Verkehrsverein mattt�ttern

Heimatkundliehe Publikation Nr. 3

MAMMERN und seine Ortsgeschichte

Besinnung auf die eigene Vergangenheit

.. . CH91 ist in aller Leute Munde, doch ha- Betrachtungen empfiehlt sich nach wie ben im Jahre 1991 eigentlich nur die vor die «Geschichte der Herrschaften Einwohner der drei Urkantone wirklich und der Gemeinde » von Dr. Grund, ein 700-Jahr-Jubiläum zu fei­ Emil Stauber aus dem Jahre 1934. ern. Der hingegen gehört erst ln den nächsten Monaten wird es sich seit 1803 als Stand der Eidgenossen­ zeig�:m, ob in der Ortsgeschichte mit schaft an, wenngleich er seit 1460 als der Bildung einer Einheitsgemeinde ein Untertanengebiet eng mit der Ge­ neuer Meilenstein gesetzt werden schichte der Alten Eidgenossenschaft kann. Mit dem eindrücklichen Resultat verknüpft. war. Aus Thurgauer Sicht von 1243 Ja zu 653 Nein haben die wäre also ein Mitfeiern nicht unbedingt Stimmberechtigten der Munizipalge­ zwingend, insbesondere wenn man meinde dem Austrittsge­ bedenkt, dass unsere Gegend vor sie­ such der Ortsgemeinde Mammern zu­ benhundert Jahren fest im Feudalsy­ gestimmt und damit den Weg zur künf­ stem der Habsburger eingebunden war' )tigen Einheitsgemeinde Mammern ent­ und somit zur gegnerischen Seite der scheidend geebnet. Nun liegt die Ent­ Eidgenossen gehörte. Ein Mitfeiern im scheidung beim Grossen Rat des Kan­ Rahmen der CH91 hat also in erster Li­ tons Thurgau. Er wird bestimmen, ob nie .freundeidgenössische Gründe, da Mammern selbständig werden kann man die Geschichte der Urschweiz der oder ob eine gut funktionierende Form Geschichte der gesamten Schweiz der Demokratie einem komplizierten gleichsetzt und sich über alle Kantons­ und anonymen Verwaltungsapparat und Sprachgrenzen hinweg miteinan­ weichen soll. der verbunden fühlt. Der Verkehrsverein Mammern nimmt die 700-Jahr-Feierlichkeiten zum An­ lass, sich auf die eigene Dorfvergan­ genheit zu besinnen. Für die Verfas­ sung der einzelnen Kapitel dieser Publi­ kation konnten erfreulicherweise kom­ petente Fachleute gewonnen werden, die einzelne Abschnitte der Ortsge­ schichte behandeln. Für eingehendere Ruine Neuburg um 1930 Archäologische Funde aus der Jungsteinzeit und Römerzeit _ von Heinz Reinhart, Museumsassistent, I

Aus dem Gebiet der Gemeinde Mam- geräte oder ein durch.Lochter Anhänger mern liegt eine ganze Anzahl von Fun- aus einem Eberhauer, geben Auf­ den aus der Zeit der «Pfahlbauten» vor. schluss über die grosse jungsteinzeitli­ Die ältesten und wichtigsten Objekte ehe (neolithische) Siedlung. Bedeuten­ stammen von der Station Langhorn- des Fundmaterial sind auch Pfeilspitzen Seewiesen, die schon in der Mitte des und Feuersteine aus der Pfyner Kultur, letzten Jahrhunderts untersucht und Scherben von Töpfen der Horgener «ausgebeutet» worden ist. ln den Jah- Kultur, ferner grosse Beilklingen, ren 1929/32 wurden von den Archäolo- Kleinklingen und Streitäxte. Die Funde gen umfangreichere Untersuchungen sind heute verstreut. Etwa fünfzig Stein­ wie Bohrungen und Sondierungen vor- geräte befinden sich im Museum des genommen, in jüngster Zeit wurden Kantons Thurgau; weiteres Material ist auch Tauchgänge unternommen. Da- im Landesmuseum in Zürich aufbe­ bei wurde nochmals reichhaltiges wahrt. Einzelfunde sind noch im Ras­ Fundmaterial zutage gefördert. Diverse gartenmuseum in Konstanz und im Mu­ Kieinfunde, viele Scherben, Knochen- seum St. Georgen in zu

Steinbeile, die auf dem Gemeindegebiet gefunden wurden finden. Von teilweise weiteren, unbe­ stimmten Fundstellen sind noch ein­ zelne Gegenstände in Privatbesitz oder gelten als verschollen. Bei diesen han­ delt es sich vor allem um Steinbeile. Bei Untersuchungen des weiteren Ufer­ abschnittes unter- und oberhalb des Deltas von Mammern und in der Bucht oberhalb der Klinik haben sich trotz günstiger topographischer Vorausset­ zungen keine Siedlungsreste finden lassen. Zu den Grabungsfunden kommen er­ wähnenswerte Einzelfunde, die auf Ge­ meindegebiet gemacht wurden. So entdeckte beispielsweise im Jahr 1921 ein Mann im Bereich Fennenbach­ Halden im Schilf eine bronzezeitliche Randaxt (s. Abb.); im Eggenäulitobel bei der Strassenbrücke nach Liebenfels wurde ein Bronzemesser aufgefunden. Auch aus späterer Zeit sind Funde be­ zeugt. ln Fachpublikationen des letzten Jahrhunderts steht geschrieben: «Eine Anzahl Kupfer- und Silbermünzen» und «Zirka 60 keltische Altertümer». Die ge­ nannten Objekte sind heute aber ver­ schollen. Bekannter ist der Fund eines möglicherweise römischen Pferdeske­ letts, das 1932 bei Drainagearbeiten Dieses 17cm lange Randleistenbeil wurde bei der Fen­ beim Seehaus zwischen Mammern nenbach-Mündung gefunden. und zutage gefördert wurde. Die aufgefundenen Zähne eines weite­ ren Tieres in unmittelbarer Nachbar­ () und dem wichtigen Tasgetium schaft könnten den Hinweis auf ver­ (Eschenz) herstellte. 1920 wurden bei lochte Seuchentiere geben. Wichtiger Bauarbeiten Reste dieser Strasse ge­ sind die römischen Ziegel- und Tonge­ funden. Die Breite war auf 4,60m bis schirrfunde aus dem Gebiet Neuburg­ 5 m angegeben. Eine seitliche Begren­ ehemalige Daubenmühle. Nicht weit zung konnte nicht mehr nachgewiesen davon entfernt, bei der Siedlung Rolli­ werden, da die Strasse durch Vermoo­ rain, stiess man im Frühjahr 1943 beim rung versunken war. Der Verkehrsweg Fällen eines in einem Ziegelhaufen wu­ führte nördlich des Hörnliwaldes von chernden Baumes auf Teile eines klei­ Amenhusen herkommend nach Rü­ nen römischen Ziegelbrennofens. Ein tershus/Weierhof. Das auf einer Länge weiterer Ziegel- oder Kalkofen aus der von etwa tausend Metern geortete Teil­ Römerzeit wurde im gleichen Jahr beim stück verlief dann teilweise der Gemein­ «Wigärtli» entdeckt und aufgenommen. degrenze entlang in Richtung Windhu­ Die ältere Dorfbevölkerung weiss von sen-Eschenz. der Existenz einer Römerstrasse, die einst die Verbindung zwischen Ad fines Quellen: Amt für Archäologie, Frauenfeld. Vom Mittelalterin die Neuzeit von Dr. Beatrice Sendner-Rieger, Kantonale Denkmalpflege, Frauenfeld

Den Grund zur nachmaligen Herrschaft mender Schwierigkeiten verkaufte da­ Mammern legte derTausch, bei dem im her Thumb, dessen Familie Mammern Jahr 909 der Abt von St.Gallen vom volle acht Jahrzehnte besessen hatte, Grassgrundbesitzer Winidhere dessen den Besitz im folgenden Jahr an die Besitz zu Manburren erlangte. Später Brüder von Roll aus Uri. Anders als ihre karn·das Gut der Freiherren von Mam­ Vorgänger nahmen diese zumindest mern hinzu. Ihre Stammburg erhob sich zeitweise Wohnsitz in Mammern und unweit der Feste Liebenfels (auf der bauten in den zwanziger Jahren des 17. Höhe zwischen Mammern und Her­ Jahrhunderts das «Neue Schloss» mit dem) und zerfiel vermutlich bald nach Nebengebäuden und einer Schlosska­ Erlöschen des Geschlechtes. Die Her­ pelle daselbst. ren von Kastell (bei Tägerwilen), die Mit Johann Peter von Roll, Karl Emma­ 1319 Mammern vom Abt als Lehen er­ nuel von Roll und Johann Walter von hielteh, waren gleichzeitig Besitzer der Roll waren erstmals seit der Reforma­ Herrschaft Neuburg, östlich von Mam­ tion wieder katholische Besitzer in mern. Fortan war die Neuburg Sitz des Mammern. Obwohl sie sich beim Kauf Verwalters der beiden Herrschaften, verpflichten mussten, in religiösen Din­ die bis zum Ende des Ancien regime gen nichts zu ändern, setzten sie sich fast immer vereinigt blieben. Bis zur getreu der Familientradition rasch und Mitte des 15. Jahrhunderts stammten entschieden für die Sache der Gegen­ die Besitzer aus zahlreichen badischen ein. Da die Bevölkerung mit und württembergischen Adelsge­ wenigen Ausnahmen im Lehensver­ schlechtern. hältnis zur Herrschaft stand, hatten die Unter dem einzigen bürgerlichen Besit­ Gerichtsherren in der Belehnung ein zer, Poley Thüringer, später Bürgermei­ gewichtiges Mittel, ihre religionspoliti­ ster von Steckborn, trat Mammern zum schen Bestrebungen zu verwirklichen. neuen Glauben über. Unter der evan­ Schon 1621 stifteten die Gerichtsherren gelischen Gerichtsherrschaft der Her­ auch eine Pfarrpfründe für die Katholi­ ren von Thumb, Erbmarschälle des ken und drängten auf Abschaffung des Herzogs von Württemberg, blieb die evangelischen Prädikanten. Als Johann Zahl der Katholiken in Mammern zu­ Walter von Roll 1639 starb, liess ihm nächst klein. Wenn auch erste Vor­ sein Sohn im Chor der paritätischen stösse scheiterten, die Messe in Mam­ Pfarrkirche ein repräsentatives Grab­ mern wieder einzuführen, so musste mal errichten (heute in der Schlosska­ Gerichtsherr Friedrich vonThumb doch pelle). 1619 nachgeben. ln Voraussicht kom- Nach demTod Johann Walter von Rolls setzte der wirtschaftliche Niedergang der Herrschaft Mammern ein, so dass der grosse Reichtum der Herren von Roll innert weniger Jahrzehnte verlo­ renging. Von Schulden bedrängt, sa­

hen sich die Nachkommen 1667 ge- · zwungen, die Herrschaft Mammern an den verschwägerten Wolfgang Rudolf Reding von Biberegg zu verkaufen. Auch Reding, der seit 1652 Landschrei­ ber im Thurgau war, gehörtezu den eif- rigen Verfechtern der Gegenreforma­ jährliche Ertrag stieg bald auf gegen tion. Trotz des beschwerlichen Weges 1000 Gulden an. So konnte denn im nach Frauenfeld nahm Wolfgang Ru­ Jahr 17 49 Statthalter Roman Effinger dolf Reding Wohnung im Schloss den Vorarlberger Baumeister Johann Mammern und legte 1685 mit der Auf­ Michael Beer mit dem Bau einer neuen schüttung im See die Grundlage zum grösseren Schloss�apelle beauftragen,

heutigen Schlosspark, den er mit zwei die Franz Ludwig Herrmann mit reichen massiven Pavillons abschloss. Doch Fresken ausstattete. ehe er überhaupt in den Genuss seines Keine 20 Jahre vergingen nach der Lustgartens kommen konnte, musste Tausendjahrfeierdes Klosters Rheinau, Reding 1687 die hoch verschuldete und als die Abtei 1799 aufgehoben wurde. unrentable Herrschaft abstossen. Of­ 1838 musste das Kloster auf Drängen fenbar von den katholischen Orten ge­ Zürichs einem Verkauf der Statthalterei drängt, übernahm das Kloster Rheinau Mammern zustimmen. Damit endete den Besitz, welchem es bald darauf die längste Herrschaftsperiode, und in auch Neuburg wieder beigesellte. Frei­ raschem Besitzerwechsel verschleu­ lich standen den hohen Schulden mini­ derten Private Mobiliar und Grundbe­ male Einnahmen und zahlreiche vom sitz. 1866 kaufte schliesslich der Arzt Einsturz bedrohte Gebäude gegen­ Dr. Freuler Schloss Mammern und ver­ über. Der päpstliche Nuntius verwei­ wandelte es in eine Kuranstalt, deren gertejedoch offenbar die Erlaubnis zum Nachfolgeinstitution heute noch fortbe­ Wiederverkauf der Herrschaft, so dass steht. das Kloster beschloss, den unrenta­ blen Besitz besser zu bewirtschaften. ln der Folge amteten durchweg tüchtige Ö und bewährte konomen als Statthal­ Quelle: B. Sendner-Rieger: «Die Schlosskapelle von ter des Klosters in Mammern, und der Mammern TG>> Original im StiftsarchivSt.Gallen, Urkunde IV 467 (Massstab 1 :1,2).

Erste urkundliche Erwähnung von.Mammern

Mammern wird in diesem bereits im Mönch des Klosters St.Gallen wahr. Mit vorangegangenen Kapitel erwähnten einer gut lesbaren karolingischen Mi­ Tauschbrief erstmals urkundlich er­ nuskelschrift (Kieinschrift) hielt er den wähnt. ln der Mitte der zweiten Linie fin­ Tausch fest und unterschrieb recht ei­ det man Mammerns alte Schreibweise: genwillig. Wie damals üblich, verwen­ manburron. Manburren ist zusammen­ dete er vermutlich kein neues Perga­ gesetzt aus dem Männernamen ment, sondern ein Reststück aus der «Manna», der auch im Ortsnamen von klösterlichen Schreibstube. Mannenbach vorkommt, und dem alt­ Dr. Hans Kläui hat diese Urkunde, wel­ hochdeutschen «bUr», was «Haus» be­ che einen Landtausch zwischen Mam­ deutet. Somit kann man Mammern mern und Hettlingen beinhaltet, für das etwa mit «Häuser des Manna» überset­ Buch «Geschichte der Gemeinde Hett­ zen. Im Gegensatz zu den häufiger vor­ lingen» übersetzt und dem Verkehrs­ kommenden alamannischen Ortsbe­ verein freundlicherweise die Abdruck­ zeichnungen, die auf -ingen, -wilen, erlaubnis erteilt. -hausen oder -hart enden, trat dieser Quellen: Namenstyp nur sehr verstreut auf. 0. Sandle: <

Es sei allen kundgetan, Gegenwärtigen Magd mit ihren Kindern, und zwar mit nämlich undZukünftigen, dass ich, Wi­ dieser Bedingung, dass ich dagegen zu. nidhere1, einen gewissen Tausch ma­ «Wilare»2 zwei Hubens mit allem Nutzen che mit Bischof Salomon, dem Abt von und den gesamten zu ihnen gehören­ St.Gallen, und den andern Leitern des den Sachen erhalte, und in Hettlingen4 nämlichen Klosters. Ich übertrage also eine Hube, gleicherweise mit allen Zu­ mit der Hand meiner Gattin Hildegard ·gehörden, und in Madetswi/5 alles, was dem vorberührten Kloster alles, was ich im Besitzrecht des Klosters ist, ausge­ an ererbtem Eigentum in Mammern nommen ein Wäldchen. Ebenso soll ich (T G) am heutigen Tag augenscheinlich als Leibeigene zwei Knechte und zwei besitze, mit Häusern, Gebäuden, Äk­ Mägde erhalten. (Alles) in der Weise kern, Wiesen, Weiden, Feldern, Wäl­ also, dass ich von den vorgesagten dern, Wegen, Gewässern und Wasser­ Dingen durch Eigentumsrecht für ewige läufen, Mühlen, Weinbergen, Fischtei­ Zeiten die Macht habe, sie innezuha­ chen, Ausgängen und Einkünften, be­ ben, zu verschenken, verkaufen, zu bauten und ·unbebauten Böden. Ich vertauschen und weiterhin, was mir im­ übertrage auch zwei Knechte und eine mer beliebt, damit zu machen. Und die- ser Tausch soll von beiden Seiten auf chentag (Freitag), den 7. Tag vor den die Dauer unumstösslich bleiben. Ge­ Kalenden des Juni?, das letzte Jahr Kö­ schehen im Kloster (St. Gallen) öffent­ nig Ludwigss, unter Graf Adalbert9. lich, in Gegenwart dieser, deren Namen Anmerkungen: iDer nicht ganz unbedeutende Grund­ hier verzeichnet werden. Handzeichen herr Winidhere lässt sich nirgends einordnen; ohne Zwei­ des Winidhere selbst, der diesen fel gehört er in den alten Thurgau. 2Dieser Ort Wilare lässt sich nicht bestimmen. 3 Eine Hube war- auch spä­ Tausch machte. Handzeichen auch der ter- ein Bauerngut von 30 bis 50 Jucharten Ackerland. anderen Zeugen: Milo, Ruadpreht, 4Hettlingen: Dorf 4 km nördlich von Winterthur. SMa- detswil: Dorf in der Gemeinde Russikon (ZH). BAutfallend Amalung, Adalbreht, Reiccho, Wille­ ist die sehr grosse Zahl von 39 Zeugen, die sich für das here, Engilram, Note, lmmo, Reginger, Geschäft in St.Gallen eingefunden haben. ?Der Wo­ chentag (Freitag) und der Monatstag, nach heutiger Wolfrid, Lantfrid, Wolvine, Wolfram, Rechnung der 26. Mai, stimmen für das Jahr 909 pro­ Lantpreht, Focherat, Othere, Haicho, blemlos. BDie Angabe des Regierungsjahres von König Ludwig dem Kind ist dagegen unklar. Das lateinische Hadabreht, Horscolf, Waldram, Azzo, «novissimum», das wir mit <

Postkarte: Mammern -Park der Kuranstalt Der Gerichtsstab von Mammern von Hanspeter Hausammann, Präsident des Heimatmuseums, Steckborn

Seit dem Altertumbilden Stäbe das Zei­ chen der Würde. Wir kennen den Krummstab ·der römischen Priester, der im Bischofsstab weiterlebt; wir ken­ nen den Stab des Nikolaus, und wir kennen das Szepter des Königs. Aber auch der Zauberer und der Dirigent brauchen ihren Stab. ln die gleiche Reihe gehört der Gerichtsstab. Seine Geschichte ist so alt wie die der ande­ ren Symbole der Macht und des Rechts. ln der Hand des Richters bildet er das Zeichen der Gewalt, wer den Stab besass, besass das «Recht». Wurde der Stab weitergegeben, so wurde auch das «Recht» übergeben. Ein Gerichtsverfahren konnte nur ab­ laufen, solange der Richter, oder später auch ein gewählter Stabhalter, den Ge­ richtsstab aufrecht in der Hand hielt. Daneben diente der Stab aber auch für viele andere rechtliche Zwecke. Auf ihn musste geschworen werden; bei Land­ käufen mussten beide, Verkäufer und Käufer, den Stab gemeinsam halten und so den Handel öffentlich anzeigen, usw. Einen solchen Gerichtsstab be­ sass auch die Herrschaft Mammern. Glückliche Umstände haben dazu ge­ führt, dass der letzte, der im Jahre 1702 angefertigt wurde, bis heute erhalten blieb. Während der Sommermonate kann er, als Leihgabe der Gemeinde Der Gerichtsstabvon Mammern weist eine Länge von 8 Mammern, im Heimatmuseum Steck­ 90 cm auf, die figürlicheGestaltung misst cm. born besichtigt werden. Alten Quellen entnimmt man, dass das Dorfgericht Frauenfeld gerichtet. Wurde einer zum Mammern aus dem Stabhalter, zwölf Tode verurteilt, so zerbrach der Richter Richtern und dem Weibel bestand. Das den Gerichtsstab über dessen Kopf Gericht wurde vom Gerichtsherrn oder und warf ihm die Teile vor die Füsse. Da seinem Statthalter geleitet. War keiner man aber solche Stäbe nicht leichtfertig der beiden anwesend, so führte der zerstören wollte, bestanden sie aus Stabhalter die Verhandlungen. Das zwei Teilen, zwischen die man dann ei­ Dorfgericht Mammern durfte aber nur nen dünnen Stab zum Zerbrechen ein­ die «kleineren» Straftaten beurteilen. fügte. Da der Gerichtsstab von Mam­ Alle Vergehen gegen «Leib und Leben», mern aber nur für das Niedere Gericht Diebstahl und Raub, so weit sie todes­ verwendet wurde, besteht er nur aus ei­ würdig waren, wurden vom Landvogt in nem Stück. Von der Helvetik zur Gegenwart von Emil Meier, Ortsvorsteher, Mammern

Zu Beginn der Helvetischen Republik, tinuität aufweist. Seit 1883 amtet erst die keine feudalen Gebilde mehr der fünfte Ortsvorsteher, nämlich von kannte, wurde aus den beiden Herr­ 1883 bis 1904 Konrad Sigwart (zur fro­ schaften Neuburg und Mammern, aus hen Aussicht), von t 904 bis 1928 Carl der Propstei Klingenzell söwie aus Gün­ Beerli, von 1928 bis 1945 der Sohn von delhart die Politische Gemeinde Mam­ Konrad Sigwart, Walter Sigwart, von mern gebildet. Der Agent, das heisst 1946 bis 1979 dessen Sohn Walter der Vorsteher (Präsident) des Munizipa­ Sigwart-Bamert und seit 1979 Emil litätsrates, war dem Präsidenten des Meier. Distriktes Steckborn unterstellt. Die Im Jahre 1.905 betrugen die Steuerein­ Mediation schuf 1803 aus den Gemein­ nahmen in Mammern Fr. '3461.40, und den Steckborn und Mammern die Mu­ die Hauptausgaben, das Strassenwe­ nizipalgemeinde Steckborn, seither ist sen, stand mit Fr. 1905.41 zu Buche.

Mammern eine Ortsgemeinde. · Für die Nachtwächter Josef Sigwart

Klingenzell um 1930

Im Juli 1815 reichten die Bewohner von (während 292 Tagen) und Karl Breiten­ Mammern und Gündelhart bei der ge­ maser als dessen Stellvertreter (wäh­ bildeten Organisationskommission rend 73Tagen) wurden Fr. 200.- bezie­ eine Petition ein, um die beiden Ge­ hungsweise Fr. 73.- ausbezahlt. Zum meinden zu einer Munizipalgemeinde sogenannten Polizeiwesen gehörten zusammenzuschliessen. Aus prinzipiel­ die Feuerwehr, die Nachtwache sowie len Erwägungen wurde das Gesuch der Kaminfeger. Die Armenpflege - verworfen. Die Mammerner bemühen heute Fürsorge - war bis in die sechzi­ sich also seit bald 200 Jahren um die ger Jahre Sache der evangelischen und politische Eigenständigkeit ihrer Ge­ katholischen Kirchgemeinden. meinde. Im Jahre 1871 beschloss man den Betrachtet man die letzten I 00 Jahre Ausscheidungsvertrag zwischen der der Ortsgeschichte, so fällt auf, dass Alt-/Neu-Bürgergemeinde und der die Gemeinde sowohl wirtschaftlichwie Ortsgemeinde Mammern. Seit damals personell eine kaum vergleichbare Kon- bis etwa 1950 blieben die Aufgaben der Ortsgemeinde ungefähr die gleichen: Etwa ab 1965 wollte man im Kanton Wasserversorgung, Strassenwesen grosse Einheitsgemeinden bilden. � teilweise Armenpflege, Landwirt Auch die Munizipalgemeinde Steck­ schaftspolitik, Steuerbezug, Einwoh­ born sollte eine Einheitsgemeinde wer­ nerkontrolle, Feuerwehr und Militärwe­ den. Wie schon 1815 bekundete Mam­ sen. mern erneut seinen Willen zur Eigen­ Die Jahre von 1950 bis 1980 standen ständigkeit. Die Gemeinde ist diesem ganz im Zeichen des Strassenbaus und Grundsatz bis zum heutigen Tag treu-. geblieben und steht kurz vor der Bil­ d�r Abwasser- und Abfallentsorgung. D1e zunehmende Mobilität des Schwei­ dung einer Einheitsgemeinde Mam­ zervolkes liess die Seerückenstrasse mern. Das weitere Vorgehen über die u bilden� (T18) von 1965 bis 1985 zum Dauer­ � .e Einheitsgemeinde liegt jetzt thema werden. Man stelle sich eine Au­ 1n den Handen des Regierungs- und tostrasse direkt unterhalb des Höhen­ des Kantonsrates. Diese neue Aufgabe wird die Politik in Mammern in den weges von Mammern mit einem Via­ � dukt über die Liebenfelserstrasse wei­ n chsten zehn Jahren stark prägen. ter Richtung Torggel, Hasle, Wygärtli D1e Kompetenzen und die Verantwor­ vor! Gegen Ende der sechziger Jahre tung im Gemeindewesen werden an wurde die Hochrheinschiffahrt mit Bedeutung gewinnen. Wasserstandsregulierung des Unter­ Einen wichtigen Platz in der Zukunft sees heftig diskutiert. Eine weitere Ent­ wird neben der Förderung von Dienst­ wicklung im Kanton fand in der Aufga­ leistungen, Tourismus, Wohnqualität benverteilung der Orts- und Munizipal­ und Wohnraum die Entsorgung jegli­ gemeinden statt. Viele wichtige Aufga­ cher Art von Schadstoffen einnehmen. Die nötige Infrastruktur für eine Landge­ ben der Ortsgemeinde wurden durch . . Verordnungen und Gesetzesänderun­ m�lnde w1e Mammern ist zum grössten gen den Munizipalgemeinden übertra­ Tell vorhanden. Die Anpassungen an gen, zum Beispiel von 1960 bis 1970 den öffentlichen Verkehr sowie die Er­ die Einwohnerkontrolle, der Steuerbe­ stellung eines Radweges werden in den zug, die Fürsorge, das Militärwesen kommenden Jahren Hauptthemen und die Weibeldienste und von 1970 sein. rW Quelle: P. Rosenkranz: «Die Gemeinde im Thurgau vom bis 1980 die Feue ehr und zum Teil Ancien regime bis zur Ausscheidung der Gemeindegüter der Zivilschutz. 1872»

Uferlandschaft vom Park der Klinik bis zum Langhorn (um 1900) Mammern um 1920 IMPRESSUM

Mammern im Jahre 1837 Auflage: 3000 Stück Herausgeber: Verkehrsverein Mammern ln seinem Buch über den Kanton ­ Gestaltung gau schrieb der Historiker J.A. Pupiko­ und Druck: Druckerei Steckborn AG fer im Jahre 1837 unter anderem: «Mammern, ...., in lieblichem fruchtba­ Redaktion: Marianne und Markus rem Gelände, hat 40 Wohnhäuser in Germann-Leu seiner Ortsgemeinde, welche neben Fotografien: Gaberell (Seite 1) Mammern die einzelnen Häuser Bühl, Reinhart (2-3) Oorrenmühle, Fischerhäusli, Ober- und Kühne (6-7) Unterhalden, Klingenze/1, Im Klösterli, Sulger Büel (8,12) Neuenburg, Neuhäusli, Seehaldenhof, Völker (9) Hinter- und Vorderweiherholz und Stö­ Burkhardt (10) renberg mit zwei Häusern umfasst. .. Hitz (11) Die Thätigkeit der Bewohner ist fast Mit einem minimalen Jahresbeitrag von Fr. ganz auf den Getreide-, Obst- und 8.- auf das Konto 20/001476/04 bei der Hanfbau beschränkt... Die (paritäti­ Thurgauer Kantonalbank in Steckborn sche)Kirchgemeinde, in dieselben können Sie die vielfältige Arbeit des Ver- Grenzen eingeschlossen wie die Orts­ kehrsvereins unterstützen. gemeinde, zählt 25 Seelen evangeli­ scher und 110 Seelen katholischer Vorstand des VVM 1990/91 Konfession. Den katholischen Gottes­ dienst, welcher seit 1619 wieder einge­ Präsident: Markus Germann führt ist, besorgt ein Conventual des Aktuar: Hans Rudolf Dietrich Stiftes Rheinau. Der evangelische Got­ Kassier: Marcel Hilpertshauser tesdienst wird durch einen Vikar verse­ Revisoren: Brigitte Beerli hen.» Franz Weber Schutzgebühr: Fr. 1.- Quelle: J. A. Pupikofer: "Der Kanton Thurgau»