68. 20. Mai 1974: Fraktionssitzung
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SPD – 07. WP Fraktionssitzung: 20. 05. 1974 (Tonbandtranskript) 68. 20. Mai 1974: Fraktionssitzung (Tonbandtranskript) AdsD, SPD-BT-Fraktion 7. WP, 6/TONS000025. Titel: »Fraktionssitzung vom 20. 05. 1974«. Beginn: 11.07 Uhr. Aufnahmedauer: 01:56:12. Vorsitz: Wehner. Sitzungsverlauf: A. TOP 1: Politische Berichte und Vorbereitung der Aussprache über die Regierungserklä- rung. – Aussprache der Fraktion. B. TOP 2: Bericht aus der Fraktionsvorstandssitzung (Neubildung des Kabinetts; Wahlen zum Fraktionsvorstand; Ausschussumbesetzungen; Vorbereitung der Plenarsitzungen). – Möglicher Gruppenantrag zur Diätenreform. C. Vorbereitung und Ablauf der Plenarsitzungen: TOP 6: Tagesordnung und Ablauf der Plenarsitzungen. D. 2. und 3. Beratung Haushalt 1974. E. Fortsetzung Vorbereitung und Ablauf der Plenarsitzungen: TOP 7: Bericht des Innen- ausschusses zum Bericht der Wahlkreiskommission. – TOP 8: 2. und 3. Beratung Partei- engesetz. – TOP 9: 1. Beratung Bundesausbildungsförderungsgesetz. – TOP 10: 1. Bera- tung Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum. – Sonstiges: TOP 11: Nachwahlen zum Fraktionsvorstand und Umbesetzungen in Arbeitskreisen, Arbeits- gruppen und Ausschüssen. [A.] Wehner: Die Sitzung ist eröffnet. – Am 15. Mai ist unser langjähriger Fraktionskollege und Genosse Professor Dr. Fritz Baade im Alter von 81 Jahren verstorben. Er hat dem Bundestag und unserer Fraktion von 1949 bis 1965 angehört. Er ist einer von denen, die dem Reichstag angehört haben in den Jahren 1930 bis 1933, einer von denen, die in der Türkei und eine kürzere Zeit in den Vereinigten Staaten Emigration erlebt haben, und er war von 1948 bis 1961 der Direktor des Instituts für Weltwirtschaft an der Universi- tät Kiel, eines Instituts, das unter seiner Leitung Weltruf bekommen und gehabt hat. Seine Wirksamkeiten in der Zeit der Republik von Weimar, bevor er 1930 in den Reichstag gewählt worden ist, waren vorwiegend auf dem Felde der Agrarpolitik und konkreter Tätigkeiten. Er gehörte zu den Verfassern des Agrarprogramms der SPD von 1927 und er war zeitweilig Leiter der Reichsforschungsstelle für landwirtschaftliches Marktwesen und Reichskommissar bei der Deutschen Getreidehandelsgesellschaft. Wir haben ihn als einen auch noch über die Zeit seiner unmittelbaren Zugehörigkeit zum Bundestag immer wieder in Verbindung zu uns stehenden, mit Anregungen helfenden Genossen und Freund kennengelernt und wir gedenken seiner in Dankbarkeit. Danke. Genossen, wir haben heute eine Tagesordnung, von der ich von vornherein bitte, dass wir sie als eine Tagesordnung betrachten, von der manche Punkte zur Erinnerung draufstehen beziehungsweise zur Feststellung inzwischen neuer eingetretener Momente auf den verschiedenen Gebieten. Das heißt, wir werden nicht – das entspricht ja auch der Auffassung der Genossen, die damit befasst sind – des Langen und des Breiten im Detail noch einmal über die zweite und dritte Lesung des Haushalts zu reden haben. Wir werden uns mit der Vorbereitung der Aussprache über die Regierungserklärung und die dann sich daran anschließende Haushaltsplanberatung zweite und dritte Le- sung befassen und haben dazwischen einige äußerst gewichtige Tagesordnungspunkte im Plenum zu verabschieden. Das heißt in der Zeit zwischen der zweiten Lesung des Copyright © 2020 KGParl 1 SPD – 07. WP Fraktionssitzung: 20. 05. 1974 (Tonbandtranskript) Haushaltsplans und dem Beginn der dritten Lesung eine Reihe von Berichten und von Gesetzesvorlagen, auf die wir noch einmal zu sprechen kommen werden, die unter Umständen – soweit sie in dieser Stunde, die dafür zur Verfügung steht, nicht erledigt werden können – uns noch einige Zeit nach Abschluss der dritten Lesung des Haus- halts zusammenhalten müssen, weil darunter eine so bedeutende ist, die wir mit Mühe auf die Tagesordnung bekommen haben, wie der Kündigungsschutz im Mieterrecht. Das wäre eine schlimme Sache, wenn das aus Mangel an Anwesenheit oder weil man gedacht hat, mit der dritten Lesung des Haushalts ist die Tagung zu Ende oder weil vielleicht zufällig ein amtierender Präsident – ich denke dabei an ein Ereignis mit dem amtierenden Präsidenten Jaeger1 – festzustellen geruht, jetzt ist also das Haus nicht beschlussfähig. Wir möchten das an Land ziehen, diese Sache. Doch bevor ich in diese Arbeit hineingehe, von der ich bitte, dass wir sie so konzen- triert wie möglich halten, Genossen, ohne dass ich damit jemandem das Wort beschnei- den oder verkürzen möchte, aber immer in der Gewissheit, dass um 15 Uhr die Debatte beginnt, dass einige sich darauf unmittelbar noch vorzubereiten und andere nach unse- ren Erörterungen hier noch einiges zu bedenken haben und dass vorher ja auch noch die Konstituierung des Kabinetts stattfindet um 14 Uhr. Das heißt, unsere Zeiten sind durch die Natur der Abläufe sowieso etwas begrenzt. Ich will dennoch, bevor ich zu diesen Dingen komme, unser heutiges Geburtstagskind, das ist Günter Wichert, be- glückwünschen. (Beifall.) {…} Alles Gute! Das Alter habe ich nicht genannt, er hat es eben erfragt. 39 wird er. Nun kommen wir, Genossinnen und Genossen, zum ersten Punkt. Mit dem Bundes- kanzler ist verabredet, dass er hier ist und dass er auch je nach Wunsch und Notwen- digkeiten in diese Erörterungen hineingeht. Ich will das, was ich zum ersten Punkt zu sagen habe, beschränken auf und konzentrieren auf das, was wir am 17. und heute im Fraktionsvorstand und dazwischen und zum Teil auch schon vor der Fraktionsvor- standssitzung am 17. in den Arbeitskreisen zur Vorbereitung der Aussprache über die Regierungserklärung behandelt haben. Aus neuesten Mitteilungen von der Geschäfts- führung der Fraktion der CDU/CSU ist zu entnehmen, dass – wie es auch zum Teil schon in den Zeitungen stand – Carstens2, Strauß3, Katzer4, Barzel5 die vier sein wer- den, die diese Runden zu bestehen haben, dass Barzel, das hat seinen besonderen Grund, weil hier zwar kein Comeback gemeint ist, sondern der Versuch, sehr nahe an Bundeskanzler Helmut Schmidt heranzukommen und aus einigen Informationen der letzten Tage ergibt sich, dass er sicherlich auch das Bestreben hat, wenn das inzwischen nicht durch Wichtigeres verdrängt worden ist, sich hier einmal mit gewissen Entwick- lungen in der Deutschlandpolitik zu befassen, von der er meint, wenn man sie so ge- führt hätte, wie er sie geführt hat, als er Minister für gesamtdeutsche Fragen war, dann wäre alles in Ordnung gegangen. Dabei wird er allerdings daran erinnert worden sein und auch notfalls erinnert werden müssen, dass die heute in der Erinnerung umkränz- ten Vorstellungen der sogenannten Deutschlandpolitik, in einem dicken Schrieb nie- dergelegt seinerzeit durch den Außenminister, der zur selben Fraktion gehörte wie 1 Richard Jaeger (CSU), Mitglied des Bundestagspräsidiums und stellv. Bundestagspräsident. 2 Karl Carstens, von Mai 1973 bis Oktober 1976 Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. 3 Franz Josef Strauß, Vorsitzender der CSU. 4 Hans Katzer, MdB–CDU, ehem. Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung. 5 Rainer Barzel, MdB–CDU, ehem. Partei- und Fraktionsvorsitzender. Copyright © 2020 KGParl 2 SPD – 07. WP Fraktionssitzung: 20. 05. 1974 (Tonbandtranskript) Herr Barzel, CDU/CSU, abgeschnitten worden ist. Das heißt, der Ruhm reicht höch- stens so weit, bis er dann mit Herrn Schröder6 in diesen Fragen sich plötzlich konfron- tiert sieht. Das ist also nichts, worüber wir uns besonders zu erregen haben. Er wird einen Versuch erneuern, angesichts der Situation zwischen den beiden Staaten im getrennten Deutschland so zu tun, als hätte es an uns gelegen, die wir 1969 nach der Regierungserklärung der ersten Regierung Brandt/Scheel nicht auf ihn, Barzel, einge- gangen sind, der damals eine Entschließung aus der Zeit der vorhergehenden Periode wiederbeleben wollte, die – ich sage das nur, damit mancher es sich vielleicht ansieht – aus 15 Punkten bestand, 15 Punkte, umfasste auch eine Entschließung der damaligen Opposition. Die damaligen Koalitionsfraktionen CDU/CSU, SPD und die damalige Oppositionsfraktion FDP hatten diese je 15 Punkte eingebracht. Die differierten nur in einem Punkt, im Punkte 6 und in diesem Punkte 6 ging es aufgrund des Koalitionsfor- derns und Festlegens der Regierung der CDU/CSU darum, dass nicht von zwei deut- schen Staaten die Rede sein dürfe, während in dem Oppositionstext es heißt, sie dürften füreinander nicht Ausland sein. Kurz und gut. Wir haben damals hart Nein gesagt, denn die Regierung Brandt/Scheel 1969 war die erste, die mit dieser Arbeitshypothese, das Verhältnis zwischen zwei Staaten im getrennten Deutschland auf eine vertragliche Basis zu bekommen, zu arbeiten begonnen hatte und wenn ich damals gesagt habe, zu dieser Frage brauchten wir die Opposition nicht, so galt es ausschließlich diesem Punkt. Das ist inzwischen auch schon in dieser Periode dargelegt worden, denn man konnte nach der Regierungserklärung und mit dieser Ausgangsbasis zwei Staaten, deren Ver- hältnis zueinander vertraglich geregelt werden soll, nicht zurück auf nicht zwei Staaten. Das wäre also ein Unsinn gewesen. Das war auch einer der Konflikte, den sie einmal Egon Bahr versucht haben aufzunötigen und in dem wir uns mit ihnen auseinanderge- setzt hatten. Es dauerte lange Zeit, ehe sie überhaupt zur Kenntnis zu nehmen geruh- ten, dass sie hier diejenigen waren, die uns glaubten überlisten und unterlaufen zu kön- nen und dabei es mit der Wahrheit nicht sehr genau nahmen. Wenn wir heute also Herrn Carstens hören, so wird das eine ausgesprochen Carsten- sche Behandlung der Regierungserklärung sein. Nach ihm werde ich in die Bütt zu gehen haben und replizieren