Macht Und Machtverlust. Die Geschichte Der CDU (2002)

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Macht Und Machtverlust. Die Geschichte Der CDU (2002) Dokserver des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam http://zeitgeschichte-digital.de/Doks Frank Bösch Macht und Machtverlust. Die Geschichte der CDU (2002) http://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.1.115.v1 Reprint von: Frank Bösch, Macht und Machtverlust. Die Geschichte der CDU Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt 2002 ISBN 3-421-05601-3 Copyright der digitalen Neuausgabe (c) 2016 Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam e.V. (ZZF) und Autor, alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk wurde vom Autor für den Download vom Dokumentenserver des ZZF freige- geben und darf nur vervielfältigt und erneut veröffentlicht werden, wenn die Einwilligung der o.g. Rechteinhaber vorliegt. Bitte kontaktieren Sie: <[email protected]> Zitationshinweis: Frank Bösch, Macht und Machtverlust. Die Geschichte der CDU (2002), Dokserver des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam, http://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.1.115.v1 Ursprünglich erschienen als: Frank Bösch, Macht und Machtverlust. Die Geschichte der CDU Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt 2002 ISBN 3-421-05601-3 http://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.1.115.v1 Inhalt Vorbemerkung 7 Vom Christlichen Sozialismus zur Neuen Sozialen Marktwirtschaft: Programme, Politik und Selbstverständnis 10 Von Adenauer zu Merkel: Parteiführung und Parteiorganisation 73 Vom Spendensystem zur Spendenkrise: Die Finanzen der CDU 156 Vom Milieu zur Bürgerpartei: Gesellschaftsbindungen und Wahlerfolge 191 Von der Partei der Wählerinnen zur Quorumspartei: Die CDU und die Frauen 240 Rückblick - Der Wandel der CDU 266 Dank 276 Anmerkungen 277 Abkürzungen 295 Literatur- und Quellenauswahl 297 Personenregister 305 Sachregister 309 Copyright (c) Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam e.V. und Autor http://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.1.115.v1 Vorbemerkung A m 27. November 1964 nahm Helmut Kohl das erste Mal an einer Sitzung des Bundesvorstandes teil. Wie stets eröffnete ein langatmiger Lagebericht die Versammlung. Kanzler Ludwig Erhard verteidigte darin seine Politik, fand aber auch deutliche Worte gegen die Parteireformen, die einige Christdemokraten neuerdings forderten: »Mitglieder sind ganz schön, aber im Grunde genommen wollen wir gar keine Mitgliederpartei wer­ den. Wir wollen nämlich nicht die Apparaturen herrschen las­ sen, sondern wir wollen verantwortungsbewusste Männer an der Spitze des Staates stehen haben.«1 Anschließend rief der Partei­ vorsitzende Konrad Adenauer zu einem zweiten längeren Refe­ rat auf. Die angekündigte Diskussion könne man ja nach hinten schieben. Dem jungen Helmut Kohl platzte daraufhin der Kragen. Gera­ dezu aufbrausend fuhr er Adenauer ins Wort. Es sei »ein uraltes CDU-Rezept, durch eine Fülle von Referaten die Zeit so auszu­ dehnen, dass nachher für die Diskussion kein Raum mehr da ist.« »Ich will keine Mohrenwäsche machen, sondern nur das ganz klarstellen, was der Bundesvorstand ist: ein führendes Gremium der Partei, ja das Führungsgremium der Partei.« Mit drastischen Worten verlangte Kohl eine offene Diskussion und eine geschlos­ sene Führungsspitze. Adenauer sollte seine Querschüsse gegen­ über dem neuen Kanzler Erhard unterlassen, da sie dem Ansehen der Partei schadeten. Denn »die größten Verdienste um unsere Partei auf der einen Seite rechtfertigen nicht, dass daraus ein irgendwie geartetes, ich will nicht sagen Recht, aber Möglichkeit herauskommen könnte, etwa jetzt in dieser zweiten Phase der deutschen Politik oder auch der CDU/CSU, der Partei Abbruch zu tun«.2 Auch in den folgenden Jahren blieb Kohl einer der mutigsten Reformer in der Parteiführung. Kaum jemand hätte damals ver­ mutet, dass er einige Jahrzehnte später selbst genau diese Vor- 7 Copyright (c) Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam e.V. und Autor http://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.1.115.v1 würfe zu hören bekäme. Doch genau das trat ein. Am Ende seiner eigenen Kanzlerzeit musste Kohl sich ebenfalls von jungen Refor­ mern und alten Weggefährten Vorhalten lassen, er habe die freie Diskussion unterbunden, den Vorstand entmachtet und trotz sei­ ner Verdienste dem Ansehen der Partei geschadet.3 Helmut Kohls Leben verkörperte damit zwei Seiten der CDU-Geschichte: Er stand sowohl für das Reformpotential seiner Partei als auch für die große Beharrungskraft langlebiger Traditionen. Denn Kohl hatte eben nicht nur gegen Adenauers Parteiführung opponiert, sondern war auch von ihr geprägt worden. Dadurch übernahm er vieles, was er einst kritisiert hatte. Diese Dialektik findet sich häufig in der Geschichte der CDU. Die Christdemokraten entwickelten sich eben nicht gradlinig zu einer »modernen Volkspartei«4. Altes und Neues wechselte sich ab, überlagerte sich und ragte oft zur Unzeit wieder unerwartet hervor. Jüngst gab die Spendenaffäre ein Beispiel dafür. In vielen Bereichen profitierte die Union von den machtvollen Traditions­ überhängen ihrer Geschichte. Zugleich waren diese immer wie­ der eine Last, wenn sie sich um Reformen bemühte. Unbeweg­ lich war die Union sicher nicht. Trotz ihres eher konservativen Partei-Images verstand sie es immer wieder, sich an gesellschaft­ liche Veränderungen anzupassen. Wie und mit welchem Erfolg sich die CDU in den letzten sechs Jahrzehnten wandelte, ist das Thema dieses Buches. Es handelt von der Entwicklung ihrer Programme und ihrer Politik, vom Wandel ihrer Parteiführung, ihrer Organisation und ihrer Finan­ zen. Ebenso betrachtet es die Veränderungen bei ihrer Wähler­ schaft, bei ihren Mitgliedern und bei ihren gesellschaftlichen Bin­ dungen. Es geht sowohl um das Innenleben der Partei wie um ihre Außenwirkung. Zudem greift die Studie ein kaum beachtetes Thema auf, das quer zu allen genannten Ebenen steht: Es fragt, welche Rolle Frauen in der wechselvollen Geschichte der Christ­ demokraten spielten. Eine wirkliche Vollständigkeit kann und will der überschaubare Band sicher nicht erlangen. Ganz ausge­ lassen wurde etwa die CDU in der DDR, die außer dem Namen nur wenig mit der Westpartei gemein hatte. Aber dennoch dürfte 8 Copyright (c) Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam e.V. und Autor http://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.1.115.v1 der Leser ein breites Kaleidoskop erhalten, das Schlüsselfragen der CDU aus historischer Perspektive beleuchtet. Macht und Machtverlust, Regierungszeit und Opposition, mar­ kieren die tiefen Einschnitte der CDU-Geschichte. Sie gaben den Rhythmus vor, in dem sich die Partei entwickelte. Ihr Wechsel­ spiel bestimmte, welche Rolle die Programme, Vorstände oder Parteireformen jeweils spielten. Das Buch überlegt deshalb immer wieder, welche Parallelen sich zwischen den beiden Oppositions­ phasen und zwischen der Ara Adenauer und Kohl ausmachen lassen. Der Titel »Macht und Machtverlust« verweist zugleich auf die Frage, ob die Union langfristig ihre Erfolgsressourcen ver­ liert. In die Zukunft sehen kann niemand. Aber aus einem sorg­ fältigen Blick auf die Vergangenheit lassen sich zumindest die Probleme und Perspektiven ableiten, die der CDU im nächsten Jahrzehnt bevorstehen. 9 Copyright (c) Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam e.V. und Autor http://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.1.115.v1 Vom Christlichen Sozialismus zur Neuen Sozialen Marktwirtschaft: Programme, Politik und Selbstverständnis Nach Helmut Kohls Rücktritt hatte die CDU große Probleme, sich programmatisch zu profilieren. Es fiel ihr schwer, innovative Anstöße einzubringen und alte Ansätze neu zu beleben. Zudem gelang es ihr häufig nicht, eine einheitliche Linie zu finden. Und selbst wenn sie diese erreichte, entwerteten nicht selten die Pro­ teste der CSU ihre Entwürfe. Die Schuld an diesen programma­ tischen Defiziten wurde schnell der Parteiführung um Angela Merkel angelastet. Tatsächlich hatte die Union aber in ihrer über fünfzigjährigen Geschichte häufig ein äußerst schwieriges Ver­ hältnis zu Programmen. Denn die Christdemokraten sahen sich vornehmlich als pragmatische Regierungspartei, nicht als Partei der papierenen Entwürfe. Seit den siebziger Jahren wuchs zwar die Zahl ihrer programmatischen Schriften. Eine vergleichbare Bedeutung wie das Godesberger Programm der SPD oder die liberalen Freiburger Thesen erreichten sie aber nie. In gewisser Weise galt für die Union, was Kurt Biedenkopf 1993 überspitzt formulierte: »Die CDU ist keine Programmpartei. Mit Program­ men werden in der Union gewöhnlich diejenigen beschäftigt, die man damit gern beschäftigen möchte, damit sie ansonsten kein Unheil anrichten.«1 Statt Integration und Identität schufen die Programme oft Frustrationen. Da Biedenkopf selbst in den programmatisch bewegten siebziger Jahren Generalsekretär war, wusste er, wovon er sprach. Während ihrer Regierungsjahre barg diese Programmabstinenz zahlreiche Vorteile. Die Christdemokraten verstrickten sich eben nicht in endlose Diskussionen, sondern gewährten ihren Kanzlern und Wahlkampfmanagern große Spielräume. Die erfolgreichen Entscheidungen ihrer Kabinette prägten ihr Selbstverständnis. Umgekehrt hatte die Union bereits in ihrer ersten Oppositions­ zeit zunächst Schwierigkeiten, zugkräftige Themen zu plazieren. 10 Copyright (c) Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam e.V. und Autor http://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.1.115.v1 In den siebziger Jahren wurde ihr schrittweise bewusst, wie wich­ tig eine programmatische Kursbestimmung ist. Denn schließlich sollte der Wähler wissen, was die Oppositionspartei eigentlich besser machen wollte. Nun erst folgten intensive Programmdis­ kussionen, in denen die CDU ihre neuen und alten Standpunkte auslotete. Nicht allein ihr erneuter Wechsel in die Opposition 1998 macht den Blick auf die Programmgeschichte
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