der Wenigen ist dabei oft eine schaft läuft im Ergebnis auf die Bekämpfung der Folge rücksichtsloser Ausbeutung menschlicher Armen hinaus. Erschwerend kommt hinzu, dass Arbeitskraft und ökologischer Ressourcen und lässt die Produktionsstrukturen vieler Entwicklungslän- nur selten eine Mitverantwortung für die sozial der historisch begründet auf wenige Exporterzeug- Schwachen erkennen. Selbst Schwellenländer oder nisse ausgerichtet sind, so dass im globalen Kon- Entwicklungsländer mit begünstigtem naturräumli- text der begrenzten Nachfrage in den kaufkraft- chen Potential weisen Armutsgebiete und verarmte starken Industrieländern ein Überangebot aus den Bevölkerungsschichten auf, die den durchschnittli- devisenhungrigen Tropenregionen gegenübersteht. chen Verhältnissen in benachteiligteren Ländern Erst wenigen Ländern des Südens ist es gelungen, genau gleichen. Diese „Armenhäuser“ sind hin- ihre Rolle als hoch spezialisierte Rohstofflieferan- sichtlich Infrastruktur, Bildungsniveau der Bevöl- ten landwirtschaftlicher Erzeugnisse abzugeben kerung, außer-landwirtschaftlichen Einkommens- und signifikante Wachstumsraten ihrer Devisen- möglichkeiten etc. geradezu auf dramatische Wei- einnahmen zu verzeichnen. Die afrikanischen Län- se marginalisiert und von wirtschaftlichem und der südlich der Sahara hatten in den 70er Jahren technischem Fortschritt weitgehend abgeschnitten. noch einen Weltagrarmarktanteil von sechs Pro- zent. Dieser Anteil ist heute auf drei Prozent ge- Ein näheres Hinsehen auf solche Standorte fördert sunken. Ihr historisches Erbe, ihre ökologischen erschreckende Verhältnisse und Gegensätze zum und sozialstrukturellen Hemmnisse lassen Handel Rest der Welt zu Tage. Kinder zum Beispiel, die in Konkurrenz mit kapitalkräftigen Betrieben des aufgrund von Unterernährung regelmäßig im Un- Nordens oder mit dem Großgrundbesitz einem terricht in Ohnmacht fallen. Einkommensverhält- Fußballspiel ähneln, in dem eine der beiden Mann- nisse, die mit fünf bis zehn Cent pro Kopf und Tag schaften mit schweren Rucksäcken und ohne Fuß- weit unter der UN-Armutsgrenze von einem US- ballschuhe antreten muss und der Schiedsrichter Dollar liegen. Stündlich sterben 900 Menschen an gleichzeitig der Trainer des Gegners ist. Hunger und ernährungsbedingten Krankheiten. Den rund 800 Millionen chronisch Unterernährten Das Spiel wird auch dann nicht gewonnen, wenn in Tropen und Subtropen stehen die Auswüchse einige wenige Spieler mit Schuhen ausgestattet von Überfluss und Wohlstand gegenüber, wie werden. Deshalb braucht es für eine nachhaltige Übergewicht, Fettleibigkeit und Fehlernährung Verbesserung der Lebensbedingungen eine wirt- schaftliche Entwicklung, die primär dem Gros der

ärmeren Bevölkerungsschichten zugute kommt.

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Das bedeutet, dass „Cash“ in die Taschen der nung, dass längerfristig auch positive Auswirkun- Armen fließen muss, und für die meisten länd- gen auf die Armen durchsickern würden. Leider lichen Bevölkerungsgruppen wird der Handel mit blieben diese Effekte bis heute eher Illusion als eigenen Agrarprodukten die einzige Gelegenheit Wirklichkeit. Trotzdem feiern sie in neo-liberalen dazu bieten. Immer stellt sich für sie dabei eine Armutsbekämpfungsstrategien fröhliche Urstände. Wettbewerbssituation, ob sie nur für den lokalen, Strukturanpassungsprogramme, Strategien der oder sogar auch für den nationalen oder internati- Entschuldung von Weltbank und internationalem onalen Markt produzieren. Je näher aber ein Währungsfonds oder die Handelsliberalisierung im Marktplatz liegt, desto homogener die Mitkonkur- Rahmen der Welthandelsorganisation werden im- renten, desto weniger schlagen Transport, Lage- mer wieder als Beitrag zur Reduzierung von Not, rung, Haltbarmachung oder auch Qualitätsunter- Hunger und Armut in den Entwicklungsländern schiede zu Buche. Auch wenn die Anbieter auf ört- propagiert, ohne dass auch nur im geringsten ihr lichen Bauernmärkten nicht alle gleich günstige Nutzen für das Gros der Armen nachgewiesen Produktions- und Vermarktungsbedingungen vor- worden wäre. weisen, so orientieren sich doch die größeren Be- Monopolstellung weniger Unternehmen triebe mit höherem Potential in der Regel auf lukrative regionale, nationale und internationale Wettbewerb ohne Kontrolle, ohne soziale, ökologi- Märkte. Zwischenhändler spielen im kleinräumli- sche und ökonomische Regeln führt in einer Welt chen Handel eine untergeordnete Rolle und die ungleicher Handelspartner unweigerlich zur Ver- Nachfrage konzentriert sich vorwiegend auf lokal drängung der Schwächeren durch die Stärkeren, herstellbare Güter. Das ist ein Metier, in dem auch wann immer es für die Stärkeren vorteilhaft ist. Da die arme Bevölkerung eine Chance sieht. Handel Wettbewerb im Prinzip zwar dem Handel und einer hat es schon seit Jahrtausenden und wohl überall effizienten Ressourcennutzung dient, de fakto aber gegeben und ein gewisses Maß an Wettbewerb einzelnen Unternehmen ziemlich lästig werden dürfte dabei seit eh und je den Umfang und Erfolg kann, geht mit ihm stets die Versuchung einher, von Vermarktungsaktivitäten bestimmt haben. missliebige Mitkonkurrenten auszuschalten. Welt- Welche Beispiele aber gibt es dafür, dass Handel weit geschieht das bekanntlich in großem Stil. Die und Wettbewerb primär den Schwächeren genützt Konsequenz sind monopolistische Machtstruktu- und soziale Unterschiede in Agrargesellschaften ren, die das Gegenteil von Freihandel und Wett- abgebaut hätten? bewerb bedeuten. International gibt es kein Kar- tellrecht, das eine zu starke und handelsbedro- Wettbewerb hende Machtzusammenballung einzelner Unter- Für die Verfechter eines neo-liberalen Wirt- nehmen und multinationaler Firmen unterbinden schaftsmodells dient der Wettbewerb dazu, eine würde. So untergräbt der Wettbewerb seine eige- optimale Ressourcenallokation zu erhalten. Nicht- ne ideologische Grundlage. Heute schon ist in der profitable Standorte werden dadurch aus der Pro- Landwirtschaft eine extreme Konzentration im duktion verdrängt, die sich anderenfalls nur mit- Agrobusiness auf wenige dominierende Unterneh- tels überhöhter Konsumentenpreise, staatlicher men festzustellen. Wie blauäugig müssen wir sein, Subventionen und künstlicher Abschottung von die Welternährung in die Hände einiger auf Rendi- Konkurrenten behaupten können. Der Staat sollte te fixierter Manager und Aktionäre zu legen? sich weitgehend regulativer Eingriffe enthalten. Migration Damit werden, so die Theorie, der Gesellschaft Kosten erspart und Wohlstandsgewinne erzielt, die Wenn es nicht gelingt, benachteiligte, verarmte letzten Endes auch einer Armutsbekämpfung zu- Bevölkerungsgruppen von den Segnungen eines gute kommen. Aus Gründen des Wettbewerbs wirtschaftlichen Wachstums profitieren zu lassen, freigesetzte Arbeitsplätze müssen in anderen, dann werden die Armen dorthin wandern, wo sie wirtschaftlich konkurrenzfähigeren Sektoren Ver- sich ihren Teil am Wohlstand der anderen holen wendung finden. Gibt es solche Sektoren nicht, können. Wenn es sein muss, mit Gewalt. Die Mig- bleibt es der Gesellschaft, mildtätigen sozialen Ein- ration in die Städte hat heute schon Ausmaße er- richtungen oder traditionellen Selbsthilfegruppen reicht, die manchen Stadtplanern, Sicherheitsfach- überlassen, sich um die Opfer dieses Wirtschafts- leuten oder Gesundheitsexperten die Haare zu modells zu kümmern. Die dafür entstehenden Berge stehen lassen. Manche lateinamerikanische Kosten belasten jedenfalls nicht mehr die Jahresbi- Länder sind bereits zu über 90% verstädtert. Im lanzen der Unternehmen. Jahr 2030 wird über die Hälfte der Weltbevölke- rung in urbanen Ballungszentren zuhause sein. Lange Zeit beschworen die Freihandelsapologeten Damit gehen nicht nur Versorgungs- und Sicher- sog. „Trickle down-Effekte“. Dabei wurden die heitsprobleme einher, auch die Kosten für die Ge- wirtschaftlich Potenten unterstützt in der Hoff-

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sellschaft werden ungleich höher sein, als wenn Privatisierung diese Migranten in ihrer ländlichen Heimat blieben. Im Hinblick auf die ungleiche globale Wettbe- Die Trinkwasserversorgung durch Wasserleitungen werbssituation mit multinationalen Monopolisten in einer Großstadt ist nun einmal aufwendiger als auf der einen Seite und kleinen, privaten Unter- über Brunnen und Zisternen auf dem Lande. nehmern aus den Entwicklungsländern auf der an- Protektionismus deren verkommt Privatisierung öffentlicher Dienst- leistungen zur Farce. So geschehen beispielsweise Wettbewerb schafft und verschärft soziale Span- in westafrikanischen Ländern bei der Privatisierung nungen und destabilisiert demokratisch legitimier- der Wasserbehörden. Für die Bevölkerung hat sich te Gesellschaften. Er zwingt die Armen zur dabei wenig zum Guten gewendet. Ein staatliches Ressourcendegradation aus Mangel an existenzsi- Dienstleistungsmonopol wurde durch ein privates chernden Alternativen. Durch Institutionen wie ersetzt. Weder haben sich Servicequalität verbes- WTO, Weltbank und IWF, deren Ziel die Zahlungs- sert noch die Preise reduziert. Wettbewerb exis- fähigkeit und Kreditwürdigkeit eines Landes und tiert in vielen Privatisierungsprojekten höchstens weniger eine armutsorientierte Entwicklung ist, auf dem Papier, während die mächtigen Wirt- wird den hoch verschuldeten Staaten die Fähigkeit schaftsinteressensvertreter ihre „Claims“ längst zunichte gemacht, zugunsten der Armen und Be- abgesteckt haben. nachteiligten zu intervenieren. Zum Schutz der ei- genen landwirtschaftlichen und industriellen Pro- Das Feld der ökologisch, ökonomisch und sozial duktion müsste jedes Land zumindest das Recht definierten nachhaltigen Entwicklung, eines ge- behalten, seine eigenen Binnenmärkte gegen rechten und menschenwürdigen Daseins aller Billigimporte zu schützen. Das gilt umso mehr Erdenbewohner darf nicht dem freien Spiel der dann, wenn international nicht oder noch nicht Marktkräfte überlassen werden. Wir brauchen den konkurrenzfähige Sektoren und Produktionsstruk- handlungsfähigen Staat, der regulierend und aus- turen betroffen sind. Protektionismus hat heute gleichend zugunsten der Benachteiligten in das fast den Geruch eines Schimpfwortes angenom- Handelsgeschehen eingreift. Nur so kann der Men- men. Gleichzeitig sehen wir, dass wir bei der schenrechtsansatz, der neben den politischen auch Armuts- und Hungerbekämpfung bestenfalls auf die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Men- der Stelle treten. Es wird höchste Zeit, vertraute schenrechte beinhaltet, zu einem wirksamen Ent- Konventionen und Feindbilder über den Haufen zu wicklungsinstrument werden. werfen.

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Nachhaltige Finanzierung

Zweifelsohne forciert die immer weiter voranschreitende Liberalisierung der Märkte das Wachstum. Aus ökologischer und sozialer Sicht ergeben sich daraus aber immer mehr Probleme, denn wirtschaftliches Wachstum mit einem ständig steigenden Energie- und Ressourcenverbrauch erzeugt aus ökologischer Perspektive das Gegenteil von Wohlstand. Der Markt alleine ist nicht in der Lage, die natürlichen Lebensgrundlagen zu bewahren. Zwar wurden vor allem im Bereich der Umweltpolitik einige der negativen Auswirkungen bekämpft, wie Luftverschmutzung, allerdings konnten die eigentlichen Probleme wie Zer- störung der Artenvielfalt oder die Klimaänderung nicht bekämpft werden.

Zwar kann über den Markt am effizientesten der Verbrauch der eingesetzten Ressourcen gewährleistet werden, allerdings gelingt das nicht unter den gegenwärtigen Vorbedingun- gen. Vielmehr bedarf es der Veränderung der wirtschaftlichen und politischen Anreize. Um- welt- und Sozialpolitik dürfen nicht länger als der Ökonomie untergeordnet angesehen wer- den. Das Gegenteil ist richtig.

Die EU besitzt beträchtlichen Einfluss, um ökonomische und steuerliche Instrumente kom- biniert anzuwenden und legislative Maßnahmen einzuführen und umzusetzen. Sie sollte alle umweltschädlichen Subventionen so schnell wie möglich abbauen und über die öffentlichen Ausgaben bei der Beschaffung und Vergabe von Aufträgen anhand ökologischer und sozia- ler Kriterien entscheiden.

Als ein Beispiel an dieser Stelle sei auch der Emissionshandel genannt: hier werden Markt- mechanismen umweltförderlich eingesetzt, das System funktioniert aber nur dann, wenn wirklich eine Knappheit an Emissionsrechten besteht. Erste Analysen über die Verfügbarkeit der Emissionskontingente weisen darauf hin, dass dies nicht der Fall ist.

Will man in der EU geeignete Preissignale setzen, sollte die Internalisierung externer Kosten, die durch nicht-nachhaltige, zerstörerische Gewohnheiten entstehen, im Mittel- punkt stehen. Das setzt eine ökologische Steuerreform voraus, im Rahmen derer Steuern und Fördermittel dazu genutzt werden, den Markt in eine umweltfreundliche Richtung zu lenken. Daraus folgt, dass „klima-freundlicher“ Technologie zunächst ein Wettbewerbsvor- teil gegeben werden muss, indem beispielsweise ein Preis für Treibhausgas-Emissionen festgesetzt wird, der über finanzpolitische Maßnahmen (z.B. Steueranreize) oder über Höchstgrenzen und Handelssysteme geregelt wird.

Parallel muss der Marktzugang zu sauberen Technologien sichergestellt werden (z.B. über den Netzzugang für Strom aus erneuerbaren Energien).

Innerhalb des Systems kommt es darauf an, dass eine langfristige Sicherheit für Investoren etabliert wird, die es ihnen erlaubt, ihre Investitionen wieder zu erwirtschaften. Was die Förderung bei der Forschung und Entwicklung neuer Technologien angeht, sollte darauf ge- achtet werden, dass de facto ein Vorteil für die Umwelt entsteht. Wasserstoff als Energie- träger ist z.B. nur erstrebenswert, wenn die Produktion durch erneuerbare Energien ge- währleistet wird. Öffentliche Gelder sollten nicht für Forschung und Entwicklung eingesetzt werden, wenn lediglich die Rentabilität verbessert wird. Vielmehr geht es darum, die Gelder für umweltfreundliche Technologien etwa mit der öffentlichen Auftragsvergabe zu koppeln, damit die Markteinführung der neuen Technik auf diese Weise sichergestellt werden kann.

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Wie können wir uns in Zukunft Zukunft leisten?

Manfred Bergmann, Referatsleiter, GD Wirtschaft und Finanzen, Europäische Kommission, Brüssel

Noch niemals in der Geschichte Deutschlands Bereichen mit negativen Folgen für die öffentliche waren wir so reich wie heute: die Wohnungs- Gesundheit (Atemwegserkrankungen, Allergien, situation wird immer besser, die Anzahl der Autos Krebs), rapide abnehmender Artenvielfalt, der auf unseren Straßen wächst jedes Jahr auf neue Zerstörung natürlicher Biotope und zusammen- Rekordhöhen, die Autos selbst werden größer und hängender natürlicher Landschaftsräume, der Ver- besser, die Lebenserwartung steigt ständig – und sauerung von Boden und Wäldern oder der globa- die Summen auf unseren Sparguthaben und len Erwärmung des Klimas. Zum anderen äußert sonstige Vermögenswerte haben nie gekannte es sich in einem unzureichenden Ressourcen- Höhen erreicht. Wir können uns sogar den ‚Luxus’ management. Dies gilt dabei erstaunlicherweise leisten, ein Heer von über fünf Millionen Arbeits- nicht so sehr für die nicht erneuerbaren Rohstoffe losen und Sozialhilfeempfängern zu alimentieren, wie z.B. Erdöl oder Metalle wie Gold, Kupfer oder ohne dass unsere Finanzierungssysteme wirklich Nickel, bei denen angemessene Knappheitspreise zusammenbrechen oder es zu sozialen Unruhen trotz einiger zum Teil gravierender Schwankungen kommt. tendenziell zu einem Ausgleich von Angebot und Nachfrage führen. Vielmehr gilt dieses für die eher Also: wo ist das Problem? Auch in anderen Regio- erneuerbaren Rohstoffe wie z.B. Fischbestände in nen der Welt geht es wirtschaftlich aufwärts, auch den Weltmeeren, für die tropischen Regenwälder, wenn die Kluft zwischen arm und reich nicht unbe- oder eben das globale Klima. dingt kleiner wird. Doch riesige Volkswirtschaften wie China, Russland oder Indien scheinen auf dem Die Ursachen für die fortdauernden und teilweise Sprung zu sein, selbst diese Kluft zu verringern sogar zunehmenden Umweltproblem sind viel- und einen dynamischen wirtschaftlichen Aufhol- schichtig, sie lassen sich jedoch alle auf eine prozess einzuleiten. wesentliche Grundschwäche unserer Rechtsord- nung zurückführen: Die natürlichen Ressourcen Somit scheinen die Weichen für eine strahlende werden schlecht bewirtschaftet, weil die Rechts- Zukunft gestellt zu sein, oder nicht? Nun ja – wie ordnung nur unzureichend den veränderten zu erwarten war – ganz so rosig ist das Bild nun Knappheitsverhältnissen angepasst wurde. Es fehlt doch nicht, wenn man sich nämlich der Mühe in unserer Rechtsordnung noch zu häufig an ein- unterzieht, sich einmal das Gesamtbild anzu- deutig zugeordneten und durchsetzbaren Eigen- schauen. Denn dieses besteht nicht nur aus einem tumsrechten an den natürlichen Ressourcen. Die ökonomischen Teil, sondern auch aus sozialen, wesentlichen Ursachen für diese Schwäche unserer ökologischen oder institutionellen Komponenten. Rechtssysteme fallen in drei Kategorien: Unter diesen Gesichtspunkten stellt z.B. die · Zum einen kam die Verknappung häufig Existenz von über fünf Millionen Arbeitslosen und schleichend: in früheren Zeiten freie Güter wie Sozialhilfeempfängern der Gesellschaft und ihrer sauberes Wasser oder saubere Luft wurden durch Elite ein Armutszeugnis aus – ganz zu schweigen das Bevölkerungswachstum, die Industrialisierung von den sozialen und institutionellen Konse- und die massive Verbrennung fossiler Energieträ- quenzen. Gleiches mag für die Verteilungsdynamik ger mit der Zeit knapp. Die Rechtsordnung rea- von Einkünften und Besitz gelten, wo die Schere giert jedoch typischerweise mit einem erheblichen zwischen arm und reich immer weiter auseinander Zeitverzug auf solche schleichende Veränderungen zu klaffen scheint. des Status quo. Was ist das Problem? · Die Kausalbeziehungen zwischen der Dosis Auch in Bezug auf die ökologische Komponente ist (Umweltverschmutzung) und dem Effekt (z.B. auf ganz klar, dass etwas gewaltig schief läuft, denn die Gesundheit der Menschen) waren oft unbe- der Faktor Umwelt wird knapp. Dies äußert sich kannt, und vermutete Kausalzusammenhänge zum einen – trotz einiger unbestreitbarer Fort- konnten oft nicht oder nur sehr schwer nachgewie- schritte auf lokaler und regionaler Ebene - in zu- sen werden. Dies galt insbesondere für die Aus- nehmender Umweltverschmutzung in vielen wirkung der Luftverschmutzung oder die Ver- schmutzung von Boden, Grund- und Oberflächen-

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wasser mit bis dahin unbekannten Abfallsubstan- Denn sie wirken nur dann, wenn das unange- zen, bei denen man häufig zunächst nicht einmal messene Verhalten auf ein Informationsdefizit zu- wusste, dass sie als Nebenprodukte eines indus- rück zu führen ist. Ist jedoch das Kosten-Nutzen- triellen oder anderen Produktionsprozesses über- Kalkül verzerrt, liegt die Notwendigkeit einer An- haupt entstanden waren. reizänderung vor: über eine Änderung der Zuord- nung von Eigentumsrechten, mit Strafen bewehr- · Schließlich sorgte auch ein starker Widerstand ten Regulierungen oder der Etablierung positiver von den potentiell negativ Betroffenen einer und negativer finanzieller Anreize kann in der Rechtsänderung zu erheblichen Zeitverzögerungen Regel recht effektiv auf das Verhalten der Akteure bei der adäquaten Anpassung der Rechtsordnung. eingewirkt werden. Dies machen sich die Umwelt- Denn solche Änderungen führen in der Regel zu politik und die Umweltgesetzgebung auf allen vergleichsweise hohen Kostensteigerungen bei der staatlichen Ebenen zunutze. relativ kleinen Gruppe der regulierten Akteure, während der potentielle Nutzen weit gestreut war Instrumente der Umweltpolitik und häufig auch erst sehr viel später anfällt als die Ohne in die Details der gegenwärtigen Umwelt- Kosten. politik einzugehen, lohnt es sich kurz zu skizzie- Ausnahmen von diesen Regeln waren somit nur ren, welche grundlegenden Kategorien von dann zu erwarten, wenn Katastrophen oder über- Instrumenten der Umweltpolitik existieren: zeugende Katastrophenszenarien die Zweifel an · Da sind zum einen die Regulierungen: Sie oder Widerstände gegen Rechts- und Verhaltens- schreiben entweder Grenzwerte für Emissionen änderungen quasi überrollten. Beispiele waren die und Immissionen vor, oder definieren zu errei- Smogproblematik, die in den späten 60er Jahren chende Mindeststandards bei der Umweltqualität in das Blickfeld der Öffentlichkeit rückte, die (wie z.B. Luftqualitätsstandards), bei deren Unter- Diskussion über das Waldsterben in den 80er Jah- schreitung besondere Maßnahmen getroffen wer- ren oder – in jüngerer Zeit - das Ozonloch und der den. Alternativ können sie auch Nutzungsbe- globale Klimawandel. schränkungen (z.B. in Natur- oder Wasserschutz- Was sind viel versprechende Lösungsansätze? gebieten) vorsehen, oder aber das Verbot von ge- fährlichen Substanzen. Auch das Umwelthaftungs- Ziel aller viel versprechenden Lösungsansätze recht kann in diesem Licht gesehen werden. Es muss sein, Verhaltensänderungen einzuleiten, die bildet aber bereits eine Brücke zur nächsten Kate- zu weniger die Umwelt gefährdendem Handeln gorie, den positiven oder negativen finanziellen führen und die eine klare Entkopplung von Wirt- Anreizen. schaftswachstum und Umweltverschmutzung be- wirken. Um solche Verhaltensänderungen zur Re- · Finanzielle Anreize (so genannte marktwirt- duzierung der Umweltverschmutzung und Umwelt- schaftliche Instrumente wie z.B. Ökosteuern und – zerstörung zu erreichen, gibt es im Wesentlichen abgaben, Subventionen oder Preisgarantien, z.B. zwei wirkungsvolle Ansatzpunkte: der eine sind in Form einer garantierten Einspeisevergütung für Informationskampagnen, der andere sind verän- Windenergie) zeichnen sich dadurch aus, dass derte rechtliche Rahmenbedingungen. zielgerichtetes Verhalten oder der Einsatz umwelt- freundlicher Technologien zu finanziellen Vorteilen Informationskampagnen können dann ein wichti- führen, während nicht zielgerichtetes Verhalten ges Instrument des Umweltschutzes sein, wenn es oder der Einsatz nicht umweltfreundlicher Techno- lediglich aufgrund eines vorliegenden Informa- logien finanzielle Einbußen zur folge haben. tionsdefizits über die Folgen umweltschädlichen Handelns zu negativen Umweltauswirkungen · Schließlich sind auch Anstrengungen zur Be- kommt. Durch die zusätzlichen Informationen hebung von Informationsdefiziten ein Kernelement können die Auswirkungen dann in das individuelle (europäischer Umweltpolitik), wobei zwei Zielrich- Kosten-Nutzen-Kalkül integriert werden (Internali- tungen zu unterscheiden sind: Zum einen gibt es sierung externer Effekte), und das Verhalten kann die Investitionen in Forschung und Entwicklung, sich dementsprechend ändern. Dieser Mechanis- um Zusammenhänge zu erkennen und Lösungs- mus kann sowohl bei den Umweltverschmutzern möglichkeiten zu entwickeln, so dass der Gesetz- selbst greifen, wie auch bei den Gesetz gebenden geber auf adäquat abgesicherter Basis Entschei- Politikern: Jede Änderung der Rechtsordnung soll- dungen treffen kann. Zum anderen gibt es die te auf gesicherten (neuen) Erkenntnissen beruhen, Informationskampagnen und Informationsver- die eine solche Rechtsänderung nahe legen. pflichtungen, wie z.B. Energielabel bei Haushalts- geräten, die Informationslücken – vornehmlich Doch häufig oder sogar fast immer ist es mit auf- beim Verbraucher - schließen und damit zu Verhal- klärenden Informationskampagnen nicht getan. tensänderungen anregen sollen. In diesen Bereich

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fallen auch Informationsverpflichtungen durch die muss sich finanziell lohnen. Anreize können die Unternehmen selbst, wie z.B. in ihrem Rech- obige Ausgestaltung annehmen – Subventionen, nungswesen. Ökosteuern, Strafen für Umweltverschmutzung, Umwelthaftungsrecht usw. All dieses sind Instru- Unternehmer und Verbraucher mente zur Beeinflussung der Renditeerwartungen Unternehmer und Verbraucher reagieren im Prin- für zu finanzierende Aktivitäten. Sobald die institu- zip rational auf die Anreize, denen sie ausgesetzt tionellen Rahmenbedingungen stimmen, kann er- sind, leider sind diese jedoch noch häufig angetan, wartet werden, dass die Finanzmärkte genügend umweltgerechtes Verhalten zurück zu drängen, Ressourcen zur Erreichung umweltpolitischer Ziele weil solch ein Verhalten heutzutage in der Regel bereitstellen. Und umgekehrt: Stimmen die noch zu zusätzlichen Kosten (seien es pekuniäre Rahmenbedingungen nicht, so sollte man sich Kosten oder auch nur Transaktionskosten) führt, nicht wundern, dass auf den Finanzmärkten nicht dem gleichzeitig meist kein zusätzlicher Nutzen genügend Mittel für umweltfreundliche Aktivitäten gegenüber steht: bereitgestellt werden. Dann muss – als qualitativ unterlegene Lösung – der Steuerzahler selbst beim · Preissignale / Renditeerwartungen: In der Gros umweltfreundlicher Initiativen für eine Regel ist es immer noch so, dass nicht umwelt- (Teil)Finanzierung sorgen. schädliches, sondern umweltbewusstes Verhalten finanziell bestraft wird, weil die (positiven oder Initiativen auf europäischer Ebene negativen) Umweltauswirkungen bestimmter Auf europäischer Ebene gibt es eine Vielzahl von Produktionsprozesse nicht ins Preissystem inte- Instrumenten, die zum Einsatz kommen, um den griert sind. Dies gilt sowohl für private Haushalte Umweltschutz in Europa zu fördern. Da sind zum wie auch für Unternehmer: Eier aus artgerechter einen natürlich die klassischen Regulierungen, wie Freilandhaltung, biologisch angebautes Gemüse z.B. Emissionsstandards bei Kraftfahrzeugen oder oder zertifizierte Tropenhölzer sind normalerweise Großfeuerungsanlagen. Da sind zum anderen aber deutlich teurer als die weniger umweltgerechten auch all die finanziellen Anreize, von denen weiter Alternativen. Auch Unternehmen profitieren allen- oben gesprochen wurde. falls in Form eines besseren Images von hohen Investitionen in umweltfreundlichere Produktions- Zum anderen beinhalten aber auch die großen methoden, ein höherer Preis zur Kompensation Ausgabenblöcke des Haushaltes der Europäischen höherer Produktionskosten läßt sich am Markt wei- Union eine starke Umweltkomponente. Viele von testgehend nicht durchsetzen. den Struktur- und Kohäsionsfonds finanzierten Infrastrukturvorhaben, z.B. im Bereich der Ab- · Regulierungen: Umweltregulierungen ver- wasserentsorgung, Kläranlagen oder im Bereich suchen, diese verzerrten Preissignale und Rendite- des Abfallmanagements haben als Hauptziel die erwartungen zu korrigieren. Da sie jedoch norma- Förderung der Umwelt und der öffentlichen Ge- lerweise mit Einschränkungen und Kosten verbun- sundheit. Gleiches gilt im Bereich der Landwirt- den sind, konkurriert auch hier umweltgerechtes schaft, wo es ein Ziel der Agrarpolitik ist, eine die (sprich: gesetzestreues) Verhalten mit Alternati- natürlichen Ressourcen schonende Landwirtschaft ven, die aus sich heraus für die Akteure oft zu fördern. Aber auch bei anderen Ausgaben- günstiger sind: die Trennung des Hausmülls ist blöcken, wie z.B. den Investitionen zur Vervoll- aufwendig, der Einbau von Filtern zur Säuberung ständigung transeuropäischer Transportnetze wird der Abluft oder des Abwassers ist teuer usw. Nur streng auf die Einhaltung europäischer und natio- wenn in solchen Fällen umweltschädliches Verhal- naler Umweltnormen geachtet. ten hinreichend strafbewehrt ist, kann mit um- weltgerechtem Verhalten gerechnet werden. Schließlich gibt es auch noch eine Vielzahl finan- zieller Förderprogramme, deren gemeinsamer Finanzmärkte Nenner es ist, Pilotprojekte zur Förderung neuer Banken und Versicherungen sind, wie andere Technologien und zur Förderung der Marktreife / Unternehmen auch, Rendite orientierte Unter- Marktdurchsetzung anzustoßen. Im Energiebereich nehmen: Die Rendite muss stimmen. Nur aus werden z.B. die Entwicklung alternativer Energien, kosmetischen Gründen können vereinzelt auch neue Technologien zur Energieeinsparung und zur Investitionen und Unternehmen gefördert werden, Steigerung der Energieeffizienz oder aber auch die deren Rendite nicht stimmt, deren Förderung aber Wasserstofftechnologie oder die Entwicklung von gut für das Unternehmensimage ist. Somit werden Brennstoffzellen gefördert. Im Umweltbereich gibt Umweltrisiken im Prinzip nur berücksichtigt, wenn es ebenfalls zahlreiche Programme, wie z.B. das sie auch Auswirkungen auf die Renditeerwartun- Life Programm, die Förderung nachhaltiger Städte, gen haben. Mit anderen Worten: Umweltschutz

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die Förderung von Nichtregierungsorganisationen Bankensektors und anderer Finanzdienstleister. usw. Primäre Aufgabe der Unternehmen bleibt es, zu produzieren, Dienstleistungen anzubieten und Ge- In diesem Zusammenhang muss allerdings auch winne zu machen. In einer Marktwirtschaft sind auf das Subsidiaritätsprinzip hingewiesen werden: nicht-ökonomische Ziele diesen ökonomischen Zie- Vorrangige Aufgabe der europäischen Ebene ist es, len normalerweise unterzuordnen. Dies gilt auch dort den Rahmen richtig zu setzen, wo es einen in- für soziale und ökologische Ziele. ternationalen Mehrwert gibt, z.B. dann, wenn es um grenzüberschreitende Umweltverschmutzung · Es ist vielmehr Aufgabe der Gesellschaft und geht, oder wenn unkoordinierte nationale Grenz- des für die Gesellschaft handelnden Gesetzgebers, werte zu einer Störung des freien Waren- oder dafür zu sorgen, dass sich Umweltschutz (wieder?) Dienstleistungsverkehrs führen würden. Finanzielle lohnt – und dies ist im ursprünglichen Sinn des Förderprogramme sollten jedoch vornehmlich auf Wortes zu verstehen. nationaler Ebene – und unter Einhaltung europäi- · Idealerweise sollte der Gesetzgeber bei dieser scher Spielregeln, z.B. in Bezug auf die Subventi- Gelegenheit nicht versuchen, die Marktkräfte aus- onsordnung - ausgestaltet werden. Die Aufgabe zuhebeln. Vielmehr sollte er sie sich zunutze ma- der Europäischen Union kann hier allenfalls sein, chen, z.B. durch den Einsatz sogenannter markt- Anstöße zu geben und Pilotprojekte zu fördern. wirtschaftlicher Instrumente, die versuchen, die Dieses geschieht auch. richtigen Anreize über veränderte relative Preise Schlussfolgerungen zu setzen.

Können wir uns in Zukunft noch Zukunft leisten? · Gleichzeitig sollte der Gesetzgeber auch auf Wenn ja: wie können wir sie uns leisten? Das bis- den Investitionszyklus potentiell zu regulierender her gesagte sollte Folgendes klar gemacht haben: Industrien und Sektoren Rücksicht nehmen. Das Leitmotiv bei jeder notwendigen Verschärfung des · Natürlich können wir es uns leisten, mehr in Umweltrechts sollte in diesem Zusammenhang den Umweltschutz und eine nachhaltige Entwick- immer sein: glaubwürdige aber graduelle Ver- lung zu investieren. Wir sind so reich wie nie zu- schärfung. Denn die Lösung kaum eines Umwelt- vor, und es sieht nicht so aus, als sollte sich in na- problems verlangt wirklich nach einer Schockthe- her Zukunft daran etwas ändern. rapie. · Wir sollten auch mehr in den Umweltschutz Eine diesen Punkten folgende Umweltpolitik sollte und in eine nachhaltige Entwicklung investieren, auch dazu führen, dass Investitionsmittel bereit- weil es nach wie vor in vielen Bereichen nicht ge- gestellt werden, die es uns erlauben sollten, in die lungen ist, das Wirtschaftswachstum mit dem Er- Zukunft auch unserer Kinder und Kindeskinder zu halt der Umwelt in Einklang zu bringen. investieren. · Allerdings ist es in einer Marktwirtschaft nicht primäre Aufgabe der Unternehmen, aus sich her- aus in dieser Richtung initiativ zu werden. Dies gilt sowohl für das produzierende Gewerbe wie auch für das Dienstleistungsgewerbe einschließlich des

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Zukunftsinvestitionen ermöglichen Gerhard Schick, Projektmanager, Bertelsmann Stiftung

Um die Frage, die über dieser Veranstaltung steht, fallen nicht in den Gebietskörperschaften an, in gleich vorweg zu beantworten: Ja, wir können uns denen Bürger und Unternehmen öffentliche Leis- in Zukunft noch Zukunft leisten, wenn wir die tungen nutzen. Gleiches gilt für den Standortwett- wichtigsten Fehler in der Finanzpolitik überwinden. bewerb zwischen den deutschen Bundesländern. Diese führen derzeit dazu, dass wir es uns Auf europäischer Ebene gelingt es kleinen Län- „leisten“, wichtige Zukunftsinvestitionen zu unter- dern, durch besonders günstige Ausnahmerege- lassen und gleichzeitig neue Schulden anzuhäufen. lungen für ausländische Investoren, steuerliche So nimmt die Fähigkeit, die Schulden zu tragen Bemessungsgrundlagen aus den großen Mitglied- ab, während gleichzeitig die Schulden ansteigen. staaten anzulocken. Denn während sich die Wert- Im folgenden will ich an vier Punkten deutlich schöpfung an den realen Standortbedingungen machen, wo die gravierendsten Fehler liegen, die orientiert, wird die steuerliche Bemessungsgrund- zu diesem nicht nachhaltigen Zustand führen. lage dorthin verlagert, wo sich – häufig unter Aus- Nachhaltige Finanzpolitik nutzung komplizierter Konzernstrukturen und mehrerer Doppelbesteuerungsabkommen – opti- Die wissenschaftliche Auseinandersetzung dar- male steuerliche Bedingungen realisieren lassen. über, welche Indikatoren zur Abbildung von Nach- Deshalb können sich viele Staaten eine gute haltigkeit geeignet sind, hat zwar keinen optimalen Standortpolitik, die an der Produktion von Gütern Nachhaltigkeitsindikator hervorgebracht. Eindeuti- und Dienstleistungen orientiert ist, nicht mehr ges Ergebnis ist jedoch, dass sich das in der leisten. Darüber hinaus gibt es einen Wettbewerb finanzpolitischen Praxis und in der öffentlichen um Steuerhinterziehungskapital, den solche Staa- Diskussion herangezogene jährliche Budget-Defizit ten gewinnen, die Betrügern aus Nachbarstaaten besonders schlecht eignet, um die Tragfähigkeit Schutz bieten. Diese Betrüger beziehen dann an eines finanzpolitischen Pfades einzuschätzen. ihren Wohnorten öffentliche Leistungen, verlagern Trotzdem greift auch der Stabilitäts- und Wachs- aber die Steuerzahlung ins Ausland. Auch diesbe- tumspakt mit seiner 3%-Regel auf dieses Kriteri- züglich zahlt sich gute Standortpolitik also nicht um zurück. aus. Diese beiden Probleme der europäischen Fi- Eine Reform dieses Paktes müsste drei Aspekte nanzordnung ließen sich lösen: das erste durch ei- umfassen: ne einheitliche konsolidierte Bemessungsgrundlage · eine stärkere Orientierung an geeigneten für die Unternehmensbesteuerung im europäi- quantitativen Indikatoren (z.B. Primärsaldo), schen Binnenmarkt, das zweite durch automati- sche Kontrollmitteilungen über Kapitalerträge an · eine verbesserte Durchsetzung der reformier- die heimischen Finanzämter. Die kleinen europäi- ten Regeln, indem die Kommission in diesem Pro- schen Mitgliedstaaten, die von der derzeitigen zess gegenüber dem Rat, also gegenüber den Mit- Lage profitieren, verhindern jedoch eine solche gliedstaaten gestärkt wird, Lösung. · eine stärkere Berücksichtigung der Qualität der öffentlichen Haushalte, also der Haushalts- Innerhalb Deutschlands bewirkt die Finanzverfas- struktur. Derzeit ist der Anteil zukunftsgerichteter sung Ähnliches: Die Erträge, die eine Universität Ausgaben viel zu gering. erwirtschaftet, bringen dem Bundesland, das diese Universität betreibt und den Studenten BaföG Darüber hinaus müsste der Stabilitätspakt in die zahlt, in vielen Fällen nichts. Das gilt gerade für innerdeutsche Finanzverfassung übertragen die ostdeutschen Bundesländer, deren Studenten werden, damit die Verantwortlichkeiten zwischen mangels Jobs nach dem Diplom in andere Bundes- Bund und Ländern klar aufgeteilt sind. länder ziehen und dort Steuern zahlen. Umgekehrt Gute Politik muss sich lohnen lohnt es sich, an der Finanzverwaltung zu sparen. Derzeit führt eine Schieflage im Steuerwettbewerb Denn von dem Geld, das Steuerprüfer zusätzlich zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen einnehmen, bleibt praktisch nichts im Haushalt des Union dazu, dass sich gute Politik fiskalisch nicht Landes, das den Steuerprüfer bezahlen muss. Ü- lohnt. Denn die Steuereinnahmen, die durch gute ber den Länderfinanzausgleich fließt das Geld an Politik zusätzlich fließen, weil mehr wirtschaftliche den Bund und an die anderen Bundesländer. Gute Aktivität entsteht und die Rendite privater Investi- Politik im Sinne einer wirksamen Durchsetzung des tionen aufgrund öffentlicher Vorleistungen steigt, geltenden Rechts lohnt sich also auch hier nicht.

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Dieses Anreizproblem ließe sich lösen, indem die für die Bürger offenlegen.16 Innerhalb Deutsch- Steuerverwaltung dem Bund unterstellt wird. Doch lands ist die Finanzierung des Fernstraßenbaus, die großen Bundesländer beharren auf ihrer Zu- aber auch die Zusammenarbeit der verschiedenen ständigkeit für die Steuerverwaltung, obwohl sie staatlichen Ebenen im Rahmen des Gemeindever- sich gegenseitig seit Jahren selbst schaden und die kehrsfinanzierungsgesetzes ein Beispiel von Haushaltslöcher immer größer werden. Die kleinen Intransparenz und mangelnder öffentlicher Kon- Bundesländer äußern zwar insgeheim Sympathie trolle. Ein wichtiger Schritt in Richtung Transpa- für eine Bundessteuerverwaltung, haben sich aber renz könnte deshalb durch die Föderalismusreform von den großen Ländern ins Boot nehmen lassen erreicht werden. Die Informationsfreiheitsgesetze und unterstützen nun die angeblich länderfreundli- der Länder, die Bürgern und damit natürlich auch che Position der großen Länder. Medienvertretern Einblick in staatliche Unterlagen Transparenz und Kontrolle gewähren, sollten außerdem unbedingt durch ein Informationsfreiheitsgesetz des Bundes ergänzt Voraussetzung für rationale Entscheidungen über werden, das einige Ministerien bisher verhindert Finanzen ist die Transparenz der Finanzstrukturen haben. und die mögliche Kontrolle durch Bürger und Öf- fentlichkeit. Diese Voraussetzungen sind gerade in Ökologische Finanzreform der Europäischen Union nicht gegeben. Die Union Noch immer finanziert der Staat die Umweltzerstö- finanziert sich über das sogenannte Eigenmittel- rung mit und erleichtert umweltschädliches Verhal- system. Darin ist festgelegt, wie viel die einzelnen ten durch Steuervorteile. Dies verstößt gleich dop- Mitgliedstaaten zugunsten des EU-Haushalts nach pelt gegen Kriterien einer nachhaltigen Finanzpoli- Brüssel abführen müssen. Dieses System ist selbst tik. Zum einen werden staatliche Ressourcen ver- für Experten schwer durchschaubar. Das liegt u.a. schwendet, die für wichtige Zukunftsinvestitionen auch am Beitragsrabatt für Großbritannien, der fehlen. Zum anderen wird die Umweltzerstörung aufgrund des Widerstands der Briten nicht abge- vorangetrieben und somit die Lebensgrundlagen schafft werden kann, obwohl die Voraussetzungen, künftiger Generationen gefährdet. Das gilt zum die zu seiner Einführung geführt haben, nicht Beispiel für die Privilegierung von Kerosin bei der mehr gegeben sind. Des Weiteren wird in der Re- Mineralölbesteuerung, für die Entfernungspauscha- gel über die „Nettozahlung“ eines Landes disku- le und die Eigenheimzulage. Zu nennen sind aber tiert. Dies ist extrem verwirrend: Denn die Saldie- auch hier wieder – zumindest zu großen Teilen – rung von allgemeiner Steuerzahlung von Bürgern die Agrarsubventionen der Europäischen Union und Unternehmen einerseits und spezifischen Sub- und die Kofinanzierungsmittel von Bund und Län- ventionen, z.B. für die Landwirtschaft andererseits dern, mit denen nichtnachhaltige Produktionswei- gibt wenig Sinn. Für die meisten Bürger ist die sen in der Landwirtschaft unterstützt werden. So- Bruttozahlung relevant, weil sie aus dem EU-Topf lange solche Ausgaben noch getätigt werden, nichts zurückerhalten. Nur für bestimmte Regio- bleibt die Aussage, dass wir uns Zukunftsinvestiti- nen, die Regionalförderung erhalten (wie die ost- onen nicht mehr leisten können, zynisch: Natürlich deutschen Bundesländer), gäbe eine Saldierung könnten wir uns in Deutschland, in Europa viel Sinn. Die Folge dieser intransparenten Finanzie- mehr Zukunft leisten, wenn wir nicht fern der rung ist, dass Sachrationalitäten Steuererleichterungen und Aus- · die Bürger die Kosten der europäischen Politik gaben beschließen würden. Sinnvolle Indikatoren massiv überschätzen, und Sanktionsmechanismen, die die Finanzpolitik auf den Weg der Nachhaltigkeit leiten, eine geeig- · durchsetzungsstarke Interessengruppen wie nete Rahmenordnung für den Steuerwettbewerb in die Landwirte ein Großteil der europäischen Deutschland und Europa, die dazu führt, dass sich Ressourcen in ihre Taschen lenken können und gute Politik wieder lohnt, die Verbesserung von dabei in der Öffentlichkeit sogar noch als Verlierer Transparenz und Kontrolle und die Abschaffung der europäischen Integration gelten und widersinniger Subventionen auf der Einnahmen- · die Finanzminister in Brüssel eine Art schwarze und Ausgabenseite des Haushalts würden dazu Kasse haben, weil sie zunächst viel nach Brüssel führen, dass die öffentliche Hand wieder in der La- überweisen, am Jahresende jedoch in der Regel ge ist, Zukunftsinvestitionen zu tätigen. Was Not aufgrund nicht abgeschöpfter EU-Mittel einen Teil tut ist, die Voraussetzungen in der deutschen und des Geldes wieder zurückbekommen. der europäischen Verfassung dafür zu schaffen, Abhilfe schaffen könnten europäische Steuern oder dass dieser Weg tatsächlich beschritten werden

national erhobene Zwecksteuern für die Finanzie- kann. rung des EU-Beitrags, die die Höhe dieses Beitrags

16 Vgl. dazu Märkt, Jörg / Schick, Gerhard: Braucht die EU eine eigene Steuer? Deutsche Steuer-Zeitung, 1-2. 27- 35.

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Autor/innen

Günther Bachmann

Leiter der Geschäftsstelle des Rates für Nachhaltige Entwicklung

Studium der Landschaftsplanung an der TU Berlin bis 1978, verschiedene Forschungsaufträge an der TU, ab 1983 Mitarbeiter im Umweltbundesamt, seit 1992 als Fachgebietsleiter "Bodenschutz". Studien- und Forschungsaufent- halte am Europäischen Hochschulinstitut (Jean Monnet Stipendium), in den USA; Auslandsarbeiten in Brasilien, Ungarn, Spanien. In den letzten Jahren maßgeblich an der Entstehung des Bodenschutzgesetzes von 1999 betei- ligt. Schwerpunkte: Handlungspflichten der Verursacher bei Kontamination des Bodens und des Grundwassers, Umweltqualitätsziele, Vorsorge bei der Bodennutzung. Herausgeber von Loseblattwerken, Verfasser von Kommen- taren zum Bodenschutzgesetz, div. Aufsätze. Seit April 2001 Leiter der Geschäftsstelle des Rates für Nachhaltige Entwicklung - www.nachhaltigkeitsrat.de.

Manfred Bergmann

Referatsleiter, GD Wirtschaft und Finanzen, Europäische Kommission, Brüssel

Diplom-Volkswirt. 1992 PhD, Dr. rer. pol., Thema: Rationale Kompetenzverteilung im Prozess der europäischen Integration. Seit 1988 in der GD Wirtschaft und Finanzen, Europäische Kommission. Seit 1997 Head of Unit der Direktion “Economic evaluation of environment, transport and energy policies”. 1992 – 1995: Monitoring und Ana- lyse der ökonomischen Entwicklung und der ökonomischen Politiken in ausgewählten Ländern Zentral- und Osteu- ropas (Tschechische Republik, Slowakei, Ukraine, Slowenien). Analyse der makro- und mikroökonomischen As- pekte im Transitionsprozess. 1988 – 1992: Monitoring und Analyse der ökonomischen Entwicklung und der öko- nomischen Politiken in Deutschland während und nach der Vereinigung. 1993 Mitglied der Arbeitsgruppe "The Role of Community Public Finance". 1990 Unterstützung der Task Force “Deutsche Vereinigung”. 1984 – 1988 Assis- tenzprofessor am “ Institute for Public Finance”, Universität Münster.

Tile von Damm

Leiter von Perspektiven Globaler Politik

Studium der Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin und der Philipps-Universität Marburg. Von 2001-2002 in Washington, D.C.; dort u.a. für die Heinrich Böll Stiftung und das Goethe Institut Inter Nationes in Los Angeles Konzeption und Organisation der transatlantischen Konferenz „Diving Into the Digital Age: Film and New Media". 1996-1999 bei Sony Music Germany im Bereich Marketing und Promotion. Zahlreiche Veröffentli- chungen zur Ausgestaltung der Europäischen Union, zur internationalen Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik und zur Weltinformationsgesellschaft.

Josef Göppel

Mitglied des Deutschen Bundestages, CSU

Geboren am 16. August 1950, 1972 Staatsprüfung zum Revierförster und Diplom-Forstingenieur (FH). Von 1973 bis 1994 Förster in Herrieden. Seit 1972 gehört er in seiner Heimatgemeinde Herrieden ununterbrochen dem Stadtrat an. Von 1984 bis 2002 war er Fraktionsvorsitzender - Bezirkstag Mittelfranken. Von 1974 bis 1994 arbei- tete er im mittelfränkischen Bezirkstag, in den letzten vier Jahren als Vorsitzender der CSU-Fraktion. Von 1994 bis 2002 vertrat er den Stimmkreis Ansbach-Süd im Bayerischen Landtag. Von 1999 bis 2002 arbeitete er als einer von fünf CSU-Abgeordneten in der Enquete-Kommission "Neue Energiepolitik" mit. Am 22. September 2002 wur- de Josef Göppel mit 56,4 Prozent der Stimmen als Direktabgeordneter für den Wahlkreis Ansbach - Weißenburg - Gunzenhausen in den Deutschen Bundestag gewählt. Er arbeitet dort in folgenden Gremien: Umweltausschuss, Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union, Parlamentarischer Nachhaltigkeitsrat, Arbeitsgruppe Kommunalpolitik, Deutsch-Französische Parlamentariergruppe. 1991 wurde er als Nachfolger von Alois Glück zum Landesvorsitzenden des Arbeitskreises Umweltsicherung und Landesentwicklung der CSU gewählt. 1997 Berufung in den ökologischen Beirat der Umweltbank Nürnberg. 1999 Mitglied in Eurosolar (internationale Vereinigung zur Förderung erneuerbarer Energien). 2000 Berufung in das Deutsche Nationalkomitee des UNESCO-Programms "Der Mensch und die Biosphäre".

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Nika Greger

Leiterin Berliner Geschäftsstelle, DNR

Nika Greger leitet seit Mai 2002 das Berliner Büro des Deutschen Naturschutzrings (DNR), dem Dachverband der deutschen Umwelt- und Naturschutzverbände. Sie ist für den Bereich Europäische und Internationale Umweltpoli- tik zuständig. Deutsches Mitglied im Vorstand vom Europäischen Umweltbüro (EEB) und Mitglied im Leitungskreis des Forums Umwelt und Entwicklung. Davor leitete sie drei Jahre des Nord-Süd Dialog-Programm der Heinrich Böll Foundation in Washington, DC. Studium der Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin und der Philipps-Universität Marburg. Zahlreiche Veröffentlichungen zur internationalen Umwelt- und Nachhaltigkeits- politik, zur Entwicklunsgfinanzierung und zur Ausgestaltung der Europäischen Union.

Christian Hey

Generalsekretär des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen (SRU)

Geboren 1961, Diplomverwaltungswissenschaftler, Dr. phil. Verschiedene Bücher und Publikationen über die europäische Umweltpolitik, 1990 - 1997 Projektleiter EURES - Institut für regionale Studien in Europa, 1997 - 2001 Politischer Direktor European Environmental Bureau (EEB). Seit 2001: Generalsekretär SRU.

Harry Lehmann

Leiter des Institute for Sustainable Solutions and Innovations

Geboren am 30.11.54 in Lima, Miraflores (Peru). Von 1980-1985 Mitglied der „UA1“ Kollaboration. Suche und Entdeckung der intermediären Vektorbosonen am Proton-Antiproton-Speicherring des CERN. 1984 Abschluss des Physikstudiums mit der Diplomarbeit bei Prof. Dr. Faissner (III Physikalisches Inst. Teil A, RWTH Aachen zur: „Entwicklung und Betrieb eines schnellen Myon Auslösesystems für das UA1 Experiment am Proton-Antiproton- Speicherring des CERN“. 1985 Gründung des Ingenieur Büros „UHL Data“ für Softwareentwicklung. Ab 1987 Er- weiterung des Tätigkeitsbereichs auf die Bereiche: Systemanalyse und Systemsimulation in der Energietechnik und im Umweltschutz. Zwischen 1985 - 1998 Lehraufträge an der Fachhochschule Aachen, Fachbereich Physikali- sche Technik und Fachbereich Kerntechnik und Biotechnik. 1991 Berufung zum Leiter der Systemanalyse und Si- mulation am „Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie“ des Wissenschaftszentrums NRW. 1992 - 1999 stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Sektion von Eurosolar und Mitglied des europäischen Vorstandes, später Vorsitzender der Deutschen Sektion. 1994 - 1998 Mitglied des „Round Table erneuerbare Energien“ der Preisaufsicht des „Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie“ des Landes NRW. 1996 bekam er den Buchpreis „Lesen für die Umwelt“ durch die Deutsche Umweltstiftung für das Buch: „Zukunftsenergien - Strate- gien einer neuen Energiepolitik“ (geschrieben mit T. Reetz; Birkhäuser Verlag, 1995) verliehen. 1996 - 2000 Mit- glied des Gründungs-Vorstandes des „European Business Council for a Sustainable Energy Future - E5“. Seit 1997 Mitglied des wiss. Beirats des Projektes „50 Solarsiedlungen“ des Landes NRW. 1998 - 2000 Mitglied des Auf- sichtsrats Naturstrom AG. Seit 1998 Mitglied des „Factor 10 Club“, Carnoules, Frankreich. Von 1999 - 2000 Leiter des Forschungsbereichs des Präsidenten des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie. 1999 - 2003 Mit- glied der Enquete-Kommission des Bayerischen Landtages „Mit neuer Energie in das neue Jahrtausend“. 2000 - 2002 Mitglied der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und der Liberalisierung“. Berichterstatter der rot/grünen Gruppe zu den Energie- szenarien der Enquete-Kommission. Von 2000-2003 im Rahmen eines Beratervertrages: Director of the „Solutions and Innovations Unit“ bei Greenpeace International, Amsterdam. Seit 2000 Vizepräsident Eurosolar und seit 2001 Mitglied des „World Renewable Energy Council“. 2001 Gründung und Betrieb des „Institute for Sustainable Soluti- ons and Innovations“. 2001-2002 Lehraufträge an der Universität Lüneburg im Fachbereich Umweltwissenschaf- ten: „Einführung in die erneuerbaren Energien“ und „Einführung in die Physik der regenerativen Energiequellen“. 2003 Promotion an der Universität Lüneburg im Fachbereich Umweltwissenschaften mit dem Thema: „Struktur und Dynamik von Energiesystemen auf Basis erneuerbarer Energien“.

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Steffi Lemke

Politische Bundesgeschäftsführerin Bündnis 90/Die Grünen

Geboren 1968 in Dessau. Seit 2002 Politische Bundesgeschäftsführerin Bündnis90/Die Grünen. 1998-2002 Parla- mentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen. Mitglied und Obfrau im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, Mitglied im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie im Petitionsausschuss. Stellv. Mitglied im Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder, im Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswe- sen, 1994 - 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages. Mitglied im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Stellv. Mitglied im Ausschuss für Verkehr, sowie im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- cherheit. 1993 - 1994 Mitglied im Landesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen Sachsen-Anhalt, sowie Fraktions- geschäftsführerin der Stadtratsfraktion Bürger/Forum/Grüne in Dessau. Seit 1990 Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen. 1988 - 1993 Studium der Agrarwissenschaften, Fachrichtung “Tierproduktion” an der Humboldt- Universität, Berlin. 1986 - 1988 Abendschule und Abitur am Philanthropinum, Dessau. 1986 - 1988 Tätigkeit als Briefträgerin, 1984 - 1986 Ausbildung zur Zootechnikerin.

Werner Marnette

Vorsitzender des Vorstandes der Norddeutschen Affinerie AG

Jahrgang 1945. Nach dem Studium der Metallhüttenkunde/Elektro-metallurgie und einer vierjährigen Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent an der RWTH in Aachen mit anschließender Promotion begann seine berufliche Lauf- bahn 1978 als Betriebsassistent bei der Norddeutschen Affinerie AG (NA). 1979 wechselte er zur Korf Stahl AG und kehrte ein Jahr später als Assistent des Vorstands zur NA zurück. 1986 folgte die Ernennung zum Betriebsdi- rektor und 1990 wurde er stellvertretendes sowie 1992 ordentliches Vorstandsmitglied. Seit 1994 ist er Vorsitzen- der des Vorstands der NA. 1997 übernahm er darüber hinaus die Funktion des Arbeitsdirektors. Seit 1994 Mitglied im Präsidium und Vorstand der Wirtschaftsvereinigung Metalle, deren Präsident er von 1998 bis 2002 war. 1996 wurde er Mitglied des Plenums der Handelskammer Hamburg. Von 1997 bis Ende 2000 war er Präsident des euro- päischen Dachverbandes der NE-Metallindustrie Eurometaux. Von 1998 bis 2002 war er Vorstands- und Präsidi- umsmitglied des BDI. Seit 1997 ist er Mitglied des Aufsichtsrats der Hamburgischen Landesbank. Im Februar 2000 übernahm er den Vorsitz des Aufsichtsrats der Hüttenwerke Kayser AG. Seit Januar 2001 ist Dr. Werner Marnette Mitglied im Börsenrat und den Zulassungsgremien der Börse Hamburg. Im Februar 2001 wurde er zum Vorsitzen- den des Energieausschusses des Bundesverbands der Deutschen Industrie gewählt, im Juni 2001 zum Vorsitzen- den des Vorstandes des Industrieverbandes Hamburg e.V. und im Mai 2002 zum Vizepräses der Handelskammer Hamburg.

Stefan Richter

Geschäftsführer GRÜNE LIGA Berlin e.V.

Geboren am 18.03. 1965 in Berlin, verheiratet, zwei Kinder, Elektronikfacharbeiter mit Abitur, Studium Elektro- technik-Elektronik. Seit 1992 arbeitet er für die GRÜNE LIGA Berlin in verschiedenen Funktionen. Er war Projekt- leiter, geschäftsführender Vorstand und ist seit 2001 Geschäftsführer. Von 1996 bis 2001 war er Mitglied im Bun- desvorstand der GRÜNEN LIGA e.V., seit 2002 ist er Mitglied des Bundessprecherrates. Seit 1992 widmet er sich der Umsetzung der Ergebnisse der Rio-Konferenz für Umwelt und Entwicklung. Seit 1997 leitet er die Projektstelle Lokale Agenda 21 Berlin und seit 2001 die Geschäftsstelle des Lokale Agenda 21 Netzwerkes Deutschland (LAND). Er war Mitglied der Enquetekommissionen „Zukunftsfähiges Berlin“ und „Lokale Agenda 21/Zukunftsfähiges Ber- lin“ des Abgeordnetenhauses von Berlin. Er ist Mitglied des Lenkungskreises des Agendaforums Berlin und leitet das Fachforum Klimaschutz. Für die deutschen Nichtregierungsorganisationen war er akkreditiert beim Klimagipfel 1995 in Berlin, bei der Konferenz Rio + 5 1997 in und beim Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung 2002 in Johannesburg. Zur Vorbereitung des Weltgipfels war er Mitglied des Kampagnenrates „Globale Gerechtigkeit ökologisch gestalten“ des Forums Umwelt & Entwicklung, einem Zusammenschluss umwelt- und entwicklungspoli- tischer Nichtregierungsorganisationen. Seit 2001 ist er Mitglied des Stiftungsrates der Stiftung Naturschutz Berlin.

65 Nachhaltiges Europa

Peter Rottach

Brot für die Welt, Referent für Ernährungssicherung, Landwirtschaft und Umwelt

Geboren in Kaufbeuren, verheiratet, drei Kinder. 1970 Abitur, humanistisches Gymnasium Kaufbeuren, 1970/71 Zivildienst. 1971 bis 1979 Studium der Geographie und Geschichte an der TU-Berlin, Abschluss: Magister Artium. 1980/81 Aufbaustudium Tropische Landwirtschaft an der Universität Göttingen. 1981 Wissenschaftlicher Mitarbei- ter am Studienprojekt der Forschungsstätte Internationale Agrarentwicklung, Heidelberg, 1981 bis 1983 Wissen- schaftlicher Angestellter, Universität Heidelberg, Arbeitsgruppe Agrarökologie der Tropen. Projektleitung eines E- rosionsschutzprojektes in Kigoma, Tansania. 1985 bis 1999 Angestellter beim Diakonischen Werk der EKD, Brot für die Welt, Referent für Ernährungssicherheit, Landwirtschaft und Umwelt. Von 1993 bis 1999 zusätzlich als Gutachter für ländliche Entwicklungsprojekte des EED (vormals EZE) in China tätig. 2000 bis 2002 Diakonie Ka- tastrophenhilfe: Büroleiter in Kragujevac, Serbien, sowie Gutachter in Nord-Korea (Beurlaubung Brot für die Welt). 2002 bis heute Brot für die Welt, Referent für Ernährungssicherung, Landwirtschaft und Umwelt. Zeitweise als Gutachter für die Diakonie Katastrophenhilfe tätig (25 %). Zahlreiche Artikel in internationalen und nationalen Fachzeitschriften, Tagespresse, Rundfunk- und Fernsehauftritte.

Gerhard Schick

Projektmanager Bertelsmann Stiftung

Studium der Volkswirtschaftslehre in Bamberg, Madrid und Freiburg; Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes. 1998 Diplom; Friedrich August von Hayek-Preis der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg. 1998 – 2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Walter Eucken Institut, Freiburg, Dozent am Institute for the International Education of Students (IES), Chicago, Freiburg, sowie an der Berufsakademie Villingen- Schwenningen. 2001 – 2004 Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Marktwirtschaft, Berlin. 2002 Promotion (Thema der Dissertation: „Doppelter Föderalismus in Europa – eine verfassungsökonomische Untersuchung“, er- schienen 2003 im Peter Lang-Verlag, Frankfurt/Main). Seit Oktober 2004 Projektmanager in der Bertelsmann Stif- tung.

Rupert Schlegelmilch

Referatsleiter Generaldirektion Handel, Europäische Kommission, Brüssel

Seit 2003 Referatsleiter, Generaldirektion für Handel, Europäische Kommission Brüssel. Referat für Handel und nachhaltige Entwicklung (einschließlich Handel und Umwelt), Dialog mit der Zivilgesellschaft, Handelsbeziehungen EU-China. 1998 - 2002 Delegierter der EU-Kommission bei den internationalen Organisationen in Genf (WTO, UNCTAD, UNEP). 1993 - 1998 Koordinator für Handel und Investitionen für die EU-Kommission, Brüssel. 1991 - 1993 Planer Auswärtige Kulturpolitik, Redenschreiber und Verantwortlicher für Kommunikation, Auswärtiges Amt, Bonn. 1988 - 1991 Leiter der Umwelt- und Verkehrsabteilung, deutsche Botschaft, Den Haag. 1987 - 1988 Refe- rent, Abteilung Westeuropas, politische Abteilung, Auswärtiges Amt, Bonn.

Stefan Schurig

Leiter des Klima und Energiebereiches bei Greenpeace Deutschland

Geboren am 23.07.71 in Berlin, gelernter Maurer und Architekt (Dipl. Ing.), 1990-93 Jugendgruppenleiter der Mainzer Jugendgruppe und Bundesjugendsprecher Naturschutzjugend, 1990 Gewinn des Mainzer Umweltpreises. 1993-95 Gründung und Leitung des bundesweiten Fachforums Weltwirtschaft und Ökologie der Jugendorganisati- on von Bündnis 90/Die Grünen, 1994-95 Koordination der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für den Bereich Ener- gie und ökologisches Bauen bei Greenpeace in Berlin, 1995-98 Pressesprecher der Greenpeace Gruppe Berlin, 1998-2001 Pressesprecher für Greenpeace Deutschland, 2001-2002 Teamleiter der Pressestelle bei Greenpeace Deutschland, seit August 2002 Leiter des Klima und Energiebereiches bei Greenpeace Deutschland.

66 Nachhaltiges Europa

Energiewende Jetzt! Ist Europa erneuerbar?

Konferenz in Hamburg am 25.02.2004

Auf der Konferenz standen folgende Fragen im Mittelpunkt:

· (Wie) könnte Europa zu 100% aus erneuerbaren Energieträgern versorgt werden?

· Wie könnte eine nachhaltige Energieversorgung in der EU in Zukunft aussehen und welche konkreten Ziele und Maßnahmen sollten in die EU-Nachhaltigkeitsstrategie aufgenommen werden?

· Welchen neuen Schwung könnte die 2004 in Bonn stattfindende „Erneuerbare Energienkonferenz“ der europä- ischen Umstellung auf erneuerbare Energien bringen?

· Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang der EURATOM-Vertrag?

· Welche Rolle spielt die EU-Richtlinie zum Emissionshandel?

· Wie könnte die Energieversorgung über erneuerbare Energien als EU-weite Maßnahme integriert werden, um CO2 einzusparen?

Referent/innen

Eingangsvortrag: Harry Lehmann, Leiter des Institute for Sustainable Solutions and Innovations; Vize-Präsident, EUROSOLAR

Paneldiskussion mit: Hiltrud Breyer, MdEP, Bündnis 90/Die Grünen Andreas Fußer, Vorstand, NaturEnergie Reiner Hinrichs-Rahlwes, Abteilungsleiter Zentralabteilung, Klimaschutz und Erneuerbare Energien, Bundesminis- terium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Harry Lehmann, Leiter des Institute for Sustainable Solutions and Innovations; Vize-Präsident, EUROSOLAR Werner Marnette, Vorstandsvorsitzender der Norddeutschen Affinerie AG und Vizepräses der Handelskammer Hamburg Moderation: Stefan Schurig, Leiter der Klima- und Energieabteilung, Greenpeace

67 Nachhaltiges Europa

Auf dem Weg in ein nachhaltiges Europa!

Konferenz in Berlin am 17. März 2004

Auf der Konferenz standen folgende Fragen im Mittelpunkt:

· Welche Schritte und Maßnahmen hat die EU zur Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategie eingeleitet?

· Welche Zwischenschritte und ersten Erfolge hat sie bei der Erreichung der langfristigen Ziele vorzuweisen? Insbesondere in folgenden Bereichen: Bekämpfung der Klimaänderungen / Umwelt und biologische Vielfalt – Schutz einer einzigartigen Ressource / Umwelt und Gesundheit / Verbraucherschutz.

· Welche Bedeutung hat die soziale und entwicklungspolitische Komponente innerhalb der Nachhaltigkeitsstra- tegie? (Vor allem in den Bereichen: Gesundheit und soziale Absicherung/Armutsbekämpfung und Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung/Sozialpolitik im Spannungsfeld zwischen Europa und den Nationalstaaten.)

· Wie wurde die europäische Politik der nachhaltigen Entwicklung bisher unter dem Einfluss von wirtschaftlicher Globalisierung und Handelsliberalisierung durchgesetzt?

· Welchen Einfluss haben die vorherrschenden Konsum- und Produktionsmuster auf die Durchsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie?

· Inwieweit wurde die Forderung nach einer nachhaltigen Politik bei Entscheidungen über weitere Marktöffnung und Liberalisierung sowie eine noch stärkere Einbeziehung der Privatwirtschaft berücksichtigt?

· Inwiefern werden die Nachhaltigkeitsziele bei aktuellen Politikvorhaben berücksichtigt?

Referent/innen

Eingangsvortrag: Timo Mäkelä, Direktor Sustainable Development & Integration, EU-Kommission, Brüssel

Paneldiskussion mit: Günther Bachmann, Geschäftsführer, Rat für Nachhaltigkeit, Berlin, Julius Georg Luy, Beauftragter für umwelt- und biopolitische Fragen, Auswärtiges Amt, Berlin, Pia Maier, Senat Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz, Berlin, Timo Mäkelä, Direktor Sustainable Development & Integration, EU-Kommission, Brüssel, Stefan Richter, Geschäftsführer Grüne Liga, Berlin, Sebastian Siegele, Systain Consulting, Hamburg. Moderation: Stefan Krug, Leiter der Berliner Geschäftsstelle Greenpeace, Berlin.

68 Nachhaltiges Europa

Ist Umweltschutz (ver)handelbar? Wie ökologisch nachhaltig ist die EU?

Konferenz in Dresden am 14. Mai 2004

Auf der Konferenz standen folgende Fragen im Mittelpunkt:

· Wie kann europaweit das Ziel von Kyoto bzw. wie kann die Reduktion der Treibhausgase generell erreicht werden?

· Wie kann ein verkehrspolitischer Paradigmenwechsel erfolgen? Sind europaweite Steuern auf fossile Brenn- stoffe möglich?

· Wie wurde die europäische Politik im Bereich Klimaschutz und Energie bisher unter dem Einfluss von wirt- schaftlicher Globalisierung und Handelsliberalisierung durchgesetzt?

· Wie muss die EU-Nachhaltigkeitsstrategie in Zukunft aussehen und welche konkreten Ziele und Maßnahmen sollten aufgenommen werden, um dem Klimawandel entgegenzuwirken?

· Inwiefern werden die relevanten Nachhaltigkeitsziele bei aktuellen Politikvorhaben auf nationaler und lokaler berücksichtigt?

Referent/innen

Eingangsvortrag: Steffi Lemke, Bundesgeschäftsführerin Bündnis 90/Die Grünen

Podiumsdiskussion mit:

Dr. Christian Hey, Generalsekretär des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen Steffi Lemke, Bundesgeschäftsführerin Bündnis 90/Die Grünen Lars Müller, Europäische Kommission, Generaldirektion Umwelt Dr. Oliver Weinmann, Vattenfall Europe AG, Innovationsmanagement Wolfgang Weipert, Bundesvorstand IG Bauen-Agrar-Umwelt, Koordinator Umweltpolitik und Verbraucherschutz Moderation: Nick Reimer, die tageszeitung, Berlin

69 Nachhaltiges Europa

Wie nachhaltig ist grenzenloser Wettbewerb? Die Europäische Union zwischen Koordination und Innovation.

Konferenz in München am 13. September 2004

Auf der Konferenz standen folgende Fragen im Mittelpunkt:

· Welche Zwischenschritte und ersten Erfolge hat die Nachhaltigkeitsstrategie in den Bereichen: Bekämpfung der Armut und sozialen Ausgrenzung / Ausbau und Erhaltung von Arbeitsplätzen, bzw. Abbau der Arbeitslo- sigkeit / Sozialpolitik im Spannungsfeld zwischen Europa und den Nationalstaaten vorzuweisen?

· Ist die „offene Methode der Koordinierung“ ausreichend zur Verankerung sozialer Gesichtspunkte in der Nach- haltigkeitsstrategie?

· Wie können - insbesondere in Hinblick auf die Erweiterung - soziale Standards in den Mitgliedstaaten erhalten und ausgebaut werden?

· Wie wurde die europäische Politik in den genannten Bereichen bisher unter dem Einfluss von wirtschaftlicher Globalisierung und Handelsliberalisierung durchgesetzt?

· Inwieweit wurde die Forderung nach einer nachhaltigen Politik bei Entscheidungen über weitere Marktöffnung und Liberalisierung sowie eine noch stärkere Einbeziehung der Privatwirtschaft berücksichtigt?

· Kann man von Fortschritten hin zu einer „wohlhabenderen und gerechteren Gesellschaft“ sprechen?

· Ist einem marktorientiertem Ansatz, der preisliche Anreize bietet, der Vorzug zu geben, wenn Aussicht dafür besteht, dass die sozialen und umweltpolitischen Ziele mit diesem Ansatz auf flexible und kosteneffiziente Weise erreicht werden können?

Referent/innen

Eingangsvortrag: Rupert Schlegelmilch, Referatsleiter Generaldirektion Handel, Europäische Kommission, Brüssel

Paneldiskussion mit: Josef Göppel, MdB, Vorsitzender des Umweltarbeitskreises der CSU Peter Rottach, Brot für die Welt, Referent für Ernährungssicherung, Landwirtschaft und Umwelt Heiko Hünsch, Siemens AG, Chief Economist/Corporate Relations (ECR) Rupert Schlegelmilch, Referatsleiter Generaldirektion Handel, Europäische Kommission Moderation: Alexandra Caterbow, Ökom Verlag, Leiterin des Buchlektorats

70 Nachhaltiges Europa

Wie können wir uns in Zukunft Zukunft leisten? Nachhaltige Finanzierungsmechanismen in der EU

Veranstaltung in Frankfurt am Main am 4. November 2004

Auf der Konferenz standen folgende Fragen im Mittelpunkt:

· Welche nachhaltigen Finanzierungsmodelle existieren und wie lassen sie sich in die europäische und nationale Politik implementieren? · Unter welchen Voraussetzungen sind europäisch einheitliche Steuern möglich und sinnvoll? · Kann die Einbeziehung ökologischer Kosten zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen? · Wie kann der Finanzmarkt nachhaltig ausgerichtet werden? · Ist einem marktorientierter Ansatz, der preisliche Anreize bietet, der Vorzug zu geben, wenn Aussicht dafür besteht, dass die sozialen und umweltpolitischen Ziele mit diesem Ansatz auf flexible und kosteneffiziente Weise erreicht werden können? · Welche Maßnahmen sind notwendig, um zu einer „kohärenten langfristigen Perspektive [anstatt] zu einer zu starken Konzentration auf die kurzfristigen Kosten“ zu kommen? · Inwieweit wurde die Forderung nach einer nachhaltigen Politik bei Entscheidungen über weitere Marktöffnung und Liberalisierung sowie eine noch stärkere Einbeziehung der Privatwirtschaft berücksichtigt?

Referenten: Eingangsvortrag: Dr. Manfred Bergmann, Referatsleiter, GD Wirtschaft und Finanzen, Europäische Kommission, Brüssel

Paneldiskussion mit: Dr. Joachim von Harbou, Präsident, IHK Frankfurt Dr. Gerhard Schick, Projektmanager Bertelsmann Stiftung Herman-Josef Tenhagen, Chefredakteur Dr. Manfred Bergmann, Referatsleiter, GD Wirtschaft und Finanzen, Europäische Kommission Moderation: Detlef Fechtner, Frankfurter Rundschau

71 Nachhaltiges Europa

Projektpartner

Europäische Kommission – Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland

Die Vertretung der Europäischen Kommission in der Bundesrepublik Europäische Kommission Deutschland ist, kurz gesagt, das Bindeglied, die Schnittstelle, zwi- Vertretung in der Bundesrepublik schen der Kommission in Brüssel und der deutschen Öffentlichkeit. Deutschland Marie-Thérèse Duffy-Häusler, Die Organe der EU sitzen also nicht nur in weiter Ferne, sondern Sabine Amirdschanjan auch im Berliner Regierungsviertel, in München und in Bonn. Unter den Linden 78 10117 Berlin Die Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland hat im Tel. +49. 30. 22 80 20 00, September 1999 ihren Sitz - nach über 30 Jahren in Bonn - nach Fax +49. 30. 22 80 22 22 Berlin verlegt. Von dort übernimmt sie, zusammen mit den beiden E-Mail: regionalen Vertretungen in Bonn und München, sowohl politische [email protected] Funktionen als auch die Information von Presse und Öffentlichkeit. http://www.eu-kommission.de Sie hat also nicht nur die Aufgabe, bei den Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft, bei Verbänden und Wissenschaft Flagge zu zeigen, sondern ist gleichzeitig auch der wichtigste Informationsvermittler zwischen der Europäischen Kommission und den Bundesbürgern so- wie zentraler Ansprechpartner für die Multiplikatoren in der Bundes- republik. Die Vertretung in Deutschland informiert intern nach Brüs- sel und extern die Bürgerinnen und Bürger und die Medien.

Deutscher Naturschutzring (DNR) Deutscher Naturschutzring Der Deutsche Naturschutzring (DNR), Dachverband der deutschen (DNR) Umwelt- und Naturschutzverbände, eröffnete 1991 die Berliner Ge- Büro Berlin schäftsstelle und die EU-Koordination. Hier werden die EU-weiten Ak- EU-Koordination tivitäten der deutschen Umweltbewegung koordiniert, monatlich das Nika Greger EU-Rundschreiben herausgegeben und Einfluss auf die aktuelle EU- Prenzlauer Allee 230 10405 Berlin Politik genommen. Tel. +49. 30. 44 33 91 86 Fax +49. 30. 44 33 91 80 Themenschwerpunkte sind die Zukunft der EU, die nachhaltige Ges- E-Mail: [email protected] taltung des Welthandelssystems, die Reform der europäischen Che- http://www.eu-koordination.de mikalienpolitik sowie generell die bessere Vernetzung umweltpolitisch Aktiver aus den deutschen Verbänden. Es existieren zahlreiche Kon- takte zu lokalen, nationalen und internationalen Umwelt- und ent- wicklungspolitischen NGOs, die EU-Koordination vertritt außerdem die Umweltverbände auf EU-Ebene beim Europäischen Umweltbüro (EEB).

Perspektiven Globaler Politik (PerGlobal)

Die unabhängige Analyse- und Forschungsinstitution Perspektiven Glo- Perspektiven Globaler Politik baler Politik (PerGlobal) verfolgt die Entwicklungen innovativer und ef- (PerGlobal) Tile von Damm fektiver Lösungen für eine immer enger zusammenrückende Welt. Pasteurstr. 5 Schwerpunkt ist die Ausgestaltung internationaler und europäischer Po- 10407 Berlin Tel. +49. 30. 48 62 45 62 litikprozesse. Thematisch arbeitet PerGlobal insbesondere zu Fragen Mobil. +49. 175. 191 14 94 der Umwelt- und Nachhaltigkeit, sowie der Weltinformationsgesell- E-Mail: [email protected] schaft. In enger Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Akteuren erar- http://www.perglobal.org beitet PerGlobal wissenschaftliche Grundlagen mit dem Fokus der Um- setzung durch Initiierung konkreter Projekte.

GRÜNE LIGA

Die GRÜNE LIGA verfügt seit 1991 über eine Bundeskontaktstelle für GRÜNE LIGA Bundeskontaktstelle Internationales Internationale Arbeit, die vorrangig auf die Kooperation mit NGOs in Annette Baumann der Region Mittel- und Osteuropa ausgerichtet ist. Sie sieht es als ihre Prenzlauer Allee 230 Aufgabe an, die öffentliche Diskussion um regional wie überregional 10405 Berlin mitweltverträgliche Wirtschafts- und Lebensmodelle zu fördern. Tel. +49. 30. 44 33 91 70 Fax +49. 30. 44 33 91 75 E-Mail: [email protected] http://www.grueneliga.de

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