Ausgabe 3/19 oper tanz Zeitschrift für Opernchor und Bühnentanz

200 Jahre Franz von Suppé Vorwärtsgewandt in den Tod Ohne plärrige Parolen Erfindungen, Legenden, Operetten „JFK“ in Augsburg „Der Eisblumenwald“ von Weimar : SCHREKERS „“ TITELBILD: „JFK“ IN AUGSBURG Mit „Der ferne Klang“ feierte der Komponist Franz Schreker seinen ersten John Fitzgerald Kennedy wirkte in den Opern-Erfolg. 1912 wurde er am Frankfurter Opernhaus uraufgeführt. Schreker 1960ern wie eine Lichtgestalt. Trotz vieler war der zu Lebzeiten meistgespielte, ab 1933 dann als „entartet“ diffamierte enthüllender Dokumentationen umgibt das deutsche Komponist. Die Frankfurter Oper widmet die Neuproduktion des „Fer- fotogene Paar „Jack und Jackie“ bis heute eine nen Klangs“ dem vor wenigen Wochen gestorbenen Dirigenten , Aura des Besonderen. US-Komponist David T. dem die triumphale Wiederentdeckung von Schrekers Oper „“ Little und sein kanadischer Librettist Royce 1979 in der Regie von Hans Neuenfels an der Frankfurter Oper zu verdanken Vavrek beschränken sich auf jene ihre letzte war. Die Neuinszenierung des „Fernen Klangs“ durch , Paolo Nacht vom 21. auf den 22. November 1963, Fantin (Bühne), Klaus Bruns (Kostüme), war ebenfalls ein szenisches Ereignis. ehe das Paar nach Dallas aufbrach.

Foto: Barbara Aumüller Seite 28-29 Foto: Jan-Pieter Fuhr Seite 27 Inhalt

04 Editorial

05 schlagzeilen

06 Brennpunkte Cottbus verzögert, Rostock streitet 06 In Cottbus läuft der seit 2013 geltende Haustarifvertrag aus. Es eröffnete sich die Perspektive einer flächentarifgerechten Regelung. Die Arbeitgeberseite möchte für einen Zeitraum von wenigstens zwei weiteren Jahren einen erheblichen Ver- zicht von den Beschäftigten fordern. Das Volkstheater Rostock treibt den von der VdO initiierten und in zweiter Instanz vollumfänglich gewonnenen Rechtsstreit um die Tarifsteigerungen für Chormitglieder weiter - Zeitgewinn ist Bargeld... 07 Kulturpolitik Thüringens Kultusminister Hoff im Gespräch 07 Benjamin-Immanuel Hoff, Chef der Thüringer Staatskanzlei und Minister für Kul- tur, Bundes- und Europaangelegenheiten, außerdem Antisemitismusbeauftragter des Freistaates Thüringen, war zu Besuch am Stand des ConBrio Verlags auf der Leipziger Buchmesse. Barbara Haack sprach mit ihm über Theater und Kultur in Thüringen. 09 Das Porträt Schillernder Opernkomponist: Franz von Suppé

09 Er gilt als Schlüsselfigur bei der Entstehung der Wiener Operette und wurde vor 200 Jahren in Dalmatien geboren. Er nannte sich Francesco Ezechiele Ermenegildo de Suppé, nach eigener Schreibweise Suppè, wie sein letzter Wiener Meldezet- tel belegt, der im Wiener Stadt- und Landesarchiv erhalten ist. Eigentlich hieß er schlicht Suppe. Sein Name ist so schillernd wie seine Vita. Seine überlieferte Biographie ist voller Kolportagen, Legenden und Erfindungen. 12 -16 Hintergrund 1+2 Axel Köhler, bald Dresdens Musikhochschul-Rektor 12 Axel Köhler übernimmt im Herbst die Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden. Bislang kennt man ihn als gefeierten Counter-Tenor, als impul- siven Sänger-Darsteller sowie als Intendanten und Regisseur. Michael Ernst sprach mit dem Künstler über den neuerlichen Rollenwechsel. Erfreulich: In Kooperation mit der Dresdner Hochschule für Musik Carl Maria von Weber hat die Sächsische Staatsoper das Opernchorstudio (wieder) ins Leben gerufen. Jörn Hinnerk Andresen ist seit 2015 Chordirektor des Staatsopernchores. Köhler - Andresen 17-20 Hintergrund 3 Deutsche Theater: Markt, Strukturen, Stellenwert

17 Klein oder groß; Ost, West, Süd oder Nord; gut finanziert oder am Limit: Stadt- und Staatstheater in Deutschland sind vielfältig und jedes für sich ein „Unikum“. Joachim Lange hat am Rande von aktuellen Produktionen mit Intendanten ganz verschiedenartiger Häuser über die Bedingungen ihrer Arbeit gesprochen. 21 Namen & Fakten 24 Pressespiegel 27 berichte Berichte

Ausgabe 03/2019 27 Unsere Korrespondentinnen und Korrespondenten besuchten Aufführungen und weitere Kulturveranstaltungen in Augsburg, Frankfurt, Wuppertal, Gießen und Weimar. 35 Vdo aktuell, oper 36 Buch und DVD aktuell & Tanz 37 - 38 TV und Vakanzen, Impressum

3 editorial

Von Mensch zu Mensch

Die Spielzeit 2018/2019 neigt sich dem stimmter Berufsgruppen beispielhaft Ende zu. Welche Eindrücke nehmen Sie genannt werden, geht es häufig um die mit? Wie steht es um die Wertschätzung Beschäftigten in der Alten- und Kran- der Arbeit der Kunst- und Kulturschaf- kenpflege. Dieses Thema kann gar nicht fenden? Wo steht die Kulturpolitik? hoch genug priorisiert werden. Es ist aber falsch, unterschiedliche Berufs- In der Parteienlandschaft hat es gravie- gruppen gegeneinander auszuspielen, rende Veränderungen/Verschiebungen um so – vermeintlich – das Wesentliche gegeben, die mit großer Skepsis zu be- in den Blick zu nehmen. Die Gesellschaft trachten sind, für den Bereich der Kultur darf jedoch das Kernthema nicht aus den und die Freiheit der kulturellen Arbeit Augen verlieren: Was ist uns Zwischen- durchaus Anlass zur Sorge geben kön- menschlichkeit wert? nen, und deren konkrete Auswirkungen auf die Kulturpolitik wachsam zu verfol- Und wie steht es mit den Herausforde- gen sind. rungen, die die Digitalisierung an die Kunst- und Kulturschaffenden stellt? Foto: Charlotte Oswald Deutliche Fortschritte konnten in der Mit der fortschreitenden Digitalisierung grundsätzlichen Frage der Theater- und wird sich unsere Arbeitswelt weiterhin Orchesterfinanzierung erzielt werden, menschliche Miteinander im Vorder- rasant verändern. Soweit moderne Algo- die den zunehmenden Abbau von Ver- grund steht. Der Grünen-Bundesvorsit- rithmen Sprachen lernen, Gefühle simu- zichtstarifverträgen ermöglicht, auch zende Robert Habeck bezeichnete diese lieren oder Musikkompositionen erstel- wenn diese Problematik noch nicht an Berufe in einem Interview-Podcast der len, sind die Fortschritte beeindruckend allen Standorten ausreichend geklärt ist. ZEIT im Frühjahr 2018 als Mensch-zu- und es stellt sich die Frage, ob nicht bald Auch ist der wirtschaftliche Druck auf Mensch-Verhältnisse, zu denen er auch auch eine Verdrängung der realen durch die Kulturinstitutionen weiter gestie- die Arbeit im Kultur- und Bildungsbe- die virtuelle Welt zu befürchten sein gen, die Auslastung zu steigern und den reich zählte, und denen er den eigent- kann. Instrumentalmusik kann bereits Eigenanteil an der Gesamtfinanzierung lich hohen, weil nicht ersetzbaren Wert perfekt elektronisch von Notenschrift in zu erhöhen, um beispielsweise Tarifstei- menschlicher Interaktion beimesse. Ha- Töne umgesetzt und ausgegeben werden. gerungen o.ä. aufzufangen bzw. gegen beck äußert die Hoffnung, dass solchen Aber was heißt schon „perfekt“, wenn es zu finanzieren. Und das bei tatsächlich Tätigkeiten künftig – auch oder gerade um Kunst und Kultur geht? Man sagt stattgefundenem und immer noch wei- vor dem Hintergrund der fortschreiten- zwar, über Geschmack ließe sich nicht ter stattfindendem Personalabbau, der den Digitalisierung – ein höherer Wert streiten, aber Schönheit liegt bekannt- in aller Regel irreversibel ist und zu ei- beizumessen sei und sie auch vernünftig lich im Auge des Betrachters (oder auch ner fortschreitenden Arbeitsverdichtung bezahlt und stärker gewertschätzt wer- im Ohr der Zuhörerin). und zum Teil extremer Belastung der den müssten.1 Kulturschaffenden führt. Und nur in der individuellen Ausdrucks- Dem schließen wir uns an. Und auch form besteht der Raum für die jeweilige In den aktuellen Manteltarifverhand- wenn die Revolution wohl nicht von heu- künstlerische Ausgestaltung und Ent- lungen mit dem Deutschen Bühnenver- te auf morgen stattfinden wird, so arbei- wicklung neuer Interpretationen, die ein konnten nicht unerhebliche Ver- ten wir mit Ihnen gemeinsam doch kon- nicht nur Kopien bereits existierender besserungen der Arbeitsbedingungen tinuierlich daran, das Bewusstsein für Gestaltungen sind. Nur so kann die er- erzielt werden, um diesen Entwicklun- Themen dieser Art in der Gesellschaft wünschte kostbare Vielfalt entwickelt gen entgegenzuwirken. Diese Erfolge weiter zu schärfen. werden. – in mühsamen und langwierigen Ta- Ihnen und Ihren Lieben eine genussvol- rifverhandlungen errungen – sind zu- Im Kulturbereich können Menschen le Sommerpause mit viel Zeit für Zwi- letzt auch Ergebnisse einer verbesserten und ihre künstlerischen Aussagen nun schen- und Mitmenschlichkeit! Akzeptanz gegenüber notwendigen An- mal nicht durch künstliche Intelligenz passungen in Hinblick auf Planbarkeit ersetzt werden, und der Umgang mit- Gerrit Wedel von Arbeits- und Freizeit. Ein Themen- einander ist etwas zutiefst Menschli- komplex, den es gilt, auch künftig kon- ches. Diese Unersetzlichkeit ist es, was Ausgabe 03/2019 Ausgabe tinuierlich weiterzuentwickeln. die Kulturschaffenden, die Pflegenden, 1 Habeck Interview: Das Thema wird behandelt die Kinder-Betreuenden vereint: Sie alle ab ca. 1h 35, die Zitate fallen dann ab 1h 39, Wenn in der öffentlichen Debatte die & Tanz haben, mit den jeweiligen spezifischen https://www.zeit.de/gesellschaft/2018-04 ro- (prekären) Arbeitsbedingungen be- oper Nuancen, kreative Jobs, bei denen das bert-habeck-alles-gesagt

4 schlagzeilen

Bundesjugendchor Anlässlich ihrer Festrede zum 50. Ge- burtstag des Bundesjugendorchesters im Neuen Gewandhaus zu Leipzig hat Fran- ziska Giffey, Bundesministerin für Fa- milie, Senioren, Frauen und Jugend, für 2020 die Gründung eines Bundesjugend- chores in Trägerschaft des Deutschen Mu- sikrates (DMR) angekündigt. Der Chorge- sang spiele in unserer Musikkultur eine wichtige Rolle, so die Ministerin. Mit dem Bundesjugendchor werde ein Chor entstehen, „der die deutsche Chortra- dition pflegt und nach außen trägt. Ein Chor, der das Chorsingen in Deutschland Mecklenburgisches Staatstheater. Foto: Silke Winkler repräsentiert und ein Aushängeschild ist für die deutsche Chorlandschaft. Ein Chor, der Exzellenzensemble ist Schwerin: Kritik an Intendant Lars Tietje und höchste Qualitätsstandards setzt. Am Mecklenburgischen Staatstheater sitzungen im Dezember in Aussicht ge- Und ein Chor, der hochbegabte junge Schwerin gärt es weiter. Teile der Mitar- stellt worden. „Wann bekennt man sich Stimmen fördert und allen mit hervor- beiter zeigen sich offen unzufrieden mit endlich klar und öffentlich zu dieser ragenden sängerischen Leistungen of- Intendant Lars Tietje. Tietje ist seit 2016 Aussage?“, so die Frage der Mitarbeiter. fensteht.“ Der Bundesjugendchor wird Generalintendant in Schwerin. Im März Im April startete Kulturstaatssekre- jungen Sängerinnen und Sängern im Al- äußerten sich die Mitarbeiter der Staats- tär Sebastian Schröder gemeinsam mit ter von 16 bis 26 Jahren offenstehen. kapelle und des Schauspielensembles in Oberbürgermeister Rico Badenschier einem offenen Brief. Das Vertrauen zwi- eine großangelegte Mitarbeiterbefra- schen Mitarbeitern und Intendanz sei gung, die anonym durchgeführt werde Jahrestagung des DBV – auch nach der Verkündung von Sofort- und freiwillig sei. Die Gesellschafter Der Deutsche Bühnenverein (DBV) hat maßnahmen – nach wie vor weitgehend wüssten, dass die Stimmung am Meck- auf seiner Jahreshauptversammlung in zerrüttet, heißt es in dem Schreiben. lenburgischen Staatstheater momentan Nürnberg sein Präsidium neu gewählt. „Mehr als 20.000 Zuschauer weniger nicht besonders gut sei, so Schröder. Den Beschluss, in den nächsten zwei jährlich, katastrophale Einbrüche bei „Ich halte es deshalb für wichtig, dass Wahlperioden eine geschlechterparitä- den Abos (…) sowie die Zerrüttung und sich alle Beteiligten einbringen, um die tische Besetzung der Gremien anzustre- Marginalisierung unseres Theaters nach Situation gemeinsam zu verbessern. ben, sei weitgehend umgesetzt worden, innen und außen sind die bisherige Bi- Das Potenzial dafür ist vorhanden.“ In so der Verband in einer Meldung. Im Mit- lanz dieser Intendanz.“ Von den Trägern dem offenen Brief von Staatskapelle und telpunkt der Jahreshauptversammlung fordern die Unterzeichnenden deshalb Schauspiel war allerdings bereits im Vor- standen die Themen Geschlechterge- deutlich: „Übernehmen Sie endlich die feld Skepsis gegenüber der Befragung rechtigkeit und Frauen in Führungspo- Verantwortung für das Mecklenburgi- geäußert worden. Viele Mitarbeiter hät- sitionen, der Umgang mit sexueller Be- sche Staatstheater!“ Ein Auslaufen der ten Vorbehalte, „ob die Anonymität der lästigung und Machtmissbrauch sowie Intendanz Tietjes sei bereits in Krisen- Befragung gewährleistet wird“. die Auseinandersetzung mit rechtspopu- listischen Strömungen. Weitere Schwer- punkte waren der Fachkräftemangel im Lübecks Theaterdirektor nimmt seinen Hut technischen und administrativen Be- Paukenschlag in Lübeck: Christian des Landes Schleswig-Holstein und der reich sowie die Situation der Orchester. Schwandt, der Geschäftsführende Di- Kulturministerin Karin Prien (beide In der Auseinandersetzung mit rechtspo- rektor des Theaters Lübeck, hat ange- CDU). Schwandt bekleidet den Posten pulistischen Strömungen, die für sich kündigt, dass er das Haus im Juli 2020 des Geschäftsführenden Theaterdirek- die Deutungshoheit über die Wahrheit in verlassen werde. Er begründete seinen tors seit 2007. Gelobt wird seine Fähig- Anspruch nehmen, stünden die Theater Schritt mit der unzureichenden Finan- keit, wirtschaftliche und künstlerische dafür, die Komplexität der Wirklichkeit zierung des Theaters. Die Jamaika- Aspekte gleichermaßen zu berücksich- Ausgabe 03/2019 als Reichtum abzubilden und emotional Regierung, so Schwandt, spare das tigen. Während seiner Amtszeit konnten erfahrbar zu machen, heißt es in der Theater kaputt und die Förderung sei die Besucherzahlen des Theaters Lübeck Meldung. „Die Theater sind hervorra- nicht, wie versprochen, den Tarifsteige- erheblich gesteigert werden. Laut den gend dazu geeignet, analoge Foren des rungen angepasst worden. Laut einem Lübecker Nachrichten gibt das Land oper

Austauschs über gesellschaftliche und Bericht in den Lübecker Nachrichten 10,537 Millionen Euro jährlich für das & Tanz ästhetische Modelle zu bieten“, so DBV- erhob Schwandt insbesondere Vorwür- Theater aus, die Stadt Lübeck steuert Präsident Ulrich Khuon. fe gegenüber dem Ministerpräsidenten demnach 10 Millionen Euro bei.

5 kulturpolitik Brennpunkte Zur Situation deutscher Theater und Orchester

HTV Cottbus her bereits verbindlich vereinbart, dass Rostock: Rückkehr zur Normalität Am 19.06.2019 fand ein Spitzentreffen dann ab 01.01.2020 die Fläche gilt. Alle oder Mogelpackung? zwischen den hauptamtlichen Vertre- Verantwortlichen im Ministerium und Das Volkstheater Rostock treibt den von tern der Arbeitgeberseite und denen der im Stiftungsrat haben dem zugestimmt, der VdO im Namen diverser Mitglieder Gewerkschaften DOV, ver.di, GDBA und waren sich dieser Situation also bewusst initiierten und in zweiter Instanz vollum- VdO im Hinblick auf die Situation am und hatten seit 2013 Gelegenheit, sich fänglich gewonnenen Rechtsstreit um Staatstheater Cottbus bzw. der Branden- darauf einzustellen. Die Vorstellung die Tarifsteigerungen für Chormitglie- burgischen Kulturstiftung statt (s. Be- der Arbeitgeberseite hingegen, für ei- der weiter (s. Bericht im letzten Heft). richt in der letzten Ausgabe 2/2019). nen weiteren Zeitraum von immer noch Parallel dazu bietet man nun den nach Auch wenn nun von Arbeitgeberseite ein mindestens zwei Jahren einen erhebli- NV Bühne Beschäftigten – einschließ- gewisser Verhandlungsspielraum signa- chen Verzicht von den Beschäftigten zu lich des Chores – eine Änderung ihrer in- lisiert worden ist, so ist die Kernfrage fordern vor dem Hintergrund der aktu- dividuellen Arbeitsverträge an, wonach der (baldigen) Rückkehr zu flächenta- ellen politischen und wirtschaftlichen für die Zukunft die bislang bestrittenen rifgerechten Bedingungen weiterhin Situation steht dem diametral entgegen zwischenzeitlichen Tarifsteigerungen ungeklärt: Die Arbeitgeberseite kann und stellt einen Umfang dar, der dem sowie – durch die erneute ausdrückliche sich bisher eine Rückkehr zur Fläche erst eines echten Verzichtstarifvertrages Verweisung auf den NV Bühne „in der zum 01.01.2022 vorstellen sowie einen entspricht. Dies widerspricht jedoch jeweils geltenden Fassung“ – wohl auch gewissen Spielraum für zwischenzeitli- der ursprünglichen Geschäftsgrundlage zukünftige Tarifsteigerungen gewährt che Anpassungsschritte. und ist vor dem Hintergrund der aktu- werden sollen. An sich auf den ersten ellen wirtschaftlichen Blick ein positiver Schritt. Jedoch bleibt Lage des Landes den festzustellen, dass zum Einen eine in- Beschäftigten nicht dividualvertragliche Vereinbarung nie zu vermitteln. Zuletzt dieselbe Rechtssicherheit wie eine kol- wird es auch der Positi- lektivrechtliche (echte tarifrechtliche) on des Staatstheaters Bestimmung gewährt, zum Anderen Cottbus als einzig ver- mangels konkreter Angabe der aus der bliebenem Mehrspar- Sicht des Hauses zu vereinbarenden Ga- tentheater im Land gen eine versteckte Gagenabsenkung Brandenburg nicht gegenüber einer korrekt durchgeführ- gerecht. ten Übernahme der zwischenzeitlichen Staatstheater Cottbus. Foto: Ron Petrass Tarifentwicklung nicht auszuschließen Als Kompromiss ha- ist. Schließlich bleibt offen, ob durch Noch einmal zurück zur Ausgangssi- ben die Gewerkschaften ins Spiel ge- diese einzelvertragliche Neufestlegung tuation: Bei den letzten Verhandlun- bracht, bis zum Antritt des designier- der Gagen-Vereinbarung nicht der auf gen zu dem seit 2013 bestehenden und ten Intendanten Stephan Märki am Nachwirkung des Tarifvertrages und zum Ende des Jahres hin auslaufenden 01.09.2019 letztmalig die tarifgerechte Nachbindung des Arbeitgebers an diesen Haustarifvertrag war eben gerade die Vergütung zu „stunden“, wenn im Folge- Tarifvertrag beruhenden Klage rechtlich Perspektive der Rückkehr zu flächenta- jahr eine entsprechende Kompensation der Boden entzogen werden soll – mit rifgerechten Bedingungen eine zentrale erfolgt. Hierdurch würde den Rechts- der möglichen Folge, dass zwar vielleicht Frage. Die Vertretungen der Arbeitneh- trägern damit nochmals der Spielraum zukünftig Tariferhöhungen gezahlt wer- mer hatten sehr deutlich gemacht, dass verschafft, endlich die notwendigen den, die Ansprüche für die Jahre 2014 dies für sie die Vertragsgrundlage der Voraussetzungen für die Realisierung bis 2018 jedoch verlorengehen. Die VdO laufenden Vereinbarung darstellt. Es der tarifgerechten Bezahlung zu ver- rät daher ihren Mitgliedern, insbesonde- wurde dementsprechend lediglich eine schaffen. Diese Position soll nun noch re den prozessführenden, die Vereinba- Verhandlungsklausel vereinbart, mit der einmal im Stiftungsrat diskutiert wer- Ausgabe 03/2019 Ausgabe

rung, wenn überhaupt, nur mit klarstel- der konkrete Weg zu eben dieser Rück- den, ein neuer Termin zur Fortsetzung lenden Ergänzungen zu unterzeichnen, kehr geebnet werden sollte; für den Fall, der Gespräche mit den vollständigen die wir kurzfristig erarbeiten werden. & Tanz dass diese Verhandlungsoption zu kei- Verhandlungskommissionen ist für

oper nem Ergebnis führen würde, wurde da- Ende September vorgesehen.

6 kulturpolitik

Auf ein Wort mit...... Thüringens Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff im Gespräch Von Barbara Haack

Benjamin-Immanuel Hoff, Chef der Dann hat uns vor allem die Tarifsituati- die auch sehr nah beieinander sind. Da Thüringer Staatskanzlei und Minister on beschäftigt. Wie sieht die Situation geht es darum, ob man das finanzieren für Kultur, Bundes- und Europaangele- der Staatstheater wie dem Deutschen kann und will. Bei der Überprüfung, die genheiten, außerdem Antisemitismus- Nationaltheater in Weimar und dem The- wir jetzt machen werden, soll nicht wie- beauftragter des Freistaates Thüringen, ater in Meiningen im Vergleich zu Saal- der alles in Frage gestellt werden, denn war zu Besuch am Stand des ConBrio feld-Rudolstadt, aber auch zur Landes- wir wissen, was gut läuft. Das Thema, Verlags auf der Leipziger Buchmesse. kapelle Eisenach aus? Daraus haben wir das uns jetzt vor allem beschäftigen Barbara Haack sprach mit ihm über Schlussfolgerungen gezogen: Wir wollen wird, ist, wie wir im Theater Saalfeld-Ru- Theater und Kultur in Thüringen. dolstadt die Tarifanpassung so hinkrie- gen, dass das Theater in der Kooperation Oper & Tanz: In einem Editorial der mit dem Theater Nordhausen im Norden Zeitschrift „Oper und Tanz“ aus dem Jahr und dem Theater Eisenach im Westen 2006 findet sich der Satz: „Nachdem zwar das Schlüsselgelenk wird, so dass es die- noch nicht ausdrücklich erklärten, aber se Arbeit eben auch gewährleisten kann. erkennbaren Willen der CDU-Regierung des Freistaates Thüringen soll es bis 2014 O&T: Im Freistaat Sachsen gab es eine nur noch drei Mehrspartentheater im Initiative des Ministerpräsidenten. Er ehemaligen Kulturland geben: Meiningen hat Geld in die Hand genommen und es in Südthüringen, die Theater und Phil- den Kommunen zur Verfügung gestellt, harmonie Thüringen in Altenburg Gera die dann allerdings nochmal etwas und ein Theaterkombinat Erfurt-Weimar, draufsatteln mussten, um dann wieder über dessen Sitz und Struktur wieder zurück zum Flächentarif zu kommen. ebenso gerätselt und gestritten werden Ist im Vorfeld der Landtagswahlen in darf, wie das seit 1993 üblich ist.“ Thüringen so etwas auch denkbar? Dass vom Staat noch mehr Geld in die Kom- Es ist anders gekommen: Sie haben 2016 munen gelangt, um den Flächentarif zu eine Theaterstrukturreform initiiert und erreichen? auch realisiert. Es wurde kein Theater geschlossen, es gibt auch kein Kombi- Hoff: Wir haben beim Theatervertrag nat. Diese Strukturreform ist langfristig Foto: Ursula Gaisa von 2016 ganz bewusst gesagt, dass angelegt, Sie haben aber angekündigt, wir zum Flächentarif zurückgehen wol- 2020/2021 erstmals überprüfen zu wol- len und dass wir unseren Anteil dazu len, ob sie funktioniert. Wie ist der Stand keinen Abbau, wie ihn die neo-liberale leisten. Aber die Kommunen müssen der Dinge aus Ihrer Sicht? Kulturpolitik der vergangenen zwanzig ihren Anteil auch leisten. Egal wie die Jahre betrieben hat, sondern wir wollen Lage der öffentlichen Finanzen ist, die Benjamin-Immanuel Hoff: Was wir bei einer guten Konjunkturlage darüber kommunalen Spitzenverbände schaffen 2014, 2015 und 2016 gemacht haben, reden, wie wir die Strukturen weiter es eigentlich immer, den Eindruck zu waren drei Dinge: Wir haben als erstes entwickeln und eben nicht Kooperatio- erwecken, als würden sie nur am Bet- eine Analyse vorgelegt und haben ge- nen als Euphemismus zur Einsparung, telstab gehen. Aber auch die Thüringer sagt: Wo stehen eigentlich unsere The- sondern Kooperation als einen tatsächli- Kommunen hatten deutlich steigende ater? Wir haben das Rezeptionsverhal- chen Mehrwert schaffen können. Steuereinnahmen, sie haben Altschul- ten betrachtet: Was verändert sich, und den abgebaut; auch die Kommunen sind wie müssen sich die Theater verändern? Das hat zum Beispiel dazu geführt, dass in einer finanziell besseren Situation. Wenn in einem Land mit 2,1 Millionen das Staatsballett in Gera jetzt auch in Er-

Ausgabe 03/2019 Einwohnern normale Theaterproduktio- furt auftritt, genauso wie das Eisenacher Ich will, dass wir endlich davon wegkom- nen sechs Mal gespielt werden, dann hat Ballett in Weimar. Wir haben die unseli- men, zwischen öffentlich Beschäftigten man den Teil der Bevölkerung, der Thea- ge Debatte, dass man Weimar und Erfurt in der Verwaltung in Grünflächenäm-

terpublikum ist, bearbeitet. Aber ökono- fusionieren muss, beendet. Ja, es sind 15 tern oder zum Beispiel der Polizei und oper misch sind sechs Veranstaltungen nicht, Minuten mit dem Regionalzug zwischen eben den Beschäftigten öffentlicher Kul- da müsste man das Stück zwölf, dreizehn beiden Theatern. Aber in Berlin gibt es turinstitutionen und Kulturbetriebe zu & Tanz Mal spielen. deutlich mehr Opernhäuser und Theater, differenzieren. Wenn es eine Tariferhö-

7 kulturpolitik

hung für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst gebracht. Nicht zu Unrecht, wenn man sich die gibt, dann muss diese Tarifanpassung auch an die Wahlergebnisse anguckt. Was bedeutet Heimat Zuwendungsempfänger der öffentlichen Kulturin- für Sie? stitutionen weitergegeben werden. Verhandeln die Hoff: Für mich ist Heimat vor allem der Ort, den Gewerkschaften vier Prozent mehr für die öffent- ich selbst als Heimatort definiere. Ich habe vier- lich Beschäftigten, müssen wir vier Prozent oben- zig Jahre in Berlin gelebt und habe mich in der drauf legen, damit dieses Geld auch bei den Kultur- Stadt wohlgefühlt. Aber heute sage ich: „Ich bin institutionen ankommt. Theaterbetriebe, Museen in Thüringen zuhause.“ Hier ist eine Saite von mir sind Kulturstadtwerke, die verbreiten kulturelle zum Schwingen gekommen, und es ist ein Glück, Energie, und deshalb muss man die Beschäftigten für ein solches Land wie Thüringen als Kulturmi- dort auch genau so behandeln wie diejenigen, die nister Verantwortung zu tragen. Ich finde es un- ansonsten in den Energiestadtwerken tätig sind. selig, dass die Linke mit diesem Begriff Heimat so O&T: Wie sehen Sie die Bereitschaft in den Kom- Für mich ist hadert, weil sie sagt, er sei unheilbar determiniert. munen? Heimat vor allem Aber ich glaube, dass es eine geschickte Diskurs- der Ort, den ich strategie der Rechten ist, Heimat als Angriff auf Hoff: Ich rede ja mit den Oberbürgermeistern, die jede Modernisierung verwenden zu dürfen. Wir mir sagen: „Ich bin auf deiner Seite, ich will das selbst als Heimat- müssen von diesem angstbedingten, rückwärts- auch, aber ich muss es in meinem Haushalt durch- ort definiere (...) getriebenen Heimatbegriff zu dem kommen, was kämpfen.“ Genauso muss ich es im Landeshaushalt Wir müssen von Heimat ist. Heimat ist eben keine sepia-farbe- durchkämpfen. Aber es geht hier um den gesell- diesem angstbe- ne Postkarte, auf der es keine Windräder geben schaftlichen Stellenwert von Kultur insgesamt. dingten, rück- wärtsgetriebenen darf, weil das unser Dorf kaputt macht, sondern O&T: Das Theater Altenburg-Gera haben Sie ge- Heimatbegriff zu Heimat ist das, was wir daraus machen. Auch rade schon erwähnt; das hat gerade einen Preis dem kommen, was das, wodurch unsere moderne Gesellschaft sich bekommen… Heimat ist. heutzutage auszeichnet: durch Zuwanderung, die auch die Thüringer Kultur immer geprägt hat. Wir Hoff: Zu Recht! hatten eine wunderbare Diskussion mit der AfD O&T: … für sein innovatives Theaterprogramm. im Landtag, die sagte, wir müssten die Thüringer Wie wichtig ist das – für das Theater und für Sie? Kultur retten. Darauf haben wir gefragt: „Was ist denn eure Thüringer Kultur? Franz Liszt, der Hoff: Der Theaterpreis ist in zweifacher Hinsicht Ungar? Worüber reden wir da eigentlich?“ Thürin- wichtig: Die Stadt Gera ist so eine Stadt, die in gens Kultur ist eine Kultur von Zuwanderung, Ab- den vergangenen 30 Jahren alle akkumulierten wanderung, von Heimatsuche, von Schutzsuche: Enttäuschungserfahrungen zu vergegenwärtigen zum Beispiel Luther auf der Wartburg. Und diese hatte. Sie war mal Bezirksstadt und hat diesen Geschichten immer wieder zu erzählen und auch Status verloren. Dann gab es Abwanderungen, die wieder präsent zu machen, das macht Thüringen Bevölkerung ist immer älter geworden, die Stadt- aus. Heimat ist eben auch der Ort, an dem Men- werke sind in den Konkurs gegangen. Jetzt haben schen leben wollen, die ihre Heimat verlassen sie einen neuen Oberbürgermeister, der gesagt müssen und die nach Deutschland kommen, weil hat: „Wir werfen unseren Hut in den Ring und sie Sicherheit wollen. Insofern dürfen wir diesen wollen Kulturhauptstadt 2025 werden.“ In dieser Begriff nicht den Rechten überlassen. Situation bekommt das Theater diesen Preis. Jetzt reden die Leute auf einmal nicht mehr darüber, O&T: Trotzdem versucht die AfD, Einfluss auf was alles verloren gegangen ist, sondern darüber, Kulturinhalte zu nehmen und die Kunstfreiheit was jetzt passiert, und das ist toll für Gera. Für zu beschränken. Was tun Sie dagegen? Gerade in Altenburg ist es deshalb wichtig, weil Altenburg einem Land, wo die AfD deutlichen Zuspruch er- die Stadt war, wo eine Pegida-AfD-rechtsextreme fährt. Bürgerinitiative dazu aufgerufen hat, das Theater Hoff: Wir müssen immer wieder deutlich ma- zu boykottieren. Weil das Theater das getan hat, chen, dass die AfD wie Tur Tur, der Scheinriese, was Kultur zu tun hat, nämlich für Verständigung ist. Wir reden sie stark und groß, indem wir ihr zu sorgen. Insofern ist dieser Preis für die Kultur- einen Raum geben, der ihr nicht zusteht. Ich fin- bürgerinnen und Kulturbürger der Städte Alten- de, dass wir als Demokratinnen und Demokraten burg und Gera ein unglaublich wichtiges Signal. selbstbewusst reagieren, aber auch dafür Sorge Haack: Sie haben in einem Interview mit der tragen müssen, dass unsere demokratischen In- Ausgabe 03/2019 Ausgabe Zeitung „Politik und Kultur“ gesagt, dass Sie den stitutionen funktionieren. Die Angriffe auf den Heimatbegriff nicht den Rechten überlassen wol- öffentlichen Rundfunk aus etablierten Parteien & Tanz len. Der Osten Deutschlands wird ja durchaus mit heraus sind viel gefährlicher als das, was wir von

oper dem Thema Rechtsradikalismus in Verbindung Seiten der AfD erleben.

8 Porträt

Schillernder Operettenkomponist

Zum 200. Geburtstag von Franz von Suppé Von Dieter David Scholz

Er gilt als Schlüsselfigur bei der Entste- der Offenbachschen Werke, den Geist fassbares Etwas aus Musik und Tanz, aus hung der Wiener Operette und wurde der gesellschafts- und autoritätskriti- Heiterkeit und Schönheit, ein Wiegen vor 200 Jahren in Dalmatien geboren. schen, rebellischen Parodien und Sati- und Schweben, ein Locken und Halten, Er nannte sich Francesco Ezechiele ren mit der „Vermenschlichung des My- ein Wünschen und Träumen, eine selige Ermenegildo de Suppé, nach eigener thos, der Entkleidung des Autoritären, Beschwingtheit und eine überirdische Schreibweise Suppè, wie sein letzter dem Durchbrechen von Denkverboten Stimmung“. Offenbach war der „Rück- Wiener Meldezettel belegt, der im und der Infragestellung des Gegebenen“ zug ins Kleinkarierte und Lebkuchen- Wiener Stadt- und Landes- herzhafte“ (Peter Hawig), das archiv erhalten ist. Eigent- Affirmative und Verklärende, lich hieß er schlicht Suppe. die Süßigkeit, Melancholie Sein Name ist so schillernd und Gefühligkeit der Wiener wie seine Vita. Seine über- Operette fremd. Aber auch lieferte Biographie ist vol- musikalisch war die Offenba- ler Kolportagen, Legenden chiade anders gestrickt, weil und Erfindungen. sie „Muster und Bausteine, Klischees, Stereotypen und Ob „Die Schöne Galathée“, Vorprägungen anderer Kom- „Leichte Kavallerie“, „Dich- ponisten und Stile“ parodier- ter und Bauer“ oder „Boc- te, spiegelte und karikierte. caccio“: Die Operetten Franz von Suppés gehören zu den Das war weder die Sache des besten der Wiener Tradition. dämonisch-genialen Johann Am 24. November 1860 hat- Strauß Sohn, der wie sein te seine erste Operette „Das Vater aus den Tanzsälen zur Pensionat“ am Theater an der Operette kam, noch die Sa- Wien Premiere, fünf Wochen, che Suppés. Und doch ist bei nachdem am Carl-Theater der ihm „bis in die letzten Werke Offenbach-Hit „Ba-ta-clan“, hinein der Atem Offenbachs von Karl Treumann, bearbei- zu spüren, wenn er nicht tet unter dem Titel „Tschin- gerade vom Herzschlag Do- Tschin“ herausgekommen nizettis übertönt wird“, wie war. Das „Gift aus Frank- Hans Dieter Roser in seiner reich“ hatte Wien infiziert. Suppé-Monographie betont. Auch Suppé war gegen die Suppés Herz „schlug eindeu- nach Wien herüberschwap- tig für die Belcantoopern Bel- pende Kunstform heiter-sati- linis und Donizettis“, auch rischen Musiktheaters nicht Franz von Suppé, Porträtaufnahme, um 1880 (F. Luckhardt, Wien). © akg-images Rossinis, daher verband er resistent. Der Erfolg der fri- in seinen Werken Altwieneri- Ausgabe 03/2019 volen Werke des Kölner Pa- sches mit Italienischem. Und risers in Wien war sensationell und ließ (Peter Hawig) nicht trifft. Die Wiener sein Œuvre, dessen Musik sich durch au- zumal bei der Direktion des Carl-Thea- Operette ist nach Meinung Franz Hada- ßergewöhnliche musikalische Qualität oper ters den Wunsch aufkommen, solche mowskys und Heinz Ottes (sie schrieben auszeichnet, ist äußerst umfangreich: „Operetten“ selbst zu produzieren. Wo- das Standardwerk „Die Wiener Operet- Mehr als 30 Opern und Operetten hat & Tanz bei das Wort „Operette“ das Wesentliche te“) im Gegensatz zu Offenbach „ein un- Suppé komponiert, 2 große Ballette und

9 Porträt

nahezu 200 Bühnenmusiken. Er war Kapellmeister in Baden, ter Roser, dass ein Großteil davon reine Erfindung ist. Es ist in- Preßburg, am Theater in der Josefstadt und am Theater an der zwischen nachgewiesen, dass Suppés väterliche Vorfahren we- Wien, wo er auch Schauspielmusiken, Ouvertüren und Coup- der aus Belgien noch Cremona kamen: Vielmehr stammen sein lets schrieb. Sein Leben war stationenreich, seine Herkunft Vater Peter, Großvater Franz und Urgroßvater Peter allesamt exotisch, so will es jedenfalls die offizielle Überlieferung. aus dem Raum des heute kroatischen Rijeka. Die Lebensläufe von Suppés Ehefrauen, Therese und Sofie, sowie seiner Nach- Offizielle Biografie... kommen blieben bis heute größtenteils im Dunkeln. Und doch Franz von Suppé wurde am 18. April 1819 im heutigen Split werden bis heute die auf Otto Kellers 1905 veröffentlichter Mo- als Francesco Ezechiele Ermenegildo Cavaliere Suppé-Demel- nografie „Franz von Suppé. Der Schöpfer der Deutschen Ope- li geboren. Suppés Vater entstammte einer belgischen, später rette“ zurückgehenden Behauptungen, Anekdoten und Legen- in Dalmatien lebenden Familie. Seine Mutter war Wienerin. den gutgläubig nachgebetet, wie der Theaterwissenschaftler Bereits mit acht Jahren sang Francesco im Kirchenchor der Andreas Weigel moniert. Hans Dieter Roser weist darauf hin: Kathedrale von Split, dessen Chorleiter Giovanni Cigalla ihm „Er hat einen Zeitungsausschnitt aus dem Jahr 1926 gefunden, erste musikalische Kenntnisse vermittelte. Flötenunterricht der die ganze Abstammung Suppés penibel auflistet.“ erhielt er vom Kapellmeister Giuseppe Ferrari. Mit fünfzehn Jahren begann er eine Ausbildung zum Juristen an der Uni- ... und biografische Erfindungen versität von Padua. In dieser Zeit besuchte er häufig Mailand Suppé wollte sich schon in frühestem Ausbildungsalter wich- und sah nicht nur die damaligen Opernaufführungen in der tigmachen, wie auch später noch öfters mit puren Erfindungen Scala, sondern trat auch in persönlichen Kontakt mit Gioac- oder Auffälligkeiten (Schlafzimmer in der Wohnung im Theater chino Rossini, Gaetano Donizetti und dem jungen Giuseppe an der Wien mit Totenkopftapeten). Italien war das Land der Verdi. Nach dem Tod seines Vaters zog er im September 1835 Musik, das ihm Geltung bringen konnte. Im Geburtsregister ist nach Wien und begann dort mit dem Medizinstudium, beende- auch der Name Suppé ohne Akzent eingetragen – also Suppe –, te dieses aber rasch wieder, um seine musikalische Karriere in was in Dalmatien nicht so banal klang wie später in Wien. Er Angriff zu nehmen. Er studierte am dortigen Konservatorium hat sich auch den italienischen Akzent (Suppè) selbst verpasst, bei Simon Sechter und Ignaz Xaver von Seyfried. Nachdem er wodurch er dann später aufgegeben hat, ihn im öffentlichen seine Studien am Konservatorium 1840 beendet hatte, fand Leben bei Suppé zu korrigieren. Ebenso hat er sich den Cava- der 21-jährige Suppé seine erste Stelle als Kapellmeister am liere selbst verpasst und die italienische Großmutter an den Theater in der Josefstadt. Soweit die Legende. Heute weiß man italienischen Suppè drangehängt. ... Alle diese biographischen dank den Nachforschungen von Andreas Weigel und Hans Die- Erfindungen und Legenden wurden im Hause Suppé wissent- Ausgabe 03/2019 Ausgabe

& Tanz

oper „Die schöne Galathée“ an der Staatsoperette Dresden mit Maria Perlt als Galathée. Foto: Kai-Uwe Schulte-Bunert

10 Porträt

lich oder unwissentlich gepflegt. Das Studium in Padua ist Legende, Suppé war erst 1848 zum ersten Mal in Itali- en. Er hat auch in Wien nie an einem offiziellen Konservatorium stu- diert, denn es gab nur das der Musikfreunde auf der Tuchlauben, wo aus den Büchern ein- deutig hervorgeht, dass er dort nicht war. – Von anderen Suppé-Legen- den zu schweigen. Vie- les sei rein „erstunken und erlogen“, so An- dreas Weigel. Das „Zeitbrücke-Mu- seum“ der (einsti- gen) Kamptal-Som- merfrische Gars, wo Franz von Suppé zwi- schen 1876 und 1895 seine Sommer ver- bracht hat, feiert den 200. Geburtstag des weltberühmten Ope- retten-Komponisten mit einer Jubiläums- ausstellung und einer reich bebilderten Be- gleit-Publikation (7. Juni bis 6. Oktober). Gezeigt werden ausge- wählte Archiv- und De- pot-Stücke aus Suppés Privatbesitz, die erst- mals seit 1932 wieder der breiten Öffent- lichkeit zugänglich ge- macht werden. Zudem werden erstmals an- „Der Teufel auf Erden“ in Chemnitz. Oben: Damen und Herren des Opernchors des Theaters Chemnitz. Unten: Matthias Otte als Klosterpförtner, hand amtlicher Akten Reto Rosin als Reinwald, Dagmar Schellenberger als Mutter Aglaja, Matthias Winter als Rupert und Alexander Kuchinka als Ruprecht. Fotos: und privater Dokumen- Nasser Hashemi te verbriefte biogra- fische Fakten vorgelegt, die Ergebnis intensiver gewagten und höchst originellen Operetten wer- Recherchen Andreas Weigels sind und vieles, was den heute noch gespielt, doch seine mitreißenden bislang über Suppés Leben und Werk veröffent- Ouvertüren gehören nach wie vor zum Standard- Ausgabe 03/2019 licht wurde, grundlegend korrigieren. repertoire des Konzertlebens der „leichten“ Muse. So zweifelhaft Suppés überlieferte Vita auch ist, unzweifelhaft bleibt seine Leistung als enorm oper fleißiger Komponist musikalischer Werke von Ausnahmerang. Er starb am 21. Mai 1895 in & Tanz Wien. Nur wenige seiner zum Teil aberwitzigen,

11 Hintergrund

Eine Zeit des Umbruchs Axel Köhler, designierter Rektor der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden Von Michael Ernst

Axel Köhler übernimmt im Herbst die ich langsam, aber sicher, mich einzuar- dem man sich richten kann. Einfach, Hochschule für Musik Carl Maria von beiten, fühle mich mit meiner Identität weil es verschiedene Parameter gibt, Weber Dresden. Bislang kennt man jedoch noch sehr in der Operette ver- die bei bestimmten Entscheidungswe- ihn als gefeierten Counter-Tenor, als wurzelt. Insofern ist das alles eine Über- gen eingehalten werden müssen. Wenn impulsiven Sänger-Darsteller sowie gangszeit, in der ich schon vorbereitend es das nicht gibt, entsteht ganz schnell als Intendanten und Regisseur. Mi- für die Hochschule tätig bin, aber ich ein Wildwuchs, und jeder denkt, er muss chael Ernst sprach mit dem Künstler sehe mich nicht im Spagat. Es ist eine sich einbringen – das führt aber meist zu über den neuerlichen Rollenwechsel. Zeit des Umbruchs. einem Durcheinander. Die Hochschule ist längst nicht solch ein hierar- Michael Ernst: Herr Köhler, was hat Sie chisches Gebilde wie ein Theater, bewogen, sich von der Bühne weg an eine dennoch ist es wichtig, dass man Hochschule zu bewerben? als Führungspersönlichkeit da- Axel Köhler: Ich habe 1984 in Halle mit steht und als Partner wahrgenom- „Das Glas Wasser“ als Arthur Masham be- men wird. gonnen, also steht jetzt im Sommer mein Ernst: Wie wichtig sind dabei 35-jähriges Bühnenjubiläum an. Außer- Ihre vielseitigen Praxiserfahrun- dem habe ich etwa 50 Inszenierungen gen als Sänger und Regisseur, als verantwortet, daher denke ich, jetzt ist Solist und Ensemblemitglied? ein guter Zeitpunkt erreicht, noch einmal etwas ganz Neues zu machen. Köhler: Diese Erfahrungen sind Gold wert, denn ich kann mich All meine in dieser Zeit gesammelten Er- dadurch hineinversetzen in die fahrungen – auch die als Intendant – soll- Lage all derjenigen, denen ich te man ganz gut bündeln können, um sie etwas anweisen muss. Eine Ent- jetzt dem Nachwuchs und der Förderung scheidung, von der erwartet wird, desselben anheim zu stellen, wenn man dass alle sie mittragen – das pas- Rektor eines solchen Institutes wird. siert einem als Ensemblemitglied Ernst: Keine Sorge, dass Sie nun von der ständig. Ich glaube, dass ich em- lebendigen Kunst in eine administrative phatisch genug bin, um zu wis- Verwaltungsposition geraten? sen, wie es denen geht, die eine Entscheidung zu befolgen haben, Köhler: Nein, weil mir administrative die sie vielleicht so nicht getroffen Beschäftigung auch großen Spaß macht, Axel Köhler. Foto: Stephan Floss hätten, die aber im Sinne des Gan- da gibt es sehr viel zu gestalten. Gerade zen mitzutragen ist. an der Hochschule ist es wichtig, dass Ernst: Führungsqualitäten haben Sie man richtunggebend arbeitet und sie so Auf der anderen Seite muss man als Re- als Intendant in Halle unter Beweis stel- prägt, dass sie nach außen hin eine opti- gisseur natürlich ständig entscheiden: len müssen. Eine Voraussetzung für das male Wirkung entfalten kann. Trotz ei- Tausende Entscheidungen am Tag, die künftige Amt als Rektor? ner gewissen Gremiokratie, bei der Ent- immer sofort umgesetzt werden müssen. scheidungen eher zu moderieren sind. Köhler: Ich glaube, das ist sehr wichtig, An der Hochschule ist das etwas anders, weil die Sehnsucht danach, geführt zu dort haben die Entscheidungen einen Ernst: Momentan stehen Sie im Spa- werden, natürlich vorhanden ist. Gera- längeren Weg, und es gibt für den Rektor gat. Was ist Ihr derzeitiger Berufsstand: de bei einem so heterogenen Personen- auch nicht die Entscheidungsgewalt über Rektor in spe, Regisseur auf Abruf, Sän- pool von Individualisten, Künstlern, alles. Die Verantwortungen ruhen also

Ausgabe 03/2019 Ausgabe ger-Darsteller mit neuer Zukunft …? Pädagogen, Wissenschaftlern und For- durchaus auf mehreren Schultern und Köhler: Im Moment bin ich Ensemble- schern muss jemand da sein, von dem können neben den gesetzlichen Vorgaben & Tanz mitglied der Staatsoperette Dresden, als man eine relativ klare Struktur erwar- vor allem durch gute Kommunikation de-

oper Sänger und Regisseur. Natürlich beginne ten und an den man sich wenden, nach finiert werden.

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Ernst: Wie sehen Sie die Hochschule derzeit aufge- stellt?

Köhler: Unsere Hochschu- le orientiert sich auf allen Gebieten der Lehre und For- schung an den Exzellenzkri- terien. Aber einige Bereiche sind noch in etwa so aufge- stellt, wie es nach der Wende begonnen hat. Natürlich gibt es durch die Bologna-Reform große Veränderungen, das ist klar. Aber intern sehe ich in dem bereits erwähnten De- mografiewandel eine Chance, die Schule bedarfsgerechter und zukunftsfähiger auszu- richten, also auch wesentlich marktorientierter. „La Cage aux Folles“ an der Staatsoperette Dresden mit Christian Grygas (Albin/Zaza) und Axel Köhler (Georges). Neben der weiteren Profilie- Foto: Kai-Uwe Schulte-Bunert rung der Künstlerischen Leh- re, der Wissenschaft und der Forschung ist die erstens die gesamte Verwaltungsarbeit dieser Lehramtsausbildung ganz wichtig. Man hatte in Umstellung vernichten und sich zweitens noch jüngster Zeit versäumt, dass genügend Lehrkräfte mehr isolieren würde. Denn die meisten anderen für die Grundschulen und Gymnasien ausgebildet Kunsthochschulen sind ja auch auf Bachelor und werden, dieser Strang ist also sehr bedeutsam für Master orientiert. Vielleicht sollte stattdessen unsere Hochschule, ebenso die Gesangs- und In- überlegt werden, die Bologna-Reform zu refor- strumentalpädagogik. Die Musikschulen müssen mieren, sicher finden sich Ansätze, sie zu opti- Nachwuchs bekommen, damit die regionalen Ta- mieren. lente besser gedeihen können – aber gleichzeitig Ernst: Unter den Bedingungen eines praxistaug- muss die Dresdner Hochschule auch im interna- lichen Studienalltags und internationaler Ver- tionalen Kanon der Ausbildungsinstitute wieder gleichbarkeit? mehr zu sagen haben. Köhler: Dafür gibt es die Rektorenkonferenzen Ernst: Haben Sie schon Ideen, welche Ansätze Sie und Kommissionen, die sich damit befassen. Ich da setzen wollen? denke, auch hier geht es wieder um möglichst gute Köhler: Habe ich, aber darüber kann und möchte Kommunikation. Wenn man Ideen hat, muss man ich mich jetzt noch nicht äußern, weil ich das erst sie in solchen Gremien vortragen und versuchen, intern besprechen möchte. Leute zu gewinnen, die diese Ideen mitvertreten, um dieses System weiter voranzubringen und es so Ernst: Die Hochschulausbildung hat von Bologna optimiert, dass die Studenten was davon haben. nicht nur Vorteile gehabt, sondern zum Teil auch darunter gelitten. Sehen Sie es auch so? An der Musikhochschule Dresden gibt es viele internationale Projekte, die sich derzeit zu gro- Köhler: Die Bologna-Reform, der Ersatz des ßen Teilen auf den musikwissenschaftlichen Be- Diploms durch Bachelor und Master, hatte ja ei- reich beziehen. Da gibt es eine Zusammenarbeit gentlich das Ziel, dass die Schulen international mit und Bern, zudem viele Kolleginnen kompatibler werden, dass man in Spanien begin- und Kollegen, die extern lehren und unsere Hoch- nen und zum Beispiel hier fortsetzen kann und

schule im Ausland vertreten. Für mich ist erst Ausgabe 03/2019 die Anschlussmodulpunkte findet. Das geht aber einmal die interne Befriedung der Atmosphäre in den Kunsthochschulen so nicht auf, jedenfalls sehr wichtig, das Zusammenrücken der beiden nicht hundertprozentig, da vieles gar nicht an- Fakultäten und der Lehrenden, die in den vergan-

erkannt wird. Das hat die Sache also nicht unbe- oper genen zwei Jahren total überflüssige Animositä- dingt leichter gemacht.

ten aufgebaut haben. Der Prozess der Internatio- & Tanz Jetzt aber wieder zurückzurudern zu den Dip- nalisierung geht weiter, auf jeden Fall, aber das A lom-Studiengängen, würde bedeuten, dass man und O ist erst einmal die interne Arbeit.

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Es gibt am Haus vielleicht eine gewisse Skepsis gegenüber ei- nem praxisorientierten Rektor, weil damit möglicherweise Mu- sikwissenschaft, Lehramt und Pädagogik in ihrer Wichtigkeit Wie ein nicht so wahrgenommen werden könnten. Das kann ich aber nicht nachvollziehen, denn Praxis ist doch für alle wichtig, egal Blumenstrauß ob man Künstler werden möchte oder Musikwissenschaft oder Lehramt studiert – alle gehen irgendwann dahin, wo sie ihre Jörn Hinnerk Andresen, Chordirektor der Profession ausüben werden. Praxisbezogenheit ist natürlich Sächsischen Staatsoper, über Ausbildung ein Credo von mir, aber für alle Abteilungen. Ich glaube schon, dass ich mich da konstruktiv einbringen kann. von Chorsängern Von Michael Ernst Ernst: Was meinen Sie, wie sieht das Profil des Hauses in zwei, drei Jahren aus? In Kooperation mit der Dresdner Hochschule für Musik Köhler: Die Hochschule wird international an Profil gewon- Carl Maria von Weber hat die Sächsische Staatsoper das nen haben, sie wird sich intern verändert haben, einen Prozess Opernchorstudio (wieder) ins Leben gerufen. Jörn Hinnerk der Digitalisierung erleben, weiter und tiefer in der regionalen Andresen ist seit 2015 Chordirektor des Staatsoperncho- Nachwuchsförderung vernetzt sein, noch enger mit dem Lan- res. Bevor er nun dem Ruf einer Professur ans Mozarteum desgymnasium, dem Heinrich-Schütz-Konservatorium und Salzburg folgt, hat Michael Ernst mit ihm über die Ausbil- allen anderen Kooperationspartnern zusammenarbeiten. Ich dung von Chorsängern gesprochen. habe vor, die Kooperationswilligkeit der umliegenden Institute Oper & Tanz: Sie leiten einen großartigen Opernchor, der für weiter zu vertiefen, neben der Staatskapelle und der Philhar- seine vielfältigen Leistungen immer wieder viel Zuspruch er- hält. Eine Selbstverständlichkeit?

Jörn Hinnerk Andresen: Absolut nicht. Jeder Spielplan hat seine spezifischen Herausforderungen. Das klangliche Niveau von Chorproben und Vorstellungen hängt ganz davon ab, wie ein Chor über- oder unterfordert wird. Uns hat in der vorigen Saison Schönbergs „Moses und Aron“ zum Beispiel extrem ge- fordert, aber auch extrem vorangebracht. Um ein Niveau zu entwickeln und zu halten, muss schon bei neuen Engagements die Ensemblefähigkeit beachtet werden. Das betrifft ein be- stimmtes musikalisches Niveau, den Ensemblespirit und eben auch die Klanglichkeit. Zu heterogen darf es nicht werden. Je größer im Laufe der Zeit das Vibrato einzelner Stimmen wird, desto schwieriger kann es sein, ein Niveau zu halten. Neben der „Zzaun! – Das Nachbarschaftsmusical“ an der Staatsoperette Dresden mit Axel Köhler Musikalität muss also auch eine gewisse Mischfähigkeit vor- (Horst) und Silke Richter (Irene Sonnschein). Foto: Stephan Floss handen sein.

monie also auch mit der Staatsoperette und anderen. Ich hoffe, O&T: Wie lässt sich diese Qualität auch für die Zukunft sicher- dass die Hochschule innerlich geeint ist und nach außen glanz- stellen? voll dasteht, um wieder mehr regionalen Nachwuchs zu gene- Andresen: Wir kämpfen natürlich darum, die im Rahmen der rieren und dabei trotzdem ein internationales Flair verbreitet. Konsolidierung festgeschriebene Stellenzahl von derzeit 84 zu Ernst: Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Haben Sie halten. Die Altersstruktur ist ein relativ komplexes Thema, und nicht Angst, dass Ihnen was fehlen wird? die Nachwuchslage ist momentan zu überschaubar.

Köhler: Diese Frage ist mir schon mehrfach gestellt worden. Ich nehme da gern den Blumenstrauß als Metapher. Wenn der Als ich 2012 aufgehört habe, Countertenor zu sein, hat es mir nur aus roten Rosen besteht, ist er zwar schön, aber das Leben nicht eine Sekunde gefehlt, weil ich so viele andere Dinge zu tun ist viel bunter. Man braucht allerlei verschiedene Blumen. Das hatte, die zukunftsträchtig waren; als ich damit aufgehört habe, meint, dass die stimmliche, soziale, aber auch die Altersstruk- kam wieder die Frage. Und auch da fehlte mir nichts, denn dann tur gut gemischt sein muss. ging’s an die Staatsoperette mit vielen neuen Aufgaben. Jetzt Junge Leute können sich bei „Lohengrin“ oder „Rienzi“ kräf- freue ich mich so sehr auf dieses neue Amt, um mit den Men- temäßig noch nicht so einteilen, da sind gereifte Stimmen schen zu arbeiten, zu kommunizieren und zu gestalten, dass ich stabiler. Andererseits kann sich im Alter ein gewisses Tremolo mir sicher bin, dass mir nichts fehlen wird. Regie will ich in Zu-

Ausgabe 03/2019 Ausgabe einstellen, das muss man in den einzelnen Stimmgruppen auf- kunft nicht mehr führen, sonst wäre ich sechs Wochen weg vom fangen. Unser Repertoire ist im Laufe der Jahre auf circa 100 Haus, und das ist genau das, was die Hochschule überhaupt nicht Opern angewachsen – ein unfassbares Knowhow, das die älte- & Tanz gebrauchen kann. Mir fällt das Aufhören definitiv nicht schwer ren Kollegen mitbringen. Die Jüngeren bringen andererseits oper und ich freue mich wahnsinnig auf den Anfang.

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eine gute Atmosphäre mit, auch Energie, erwerben können. Sie wenn sie gut sind. Insofern finde ich es erhalten den Unter- gut, wenn die Strukturen nicht so routi- richt in Korrepetiti- niert sind. on und Gesang an der Hochschule und leisten O&T: Wie würden Sie selbst den Zustand bei uns eine bestimmte des Semperopernchores einschätzen? Anzahl von Diensten, Andresen: Ich finde den Chor groß- ganz regulär von der artig, gerade weil er so vielseitig ist. Er ersten Probe bis zur ist ja nicht nur der Opernchor, sondern letzten Vorstellung. kann auch im Konzertwesen sehr gut be- Das entspricht etwa ei- stehen. Beispielsweise in Mahlers Ach- nem Drittel der regulä- ter neben dem MDR-Chor, in Rossinis ren Dienstzahl und ist „Stabat Mater“ neben dem BR-Chor, da ein großes Plus für die schneiden wir nicht schlecht ab. Das sind praktischen Erfahrun- die Ergebnisse einer langen und guten gen. Schulung, nicht zuletzt ist unser Chor Wir versuchen, ihnen unter anderem durch Colin Davis und in diesen zwei Jahren Giuseppe Sinopoli sehr gut geprägt. bestimmte Schlüssel- Außerdem ist es natürlich ein Glück, dass stücke fürs Repertoi- wir in der Semperoper eine der besten re mitzugeben. Aber Opernakustiken haben, die es überhaupt auch bei so interessan- gibt. Das formt den Klang, wenn gut mu- ten Projekten wie den siziert werden kann. Ich habe in meiner Osterfestspielen Salz- Laufbahn einige Chöre kennengelernt burg sowie im Konzert- und muss sagen, vom Arbeitsklima und bereich werden sie mit Ethos her ist es schon sehr angenehm, eingesetzt. Davon pro- hier zu arbeiten. Natürlich gibt es auch Jörn Hinnerk Andresen. Foto: Johannes G. Schmidt fitieren natürlich auch Konflikte, aber die grundsätzliche Stim- wir, unsere Besetzung mung ist hoch professionell. Sämtliche in der Oper wird flexib- Regisseure und die meisten Dirigenten Intendant Peter Theiler sowie mit dem ler, wir können Kollegen des Hauschores sind darüber sehr froh. starken Engagement des Chores lösen. entlasten und haben mehr Freiheit. Das Das Verhältnis kann ich mir gar nicht ist zwar ein ziemlicher Organisations- Ich verlasse diesen Chor wirklich sehr besser vorstellen. Bereits zuvor haben aufwand, den man aber individuell steu- ungern und würde ihn gegen keinen wir eine anspruchsvolle Spielzeit unter ern kann. anderen Opernchor der Welt tauschen. dem Interim von Wolfgang Rothe sehr Dazu ist er mir viel zu sehr ans Herz ge- O&T: Wie ist die Nachfrage für diese gut mit „Oedipus Rex“ zu Ende gebracht wachsen. Doch ich habe jetzt zwanzig praxisbezogene Ausbildung? und dann die neue Intendanz mit dem Jahre Oper hinter mir und Lust, etwas Paukenschlag von „Moses und Aron“ er- Andresen: Von den zehn Studienplät- Neues auszuprobieren. In der Nachfolge öffnet – am Ende ein großer Erfolg, und zen sind aktuell nur zwei besetzt, die Be- von Walter Hagen Groll und Karl Kam- der hat bekanntlich immer viele Väter. werberlage für unsere Vorsingen könnte per werde ich am Mozarteum Salzburg eindeutig besser sein. Relativ häufig „ver- eine Professur für Chorleitung antreten. Mein Dresden-Engagement werde ich lieren“ wir Studierende auch während Damit schließt sich für mich ein Kreis, nun mit Rossinis „Il viaggio a Reims“ be- des Studiums, weil sie in einen festen um künftig jungen Leuten in der Ausbil- enden. Job gehen. An sich eine gutes Zeichen, dung etwas mitzugeben. O&T: Jahre vor Ihrer Amtszeit wurde wenn alle in Festanstellungen wechseln. O&T: Ein Abschied mit Wehmut und das frühere Opernchorstudio geschlos- Drei Erstsemestler haben wir in unserem ganz ohne Groll? sen und ist nun wiederbelebt worden. Chor engagiert, andere Studierende sind Was hat sich geändert, wie wird hier ge- Andresen: Absolut. Es gab natürlich ins Solofach gewechselt oder in anderen

arbeitet? Ausgabe 03/2019 wie überall auch an der Semperoper mal Opernchören untergekommen. Reibereien, die aber stets auf sachlichem Andresen: Aktuell gibt es zehn Plätze, O&T: Warum ist die Bewerbungslage so Ringen gefußt haben. Wichtig ist, dass die wir mit Studenten besetzen können, dürftig?

es nicht um Personen und Eitelkeiten die bereits ihren Bachelor oder Master oper geht, sondern um inhaltliche Fragen. haben und nun in der Kooperation mit Andresen: Wahrscheinlich ist dieses Die konnten wir immer gemeinsam mit der Hochschule für Musik Carl Maria Studium nicht sehr bekannt. Wir versu- & Tanz Chefdirigent Christian Thielemann und von Weber ihren Master in Chorgesang chen, es zusammen mit der Hochschule

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zu bewerben. Ein Punkt ist allerdings auch, dass nicht zuletzt die Alte-Musik-Szene hat da Maß- viele junge Leute zunächst das Ziel haben, eine stäbe gesetzt. Karriere als Solist zu machen. O&T: Wie steht es um den Sinfoniechor der Oper? Andere haben Ensembleerfahrungen und schätzen Nur ist die Kern- Andresen: Der Sinfoniechor wird im Oktober Chorgesang sehr. Wenn solche Leute den Master- aufgabe des schon seit 104 Jahren bestehen. Er ist ein Lai- studiengang nutzen, umso besser. Schließlich bie- Chorsängers, sich enchor und lebt davon, dass er Aufgaben in gro- tet der Opernchor auch eine gewisse Sicherheit. mit voller Kraft ßen Choropern bekommt. Jüngst in „Nabucco“ Nur ist die Kernaufgabe des Chorsängers, sich mit in der Gruppe zu war es leicht, gute und interessierte Sänger zu voller Kraft in der Gruppe zu integrieren, nicht je- integrieren, nicht finden. Das wird schwerer, wenn die Aufgaben dem gegeben, das schaffen viele, aber nicht alle. Da jedem gegeben, nicht so interessant sind. Wir wollen den Mit- habe ich ganz tolle Beispiele kennenlernen dürfen, das schaffen vie- gliedern des Sinfoniechors durch die Kollegen des auch in der 30., 40. Spielzeit. Bei guten Aufgaben le, aber nicht alle. Staatsopernchores jetzt auch Stimmbildung ge- fühlen sie sich auch wertgeschätzt. ben, die Finanzierung dafür läuft über die Oper. O&T: Was soll mit dem Studio erreicht werden? Sie zahlen einen Obolus für die Ausbildung und bekommen eine Gage für ihre Mitwirkung, also Andresen: Die Wiedergründung hat der dama- ein Geben und Nehmen. Es war immer ein eigen- lige Chorvorstand ganz aktiv mitbetrieben, weil ständiger Chor, der bis vor Kurzem noch einen ein über zehn Jahre laufender Konsolidierungs- Stamm von neunzig Leuten umfasste: Pädagogen plan den Chor von über 100 Stellen auf 84 redu- Ärzte, Fitnesstrainer, bunt gemischt. ziert hat. Das Opernchorstudio wurde 2008 auch aus Kostengründen abgewickelt. O&T: Der Chorprobenraum an der Oper ist mitt- lerweile renoviert? Eigentlich profitieren wir jetzt alle von der Neu- gründung, die Studierenden natürlich durch den Andresen: Ja, das hat statt zwei Monaten fast Studienabschluss generell, wir hingegen freuen ein Jahr gedauert, weil es diverse Belastungen uns über Synergieeffekte, indem wir Sänger nicht mit Schadstoffen gab. Seit einem guten Jahr sind nur ausbilden, sondern sie auf der Bühne ein- setzen und gleichzeitig den Nachwuchs för- dern. Die Absolventen haben locker zwanzig Opernrollen drauf, also beste Voraussetzun- gen, gut und flexibel einsetzbar zu sein.

O&T: Wie sieht es Ihrer Meinung nach insge- samt mit der Choraus- bildung aus?

Andresen: Ich finde, es wird besser, weil ver- schiedene Rundfunk- chöre und Opernhäu- ser damit anfangen, sei es mit Praktika, sei es unsere Ausbildung oder eine Akademie. Alle Chöre im Einsatz: „Moses und Aron“ an der Sächsischen Staatsoper mit Lance Ryan als Aron, dem Sächsischen Staatsopernchor Dresden, dem Ich denke auch, dass Sinfoniechor Dresden, dem Extrachor der Semperoper Dresden und dem Vocalconsort Berlin. Foto: Ludwig Olah die Ausbildung von Chorleitern besser wird – damit werden die Berufschöre automatisch wir im sanierten Chorsaal, der ist wunderbar, Ausgabe 03/2019 Ausgabe

auch besser. Früher waren die Chorleiter oft Ka- klingt herrlich, verfügt über eine professionelle pellmeister, Chorwissen war da nicht unbedingt Bestuhlung, gute Beleuchtung, und obwohl er von vorauszusetzen. Meiner Meinung nach ist das Raumgröße etwas klein ist, wurde er akustisch so & Tanz Chorniveau insgesamt sehr nach oben gegangen; ertüchtigt, dass man sehr gut arbeiten kann. oper

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Nicht nur harte Zahlen Markt, Strukturen und politischer Stellenwert an Deutschlands Theatern Von Joachim Lange

Klein oder groß; Ost, West, Süd oder Nord; gut finanziert oder am Limit: Stadt- und Staatstheater in Deutschland sind vielfältig und jedes für sich ein „Unikum“. Joachim Lange hat am Rande von aktuellen Produktionen mit Intendanten ganz verschiedenartiger Häuser über die Bedingungen ih- rer Arbeit gesprochen. In Karlsruhe mit Peter Spuhler, dem gerade verlängerten, seit 2011 am Badischen Staatstheater amtierenden Generalintendanten. In Dortmund mit Heri- bert Germershausen, seit 2018/2019 Intendant der Oper. In Dessau mit Johannes Weigand, seit 2015/2016 General- intendant des Anhaltischen Theaters, und in Halberstadt mit Johannes Rieger, der seit 2009 neben seiner Funktion als Musikdirektor auch Intendant des Nordharzer Städte- bundtheaters mit den Hauptspielstätten Halberstadt und Quedlinburg ist. Die Opernlandschaft in Deutschland ist für ihre Vielfalt hoch gerühmt. Sie ist ein lebendiges Kulturerbe der besonderen Art! Und zwar eines, dessen (Über-)Leben von vielen Faktoren ab- hängt. Die Frage, unter welchen Bedingungen an den verschie- denen Häusern Kunst entsteht, welchen Stellenwert sie in der Kommune haben, welche Programmatik und Strukturen dafür die besten sind, lässt sich in diesem Rahmen nur schlaglichtar- tig beleuchten. Die Auswahl der hier befragten Häuser ist vielleicht nicht re- präsentativ. Aber sie erlaubt einen Blick auf die heterogene deutsche Theaterlandschaft. In den Gesprächen ergeben sich neben den Besonderheiten, die jedes Haus hat, auch interes- Oben: Badisches Staatstheater Karlsruhe beim Theaterfest. Foto: Staatstheater Karlsru- sante Parallelen… he. Unten: Theater Dortmund. Foto: Philip Lethen Der „Markt“ – die Grösse der Häuser und ihr Publikum Da beim Platzangebot der Häuser „Angebot“ und „Nachfrage“ in die Stadt hinein gehört zum Selbstverständnis. Das geht aufeinandertreffen, kann auch die pure Größe eine Rahmenbe- soweit, dass man die eigenen Foyers der Elite-Universität als dingung mit komplexen Auswirkungen sein. Vor allem bei den Lern-Arbeitsplätze für die Studierenden anbietet. Spuhlers Ar- Angeboten und der Erwartung, die Häuser damit zu füllen. beitsbegriff dafür ist: „ein offenes Haus für eine offene Gesell- schaft.“ Nachdem man in den Studien auch Werte-Haltungen Das Anhaltische Theater im unter die Großstadtgrenze ge- abgefragt hatte, konnte man beim Schauspiel freier und muti- schrumpften Dessau ist mit 1.100 Plätzen von je her struktu- ger werden. „Wir machen jetzt Jelinek genau so selbstbewusst rell überdimensioniert. Bei einem 60-prozentigen Besucheran- wie Lessing.“ teil Einheimischer baut man hier auf das Stammpublikum und einen gut funktionierenden Besucherring. Die Oper Dortmund gehört zu den größten Mehrspartenhäu-

sern in ganz Deutschland. Dort warten im Großen Saal 1.170 Ausgabe 03/2019 Das Badische Staatstheater in der 300.000-Einwohnerstadt Plätze auf Zuschauer. Die Oper ist mit ihrem städtischen Publi- Karlsruhe ist mit seinem 1.002-Plätze-Saal in Baden-Würt- kum ein Stadttheater. Stehen die „West Side Story“ oder Ope- temberg eins der großen Häuser. Bei Besucher-Studien hat sich rette auf dem Programm, kommen aber auch verstärkt Besu-

herausgestellt, dass das Publikum weniger wohlhabend ist als oper cher aus dem Umland, so der Intendant. vermutet. Da Baden-Baden – so Spuhler – das Luxussegment der ganz reichen Leute abschöpft, eröffnet sich andererseits ein Das Problem eines zu reichlich bemessenen Platzangebotes bei & Tanz größerer Spielraum für Ambitioniertes. Die bewusste Öffnung abnehmender Einwohnerzahl stellt sich beim kleinen Nordhar-

17 Hintergrund

zer Zweistädtetheater mit Landesbühnenfunkti- zu etablieren. Mit Donizetti, Offenbach und De- on nicht ganz so drastisch. Als alleiniger Anbieter bussy gibt es auch für den Rest der Spielzeit ein im ausgedehnten Harzkreis mit seinen insgesamt Angebot, bei dem sich die Rubriken „populär“ und 200.000 Einwohnern hat das Haus von Kindern „anspruchsvoll“ die Waage halten. bis zu Älteren ganz verschiedene Menschen zur Dortmund startet bewusst mit einem Publikums- Zielgruppe. „Das ist spannender, als wenn wir renner wie „Aida“. Der folgende Mix aus Publi- nur Jugendtheater oder nur Operettentheater kumscatchern (von Rossini-Oper über Bernstein- wären“, so Rieger. Musical bis zum „Land des Lächelns“) erlaubt eine Der Mix des Angebotes Rendite für die Rubrik „Herausforderung und Der Spielplan ist das Angebot, das die Häuser Experiment“: ein John-Cage-Projekt und „Ech- ihrem spezifischen Publikum machen. Der Pre- naton“ von Phil Glass. Es spricht für Leitungs- mieren-Mix gibt die Richtung vor. Nimmt man souveränität, wenn die geplatzte Novität „Fin de die laufende Saison als Beispiel, so liest er sich Partie“ von György Kurtág durch die Deutsche in Karlsruhe wie ein bewusstes Zugehen auf ein Erstaufführung von Francesconis „Quartett“ er- anspruchsvolles Publikum! Mit dem „Freischütz“ setzt wird. Germershausen sagt, dass er zwar ging man zwar in der Stückauswahl auf Nummer aufpassen müsse, keine Defizite zu produzieren, sicher, dafür aber mit einer provozierenden Regie- aber wenn er eine zeitgenössische Oper mit einem handschrift ins Risiko. Nach Janáčeks „Schlauem schlagkräftigen Musical „gegenfinanziert“, dann Füchslein“ und der „Elektra“ von Strauss gab es sei er extrem frei in der Spielplangestaltung. In Dessau und im Nordharz akzeptieren die Inten- danten bewusst, dass per se weniger Spielraum für Riskantes besteht. Obwohl Kürzungen der Landeszuschüsse in den letzten Jahren in Des- sau an der Substanz zehrten, stemmt das Haus dennoch fünf Musiktheaterproduktionen. Mit „Freischütz“, „Im weißen Rößl“ und „Manon Les- caut“ kalkuliert Weigand bewusst Publikumsak- zeptanz ein, geht aber mit Purcells „King Arthur“ und der unbekannten Dvořák-Oper „Katja und der Teufel“ auch ein kalkuliertes Risiko ein. Na- türlich ist in einem „bis auf die Knochen abgema- gerten Haus“ die Geld- und Personalabhängigkeit besonders spürbar. Aber hier gab es Korrekturen. Und man kann wieder mit den Besonderheiten der Stadt im Hinterkopf planen, sagt der Inten- dant. Immerhin ist Dessau unter anderem Bau- haus- und Gartenreich-Stadt. Der Nordharzer Spielplan zielt direkt auf das re- gionale Publikum. Wobei man mit Haydns „Welt auf dem Mond“ und Ambroise Thomas’ „Mignon“ beim Publikum von der Lust auf das weniger Be- kannte ausgeht. Vom „Vogelhändler“ über „Lie- bestrank“ und „Lustige Witwe“ bis zu „Jekyll & Hyde“ oder „Kiss me, Kate“ bewegt man sich dann aber auf sicherem Terrain nicht allzu fordernder Unterhaltung. Die wird allerdings durch klugen Einsatz der vorhandenen Potenziale auf bemer- kenswertem Niveau geliefert. „‚Figaros Hochzeit‘ Die Stammtheater des Nordharzer Städtebundtheaters. Oben das Theater Qudelinburg am Marschlinger Hof. Unten das Theater Halberstadt. Fotos: Theater können wir aus dem Ensemble besetzen“, so Rie- ger. Ginge das nicht, hätte man etwas falsch ge- macht. die Händelfestspiele, die mit einer „Serse“-Show

Ausgabe 03/2019 Ausgabe mit Starbesetzung zum überregionalen Hin- Die organisatorische Struktur der Häuser gucker wurde. Was ja zu den durchaus legitimen Die konkrete Rechtsform und Leitungsstruktur Gründen gezählt haben dürfte, in den 1970er- der Opernhäuser sind (mit Blick auf den gegen- & Tanz Jahren die dritten deutschen Händelfestspiele wärtig exemplarisch eskalierenden Streit in der oper

18 Hintergrund

TOOH Halle) ein Kapitel für … Wahrnehmung in den Medien sich. Dieser Komplex war Die Wahrnehmung der künstleri- ebenfalls Gegenstand des schen Arbeit in den Medien ist ein Blicks auf die Produktions- Kapitel für sich. Alle freuen sich voraussetzungen und Ar- über Beachtung in den überregiona- beitsbedingungen. len Medien, sind sich aber sehr wohl bewusst, dass die Wahrnehmung In den unterschiedli- vor Ort auf die Besucherströme di- chen Modellen bleibt das rekter wirkt. Auch hier fühlt sich Menschliche, die Chemie Karlsruhe durch noch relativ viele zwischen den Akteuren kleine Zeitungen gut abgedeckt. die entscheidende Voraus- Das Prinzip ist in Dortmund und setzung für ein reibungs- den anderen Häusern nicht grund- loses Arbeiten. Bei allen sätzlich anders und nur durch die Gesprächspartnern ist die Struktur der Medienlandschaft mo- funktionierende Zusam- difiziert. Die Feststellung von Ger- menarbeit mit ihren mehr mershausen, dass es zunächst mal oder weniger „mächtigen“ in der eigenen Stadt funktionieren Partnern in den Leitungs- muss, gilt für alle Theater, die vor strukturen eine positive allem in der Region verwurzelt sind. Ressource ihrer Arbeit. Die künstlerische Arbeit der Häuser, Politischer Rückhalt so verschieden sie auch sein mögen, Für alle Intendanten ist die hängt nicht nur von ihrer Größe Vernetzung mit den politi- und Ausstattung, sondern auch vom schen Entscheidungsträgern politischen und gesellschaftlichen wichtig. Peter Spuhler, der Rückhalt in der Stadt beziehungs- seit 17 Jahren an verschiede- weise Region und von den inneren nen Häusern seines Bundes- Anhaltisches Theater Dessau. Foto: Claudia Heysel Organisationsstrukturen ab. Nicht landes Verantwortung trägt zuletzt aber auch vom Einsatz der und nahezu alle denkbaren Mannschaften – von der Technik, politischen Konstellationen Kommune ist, extrem stabil ist. Was über die Künstler bis zu den Intendan- kennengelernt hat, stellt den Entschei- hier auch mit dem Stadtdirektor Jörg ten – und von der Resonanz bei „ihrem“ dungsträgern ein erstklassiges Zeugnis Stüdemann zu tun hat. Er habe sehr früh Publikum. Das, was in Zahlen messbar aus. Er diagnostiziert eine „landestypi- erkannt, dass in einer Stadt, die einen und zu Statistiken zu verdichten ist, ist sche Fortschritts- und Kulturaffinität“. solchen Strukturwandel wie Dortmund das eine. Haushalts- und Zuschauerzah- In Baden-Württemberg gehöre das zum durchmache, Kultur identitätsstiftend len werden gerne als Munition oder als Selbstverständnis. Das schlägt sich in ei- sei. Planungen über mehrere Jahre sind Schutzschild verwendet, wenn um die ner abgestuften, stabilen Grundstruktur möglich, so dass man sich an ein Projekt Voraussetzungen für Kunst intern oder mit Landesbühnen, zwei Staatstheatern wie den Konwitschny-Ring wagen kann. in der Öffentlichkeit gestritten wird. und dem Nationaltheater Mannheim nieder. Ein ausgeprägtes Kostenbewusst- In Dessau meint man das Aufatmen nach Letztlich muss die Gesellschaft (aus sein versteht sich – gut landsmann- dem rigiden Abmagerungskurs in den Steuerzahlern und Käufern einer Ein- schaftlich – von selbst. Gleichzeitig ist letzten Jahren förmlich zu spüren. Vor trittskarte, aus Gagen- und Gehaltsemp- man bereit, Geld in die Hand zu neh- vier Jahren von Wuppertal nach Dessau fängern) eine Vielzahl von Vorausset- men, wenn die Zukunft einer Kulturin- gewechselt zu haben, bereut Weigand je- zungen schaffen und immer wieder neu stitution auch baulich gesichert werden denfalls nicht. „Die Begleitung der Stadt aushandeln, damit etwas entsteht, was muss. „Ambition kann man umsetzen. und des Publikums sind sensationell – eben keineswegs nur mit harten Zahlen Innovation ist willkommen – das gehört alle Beschlüsse zum Theater waren im zu messen ist: Freude, Irritation, gesell- zur Genetik des Bundeslandes“, so Peter Rat einstimmig. Das Bewusstsein für die schaftlicher Diskurs, Erkenntnis, kurz: Spuhler. Bedeutung des Theaters ist sehr ausge- Kunst.

Ausgabe 03/2019 prägt“, so Weigand. Von einer – mit Abstufungen – ähnlich positiven Haltung der politischen Ent- Für seinen Kollegen Rieger ist die Pra- scheidungsträger war freilich auch von xis (die für Karlsruhe zum Beispiel kei- seinen Kollegen in NRW und Sachsen- ne Option war) des Lohnverzichtes über oper

Anhalt zu hören. Für Dortmund stellt Haustarifverträge, die für die Nordhar- & Tanz Germershausen fest, dass die dortige zer nach über 13 Jahren jetzt beendet Kulturszene dafür, dass es keine reiche werden konnte, eine Bestärkung.

19 Hintergrund

Erstaunlich kontaktfreudig Der Theater-Website-Check: Staatstheater Cottbus Von Martin Hufner

Eine ganz erstaunliche Website: Großzü- Unter News findet man dagegen etwas Nicht so gut ist es, dass der Ticketshop giger Aufbau, klar, die Kunst im Mittel- zu wenig Neuigkeiten. Immerhin hat das zwar im gleichen Fenster wie die eigene punkt. Und der Service für die Besucher Theater ja ein turbulentes Jahr mit dem Website geöffnet wird, ein Klick auf das ebenso. Die Gestaltung entspricht voll- Weggang von Chefdirigent und Inten- Logo des Staatstheaters Cottbus aber kommen aktuellen Darstellungsformen dant hinter sich. Es ist schon klar, dass nicht auf die hauseigene Website zurück- aktueller Websites. Auf den Seiten zum man das nicht an vorderster Front ab- führt. Das Problem betrifft nicht das Repertoire ist alles Übliche und Notwen- handelt. Aber so rein gar nicht? Staatstheater Cottbus allein, wir hatten dige gesagt: Besetzung, Termine, Medien, es letztens schon in Nürnberg moniert. Die mobile Version der Seite lehnt sich an Rezensionen. Mutig ist, dass man auch Eventim könnte da mal nachbessern. die Desktop-Variante an. Beides ist wohl „Bewertungen“ von ganz normalen, aber zusammen gedacht worden, damit es in Datenschutz registrierten Besuchern zulässt. Erstaun- Am Datenschutz gibt es nichts auszuset- lich, dass man, wenn man sich registriert, zen. Der einzige eingesetzte Tracker zur auch ganz spezifisch sach- und zielorien- Websiteanalyse ist kenntlich gemacht tiert auf der Website navigieren kann. Da und könnte per Plugin deaktiviert wer- gibt es dann spezielle Ansichten für „Fa- den. Nicht so gut ist die fehlende Mög- milienmenschen“, „Abonnenten“, „Tou- lichkeit, das eigene Kundenkonto beim ristiker“, „Freunde und Förderer“, „Senio- Staatstheater aus eigenen Kräften zu lö- ren“, „Pädagogen“ et cetera pp. Das gefällt schen (siehe oben). ausgesprochen gut. Ein dickes Lob mit ei- ner Einschränkung: Die Möglichkeit, ein Social Media einmal angelegtes „Konto“ zu löschen, ist In den sozialen Netzen ist das Staats- offenbar nicht vorgesehen. theater Cottbus relativ gut organisiert. Bei Facebook hat man circa 6.500 Abon- In die gleiche Richtung zielt auch der nenten, bei Twitter folgen dagegen er- Website-Unterpunkt „Meine Theater- staunlich wenige Personen dem Theater welt“, bei dem man beispielsweise einen (nur 282 Follower – Stand: 17.6.2019), Spielplanalarm einrichten kann. Die dagegen sind es bei Instagram ver- Möglichkeiten sind offenbar noch nicht gleichsweise erstaunliche 1.800 Perso- in Gänze verfügbar, aber die Idee lässt nen. Der YouTube-Kanal ist wiederum hoffen. Das ist wirklich gut und hebt mit 184 Abonnenten übersichtlich und die Kommunikationsmöglichkeiten der leider auch etwas ungepflegt. Man könn- Website über die meisten anderen Thea- te den Eindruck erhalten, die meisten terwebsites hinaus. Das kreative Poten- Beiträge seien acht bis zehn Jahre alt. zial zeigt sich ebenso beim Anwerben von Denn die aktuellen finden sich unten un- möglichen Abonnenten. Da geht man auf ter der Rubrik „Uploads“ und nicht wie den Menüpunkt „ABOTHEKE“. „Sie fin- darüber in „Theater“, „Oper“ und „Bal- den in der ABOTHEKE viele Mittel, die lett“ einsortiert. Sie geistig & körperlich munter halten. Alle bestehen nur aus MUSIK und THEA- Die Richtung, Social Media hausintern beiden Welten funktioniert. In der Mobi- TER und sind garantiert frei von anderen abzufangen, ist aber gewiss richtig. Denn le-Version kommt es leider gelegentlich Zusatzstoffen. Allerdings funktionieren besser, man verlässt sich auf die eigene zu Darstellungsproblemen, die mit etwas diese Mittel nicht, wenn Sie allein und Power als auf diejenige fremder Anbieter. Aufwand vermutlich zu beseitigen sein zu Hause bleiben. Wir nutzen aus guten dürften (abgeschnittene Info-Popups). https://www.staatstheater-cottbus.de/ Gründen nur Gruppentherapien. Diskret im verdunkelten Saal und beim Abspann Online-Kartenkauf mit Stuhlkreis im Kuppelfoyer.“ Die ge- Ist man im Online-Ticketshop, verlässt samten Anrechte haben zudem originel- man die originäre Website des Staats- Ausgabe 03/2019 Ausgabe le Beschreibungen bekommen. Hier hat theaters und landet bei einem Ticket- man sich wirklich ein paar Gedanken dienstleister (eventim). Die Buchungs-

& Tanz mehr gemacht als an anderen Häusern. verfahren sind insgesamt transparent,

oper So weckt man Neugier. es tauchen keine versteckten Kosten auf.

20 Namen und Fakten

Personalia Daniel Barenboim, General- Vladimir Jurowski, Chefdi- musikdirektor der Staatsoper rigent des Rundfunk Sinfo- Unter den Linden, verlän- nieorchesters Berlin (RSB), gert seinen Vertrag bis 2027. will seinen Vertrag dort bis Kultursenator Klaus Lederer zur Spielzeit 2022/2023 ver- erklärte: „Nach den vielen Ge- längern. Damit wird er als sprächen in den vergangenen designierter GMD der Baye- Monaten (...) habe ich dem rischen Staatsoper ab 2021 in Stiftungsrat unterbreitet, den Doppelfunktion tätig sein. Vertrag mit Daniel Barenboim um fünf Jahre zu verlängern. Demis Volpi wird zur Spielzeit Ausschlaggebend war auch 2020/2021 neuer Ballettdi- der übergroße Wunsch des rektor und Chefchoreograf des Orchesters.“ In den letzten Balletts am Rhein. Der argen- Wochen hatte es Meldungen tinische Choreograf und Re- Demis Volpi. Foto: Andreas Endermann gegeben, nach denen aus dem gisseur unterzeichnete einen Orchester Kritik am Füh- Vertrag bis 2024. Er war von rungsstil des Dirigenten geäu- 2013 bis 2017 Hauschoreograf Patrick Lange bleibt für min- Manuel Bethe wird ab der ßert worden sei. Der Orches- des Stuttgarter Balletts. destens drei weitere Jahre kommenden Spielzeit Chor- tervorstand erklärte jetzt: „Ja, GMD des Hessischen Staats- direktor am Staatstheater Ralf Rossa, Ballettdirektor wir freuen uns. Die Staatska- theaters Wiesbaden. Sein Ver- Meiningen. Von 2010 bis und Chefchoreograf des Hal- pelle Berlin freut sich!“ trag wurde bis zum Ende der 2016 studierte der heute leschen Opernhauses, verab- Saison 2022/2023 verlängert. 29-Jährige Chor- und Or- Gijs Leenaars, Chefdirigent schiedete sich in den Ruhe- Lange kam 2017 zum Hes- chesterdirigieren in Weimar. und Künstlerischer Leiter des stand. Rossa debütierte 1998 sischen Staatstheater. 2007 Erfahrungen sammelte er als Rundfunkchores Berlin, hat in Halle/Saale mit „Schwa- gab er sein Debüt an der Ko- Chordirigent verschiedener seinen Vertrag um fünf Jahre nensee“, es folgten Dutzende mischen Oper Berlin, wo er ab Chöre wie auch als Sänger. bis 2025 verlängert. weiterer Choreografien. Seit 2008 als Erster Kapellmeis- Unter anderem war er Assis- März 2001 trägt die Compag- Kirill Serebrennikov, rus- ter, ab 2010 als Chefdirigent tent des Philharmonischen nie den Namen Ballett Rossa. sischer Regisseur, ist aus des Hauses wirkte. Chores und Extrachores am Die künstlerische und orga- dem Hausarrest entlassen Theater Erfurt. nisatorische Leitung über- Stephan Märki wird neuer worden, darf sich aber aus nimmt nach Rossas Abschied Intendant und Operndirek- Markus Hinterhäuser hat Moskau nicht ohne Erlaub- kommissarisch Michal Sed- tor am Staatstheater Cottbus. seinen Vertrag als Intendant nis entfernen. Der Intendant láček, der als Erster Solotän- Vom Rat der Brandenburgi- der Salzburger Festspiele um der Komischen Oper Berlin, zer, choreografischer Assis- schen Kulturstiftung wurde fünf Jahre bis 2026 verlän- Barrie Kosky, kündigte an, tent und stellvertretender er einstimmig in diese Posi- gert. Internationales Renom- dass Serebrennikov in der Ballettdirektor seit Jahren tion gewählt. Der gebürtige mee im Kulturmanagement kommenden Spielzeit Stra- Rossas Arbeit begleitet. Schweizer war unter anderem errang Markus Hinterhäuser winskys „The Rake’s Progress“ Intendant des Potsdamer als Mitbegründer und Künst- am Haus in der Behrenstraße Peter Spuhler bleibt über Hans-Otto-Theaters, vonlerischer Leiter der Veran- inszenieren werde. das Jahr 2021 hinaus weitere 2000 bis 2011 Generalinten- staltungsreihe „Zeitfluss“, die fünf Jahre Generalintendant Ausgezeichnet dant des Deutschen Natio- von 1993 bis 2001 im Rah- am Badischen Staatstheater. Oleksiy Palchykov, Tenor, und naltheaters und der Staatska- men der Salzburger Festspiele Spuhler ist seit September Matias Oberlin, Tänzer, sind pelle in Weimar. Zuletzt war stattfand. 2016 übernahm er 2011 in Karlsruhe. Auch Jo- die diesjährigen Träger des Dr. er – bis Juli 2018 – Direktor als Intendant die Leitung der hannes Graf-Hauber hat sei- Wilhelm Oberdörffer-Preises. am Konzert Theater Bern. Salzburger Festspiele. nen Vertrag bis August 2025 Die mit je 8.000 Euro dotier- verlängert. Als Geschäfts- Stephan Pauly, Intendant der Philipp Ahmann wird ab ten Auszeichnungen werden führender Direktor bildet er Alten , wird Januar 2020 zunächst für von der Stiftung zur Förde- zusammen mit dem General- Chef des Wiener Musikver- vier Jahre die Künstlerische rung der Hamburgischen Ausgabe 03/2019 intendanten die Theaterlei- eins. Vor seiner Tätigkeit in Leitung des MDR-Rundfunk- Staatsoper vergeben. Der in tung. Außerdem soll Georg Frankfurt war Pauly Künstle- chors übernehmen. Ahmann Kiew geborene Palchykov ist Fritzsch neuer General- rischer Leiter und Kaufmän- war bereits von 2013 bis 2016 seit der Spielzeit 2017/18 En- musikdirektor werden. Der nischer Geschäftsführer der als Erster Gastdirigent des semblemitglied der Staatsoper oper

gebürtige Meißener ist seit Internationalen Stiftung Mo- MDR-Rundfunkchors tätig, Hamburg. Matias Oberlin ist & Tanz 2003 Generalmusikdirektor zarteum Salzburg. Seit 2012 von 2008 bis 2018 leitete er seit der Spielzeit 2018/19 So- der Landeshauptstadt Kiel. ist er an der Alten Oper. den NDR Chor in Hamburg. list des Hamburg Ballett.

21 Namen und Fakten

Mariss Jansons ist mit dem John Gilhooly, Künstleri- Gestorben mit 50.000 Euro dotierten scher Leiter der Wigmore Georg Katzer ist im Mai 2019 Herbert-von-Karajan-Preis Hall in London, ist mit dem in Berlin gestorben. Der 1935 ausgezeichnet worden. Der Musikpreis des Heidelberger in Schlesien geborene Kompo- Preis wird von den 1967 von Frühlings ausgezeichnet wor- nist war eine wichtige Persön- gegrün- den. Die Auszeichnung ist mit lichkeit der zeitgenössischen deten Salzburger Osterfest- 10.000 Euro dotiert und wird und elektroakustischen Mu- spielen verliehen. Preisstif- jährlich an Kulturschaffende sik in Deutschland. Seit 1978 terin ist Karajans Witwe, vergeben, die sich substan- war er Mitglied der Akademie Eliette von Karajan. Jansons ziell und nachhaltig für die der Künste der DDR, ab 1993 ist in diesem Jahr Gastdiri- Vermittlung von klassischer der vereinten Akademie. Kat- gent bei den Osterfestspielen. Musik einsetzen. zer gründete 1986 das bis heute fortbestehende Studio Gabriel Figueredo, Schüler Jeffrey Dowd, US-amerika- für Elektroakustische Musik der John Cranko Schule, hat nischer Tenor und Mitglied in der Akademie. Neben sei- den Grand Prix beim diesjäh- des Solistenensembles am ner kompositorischen Arbeit rigen Youth America Grand Aalto-Musiktheater, wurde Renate Schmitzer. Foto: Susanne Diesner (Kammermusik, Orchester- Prix in New York gewonnen von der Theater und Philhar- werke, Solokonzerte, drei und ist zudem mit dem Dance monie Essen (TUP) mit dem Renate Schmitzer, Kostüm- Opern, zwei Ballette, Pup- Europe Magazine Award aus- Ehrentitel „Kammersänger“ bildnerin, ist nach kurzer penspiele) beschäftigte sich gezeichnet worden. Figueredo ausgezeichnet. Die TUP wür- Krankheit im Alter von 78 Katzer auch mit Computer- gewann mit der Darbietung digte damit Dowds große Jahren gestorben. Fast 50 musik, Multimedia-Projekten zweier Variationen aus Ma- Verdienste als Interpret von Jahre lang schuf sie Kostüme und Improvisation. Darüber rius Petipas „Raymonda“ und unzähligen Partien am Esse- an vielen großen, auch in- hinaus engagierte er sich in Wayne McGregors „Chroma“. ner Opernhaus. ternationalen Bühnen. Nach verschiedenen Verbänden, ihrem Studium der Kostüm- zum Beispiel im Präsidium gestaltung in Köln erhielt sie des Deutschen Musikrats und Festengagements, zunächst als Mitgründer der Deutschen in Dortmund, später in Ulm. Gesellschaft für Elektro- Anschließend arbeitete sie akustische Musik. freiberuflich für Oper, Ballett Verena Lafferentz-Wagner, und Schauspiel. Stationen die letzte Enkelin Richard ihrer beruflichen Laufbahn Wagners, ist im Alter von 98 waren unter anderem die The- Jahren gestorben. Sie war das ater in Basel, Berlin, Frank- jüngste Kind von Siegfried furt, Hamburg, Karlsruhe, Wagner, dem Sohn von Ri- Kopenhagen, München, Pa- chard und Winifred Wagner. ris, London, Salzburg, Stutt- Ihre Brüder Wolfgang und gart und Wien. Mit dem Re- Wolfgang Neumann in „Orpheus in der Unterwelt“ am Nationaltheater Mannheim. Wieland Wagner übernah- gisseur Dietrich W. Hilsdorf Foto: Hans Jörg Michel men nach der Zeit des Natio- arbeitete Schmitzer in vielen nalsozialismus die Leitung Produktionen zusammen, Wolfgang Neumann, Tenor, Geburtstage der Bayreuther Festspiele. schwerpunktmäßig an der wurde zum Ehrenmitglied Kiri Te Kanawa, neuseelän- Verena, die 1943 den SS-Of- Deutschen Oper am Rhein des Nationaltheaters Mann- dische Opernsängerin, wurde fizier Bodo Lafferentz gehei- und dem Aalto-Theater Essen. heim ernannt. Die Verleihung 75 Jahre alt. 1970 gab sie ihr ratet hatte, hielt sich eher im findet im Juli im Rahmen der Debüt in Covent Garden, 1974 Eva Kleinitz, ehemalige Hintergrund. Vorstellung „Orpheus in der trat sie erstmals an der Met Operndirektorin der Oper Unterwelt“ statt. Neumann auf. Kiri Te Kanawa sang an Heather Harper, Sopranis- Stuttgart, ist im Alter von nur wirkte insgesamt 30 Jahre den großen Opernbühnen der tin, ist im Alter von 88 Jah- 47 Jahren gestorben. Klei- lang als festes Ensemblemit- Welt und machte sich auch als ren gestorben. Die in Belfast nitz war sechs Jahre Stell- glied am Nationaltheater, zu- Liedsängerin einen Namen. geborene Sängerin sang nach vertretende Intendantin und nächst von 1980 bis 1988 und Sie wurde gerne zu Groß-Er- ihrem Studium zunächst im Künstlerische Betriebsdirek- erneut von 1996 bis 2010. eignissen eingeladen, so zur Chor der BBC. International torin der Staatsoper Stuttgart

Ausgabe 03/2019 Ausgabe Hochzeit von Prinz Charles war sie unter anderem bei den im Team von Jossi Wieler. Kirill Serebrennikov wurde und Diana oder 1991 zur Rug- Bayreuther Festspielen und 2017 wurde sie Generalinten- mit dem bedeutenden russi- by-WM. 2010 beendete sie an der New Yorker Met zu hö-

& Tanz dantin der Opéra national du schen Theaterpreis „Goldene ihre Karriere als Sängerin. ren und zu sehen. Rhin in Straßburg. oper Maske“ ausgezeichnet.

22 Namen und Fakten

Nachrichten Zusammenarbeit und gast- BERLIN: Die Mitglieder der spielorientierter Produkti- Deutschsprachigen Opern- onsweisen zu motivieren. Die konferenz haben auf ihrer Partnerschaften bestehen aus Frühjahrstagung in Berlin einer freien Gruppe und zwei den Frankfurter Opernin- Häusern und werden jeweils tendanten zum mit 240.000 Euro gefördert. vierten Mal für weitere drei Zu den ausgewählten Partner- Jahre zu ihrem Vorsitzenden schaften gehören: das Deut- gewählt. Loebe hat das Amt sche Nationaltheater Weimar, seit Juni 2010 inne. das 0sterbø Theater in Däne- mark und die Berliner Opern- DRESDEN: 78 Opernhand- kompanie Novoflot; die Com- schriften Richard Wagners pagnie toit végétal, das Junge aus dem Bestand des No- Nationaltheater Mannheim tenarchivs der Sächsischen Theater Duisburg. Foto: Hans Jörg Michel und die Tonhalle Düsseldorf; Staatsoper sollen an der Säch- Johannes Müller und Phili- sischen Landes-, Staats- und insbesondere auch den Büh- GERA/BERLIN: Anfang April ne Rinnert, die Staatsoper Universitätsbibliothek digita- nenbereich. Die große Bühne wurde bekannt, dass die Stuttgart mit Opera Ballet lisiert werden. Zum Start des und die bühnentechnischen Staatsanwaltschaft Gera ge- Vlaanderen in Belgien; das So- Großprojekts wurden Auf- Anlagen konnten nicht mehr gen die Künstler und Künst- listenensemble Kaleidoskop, führungsmaterialien für den genutzt werden. Mit geplan- lerinnen des „Zentrums für die Staatsoper Hannover und „Tannhäuser“ und die „Meis- ten Vorstellungen konnte in Politische Schönheit“ seit 16 HELLERAU Dresden sowie tersinger“ digital zugänglich die benachbarte Mercatorhal- Monaten wegen der angebli- das Wien mit der gemacht. le ausgewichen werden; Neu- chen „Bildung einer kriminel- Deutschen Oper Berlin und Der Dresdner Stadtrat hat be- produktionen fanden konzer- len Vereinigung“ ermittelte. Chez Company. schlossen, den Erbbaurechts- tant statt. Erst nach Pfingsten Nach massivem öffentlichen REGENSBURG: Die Regens- vertrag für die ehemalige konnte der Proben- und Vor- Druck wurde das Verfahren burger Domspatzen bekom- Wigman-Tanzschule und das stellungsbetrieb im Großen eingestellt. Die Künstlergrup- men einen neuen Leiter. Ro- Wohnhaus Mary Wigmans Haus in eingeschränkter Form pe hatte in der Nachbarschaft land Büchner, der den Chor mit dem Verein Villa Wigman wieder aufgenommen wer- des Wohnhauses von Björn 25 Jahre lang geleitet hatte, für TANZ e.V. abzuschließen. den. Allerdings konnten noch Höcke (AfD) eine Miniatur- ging in den Ruhestand. In sei- Der Verein gründete sich nicht alle durch das Wasser Nachbildung des Berliner Ho- ne Zeit fallen die Aufdeckung 2016, um den Verkauf des entstandenen technischen locaust-Mahnmals platziert zahlreicher Missbrauchsfäl- geschichtsträchtigen Hauses Schäden auf der Großen Büh- und war deshalb der Bildung le bei den Domspatzen, aber zu verhindern und eine Um- ne behoben werden. Einige einer kriminellen Vereini- auch viele musikalische Er- nutzung als Produktionshaus Vorstellungen mussten daher gung verdächtigt worden. folge. Sein Nachfolger wird für die freien Tanz- und The- ausfallen. Nach Einstellung des Verfah- Christian Heiß, bisher Dom- aterschaffenden in Dresden rens wurde von verschiedenen FRANKFURT: Die Diskus- kapellmeister in Eichstätt. in die Wege zu leiten. Dem Seiten ein Untersuchungs- sion um die Sanierung der Ankauf der Immobilie hatte ausschuss gefordert, der den WÜRZBURG: Das Große Frankfurter Bühnen setzt der Dresdner Stadtrat bereits Vorfall und das Vorgehen der Haus des Mainfranken The- sich fort. Nun hat die Stadt im August 2017 zugestimmt. Staatsanwaltschaft prüfen aters mit seinen 738 Plätzen Frankfurt erklärt, dass eine Nun setzte sich im Ausschrei- solle. steht aufgrund der derzeitigen Sanierung des Baus am Wil- bungsprozess zur Vergabe Sanierung und Erweiterung ly-Brandt-Platz denkbar sei. HALLE/SAALE: Die „Doppel- eines Erbbaurechtsvertrages der Bühne ab der Spielzeit Die Oper könnte in dieser pass“-Jury der Kulturstiftung das Nutzungskonzept des 2020/2021 für etwa zwei Jah- Zeit weiterspielen, das Schau- des Bundes hat zum sechsten Vereins Villa Wigman für re nicht zur Verfügung. Für spiel und die Werkstätten Mal Netzwerkkooperationen TANZ e.V. im Stadtrat mit große Opernproduktionen müssten ausgelagert werden. zwischen freien Gruppen und großer Mehrheit durch. und Orchesteraufführungen

Zuvor hatte ein Gutachten festen Tanz- und Theaterhäu- Ausgabe 03/2019 bedarf es dann einer zusätzli- DUISBURG: Am Theater sowohl für die Sanierung als sern zur Förderung durch chen Außenspielstätte, die das Duisburg ist es Anfang April auch für den Neubau knapp die Stiftung empfohlen. Mit Mainfranken Theater nun in bei Wartungsarbeiten zu ei- 900 Millionen Euro ange- dem Fonds „Doppelpass“ un- Zusammenarbeit mit der va- nem immensen Wasserscha- setzt. Michael Guntersdorf, terstützt die Kulturstiftung oper Q-tec AG in der „Theaterfabrik den gekommen: Etwa 80.000 von der Stadt beauftragt, hält bereits seit 2011 solche Ko- & Tanz Blaue Halle“ in der Würzbur- Liter Wasser aus der Sprink- die Sanierungsvariante für operationen. Ziel ist es, zum ger Dürrbachau gefunden hat. leranlage fluteten das Haus, die günstigste Lösung. Erproben neuer Formen der

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„Die Liebe zu den drei Orangen“ „Hochzeit des Figaro“ Stuttgart Ballett Mainz: … In seiner Mainzer Neuinsze- Wuppertal: Versuchen Sie mal, freihän- Stuttgart: Revolten und Rebellionen nierung hebt der andorranische Regis- dig die Handlung von Mozarts „Figaro“ sind nicht gerade der Stoff, mit dem seur Joan Anton Rechi alle erdenklichen zu erzählen: Spätestens im zweiten Akt Tanzlibrettisten routinemäßig hantie- Grenzen auf: (...) Fokus und Ideen wech- fliegen selbst die Kundigen aus der Kur- ren… Angesichts der Protestbewegungen seln so schnell und häufig, dass sich so- ve! Umso staunenswerter das Kunst- von den Gelbwesten bis zu den „Fridays gar das Banale nicht selbst verzehrt, und stück, der voltenreichen Herzenskomö- for Future“ wagt sich nun das Stuttgar- der unstete Charakter der eigentlichen die – einst eine echte Skandaloper – auf ter Ballett aus der Komfortzone. „Auf- Handlung wird perfekt getroffen… komplett nackter Bühne derart klar, bruch!“ heißt der Abend und markiert treffsicher, präzis Beine zu machen wie zwei historische Ereignisse: die Grün- Das Philharmonische Staatsorchester (…) in Wuppertal geschehen. Dieser dung des Bauhauses und der Weimarer Mainz (…) trifft diesen Ton bis hin zum Abend ist ein Ereignis, ein Coup, ein Ge- Republik vor genau hundert Jahren – Ein gleißenden As-Dur-Marsch, dem Ohr- schenk… Dem Briten Joe Hill-Gibbins, Heimspiel für Katarzyna Kozielska, Ex- wurm der Oper, unter der Leitung von reichlich Shakespeare-erfahren, glückt Ballerina der Kompanie, deren Kreation Hermann Bäumer vorzüglich, auch wenn die Schürzenjagd mit einer spielerischen das dreiteilige Programm im Schauspiel- es manchmal eine Spur zu phonstark zu- Leichtigkeit, die schon zur fiebrigen Ou- haus eröffnet. geht. Vokal sind eher Typenzeichnungen vertüre verzaubert. als kantable Spitzenleistungen gefragt. Es folgt eine Uraufführung von Edward Clug... Die Dritte im Choreografenbund ist Nanine Linning... Im Stuttgarter „Aufbruch!“-Tableau hat Linning die schwierige Aufgabe übernommen, die Straßen- und Barrikadenkämpfe zur Jahreswende 1918/19 und die konsti- tutionelle Befriedung aufzuarbeiten. Storytelling à la „Flammen von Paris“ stand nicht zur Debatte, Linning ver- handelt lieber die menschliche Substanz des Aufstandsgeschehens anhand einer abstrakten „Revolt“… Feind und Anlass dieser „Revolt“ bleiben unsichtbar. Lin- ning fächert ausschließlich gruppendy- namische Prozesse auf und findet dafür ikonische Bilder, dank Anleihen bei der Bildenden Kunst… Trotz Nanine Lin- nings pessimistischem Schlusspunkt „Die Liebe zu den drei Orangen“ in Mainz mit Chor und Extrachor des Staatstheaters Mainz. Foto: Andreas Etter bleibt vom Stuttgarter „Aufbruch!“ das Amüsante hängen… Nicht zuletzt deshalb gilt „Die Liebe zu Nichts braucht dieser Regisseur als den Clugs flagrant formulierte Choreografie den drei Orangen“ als typisches Ensem- raumfüllend reinweißen Viertürer, den entwickelt modellhafte Sprachqualitä- blestück, an dem sich wiederum ablesen Altmeister Johannes Schütz zum einzi- ten, indem sie die Körper wie typografi- lässt, wie prächtig die Mainzer Opern- gen Bühnenbild des gut dreistündigen sche Zeichen einsetzt… sparte derzeit aufgestellt ist… Abends macht… Mit der Wahl der Tanzdesigner (…) hat Ob Peter Felix Bauer als Zauberer Celio, Zur Szene fügt sich Julia Jones’ Mo- der neue Stuttgarter Ballettintendant Linda Sommerhage als dämonische Fata zart-Verständnis. Gegen den Oberflä- Tamas Detrich eine gute Wahl getroffen. Morgana oder Alexandra Samouilidou chenglanz der Ohrwürmer setzt die Die Soziomaterie einer epochalen Zäsur als schließlich befreite Prinzessin Ninet- Generalmusikdirektorin, historisch in- mit Tanzwerkzeugen anzufassen, war ta: Sie alle sind trefflich und treffend be- formiert, mit Wuppertals packend ex- eine hervorragende Idee. Und weil die setzt in diesem deutsch gesungenen, von pressiv agierenden Sinfonikern auf Sub- Stuttgarter Tänzer auch ausgefallene Su- Chor und Extrachor (Einstudierung: Se- stanz… Fazit: Mozart-Freunden könnte jets mit Eleganz zu adeln verstehen, ist bastian Hernandez-Laverny) höchst agil kaum Besseres passieren – ein Abend, jedes „Bravo“ aus dem Parkett verdient. grundierten und von einer wahrschein- den man sich nicht entgehen lassen soll- Dorion Weickmann lich heißgelaufenen Kostümabteilung te! SZ, 01.04.2019 Ausgabe 03/2019 Ausgabe immens detailfreudig ausgestatteten Lars von der Gönna Opernabend… WAZ, 15.04.2019

& Tanz Axel Zibulski FAZ, 20.05.2019 oper

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„The Circle“ Weimar: Dave Eggers Roman „The Circle“ (…) ist so nah am Puls der Zeit, dass es fast schon beängstigend ist… Und das, was die Autorin Tiina Hartmann ge- meinsam mit dem Komponisten Ludger Vollmer (…) zum Libretto destilliert und was Uraufführungsregisseurin Andrea Moses und der Weimarer Operndirek- tor Hans-Georg Wegner als Dramaturg für die Bühne eingerichtet haben, bleibt immer in Sichtweite zum Roman. Dieser Kreis schließt sich. In der Story selbst ist das Schließen des Kreises, diese „Vollen- dung“ des Circle, eine Metapher für den Triumph des Möglichen, für die totale digitale Transparenz, für die (Selbst-) Aufgabe des Individuums… „M“ mit Scott Hendricks als M und Statisterie der Komischen Oper. Foto: Monika Rittershaus Nimmt man es hochtheoretisch, dann ist „The Circle“ ein Beleg dafür, wie die Digitalisierung der Wirklichkeit von „Der Fliegender Holländer“ „M“ heute (auch das schon ein Widerspruch Cottbus: … Am Cottbuser Theater ging Berlin, Komische Oper: Musik, überall in sich) Horkheimer und Adornos be- (...) eine Neuinszenierung des „Fliegen- Musik. Blechbläser brüllen den Zuhörer rühmte These aus dem Jahre 1944 von den Holländers“ über die Bühne. Die von vorn an, Streicherlinien schlängeln der „Dialektik der Aufklärung“, also der musikalische Leitung hat Alexander sich von hinten in sein Gehirn, ein Kin- latenten Gefahr ihrer Selbstzerstörung, Merzyn... Schon mit der Ouvertüre holt derchor singt aus dem Off unschuldiges bestätigt… der 36-Jährige zum großen Wurf aus. Liedgut in atonale Klangflächen hinein, Ludger Vollmers Musik ist dezidiert aufs Er steigert den Orchesterklang in die in das grelle Blitze aus dem Synthesizer Parlando und die dichte Szenenfolge Dramatik hinein und liefert aufwüh- zucken. Ganz eingehüllt wird man von hin geschrieben. Kirill Karabits und die lende Naturschilderungen des sturmge- Klängen, die der Komponist Moritz Eg- Staatskapelle fremdeln kein bisschen peitschten Meeres. Jasmina Hadžiah- gert aufgrund eines ausgeklügelten Sur- mit dieser Opernnovität, zumal Voll- metovic gibt mit der Produktion ihr round-Verfahrens in den Raum schickt… mer seinen Ehrgeiz auch nicht in die Regie-Debüt in Cottbus… Das ganze Verwirrende Komplexität eignet (…) dem Neuerfindung oder avantgardistische Erlösungs-Gedöns schiebt Hadžiah- Sujet des Operneinakters „M“, in Auftrag Raffinesse gelegt hat… Der Inszenie- metovic in den Hintergrund, um eine gegeben und uraufgeführt von der Komi- rung von Andrea Moses mit ihrer prä- eigentlich alltägliche Liebesgeschichte schen Oper Berlin. Sehr frei – und auch zise charakterisierenden Personenregie, freizulegen... Die Regisseurin hadert mit wieder nicht – nach Fritz Langs Meister- der hinreichend mit digitalem Interieur Wagners Frauenbild und deutet die Rolle film „M – eine Stadt sucht einen Mörder“ bestückten Bühne von Raimund Bauer, der Senta um. Nicht todessehnsüchtig schrieb Hausherr Barrie Kosky mit sei- den Kostümen von Svenja Gassen und und opferwillig, wie bei Wagner, ist die- nem Chefdramaturgen Ulrich Lenz ein auch den passgenau illustrierenden Vi- se Frau, sondern durchaus aktiv… Senta Libretto, das den Fokus ganz auf die Psy- deos von René Liebert gelingt es zudem, will den Mann ihrer Wahl und ein selbst- che des verfolgten Kindermörders legt… manche Schwäche der Vorlage auszuglei- bestimmtes Leben... Anders als im Film steht auch „M“ sofort chen. Während die Regie zum Nachdenken auf der Bühne. Ein Lichtkegel fängt den Jaoachim L nge nmz online, 05.05.2019 anregt, ist die musikalische Leistung Bariton Scott Hendricks ein, wie er, er- des Abends gegen Kritik gefeit. Dem schöpft von der Flucht, rennend auf der Opernchor gebührt ein dickes Lob für Stelle tritt, sich abstrampelt… Ein Hauch seine Klangfülle und Präzision. Alexan- Wozzeck klingt an, wenn Hendricks sei-

der Merzyn modelliert äußerst plastisch nem extrem gelagerten Gesang Glissandi Ausgabe 03/2019 und lässt es in den Chorszenen richtig und fast tierhaft klagende Falsett-Töne krachen; bei den kernigen Matrosenlie- beifügt. Dies sind die Momente, in denen dern brennt im Saal die Luft… die Aufführung emotional anrührende

Antje RöSSler Qualität erlangt. oper Märkische Allgemeine, 08.05.2019

Isabel Herzfeld & Tanz FAZ, 07.05.2019

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„La clemenza di Tito“ „Das Horoskop des Königs“ Purcell und Poulenc Oldenburg: In einer Zeit, in der die Bremen: Die Geschichte der Oper „Das Trier: Es bedurfte einiger Takte des Ein- Welt immer unsicherer erscheint, weil Horoskop des Königs – L’Etoile“ ist so spielens und Einhörens. Aber spätestens Staatsoberhäupter mit den Säbeln ras- krass wie absurd… Der Komponist die- im Allegro-Teil der Ouvertüre zu Purcells seln, zeigt das Oldenburgische Staats- ser „komischen Oper“ heißt Emmanuel „Dido and Aeneas“ waren die Trierer theater in einer klugen Inszenierung von Chabrier… 1877, als Chabrier „L‘Etoile“ Philharmoniker ganz auf der Höhe ihrer „La clemenza di Tito“ ein Gegenmodell: schrieb, war Napoleons Zeit schon vor- stilistischen Anpassungsfähigkeit. GMD Kaiser Tito hat aus der Geschichte ge- bei, aber die Satire auf das Verhältnis von Jochem Hochstenbach ist das Kunst- lernt und begnadigt nun anscheinend „oben“ und „unten“ mit der Anprange- stück gelungen, aus einem „Arbeitsor- jeden, der nicht bei drei auf den Bäumen rung einer doppelten Moral bleibt zeitlos. chester“ mit seinem vielfältigen Aufga- ist. Das vernünftig auf die Bühne zu Sie funktioniert allerdings nur, wenn ein benbereich ein Ensemble zu formieren, bringen, ist nicht einfach… Regisseur am Werk ist, der sich in vielen das Barockmusik ohne Stilbrüche reali- Sparten auskennt. Und da konnte das sieren kann… Und auch Poulencs Einak- Regisseur Laurence Dale gelingt es, Theater Bremen für seine bei der Premie- ter „La voix humaine“ kam beim Orches- aus dieser Oper ein spannendes Kam- re am Samstag zu Recht bejubelte Auf- ter und Dirigenten ohne Schwerfälligkeit merspiel vor imperialer Weltkulisse zu führung keinen Besseren finden als Tom aus. Es war ein hellhöriges, ein farben- destillieren, das von der Interaktion Ryser, dessen reich differenzierte Hand- reiches und dazu ungemein einheitliches eines macht- und liebesbesessenen Per- schrift zwischen Tanz, Theater, Oper und Musizieren. Hochstenbachs Interpreta- sonals lebt. Er liefert einen souveränen Zirkus die Bremer im David-Bowie-Musi- tion ist aus einem Guss… Mix aus ambitionierter Deutung und cal „Lazarus“ kennenlernen konnten… historisierender Werksicht… Dass Dale Gibt es eine Verbindung zwischen den diese Gratwanderung gelingt, ohne die Und die Musik, in die sich der Diri- historisch und stilistisch weit ausei- ganze Oper zu modernisieren, das macht gent Yoel Gamzou vor zwei Jahren in nanderliegenden Stücken? Regisseur diese Inszenierung spannend bis zur Amsterdam verliebte (…)? Debussy, Ra- Jean-Claude Berutti jedenfalls sucht letzten Note… vel, Poulenc und Strawinsky bewunder- nicht angestrengt nach Gemeinsamkei- ten Chabrier, und Gamzou widmet sich ten… Jean-Claude Berutti (...) ist (...) kein Erstaunliche Töne entlockt General- mit den Bremer Philharmonikern dem Freund von buntem Regie-Allerlei. Auch musikdirektor Hendrik Vestmann dem Reichtum dieser Partitur: ihrer Süffig- die Balletteinlagen (Roberto Scafati) Oldenburgischen Staatsorchester. Jen- keit, ihrer atmosphärischen Genauigkeit laufen mit einer eleganten Dezenz ab… seits doktrinärer Interpretationsweisen und ihrer unversteckten Komik. Das Dass das kleine Theater wieder einmal klingt es ungemein präzise und ausgewo- Stück – sehr sinnvoll wiedergegeben mit solch heikle Stücke fast aus eigener Kraft gen… Hinzukommt, dass Vestmann am deutschen, in hoher Geschwindigkeit ab- auf die Bühne stellte, ist ein Mirakel, an Pult vorbildlich den Kontakt zwischen gefeuerten Dialogen und französischen das sich Beobachter und Besucher immer Bühne und Orchestergraben hält, der Liedern – ist auch eine große Choroper, noch gewöhnen müssen… Schließlich den Sängern bei den heiklen Übergän- und der Chor (Alice Meregaglia) bildet ein Chor (Angela Händel), der mit Prä- gen zwischen den Rezitativen und den seinerseits eine musikalische und szeni- zision, Präsenz und Stimmstärke glänzt. stellenweise exorbitant anspruchsvollen sche Geschichte. Martin Möller Arien Orientierung gibt. Volksfreund, 19.05.2019 Ute Schalz-Laurenze Das Gesangspersonal überzeugt ohne Kreiszeitung, 02.04.2019 Abstriche, nicht nur vokal, sondern auch mimisch… Auch der Chor ist bes- tens aufgelegt (Markus Popp). Am Ende frenetischer Beifall für eine intelligente und großartige Inszenierung, die man in so beeindruckender Intensität selten er- lebt. Chapeau Oldenburg! Michael Pitz-Grewenig Kreiszeitung, 06.05.2019 Ausgabe 03/2019 Ausgabe

& Tanz

oper „Dido und Aeneas“ in Trier. Foto: Virginie Lançon

26 bericht Rendezvous mit dem Tod

David T. Littles Oper „JFK“ in Augsburg Von Wolf-Dieter Peter

John Fitzgerald Kennedy wirkte in den 1960ern, inmitten Lieblingsgedicht rezitiert, Alan Seegers „Hab mit dem Tod ein von vielen Politgreisen, wie eine Lichtgestalt. Trotz vieler ent- Rendezvous / Bei Nacht, in einer Stadt, die brennt… / Dies Ren- hüllender Dokumentationen umgibt das fotogene Paar „Jack dezvous verpass ich nicht“. und Jackie“ bis heute eine Aura des Besonderen. US-Kompo- Komponist Little bietet für diese Szenenfülle ein großes, nist David T. Little und sein kanadischer Librettist Royce Vav- spätromantisches Orchester auf, bereichert um Klavier, Xylo- rek beschränken sich auf jene letzte Nacht vom 21. auf den 22. und Vibraphon, Glockenspiel, Gongs und anderes raffinier- November 1963, ehe das Paar nach Dallas aufbrach: In „31 tes Schlagwerk bis zum amerikanischen „Banger“-Rohr. Er Momenten und einem Prolog“ entrollen sie ein zweistündiges schreibt dominant tonal, harmonisch – enttäuscht damit alle Psychogramm der schwierigen Ehe. Modernisten und macht das Werk sofort musiktheatralisch zu- Für die Vielzahl von Szenen haben Regisseur Roman Hovenbit- gänglich. Dramatische Ausbrüche von Jackie werden auch mal zer und sein Bühnen-Video-Duo Natalia Orendain del Castillo schrill, dagegen rührt der Lamento-Tonfall von Jackies großer und Paul Zoller über die Stilebene „phantastischer Realismus“ Klage an (beeindruckend Mezzosopran Kate Allen). Demge- hinaus – in der Realität, Erinnerung und Traum ineinander genüber wird aber das einzige Manko des Werkes klar: Die Ti- verfließen können – aufgegriffen, dass Kennedy der erste telfigur hat keine eigene, beeindruckende Szene, was auch die „Fernseh-Präsident“ war: souverän im ersten TV-Duell der Prä- Wirkung von Bariton Alejandro Marco-Buhrmester mindert. sidentschaftskandidaten gegen „Tricky Dick“ Nixon, präsent in Dass Komponist Little das Gespür für Großes hat, beweist er erstmals öffentlich übertragenen Pressekonferenzen voller Witz in der finalen Annäherung an die europäische Operntraditi- und Ironie – und als letzte Steigerung die filmreifen Auftritte mit on: Er und Librettist Vavrek führen in einem dramaturgischen der zur Stil-Ikone geformten Jackie. So beginnt die Augsburger Kunstgriff Jackie Kennedy und ihr späteres zweites Ich als Inszenierung an einem Regietisch direkt hinter dem Orchester. Jackie Onassis (klangschön Mezzosopranistin Natalya Boeva) Dort sitzt ein auch mehrfach auf der Bühne mitspielendes Duo, sowie Clara (Sopranistin Sally du Randt) zusammen – ihr Ter- gibt ein lautloses „Action!“-Zeichen, lässt historische Film-Dokus auf den vielfach verschieb- und drehbaren Wandteilen per Projektor loslaufen – und unter der Decke leuchtet rot „REC“ auf: Wir erleben die Aufzeich- nung einer neuen JFK-Spiel-Doku mit. So sind die Verschränkung von Szenen, ihr fließender Übergang und der Wechsel von Traum und Realität möglich. Und wie Schicksalsboten greift das Regie-Duo als „Betreue- rin Clara“ und „Secret-Service-Mann Rathbone“ ins Bühnengeschehen ein, ergänzt durch den grellen Todesboten „Cutter“, der am Ende triumphierend den Finger hebt. Davor liegt Kennedy wiederholt in der schmerzlindernd wärmenden Badewanne, lässt sich eine Morphium-Spritze setzen, zieht Kate Allen als Jackie, Alejandro Marco-Buhrmester als JFK, Opernchor des Staatstheaters Augsburg. Foto: Jan-Pieter Fuhr sich um und umarmt kurz Marilyn Mon- roe. Dazu kontrastiert der „Cheer-Girl“- Ausgabe 03/2019 Auftritt der später hirn-operierten Schwester Rosie. Um den zett wird zum vokal schwelgerischen Höhepunkt des Abends. hemdsärmligen Texaner Lyndon B. Johnson brüllen „Rednecks“ Der einhellige Schlussjubel für die beiden Autoren und das ge- und Strip-Girls mit einem Hauch von Hill-Billy. Aus einer Schie- samte Bühnenteam signalisierte: Hier wird, gerade in unseren oper bewand ragt das weiße Imitat des späteren Attentatwagens her- Tagen voller Polit-Rabauken und -Clowns, eine Figur verewigt, aus – und es berührt erschreckend, wenn der Bühnen-Kennedy die Willy Brandt treffend charakterisierte und die heute fehlt: & Tanz darin übend Platz nimmt, mehr noch, wenn später Jackie sein ein „vorwärtsgewandter Mann“!

27 Bericht

Atemberaubendes Traumspiel

Franz Schrekers „Der ferne Klang“ an der Oper Frankfurt Von Dieter David Scholz Franz Schrekers Oper „Der ferne Klang“ ist alles andere als leichte Kost, denn Straßenhure. Fritz kann währenddessen Opernhaus uraufgeführt. Schreker war es geht in der Oper nicht nur um Lie- seine Klangutopie, die Oper „Die Harfe“, der zu Lebzeiten meistgespielte, ab 1933 be und ihre Pervertierung in käufliche nicht vollenden. Es gelingt ihm erst, als dann als „entartet“ diffamierte deutsche Lust (verkörpert durch die schöne, ge- er seine Lebenslüge – vergeblich einer Komponist. fallene Grete), sondern auch um Mu- idealen Selbstverwirklichung nachgejagt sik, um die Suche eines jungen Kom- Die Frankfurter Oper widmet die Neu- zu haben – entlarvt und Grete wiederfin- ponisten nach dem „Fernen Klang“. produktion des „Fernen Klangs“ dem vor det. Der Komponist vermeint sterbend Thema der Oper ist die seelische Tra- wenigen Wochen gestorbenen Dirigen- in den Armen Gretes am Ende der Oper gödie einer Frau. Grete, die aus armen ten Michael Gielen, dem eine triumphale endlich diesen „fernen Klang“ zu hören Verhältnissen stammt, wird von ihrer Wiederentdeckung von Schrekers Oper und will seine erfolglose Oper vollenden. ersten Liebe Fritz, einem Komponis- „Die Gezeichneten“ 1979 in der Regie von Ein autobiographisch angehauchtes Be- ten, verlassen. Am Boden zerstört und Hans Neuenfels an der Frankfurter Oper kenntniswerk Schrekers voller brennen- nach einem missglückten Selbstmord- zu verdanken war. Die jetzige Neuinsze- der Sehnsüchte und schwarzer seelischer versuch wird sie zur Edelprostituierten nierung des „Fernen Klangs“ durch Da- Abgründe. in einem Bordell, wo sie Fritz wiederbe- miano Michieletto, Paolo Fantin (Bühne), gegnet. Er stößt sie erneut zurück. Ihr Mit „Der ferne Klang“ feierte der Kompo- Klaus Bruns (Kostüme), darf ebenfalls als Kartenhaus aus „Lust und Luxus“ bricht nist Franz Schreker seinen ersten Opern- szenisches Ereignis in atemberaubenden zusammen, sie verkommt zur billigen erfolg. 1912 wurde er am Frankfurter Bildern gewertet werden. Ausgabe 03/2019 Ausgabe

& Tanz

oper als Grete Graumann und Mitglieder des Ensembles. Foto: Barbara Aumüller

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Michieletto zeigt das Stück als ästhetisch fas- zinierendes Traumspiel, als morbide Phantasie- und Erinnerungswelt, als Parabel über Jugend und Alter, Krankheit und Verfall zwischen Par- tygesellschaft und Seniorenheim in abstrakten verschleierten Raumfluchten, mit allerhand Doubles, stummen Figuren und symbolischen Anspielungen. Über sich immer wieder auftuen- de oder schließende, hintereinander gestaffelte Gazevorhänge werden perfekte, ja brilliante Vi- deos der österreichischen Filmemacher Roland Horvath und Carmen Zimmermann (roccafilm) projiziert, die computeranimierte psychedeli- sche Schlieren, traumhaft Ungenaues, aber auch scharfe Figuren der Handlung vergrößert ab- bilden, drehen, vervielfältigen, sich überlagern. Und schließlich schweben geisterhaft Musikin- strumente durch den Raum. Am Ende werden sie real, wenn schließlich ein komplettes Opernor- chesterinstrumentarium an Schnüren vom Büh- nenhimmel sich herabsenkt über den sterbenden Fritz. Seit Peter Greenaways sensationeller Insze- nierung von Milhauds „Christophe Colomb“ hat man wohl keinen derart überzeugenden Einsatz von Videoproduktionen auf der Opernbühne mehr gesehen. Michieletto und der roccafilm ge- lingt ein surrealistisches, assoziationsfreudiges Gesamtkunstwerk, das gerade dadurch für sich einnimmt, weil es gar nicht erst versucht, das aus- ufernde, schwer verständliche, krause Stück rea- listisch zu erzählen. Was die Musik angeht: Nicht zu Unrecht wird ihr immer wieder ein „Zuviel von allem“ vorgewor- fen. Ohne Unterlass branden orgiastische spätro- mantische Klangwogen auf den Hörer ein, mit raffiniertesten Instrumentationsnebeln und auf- Jennifer Holloway als Grete Graumann, Steffie Sehling als Alte Grete (hinter ihr auf dem Boden liegend) gepeitschter polychromer Gischt. Ein paar Jah- und Ian Koziara als Fritz (hinter dem Vorhang). Foto: Barbara Aumüller re waren die übernervösen Partituren des 1878 geborenen Komponisten groß in Mode, doch ab Mitte der 1920er-Jahre galt seine Musik unter voller Fritz und Dietrich Volle als Doktor Vigelius den Avantgardisten als postwagnerianisch deka- mit erfreulicher Gesangskultur aus dem großen, dent. am Pult an sich überzeugend besetzten des Frankfurter Opern- und Seit Peter Greenaways sensationeller Sängerensemble heraus. Trotz Museumsorchesters tut alles, Inszenierung von Milhauds „Christophe genannter Einschränkungen um diese überwältigende, um Colomb“ hat man wohl keinen derart über- ein bemerkenswerter Abend, nicht zu sagen erschlagende den man nicht vergessen wird! Musik zu beglaubigen, doch er zeugenden Einsatz von Videoproduktionen setzt leider auf ein erschüttern- auf der Opernbühne mehr gesehen. des „Zuviel“ an Phonstärke. Das hat zur Folge, dass fast alle der Ausgabe 03/2019 vielen Sänger weitgehend wortunverständlich schreien, vor allem Jennifer Holloway als Grete, was bedauerlich ist bei dem sprachlich pathetisch hochemotionalen, mit Verlaub gesagt verquasten oper

Libretto, das Schreker selbst verfasst hat. Ohne & Tanz die Übertitel wäre man verloren in dieser Auffüh- rung. Immerhin ragen Ian Koziara als eindrucks-

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Ach, Pina!

Pina Bauschs assoziative Shakespeare-Visionen im Wuppertaler Opernhaus Von Wolf-Dieter Peter

„In den Trümmern der eignen Welt“ nimmt sie an der Hand und führt sie in terschiedlich abgenutzte Fauteuils, ein endet Wagners Wotan. Ein ebenso blut- das Schloss, die anderen folgen“ – für banaler Arbeitstisch und Beistelltisch- bedeckter Weltgestalter steht irgend- jenes Drei-Stunden-Totaltheaterstück, chen; vorne links ein altes Klavier; der wie Rettung suchend da, schüttet zwei mit dem die 1973 gegründete Truppe um vordere Teil des blutroten Bühnentep- Umzugskartons voll grässlich buntem die 33-jährige Pina Bausch damals Fu- pichs ist abgesenkt. Längs durch den Plastikspielzeug über sich aus und steht rore machte und europaweit eingeladen Raum liegt ein Gartenschlauch, aus dem heillos in diesem Horror. Eine besondere wurde… Bausteine für den beginnenden den ganzen Abend lang Wasser fließt und vor der ersten Parkettreihe ein fla- ches Bassin bildet. Als es ganz langsam hell wird, sitzen und liegen neun Men- schen im Raum verteilt, und ihre an- fangs kleinen Schlafbewegungen stei- gern sich wie im Zeitraffer zu tobender Unruhe – rasende Somnambule in einer wirren Welt. Zu Adagio-Musik verlang- samt sich das Treiben, um wieder in ver- meintliches Action-Chaos zu entarten. Einer spricht Shakespearsche Textfetzen wie „Macbeth hat den Schlaf gemordet“. Das ist kein Tänzer, sondern der körper- darstellerisch völlig im Ensemble aufge- hende Maik Solbach. Er schält sich als Macbeth-Figur heraus, den von ihm be- kanntermaßen veranstalteten blutrüns- tigen Horror überdreht Pina Bausch im Bild mit dem Plastikzeug. Eine schlanke Johanna Wokalek und Jonathan Fredrickson. Foto: Uwe Stratmann Frau streift sich im Verlauf mehrmals ihr langes Kleid über ihren endlosen Netz- strumpf-Beinen bis zum Schlüpfer hoch, Premiere: Die Shakespeare-Gesellschaft Weltruhm des Ensembles um „Pina“. schlägt sie berechnend geziert überein- tagt, und Peter Zadek hat Pina Bausch ander, malt sich x-fach übertrieben die Die offene Bühne Rolf Borziks ist eine zu einem „Macbeth“-Abend ins Schau- Lippen rot und erzählt in maliziösem Art Welt-Konglomerat: ein bühnenwei- spielhaus Bochum gelockt. Doch es Tonfall „Die Begegnung von ‚M‘(acbeth) ter, hoher lichtgrüner Saal; hinten ein erklingt vieles mehr als Verdi… und erst und ‚B‘(anquo) mit den drei Hexen“ und großes Fenster und eine hohe Glastür auf der Bühne! Kein übliches Königs- weitere Stationen dieser wüsten Ge- in die Dunkelheit; offene Zugänge links drama! Unruhe, Gelächter, höhnische schichte – ach ja, das ist keine Tänzerin, und rechts, zwei offizielle und eine Tape- Zwischenrufe, hämischer Anti-Beifall, sondern Johanna Wokalek, die sich im tentür; hinten ein kleines Waschbecken, türenknallendes Saal-Verlassen … die Spring-Werf-Lauf-Körpereinsatz durch ein Beichtstuhl, eine leere, fast manns- Skandal-Premiere schlechthin – damals nichts von den anderen unterscheidet, hohe Glas-Vitrine, ein rollbares Not- am 28. April 1978. Soeben: eine enthu- sondern nur mehrfach so abgründig fies aufnahmebett samt Plastikabdeckung, siastisch gefeierte Neueinstudierung zentrale Handlungszüge erzählt. ein halbes Jugendstilbett in Rosa ohne durch das neu konstituierte Wupperta- Himmel, ein unbezogenes Plumeau, Zu all dem erklingt vom Band eine von ler Tanztheater unter Direktorin Bettina

Ausgabe 03/2019 Ausgabe eine Duschkabine in grünem Plastik; Peer Raben mit Pina Bausch kompilier- Wagner-Bergelt – nach 41 Jahren! im Raum verteilt drei unterschiedlich te Musik-Collage aus wildem Ragtime, Bravo-Rufe und Standing Ovations, hässliche Sofas, eine Recamiere-Liege,

& Tanz traumhaft beseelten Debussy-Adagios, die dem Entsetzen entspringen, für „Er mehrere nicht zusammenpassende, un- einer Art Höllengalopp aus Katchatu- oper

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Ensemble. Foto: Uwe Stratmann

rians „Gayaneh“, verfremdeten Schlagern, dem alles provoziert in seiner theatralischen Expressi- Vorspiel zum Auftritt von Verdis wahnsinniger on wiederholt typische „Befreiungslacher“, dann Lady Macbeth. Auf der Bühne werden Kinderlie- auch mal Szenenbeifall – wenn die neun Solisten der und englische Shantys gesungen – und dann 13-mal diagonal durch den Raum flitzen und je- wirft Oleg Stepanov, einer der neun Tanztheatra- der etwas anderes mit Mimik, Gestik und Bewe- liker, mehrfach am Abend Münzen ganz hinten in gung „spricht“, alles nur so unzusammenhängend die schöne, alte Jukebox und bespielt den Raum wie das pausenlose Gerede in unserer Welt. mit einer solipsistischen Samba-Show der Ex- Das scheinbar Das scheinbar wirre Sammelsurium der Dinge traklasse, während um ihn her mal lethargische wirre Sammelsu- und Figuren wird allmählich zum erschrecken- Ruhe, mal ein chaotisches Rasen und Fetzen von rium der Dinge den Abbild unserer arrivierten Gesellschaften, acht weiteren Menschen in einem Nicht-Zuhause die den heutigen blutigen Horror nur irgendwo an herrscht. Zweimal versucht einer das Klavier zu und Figuren wird den Rand der Welt verlagert haben, sich durchweg bespielen, erfolglos – und auch als die ohnmachts- allmählich zum wie auf der Bühne „die Hände sauber waschen nahe Breanna O’Mara zweimal auf die Tastatur erschreckenden oder wie „M“ und „Lady“ verzweifelt hinten du- gelegt wird, erklingen nur Dissonanzen. Abbild unse- rer arrivierten schen. Eine Szene bleibt unvergesslich: Auf zehn Es sind zunächst „Normalos“ von Heute, doch Gesellschaften, alten Kinostühlen sitzen die neun Menschen; sie Jonathan Frederickson, Breanna O’Mara, Julie die den heutigen wechseln den leeren Sitz durch, veranstalten – Shanahan, Julian Stierle, Michal Strecker und blutigen Horror eine Kunst-Welt von Loriots Konzertsaal-Clow- Tsai-Wei Tien wechseln nicht nur durch vielerlei nur irgendwo nerie entfernt – einen „Reigen der Platzhaben- Kostümteile zwischen Tüllkleid, Jacken, hauteng den“, auch als eine wie tot im Sitz liegen bleibt. an den Rand der durchsichtigem Unterkleid, arabischem Mantel Alles gipfelt im gierigen Raffen und hechelnden Welt verlagert und rosa Satin-Smoking – wie diese Accessoires Mitschleppen von Spielzeug und Möbeln, von haben. wechseln sie auch die Gefühlslagen und Verhal- „Besitz-Müll“: geradezu ein Endzeitbild „von uns“

tensweisen des Unbehaustseins. Eine wirr-wüste – ein Hauch von Apokalypse in einem frappierend Ausgabe 03/2019 Gefühlswelt entsteht, von kurzem Neben- und jungen Stück von 1978, gespenstisch hautnah… Miteinander, von Emotionsfetzen, von Blumen Wir sind nicht weitergekommen – und zeitlose streuen und ein Tänzchen einlegen, von kurzem Kunst hält uns den gnadenlosen Spiegel vor. Ach, oper Miteinander und viel Verlorensein – in dem einer Pina! immer wieder den Finger hebt, um zu prüfen, ob & Tanz und woher „der Wind der Geschichte“ weht. Das

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Zukunft: Offen Das Festival »TanzArt ostwest« in Giessen Von Alexandra Karabelas

Nein, gerettet werden musste in Gießen niemand, auch wenn wollten einfach los und entdecken, welche Tanzstile, welche eine der schönsten Performances des diesjährigen „TanzArt Compagnien und Künstler im Osten waren. Wir wollten sie zu ostwest“-Festivals oben im offenen Hubschrauberhangar des uns einladen, aber auch selbst bei ihnen als zeitgenössische Johanniter Luftrettungszentrums stattfand. Eher schon ge- Tanzschaffende auftreten, wo es so lange schwierig war, dort feiert, möchte man sagen, den herrlichen Blick aus der Höhe hinzureisen“, erzählt Hobl-Friedrich. „Und so kam es eben zum in den Himmel noch in Erinnerung, in den gerade die polni- Namen ‚ostwest‘“, ergänzt Assam. sche Choreografin Lucyna Zwolinska ihre Bewegungskreation Die ersten Ausgaben der „TanzArt ostwest“ fanden in Hal- „IN | DE | FL | AIR“ von acht Tänzerinnen und Tänzern des berstadt, Quedlinburg und Magdeburg statt, wo Assam bis Stadttheaters hat hineinschreiben lassen. Denn zum 17. Mal 2003 als Ballettdirektor wirkte. 2002 wanderte es mit Assam realisierte Tarek Assam ein Festival, das sich aufgrund sei- gemeinsam nach Gießen. „Heute ist für uns nicht nur Polen ner programmatischen „ostwest“-Zuspitzung stets befragen und Tschechien im ‚Osten‘, sondern wir strecken uns bis in und neu austarieren muss. Auch das macht „TanzArt ostwest“ den Fernen Osten aus und kooperieren beispielsweise mit der spannend. Idee und Konzept von „TanzArt ostwest“ wurden Tanzszene an der Südküste Chinas,“ so der Künstlerische Lei- erstmals Ende der 1990er-Jahre entwickelt. Gemeinsam unter ter. Tanzschaffende in Europa aus der Schweiz, Belgien, Itali- anderem mit Mechtild Hobl-Friedrich, einer der wichtigsten en, Holland, Spanien oder natürlich Deutschland bilden, wenn Mitgründerinnen und Wegbegleiterinnen des Festivals, reiz- man so will, dann das „West“-Konglomerat, stehen aber auch te es Tarek Assam, die neuen geografischen, kulturellen und metaphorisch für das Europa von heute. mentalen Räume, die sich seit der Transformation Europas nach 1989 aufgetan hatten, zum Koordinatensystem eines 2019 waren es insgesamt 120 Tänzerinnen und Tänzer, die im neuen Festivals für Zeitgenössischen Tanz zu machen. „Wir Rahmen von 22 Aufführungen zeitgenössische Tanzkunst, Sti- Ausgabe 03/2019 Ausgabe

& Tanz

oper „bluehour“. Foto: Rolf K. Wegst

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le, Ansätze und Inhalte auf die Bühnen zauber- ten. Bei aller Freude ächzt das Festival. Das zu kleine Team steuert einen großen Tanker. „Neben all dem En- gagement von Freiwil- ligen und ehrenamtli- chen Helfern hat sich die Notwendigkeit ei- ner Mitarbeiterstelle für das Management des Festivals gezeigt. Ich hoffe sehr, den ge- wachsenen Anforde- rungen beim Manage- ment auch in Zukunft mit Hilfe finanzieller Zuwendungen auf Landesebene gerecht werden zu können“, so Tarek Assam. Weitere Gala-Aufführungen von „TanzArt ostwest“ „Metropolis – Futur 3“. Foto: Rolf K. Wegst finden im ostbelgi- schen Eupen oder am Theater Koblenz statt, hofft zu Recht, „dieses Profil zu behalten saß und hörte, wie Passanten ungerührt denn „TanzArt ostwest“ funktioniert und somit weiterhin Raum für experi- mit ihren Autos über den Beton fuhren. auch wie ein virtuelles Ringmodell, in mentelle Tanz- und Performanceansätze Fast nackt, noch ohne Sprache, unschul- der sich beteiligte Theater, Tanzszenen zur Verfügung stellen zu können“. Täg- dig wie Kinder spielten sie. In Verbin- und Tanzschaffende gegenseitig unter lich präsentierten Studierende in der dung mit der anschließenden Auffüh- gemeinsamer Flagge mit künstlerischen Tiefgarage am Berliner Platz bei freiem rung im Großen Haus von Tarek Assams Beiträgen bereichern. Eintritt eine Performance und machten beeindruckender Produktion „Metropo- In Gießen freute sich das Publikum über damit für jeden, der älter war, auf berüh- lis – Futur 3“, die so erschreckend punkt- eine herrliche Neuinterpretation der rende Weise greifbar, was junge Thea- genau, hochvirtuos und rhythmisch „Carmen“ durch Ivan Strelkin oder die termacher am Zustand der Welt bewegt. unter die Haut gehend unsere Gegen- heiter-ironische Selbstbefragung der Bárbara Galego Silveira Lima und Felipe wart und Zukunft im Schreckensbild wunderbaren Susanna Curtis aus Nürn- der fortschreitenden Maschinisierung, berg. Über 50 Jahre und stählern wie Technisierung und Digitalisierung auf eine unter 30-Jährige, aber gereift und den Punkt bringt, wurde mehr als deut- voll speziellem Humor präsentierte die lich, wohin die „TanzArt ostwest“ heute Grande Dame des Zeitgenössischen Tan- schaut: in eine Gegenwart der global er- zes ihr tiefgründiges „Do You Contem- lebten und geteilten, teils traumatischen porary Dance? Do you?“ in der TaT-Stu- Verluste einstiger Ordnungen, Orien- diobühne. Diese war auch Raum für vier tierungen und Selbstvergewisserun- weitere Abende mit zahlreichen Kurz- gen – Zukunft offen. Denkt man an die stücken aus „Ost“ und „West“. Mit dem Aufführung im Hubschrauberhangar zu- Hauptgebäude der Universitätsklinik, rück, wo sich bei laufender Performance wo Esra Schreier und Paolo Fossa „Kör- das Rettungsteam bereithielt, um auf Ausgabe 03/2019 Tarek Assam. Foto: Rolf K. Wegst per-Erzählungen“ inszenierten, oder Knopfdruck Schwerverletzte erstzuver- dem Innenhof Altes Schloss dehnte sich sorgen, verwandelt sich dieser in einen das auf standortbezogene Produktionen dos Santos Boquimpani waren hierbei nahezu symbolischen Ort für „TanzArt spezialisierte Festival genussvoll in die ungeheuer mutig. Sie performten unter ostwest“ 2019. oper

Stadt aus. Partner war dabei erstmals die dem Titel „Bodenlos“ die Entwicklung & Tanz Hessische Theaterakademie mit dem ge- der Menschheit in einem Kreis aus Erde meinsamen Projekt „Overlap/B“. Assam und Lehm, während man auf Bierbänken

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Greifbares Menetekel Jörn Arneckes Oper »Der Eisblumenwald« am Deutschen Nationaltheater Weimar Von Roland H. Dippel

Gleich zwei bemerkenswerte Musiktheater-Uraufführungen stiller Aufmerksamkeit, dass es um Konfliktbewältigung, das innerhalb eines Monats am Deutschen Nationaltheater Wei- Staunen und Lernen, das Miteinander, die Energien durch mar! Während Ludger Vollmers „The Circle“ auch als Transfor- Hoffnung und Selbstvertrauen geht. mationsprozess des ästhetischen Gebildes Oper in den Bedin- Am schönsten an dieser Uraufführung ist, dass die junge Re- gungen des medialen Zeitalters lesbar ist, besinnt sich Jörn gisseurin Clara Kalus das Potenzial des Stoffes und der Musik Arnecke in seiner von der Ernst-von-Siemens-Musikstiftung erkannt hat, der märchenhaften Dimension des Sujets vertraut ermöglichten Auftragskomposition für das DNT auf haptische und die Zuschauer auch in die unprätentiös klare, bis zum und direkte, ohne umfangreiche elektronische Kunstmittel Schluss tragfähige Musik Arneckes einspinnt: Bühnenlicht im auskommende Möglichkeiten. Seine Vertonung von „Der Eis- Sinne der Deutlichkeit, kein Video, kein Sounddesign. Die Mu- blumenwald“ nach dem Kinderbuch von Jörg Steiner zeigt be- siker und Sänger produzieren Töne ‚nur‘ durch Instrumente, glückend gelungen, die märchenhafte Rettung aus einer ökolo- Atem, Geräusche und Stimmen. Und siehe: Alles funktioniert, gischen Krisensituation. bleibt in Spannung. Kein einziger Zuschauer langweilt sich in Jörn Arneckes jüngste Oper dauert nicht viel länger als die dieser Stunde, weil das Ensemble engagiert agiert, enorm sym- Zeit, in der ein paar große Eiswürfel bei Zimmertemperatur in pathisch herüberkommt und sich bei den vom Komponisten mit Schraubdeckeln ver- gestellten Aufgaben schlossenen Gläsern zu spürbar wohl fühlt. Wie Wasser schmelzen. Die- ein Kapitän steht der se Gläser, an junge und Dirigent Niuniu Miao erwachsene Zuschauer Liu in seiner Box und verteilt, sind das einzige konzentriert sich aus- chorische Instrument in schließlich auf Human der Partitur des Profes- Resources. Die dunkle sors für Musiktheorie Orchesternische für und Gehörbildung an vier Streicher, Quer- der Weimarer Hoch- flöte und vor allem die schule für Musik „Franz viel mit klanglosen Liszt“. Atemtönen genutzte Posaune wirkt wie der „Der Eisblumenwald“ dunkle Maschinenkel- hat seit seiner Erstaus- ler. Nur die Kostüme in gabe 1983, kurz nach Gold-Orange, Meerblau Veröffentlichung der Giulia Montanari als Prinzessin Salicha. Foto: Candy Welz und phantastischem Studie „Global 2000“ Lila für den Märchener- und „Zeit zum Handeln“, zähler erzählen etwas kräftig an Brisanz und Aktualitätsdruck gewonnen: In einem von Herkunft, Prägung und Status. Die Zeit selbst wird The- orientalischen Land ist die Bevölkerung steinreich durch ma und man hört deren unaufhaltsames Verrinnen: Lautes „Schwarzes Gold“. Aber es fehlt Wasser, die Erde verdorrt, der Klackern der schmelzenden Eiswürfel, etwas leiseres Crun- Himmel spiegelt nur Wüstenstaub. Der gebildete, durchaus chen, fast leises Fließen. Das Tauwetter in Wasserglas ist also sozial eingestellte König von Amun (Andreas Koch) leidet al- kein Sturm, sondern stiller Countdown und greifbares Mene- lerdings weitaus weniger am Klimawandel als am Oppositions- tekel. geist seiner Tochter Salicha (Giulia Montanari, HfM Weimar). Diese beschließt zu handeln: Sie macht sich mit dem Märchen- Unspektakulär, unaufgeregt und fern von jeder Verniedli- erzähler (Schauspieler Andreas Kuhn) und dem Jungen Samir chung: Aus dem Zuschauerraum der Studiobühne des DNT hört (Juliane Bookhagen, Thüringer Opernstudio) auf den Weg zum man auch kein Parallelkonzert von Rascheln, Flüstern oder be- Südpol. Von dort bringen die Drei einen Eisberg mit, der ihr mühten Maßregelungen. Dafür macht Arneckes Musik mit ih- Heimatland befeuchtet und wieder lebenswert macht. Ohne ren fließenden Wechseln vom prägnanten Dialog in ariose und Ausgabe 03/2019 Ausgabe erhobenen Zeigefinger kommt Arneckes dramatische Einrich- geschlossene Perioden viel zu neugierig. Künstlerische Mittel, tung der Vorlage aus. Er und die Mitwirkenden setzen auf die Aussage und Spannungsgefüge sind bei dieser Uraufführung & Tanz Kombinationsfähigkeiten ihrer Zuschauer im Vorschul- und und ihrer Realisierung erfreulich kongruent: Ein Plädoyer für

oper Grundschulalter. Diese verstehen genau und beobachten mit Poesie ohne plärrige Parolen.

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EuroFIA Konferenz EuGH-Urteil zur Arbeitszeit-Erfassung: in Hamburg Auswirkungen auf Bühnen? Vom 11. bis zum 13. Juni fand in Ham- Am 14.05.2019 hat der EuGH ein viel Freizeit-Ausgleich. Dies hat für die Be- burg die diesjährige Frühjahrs-Kon- beachtetes Urteil über die Pflicht von schäftigten Vor- und Nachteile: Berufs- ferenz der EuroFIA, der europäischen Arbeitgebern zur Erfassung der Arbeits- gruppen wie etwa die Regie-Assistenz, Sektion der FIA, des weltweiten Dach- zeit von Arbeitnehmern gefällt. Dem- in denen regelmäßig horrende Arbeits- verbandes der Darsteller-Gewerkschaf- nach reicht es grundsätzlich nicht aus, zeiten, auch vor Ort, abgefordert wer- ten, statt. Wie einmal in jedem Jahr, nur „Überstunden“ oder sonstige Ab- den, könnten durch eine systematische wurde ein Tag in Zusammenarbeit mit weichungen von der regelmäßigen täg- flächendeckende Arbeitszeiterfassung den für Leistungsschutzrechte zustän- lichen / wöchentlichen Arbeitszeit sys- unmittelbar und wirkungsvoll geschützt digen Verwertungsgesellschaften gestal- tematisch zu erfassen, wie dies etwa im werden. Für das darstellende Personal tet. Ausgerichtet wurde die Tagung von deutschen Recht vorgesehen ist, sondern aber, das – gerade etwa im Chor mit den Bühnen- und Mediengewerkschaf- darüber hinaus jede tatsächlich geleiste- seinen geregelten Proben-Zeiten – nur ten VdO, GDBA, BFFS und ver.di sowie te Arbeit. Der Grund: nur so sei zuver- einen Teil seiner Arbeitszeit in Anwesen- der deutschen Verwertungsgesellschaft lässig feststellbar, ob überhaupt Über- heit im Theater leistet und andere Tei- GVL. schreitungen / Abweichungen von der le, wie Stimmpflege, Partien-Studium, regelmäßigen bzw. zulässigen Arbeits- Textlernen, Training, Fortbildung etc. in Neben dem Austausch zu gewerkschafts- zeit vorliegen. Und dies gilt ausdrück- völliger Eigenverantwortung weitgehend und tarifpolitischen Entwicklungen in lich ausnahmslos für alle Arbeitnehmer. außerhalb des Theaters erbringt, könnte den einzelnen Mitgliedsstaaten, dem Das Urteil ist auf ein sehr ambivalentes durch eine Erfassung lediglich der An- Urteil des EuGH zu Ketten-Arbeitsver- Echo gestoßen, stärkt es doch einerseits wesenheitszeiten – gerade für theater- hältnissen im künstlerischen Bereich – massiv die Durchsetzung bestehender fremde Kontroll-Instanzen – leicht der hier wurde die VdO im Panel von Gerrit Arbeitnehmerrechte, bedeutet es ande- falsche Eindruck einer Unterbeschäfti- Wedel vertreten – und dem Umgang mit rerseits einen nicht unerheblichen Bü- gung entstehen. Und wie solche selbst- Playern wie Netflix im internationalen rokratie-Aufwuchs in den Betrieben und disponierten Arbeitsleistungen jenseits Produktions- und Synchrongeschäft lag birgt zudem die Gefahr, moderne flexible eines Arbeitsplatzes erfasst werden sol- ein Schwerpunkt der Tagung auf dem Arbeitsleistungs-Modelle, die durchaus len: dazu schweigt das Urteil. Themenkomplex Machtmissbrauch und im Interesse der Arbeitnehmer sein kön- sexuelle Belästigung. Hierzu hielt VdO- Fest steht: Die Künstler-Gewerkschaf- nen, einzuengen. Mitglied Boglárka Simon-Hatala einen ten werden dieses Thema mit dem Deut- beeindruckenden Vortrag über die prak- Für die deutschen Theater ist festzuhal- schen Bühnenverein zu erörtern haben, tischen und strukturellen Problemkom- ten, dass diese bereits flächendeckend auch unter Berücksichtigung der Reak- plexe speziell im Tanzbereich, wo ein gegen die bestehenden deutschen Re- tionen des deutschen Gesetzgebers auf geradezu institutionalisiertes genera- gelungen verstoßen: Im NV-Bühne-Be- das Urteil. Diese erscheinen im Moment tionenübergreifend funktionierendes reich gibt es keine systematisierte Er- eher verhalten. Auf der Agenda steht das Machtsystem tief verwurzelt ist. fassung von Arbeitszeiten oder auch nur Thema Arbeitszeit ja ohnehin – in vielen von Überstunden, Mehrarbeit und/oder Facetten. Wir werden weiter berichten. Der Tag mit den Verwertungsgesell- schaften war geprägt von den Neuerun- gen der kürzlich beschlossenen EU-Ur- heberrechts-Richtlinie. Im Mittelpunkt VdO-Ortsdelegiertenkonferenz in Berlin der Diskussion standen die Regelun- Die VdO wird in diesem Jahr 60 Jahre alt – kein großer, aber ein runder gen zur angemessenen Vergütung, zur Geburtstag. Aus diesem Anlass haben Bundesvorstand und Geschäfts- Transparenz der Erlösströme und dem führung beschlossen, zusätzlich zur diesjährigen satzungsgemäßen Rückrufrecht, alles Regelungen, die im Bundesdelegiertenversammlung, auf der turnusgemäß die bundesweiten deutschen Urheberrecht überwiegend Funktionsträger wie Bundestarifausschuss und Bundesvorstand neu zu seit 2002, vollständig aber seit 2016, be- wählen sind, eine Ortsdelegiertenkonferenz durchzuführen. Auf dieser reits umgesetzt sind. Ausgeklammert sollen in einem eintägigen moderierten Workshop die Bedeutung, die blieb die im Vorfeld der EU-Beschlüsse Aufgaben und die praktischen Herausforderungen der Arbeit der Orts- heiß umstrittene Frage des „value gap“, delegierten und -vorstände behandelt werden. Die Ortsdelegiertenkonfe-

Ausgabe 03/2019 der Mechanismen zur Sicherstellung der renz findet unmittelbar im Anschluss an die Bundesdelegiertenversamm- Teilhabe von Urhebern und ausübenden lung am 22./23. September in Berlin statt. Künstlern an den Milliarden-Einnah-

men der großen Internet-Plattformen. oper & Tanz

35 buch & dvd aktuell

Beaumarchais‘ Figaro als Opernfigur Isolde Schmid-Reiter (Hrsg.): Zwischen Re- nio Portugals portugiesischer „Hochzeit volution und Bürgerlichkeit – Beaumarchais’ des Figaro“. Zu bedauern ist, dass die wei- Figaro-Trilogie als Opernstoff. ConBrio Verlag terführenden Vertonungen von Giselher 2019, 264 Seiten, Paperback CB 1279, 28 Euro Klebe („Figaro lässt sich scheiden“, Ham- burg 1963) und Inger Wikström („Den 2013 veranstaltete die Europäische Mu- brottsliga modern“, Solna 1992) nicht siktheaterakademie ein Symposium ebenso eingehend untersucht werden. mit dem Titel „Zwischen Revolution Lediglich Komponist Thierry Pécou („L‘A- und Bürgerlichkeit – Beaumarchais’ Fi- mour coupable“, Rouen 2010) referiert garo-Trilogie als Opernstoff“. Ziel der Leitlinien seiner Vertonung. Veranstaltung war es, so beschreibt es Dominique Meyer, Direktor der Wiener Never give up on love Staatsoper, in seinem Vorwort, die Be- „Never give up on love“, a song cycle by Mi- ziehungen Figaros in Beaumarchais‘ Fig- chael Chu, Recorded live at the Leipzig Opera, aro-Trilogie „mit der Gesellschaft seiner May 2017, Oper Leipzig Zeit in eine Perspektive zu stellen, die Zusammenhänge zwischen der Trilogie „Gib die Liebe niemals auf“: Michael Chu und den Werken hervorzuheben, die Li- singt seit vielen Jahren im Chor der Oper brettisten und Komponisten geschaffen Leipzig. Gleichzeitig betätigt er sich als haben, die literarische und theatralische Komponist und Textdichter. Nun hat Beliebtheit Figaros zu erörtern, klarzu- er seinen Songzyklus „Never give up on stellen, wer Beaumachais war“. love“ auf einer CD veröffentlicht. Inter- preten sind drei Mitglieder der Oper Der Autor: Uhrmacher, Journalist, Han- Leipzig: Wallis Giunta (Mezzosopran), delsmann, Spion, Gefängnisinsasse, Jeffery Krueger (Tenor) und Alden Gatt Pamphletist, Finanzjongleur – ah ja: auch am Klavier. Die CD ist ein Mitschnitt Dramatiker. Seine Hauptfigur Figaro: der Uraufführung im Mai 2017 an der vergleichbar kunterbunt – ach ja: auch Oper Leipzig, die das Projekt auch un- Opernsänger. All dem versuchte 2013 das terstützt hat. Seither wurde der Zyklus Beaumarchais-Symposium beizukom- mehrfach wieder aufgeführt. Stilistisch men. Denn „Der Barbier von Sevilla“, „Der Mit großem Gewinn liest sich Hilde bewegt sich Chu zwischen Musical, Pop tolle Tag“ und „La Mère coupable“ haben Haiders „Roman der Familie Almaviva“. und Jazz. Seine Lieder erzählen von der über die Schauspiel- auch die Opernbüh- Beaumarchais träumte selbst von einer Liebe, von Hoffnung, Glück und Ent- ne mehrfach erobert. Aufführung der Figaro-Almaviva-Werke täuschung, von Zweifeln, gebrochenen an drei aufeinander folgenden Abenden. Der Band beginnt klassisch mit einem Herzen: Melodien zum Träumen, zum Haiders durchgängige Entwicklungslini- Beitrag von Jean-Pierre de Beaumar- Mit-Fühlen, zum Sich-Freuen oder Trau- en beleben diesen Wunsch. Einen weite- chais, einem entfernten Nachkommen, rig-Sein, die man sich sofort auf einer ren Höhepunkt bildet Sieghart Döhrings der die wohl – bis heute – gefährlichste Musical-Bühne vorstellen könnte – dies Essay über John Coriglianos „The Ghosts Waffe seines Ahnen benennt: „Wit alone alles in großer Qualität und Professio- of Versailles“: Beaumarchais, Marie An- a change may bring“ – Spott und Lächer- nalität. Chu beweist eindrucksvoll, wie toinette und fast alle übrigen Figuren lichkeit sind das, was Mächtige am meis- vielfältig Opernchorsänger sich musika- begegnen sich als lebende Tote nachts ten fürchten. Über beides verfügte der lisch betätigen (können). Die Interpre- in Versailles, durchleben einen Teil der Dramen-Autor und zog so Komponisten ten tragen ihren Teil dazu bei, dass die- Bühnenverwicklungen, aber auch die an, die das aufklärerische und „system- se CD absolut zu empfehlen ist! Bestellt „Halsband-Affäre“ und die Guillotine. kritische“ Potenzial hinter Wortwitz und werden kann sie im Shop der Webseite Döhring beeindruckt durch klare Spra- Situationskomik schätzten – und auch via von Michael Chu: http://michaelchu.net. che, verständliche Analyse der kom- Opernbühne populär machen wollten. Barbara Haack plexen, weil oft filmischen Dramaturgie Figaro als hilfreicher Barbier, als Kam- und Kompositionsweise sowie durch be- merdiener und Intrigen-Entlarver in stechende dramaturgische Einordnung. allen drei Werken wird durchleuchtet; Der Band lässt mit Personen-, Werke- verschiedene Vertonungen zwischen und Rollenverzeichnis tief in die Figa- Paisiello und Milhaud werden analysiert; ro-Welt von Beaumarchais blicken und Ausgabe 03/2019 Ausgabe eine Fülle von Querverweisen öffnet ist somit ein überragender Werkführer selbst Werkfreunden bislang unbekann- für den Theater- und Opernfreund. & Tanz te Aspekte. Den Horizont erweitert etwa Wolf-Dieter Peter

oper David Cranmers Essay zu Marcos Antó-

36 Oper & Tanz im tv

2. Juli 8. Juli 3sat, 15.00 Uhr ORF III, 18.55 Uhr Galakonzert der Wiener Philharmoni- André Hellers Menschenkinder Bayerisches Fernsehen, 23.30 Uhr arte, 0.45 Uhr ker in der Mailänder Scala Eli¯na Garanc˘a BR-KLASSIK: Valery Gergiev und die G. Bizet: Carmen Musikalische Leitung: Gustavo Duda- Münchner Philharmoniker Musikalische Leitung Pablo Heras- ORF III, 20.15 Uhr mel, Plácido Domingo N. Rimsky-Korsakov: „Scheherazade“ Casado Erlebnis Bühne mit Barbara Rett Mailänder Scala, 2019 Musikalische Leitung: Valery Gergiev Inszenierung: Dmitri Tcherniakov Musikalische Leitung: Karel Mark Mit Juan Diego Flórez (Tenor) Mit Stéphanie d‘Oustrac (Carmen), Mi- 3sat, 16.30 Uhr Chichon Klassik am Odeonsplatz 2018 chael Fabiano (Don José), Elsa Dreisig G. Puccini: Tosca Mit Eli¯na Garanc˘a, Alexander Grassau- (Micaëla), Michael Todd Simpson (Es- Musikalische Leitung: Christian Thie- er u.a. 3. Juli camillo), Gabrielle Philiponet (Frasqui- lemann Stift Göttweig, 2019 ta), Virginie Verrez (Mercédès), Chris- Inszenierung: Michael Sturminger arte, 21.55 Uhr ZDF, 22.15 Uhr tian Helmer (Zuniga), Pierre Doyen Mit Anja Harteros (Floria Tosca), Alek- Das Erbe der Pina Bausch G. Verdi: „Il Trovatore“ (Moralès), Guillaume Andrieux (Dan- sandrs Antonenko (Mario Cavarados- Am 30. Juni 2009 starb Pina Bausch. Musikalische Leitung: Pier Giorgio Mo- cairo), Mathias Vidal (Remendado) si), Ludovic Tézier (Baron Scarpia), An- Zehn Jahre später wagen das Ensem- randi Chor: Chœur Aedes, Maîtrise des Bou- drea Mastroni (Cesare Angelotti) u. a. ble, die neue Intendantin und wichtige Choreografie: El Camborio, Lucia Real ches-du-Rhône Chor: Salzburger Bachchor, Salzburger Wegbegleiter einen Blick in die Ver- Inszenierung: Franco Zeffirelli Opernfestival Aix-en-Provence Festspiele und Theater Kinderchor gangenheit, Gegenwart und Zukunft Mit Anna Netrebko (Leonora), Yusif Orchester: Sächsische Staatskapelle des Wuppertaler Tanztheaters. Eyvazov (Manrico), Luca Salsi (Graf 9. Juli Dresden Luna), Dolora Zajick (Azucena), Riccar- Osterfestspiele Salzburg 2018 6. Juli 3sat, 19.30 Uhr do Fassi (Ferrando), Elisabetta Zizzo Architekten des Klangs 3sat, 18.30 Uhr (Ines), Carlo Bosi (Ruiz) u. a. arte, 5.20 Uhr Bauen für den perfekten Ton 3satFestspielsommer Chor: Arena di Verona G. Puccini: La Bohème Günter Atteln lässt sich unter anderem G. Verdi: Il Trovatore Arena di Verona Adaption des Isango Ensemble von Raumakustikern in einigen der be- Musikalische Leitung: Pier Giorgio Mo- Kapstadt deutendsten Konzert- und Opernhäu- randi 15. Juli sern die Besonderheiten und Probleme Choreografie: El Camborio, Lucia Real 7. Juli arte, 0.20 Uhr dieser Räume erklären Inszenierung: Franco Zeffirelli Monsieur Butterfly – Barrie Kosky, ORF 2, 9.05 Uhr Mit Anna Netrebko (Leonora), Yusif Opernmagier Zum 50. Geburtstag von Jonas Kaufmann 10. Juli Eyvazov (Manrico), Luca Salsi (Graf Matinee: Jonas Kaufmann – Ein Jahr- Luna), Dolora Zajick (Azucena), Riccar- arte, 1.15 Uhr ORF III, 19.45 Uhr hundert-Tenor do Fassi (Ferrando), Elisabetta Zizzo 25 Jahre Verbier Festival Kultur Heute Spezial (Ines), Carlo Bosi (Ruiz) u. a. Musikalische Leitung: Gábor Takács- arte, 17.45 Uhr St. Margarethen: Oper im Steinbruch Chor: Arena di Verona Nagy, Valery Gergiev Musik: G. F. Hän- Carmen, Violetta, Mimì, romantisch ORF III, 20.15 Uhr Arena di Verona del, J. Strauss, W. A. Mozart, J. S. Bach und fatal Erlebnis Bühne LIVE Mit Thomas Quasthoff (Bassbariton) Drei Heldinnen, die erst die Literatur 3sat, 21.00 Uhr W. A. Mozart: Die Zauberflöte Chor: RIAS Kammerchor und später die Musik des 19. Jahrhun- 3satFestspielsommer Musikalische Leitung: Karsten derts revolutioniert haben und die Klassik am Odeonsplatz 2019 Januschke 17. Juli Oper in die Zeit der Moderne katapul- Musik: P. I. Tschaikowsky , R. Rogers Inszenierung: Carolin Pienkos, Corne- tierten Musikalische Leitung: Alan Gilbert ORF 2, 10.15 Uhr lius Obonya Mit Renée Fleming (Sopran) Eröffnung Bregenzer Festspiele 2019 ORF III, 18.30 Uhr Mit Max Simonischek (Papageno), u.a. Musik: G. Verdi, J. Massenet Operette sich wer kann Chor: Philharmonia Chor Wien NDR fernsehen, 21.45 Uhr Orchester: Wiener Symphoniker Ooh... diese Ferien St. Margarethen: „Oper im Steinbruch“ NDR Klassik Open Air Mit Hans Moser, Georg Thomalla, 3sat, 10.15 Uhr R. Leoncavallo, P. Mascagni: Cavalleria Hannelore Bollmann, Heidi Brühl, Elke 12. Juli Eröffnung Bregenzer Festspiele 2019 Rusticana, Der Bajazzo Aberle u.a. (s. ORF 2) ORF III, 19.45 Uhr Musikalische Leitung: Keri-Lynn Wilson Österreich 1958 Kultur Heute Spezial Bajazzo: Mit Marco Berti (Canio), ORF III, 17.35 Uhr ORF III, 20.15 Uhr Klassik unter Sternen Aleksandra Kurzak (Nedda), Andrzej ORF III Spezial Zum 50. Geburtstag von Jonas Kaufmann Open Air Gala „Klassik unter Sternen“. Filonczyk (Silvio), Xabier Anduaga Eröffnung Bregenzer Festspiele 2019 Erlebnis Bühne mit Barbara Rett aus dem Stift Göttweig (Beppo), Claudio Sgura (Tonio) arte, 23.40 Uhr Jonas Kaufmann im Gespräch Cavalleria rusticana: Mit Claudio Sgu- Avignon 2019: Lewis versus Alice 13. Juli ra (Alfio), Andrea Carè (Turiddu), Liud- ARD-alpha, 20.15 Uhr Das Wunderland des Lewis Carroll myla Monastyrska (Santuzza), Tichina Klassik am Odeonsplatz 2018 3sat, 5.40 Uhr Choreografie: Guillaume Siard Vaughn (Lucia), Veta Pilipenko (Lola) Musikalische Leitung: Cristian Mace- G. Puccini: La Bohème im Hochhaus Inszenierung: Macha Makeïeff Maschpark Hannover, 2019 laru Musikalische Leitung: Srboljub Dinic Mit Geoffrey Carey, Caroline Espar- Mit Diana Damrau (Sopran), Radoslaw Inszenierung: Anja Horst 3sat, 22.50 Uhr gilière, Vanessa Fonte, Clément Grif- Szulc (Violine) Mit Maya Boog (Mimi), Saimir Pirgu Carmina Burana aus der Verbotenen fault, Jan Peters, Geoffroy Rondeau, Orchester: Symphonieorchester des (Rodolfo), Eva Liebau (Musetta), Robin Stadt, Peking 2018 Rosemary Standley Bayerischen Rundfunks Adams (Marcello), u. a. C. Orff: Carmina Burana Theaterfestival in Avignon Musik von Jules Massenet, Erik Satie, Chor: Stadttheater Bern, Kinderchor Musikalische Leitung: Long Yu Charles Gounod, Leonard Bernstein Musikschule Köniz Mit Aida Garifullina (Sopranistin), Toby 19. Juli und Antonín Dvorˇák Orchester: Berner Symphonieorchester Spence (Tenor) und Ludovic Tézier (Ba- ORF 2, 18.30 Uhr Schweiz 2009 riton) ORF III, 20.30 Uhr Von Machtspielen und Windmühlen – Chor: Wiener Singakademie, Shanghai Zum 50. Geburtstag von Jonas Kaufmann 3sat, 11.00 Uhr Die Bregenzer Festspiele 2019 Spring Childrens Choir Erlebnis Bühne mit Barbara Rett P. I. Tschaikowsky: Schwanensee Die beiden Hauptproduktionen der Best of Jonas Kaufmann Ballett in vier Akten 14. Juli Bregenzer Festspiele: Guiseppe Verdis

Musikalische Leitung: Axel Kober „Rigoletto“ und „Don Quichotte“ von ORF III, 21.35 Uhr Ausgabe 03/2019 Choreografie: Martin Schläpfer 3sat, 0.00 Uhr Jules Massenet. Zum 50. Geburtstag von Jonas Kaufmann Mit Marcos Menha (Siegfried), Mar- Giselle Erlebnis Bühne mit Barbara Rett SRF 2, 19.00 Uhr lúcia do Amaral (Odette), Virginia Choreografie: Akram Khan Jonas Kaufmann – Open-Air Konzert Rick Stein – So schmeckt die Oper Segarra Vidal (Siegfrieds Mutter), Chi- Mit dem English National Ballet, Tama- Musik von P. Mascagni, E. de Curtis u.a. dozie Nzerem (Zeremonienmeister), ra Rojo (Giselle) ORF III, 19.45 Uhr

Musikalische Leitung: Jochen Rieder oper Alexandre Simões (Benno), Camille An- Kultur Heute Spezial Mit Jonas Kaufmann (Tenor), Anita ORF 2, 9.45 Uhr driot (Odile), Young Soon Hue (Odettes Spezialsendung von den Bregenzer Rachvelishvili (Mezzosopran) matinee & Tanz Stiefmutter), Sonny Locsin (Rotbart) Festspielen Orchester: Rundfunk-Sinfonieorches- Land des Lächelns – Vom Wiener Pra- u. a. G. Verdis „Rigoletto“ auf der Bregen- ter Berlin ter ins ferne China Opernhaus Düsseldorf, Juli 2018 zer Seebühne

37 Oper & Tanz im tv / Vakanzen

rbb Fernsehen, 20.15 Uhr 3sat, 20.15 Uhr Impressum Classic Open Air 2019 Bayreuther Festspiele 2019 Gegründet von Walter Kane † – 60. Jahrgang First Night – Berlin, Berlin R. Wagner: Tannhäuser und der Sän- Herausgegeben für die Vereinigung deutscher Opernchöre und Musikalische Leitung: Peter Sommer gerkrieg auf Wartburg Bühnentänzer e.V. Mit Jennifer Riedel (Sopran), Stephan Musikalische Leitung: Valery Gergiev Kolumbastr. 5, 50667 Köln Rügamer (Tenor), Carsten Sabrowski Mit Stephen Gould (Tannhäuser), Lise Tel.: 0221/277 946-70- Fax: 0221/ 277 946-71 (Bass) u.a. Davidsen (Elisabeth) e-Mail: [email protected] ORF 2, 21.15 Uhr Herausgeber 28. Juli G. Verdi: Rigoletto Theo Geißler, Tobias Könemann, Gerrit Wedel Musikalische Leitung: Enrique Mazzola arte, 17.55 Uhr Verlag und Redaktion und Daniele Squeo Operetten- und Opernmelodien ConBrio Verlagsgesellschaft, Brunnstr. 23, 93053 Regensburg Inszenierung: Philipp Stölzl Musik: J. Massenet, G. Bizet u.a. Verleger: Theo Geißler Chor: Bregenzer Festspielchor Musikalische Leitung: Domingo Redaktionelle Koordination Orchester: Wiener Symphoniker Hindoyan Barbara Haack (verantwortlich) Live von den Bregenzer Festspielen Mit Piotr Beczala (Tenor), Sonya Yonch- Tel.: 0941/94 593-12 - Fax :0941/94 593-50 2019 eva (Sopran) e-Mail: [email protected] Aus dem Festspielhaus Baden-Baden 21. Juli Redaktion 3. August Dr. Juan Martin Koch, Andreas Kolb, Tatjana Könemann, Monika von ZDF, 22.15 Uhr Loeben, Stefan Moser G. Verdi: Rigoletto 3sat, 19.20 Uhr Anzeigen s. 19. Juli, ORF 2, 21.15 Uhr Tanzwelten: Wiener Walzer & Swing Martina Wagner -Tel.: 0941/94 593-35 Fax: 0941/94 593-50 26. Juli 10. August e-Mail: [email protected] rbb Fernsehen, 20.15 Uhr 3sat, 20.15 Uhr Es gilt die Anzeigen-Preisliste 7/2019. 20. Elblandfestspiele G. Verdi: Rigoletto Produktion: ConBrio-Verlagsgesellschaft, Regensburg Eine italienische Nacht – Jubiläumsgala s. 19. Juli, ORF 2, 21.15 Uhr Druck: Kartenhaus, Regensburg Musik: G. Verdi, A. Celentano 31. August Abo-Verwaltung: PressUp GmbH, Musikalische Leitung: Robert Reimer Tel.: 040 38 66 66 – 312 • [email protected] Orchester: Deutsches Filmorchester 3sat, 20.15 Uhr Alle Beiträge sind urheberrechtlich für alle Verwertungsformen Babelsberg G. Verdi: Simon Boccanegra geschützt. Copyright beim Verlag Musikalische Leitung: Valery Gergiev Erscheinungsweise: 5 x jährlich (eine Doppelausgabe) 27. Juli Mit Luca Salsi (Simon Boccanegra), Bezugspreis: Für Mitglieder der VdO mit dem Mitgliedsbeitrag abgegolten Marina Rebeka (Amelia Grimaldi), René 3sat, 11.00 Uhr n n n Pape (Jacopo Fiesco), Charles Castro- Jahresabo: 19,90, Einzelheft: 4,50, Doppelausgabe: 6,50 Eröffnung der Salzburger Festspiele novo (Gabriele Adorno) Redaktionsschluss der nächsten Ausgabe: 19.08.2019 2019 Salzburger Festspiele 2019 Anzeigenschluss: 26.08.2019 Aus der Felsenreitschule in Salzburg. ISSN: 0474-2478

Die Hamburgische Staatsoper GmbH Das Opernhaus Zürich (Chordirektor Eberhard Friedrich) Chordirektion: Janko Kastelic, Ernst Raffelsberger sucht für den Staatsopernchor ab der Spielzeit sucht für seinen Chor 2019/20 per sofort einen 2. Alt einen 1. Tenor Voraussetzungen: Studium der Fachrichtung Gesang, einwandfreie einen 2. Tenor Beherrschung der deutschen Sprache wird vorausgesetzt. einen 2. Bass Vergütung: Chorgagenklasse 1a, zzgl. Pauschal- vergütung. per Spielzeit 2019/2020 Schwerbehinderte Bewerberinnen werden bei einen 1. Alt gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorrangig berücksichtigt. Kenntnisse der deutschen Sprache werden vorausgesetzt. CV mit detaillierten Angaben über die musikalische Ausbil- Interessenten richten ihre ausführliche Bewerbung dung und die bisherigen künstlerischen Tätigkeiten (aktuelle (Kopien, da keine Rücksendung) bitte bis zum Repertoireliste, keine CDs!) sowie persönliche Angaben 15.08.2019 an: inkl. Postanschrift, Nationalität und Geburtsdatum bitte an: Hamburgische Staatsoper GmbH OPERNHAUS ZÜRICH AG - Chorinspektion - Chorsekretariat, Falkenstraße 1, Große Theaterstraße 25, 20354 Hamburg Ausgabe 03/2019 Ausgabe CH-8008 Zürich, Tel. +41 44 268 64 55, [email protected] Fax +41 44 268 64 01 Kosten, die Ihnen durch die Einladung zum Vorstellungsgespräch

& Tanz E-Mail: [email protected] entstehen, können durch uns leider nicht übernommen werden. oper

38 Musik in der edition text+kritik

Arne Stollberg Stephan Ahrens Jörg Königsdorf Stefan Willer (Hg.) Oper Film und

Oper und Film Geschichten einer Beziehung Arne Stollberg Stephan Ahrens Jörg Königsdorf Stefan Willer (Hg.)

Stollberg · Ahrens · Königsdorf · Naguschewski · Willer (Hg.) · Willer · Naguschewski · Königsdorf · Ahrens Stollberg Oper und Film Geschichten einer Beziehung etwa 320 Seiten, Abb. und Notenbeispiele ca. € 32,– ISBN 978-3-86916-707-7

Seit seinen Anfängen steht der Kino lm in einem produktiven Konkurrenzverhältnis zur Oper. Bereits Giacomo Puccini und Richard Strauss reagierten künstlerisch auf das neue Massenmedium Kino, das seinerseits direkt an die Ästhetik und die Pathosformeln der großen Opernbühne anknüpfte.

Besonders prägnant erscheint dieses fruchtbare Wechselspiel in der Person E. W. Korngolds, der nicht nur einer der gefeiertsten Opernkomponisten der 1920er Jahre war, sondern als »Vater der Filmmusik« auch Hollywood- Geschichte schrieb. Die Neuinszenierung von Korngolds Oper »Das Wunder der Heliane« 2018 in Berlin gab daher Anlass zu einem Symposion. Der darauf zurückgehende Band versammelt historische Fallstudien und verknüpft sie mit Einblicken in die Praxis.

Der Band enthält Beiträge von Norbert Abels, Stephan Ahrens, Immacolata Amodeo, Paul-Georg Dittrich, Uta Felten, Götz Filenius, Uwe Friedrich, Jörg Königsdorf, Volker Mertens, Panja Mücke, Janina Müller, Dirk Naguschewski, David Roesner, Volker Schlöndor und Arne Stollberg.

210x297_STOLLBERG_Oper+3.indd 1 29.05.2019 10:46:52 Keine Panik, Bühnenverein!

Die Angst vor Nachwuchs-Mangel in künstlerischen und technischen Bühnen-Be- rufen ist völlig unbegründet. Die Deutsche Bank, Huawei, die Bertelsmann-Stif- tung und die ehemalige Diesel-Produktionsabteilung von VW (verantwortlich für Camouflage und humanoide Optik) sorgen in Kooperation für kostengünstigen Nachwuchs. Frei programmierbar, frei von Gewerkschafts-Zwängen übernehmen künstliche Intelligenzen alle anfallenden Aufgaben.

Für Menschen in Theatern:

VdO - Ihr Berufsverband Wir vertreten Opernchöre und Bühnentänzer

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