Dienstag, 27. Oktober 2009 Seite 1

Beiträge zur Zeitgeschichte Von Dr. Klaus Rose Die Sonderbeziehungen zwischen Deutschland und Rumänien Herta Müller – bisher ein Allerweltsname – hat mit ihrem jüngsten Lite- ratur-Nobelpreis die deutsch-rumänischen Beziehungen in einen neuen Rahmen gestellt. Denn Herta Müller ist Deutsche und wohnt in . Aber sie war in Rumänien geboren und erst 1987 „ausgesiedelt“. Sonst wird der Geburtsort mit der Abstammung in Verbindung gebracht?

or gut 50 Jahren, als Die „bundesdeutsche“ die Menschen gelangen. Sogar Herta Müller in der „So- Rolle für Rumänien Franz Josef Strauß fand sich zialistischen Republik 1985 Vizepräsident Heinz Westphal bei Präsident Giosan (Mitte). V Weil in der Bundesrepub- zu „Jagdgesprächen“ bei Ceau- Rumänien“ geboren wurde, lik Deutschland die sich ver- sescu ein. Außerdem wurden hatte der Leidensweg der Deut- schlechternde Lage der Deut- auf Parlamentsebene sachliche schen im Banat oder in Sieben- geklappt“ hatte. Bei Delegati- nen Deutschen können frei hin schen im damaligen Ostblock Kontakte gepflegt. Im Jahr bürgen schon längst begonnen. onsreisen nach Bukarest wur- und her reisen. Der Nobelpreis bekannt war und weil man 1971 erfolgte die Gründung Seit rund 800 Jahren hatten den meist längere Bittlisten für Herta Müller wird übrigens von der Verfassung her Ver- der Deutsch-Rumänischen sie in Siebenbürgen und nach übergeben, oft direkt an den auch in Rumänien gewürdigt. antwortung für jeden Deut- Parlamentarier-Gruppe, deren dem Sieg gegen die Türken Parlamentspräsidenten Giosan, schen übernahm, egal wo er erster Vorsitzender der CSU- bei Wien (1683) auch als „Do- der ein durchaus geschätzter lebte, also sozusagen für jeden Abgeordnete Walter Altham- nauschwaben“ im Banat und in Gesprächspartner war. Auf „Deutschstämmigen“, war es mer aus Augsburg wurde. Als der Batschka gelebt. Von ihren ähnlichem Weg schaffte auch unter den jeweiligen Regierun- dieser 1985 aus beruflichen Fürsten oder von der Habsbur- Herta Müller die Ausreise – die gen selbstverständlich, nach Gründen aus dem Deutschen germonarchie hatten sie reiche Bundesregierung hatte wohl Verbesserungsvorschlägen für ausschied, wurde Privilegien bekommen. Sie die üblichen 10 000 DM be- die desolate Lage der Men- Klaus Rose zum Nachfolger lebten deutsch, sie sprachen zahlt. schen in den angestammten gewählt. Franz Josef Strauß deutsch, sie bauten deutsch, sie Siedlungsgebieten zu suchen. übermittelte sofort ein Gratu- Zusammentreffen mit dachten deutsch. Die unglück- Eigene Referate im Auswärti- lationsschreiben, in dem er die Nicolae Ceausescu seligen „Friedensverträge“ gen Amt kümmerten sich um besondere Notwendigkeit der Die Tätigkeit für die Parla- nach dem 1. Weltkrieg hatten diesen Personenkreis. Viel Betreuung der Deutschen in mentarier-Gruppe hatte auch neue Grenzen gezogen und Erfolg war zunächst nicht be- Rumänien betonte. eine „Privataudienz“ bei Ru- neue Nationalstaaten geformt. schieden. In der Sowjetunion mäniens Staatschef Ceausescu Plötzlich waren die Deutschen Die Ausreisefreudigkeit beispielsweise war Jahrzehnte erbracht. Sie fand im August nichts mehr, nur Steuerzahler. der Deutschen in lang behauptet worden, es gebe 1985 statt. Im Schloss Snagov Das NS-Reich versuchte den Rumänien gar keine „Deutschen“. Wem nahe Bukarest hatte die kleine „Volksdeutschen“ zu helfen, In den 1980er Jahren hatte wollte man also helfen? Auch deutsche Delegation mit Bun- berief sie aber auch zur Wehr- sich nämlich Streit ergeben, Polen behauptete, es hätten nie destags-Vizepräsident Heinz macht oder zur SS. Nach dem Streit um die bestmögliche Deutsche in Schlesien gelebt. Westphal (SPD) an der Spitze 2. Weltkrieg rächten sich die „Betreuung“ der Deutschen. Etwas näher an der Wahrheit brav gewartet, bis der selbst- neuen nationalen Machthaber, Während die einen mehr den war man bald in Ungarn, wo bewusste Diktator den Raum in besonders brutaler Form die Erhalt deutscher Kultur in Ru- schon ab den 1970er Jahren betrat. Einzeln wurde man zur Kommunisten. Die Geschichte mänien fördern wollten, sahen die bundesdeutsche Unterstüt- Vorstellung gebeten. Dann ver- der „Rumäniendeutschen“ hat- die anderen in der Ausreise der zung von „Volkstumsgruppen“ lief das Gespräch schleppend. te begonnen. Manche zogen es unterdrückten Deutschen die möglich wurde. Gleichzeitig Das Thema „Donau“ wurde vor, von „Deutschrumänen“ zu bessere Handlungsweise. Dem hatte sich in Rumänien ein be- aber zum Zungenöffner. Klaus reden, weil damit die Betonung bundesdeutschen Außenmi- sonderer Zustand entwickelt. Rose hatte den Bogen von Pas- auf „Rumänen“ lag. Nur war nister Hans-Dietrich Genscher Denn als erstes sozialistisches sau bis zum Schwarzen Meer man eben kein „richtiger Ru- wurde gar vorgehalten, er ver- Land in Europa, abgesehen gespannt und sich nach dem mäne“, von der Abstammung schleudere Steuergelder zum von der Sowjetunion selbst, damals geplanten gigantischen her zweit- oder drittklassig. Die „Auskauf“ von Deutschen, wo- hatte Rumänien diplomatische „Schwarzmeer-Kanal“ erkun- Eigenart von Diktaturen, auch mit er nur den Diktator stärke Beziehungen mit der Bundes- digt. Da hatte Ceausescu plötz- von sozialistischen, brachte es und das Deutschtum schwäche. republik Deutschland aufge- lich seine starren Gesichtszüge stets mit sich, dass „unwerte Tatsächlich war es eine der nommen (1967). In der Folge verloren und zu einem länge- Menschen“ besonderen Drang- Hauptaufgaben des Vorsitzen- ergaben sich engere politische ren Vortrag angesetzt. Doch salen ausgeliefert waren. Die den der Deutsch-Rumänischen Beziehungen zwischen beiden aus seinen Plänen wurde nichts Deutschen erlebten in der SR Parlamentarier-Gruppe, Tau- Ländern, die von Interessens- mehr. Am 1. Weihnachtsfei- („Sozialistische Republik“) Ru- sende von Ausreisewünschen lagen gespeist wurden. Die ertag 1989 war der Diktator mänien die ganze Brutalität, zu unterstützen. Auf seinem Ceausescu-Diktatur brauchte entmachtet und standrechtlich bis hin zur Deportation oder Schreibtisch in stapelten Devisen und Anerkennung in erschossen worden. Rumäni- Ermordung. Herta Müller, sich, neben den Wahlkreisanlie- den internationalen Gremien, en aber ist heute Mitglied der die junge Deutsche im Banat, gen, viele verzweifelte Schrei- die Bundesrepublik wollte NATO und der EU – jeweils mit schrieb sich „die ersten Erleb- ben, und gar manches Mal kam über Geschäfte zu mehr Kon- wohlwollender Unterstützung nisse“ von der Seele. ein Dankbrief, dass es „endlich takt, Vertrauen und Hilfe für aus Deutschland. Die verbliebe-