Sächsisches Staatsarchiv

Sächsisches Archivblatt Heft 1 / 2012 Inhalt Seite Landesprojekt Langzeitspeicherung und elektronische Archivierung (LeA) kurz vor Abschluss 1 Burkhard Nolte Wertpapierdruck – Der Bestand Giesecke & Devrient AG im Staatsarchiv Leipzig 2 Maren Worrich Ein verheißungsvoller Beginn? – Kulturbund und Film in Sachsen nach dem Zweiten Weltkrieg 4 Mona Harring Von Lappland nach Sachsen – Der Filmnachlass von Erich Wustmann im Hauptstaatsarchiv 6 Carmen Schwietzer / Stephanie Patzschke / Martin Kühn „Eine Kiste Sonnenschein hab ich froh erbrochen“ (Ringelnatz) – Nachlass des Generaldirektors der Schocken AG im Staatsarchiv Chemnitz 8 Jürgen Nitsche Nachlass der Familie Neefe – Eine familiengeschichtliche Kostbarkeit im Staatsarchiv Chemnitz 9 Ute Pfannschmidt Polizeifach und Fußabdrücke – Sächsische Landespolizeiausbildung in der Weimarer Republik und ihr Nachweis im Stadtarchiv Leipzig 10 Olaf Hillert Schillerverein zu Leipzig – Stadtarchiv Leipzig bewahrt Vereinsnachlass 12 Frauke Gränitz Goethe, Herder, Wieland ... – Sächsisches Staatsarchiv erhält bislang verschollene Klassikerbriefe 14 Volker Jäger Das Grubenrettungs- und Gasschutzwesen in der DDR – Archivbestand im Bergarchiv Freiberg 16 Christiane Helmert / Sabine Landgraf Zeichen der Vollstreckung – Wie Zweig, Span und Erde in die Akten kamen 18 Andrea Tonert Weitere Meldungen und Berichte: Arbeitsgruppe Ministerialüberlieferung im Hauptstaatsarchiv Dresden 20 Dörte Engmann 200 Jahre Staatsarchiv Breslau 20 Wilfried Reininghaus Saturn, Mars, Erde, Uranus und Venus – Archivpädagogik im Stadtarchiv Leipzig 21 Anett Müller Hauptstaatsarchiv Dresden mit drei „Tagen der offenen Tür“ wiedereröffnet 23 Gisela Petrasch Tag der Archive am 3. März 2012 – Andrang in Leipziger Archiven 24 Birgit Richter „Jeder Tag zählt wie ein Jahr“ – Festakt mit dem Bundespräsidenten zum 20-jährigen Bestehen des Frauenkreises der ehemaligen Hoheneckerinnen 25 Raymond Plache Dresdner Archive, Bibliotheken und Museen gründen Notfallverbund 26 Arnd Vollmer Zwischen Kirchenbüchern und Computergenealogie – Das Referat Deutsche Zentralstelle für Genealogie / Sonderbestände im Staatsarchiv Leipzig 27 Thekla Kluttig Rezensionen: Susanne Baudisch / Markus Cottin (Bearb.), Urkunden der Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen 1196–1234 28 Eckhart Leisering Tom Graber (Bearb.), Die Papsturkunden des Hauptstaatsarchivs Dresden, Bd. 1 30 Eckhart Leisering Andreas Vogel (Hrsg.), Digitalisierungsfibel. Leitfaden für audiovisuelle Archive 31 Stefan Gööck Peter Rückert / Erwin Frauenknecht (Hrsg.), Wasserzeichen und Filigranologie 31 Barbara Kunze Katrin Wenzel / Jan Jäckel (Hrsg.), Retrokonversion, Austauschformate und Archivgutdigitalisierung 32 Christiane Helmert Landesprojekt Langzeitspeicherung und elektronische Archivierung (LeA) kurz vor Abschluss

Die Verwaltung arbeitet zunehmend elek­ sche Archivierung“) ins Leben gerufen (siehe künftig beim Staatsbetrieb Sächsische Infor- tronisch: Sie tauscht E-Mails aus, führt e- Sächsisches Archivblatt Heft 1-2010, S. 5 f.). matik Dienste. Der Startschuss für die Auf- lektronische Akten, speichert Informationen Ziele des Projekts sind der Aufbau und der taktveranstaltung fiel am 13. Januar in Anwe- in Datenbanken. Dadurch wird für den Bürger, Betrieb eines landesweit einheitlichen Systems senheit des Sächsischen Staatsministers der der diese Daten zunehmend auch im Internet zur Langzeitspeicherung und elektronischen Justiz und für Europa, Herrn Dr. Martens, und abrufen kann, vieles leichter, und die Verwal- Archivierung. Die Verwaltung wird hierdurch des Chief Information Officers (CIO) des Frei- tung arbeitet schneller und effizienter. Die in die Lage versetzt werden, auch elektroni- staates Sachsen, Herrn Dr. Wilfried Bernhardt. Daten werden gespeichert, so lange sie stän- sche Unterlagen rechtssicher aufzubewahren dig benötigt werden. Aber was passiert dann? und nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist an Bereits Ende des Jahres können elektronische das Sächsische Staatsarchiv auszusondern. Akten, die nicht mehr ständig benötigt wer- Die funktionelle Ausgestaltung der elekt­ Das Sächsische Staatsarchiv wird die archiv- den, in das System zur Langzeitspeicherung ronischen Bearbeitung und Aktenführung ist würdigen Unterlagen dauerhaft elektronisch eingestellt und Daten der sächsischen Ver- nicht zu trennen vom Problem der Langzeit- vorhalten. Die hierzu erstellten Fachkonzepte waltung, die bleibenden Wert besitzen, im speicherung und elektronischen Archivierung. können im Internet abgerufen werden (siehe elektronischen Staatsarchiv archiviert wer- Nur durch die revisionssichere Aufbewahrung http://www.archiv.sachsen.de/6265.htm). den. Damit ist sichergestellt, dass auch künf- elektronischer Unterlagen kann die Vollstän- tige Generationen sich ihr eigenes Bild von digkeit und Rechtskonformität mit wirtschaft- Im letzten Jahr wurde das Vergabeverfahren ihrer (elektronischen) Vergangenheit machen lich vertretbarem Aufwand gewährleistet zur Beschaffung des elektronischen Staats- können. werden. archivs erfolgreich abgeschlossen. Die tech- nische Lösung haben die Firma T-Systems In- Um den elektronischen Gedächtnisverlust zu ternational GmbH, die Schweizer Firma scope verhindern, hat das Kabinett 2008 das Pro- solutions ag und die Firma H&T Greenline Burkhard Nolte jekt LeA („Langzeitspeicherung und elektroni- GmbH entwickelt. Betrieben wird die Technik (Zentrale Aufgaben / Grundsatz)

Die Direktorin des Sächsischen Staatsarchivs, Frau Dr. Wettmann, begrüßt den Sächsischen Staatsminister der Justiz und für Europa, Herrn Dr. Martens, und den CIO des Freistaates Sachsen, Herrn Dr. Bernhardt, zur Auftaktveranstaltung am 13. Januar (Foto Sylvia Reinhardt)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 1 Wertpapierdruck – Der Bestand Giesecke & Devrient AG im Staatsarchiv Leipzig

Am 1. Juni 1852 gründeten Hermann Giesecke ler damals möglichen graphischen Techniken Aufträge der 1874 entstandenen kartogra- (1831–1900) und Alphonse Devrient (1821– ausgeführt werden. So wurde die Abteilung phischen Abteilung kamen zum Großteil von 1878) in Leipzig das Typographische Institut Lithographie und Steindruckerei eingerichtet, verschiedenen Behörden. So entstanden in Giesecke & Devrient. Beide waren ausgebil- der die Kupfer- und Stahldruckerei, die Gra- Zusammenarbeit mit dem Königlich Sächsi- dete Buchdrucker und hatten ihre Kenntnisse vier- und die galvanische Anstalt folgten. Aus schen Generalstab und der Königlich Säch- bei verschiedenen Aufenthalten in Paris er- den Mieträumen in der Bosenstraße 1 (spätere sischen Geologischen Landesanstalt eine weitert. Von Anfang an galt bei der Firma ein Nürnberger Str. 10) zog man 1858 in ein ei- Geologische Spezialkarte 1 : 25.000 und eine hoher Qualitätsstandard. Schon bald erhielt genes Geschäftshaus in der Bosenstraße 1 b Geologische Übersichtskarte 1 : 250.000; es sie dafür die ersten Auszeichnungen, so 1854 (Nürnberger Str. 12). Im Dezember 1889 öff- folgten militärische Karten, aber auch Stadt- die Ehrenmedaille der Allgemeinen Deutschen nete die Firmenvertretung in , die von pläne und Wanderkarten. Industrieausstellung in München und 1855 wesentlicher Bedeutung für die Erlangung von Seit 1854 gab es auch einen firmeneigenen den ersten Preis von der Jury der Expositi- Banken- und Versicherungsaufträgen wurde. Verlag, der sich vorwiegend historisch-wis- on Universelle in Paris. Das anfängliche Ge- Neben Privatpersonen, Firmen und Künstlern senschaftlichen Veröffentlichungen widmete. schäftsfeld umfasste Buch- und Kunstdrucke zählten schon früh staatliche Stellen zu den Der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit von sowie Akzidenzdrucksachen. Mit Erweiterung Auftraggebern. So wurden 1864 Passfor- Giesecke & Devrient lag aber beim Wertpa- der technischen Einrichtungen konnte dies mulare für Sachsen und seit 1899 Lose für pierdruck. Schon kurz nach der Firmengrün- schon bald ausgedehnt und ein Großteil al- die Sächsische Landeslotterie gedruckt. Die dung wurden Banknoten hergestellt, u. a.

Porträtmarken der Verlagsbuchhandlung R. O. Seemann in Friedenau, um 1900 (Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, 21061 Giesecke & Devrient AG, Nr. 656)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 2 für die Leipziger Bank, die Danziger Privat- jährigen Feier der Entdeckung Amerikas“ von Actien-Bank und das Herzogtum Sachsen- 1892 und von Paul Seidel „Friedrich der Große Altenburg. In den 1920er Jahren übernahm und die bildende Kunst“ von 1912. Giesecke & Devrient einen Teil des Druckes Unter den Druckmustern haben die Wertpa- der Reichsbanknoten. Da jedoch am Ende des piere den größten Anteil. Fast zu allen Bank- 19. Jahrhunderts die deutschen Privatbanken notenaufträgen sind Druckmuster vorhanden. in der Nutzung ihres Notenprivilegs durch ge- Ebenso existiert eine vollständige Mappe der setzliche Bestimmungen stark eingeschränkt ausgegebenen Eintrittskarten, Ausweise und worden waren, begann die Firma bereits in Abzeichen bei den XI. Olympischen Spielen dieser Zeit das Exportgeschäft zu intensivie- 1936 in Berlin sowie eine Sammlung von Pa- ren. In der Folge erhielt sie bis 1943 zahlreiche piermustern mit Wasserzeichen als Grundlage Aufträge aus dem Ausland, darunter Brasili- für die Herstellung von Wertpapieren. Bei den en, Portugal, Luxemburg, dem Osmanischen Familienunterlagen befinden sich Geburts- Reich, Bulgarien, China und Spanien. Gleich- urkunden, Tauf- und Konfirmationsscheine. zeitig wurde durchgehend im firmeneigenen Umfangreich ist die Korrespondenz zwischen Labor an der Entwicklung neuer Verfahren – Hermann Giesecke und seinem Bruder Bruno unter anderem zur Steigerung der Sicherheit (1835–1905), der nach dem Tod von Alphonse gegen Fälschungen – gearbeitet. Durch die Devrient in die Geschäftsführung eintrat. In Heirat einer Nichte von Hermann Giesecke mit ihr gehen Privat- und Geschäftsangelegenhei- einem Neffen von Alphonse Devrient wurden Einladung des Gesangvereins Giesecke & Devrient ten ineinander über; sie zeugt auch von den die Gründer der Firma im Jahre 1891 auch (Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, 21061 Schwierigkeiten in der Führung eines Famili- verwandtschaftlich zusammengeführt. 1901 Giesecke & Devrient AG, Nr. 766) enunternehmens. wurde die offene Handelsgesellschaft in eine Die betriebsgeschichtliche Sammlung liefert Kommanditgesellschaft umgewandelt. Mit ein Bild von der Position der Firma in Wirt- dem 1. Oktober 1931 entstand die Giesecke jahre relativ geschlossen überliefert. Dass die schaft und Gesellschaft. Regelmäßige Be- & Devrient AG. Druckerei sich schnell etablieren konnte, sei triebsveranstaltungen sind ebenso dokumen- Bei dem Bombenangriff auf Leipzig vom 3. auf durch die Erwähnung einiger wichtiger Namen tiert wie die Besuche hochrangiger politischer den 4. Dezember 1943 wurden die Gebäude verdeutlicht. Zu den Auftraggebern dieser An- Personen wie Albert von Sachsen und Georg und technischen Anlagen der Firma zu 80 Pro- fangszeit gehörten der Schriftsteller Oswald von Sachsen oder Studienkommissionen aus zent zerstört. Dennoch hielt sie den Betrieb Marbach, der Historienmaler Hermann Stilke, China und Italien. aufrecht, indem sie einen Teil der Druckauf- der Lyriker und Übersetzer Adolf Böttger so- Die Ämter, die Ludwig Devrient neben der Lei- träge von anderen Druckereien ausführen ließ, wie wissenschaftliche Verlage wie Duncker & tung von Giesecke & Devrient bekleidete, sind überwiegend durch den graphischen Großbe- Humblot aus Berlin und Vandenhoeck & Rup- in entsprechender Korrespondenz gut doku- trieb Förster & Borries in , wohin auch recht aus Göttingen. mentiert. Er fungierte als Vorsitzender des ein Teil des Leipziger Personals versetzt wurde. In den Briefwechseln wird teilweise detailliert Schulausschusses der Meisterschule für das Ab 15. November 1945 stand die Firma unter die Ausführung von Druckaufträgen mit den Graphische Gewerbe zu Leipzig und Bezirks- Treuhandverwaltung der Stadt Leipzig. 1948 Auftraggebern oder deren Vertretern be- vorsitzender des Deutschen Buchdrucker-Ver- wurde sie enteignet und als VEB Deutsche sprochen. So ist der Entstehungsprozess der eins. Außerdem war er Aufsichtsratsmitglied Wertpapierdruckerei der Deutschen Noten- 100-Mark-Note der Bayerischen Notenbank und später Kommanditist der Firma Regel & bank in Berlin unterstellt. Im selben Jahr be- von 1922 sehr gut dokumentiert durch die Krug, Kunstanstalt und Verlag, da seine Frau gann Siegfried Otto (1914–1997), ein Schwie- Korrespondenz nicht nur mit der Direktion der Anneliese als geborene Krug zu den Erben von gersohn von Ludwig Devrient (1894–1948), in Bank, sondern auch mit dem Gestalter Otto Regel & Krug gehörte. Diese Firma ging 1936 München mit dem Neuaufbau von Giesecke Hupp. Als weiteres Beispiel soll der Druck der in Konkurs. Die vorangegangen Sanierungs- & Devrient. Geologischen Übersichtskarte des Königreichs versuche sind umfangreich in entsprechenden Mit 60 Metern Archivgut und einer Laufzeit Sachsen, entstanden unter der Leitung Her- Unterlagen dokumentiert. von 1785 bis 1948 wurden die Unterlagen mann Credners, erwähnt werden. 1944 pachtete Giesecke & Devrient die der Giesecke & Devrient AG im Jahr 1981 Ungefähr die Hälfte der Akten sind dem Be- Buchdruckerei G. Kreysing, deren Besitzerin aus dem VEB Wertpapierdruckerei der DDR reich Finanzen und Vermögen zuzuordnen, Elisabeth Fikentscher gleichzeitig Inhaberin Leipzig ins Staatsarchiv Leipzig übernommen. innerhalb dessen die Geschäftsbücher den des Verlages Dr. Fritz Fikentscher war. Akten Sie sind heute unter der Bestandssignatur Großteil ausmachen. Da die Buchhaltung je- dieser beiden Firmen sind mit im Bestand von 21061 aufgestellt. Die gleichzeitig entstan- den Geschäftsgang widerspiegelt, haben die- Giesecke & Devrient überliefert. dene, hauptsächlich einfache Verzeichnung se Unterlagen eine große Bedeutung für den konnte 2010/2011 mittels einer Spende der gesamten Bestand. So lassen sich in den Auf- Durch die weitreichenden und vielfältigen Giesecke & Devrient GmbH in München trags- und Kalkulationsbüchern oder bei den Verknüpfungen der Firmengeschichte ge- durch eine erweiterte Verzeichnung erheblich Rechnungen Nachweise zu Aufträgen finden, winnt der Bestand der Giesecke & Devrient AG verbessert werden. Im Mai 2011 wurde das die in der Korrespondenz nicht dokumentiert übergreifende Relevanz für die Dokumentati- entsprechend überarbeitete Findbuch fertig sind. Aus dem firmeneigenen Verlag befinden on des einst so bedeutenden Leipziger Buch- gestellt. Obwohl kriegsbedingt das überliefer- sich im Bestand u. a. Prachtausgaben von gewerbes. te Schriftgut nicht vollständig ist, vermittelt Konrad Kretschmer „Die Entdeckung Ameri- es doch einen guten Einblick in die Unterneh- kas in ihrer Bedeutung für die Geschichte des menstätigkeit. Die Geschäftskorrespondenz Weltbildes. Atlas der Festschrift der Gesell- Maren Worrich ist allerdings nur für die ersten drei Firmen- schaft für Erdkunde zu Berlin zur vierhundert- (Staatsarchiv Leipzig)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 3 Ein verheißungsvoller Beginn? – Kulturbund und Film in Sachsen nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Geschichte des Kulturbundes kann mitt- ment und Fachverstand man benötigte. Die beteiligt“ (Sächsisches Staatsarchiv, Haupt- lerweile als leidlich gut erforscht gelten. Kaum Leitung des Unternehmens sollte ebenso wie staatsarchiv Dresden, 11377 Landesregierung vertiefend behandelt wurde hingegen der Be- die Erstellung des Produktionsprogramms und Sachsen, Ministerium des Innern, Nr. 242). reich Film – sieht man von der Filmklubbewe- die künstlerische Durchführung in die Hän- Nach diesem engagierten Beginn wurde es gung ab –, obwohl teilweise bereits 1945 Ar- de der AG „Film“ des Kulturbundes Sachsen ausgesprochen ruhig um die Landesarbeits- beitsgemeinschaften auf Landes- und später gelegt werden. Die Planungen gingen sogar gemeinschaft „Film“. Zwar fanden weitere Be- auf örtlicher Ebene eingerichtet wurden. 1947 so weit, dass Günter Sauer mit der Erstellung sprechungen zwischen den Befürwortern der erfolgte auf zentraler Ebene gar die Gründung von Exposés für zwei geplante Spielfilme be- Produktionsgesellschaft und dem Filmdezer- der Kommission „Film“. Die Vernachlässigung auftragt wurde. Auch Vorschläge für die Be- nat statt, die u. a. die vorwiegend finanziellen der Filmsparte mag zum einen dem Fokus der setzung der Leitungspositionen unterbreitete Interessen der Initiatoren zu Tage förderten. Forschung auf strukturell-organisatorische die AG, darunter der ehemalige Mitarbeiter der Gleichwohl zeichnete sich rasch ab, dass die Aspekte des Zirkels geschuldet sein und trifft „Boehner“-Film und spätere Filmdezernent der Landesverwaltung den Plänen kritisch ge- somit auch auf andere Arbeitskreise zu. Zum Landesverwaltung Alfred Förster. genüberstand, da Filmdezernent Förster mit anderen assoziiert man mit dem zur Umerzie- Mit dem vorläufigen Arbeitsprogramm im Ge- seinem einstigen Arbeitgeber eigene Ziele ver- hung der Intelligenz gegründeten Kulturbund päck suchte von Hanstein am 5. Oktober 1945 folgte. Vor allem jedoch wurden die Planungen vorrangig die Beschäftigung mit Themenfel- den Präsidenten der Landesverwaltung Rudolf von der sowjetischen Besatzungsmacht aus- dern der Hochkultur und der Wissenschaft Friedrichs auf und schlug vor, eine Filmgesell- gebremst, die an einer Konkurrenz zu der nur und weniger mit dem populären Medium Film. schaft mit dem Namen „Saxonia“ zu grün- wenig später gegründeten DEFA kein Interesse Um diese Forschungslücke schrittweise zu fül- den. Die erforderliche technische Infrastruk- hatte. Vor diesem Hintergrund ist es nicht ver- len, soll nachfolgend an Hand ausgewählter tur hierfür sei, so erklärte von Hanstein, bei wunderlich, dass auch die „Boehner“-Film kei- Beispiele ein erster Einblick in die Aktivitäten der „Boehner“-Film vorhanden. Als Leiter der ne eigene Produktionslizenz erhielt, sondern sächsischer „Film“-Arbeitsgemeinschaften der Filmgesellschaft brachte er den Dramaturgen ab 1946 als Filialbetrieb der DEFA firmierte. ersten Nachkriegsjahre gegeben werden. Sauer ins Gespräch, zu dieser Zeit Direktor des Während also in Folge der Korrosion vorge- Knapp einen Monat vor Gründung des Lan- Freiberger Theaters. Überdies empfahl von nannter Ambitionen eine weitere Tätigkeit der desverbandes Sachsen des „Kulturbundes zur Hanstein, den Kulturbund, vertreten durch Landes-AG „Film“ für die Zeit der Sowjetischen demokratischen Erneuerung Deutschlands“ seine Person, in die Produktion einzuschal- Besatzungszone nicht mehr nachzuweisen ist, am 23. September 1945 fand in Freiberg die ten, was durch Berufung in den Aufsichtsrat konstituierten sich in verschiedenen sächsi- erste Sitzung der Arbeitsgemeinschaft (AG) der Gesellschaft erfolgen könne. Glaubt man schen Ortsgruppen entsprechende Arbeits­ „Film“ statt. Ihr gehörten der Dramaturg Gün- dem sächsischen Kulturbundchef war die gemeinschaften. Hierzu zählten die AG „Foto ther Sauer, der Kameramann Herbert Eckert, Gründung einer Filmgesellschaft unter staat- und Film“ der Ortsgruppe Chemnitz ebenso der Architekt Alfred Becker sowie Hellmut licher Ägide auch Anliegen des 1. Vizepräsi- wie die Arbeitsgruppe „Theater und Film“ der Schneider an. Im Mittelpunkt der Sitzung denten der Landesverwaltung Kurt Fischer. So im November 1945 gegründeten Ortsgruppe standen künstlerische und organisatorische heißt es in einem Schreiben von Hansteins an Görlitz. Vergleichsweise spät, im März 1947, Fragen einer sofort in Angriff zu nehmenden Friedrichs: „Bezüglich der Filmsache teile ich wurde bei der Ortsgruppe Dresden ein ent- sächsischen Filmproduktion. Hierzu erstellten höflichst mit, dass Herr Vizepräsident Fischer sprechender Arbeitskreis errichtet, dem Film- die Mitglieder ein Arbeitsprogramm, das man vorgeschlagen hat, eine Gesellschaft zu grün- dezernent Förster vorstand. dem designierten Landesleiter, Wolfram von den, an welcher der Staat sich maßgeblich mit Zum Tätigkeitskanon der Arbeitsgemeinschaf- Hanstein, persönlich überreichte. In dem vor- ten gehörten regelmäßige öffentliche Film- läufigen Programm definierte die AG den Film veranstaltungen, die mit der propagierten als eines der wichtigsten Erziehungsmittel des „Popularisierung des fortschrittlichen Film- Volkes, dessen zweckentsprechender Einsatz schaffens“ korrespondierten. Entsprechend allerdings „einer klaren Formulierung der ge- kamen Spielfilme sowjetischer und DEFA- planten Ziele in der Filmarbeit, der Verschie- Provenienz, später auch so genannte volks- bung des Hauptakzents vom ökonomischen demokratische Produktionen zur Vorführung. auf den politisch-erzieherischen Sektor und Die AG „Film“ der Ortsgruppe Dresden präsen- einer Reorganisation des gesamten techni- tierte zudem Folgen der DEFA-Wochenschau schen und künstlerischen Apparates“ bedürfe „Der Augenzeuge“. Ziel dieser Veranstaltungen (Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv war nicht nur die Heranführung des Publikums Dresden, 11853 KPD-Bezirksleitung Sachsen an die Filme, sondern zugleich die Auseinan- und Kreisleitungen, Nr. I/A/046). dersetzung mit ihnen. Der Zuschauer, so die Vorrangiges Anliegen der AG war jedoch der Werbekarte der AG „Film“ des Kulturbundes Sachsen Idealvorstellung, sollte nicht mehr nur der rei- Aufbau einer eigenen Filmgesellschaft mit der für die Vorführung ausgewählter Berichte der DEFA- nen Unterhaltung wegen ein Kino besuchen, Bezeichnung „Sachsenfilm“. Hierfür wurde die Wochenschau „Der Augenzeuge“ am 2. Juli 1947 sondern in der Ventilierung mit dem „sozia- (Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dres- Übereignung der Dresdner Filmgesellschaft den, 11401 Landesregierung Sachsen, Ministerium für listischen Filmschaffen“ (um)erzogen werden. „Boehner“ gefordert, deren technisches Equip- Volksbildung, Nr. 2660) Wie das Beispiel der Ortsgruppe Chemnitz

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 4 zeigt, waren die seit 1947 durchgeführten monatlichen Filmvorführungen zu Beginn stark besucht, doch hielt sich die Beteiligung an den Diskussionen sehr in Grenzen. Als Gründe gaben die Besucher an, zum einen noch zu sehr vom Film gefangen zu sein, zum anderen Hemmungen zu haben, in der Öffent- lichkeit ihre Meinung zu äußern. Dies schien sich im Folgejahr zu wandeln. So beteiligten sich an der im Januar 1948 veranstalteten Diskussion zum sowjetischen Film „Unter fremden Menschen“ (1939) zwei Drittel der knapp 200 Besucher, während im Jahr zuvor stets zwei Drittel den Kinosaal sofort nach Beendigung des Films verlassen hatten. Die Frage, ob der Film persönlich gefallen habe, beantworteten allerdings nur 20 % des Pub- likums positiv. Auch die im Oktober 1948 im Chemnitzer „Metropoltheater“ veranstaltete Vorführung des DEFA-Films „1-2-3 Corona“ (1948), der 295 Besucher, davon 193 Nicht- mitglieder, gefolgt waren, wies eine höhere Diskussionsbereitschaft auf. Skepsis ist al- lerdings angebracht, wenn der zugehörige Bericht ausführt, dass die anwesenden Ju- gendlichen dem Film vorwarfen, eine falsche Romantik statt des Weges zur produktiven Arbeit zu zeigen. Andererseits dokumentie- ren die Chemnitzer Filmrapporte auch, dass Teilnehmer, größtenteils Nichtmitglieder, offen Kritik übten. Im Rahmen der Diskussion zum Film „Die russische Frage“ (1948) bspw. wies ein Besucher darauf hin, dass es auch eine deutsche Frage gäbe und dass diese deutsche Frage Zonengrenzen und Oder-Neiße-Linie heiße. Diese Frage, so der Diskutant weiter, müsse ebenfalls geklärt werden, denn den Deutschen stehe die deutsche Frage näher als jede russische. Der Veranstaltungsbericht versäumte nicht, darauf hinzuweisen, dass der Sitzungsprotokoll der AG „Film“ des Kulturbundes Sachsen am 3. November 1947 (Sächsisches Staatsarchiv, Haupt- staatsarchiv Dresden, 11401 Landesregierung Sachsen, Ministerium für Volksbildung, Nr. 2660) Redner hierfür den Beifall fast des gesamten Hauses erntete. Entsprechend ernüchtert re- sümierte die AG: „Bei diesen Filmdiskussionen einen Teil über unser Sekretariat den Mitglie- rend wurden russische Kurzfilme gezeigt. zeigen sich besondere Schwächen in unserer dern des Kulturbundes, um zu erreichen, dass Die wenigen Beispiele mögen für die Nach- Arbeit; da der Besucherkreis hauptsächlich Kulturschaffende und Werktätige aus den Be- kriegszeit verdeutlichen, dass es an filmi- dem Zufall überlassen ist, treten hier oftmals trieben zu diesen Filmdiskussionen erscheinen schen Initiativen innerhalb des sächsischen konservative, sogar reaktionäre Tendenzen und zu den Filmen sprechen.“ (SAPMO, DY 27 Kulturbundes nicht gefehlt hat. Allerdings zu Tage. 12 Jahre süßlicher Operetten- und Kulturbund der DDR, Nr. 481) standen den Plänen für den zeitweise inten- Unterhaltungszauber tragen heute noch ihre In diesem Kontext ist auch das zunehmend siv betriebenen Aufbau einer eigenständigen Früchte; besonders der russische Film ist der stärker forcierte Instrument des organisier- Filmproduktionsgesellschaft kulturpolitische Kritik ausgesetzt.“ (Stiftung Archiv der Par- ten Filmbesuchs zu sehen, gestattete es doch und wirtschaftliche Gründe entgegen. Wie teien und Massenorganisationen der DDR im Vorführungen vor einem interessierten Pub- exemplarisch dargelegt wurde, erfreuten sich Bundesarchiv (SAPMO), DY 27 Kulturbund der likum, wenngleich diese in der Regel schlecht die als Filmdiskussionen offerierten Veranstal- DDR, Nr. 481) Da jedoch die Verantwortlichen besucht waren. So klinkte sich die Ortsgruppe tungen zu Beginn durchaus einer gewissen nicht gewillt waren, sich mit der durchaus Dresden in die anlässlich des 30. Jahrestages Beliebtheit. Da jedoch Filmkritik zunehmend berechtigten Kritik tatsächlich auseinander- der Oktoberrevolution stattfindenden Wo- mit Systemkritik gleichgesetzt wurde, war die zusetzen, mündete die Lösung zwangsläufig chen des sowjetischen Films im Herbst 1947 Entwicklung der Filmvorführungen des Kul- in die Reduzierung des Zuschauerkreises auf mit einer sonntäglichen Matineevorführung turbundes zu regimekonformen Vorstellungen ein vermeintlich weltanschaulich gefestigtes in der Dresdner „Schauburg“ ein. Zentrales vorprogrammiert. Publikum: „Wir haben vor, in Zukunft die Kar- Programmelement war ein Referat des russi- ten für diese Filmdiskussionen über den FDGB schen Kulturoffiziers Alexej Kotschetow über Mona Harring direkt den Betrieben zugängig zu machen und das Filmwesen in der Sowjetunion. Flankie- (Hauptstaatsarchiv Dresden)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 5 Von Lappland nach Sachsen – Der Filmnachlass von Erich Wustmann im Hauptstaatsarchiv Dresden

Fritz Erich Wustmann wurde am 9. Novem- sänge der Samen) wurde im Phonogramm- Buch, in dem er seine Filmarbeit intensiv be- ber 1907 in Niedersedlitz bei Dresden ge- Archiv Berlin auf Wachswalzen dokumentiert. schrieb. boren. 1908 zog seine Familie von Dresden Mit dem Geleisteten legte er den Grundstein nach Bad Schandau-Ostrau. Im Alter von seiner späteren Arbeiten. Den Abschluss der norwegischen Schaffens­ 20 Jahren unternahm er eine neunmonatige periode bildete 1938 der fast halbstündige Reise entlang der norwegischen Küste und Doch wie kam der Film zum „multimedial“ Dokumentarfilm „Tollkühne Fähringer“ über lernte in Lappland die Kultur der samischen veranlagten Wustmann? Er erwarb beim Dis- die Zeit, in der er mit Frau und Kind Synnöve Bevölkerung kennen. Nach der Trauung mit triktvorsteher eine Normalfilmkamera und be- auf den Färöer-Inseln weilte (vgl. Ralf Forster/ Hildegard, geb. Fischer, verließ Wustmann reits 1935 entstand das erste längere, thema- Volker Petzold, Im Schatten der DEFA. Private Deutschland gen Lappland, erlernte die sa- tisch abgegrenzte kinematographische Werk: Filmproduzenten in der DDR, Konstanz 2010. mische Sprache, sammelte Lieder, filmte das „Zehntausend Boote auf Fang“, in den Lofoten, S. 251 ff.). Nach Ausbruch des Zweiten Welt- Leben der Samen und publizierte darüber. Die gedreht auf 35 mm mit einer Spieldauer von krieges schob Norwegen die Wustmanns nach Beherrschung des Norwegischen ermöglich- 13 Minuten als ein für Norwegen fabrizierter Deutschland ab. Während des Krieges wurde te es ihm, in Norwegen und Deutschland als Dokumentarfilm. Dem folgten der mit spek- Erich anfänglich zur kulturellen Truppenbe- freiberuflicher Journalist zu arbeiten. Für das takulären Aufnahmen bestückte Kulturfilm treuung („Deutsches Volksbildungswerk – Völkerkunde-Museum in Mannheim erwarb er „Wunder ewigen Eises“ über den Jostedals- Truppenbetreuung“) eingesetzt, später Soldat eine Sammlung ethnografischer Gegenstände. breen, den größten europäischen Festland- und geriet schließlich in amerikanische Kriegs- Seine umfangreiche Joiken-Sammlung (Ge- und Plateaugletscher und das gleichnamige gefangenschaft.

Filmtafel aus dem Nachlass Wustmanns (Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, 13831 Nachlass Erich Wustmann)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 6 Schwietzer, Stephanie Patzschke und Martin Kühn, brachen am 20. Oktober 2011 nach Bad Schandau auf. Die Azubis absolvierten in die- ser Zeit ein dreiwöchiges Praktikum im Archiv- zentrum Hubertusburg in Wermsdorf. Vor Ort wurde das angebotene Material im hauseige- nen „Archiv“ gesichtet, das Film- und Schrift- gut voneinander separiert in Archiv­kisten verpackt und verladen. Übernommen wurden alle auf der Anbietungsliste aufgeführten Filmrollen in den vorhandenen Formaten und Fassungen sowie weiteres Material.

Nach der Überführung ins Archivzentrum erfolgte durch die Auszubildenden eine Ersterfassung in Tabellenform. Aufgenom- men wurden – vorlagengetreu – der Titel, das Filmformat und auf der Filmdose vorhandene Einträge. Weiterhin wurden fortlaufende Titel- und Stücknummern vergeben, die Dosen eti- kettiert und, sofern nötig, neu verpackt. Dabei wurde ersichtlich, dass zu einzelnen Titeln je- weils mehrere physische Einheiten vorhanden Die drei Autoren, Auszubildende als Fachangestellte für Medien und Informationsdienste im Sächsischen Staats- sind. Darüber hinaus sind auch Filmfragmente archiv Carmen Schwietzer, Martin Kühn, Stephanie Patzschke (v. l. n. r.) (Foto Stefan Gööck) überliefert.

Der Bestand 13831 Personennachlass Erich Nach seiner Rückkehr arbeitete Wustmann 16-Teiler „Unter Indianern, Lappen und Be- Wustmann (D) umfasst kinematografisches als freischaffender Autor und wurde 1949 duinen“ mit Wustmanns Moderation. Bereits Material und Schriftgut. Die Filme doku- Mitarbeiter beim Kieler „Archiv für Polarfor- ein Jahr später machte sich bei ihm eine zu- mentieren sowohl Wustmanns Schaffen in schung“. Es vollzog sich ein Wechsel seines nehmende Aphasie (Wortfindungsstörung) Norwegen als auch seine Expeditionen nach Betätigungsfeldes: Er bereiste Brasilien, Peru, als Folge einer Gehirnembolie bemerkbar, Südamerika. Die Filme sind stumm, da Erich Bolivien, Kolumbien und Ecuador. Das Kern- die ihn zu einem zurückgezogenen Leben in Wustmann erläuternde Texte „live“ während interesse lag hierbei auf der Erforschung der Bad Schandau-Ostrau, zwang (vgl. Altner, der Vorführungen dazu gesprochen hat. Lebensweise verschiedenster Indianerstämme Manfred: Wustmann, Erich, in: Sächsische Insgesamt 26 Titel sind auf 107 Einzelrollen (insgesamt 36). Seine Forschungsreisen riefen Biografie, www.isgv.de/saebi, aufgerufen am überliefert. Hauptsächlich handelt es sich ihn in die Libysche Wüste, auf die Kanarischen 28.10.2011). Erich Wustmann verstarb am um 16 mm- und 35 mm-Schwarz-weiß- und Inseln, nach Ägypten, erneut nach Norwegen 24. Oktober 1994 fast 87-jährig in seinem Farbmaterial. Außerdem waren zwei Filme und Lappland. Wieder arbeitete er beobach- Haus in Bad Schandau. auf DVD vorhanden. Vorhandenes Schriftgut tend, vergleichend und schreibend. – dabei handelt es sich überwiegend um Pro- Durch wissenschaftliche Recherchen und Hin- grammhefte, Filmmanuskripte und inhaltliche Reiseberichte folgten in zahlreichen Film- weise von Volker Petzold und Ralf Forster zu Erläuterungen, die von Wustmann in Verbin- vorträgen, Lichtbildern, Tonaufnahmen und privaten Filmproduzenten der DDR wurde das dung mit Filmvorführungen erarbeitet und Büchern – summa summarum 105 Titel in Staatsarchiv auf den bei Wustmanns Tochter, verwendet wurden – wurde für die weitere 23 Verlagen mit ca. 2.260.000 Exempla- Frau Synnöve Wustmann nach wie vor in Bad Bearbeitung in zweifacher Ausführung umko- ren – die in breiten Bevölkerungskreisen, die Schandau lagernden Nachlass aufmerksam. piert. Nach Abschluss der Sicherung steht der abenteuerlichen Werke besonders aber bei Nach einer groben Erfassung und dem Ab- Bestand zur Nutzung zur Verfügung. Jugendlichen, ihre Anerkennung fanden. Als schluss eines Depositalvertrages erfolgte im Beispiele sollen genannt sein: „Paradies der Oktober 2011 die Übergabe des Nachlasses. Vögel“, „Crao, Indianer der roten Berge“ „Land ohne Weiße“ (Farbfilm), „Indianerkinder vom Nils Brübach, Referatsleiter im Hauptstaats- Xingú“, „Yahuá – Die Blasrohr-Indianer“ oder archiv Dresden, Stefan Gööck vom Sachgebiet Carmen Schwietzer / „Yucos, Zwergindianer in Kolumbien“. 1984 audiovisuelle Medien sowie die drei Auszu- Stephanie Patzschke / Martin Kühn erschien im DDR-Fernsehen der populäre bildenden des Staatsarchivs Leipzig, Carmen (Staatsarchiv Leipzig)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 7 „Eine Kiste Sonnenschein hab ich froh erbrochen“ (Ringelnatz) – Nachlass des Generaldirektors der Schocken AG im Staatsarchiv Chemnitz

Mit dem Bestand 33309 Nachlass Georg Manasse sind im Staatsarchiv Chemnitz Un- terlagen einer bedeutenden Persönlichkeit archiviert, die nicht nur an exponierter Stel- le eines namhaften Unternehmens, sondern auch politisch und gesamtgesellschaftlich Bedeutendes geleistet hat. Insoweit verwun- dert es nicht, dass Georg Manasse selbstver- ständlich auch Kontakte und Freundschaften zu anderen bedeutenden Persönlichkeiten sei- ner Zeit unterhielt, unter anderem zu Dr. Leo Baeck, Max Seydewitz und Renée Sintenis. Unter verschiedenen Zeugnissen dieser Kontakte findet sich im Nachlass auch eine Bildpostkarte mit einem Gedicht, das der Schriftsteller, Kabarettist und Maler Joachim Bildpostkarte von Joachim Ringelnatz (Foto Ignaz Foto von Georg Manasse, 1940er Jahre (Privatbesitz Ringelnatz (1883–1934) im August 1933 sei- Gidal; Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Chemnitz, von Renata Manasse Schwebel, USA) nem „Freund Manasse“ widmete. „Auf Wo- 33309 Nachlass Georg Manasse, Nr. 90) chen“ hätte er „Gastwirt lieben Freunden sein“ dürfen. Mit diesen Worten spielte der im Oktober 2008 ein erster Teil des Nachlasses Mendelsohn, die anlässlich der Eröffnung bereits schwer Erkrankte wahrscheinlich auf übergeben. Im Juli 2009 überreichten die Cou- weiterer Niederlassungen – u. a. in Crimmit- einen Besuch der Eheleute Manasse anläss- sinen einen weiteren Teil vor Ort. Dazu gehörte schau, Waldenburg/Schlesien und Chemnitz – lich seines 50. Geburtstages in Berlin und die ein Buch von Renata Manasse Schwebel über gehalten wurden. Ein Teil des Schriftguts freudige Erinnerung daran an. ihre Familie, das sie verfasst und im Eigen- entstand in den 1950er und frühen 1960er Teile des Nachlasses von Georg Manasse verlag herausgegeben hatte. Im März 2011 Jahren im Rahmen der Restitutionsverfahren (1893–1980), des langjährigen Generaldirek- wurden dann schließlich die vorläufig letzten des Nachlassers. In den Folgejahren begann tors der Schocken Aktiengesellschaft in Zwi- Unterlagen übernommen. Das Staatsarchiv Manasse, seine ins Exil geretteten Unterlagen ckau, die sich seit einigen Jahren im Besitz des hat vor allem geschäftliche Dokumente und in Sammelmappen zusammenzufassen. Damit Staatsarchivs Chemnitz befinden, sind im letz- Schriftstücke aus dem Nachlass erhalten. Ein bereitete er eine großangelegte Autobiografie ten Jahr erschlossen worden. Ein detailliertes restlicher Teil – vor allem private Schriftstücke sowie ein Buch über Wirtschaftsfragen vor. Findbuch bietet Einblick in die Unterlagen, die und Fotografien – befindet sich weiterhin im Aus diesem Grund ergänzte er die Mappen von beachtenswerter regional- und firmenge- Besitz von Manasses Tochter. mit zahlreichen Notizen. Eine systematische schichtlicher Bedeutung sind. Der Bestand hat Als der frühere Generaldirektor der Schocken Ordnung der Unterlagen – z. B. nach einer einen Umfang von 0,60 Metern und ist unter AG im Juli 1935 ins Exil ging, nahm er in Gliederung – konnte jedoch nicht festgestellt anderem eine wertvolle Ergänzung zur Über- größerem Umfang Schriftgut mit, das aus werden. Die Arbeiten an beiden Projekten blie- lieferung des „Schocken-Konzerns & Nachfol- dem Zwickauer Warenhauskonzern stamm- ben unvollendet, vermutlich weil sich sein Ge- ger“, die im Staatsarchiv Chemnitz unter der te. Überlieferte Geschäftsberichte, Bilanzen, sundheitszustand in den letzten Lebensjahren Bestandssignatur 31451 archiviert ist. Statistiken und Fotografien zeugen davon. zunehmend verschlechterte. Die Unterlagen waren dem Staatsarchiv von Einige Unterlagen entstanden zudem im Die im Nachlass vorhandenen persönlichen Renata Manasse Schwebel (USA), der Tochter Kaufhaus Manasse in Mühlhausen (Thürin- Dokumente der Familie Manasse vermitteln von Georg Manasse, in mehreren Teillieferun- gen), das sich im Besitz von Georg Manasse einen Einblick in die Lage der deutschen Juden gen in den Jahren 2008 bis 2011 als Schenkung befand. Zum Nachlass gehören ferner Teile nach der nationalsozialistischen Machtergrei- übergeben worden. Dem war eine Initiative der privat bzw. geschäftlich geführten Kor- fung in Deutschland. Sie zeigen aber auch das von ihr und Eva Weil Freudenheim (Uruguay), respondenz und ein sicher einmaliges Ver- oftmals beschwerliche Leben im Exil. Alles in einer Nichte von Georg Manasse, vorausge- zeichnis seiner Privatbibliothek, das auf eine allem bietet der Nachlass, auch wenn er nicht gangen. Die Cousinen hatten sich im Frühjahr gesonderte Auswertung wartet. Da Manasse vollständig ist, einen umfangreichen Überblick 2006 an Dr. Annegret Wenz-Haubfleisch, die ein stetiger Sammler von Materialien zum zum Leben und Wirken von Georg Manasse. damalige Leiterin des Staatsarchivs Chemnitz, Weltgeschehen war, gehören auch solche Insbesondere seine vielfältigen Kontakte zu gewandt und auf die Bedeutung des Nach- Unterlagen zum Nachlass. Auch einige Do- Personen der Kultur- und Zeitgeschichte sind lasses hingewiesen. Bereits bei einem ersten kumente zum Leben der Brüder Julius, Simon von großem Interesse für die biografische Gespräch in Chemnitz boten die Nachlassver- und Salman Schocken gehören zum Nachlass. Forschung. walterinnen die Materialien dem Staatsarchiv Der Bestand enthält weiterhin Reden und An- als Schenkung an. Nach Klärung der damit sprachen von Georg Manasse, Salman und Jürgen Nitsche verbundenen Fragen wurde dem Staatsarchiv Simon Schocken sowie des Architekten Erich (Staatsarchiv Chemnitz)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 8 Nachlass der Familie Neefe – Eine familiengeschichtliche Kostbarkeit im Staatsarchiv Chemnitz

Im Staatsarchiv Chemnitz befindet sich als Be- lagen sowie die Unterlagen zur Verwaltung bungsunterlagen bieten tiefe Einblicke in die stand 33175 Familienstiftung Neefe der Nach- der Stiftung und der Vergabe der Stipendi- Familien der Bewerber. Familienverhältnisse lass dieser Familie, die über lange Zeit eine be- en enthält. Wir finden dort Abschriften von und Schicksalsschläge werden in den Be- deutende Rolle in der Stadt Chemnitz spielte. Stiftungsurkunden, verschiedene Übersichten, werbungsschreiben teilweise ausführlich ge- Die Vertreter der Familie Neefe bestimmten Leichenpredigten, Testamente, persönliche schildert. Für das jeweilige historische Umfeld über fast 300 Jahre als Ratsmitglieder und Briefe sowie verschiedenste Dokumente und liefern sie interessante Illustrationen. Bürgermeister die Geschicke der Stadt Chem- Notizen. nitz mit. Zeitweise saßen drei ihrer Mitglieder Die Bewerbungsunterlagen der künftigen im Rat der Stadt. Als Zeitgenossen des Chem- Der Bestand der Familie Neefe enthält haupt- Stipendiaten sind auch für den Familienfor- nitzer Bürgermeisters Georgius Agricola erleb- sächlich Notizen und Schriftverkehr der Kol- scher eine reichhaltige Quelle. Oft enthalten ten sie die Reformation mit, sie bemühten sich latoren der Stiftung. Die Überlieferungen der sie Stammtafeln zum Nachweis der Abstam- im 30jährigen Krieg Schaden von der Stadt einzelnen Kollatoren sind so verschieden wie mung aus der Familie Neefe. Abschriften und ihren Bürgern abzuwenden und suchten deren Persönlichkeiten und Berufe. Einige von Tauf-, Trau- und Sterbeeinträgen aus die Auswirkungen des Seuchenzuges der Pest von ihnen nummerierten jedes Schriftstück, Kirchenbüchern finden sich häufig als Ergän- 1680 in Chemnitz zu begrenzen. fügten den Akten jeden Jahres noch ein In- zung. Dazu kommen noch Reifezeugnisse, haltsverzeichnis hinzu und ließen sie binden. Armutszeugnisse und andere Dokumente, die Der bedeutendste Vertreter der Familie war Andere legten ihre Unterlagen nur in eine Informationen zur Biographie des Bewerbers Dr. med. Johann Neefe (1499–1574). Er war Mappe – teilweise ungeordnet. liefern. Über die lange Zeit, in denen Neefe- wie sein Bruder Dr. Caspar Neefe kurfürstli- sche Stipendien vergeben wurden, können – cher Leibarzt und betreute als solcher mehrere Die Akten der Kollatoren der Neefeschen leider nicht lückenlos – die Bewerber und die sächsische Kurfürsten. Mit seinem ärztlichen Stiftung sind in mehrfacher Hinsicht eine Vergabe der Neefeschen Stipendien nachvoll- Rat half er auch Kaiser Ferdinand I. und war Fundgrube für die Forschung. Die Bewer- zogen werden. ihm zugleich ein geschätzter Gesprächspart- ner, Berater und Freund. Der Kaiser bedankte Auch im Hinblick auf das Verfahren der Ver­ sich für die Hilfe Dr. Johann Neefes mit einem gabe der Stipendien, der Auswahl der Bewerber, Adelsbrief. Am 20. Mai 1559 erhob er ihn und die Rolle des Ministeriums sowie des Rates seine Brüder auf dem Reichstag in Augsburg der Stadt Chemnitz können aus dem Bestand in den erblichen Adelsstand. Erkenntnisse gewonnen werden.

Dr. Johann Neefe war selbst kinderlos und Als interessante Randnotiz ist zu bemerken, gründete aus seinem Vermögen am 18. No- dass die Unterlagen an den verschiedensten vember 1560 eine Stiftung zur Unterstüt- Stellen „Familienhistörchen“ enthalten und zung von Studenten aus der Familie an den Auseinandersetzungen zwischen den Fami- Universitäten Leipzig und . Gab es „keine lienmitgliedern sichtbar werden, die bis zum Mitglieder der Familie Neefe, die zum studie- Streit über die Ernennung des neuen Kollators ren tüchtig“, sollten gemäß Stiftungsurkunde führten. arme Chemnitzer Stadtkinder und, falls solche nicht vorhanden waren, andere arme Studen- Der Bestand 33175 Familienstiftung Neefe, ten in den Genuss der Zuwendungen kommen. der durch seine vielfältige Überlieferung zu Die Kollatoren waren die jeweils Ältesten der den unterschiedlichsten Bereichen bemer- Familie. Sie verwalteten das Stiftungskapital kenswert ist, umfasst sechs Meter. Die Er- und vergaben die Stipendien in Zusammen- schließung des Bestandes, die sich durch die arbeit mit dem Rat der Stadt Chemnitz und Verschiedenartigkeit der Unterlagen und der dem Sächsischen Ministerium für Kultus und Dokumentenstruktur schwierig gestaltet, ist öffentlichen Unterricht in Dresden. Stipendien inzwischen nahezu abgeschlossen, macht die wurden bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhun- Bearbeitung aber auch sehr interessant. derts ausgereicht. Zeichnung der beiden Schlüssel zur Lade der Familie Interessant ist der Bestand schon deshalb, Neefe. Die Familienlade selbst wird heute im Stadt­ archiv Chemnitz aufbewahrt. (Sächsisches Staatsarchiv, weil er einen Zeitraum vom 16. bis Mitte des Staatsarchiv Chemnitz, 33175 Familienstiftung Neefe, Ute Pfannschmidt 20. Jahrhunderts umfasst und Familienunter- Nr. 341) (Staatsarchiv Chemnitz)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 9 Polizeifach und Fußabdrücke – Sächsische Landes- polizeiausbildung in der Weimarer Republik und ihr Nachweis im Stadtarchiv Leipzig

Wer mit den Zuständigkeiten im Archivwesen fort nachvollziehbar. Aber Fußabdrücke von vertraut ist, wird Unterlagen zur Ausbildung Polizeianwärtern, dass erschließt sich nicht der sächsischen Landespolizeibeamten in der sofort. Im Nachhinein ist aber auch das er- Weimarer Republik nicht in einem Stadtar- klärbar. Polizeidienst hieß damals vor allem chiv, noch dazu in Leipzig, vermuten. Dem an Streifendienst, und das bedeutete nicht die dieser Thematik Interessierten wird bekannt Streife mit einem Fahrzeug, sondern zu Fuß. sein, dass es zwischen ca. 1922 und 1935 Es lag im Interesse der anstellenden Behör- in Meißen-Zaschendorf eine Landespolizei- de, dass die Bewerber gesund und gut zu Fuß schule gab. Folgerichtig wendet er sich des- waren. Nach dieser polizeiärztlichen Untersu- halb zunächst an das Sächsische Staatsarchiv, chung, deren Ergebnisse alle in der Akte ent- Hauptstaatsarchiv Dresden. Dort sind jedoch halten sind, erfolgten am selben Tag auch eine in einem nur geringen Umfang Unterlagen von schriftliche Prüfung in Deutsch und Rechnen der Polizeischule überliefert, die sich v. a. auf sowie eine Eignungsprüfung, die in der noch Bauangelegenheiten beziehen. vorzustellenden Schulakte überliefert sind. Durch den Umstand, dass einige Polizeibe- Am nächsten Tag ging es zum Röntgen; der Passbild aus der Personalakte für Alfred Reinhold amte Anfang der 1930er Jahre auf eigenen Befund liegt ebenfalls in der Akte vor. Zuvor (Stadtarchiv Leipzig, Kapitelakten, Kap. 10 R Nr. 892 Wunsch die Landespolizei verließen und in die war bereits ein Auszug aus dem Strafregis- Bh. 1 Bl. 1) städtische Wohlfahrtspolizei wechselten, sind ter angefordert worden. Im November wurde bei uns im Stadtarchiv Leipzig auch solche Ak- Reinhold als geeignet eingestuft. In der Zwi- enthalten. Interessant ist aus heutiger Sicht ten überliefert, die bis zum Wechsel bei den schenzeit wohnte er in Zschöllau-Oschatz, wo sein Gesuch um Genehmigung der Eheschlie- staatlichen Stellen geführt wurden. Es handelt er vorläufig eine Stelle angenommen hatte. ßung, dass er am 10. März 1934 an die Lan- sich um die Personalakten der Landespolizei- Zum April 1930 erfolgte die Einberufung. despolizeiabteilung Leipzig, 2. Hundertschaft, schule, vom Polizeipräsidium weitergeführt, Der Akte ist sein Personalbogen mit Pass- seine damalige Einheit, gestellt hat. Die Akte und um die Schul- und Krankenakten von bild vorgeheftet. Der Bogen wurde über die enthält auch sein Gesuch um Übernahme in sechs ehemaligen Landespolizeibeamten (sie- Dauer seiner Ausbildung und des Dienstes den Wohlfahrtspolizeidienst der Stadt Leipzig he Anhang). Am Beispiel der Akten zu Alfred bei der Landespolizei geführt. Oberstleutnant vom 12. Juni desselben Jahres und endet mit Reinhold aus Auerbach im Vogtland soll auf- Meißner, Leiter der Landespolizeischule, ver- seinem Ausscheiden aus der Sächsischen Lan- gezeigt werden, was sich in diesen Akten alles pflichtete ihn am 1. Mai 1930. Jetzt war er ein despolizei am 30. Juni 1934. Die Akte umfasst nachweisen lässt. Polizeianwärter. An der Landespolizeischule ca. 52 Blatt. Begonnen wird mit seiner Personalakte, die gehörte er zur I. Inspektion, Hörsaal 1. Am Es folgt eine sehr interessante und mit ca. 215 im Februar 1929 an der Landespolizeischule 4. November 1930 wurden zum zweiten Mal Blatt auch äußerst umfangreiche Akte, seine in Meißen angelegt und ab April 1931 beim Fußabdrücke genommen. Man wollte sich Schulakte (Kap. 10 R Nr. 892 Bh. 2). Diese Akte Polizeipräsidium Leipzig weitergeführt wurde wohl vergewissern, dass keine Veränderung, wurde zwischen April 1930 und März 1931 (Kap. 10 R Nr. 892 Bh. 1). Das darin enthaltene sprich Verschlechterung, eingetreten war. Die bei der Landespolizeischule und ab April 1931 Bewerbungsschreiben und der Lebenslauf ge- Akte enthält einen Leistungsnachweis über beim Polizeipräsidium Leipzig geführt. Sie ben Auskunft über seine bisherige schulische seine an der Polizeischule erbrachten sport- beginnt mit seinem eine Seite umfassenden Ausbildung und berufliche Entwicklung. Oft, lichen Leistungen und eine Beurteilung vom Kurzaufsatz zum Thema „Meine Reise zur Auf- so auch in diesem Fall, wird Arbeitslosigkeit Februar 1931. An der Landespolizeischule er- nahmeprüfung für die Schutzpolizei“, enthält als Bewerbungsgrund angegeben. Knapp ei- folgte die Vorstufe der Polizeiausbildung. Die- ein Blatt mit einfachen Rechenaufgaben und, nen Monat später zog er sein Gesuch zurück, se Etappe seiner Ausbildung war im März 1931 als Eignungsprüfung bezeichnet, einen auszu- da er „durch günstige Umstände selbständig abgeschlossen. Die weitere Ausbildung in den füllenden Lückentext und Angaben zu einem werde“. Es scheint mit der Selbständigkeit Hauptstufen I bis IV wurde in den jeweiligen nicht vorliegenden Bild. Das war im Oktober nicht geklappt zu haben. Im September des- Polizeipräsidien vorgenommen. Am 17. März 1929 seine Aufnahmeprüfung. Die Prüfung selben Jahres stellte er erneut einen Aufnah- 1931 erhielt Reinhard sein Zeugnis über den in Deutsch schloss er mit genügend, die in meantrag. Daraufhin erhielt er Fragebögen zu erfolgreichen Besuch der Polizeischule. Zum Rechnen mit gut und die Eignungsprüfung seinen persönlichen Verhältnissen sowie zu 1. April 1931 wurde er zum Polizeipräsidium mittelmäßig ab. Es folgen korrigierte Vier- seinen Vorerkrankungen und Krankheiten in Leipzig, Inspektion Nord, 4. Bereitschaft ver- teljahres- und Abschlussarbeiten, Aufsätze, der Familie. Bei der für ihn zuständigen Po- setzt. Die weitere Ausbildung sollte sich noch Klassenarbeiten und Prüfungsarbeiten für lizeidirektion Plauen erfolgte am 1. Oktober bis März 1934 hinziehen. Hier durchlief er die Vor- und Endprüfungen. Oft sind auch die 1929 die polizeiärztliche Untersuchung. An Ausbildung in den Klassen 17 (H bis H III) und Aufgabenstellungen überliefert. Die Ausbil- dieser Stelle wurden erstmals die im Titel an- Klasse 4. Am 1. April 1932 wurde er zum Poli- dung war vielseitig. Neben naturwissenschaft- gegebenen Fußabdrücke abgenommen. Das zeiwachtmeister befördert. In dieser Akte sind lichen Fächern wie Naturkunde, Erdkunde und von der Polizei Fingerabdrücke von Verdäch- u. a. Hinweise auf bestandene Anstellungsprü- Mathematik wurden auch gesellschaftswis- tigen genommen werden, ist bekannt und so- fungen vom 23. März 1933 und 24. März 1934 senschaftliche, wie Geschichte und Staats-

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 10 ging es v. a. um die Grundrechenarten, um Republik hatten die sächsischen Landespolizei- Prozentrechnung und verbunden damit um beamten ein Mindestmaß an Allgemeinbildung das Lösen von Textaufgaben. In Erdkunde und eine polizeifachliche Ausbildung vorzu- wurden u. a. Frankreich, Länder und Städte am weisen. Die Zeiten, wo Kenntnisse als Berufs- Bodensee und die Höhen in Großbritannien soldat als ausreichend für den Polizeidienst und Irland behandelt. Die Akte enthält auch angesehen wurden, waren vorbei. An dieser sein Prüfungszeugnis (den so genannten Ak- Stelle können vom Verfasser keine Aussagen tenvermerk) zum Bestehen der Vorprüfung am dazu getroffen werden, in welchem Umfang 23. März 1933 beim Polizeipräsidium Leipzig der Anspruch an die Polizeiausbildung später und ein Jahr später der Anstellungsprüfung im Dienstbetrieb umgesetzt werden konnte. am 24. März 1934 bei der Landespolizeiab- teilung Leipzig. Es folgt seine nur ca. 20 Blatt umfassende Krankenakte (Kap. 10 R Nr. 892 Olaf Hillert Bh. 3). Sie wurde zwischen Oktober 1929 und (Stadtarchiv Leipzig) Juni 1934 geführt. Sie enthält v. a. seine Ein- stellungsuntersuchung, einen Nachweisbogen für Sportmaße (Gewicht, Größe, Umfang be- stimmter Körperteile zwischen April 1930 und Anhang Februar 1931), Krankenscheine, Fiebertafeln Aufstellung der im Stadtarchiv Leipzig ermittelten Per- sonal-, Schul- und Krankenakten vormaliger Landes­ und Zahnbehandlungsbögen. Diese Bögen polizeibeamter: enthalten auch ein Verzeichnis der in Sach- Herbert Dorst (* 27.11.1907) sen für Polizeibeamte zugelassenen Zahnärzte – Kap. 10 D Nr. 421 Bh. 1, „Personalakte. Landespolizei- Fußabdruck Reinholds, genommen bei der polizeiärzt- und Dentisten. schule Meißen, später Polizeipräsidium Leipzig“, Jan. lichen Untersuchung in Plauen (Stadtarchiv Leipzig, Anhand eines Aktenverzeichnisses zu kom- 1929–Juni 1934 (ca. 55 Blatt) Kapitelakten, Kap. 10 R Nr. 892 Bh. 1 Bl. 12) munalen Personalakten ließen sich von ei- – Kap. 10 D Nr. 421 Bh. 2, „Schulakte. Landespolizei- schule Meißen“, Febr. 1929–Juli 1934 (ca. 170 Blatt) nem weiteren ehemaligen Landespolizeibe- – Kap. 10 D Nr. 421 Bh 3., „Krankenakte“, Febr. 1929– bürgerkunde, und selbstverständlich polizei- amten Akten nachweisen, die von staatlichen Juni 1934 (ca. 30 Blatt) fachliche, wie Polizeifach und Polizeianzeige, Stellen abgegeben wurden, aber nicht mehr Alfred Reinhold (* 17.04.1909) gelehrt. Hinzu kamen Deutsch, hier v. a. Auf- überliefert sind (Repertorium zu Kap. 10 B). Es – Kap. 10 R Nr. 892 Bh. 1, „Personalakte. Landespolizei- sätze und die Einheitskurzschrift. An dieser handelt sich um Willy Karl Bergmann (ehemals schule Meißen, später Polizeipräsidium Leipzig“, Febr. 1929–Juni 1934 (ca. 52 Blatt) Stelle können nur beispielhaft einige Aufga- Kap. 10 B Nr. 1225 Bh. 1–4), zu dem auch eine – Kap. 10 R Nr. 892 Bh. 2, „Schulakte. Landespolizei- ben benannt werden. Im Fach Polizeianzeige Dienststrafakte vorlag. Nach dem Eintrag im schule Meißen“, Okt. 1929–Juli 1934 (ca. 215 Blatt) mussten Fälle bearbeitet werden, die sich auf Repertorium wurden die Beihefte 1938 an die – Kap. 10 R Nr. 892 Bh. 3, „Krankenakte“, Okt. 1929–Juni einer Streife ergeben können wie z. B. Verstöße Kreishauptmannschaft abgegeben. Die 1934 1934 (ca. 20 Blatt) gegen die Straßenverkehrsordnung, Tierquäle- begonnene städtische Hauptakte ist eben- Rudolf Doneck (* 10.10.1907) rei, Verdacht auf Diebstahl und Verdacht auf falls nicht überliefert. Es konnten anhand der – Kap. 10 D Nr. 419 Bh. 1, „Personalakte. Landespoli- zeischule Meißen, später Polizeipräsidium Chemnitz die Verteilung unsittlicher Schriften. Im Poli- im unterschiedlichen Umfang vorliegenden danach Polizeipräsidium Leipzig“, Juni 1926–Juni zeifach, verbunden mit der so genannten Frei- städtischen Personalakten weitere ehemalige 1934 (ca. 60 Blatt) en Arbeit, gab es Themen wie z. B. „Der Straf- Landespolizisten und spätere Angehörige der – Kap. 10 D Nr. 419 Bh. 2, „Schulakte. Landespolizei- Wohlfahrtspolizei ermittelt werden, welche schule Meißen“, Sept. 1928–Mai 1934 (ca. 185 Blatt) antrag“, „Der Waffengebrauch des einzelnen – Kap. 10 D Nr. 419 Bh. 3, „Krankenakte“, Dez. 1928–Mai Polizeibeamten, erläutert an Beispielen“, „Wie die Landespolizeischule in Meißen besucht 1934 (ca. 15 Blatt) verhält sich der Polizeibeamte bei folgenden haben. In diesen Fällen sind im Aktenver­ Walter Bendrat (* 29.04.1906) polizeilichen Amtshandlungen: Verwarnung, zeichnis jedoch keine Hinweise auf die staat- – Kap. 10 B Nr. 1224 Bh. 1, „Personalakte. Landespo- Abstrafung, Namensfeststellung und Zufüh- lichen Personalakten enthalten. Dabei handelt lizeischule Meißen, später Polizeipräsidium Leipzig“, rung zur Wache?“ und „Was habe ich bei dem es sich z. B. um Oswin Albin Fischer (Kap. 10 Dez. 1928–Juni 1934 (ca. 65 Blatt) – Kap. 10 B Nr. 1224 Bh. 2, „Schulakte. Landespolizei- letzten Ausmarsche in das Gelände gelernt?“. F Nr. 538), Fritz Gansel (Kap. 10 G Nr. 773), schule Meißen“, Jan.1929–Mai 1934 (ca. 150 Blatt) In Geschichte und Staatsbürgerkunde, oft Wilhelm Düring (Kap. 10 D Nr. 603) und Kurt – Kap. 10 B Nr. 1224 Bh. 3, „Krankenakte“, Jan. 1929– gemeinsam gegeben, musste er sich u. a. mit Fischer (Kap. 10 F Nr. 729). Die Akte von Kurt Mai 1934 (8 Blatt) den Themen „Das Deutsche Reich – ein Ein- Fischer enthält auf dem Aktendeckel den Hin- Georg Friedrich (* 14.01.1908) heitsstaat. Gedanken zu diesem Streitsatz und weis auf die ehemals als Bh. 1 eingeordnete, – Kap. 10 F Nr. 648 Bh. 1, „Personalakte. Landespoli- jedoch nicht mehr überlieferte Personalakte zeischule Meißen, später Polizeipräsidium Chemnitz ihre Begründung“, „Deutschland – Russland. danach Polizeipräsidium Leipzig“ Juli 1927–Juli 1934 Die Beziehungen der beiden Staaten von 1813 der Landespolizei. (ca. 95 Blatt) bis 1918“, „Welche Bedeutung haben die Jahre Anhand der Überlieferung kann sehr gut – Kap. 10 F Nr. 648 Bh. 2, „Schulakte. Landespolizei- 1806, 1813 ... 1918, 1920 für das Land Sach- nachvollzogen werden, aus welchem sozialen schule Meißen“, Okt. 1927–Aug. 1933 (ca. 140 Blatt) – Kap. 10 F Nr. 648 Bh. 3, „Krankenakte“, Mai 1928–Dez. sen?“, „Aufgaben und Rechte des Reichstags“ Umfeld die Bewerber für den Landespolizei- 1933 (ca. 30 Blatt) und „Rechte des Reichspräsidenten“ ausein- dienst kamen, wie zuvor ihre schulische und Paul Welinsky (* 13.12.1908) andersetzen. In Deutsch waren z. B. die Auf- berufliche Entwicklung verlaufen war, welche – Kap. 10 W Nr. 967 Bh. 1, „Schulakte. Landespolizei- satzthemen „Kameradschaft im Dienste“, „Ur- Bewerbungsgründe es gab und welche Schul- schule Meißen“, Jan. 1929–Apr. 1934 (ca. 175 Blatt) laub“, „Die Bedeutung des Meeres“, „Saubere kenntnisse, sportlichen und gesundheitlichen – Kap. 10 W Nr. 967 Bh. 2, „Krankenakte“, Apr.1929– Straßen“, „Zur Charakteristik des Majors von Voraussetzungen vorliegen mussten. Die März 1934 (ca. 20 Blatt) – Kap. 10 W Nr. 967 Bh. 3, „Personalakte. Landespolizei- Tellheim in Lessings Minna von Barnhelm“ und Schulakten widerspiegeln die Anforderungen schule Meißen, später Polizeipräsidium Leipzig“, Dez. „Teufel Alkohol“ zu bearbeiten. Beim Rechnen und die Breite der Ausbildung. In der Weimarer 1928–Mai 1935 (ca. 55 Blatt)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 11 Schillerverein zu Leipzig – Stadtarchiv Leipzig bewahrt Vereinsnachlass

Schillerhaus, Schillerweg, Schillerdenkmal und derverwaltung dokumentiert. Das Konvolut glieder an. Nach der 1848er Revolution und Schillerstraße sind allgegenwärtige Bestand- umfasst u. a. Abrechnungslisten und Mah- in der darauffolgenden Reaktionszeit sank teile des Leipziger Stadtbildes. Ihre Existenz bis nungen zur Zahlung der Mitgliedsbeiträge seine Mitgliederzahl auf 65, was den größ- auf den heutigen Tag ist das Resultat der sich sowie Ein- und Austrittserklärungen. Diese ten Mitgliederschwund der Vereinsgeschichte seit der Vormärzzeit in Leipzig entwickelnden Dokumente belegen auch den zeitweise stark darstellte. Mit 98 Mitgliedern im Jahr 1933 Erinnerungskultur an Friedrich Schiller, an sei- schwankenden Mitgliederstand des Vereins. war auch in der NS-Zeit die Vereinsmitglieder- ne Werke und vom Freiheits- und Einheits- Von rund 120 Mitgliedern in der Anfangszeit, zahl gering. Die im Archivbestand befindlichen gedanken getragenen Ideen. Maßgeblicher wuchs der Verein zeitweise auf ca. 3.000 Mit- Mitgliederverzeichnisse verdeutlichen eine Initiator dieser Leipziger Erinnerungskultur war der Wegbereiter der deutschen Revolu- tion von 1848/49 Robert Blum. Auf seine An- regung schloss man sich in Leipzig seit 1840 mit jährlichen Schillerfesten an die in ganz Deutschland entwickelte Tradition der Ehrung des Nationaldichters an. Ein positiver Verlauf der Leipziger Feierlichkeiten, der herrschende Zeitgeist sowie die Aktivitäten des Festkomi- tees um Robert Blum führten am 24. Oktober 1842 zur Gründung des Schillervereins zu Leipzig. Der im Stadtarchiv Leipzig erschlosse- ne Vereinsnachlass birgt interessante Quellen zur Vereinsgeschichte mit sehr unterschied- lichen Facetten, die von zahlreichen Aktivi- täten zur Erinnerung an Schiller und seine Werke, über Bildungsarbeit vielfältigster Art bis hin zur politischen Instrumentalisierung der Schillerverehrung in den verschiedenen gesellschaftlichen Systemen reichen. Den Schwerpunkt des Vereinsnachlasses (3,18 m) bilden die Akten zur allgemeinen Dokumen- tation der Vereinstätigkeit. Sie umfassen eine Laufzeit von 1840 bis 1948 und reichen somit inhaltlich von der ersten Leipziger Schillerfeier bis zur Löschung des Schillervereins aus dem Vereinsregister des Amtsgerichts Leipzig in der Sowjetischen Besatzungszone. Protokolle und Berichte von Generalversammlungen und Vorstandssitzungen, Rundschreiben und Sta- tutenänderungen zeugen hauptsächlich von vereinsinternen Angelegenheiten. Korrespon- denzen mit Vertretern der Stadtverwaltung, Verlegern und Buchhändlern geben interes- sante Einblicke in öffentlichkeitswirksame Belange. Die Schriftwechsel mit Künstlern, so z. B. mit dem Kapellmeister Albert Lortzing, Programmdiskussionen sowie Ankündigungen und Berichte über die Schillerfeiern zeugen von einem großen Organisationsaufwand und intensiver Vereinsarbeit. Texte von Festreden, zahlreiche Tafellieder und Gedichte, u. a. zur Huldigung Friedrich Schillers, geben Einblick in die Festkultur ihrer Zeit. Das Mitgliedswesen des Vereins wird beson- ders durch eine Sammlung von Dankschreiben der Ehrenmitglieder sowie Akten zur Mitglie- Ansichtspostkarte Schillerhaus Leipzig (Stadtarchiv Leipzig, Schillerverein zu Leipzig, Nr. 159)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 12 gibt Auskunft über die vielfältigen Vereinsver- anstaltungen, zu denen auch Vortragsabende und Dichterlesungen gehörten. So zeugt z. B. ein Veranstaltungsplakat aus dem Jahr 1913 von einem Dichterabend mit Thomas Mann. Wie viele Veranstaltungen wurde auch dieser Dichterabend in den im Vereinsnachlass be- findlichen Zeitungsausschnitten Leipziger Ta- geszeitungen reflektiert. Weiterhin bietet eine Sammlung von Druckschriften Einblicke zur regionalen und überregionalen Schillervereh- rung sowie zum literarischen Leben Leipzigs. Die Geschichte des Schillervereins zu Leip- zig, die auf Grund des politischen Anspruchs teilweise von äußerer Reglementierung, aber auch von vereinsinternen Kurswechseln bestimmt war, verlief wechselvoll. Externe Einflüsse, Mitgliederschwund und finan- zielle Schwierigkeiten brachten den Verein mehrmals bis kurz vor seine Auflösung. Dem Ansichtspostkarte zur Erinnerung an den 100. Todestag Friedrich Schillers (Stadtarchiv Leipzig, Schillerverein zu konnten gezielte Statutenänderungen und die Leipzig, Nr. 159) zunehmende Hinwendung zu literarischen Fragen entgegenwirken. Die Vereinsgeschichte enge Verflechtung zahlreicher Vereinsmit- straße. „Hier wohnte SCHILLER und schrieb zeichnet sich durch Phasen verstärkter und glieder mit weiteren Bereichen des kulturellen das Lied an die Freude im Jahre 1785.“, erinnert Phasen eingeschränkter Beschäftigung mit Lebens in Leipzig. Nicht zuletzt deshalb steht eine am Gebäude angebrachte Tafel an den politischen Themen aus. Daneben gab es aber der Bestand in enger inhaltlicher Beziehung zu Aufenthalt des Dichters. Seit dem Hauserwerb ebenso konstante Vereinsaktivitäten, wie die anderen Beständen des Stadtarchivs, so z. B. nahmen die Sanierung und Unterhaltung des Durchführung der Schillerfeste und -feiern, den Beständen Gewandhaus zu Leipzig, Män- Hauses sowie die Einrichtung der Dichterge- das Anliegen der Erhaltung des Schillerhau- nerchor Leipzig und Leipziger Kunstverein. denkstätte einen großen Teil der Vereinsar- ses als Dichtergedenkstätte sowie die Schü- Einblicke in die finanzielle Situation des Schil- beit ein. Von diesbezüglichen umfassenden lerprämierungen. Sie blieben auch in der Zeit lervereins bieten Kassen- und Rechnungsbü- Vereinsaktivitäten zeugen Architekturzeich- der nationalsozialistischen Gleichschaltung cher sowie Akten zum Vermögensstand. Ge- nungen und schriftliche Quellen. Letztere erhalten. Auch konnte sich der Schillerverein richts- und Verlagsrechnungen, Übersichten reichen inhaltlich von der Klärung fraglicher der Aufforderung, das Vereinsvermögen und über Versicherungs- und Steuerzahlungen, Grundstücksangelegenheiten über Probleme die Entscheidung über die Vereinsauflösung Nachweise über Zahlungen an Unterstüt- bei der Hausinstandhaltung und -verwaltung in die Hand des Propagandaministeriums zu zungskassen sowie Spendennachweise geben bis hin zu aussagekräftigen Besucherbüchern. legen, teilweise entziehen. Für das zum Ver- außerdem eine Übersicht über das Kassenwe- Im Vereinsnachlass befinden sich auch inter- einsvermögen gehörende Schillerhaus wurde sen. Ein Großteil des Aktenbestandes bezieht essante Dokumente (z. B. Denkmalsentwürfe ein Sonderstatus erwirkt. Ab 1938 bestand sich auf die Haupttätigkeiten des Vereins. Zu und Fotografien) über die Planung und Er- die Pflicht, jede Veranstaltung mit Thema den Aktivitäten zählten besonders die Orga- richtung eines Schillerdenkmals unmittelbar und Referenten beim zuständigen Reichspro- nisation und Durchführung der Schillerfeste, an der im Süden des Leipziger Zentrums be- pagandaamt anzuzeigen, dem die Befugnis Vortrags-, Rezitations- und Dichterabende findlichen Schillerstraße. oblag, eventuell Schritte zur Verhinderung der sowie Gedenkveranstaltungen für andere Bemerkenswert ist außerdem das im Ver- jeweiligen Veranstaltung einzuleiten. 1939/40 Schriftsteller. Die Bildungsarbeit diente der einsnachlass befindliche Sammlungsgut. erfolgte die Eingliederung des Schillervereins Verbreitung der Schillerschen Werke und Ide- Es umfasst 274 Ansichtspostkarten und in das „Reichswerk Buch und Volk“, dessen Be- ale. Sie umfasste die jährliche Stiftung und 25 Nachdrucke. Abgebildet sind zahlreiche zeichnung dem Vereinsnamen voranzustellen Verteilung von Bücherprämien für Gohliser Schillerporträts, teils schlicht die Person war. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges ruhte Schüler, die Mitorganisation von Schillerfeiern zeigend, teils auch den politischen Zeitgeist die Tätigkeit des Vereins gemäß den Bestim- in Schulen und die Errichtung der, inzwischen charakterisierend. Auch Szenen und Figuren mungen der sowjetischen Besatzungsmacht. in den Bestand der Universitätsbibliothek aus Schillers Werken kommen zur Darstellung, Zum 28. Dezember 1948 erfolgte die Löschung Leipzig eingearbeiteten, Schillerbibliothek. wie z. B. ein Reigen von Schillers literarischen aus dem Vereinsregister des Amtsgerichts Einige Akten liefern Auskünfte über die ge- Helden, der sich um das Porträt ihres geistigen Leipzig. Das Ende des Schillervereins zu Leipzig meinschaftlich mit der Schillerstiftung ver- Vaters windet. Notendrucke und Notenhand- war somit endgültig. Der im Stadtarchiv Leip- anlasste Unterstützung hilfsbedürftiger, nach schriften von Werken, die speziell für die Schil- zig erschlossene Vereinsbestand mit seinen der Satzung des Vereins als „würdig“ einzu- lerfeierlichkeiten komponiert oder dem Schil- eindrucksvollen schriftlichen und bildlichen stufender Schriftsteller und die Durchführung lerverein für die Feiern überlassen wurden, Quellen dokumentiert die Höhen und Tiefen von Wohltätigkeitsveranstaltungen. bilden einen weiteren Bestandteil des Samm- einer 106-jährigen Vereinsgeschichte im Kon- Eine weitere Aktivität im Zuge der Dichtereh- lungsgutes. Ein Beispiel dafür ist die für die text gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen. rung war der, durch zahlreiche Spendengelder Schillerfeier 1841 von dem Kapellmeister Franz unterstützte, im Jahr 1864 erfolgte Ankauf Roser vertonte Schillersche Ballade „Die Thei- Frauke Gränitz des Schillerhauses in der Gohliser Mencke- lung der Erde“. Die Sammlung von Plakaten (Leipzig)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 13 Goethe, Herder, Wieland ... – Sächsisches Staats- archiv erhält bislang verschollene Klassikerbriefe

Die Übernahme originaler Briefe Goethes und Die Freiherren von Fritsch, in deren Besitz legiums und Staatsminister. Diese unvollstän- anderer Klassiker gehört wohl zu den Stern- sich das Rittergut Seerhausen seit 1729 be- dige Aufzählung legt nahe, dass die Freiherren stunden eines Archivars. Entsprechend groß fand, hatten in Dresden, Weimar und Frank- von Fritsch eine umfangreiche Korrespon- war die Freude, als eine Erbengemeinschaft furt am Main wichtige politische Ämter inne. denz führten, die zum Teil im Archivbestand Ende 2010 dem Staatsarchiv Leipzig solche Thomas von Fritsch (1700–1775) war unter des Rittergutes Seerhausen im Staatsarchiv Briefe anbot. Den ersten Informationen nach Kaiser Karl VII. Reichshofrat und unter Franz I. Leipzig überliefert ist. Den Schwerpunkt des waren sie dem bereits im Archiv befindlichen Reichspfennigmeister. In sächsischen Diens- Bestandes bildet das Familienarchiv, welches Bestand 20547 Rittergut Seerhausen zuzu- ten leitete er u. a. das Dresdner Münzkabinett. 2010 im Rahmen des Ausgleichsleistungs- ordnen. Wie die Briefe in die Hände der Er- Besondere Bedeutung erlangte er als Ver- gesetzes restituiert wurde, für den aber eine bengemeinschaft kamen, ließ sich nicht mehr handlungsführer bei den Friedensverhand- Depositalregelung gefunden wurde, die den ermitteln. Nach verschiedenen Prüfungen und lungen 1763 in Schloss Hubertusburg und Verbleib des Bestandes im Staatsarchiv und der Klärung der rechtlichen Seite war es dann als Wegbereiter des Aufschwungs in Sachsen seine weitere öffentliche Nutzung ermöglicht. so weit. Am 14. Oktober 2011 konnten die nach dem Siebenjährigen Krieg. Sein Sohn Ja- wertvollen Unterlagen übernommen werden. kob Friedrich (1731–1814) war Geheimer Rat in In der überlieferten Korrespondenz finden sich Zu betonen ist, dass die Erbengemeinschaft Weimar und leitete dort ab 1772 das Gesamt- bereits Briefe des Weimarer Großherzogs Karl die fünf Briefbände gegen eine symbolische ministerium. Dessen Sohn Karl Wilhelm von August und zahlreicher Politiker am dortigen Aufwandsentschädigung dem Sächsischen Fritsch (1769–1851) war ebenfalls in Weimar Hof, aber auch Briefe Dresdner Staatsmänner. Staatsarchiv überlassen hat. Geheimer Rat, Präsident des Landespolizeikol- Zu ihnen gehören Namen wie von Hohenthal,

Briefe Goethes an die Freiherren von Fritsch

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 14 von Carlowitz, von Schönberg, von Einsie- del, von Lindenau und weitere Vertreter aus sächsischen Adelsgeschlechtern. Es existieren darin aber auch Briefe z. B. des Fürsten von Metternich.

Die im Archivbestand vorhandene Korrespon- denz ist bereits in Seerhausen geordnet und mit Signaturen versehen worden. Bei einem Abgleich der überlieferten Unterlagen lassen sich unschwer Lücken erkennen, als deren Ur- sachen die Wirren nach Ende des 2. Weltkrie- ges zu vermuten sind. Einige Lücken konnten nun durch die Übernahme der Briefbände ge- schlossen werden. Die Prüfung der Signaturen auf den Bänden erbrachte zweifelsfrei, dass sie ursprünglich zum Seerhausener Schloss- archiv gehörten.

Die erste ungebundene Einheit der übernom- Veranstaltung zur Präsentation der Übernahme im Staatsarchiv Leipzig am 14. Dezember 2011 menen Unterlagen umfasst Briefe von Karl (Foto Armin Junghans) August, Großherzog von Sachsen-Weimar- Eisenach (2), sowie der späteren sächsischen Könige Friedrich August II. und Johann I. aus pekt. Auch gegen Goethes Aufnahme in die das einen Auszug aus Schillers „Wilhelm Tell“ den Jahren 1800 bis 1836. In einem weiteren Freimaurer-Loge „Amalia“ sträubte er sich, enthält. Band sind 87 Briefe Karl Augusts an Carl Wil- aber gleichfalls vergeblich. Da er jedoch in helm von Fritsch zusammen mit vier Briefen seinem Amt Goethes Vorgesetzter war, blie- Unter den insgesamt 256 neu übernommenen von Fritschs selbst zusammengefasst (1803– ben Spannungen nicht aus. Trotz aller Proble- Briefen befinden sich 25 von Goethe verfass- 1823). Daran schließt sich direkt ein weiterer me rühmte Goethe aber später, dass der Ge- te. Damit hat sich der Bestand des Sächsi- Band an, der ebenfalls vor allem Briefe (55) des heime Rat von Fritsch stets redlich gegen ihn schen Staatsarchivs an derartigen Briefen Großherzogs an Carl Wilhelm von Fritsch aus gewesen sei, obgleich sein, Goethes, Treiben verdoppelt, da das Hauptstaatsarchiv Dresden den Jahren 1824 bis 1828 beinhaltet. Hinzu und Wesen ihm durchaus nicht habe zusa- bereits über 25 verfügt. Die bisher verscholle- kommen am Schluss lose eingelegte Briefe der gen können. Ein deutlich besseres Verhältnis nen Klassikerbriefe wurden am 14. Dezember Großherzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach, hatte Goethe zu Carl Wilhelm von Fritsch, der im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung der Maria Pawlowna, sowie von Ida von Sachsen- seinem Vater in verschiedenen Ämtern folgte Öffentlichkeit präsentiert. Birgit Richter wies Meiningen und Karl Bernhard von Sachsen- und den Goethe bereits als Kind in die von dabei in einem Vortrag auf die in Ritterguts- Weimar. ihm veranstalteten Kinderfeste einbezogen beständen zu findenden vielfältigen Schätze hatte. Carl Wilhelm von Fritsch hielt auch hin. Volker Jäger informierte über den Um- Aus der breiten Palette der Korrespondenzthe- 1832 den Nachruf auf Goethe in der Loge fang und Inhalt der übernommenen Unterla- men des Großherzogs Karl August sei ein Brief „Amalia“. In den 20 übernommenen Briefen gen und beleuchtete deren Verbindung zum vom 22. Juli 1819 erwähnt, der einen Hinweis Goethes an ihn aus dem Zeitraum von 1805 Seerhausener Schlossarchiv. Gerhard Müller auf das geplante Geheimtreffen der Außen- bis 1831 spiegelt sich dieses gute Verhältnis von der Klassik Stiftung Weimar referierte zur minister verschiedener deutscher Länder in wider. Der gleiche Band enthält noch zahl- amtlichen Korrespondenz von Goethe und zu Karlsbad, das mit den sog. Karlsbader Be- reiche andere Briefe. Es liest sich fast wie im aktuellen Fragen der Veröffentlichung des schlüssen endete, enthält. Vermutlich erhielt Who’s Who der Weimarer Klassik. So finden Goethe-Briefrepertoriums. In letzterem sind Karl August die Informationen über die bevor- sich Briefe von Christoph Martin Wieland, die genannten Goethebriefe bisher noch mit stehende Tagung über Goethes Freundschaft Johann Gottfried Herder, Karl Ludwig Kne- dem Vermerk „Verbleib unbekannt“ versehen. mit Wilhelm von Humboldt, der zu diesem bel, Anna Amalie von Imhoff, Caroline von Es ist erfreulich, dass dies nun korrigiert wer- Zeitpunkt preußischer Minister war. Wolzogen u. a. Der Band ist eine reine Fund- den kann. grube. Als weitere Namen sind zu nennen: Eine weitere ungebundene Einheit beinhal- Christoph Wilhelm Hufeland, der Dichter und Im Rahmen der Präsentation übergab das tet fünf Briefe Goethes an Jacob Friedrich Begründer der Jugendsozialarbeit Johannes Staatsarchiv der Klassik Stiftung Weimar für Freiherr von Fritsch aus den Jahren 1779 bis Daniel Falk, der Dichter Franz Karl Leopold Forschungszwecke die übernommenen Klas- 1785 und eine Karte an Carl Wilhelm. Hier ist von Seckendorf-Aberdar, des Weiteren Jo- sikerbriefe in digitalisierter Form. Aus der Ver- anzumerken, dass das Verhältnis Goethes zu hann Friedrich Röhr, der als Oberhofprediger anstaltung ergaben sich neben einem breiten Jakob Friedrich von Fritsch nicht spannungs- auch die Trauerrede bei der Bestattung Goe- Medienecho bereits darüber hinaus gehende frei war. Letzterer hatte 1776 gegen die Auf- thes hielt, und der Dichter und Dramatiker weitere Forschungskontakte. nahme Goethes in die Weimarer Regierung der Romantik Friedrich Ludwig Zacharias gestimmt, wobei er als Gründe dessen Ju- Werner. Nicht zu vergessen seien auch ein gend und Unerfahrenheit anführte. Zweifel- Brief von Alexander von Humboldt an Kanz- Volker Jäger los waren ihm auch Goethes Skandale sus- ler von Müller und ein Fragment von Schiller, (Staatsarchiv Leipzig)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 15 Das Grubenrettungs- und Gasschutzwesen in der DDR – Archivbestand im Bergarchiv Freiberg

„Die Erhaltung des Lebens von 1.239 Werktä- onsstruktur im Grubenrettungswesen der DDR Mit der Anordnung vom 22. Juli 1970 kam es tigen [ist] für die Mitglieder der Gruben- und sprechen. Mit der Anordnung vom 6. April zur Auflösung der Bezirksstellen und damit Gasschutzwehren eine stolze Bilanz“ – diese 1949 über das Grubenrettungswesen in der zum Wegfall der dort stationierten Bereit- Aussage wird in der Chronik des Grubenret- sowjetischen Besatzungszone begann die schaftsgruppen. Die Hauptstelle wurde zur tungs- und Gasschutzwesens der DDR getrof- planmäßige Neuordnung. Dabei wurde eine so Zentralstelle für das Grubenrettungs- und fen. Hier wird deutlich, welche lebenswichtige genannte „gemischte Organisation“ gebildet. Gasschutzwesen, welche als eine zentrale Bedeutung die Arbeit der Wehren im Einzelnen Vor Ort entstanden Grubenrettungsstellen Einrichtung der Obersten Bergbehörde beim und das Grubenrettungs- und Gasschutzwe- bzw. Gasschutzstellen bei den Bergbaubetrie- Ministerrat der DDR fungierte. Der Umorgani- sen insgesamt hatten. Das Bergarchiv Freiberg ben oder gasgefährdeten Betrieben. Als koor- sation zufolge sollten nun die Kombinate und verwahrt mit dem Bestand „40103 Zentralstel- dinierende Einrichtungen wurden Bezirksstel- Betriebe in Eigenverantwortung die Einsatz- le für das Grubenrettungs- und Gasschutz- len als mittlere und die Hauptstelle als oberste bereitschaft ihrer Gruben- und Gasschutz- wesen mit Vorgängern und nachgeordneten Instanz geschaffen. Im Jahr der Gründung wehren gewährleisten. Diese Grundstruktur Stellen“ die Überlieferung der obersten und der DDR waren sieben Bezirksstellen für das blieb bis zur Auflösung der DDR erhalten. mittleren Ebene des Grubenrettungs- und Grubenrettungswesen geplant: Großräschen Gasschutzwesens. Etwa 48 Meter Schriftgut (später Senftenberg), Zwickau, Oelsnitz/E., Die Rettung und Erhaltung von Menschen- geben Auskunft über viele Facetten der Ge- Borna (später Leipzig), Eisleben, Staßfurt und leben sowie die Bergung von Verunglückten schichte der Hilfsorganisation zur Rettung Sondershausen. Zunächst unterlagen die stellten die Hauptaufgaben des Grubenret- und Bergung verunglückter Bergleute. Hauptstelle und die ihr nachgeordneten Ins- tungswesens dar. Es galt, Brände, Gasaus- titutionen der Kontrolle durch die Technische brüche und Explosionen zu verhüten und zu Bevor die Unterlagen im Juli 2010 in das Bergbauinspektion bei der Hauptverwaltung bekämpfen. Das Grubenrettungswesen war Staatsarchiv übernommen wurden, lagerten Kohle. Später unterstanden sie verschiedenen nach einheitlichen Gesichtspunkten aufzu- diese bei der Hauptstelle für das Grubenret- Ministerien, bis sie schließlich tungswesen in Leipzig, die in den Räumen der 1959 der neugeschaffe- der ehemaligen Zentralstelle der DDR unter- nen Obersten Bergbehörde gebracht ist. Im Bergarchiv wurden die Unter- zugeordnet wurden. lagen technisch bearbeitet und im Magazin eingelagert. 2011 konnte das Schriftgut im Die Verordnung vom 14. Juli Rahmen eines Werkvertrages erschlossen 1955 über das Grubenret- werden. tungs- und Gasschutzwesen maß unter anderem dem Bereits zum Anfang des 20. Jahrhunderts bil- Gasschutzwesen eine größe- dete sich ein System zur Rettung von Berg- re Bedeutung bei. In diesem leuten und zur Vorbeugung von Grubenun- Zusammenhang wurden die glücken im Montan- und Hüttenwesen. Den Hauptstelle in „Hauptstelle Anlass gab das große Grubenunglück in Cour- für das Grubenrettungs- und rières (Frankreich) im Jahr 1906, bei dem 1.099 Gasschutzwesen“ und die Bergleute tödlich verunglückten. Diese Katas- Bezirkstellen in „Bezirksstel- trophe offenbarte deutlich die Notwendigkeit len für das Grubenrettungs- der Schaffung eines organisierten Grubenret- und Gasschutzwesen“ umbe- tungswesens zur Rettung von Menschen und nannt. Nach einem schweren zur Bergung von Verletzten. Grubenunglück in der Nacht vom 15. auf den 16. Juli 1955 Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges auf einem Schacht der SDAG wurde etwa 1948 damit begonnen in der da- Wismut in Niederschlema maligen Sowjetischen Besatzungszone das in wurde auch der Uranbergbau Trümmern liegende Grubenrettungssystem der Hauptstelle unterstellt. wieder aufzubauen. Es fehlte nicht nur an aus- Noch im selben Jahr wur- reichend funktionstüchtigen Rettungsgeräten de die Hauptstelle der SDAG für mögliche Einsätze der Grubenwehrmänner, Wismut in eine Bezirksstelle sondern auch an einer funktionierenden Inf- umgewandelt und in die Hi- rastruktur und entsprechend ausgebildetem erarchie des DDR-Grubenret- Personal. Das Rettungs- und Gasschutzwesen tungs- und Gasschutzwesen bedurfte einer Erneuerung und Erweiterung. eingebunden. Damit war die Übersicht über die Zuständigkeit der Hauptstelle für das Grubenrettungs- und Gasschutzwesen 1964 (Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, Insgesamt kann man von drei großen Haupt- Hauptstelle für den gesamten 40103 Zentralstelle für das Grubenrettungs- und Gasschutzwesen mit abschnitten der Entwicklung der Organisati- Bergbau der DDR zuständig. Vorgängern und nachgeordneten Stellen, Akten Nr. 1116)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 16 re, moderne und einsatzbereite Rettungsaus- Bohrbetriebe sowie die Zentralstelle für das rüstungen und Rettungstechnik unabdingbar. Grubenrettungs- und Gasschutzwesen ge- Die entsprechende Technik wurde allerdings meinsam ein ausgeklügeltes Rettungssystem nicht nur aus den sozialistischen „Bruder- durch Bohrungen, welche sowohl von unter Ländern“, sondern auch aus dem nichtsozi- Tage als auch von über Tage aus ausführbar alistischen Ausland importiert. Dabei bezog waren. man Produkte unter anderem aus der BRD und aus Frankreich. Selbstrettertechnik (z. B. Am 3. Oktober 1990 wurde die Zentralstelle CO-Filterselbstretter), Atemschutztechnik für das Grubenrettungs- und Gasschutzwe- und Funksprechanlagen (UKW-Alarmanlagen) sen in eine Hauptstelle für das Grubenret- genossen besonderes Interesse, wie sich aus tungswesen überführt und am 31. Dezem- dem zahlreichen Prospektmaterial schließen ber 1990 aufgelöst. Die bundesweit tätige Am 21. April 1965 wurde auf dem Gelände des VEB lässt. Zur steten Einsatzbereitschaft mussten Bergbau-Berufsgenossenschaft errichtete ab Kombinat Espenhain eine Einsatzübung durchgeführt. Geräte, Zubehörteile und sonstige Einrichtun- 1. Januar 1991 eine neue Hauptstelle für das Diese wurde schriftlich und fotografisch dokumentiert. gen in Stand gesetzt werden. So nahm 1951 Grubenrettungswesen, die ihre Arbeit in den Hier wird der Einsatz der Grubenwehr unter Tage ge- zeigt. (Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Freiberg, der VEB Medizintechnik Leipzig zunächst die Räumen der ehemaligen Zentralstelle auf- 40103 Zentralstelle für das Grubenrettungs- und Gas- Produktion von Ersatzteilen für Regenerati- nahm. Die neue Hauptstelle ist seitdem der schutzwesen mit Vorgängern und nachgeordneten onsgeräte auf. Man verfolgte hierbei das Ziel, Hauptverwaltung der Bergbau-Berufsgenos- Stellen, Akten Nr. 32) ein komplettes Gerät (BG 494) zu entwickeln, senschaft (seit 2010: Berufsgenossenschaft welches schließlich ab 1953 zur Einführung Rohstoffe und chemische Industrie [BG RCI]) bauen, anzuleiten und zu überwachen. Die kam. in Bochum direkt unterstellt. Ihr Verantwor- Hauptstelle hatte somit die Aufgabe, Ange- tungsbereich erstreckt sich auf die fünf neuen legenheiten des Grubenrettungswesens um- Eine wichtige Rolle spielte die Entwicklung Bundesländer. fassend zu regeln und die Bezirksstellen, Gru- eines Rettungsbohrsystems. In Auswertung ben- und Gasschutzstellen anzuweisen und des verheerenden Wasser- und Schlammein- Anhand des erst kürzlich erschlossenen Be- zu überprüfen. Dazu gehörten die Aus- und bruches in Lengede/Niedersachsen (BRD), bei standes lassen sich nicht nur Erkenntnisse Weiterbildung der Oberführer und Gerätewar- dem es zahlreiche tote Bergleute zu beklagen zur Entwicklung des Grubenrettungs- und te der Grubenwehren, die Durchführung von gab, gründete sich Ende 1963 die Arbeits- Gasschutzwesen der gesamten DDR gewin- Oberführer- und Gerätewartberatungen und gemeinschaft Versorgungs- und Rettungs- nen. Es werden auch Aspekte der Bergbau- Probealarmen, die Mitwirkung und Unterstüt- bohrungen. Zur schnellen und effektiven geschichte sichtbar, wie etwa zur Sicherheit zung bei der Durchführung von Ernstfallein- Bergung von Bergleuten aus unterirdischen unter Tage oder zur grenzüberschreitenden sätzen und schwierigen Arbeiten mit Atem- Hohlräumen entwickelten die Oberste Berg- Zusammenarbeit. Neben zahlreichen Fach- schutzgeräten sowie die Instandsetzung von behörde, das Ministerium für Geologie, die beiträgen, etwa zur Ernährung eingeschlos- Geräten und Einrichtungen. Die Sorge um die Bergakademie Freiberg, die Bergbau- und sener Bergleute, sind ebenfalls Informationen Einsatzbereitschaft der Rettungstechnik ist in zu den Tagungen mit den Ländern des Rates den Archivalien vielfach belegt. für gegenseitige Wirtschaftshilfe überliefert. Von der umfangreichen Übungstätigkeit legen Zahlreiche Unfälle im Bergbaualltag und vor zum Beispiel Protokolle über das Antihavarie- allem die großen Grubenunglücke sind im Ar- training Zeugnis ab. Trotz aller Übungen blieb chivbestand dokumentiert. Im Kohlenbergbau die Arbeit unter Tage gefährlich. Der eingangs handelte es sich dabei zumeist um verdeck- genannten Anzahl von geretteten Leben steht te und offene Grubenbrände, teilweise mit eine Zahl von etwa 300 nur noch tot geborge- nachfolgenden Explosionen. Die großen Ka- nen Bergleuten gegenüber. Die verschiedenar- tastrophen im Schacht IV des Martin-Hoop- tigen Unterlagen des Bestandes vermitteln ein Werkes im Jahr 1952 und im Zwickauer Stein- Bild von den Arbeitsbedingungen und zeigen kohlenwerk Karl-Marx im Jahr 1960 geben Bemühungen auf, diese sicherer zu gestalten ein trauriges Zeugnis darüber ab. Verdeckte sowie die Vorbereitungen, um beim Eintritt und offene Grubenbrände ereigneten sich in des Ernstfalles entsprechend reagieren zu mehreren Jahren auch im Erzbergbau, zum können. Dabei ergänzt der vorliegende Be- Beispiel im Raum Schlema, im thüringer Raum stand die Überliefung der Montanunterneh- oder 1987 im Bernard-Koenen-Schacht des men und staatlichen Einrichtungen im Berg- VEB Mansfeld-Kombinat Wilhelm Pieck. Im archiv. Der Bestand „40103 Zentralstelle für Kalibergbau lag der Schwerpunkt der Einsät- das Grubenrettungs- und Gasschutzwesen ze der Grubenwehren in der Bekämpfung der mit Vorgängern und nachgeordneten Stellen“ Folgen von Gas-Salz-Ausbrüchen. Aber auch ist seit diesem Jahr für die Benutzung frei- Vollbrände von Gummifördergurten, die eine gegeben. starke Rauchentwicklung nach sich zogen, Grubenwehrmitglieder proben 1977 die Rettung Einge- waren hier keine Seltenheit. schlossener. Das Foto zeigt an der Übung Beteiligte, die vor einer Rettungskapsel, sogenannte Dahlbuschbom- Auf Grund der besonderen Bedingungen unter be, posieren. (Sächsisches Staatsarchiv, Bergarchiv Frei- Christiane Helmert / Sabine Landgraf berg, 40103 Zentralstelle für das Grubenrettungs- und Tage, wie etwa hohe Temperaturen, fehlende Gasschutzwesen mit Vorgängern und nachgeordneten (Bergarchiv Freiberg / Industrie- Atemluft und begrenzter Raum, waren siche- Stellen, Fotos Nr. 3) und Handelskammer Chemnitz)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 17 Zeichen der Vollstreckung – Wie Zweig, Span und Erde in die Akten kamen

Wie kommen Holz und vertrocknete Erde in Ihren Ablauf schildert eine Instruktion des Gottlob Harzbecker aus Göltzscha, in der die eine Akte, mag man sich bei Betrachtung der Kreisamts Meißen: „Der Amtsfron Friedrich Kirche Schadenersatz für den Weiterverkauf Abbildungen fragen und es für ein Kuriosum erhält hiermit Anweisung, sich zum 24. April von aus der Kirche gestohlenen Silbergefäßen halten. Tatsächlich zeugen diese Gegenstände 1843 nach Göltzscha und daselbst mit Zuzie- forderte. Ihm blieb für die Zahlung der Sum- von einer symbolischen Rechtshandlung. Die hung der dasigen Ortsgerichten in die Woh- me eine Frist von vier Wochen. Da er den Be- bekannteste Handlung dieser Art, die sich über nung des Kramers Carl Gottlob Harzbecker zu trag nicht aufbringen konnte, beantragten die die Redewendung „über jemanden den Stab begeben und demselben über die der Kirche zu Gläubiger daraufhin die Zwangsversteigerung. brechen“ im heutigen Sprachgebrauch erhal- Martinskirchen schuldigen 148 Reichstaler […], Laut Krünitz’ Oeconomischer Encyclopädie ten hat, ist sicherlich der gebrochene Stab, der im Fall derselbe aber dieselbe weder sofort zu konnte auch die Übergabe eines Grundstücks im Strafverfahren das Todesurteil gegen den leisten, noch durch richtige Quittung nachzu- an den Gläubiger auf dem Weg der Hilfsvoll- Angeklagten symbolisierte. Im vorliegenden weisen im Stande, die Hülfe in dessen Grund- streckung durch symbolische Rechtshand- Fall geht es allerdings nicht um Leben und stücks durch Ausschneiden eines Spahns aus lungen vollzogen werden, und zwar durch Tod, auch wenn der Vorgang für den Betroffe- dem Hause und Ausstechen eines Stück Ra- das Auslöschen und Wiederanzünden des nen existenzbedrohend sein konnte, da Zweig, sens aus dem Garten sowie Abbrechen eines Feuers oder die Übergabe der Schlüssel. Die- Span und Erde vom Vollzug einer Zwangs- Zweiges von den dort stehenden Bäumen zu ses geschah aber nur, wenn der Gläubiger die oder Hilfsvollstreckung zeugen. Grundsätzlich vollstrecken, diese Zeichen der Besitzentset- Grundstücke bis zur Einlösung der Schuld standen diese Gegenstände für Immobilien zung des Schuldners und Einsetzung der Kir- übernahm. In dem Fall war er verpflichtet, und symbolisierten durch ihre Wesensver- che in diesen Besitz wegen des Capitals, der die erhaltenen Güter genauso sorgfältig wie wandtheit Eigentumsübertragungen jeder Art. Zinsen, der aufgelaufenden und noch entste- die eigenen zu bewirtschaften und für Schä- In den aus den Beständen des Hauptstaats- henden Kosten zum Amte abzuliefern“. Diesem den zu haften. Daher dürfte dieser Fall in der archivs Dresden bekannten Fällen, die alle aus Vorgang vorausgegangen war eine Klage des Praxis eher selten vorgekommen sein. Üblich dem 19. Jahrhundert stammen, sind bislang Kirchenvorstandes in Martinskirchen bei Bel- waren die behördliche Zwangsverwaltung und jedoch nur Zwangsvollstreckungen bekannt. gern gegen den Krämer und Hausbesitzer Carl schließlich die Zwangsversteigerung.

Holz, Erde und Türspan als Zeichen einer Zwangsvollstreckung gegen Carl Gottlob Harzbecker, Göltzscha (Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, 10057 Kreisamt Meißen, Nr. 185, Bl. 96)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 18 Versiegelte Umschläge mit Erde der Grundstücke von Carl Gottlieb Müller aus Dittersbach (Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, 10050 Amt Frauenstein, Nr. 525)

gen. Zwangsversteigerungen konnten jedoch des Schuldners, die Hülfe für vollstreckt an- durch Abschluss eines Vergleichs verhindert zunehmen“. Da mit dem symbolischen Akt der werden. Zwangsvollstreckung die vierwöchige Frist zur Wiedereinlösung begann, mussten die Be- Auch war e i n „Zeichen der Vollstreckung“ hörden dem Schuldner stattdessen ein förm- Versiegelte Umschläge mit aus Türrahmen her- nicht ausreichend, wenn der Schuldner mehre- liches Schreiben zustellen. Das oben genannte ausgeschnittenen Holzspänen und Rasen von 23 re Grundstücke besaß, vielmehr war für jedes Beispiel des Gutsbesitzers Müller aus Ditters- Grundstücksbesitzern aus Friedebach (Sächsisches Grundstück die symbolische Rechtshandlung bach vom 7. Januar 1845 zeigt jedoch, wie Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, 10050 Amt Frauenstein, Nr. 215) zu vollziehen. So befinden sich in der Akte zählebig die alten Verfahrensweisen waren. über eine Schuldklage gegen den Gutsbesitzer Ursprünglich dienten symbolische Handlun- Carl Gottlieb Müller in Dittersbach Umschläge gen zur Unterstützung und Sichtbarmachung Es konnten auch mehrere Personen gleichzei- mit Erde und Holzspänen von seinem Hufen- von vor Zeugen mündlichen geschlossenen tig von dieser Art der Zwangsvollstreckung gut, zwei Wiesen und dem Beigut. Rechtsgeschäften in ritualisierter Form. Die betroffen sein, im hier abgebildeten Fall waren vorliegenden Beispiele zeigen, dass diese es 23 Grundstücksbesitzer aus Friedebach. In Mit der „Verordnung zu Ausführung des Ge- Rechtskultur trotz Übergang zur Schriftlich- den verschlossenen und versiegelten Um- setztes vom 6ten November 1843, die Grund- keit des Verfahrens fortgeführt wurde und schlägen, beschriftet mit „signum executio- und Hypothekenbücher und das Hypotheken- bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts über- nis“, also „Zeichen der Vollstreckung“, befinden wesen betreffend, vom 15ten Februar 1844“ dauerte. sich vermutlich Holzspäne und Rasenstücke. fielen diese symbolischen Handlungen weg. Dieser Hilfsvollstreckung war ein Rechtsstreit Das betraf „Aushauung eines Spans, An- zwischen der Gerichtsherrschaft Purschen- zündung eines Feuers auf dem Feuerheerde, stein und Einwohnern in Friedebach wegen Ausstechung eines Stücks Rasen, Abbrechung Andrea Tonert rückständiger Getreidezinsen vorausgegan- eines Baumzweigs u. d. m. sowie die Erklärung (Hauptstaatsarchiv Dresden)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 19 Arbeitsgruppe Ministerialüberlieferung im Hauptstaatsarchiv Dresden

Laut § 5 des Archivgesetzes für den Freistaat benen und höheren Dienstes und tagt i. d. R. von Unterlagen und im Benehmen mit jeweils Sachsen sind die Gerichte, Behörden und zweiwöchentlich. Ziel ist die gemeinsame zwei bis drei Ministerien auf ihre Umsetzbar- sonstigen öffentlichen Stellen des Freistaates Erarbeitung von Bewertungsansätzen für keit geprüft und nach Möglichkeit auch die Sachsen dazu verpflichtet, die zur Erfüllung Schriftgutgruppen, die typisch für die Minis- Überlieferung der korrespondierenden Stel- ihrer Aufgaben nicht mehr benötigten Unter- terialüberlieferung sind und gleichartig bei der len einbezogen. So fand z. B. mit Blick auf die lagen nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist Staatskanzlei und den acht Ministerien anfal- Landtagsüberlieferung der obersten Staatsbe- dem Sächsischen Staatsarchiv zur Über- len. In den ersten Sitzungen wurden gemein- hörden am 14. Dezember 2011 ein Besuch im nahme anzubieten. Dies gilt natürlich auch same Problemstellungen zusammengetragen, Archiv des Sächsischen Landtags statt. für die obersten Staatsbehörden. Die Über- die nun in Workshops bearbeitet werden. Dazu lieferungsbildung der Staatskanzlei und der gehört u. a. der archivfachliche Umgang mit Demnächst anstehende Themen sind u. a. die Staatsministerien, d. h. die Entscheidung der Kleinteiligkeit des Verwaltungsschriftguts, Zusammenarbeit der Staatsregierung mit der über die Archivwürdigkeit (Bewertung) und mit Schriftgutverlagerungen bei Struktur- und Bundesregierung, dem Bundesrat sowie die anschließende Übernahme von Unterlagen, Aufgabenänderungen zwischen den Ressorts Mitwirkung in länderübergreifenden Gremien. liegt in der Zuständigkeit des Hauptstaatsar- sowie mit elektronischen Verfahren (z. B. chivs Dresden (Abteilung 2 des Sächsischen SaxMBS, PersonalDB, FÖMISAX, E-Kabinett). Die Arbeitsgruppe besteht zunächst für ein Staatsarchivs). Dieser Überlieferung kommt Für einzelne Unterlagengruppen wird jeweils Jahr. Anschließend werden die Ergebnisse und ein besonderer Wert zu, da in ihr Fragen der geprüft, an welcher Stelle eine besonders das Vorgehen evaluiert und über eine Fortset- politischen Planung und administrativen Um- aussagekräftige Überlieferung vorliegt. Im zung entschieden. Eine im Juli stattgefundene setzung zusammenfließen. Daher ist die Über- Vorlauf der Bewertung werden die Verwal- erste Einschätzung zur Gruppenarbeit ergab nahmequote im Vergleich zu anderen staat- tungsabläufe der Staatsregierung mit korres­ ein positives Feedback der Teilnehmer. lichen Behörden deutlich höher anzusetzen. pondierenden Stellen, z. B. dem Sächsischen Landtag, sowie innerhalb der Staatskanzlei / Im März 2011 wurde im Hauptstaatsarchiv eines Staatsministeriums betrachtet (hori- Dresden eine interne Arbeitsgruppe „Minis- zontale und vertikale Bewertung). Die in der Dörte Engmann terialüberlieferung“ gegründet. Sie umfasst Arbeitsgruppe abgestimmten Bewertungs- (Zentrale Aufgaben / Grundsatz, sechs Archivare und Archivarinnen des geho- ansätze werden durch beispielhafte Sichtung vorher Hauptstaatsarchiv Dresden)

200 Jahre Staatsarchiv Breslau

Am 28. September 2011 feierte das Staatsar- der Generaldirektor der Polnischen Staatsar- Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel chiv Breslau sein 200-jähriges Jubiläum mit chive Prof. Wladyslaw Stepniak (Warschau) (Jozef Drozd/Janusz Golaszewski (Red.), Archi- einem Festakt. Anlass der Gründung 1811 war teil. Direktor Dr. Jozef Drozd stellte in seiner wum Panstwowe we Wroclawiu 1811–2011. die Säkularisation der Klöster in der preußi- Ansprache zum Jubiläum die besondere Ver- Przeszlosc i wspolczesnosc, Wroclaw 2011). schen Provinz Schlesien, für deren Urkunden antwortung seines Hauses für das kulturel- Als deutsche Gäste gratulierten Dr. Jürgen und Akten eine Auffangstelle gesucht wurde. le Erbe in Schlesien hervor, das wegen der Rainer Wolf für das Sächsische Staatsarchiv Zunächst war das Archiv innerhalb der Uni- vielfältigen Verflechtung Schlesiens unmit- sowie der Berichterstatter für das Landes- versität untergebracht. Schon 1821 nahm das telbar europäische Dimensionen gewinnt. archiv Nordrhein-Westfalen. Das Sächsische von der Universität unabhängig gewordene Vizedirektor Dr. Janusz Golaszewski führte Staatsarchiv hat viele gemeinsame Projekte Staatsarchiv staatliche Unterlagen auf. 1945 in seinem Vortrag die Vielfalt der trotz der mit seinen schlesischen Nachbarn durchge- wurde das Staatsarchiv Breslau in die polni- großen Kriegsverluste immer noch reichen führt, die nordrhein-westfälischen Staatsar- sche Archivverwaltung integriert. Im Dezem- Breslauer Bestände vor. Darin waren auch chive haben mit Breslau bei der Erschließung ber 1946 öffnete das Archiv seine Pforten die Bestände der Zweigstellen in Hirschberg, der preußischen Bergbauüberlieferung zwi- in der ulica Pomorska 2; diese Adresse gilt Kamenz, Liegnitz und Lauban eingeschlossen. schen 1750 und 1865 zusammengearbeitet. auch heute noch. Am hochrangig besuchten Nach dem Festakt wurde eine Ausstellung zur Festakt nahmen Wojwode Aleksander Marek Geschichte des Archivs und seiner Mitarbei- Skorupa und Marschall der Wojwodschaft ter eröffnet, die mit einer Präsentation von Niederschlesien Rafal Jurkowlaniec, der Erzbi- Zimelien verbunden war. Aus Anlass des Jubi- Wilfried Reininghaus schof von Breslau Marian Golebiewski sowie läums erschien eine Festschrift mit deutschen (Landesarchiv Nordrhein-Westfalen)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 20 Saturn, Mars, Erde, Uranus und Venus – Archivpädagogik im Stadtarchiv Leipzig

Planeten im Stadtarchiv? Das erscheint recht Als die Schule beim Stadtarchiv wegen des dass die Schüler das Archiv spannend und ungewöhnlich. Aber hinter den Bezeich- Projekttages anfragte, bestand von Seiten des interessant finden und gleichzeitig dennoch nungen verbargen sich fünf Gruppen von Archivs doch eine gewisse Skepsis. Mit größe- Wissen für die Schule vermittelt werden wür- Schülern der Grundschule des Evangelischen ren Schülern und Studenten gab es Erfahrun- de. Was kann man den Schülern zumuten? Schulzentrums Muldental, die das Archiv im gen, aber es waren die ersten Grundschüler im Rahmen einer Projektarbeit erkundeten und Archiv und hier fehlten jegliche Vorkenntnisse. Nach einigen Überlegungen – Anregungen einen Tag im Stadtarchiv verbrachten. Und so Bedenken bestanden, wie der Tag zweckmä- fanden sich beim Arbeitskreis Archivpädago- besuchten die Lerngruppen „Saturn“, „Mars“, ßig – es sollte ja der Bildungsauftrag wahrge- gik und Historische Bildungsarbeit im Verband „Erde“, „Uranus“ und „Venus“ das Stadtarchiv nommen werden – , interessant und abwechs- deutscher Archivarinnen und Archivare – ka- Leipzig. lungsreich gestaltet werden konnte, eben so, men doch recht viele Ideen, die im kleinen Kreis diskutiert wurden und sich so immer mehr präzisierten. Es kristallisierte sich letzt- endlich das Programm heraus, welches sich dann auch bewähren sollte.

Der Projekttag fand an fünf Mittwochen im Mai / Juni 2011 von 9.30 Uhr bis 14.30 Uhr statt. Die Schüler wurden von ihren Lehrern und Eltern begleitet, die auch für den Trans- port von der Schule in Großbardau ins Stadt- archiv nach Leipzig und zurück sorgten. Die Lerngruppen bestanden aus insgesamt 20 bis 23 Schülern der 1., 2., 3. und 4. Klasse.

Nach der Begrüßung, der Vorstellung des Programms und der Akteure erhielten die Schüler als Erstes Namensschilder mit ihrem Vornamen in Sütterlinschrift. Dies löste schon Begeisterung und Neugierde aus. Den drei Mitarbeitern des Archivs, die den Tag gestal- teten, ermöglichte es, die Schüler direkt anzu- sprechen und einzubeziehen. In einer ersten Schüler und Eltern schauen sich ein Fotoalbum der Nikolaischule an (Fotos Hannelore Hoffmann) Runde im Vortragsraum wurde das Archiv mit seinen Unterlagen und Aufgaben vorgestellt, wobei die Schüler auch zu ihren Vorstellungen befragt wurden. Gemeinsam wurde erarbeitet, was das für Unterlagen sind, die das Stadtar- chiv verwahrt, warum sie aufbewahrt werden und was man dafür tun kann, sie dauerhaft zu sichern. An die Antworten konnte gut an- geknüpft werden und es entwickelte sich ein Gespräch, in dem versucht wurde, die archi- vischen Fachbegriffe der Altersgruppe gemäß zu erklären und das erforderliche Wissen zu vermitteln. Trotz der Vorbereitung und Ein- stellung auf die Schülergruppe gab es dabei doch das eine oder andere Verständnispro- blem, was aber immer gelöst werden konnte. So wurde nach der zweiten Gruppe nicht mehr der Begriff der „Unterlagen“ verwandt, den die Schüler in der Tat mit etwas „unter legen“ verbanden; ersetzt wurde er durch den Begriff der „Dokumente“, der für sie verständlicher war. Erstaunlich war, wie viel die Schüler, vor- Heinrich-H. Albert bei der „Vorführung“ von Japanpapier und der Erklärung seiner Werkstatt. wiegend der 3. und 4. Klasse, wussten, wie

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 21 ßen sie Japanpapier durch Pusten in der Luft schweben und standen ehrfurchtsvoll vor der Papierschneidemaschine.

Nach diesem informationsreichen Vormittag folgte eine größere Mittagspause, die die Schüler im Volkspark, einer Parkanlage in der Nähe, verbrachten. Hier konnten sie ihrem Be- wegungsdrang nachgehen und sich stärken.

Am Nachmittag wurden die Schüler in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe stellte un- ter Anleitung des Restaurators und mit Hilfe der begleitenden Lehrer und Eltern ein kleines Buch her, indem drei bis vier Lagen Papier zwischen buntem Fotokarton als Einband mit Nadel und Faden zusammengeheftet wurden. Die andere Gruppe versuchte sich im Schrei- ben der Sütterlinschrift. Nach einer kleinen Sandra Miehlbradt bei Schriftübungen (Foto Hannelore Hoffmann) PowerPoint-Einführung zu Schreibmitteln und Beschreibstoffen und einem Quiz dazu, übten die Schüler anhand einer Vorlage, ihren sie sich einbrachten und wie wissbegierig sie fühlten und rochen an den Dokumenten und Namen mit dem Griffel auf einer Schiefertafel Fragen stellten. versuchten, sie inhaltlich zu erfassen. Dabei zu schreiben. Nach ca. 45 Minuten wechselten wurden sie von den zwei Mitarbeiterinnen die Gruppen. Nach einer kleinen Frühstückspause, die mit unterstützt, die sie auf Besonderheiten auf- einem gründlichen Händewaschen abge- merksam machten. Ihre Eindrücke gaben die Gegen 14.30 Uhr endete für die Schüler, die schlossen wurde, ging es in den Lesesaal. Schüler dann der Reihe nach kurz wieder, wo- begleitenden Lehrer und Eltern, aber auch für Während im Fahrstuhl und Treppenhaus sich bei diese durch Erklärungen der Mitarbeiterin- die Mitarbeiter des Stadtarchivs ein erlebnis- noch lautstark ausgetauscht wurde, herrschte nen ergänzt wurden. und erfolgreicher Tag. im Vorraum und im Lesesaal Stille und es wur- de nur noch geflüstert. Die Schüler durften, An das Urkundenzimmer schloss sich das Für das Stadtarchiv war der Besuch der Grund- nachdem wiederum kurze Erklärungen er- Magazin an. Hier sahen die Schüler, wie die schüler eine positive Erfahrung. Es hat sich folgt waren, den Benutzern über die Schulter Archivalien aufbewahrt werden und es konn- gezeigt, dass solch ein Projekt bei guter Pla- schauen und sich im Lesesaal umsehen bzw. te nochmals auf die Bestandserhaltung und nung und Vorbereitung durchaus machbar ist ihn entdecken. Sie kamen sehr schnell mit den die Notwendigkeit der Ordnung eingegangen und auch eine Bereicherung für beide Seiten Benutzern – der Besuch war nicht angekün- werden. Fasziniert waren die Schüler von der darstellen kann. Durch die Abwechslung zwi- digt – ins Gespräch und diese beantworteten Hebelschubregalanlage und den Ratsbüchern, schen verschiedenen Tätigkeiten – Zuhören, bereitwillig und ausführlich alle Fragen und die im 19. Jahrhundert sehr voluminös sind. Fragen beantworten, Fragen stellen, Lesen, ließen sich immerhin ca. 15 Minuten von der Sie suchten aus den Ratsbüchern das umfang- Bewegen, Sitzen, Heften, Schreiben – waren Arbeit abhalten. Auch dies war eine positi- reichste Buch heraus. Dieses 28 cm starke und die Aufmerksamkeit und das Interesse immer ve Erfahrung: Die Benutzer reagierten offen. 1.236 Blatt umfassende Buch muss sie sehr gegeben. Die Mittagspause im Park trug zur Neben den Gesprächen wurde jeder Winkel im beeindruckt haben, denn die letzte Gruppe Regenerierung der Kräfte bei. Ebenso hat es Lesesaal inspiziert, durch Schranktüren ge- fragte schon am Eingang nach dem „dicksten sich bewährt, dass die Schüler bei allen Akti- späht, ausliegende Publikationen vorsichtig Buch Deutschlands“. vitäten einbezogen wurden. Positiv wirkte sich durchgesehen und eine alte Zeitung auf dem auch aus, dass es sich um gemischte Grup- Bildschirm des Lesegerätes in Augenschein Zurückgekehrt im Untergeschoss wurde nach pen handelte. Die größeren Schüler halfen den genommen. Hier war es von Vorteil, dass einer kleinen Pause die Restaurierungswerk- kleineren bzw. ermahnten sie und sorgten so zwei Mitarbeiterinnen – Sandra Miehlbradt statt besichtigt. Unser Restaurator, Heinrich- für die notwendige Disziplin. Trotz gleicher Vo- und Anett Müller – die Schüler lenkten und H. Albert, stellte seine Werkstatt vor und raussetzungen war jedoch jeder Projekttag die Benutzer letztendlich diese unterstützten, zeigte den Schülern verschiedene Beschreib- anders, was u. a. bedeutet, dass man sich als denn für die begleitenden Eltern und Lehrer stoffe und Materialien – Papyrus, Pergament, Betreuer darauf einstellen und dementspre- war der Lesesaal in seinem Erscheinungsbild verschiedene Papiere, wie Japanpapier – sowie chend flexibel reagieren muss. Dass es den und mit seinem Inhalt genauso faszinierend Bindungsarten, erklärte unterschiedliche Re- Schülern gefallen hat, zeigte sich u. a. darin, wie für die Schüler. staurierungstechniken und Möglichkeiten der dass von Gruppe zu Gruppe Informationen Wiederherstellung mit den dabei erforderli- weitergegeben wurden und bereits am Ein- Die nächste Station war das Urkundenzimmer. chen Arbeitsschritten. Dabei versuchte er, die gang zielgerichtet nach einzelnen Aktivitäten Hier lagen für je zwei Schüler verschiedene Ar- Schüler durch Fragen mit einzubeziehen. Auf- gefragt wurde. Ferner bedankten sich einzelne chivalien aus, die es zu erforschen galt. Es waren merksam und interessiert folgten diese den Schüler bei der Verabschiedung von sich aus. ein gebundener Zeitungsband, diverse Akten Ausführungen, ließen sich alles ganz genau aus unterschiedlichen Zeiten, ein Fotoalbum zeigen und erläutern und stellten selbst viele Anett Müller sowie das Faksimile einer Urkunde. Die Schüler Fragen. Angeregt durch die Ausführungen lie- (Stadtarchiv Leipzig)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 22 Hauptstaatsarchiv Dresden mit drei „Tagen der offenen Tür“ wiedereröffnet

Nach dem offiziellen Einweihungsakt am von wartenden Menschen, während sich im PC und den klassischen Findmitteln vertraut 24. August 2011 öffnete das Hauptstaatsar- Innern des Hauses die Mitarbeiter und Mit- gemacht. Der Rundgang führte weiter zur chiv Dresden vom 17. bis 19. November 2011 arbeiterinnen auf den Ansturm vorbereiteten. Handbibliothek im oberen Bereich der Benut- seine neuen Räumlichkeiten auch für das zung. Die Besucher hatten die Wahl zwischen breite Publikum. An drei „Tagen der offenen Die Besucher wurden von sachkundigen Besichtigung der Ausstellung „Meilensteine – Tür“ konnten der Magazinneubau, der sanierte Em­pfangs­damen im neu geschaffenen Originaldokumente aus 1000 Jahren sächsi- Altbau und die neuen Öffentlichkeitsbereiche zweigeschossigen Eingangsfoyer mit einer scher Geschichte“ oder einem direkten Zu- von jedermann durchstöbert werden. Ausstellung zur Baugeschichte des Haupt- gang zu den Magazinen in Alt- und Neubau. staatsarchivs begrüßt. Hier erhielten sie ei- In der Ausstellung brachten 69 Zimelien die Das Interesse der Dresdner an Historie und nen Orientierungsplan, um ganz nach eigenen Besucher zum Staunen; darunter mittelalter- Architektur war ungemein hoch – geweckt Interessen einen individuellen Rundgang zu liche Königs- und Kaiserurkunden, die Bann­ sicher nicht nur durch die rege Pressebericht- unternehmen oder sich einer der halbstünd- androhung gegen Martin Luther von 1520, erstattung über die zurückliegenden Baumaß- lich durchgeführten Gruppenführungen an- Fahnenbücher sächsischer Truppen aus dem nahmen, sondern auch durch eine intensive zuschließen. Der neu gestaltete Anmelde- und Dreißigjährigen Krieg, Siegelstempel, Karten, Werbung. Mit großen Fassadenbannern und Findmittelbereich für die Benutzer, noch vor Zeichnungen, Bilder, und Staatsverträge bis einem Werbefilm, der in den öffentlichen Ver- drei Jahren ein mit Wildwuchs überwucher- hin zum Gohrischer Entwurf der Verfassung kehrsmitteln Dresdens zu sehen war, wurde ter Innenhof des Magazingebäudes, präsen- des Freistaates Sachsen von 1990. auf das Ereignis aufmerksam gemacht. Danach tierte sich jetzt als großzügig gestaltetes besuchten an drei Öffnungstagen fast 4.000 Atrium mit Garderoben, Aufenthaltsbereich, Sehr gut besucht waren auch die zwölf Film- Personen das Archiv. Etwa 1.500 Besucher Kaffee- und Snackautomaten. Hier wurden vorführungen mit Erläuterungen zur audiovi- nahmen an insgesamt 70 Gruppenführungen die Besucher durch die Mitarbeiterinnen des suellen Überlieferung des Hauptstaatsarchivs teil. Schon vor Öffnung des Hauses bildete Lesesaales mit der Handhabung der Filmle- Dresden. Zwei Themenbeiträge, „Dresden im sich an jedem Morgen eine lange Schlange segeräte, den Recherchemöglichkeiten am Film“ und „Historische Filmschätze aus Sach- sen“, wurden im neuen Vortragsraum mit sei- ner modernen Präsentationstechnik gezeigt. Da ein großer Andrang bereits im Vorfeld ab- zusehen war, erhielten die Besucher, solange der Vorrat reichte, schon am Eingang Eintritts- karten mit dem jeweiligen Programm ausge- händigt. Großen Andrang gab es schließlich in den Funktionsräumen des Neubaumagazins mit Repro- und Restaurierungswerkstatt. Be- sonders faszinierten hier die moderne Scan- technik und die Anfaserungsmaschine, mit der beschädigte Papiere stabilisiert werden können. Blick in den Findmittel- und Anmeldebereich. Im Hinter- Schlangestehen an den Tagen der offenen Tür vor dem grund sind unten (beleuchtet) Forschungssäle, darüber Eingang zum alten „Arbeitssaal“, jetzt als Vortragsraum der Magazinbereich zu erkennen. genutzt. Die neuen Forschungssäle haben für den Re- Damit auch die kommende Benutzergenerati- (Foto Sylvia Reinhardt) gelbetrieb mit 95 Arbeitsplätzen ausreichend Potential. on in den Rundgang integriert werden konnte, (Foto Heike Moses) hatten die Archivpädagogen ein Such- und Ratespiel unter Leitung von Archibald, der sächsischen Archivmaus, vorbereitet. Ausge- stattet mit einer Schreibunterlage, Fragebo- gen, Stift, Orientierungsplan und einer kleinen Tüte Gummibärchen zur Stärkung, marschier- ten wissbegierige Kinder durch die Gänge und erfuhren so manches über die Bestände und die Aufgaben des Archivs. Das Mitmachen lohnte sich: Jeweils ein Gewinner aus Grund- schule, Mittelschule und Gymnasium konnte das Archiv im Anschluss noch einmal mit sei- ner ganzen Schulklasse besuchen.

Blick von der Galerie in einen unteren Teilbereich der Ausschnitt der Zimelienschau des Hauptstaatsarchivs Forschungssäle mit Recherche-PC Dresden in seinem neuen Ausstellungsraum Gisela Petrasch (Foto Heike Moses) (Foto Regina Malek) (Hauptstaatsarchiv Dresden)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 23 Tag der Archive am 3. März 2012 – Andrang in Leipziger Archiven

Der nunmehr 6. bundesweite „Tag der Archive“ Brandversicherung sowie Naturkatastrophen Normalfall als die Ausnahme. Am Ende nahm stand unter dem Motto „Feuer, Wasser, Krieg wie die verheerende Windhose im Jahr 1912, reichlich ein Drittel mehr Besucher die Ange- und andere Katastrophen“. Bereits im Vorfeld der Kampf gegen den Kartoffelkäfer und der bote des Staatsarchivs wahr als im Jahr 2010. stimmten sich mehrere Leipziger Archive unter Jahrhundertwinter 1978/79. Große öffentliche Das Interesse reichte vom „Schnupperbesuch“ der Koordination des Stadtarchivs über Öff- Aufmerksamkeit erfuhren die Unterlagen der über gezielte Fachinformation zu eigenen nungszeiten, Angebote und die Presse- und Volkspolizei über das tragische Flugzeugun- Forschungsthemen bis zum Durchlaufen aller Öffentlichkeitsarbeit ab. Im Ergebnis lag ein glück zur Herbstmesse 1975. Angebote, was mindestens vier Stunden in gemeinsamer Flyer der fünf teilnehmenden Anspruch nahm. Archive vor, ein gut besuchtes Pressegespräch Neben dem „klassischen“ Archivgut gelangten stimmte die Medienvertreter auf die geplanten auch audiovisuelle Unterlagen zum Einsatz. Über regen Zulauf freuten sich ebenso das Vorhaben der Einrichtungen ein. Jeweils vormittags und nachmittags wurde in benachbarte Archiv für Geographie, die BStU- drei Vorträgen ein historischer Streifzug durch Außenstelle und das Leipziger Stadtarchiv. Ge- Das Staatsarchiv Leipzig beteiligte sich mit ausgewählte Themen anhand von abgebilde- genüber den Medien präsentierte sich Leipzig einem anspruchsvollen Programm an die- ten Archivalien und Originalfilmen unternom- als Kommune mit großer Archivdichte und ser Veranstaltung. Zu den Themenbereichen men. Zwischen 10 und 16 Uhr wurden darüber interessanten Angeboten. Das schlug sich Brände, Hochwasser, Unglücke und Kata­ hinaus stündlich Archivführungen angeboten. positiv in der Ankündigung und Berichterstat- s­trophen wurden sehenswerte Archivalien Zusätzlich fanden zwei Führungen speziell für tung über das Archiv-Ereignis in den Medien ermittelt: Berichte, Statistiken, Karten, Fotos, Kinder statt. nieder. Neben der lokalen Presse war der Tag Einsatzpläne, Flugblätter u. v. m. Die Unter- der Archive in der Stadt Leipzig auch im MDR- lagen deckten einen Zeitraum vom Beginn Die Resonanz auf das vielfältige Angebot Sachsenspiegel, dem Leipzig-Fernsehen und des 17. Jahrhunderts (Großbrand in Leipzig) war mit 230 Besuchern sehr gut. Die im Le- Info TV Leipzig vertreten. bis zum jüngsten Hochwasser an Mulde und sesaal präsentierten Archivalien waren stets Elbe im Jahr 2002 ab. Vorgestellt wurden dicht umlagert, Führungen und Vorträge mit Birgit Richter ebenso die Themenfelder Feuerwehr und mehr als 30 Interessenten bildeten eher den (Staatsarchiv Leipzig)

Archivalien zum Thema „Feuer“ (Foto Birgit Richter) Archivführung für Kinder in der Restaurierungswerkstatt (Foto Birgit Richter)

Führung durch den Magazinbereich (Foto Birgit Richter) Archivalien zum Thema „Kartoffelkäferplage“ (Foto Hans-Jürgen Voigt)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 24 „Jeder Tag zählt wie ein Jahr“ – Festakt mit dem Bundespräsidenten zum 20-jährigen Bestehen des Frauenkreises der ehemaligen Hoheneckerinnen

Das 20-jährige Bestehen des Frauenkreises der ehemaligen Hoheneckerinnen war am 13. Mai 2011 Anlass für eine Veranstaltung, die in viel- fältiger Weise an das Schicksal der in der DDR aus politischen Gründen in der Justizvollzugs- anstalt Hoheneck inhaftierten Frauen erinner- te. „Jeder Tag zählt wie ein Jahr“ – der Titel eines Dokumentarfilmes von Kristin Derfler, der auf dem Festakt präsentiert wurde – lässt Nichtbetroffene nur erahnen, was diese Frauen erleiden mussten. Die meisten der politisch in- haftierten Frauen hatten in die Bundesrepublik ausreisen wollen, was die DDR mit harten Haft- bedingungen ahndete. Völlig überfüllte Zellen, in denen mangels fehlender (3-Stock-)Betten sogar „Bodenschläfer“ eingepfercht wurden, und mangelhafte sanitäre Bedingungen gehör- ten über viele Jahre ebenso zur „Normalität“, wie die entwürdigende Behandlung durch das Gefängnispersonal. Verschärfte Haftbedingun- gen in Form von Dunkelhaft oder Haft in der Wasserzelle offenbaren die Unmenschlichkeit, Staatsministerin Prof. Dr. Sabine Freifrau von Schorlemmer, Bundespräsident Dr. Christian Wulff und Raymond die hier herrschte, in aller Deutlichkeit. Plache (v. r. n. l.) bei der Präsentation einer Akte aus der Strafvollzugsanstalt Hoheneck (Foto Jürgen Richter) Mit seiner Teilnahme an dieser Gedenkveran- staltung setzte Bundespräsident Dr. Christian Die Gedenkveranstaltung am 13. Mai 2011 tierte er auch seine Erfahrungen aus Nieder- Wulff ein deutliches Zeichen seiner Anteil- begann mit einer Kranzniederlegung am Eh- sachsen und hob dabei vor allem die dortige nahme am Schicksal der politisch Inhaftier- renmahl für die Opfer des Stalinismus vor dem Ressortierung bei der Staatskanzlei hervor. ten. Begleitet wurde er von der sächsischen Gefängnis, der eine Führung durch die Haft- Auf dem anschließenden Festakt ging der Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, anstalt folgte. In einem Zellentrakt war der Bundespräsident in seiner Rede aufmerksam Prof. Dr. Sabine Freifrau von Schorlemmer. Der Pressepoint aufgebaut, an dem Bundespräsi- auf das Schicksal der politisch Inhaftierten ein Einladung des Frauenkreises waren zudem dent Wulff und seinen Begleitern durch den und betonte darin besonders: „Deshalb ist es zahlreiche sächsische und regionale Vertreter Leiter des Staatsarchivs Chemnitz drei Akten wichtig, dass wir die Erinnerung weiter geben aus Politik und Gesellschaft gefolgt, u. a. die aus dem Archivbestand der ehemaligen Straf- und wach halten.“ Bundestagsabgeordneten Marco Wanderwitz vollzugsanstalt Hoheneck präsentiert wurden. Der Bestand 30461 Strafvollzugsanstalt Stoll- und Günther Baumann, die Landtagsabgeord- Am Beispiel ausgewählter Seiten eines Rap- berg/Hoheneck, aus dem die ausgestellten Un- nete Uta Windisch, der Landrat des Erzge- portbuches des medizinischen Dienstes aus terlagen stammen, umfasst derzeit 4,75 Meter birgskreises, Frank Vogel, sowie die Oberbür- den Jahren 1982 und 1983, in denen Namen Archivgut aus dem Zeitraum 1954 bis 1996. germeisterin von Chemnitz, Barbara Ludwig, Betroffener mittels aufgelegter Folien anony- Dabei handelt es sich unter anderem um Lage- und der Oberbürgermeister von Stollberg, misiert waren, konnte der physische und psy- berichte, Protokolle von Dienstbesprechungen, Marcel Schmidt sowie der Bundesbeauftragte chische Zustand der Gefangenen dargestellt Statistiken, Planungsunterlagen, Anweisun- für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, und der werden. Allein für den Zeitraum vom Mai 1982 gen der Anstaltsleitung, Tätigkeitsbücher der Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, bis Dezember 1983 sind über das Rapportbuch Wachdienste und des medizinischen Diens- Lutz Rathenow. u. a. 11 Suizid- und Suizidgefährdungsfälle, ein tes sowie Unterlagen der SED-Parteigruppe. Auch das Staatsarchiv Chemnitz war an der Tbc- und ein weiterer Tbc-Verdachtsfall sowie Der Bestand ist vorläufig erschlossen und Ausgestaltung eines Programmpunktes betei- zahlreiche Fälle von Nahrungsverweigerun- bedarf noch einer archivarischen Ordnung ligt. Seit einigen Jahren bestehen regelmäßige gen nachweisbar. Der Bundespräsident und und Verzeichnung. Weitere Ergänzungen des Kontakte zu Tatjana Sterneberg, der Organisa- die Wissenschaftsministerin brachten den Bestandes sind aus künftigen Übergaben der torin der Veranstaltung, und zu Carl-Wolfgang Ausführungen Aufmerksamkeit und großes Justizvollzugsanstalt Waldheim zu erwarten. Holzapfel, der sich für den Frauenkreis stark Interesse entgegen und waren vor allem von Daneben verwahrt das Staatsarchiv Chemnitz engagiert. Bei einem Besuch im Staatsarchiv der Aussagekraft der archivalischen Überlie- auch (Lese)Filme von Gefangenenakten der Chemnitz entstand die Idee, dem Bundesprä- ferung beeindruckt. Abschließend erkundigte Entlassungsjahre 1961 bis 1970. sidenten anhand von Originalunterlagen aus sich Christian Wulff nach der Situation des dem Frauengefängnis Hoheneck die dortigen Archivwesens und dessen Organisation in Raymond Plache Zustände zu erläutern. Sachsen. In dem anregenden Gespräch reflek- (Staatsarchiv Chemnitz)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 25 Dresdner Archive, Bibliotheken und Museen gründen Notfallverbund

Archivgut ist, wie auch andere Arten von Partner des Dresdner Notfallverbunds sind des Bundesbeauftragten für die Unterlagen Kulturgut, etwa die Bestände von Museen Kultureinrichtungen in unterschiedlicher Trä- des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen und Bibliotheken, vielfachen Gefahren durch gerschaft. Es sind zwei Archive beteiligt, das DDR in den Verbund aufgenommen worden. Katastrophenfälle ausgesetzt. Das haben in Sächsische Staatsarchiv mit seiner Abteilung der jüngeren Vergangenheit in besonderem Hauptstaatsarchiv Dresden und das Stadt­ Auch anderswo sind bereits solche Koopera- Maße der Einsturz des Historischen Archivs archiv Dresden. Der Freistaat Sachsen ist au- tionsvereinbarungen zwischen örtlichen bzw. der Stadt Köln und der Brand der Herzogin- ßer mit dem Staatsarchiv mit den Staatlichen regionalen mit der Erhaltung von Kulturgut Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar deutlich Kunstsammlungen Dresden, der Sächsischen befassten Institutionen geschlossen worden, gemacht. Aber auch in Dresden ist der Schutz Landesbibliothek – Staats- und Universitäts- etwa in Weimar, Magdeburg und Münster. In von Kulturgut vor Naturkatastrophen ein bibliothek Dresden (SLUB), dem Landesamt Sachsen ist der Dresdner Notfallverbund der wichtiges Thema, wie das Hochwasser 2002 für Denkmalpflege, dem Staatsbetrieb Staat- erste, der Leipziger befindet sich in Gründung. gezeigt hat, als die Bestände von Kulturgut liche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen Die Notfallvereinbarung sieht gegenseitige verwahrenden Einrichtungen wie den Staat- und dem Sächsischen Landtag vertreten, die Unterstützung der beteiligten Institutionen lichen Kunstsammlungen oder dem Sächsi- Stadt Dresden neben dem Stadtarchiv auch unter zwei Aspekten vor: Zum einen betrifft schen Staatsarchiv betroffen waren, teilweise mit dem Brand- und Katastrophenamt. Au- sie die Zusammenarbeit bei der Notfallvorbeu- in Sicherheit gebracht werden mussten und ßerdem nehmen folgende rechtlich selbst- gung; hier sieht die Vereinbarung die Einrich- teilweise auch geschädigt wurden. Um künf- ständige Einrichtungen am Notfallverbund tung einer Arbeitsgruppe Notfallverbund vor, tig bei Großschadensereignissen noch besser teil: die Technische Universität Dresden, die in der die beteiligten Institutionen mit jeweils vorbereitet zu sein, haben elf Dresdner Ein- Stiftung Deutsches Hygiene-Museum, das mindestens einem Mitarbeiter vertreten sind richtungen – vor allem Museen, Archive und Verkehrsmuseum Dresden gGmbH und die und die unter anderem die Einrichtungen bei Bibliotheken – durch eine Vereinbarung zur Senckenberg Naturhistorische Sammlungen der Erstellung von gebäudespezifischen Not- gegenseitigen Unterstützung in Notfällen Dresden. Die Notfallvereinbarung steht dem fallplänen unterstützt und die regelmäßige den Notfallverbund Dresden gegründet. Die Beitritt weiterer Dresdner Kultureinrichtun- Besichtigungen der Räumlichkeiten aller am Vereinbarung trat am 23. September 2011 in gen offen; über die Aufnahme eines neuen Notfallverbund beteiligten Institutionen durch Kraft; an diesem Tag wurde der Notfallverbund Mitglieds wird mit einfacher Mehrheit der be- das im Notfall zum Einsatz kommende Per- auf einer Landespressekonferenz im Landtag teiligten Institutionen entschieden. Bereits in sonal organisiert sowie Kontakte zu den für in Anwesenheit der Leiter der beteiligten Ein- der ersten Sitzung der Arbeitsgruppe des Not- den Kulturgutschutz verantwortlichen Auf- richtungen der Öffentlichkeit vorgestellt. fallverbunds ist so die Außenstelle Dresden gabenträgern und Behörden, insbesondere der

Ein Mitarbeiter des Hauptstaatsarchivs Dresden rettet 2002 – bereits im Wasser Augusthochwasser 2002 in der Dresdener Altstadt (Fotos Michael Merchel) stehend – Archivgut aus dem Untergeschoss des Archivs

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 26 Dresdner Feuerwehr, pflegt. Die Notfallpläne fang der Hilfeleistung im Notfall entscheiden gruppe durch die Gebäude der Staatlichen enthalten mindestens einen Ablaufplan für die jeweils helfenden Einrichtungen selbst. Kunstsammlungen, die SLUB Dresden, das Notfallmaßnahmen, einen Feuerwehrplan, ei- Besondere Bedeutung kommt dabei den Mit- Stadtarchiv Dresden und das Landesamt für nen Alarmierungsplan samt Personallisten mit gliedern der Arbeitsgruppe Notfallverbund zu, Denkmalpflege geplant. Somit hat der Notfall- den dienstlichen und privaten Rufnummern deren Aufgabe im Notfall in der Koordinierung verbund seine Tätigkeit im präventiven Bereich der für den Brand- und Katastrophenschutz der Hilfeleistungen der Notfallpartner besteht. im vollem Umfang aufgenommen. zuständigen Mitarbeiter und Ansprechpartner im Notfallverbund sowie einen Bergungsplan; Der Text der Dresdner Vereinbarung orientiert Die Gründung des Notfallverbundes Dresden sie werden der Feuerwehr Dresden zur Verfü- sich am Vorbild der Magdeburger Notfallver- ist ein wichtiger Schritt zu einer weiteren In- gung gestellt und zusätzlich in der Zentra- einbarung und wurde unter Federführung der tensivierung der Zusammenarbeit der Dresd- le des Technischen Dienstes der Staatlichen Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und ner Archive, Bibliotheken und Museen in der Kunstsammlungen hinterlegt. Universitätsbibliothek Dresden und der Staat- Notfallvorsorge durch eine enge Vernetzung lichen Kunstsammlungen Dresden zwischen der Dresdner Kultureinrichtungen unterei- Zum anderen leisten sich die beteiligten Ein- den beteiligten Institutionen abgestimmt. Die nander, einen regelmäßigen Wissens- und richtungen im Katastrophenfall gegenseitig erste Arbeitssitzung der Arbeitsgruppe Not- Erfahrungsaustausch sowie eine koordinierte personelle und technische Hilfe. Die Hilfe er- fallverbund fand am 10. November 2011 im gegenseitige Hilfe im Notfall. Über den Inter- folgt unentgeltlich und besteht insbesondere Residenzschloss Dresden statt. In der Sitzung netauftritt des Notfallverbundes, der auf der in der Bergung des betroffenen Kulturguts wurde Michael John, Leiter des Technischen Homepage der SLUB Dresden eingerichtet und der Bereitstellung von Ausweichlager- Dienstes der Staatlichen Kunstsammlungen, wurde (http://www.slub-dresden.de/ueber- flächen für eine Überbrückungszeit. Dabei ist für zwei Jahre zum Vorsitzenden der Ar- uns/bestandserhaltung/notfallverbund-dres- ein Notfall in der Vereinbarung definiert als beitsgruppe gewählt; außerdem wurde das den), besteht die Möglichkeit, sich über den „eine akute, umfangreiche Gefährdung oder Arbeitsprogramm für das Jahr 2012 festge- Notfallverbund, seine Mitglieder und seine Schädigung des in Dresden zu verwahrenden legt. Es wurden ein Zeitplan für die Erstellung Aufgaben zu informieren. Kulturgutes durch Brand, Wasser, Unwetter, und Hintgerlegung der gebäudespezifischen technische Defekte und andere unvorherseh- Notfallpläne aufgestellt und vier Termine Arnd Vollmer bare Ereignisse“. Über die Art und den Um- für Führungen der Mitglieder der Arbeits- (Zentrale Aufgaben / Grundsatz)

Zwischen Kirchenbüchern und Computergenealogie – Das Referat Deutsche Zentralstelle für Genealogie/ Sonderbestände im Staatsarchiv Leipzig

Wer sich heute schriftlich an die Deutsche Leipzig eingegliedert. 2007 wurden die bis- tion, die drei wesentliche Ziele formulierte: Zentralstelle für Genealogie (DZfG) in Leip- herigen Dienststellen in Chemnitz, Dresden, Die Verbesserung der Dienstleistungen für zig wendet, erhält als Antwort ein Schreiben Freiberg und Leipzig zu Abteilungen des Säch- Familienforscher, die Sicherung von archiv- vom Sächsischen Staatsarchiv, Staatsarchiv sischen Staatsarchivs, die vormalige Abteilung würdigen genealogischen Unterlagen (auf die Leipzig. Seit über 15 Jahren ist die DZfG in das „Deutsche Zentralstelle für Genealogie/Son- im Folgenden nicht näher eingegangen wird) Staatsarchiv eingegliedert; trotzdem lebt ihr derbestände“ gehört seitdem als Referat zur sowie die gezielte Öffentlichkeitsarbeit und Mythos fort. Begründet ist dieser in der an- Abteilung 3 des Sächsischen Staatsarchivs. Profilierung als Spezialarchiv für genealogi- haltenden Bedeutung der Bestände der DZfG Den Kern der genealogisch bedeutsamen sche Forschungen. für die genealogische Forschung, die sich auch Bestände bilden die Familiengeschichtlichen deutlich in den Benutzerzahlen niederschlägt. Sammlungen des Reichssippenamtes, hier vor Familienforscher sind in vielen Archiven eine So gehen jährlich rd. 1.300 darauf bezogene allem die Kirchenbücher und Kirchenbuchfil- große Kundengruppe. Dies gilt auch für das schriftliche Anfragen ein. Auch an den per- me aus den vormaligen Ostprovinzen, und Staatsarchiv Leipzig, bei dem sie mit rd. einem sönlich im Lesesaal des Staatsarchivs Leipzig die Überlieferung wichtiger genealogischer Drittel der Direktbenutzungen und schriftli- tätigen Forschern stellen die Genealogen ei- Vereine inklu­sive z. B. der Ahnenstammkartei chen Anfragen zu Buche schlagen. Das Re- nen erheblichen Anteil. des Deutschen Volkes (ASTAKA), der Ahnen- ferat Deutsche Zentralstelle für Genealogie/ listensammlung und des vom Verein Roland, Sonderbestände hat sich zum Ziel gesetzt, Die 1967 als Zentralstelle für Genealogie in Dresden angelegten Gesamtkataloges der die Online-Recherchemöglichkeiten zu sei- der DDR gebildete Einrichtung unterstand der Personalschriften- und Leichenpredigten- nen Beständen sukzessive zu verbessern. Da Staatlichen Archivverwaltung des Ministeri- sammlungen. die Erschließungsinformationen bis 2008 fast ums des Innern der DDR. Nach dem 3. Ok- ausschließlich hand- oder maschinenschrift- tober 1990 wurde sie unter der Bezeichnung Im Jahr 2008 bot ein Wechsel in der Refe- lich vorlagen, mussten und müssen zunächst „Deutsche Zentralstelle für Genealogie“ als ratsleitung die Chance, grundsätzlich über die vorhandenen Findmittel retrokonvertiert Spezialarchiv für Personen- und Familienge- die Funktion und das Profil des Referats und teilweise dabei aktualisiert und ergänzt schichte vom Freistaat Sachsen übernommen nachzudenken. Im Ergebnis stand eine mit werden. In den vergangenen drei Jahren und 1995 als Abteilung in das Staatsarchiv der Behördenleitung abgestimmte Konzep- konnte so – neben der Verzeichnung kleinerer

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 27 genealogischer Bestände – der rd. 50 Meter aus individueller Ahnenforschung), „Orts­ umfassende und zuvor nur über einen Zettel- familienbücher“ und das vor kurzem gestar- katalog nutzbare Bestand 22179 Genealogi- tete Projekt zu Verlustlisten des 1. Weltkriegs. sche Mappenstücke erschlossen werden, die Der Verein gibt vierteljährlich die Zeitschrift Online-Stellung steht kurz bevor. Noch wichti- „Computergenealogie“ heraus sowie das Ma- ger ist die Erstellung eines Online-Findmittels gazin „Familienforschung. Ahnenforschung zu den stark nachgefragten Kirchenbuchfil- leicht gemacht – Computergenealogie für men und Kirchenbüchern. Grundlage für die jedermann“, das auch über den Buchhandel 2011 abgeschlossene Retrokonversion bilde- zu beziehen ist (s. Abbildung). ten die gedruckten Bestandsverzeichnisse aus den Jahren 1992–1994. Sie sind allerdings teil- Da die Überlieferung der DZfG einen über- weise zu ergänzen und von Fehlern zu berei- regionalen Zuschnitt hat, bietet die Zusam- nigen – angesichts des Volumens (insgesamt menarbeit mit dem deutschlandweit tätigen rd. 32.000 Datensätze) eine zeitaufwändige Verein für Computergenealogie die effektive Aufgabe. Möglichkeit, einen großen Kreis potentieller Nutzer und Interessenten zu erreichen. Im Schließlich legte die Konzeption von 2008 die Jahr 2011 wurde daher eine Artikelserie in der Grundlage für gezielte Maßnahmen der Öf- „Computergenealogie“ gestartet und in bisher fentlichkeitsarbeit: Hierzu zählt die Präsenz drei Beiträgen über die DZfG und ihre Bestän- auf den jährlich stattfindenden Deutschen de und Nutzungsmöglichkeiten informiert. Genealogentagen, über die regelmäßig im Auf Anfrage der Redaktion wurde ein Beitrag „Archivar“ berichtet wird. In begrenztem Um- Ein intensiver Kontakt wurde mit dem Vor- über die sachgerechte Zitierung archivalischer fang engagiert sich das Referat bei regional stand des Vereins für Computergenealogie Quellen erstellt, der unter dem Titel „Richtiges tätigen genealogischen Vereinen, v. a. durch (CompGen) aufgebaut. Der 1989 gegründete Zitieren vermeidet Verdruss im Archiv“ in die Vorträge auf regionalen Genealogentagen Verein ist überregional tätig und heute mit aktuelle Ausgabe des Magazins „Familienfor- und Publikationen in den Vereinszeitschriften über 3.400 Mitgliedern der mitgliederstärkste schung“ aufgenommen wurde. wie „Zeitschrift für mitteldeutsche Famili- genealogische Verein in Deutschland. Unter enforschung“, „SEDINA-Archiv“ oder „BAST“ der URL www.genealogy.net betreibt Comp- Angesichts der geringer werdenden perso- (Baltische Ahnen- und Stammtafeln). Eine Gen einen „deutschen Genealogieserver“, nellen Ressourcen und des weiterhin großen langjährige Mitarbeiterin ist Vorsitzende der von dem man auf zahlreiche Informationen Interesses an den genealogisch interessanten Leipziger Genealogischen Gesellschaft und in und Datenbanken zugreifen kann. Besonders Quellen, v. a. den Kirchenbuchunterlagen, wird Nebentätigkeit Fachberaterin des Mitteldeut- erwähnenswert sind das 2003/2004 gestar- nach Lösungen zu suchen sein, wie am Bedarf schen Rundfunks für die Fernsehserie „Spur tete „GenWiki“, auf dem Familienforscher orientierte Dienstleistungen und zielgerichtete der Ahnen“. Um gezielt Leipziger Bürger anzu- Informationen rund um die Genealogie zur Information und Beratung künftig noch effi- sprechen, beteiligt sich das Referat mit einem Verfügung stellen, sowie die Datenbanken zienter erbracht werden können. Genealogie-Stand beim jährlichen Leipziger „Adressbücher“, „Digitale Bibliothek“, „Genea- Archiv- und Bibliothekenfest und dem alle logisches Ortsverzeichnis (GOV)“, „Genealo- Thekla Kluttig zwei Jahre stattfindenden Tag der Archive. gische Datenbasis“ (GedBas; Personendaten (Staatsarchiv Leipzig)

Rezensionen

Susanne Baudisch/Markus Cottin (Bearb.), folgenden Zeit. Bis auf ein 1941 gedrucktes Urkunden der Markgrafen von Meißen Urkundenbuch erschienen im 20. Jahrhundert und Landgrafen von Thüringen 1196–1234, keine weiteren Veröffentlichungen innerhalb Register, auf der Grundlage der Vorar- dieses Editionswerks. Diese insbesondere un- beiten von Elisabeth Boer (†), Hannover: günstigen Zeitumständen, aber auch subjek- Hahnsche Buchhandlung 2009, 252 S. tiven Entscheidungen zuungunsten des Editi- (Codex diplomaticus Saxoniae, Erster onsvorhabens geschuldete Situation hat sich Hauptteil, Abt. A, Bd. 3, Register), seit der zweiten Hälfte der neunziger Jahre ISBN 987-3-7752-1902-0 des 20. Jahrhunderts schrittweise verbes- sert. Am Institut für Sächsische Geschichte Es hatte lange Zeit den Anschein, dass der Geschichte Sachsens auf Dauer ein Torso und Volkskunde e. V. und an der Sächsischen Codex diplomaticus Saxoniae (bis 1918 Codex bleiben würde. Nachdem von 1864 bis 1909 Akademie der Wissenschaften zu Leipzig wur- diplomaticus Saxoniae regiae) und damit die insgesamt 24 Bände veröffentlicht werden den Arbeitsstellen zur Fortführung des Codex Edition der mittelalterlichen Urkunden zur konnten, stagnierte die Arbeit in der nach- diplomaticus Saxoniae eingerichtet, denen es

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 28 gelungen ist, das Editionsvorhaben wieder in nennamen realisiert. Auf ein Sachregister Angaben zu allen Urkunden der Edition von Gang zu bringen. Seit 2006 sind drei Bände wurde verzichtet. Die Originalschreibweisen 1898 und sind somit künftig stets mit heran- des Codex diplomaticus Saxoniae veröffent- der Orte und Personen sind über Verweise zuziehen. Vorwiegend handelt es sich dabei licht worden. Vor den beiden hier und in der auf die heute übliche Schreibweise erfasst. um die Ergänzung von seit 1898 neu erschie- nachfolgenden Rezension zu besprechenden Personen stehen unter ihrem Herkunftsort nenen Editionen, aber auch Textkorrekturen Bänden war bereits der folgende Band er- oder Geschlechternamen, auf die unter den kommen vor. Eine nochmalige Einsichtnahme schienen: Tom Graber (Bearb.), Urkundenbuch Vornamen verwiesen wird. Kleinere Orte wer- in die Originale der von Posse edierten Urkun- des Zisterzienserklosters Altzelle, T. 1, 1162– den durch Angabe der Lage zu einer Stadt den hat es nach Angaben der Bearbeiter je- 1249, Hannover 2006 (Codex diplomaticus lokalisiert. Bei allen Orten ist außerdem die doch nicht gegeben. Vollständigkeit wurde in Saxoniae, Zweiter Hauptteil, Bd. 19). Zugehörigkeit zu einem heutigen deutschen Hinblick auf die Auffindung möglicher Lese- Bundesland bzw. bei außerhalb Deutschlands und Druckfehler nicht angestrebt. Diese Ent- Der von Susanne Baudisch und Markus Cot- befindlichen Orten zu einem heutigen Staat scheidung ist aus arbeitsökonomischer Sicht tin bearbeitete Band bietet ein Register und angegeben. Nur sporadisch wird dagegen verständlich, zumal der wesentliche Mangel Ergänzungen zu einem bereits 1898 erschie- die heutige Eingemeindung eines Ortes als an Posses Edition nicht die Lesung der Texte, nenen Band, der von Otto Posse (1847–1921), Ortsteil in einen anderen Ort vermerkt, ins- sondern vielmehr der weitgehend fehlende dem damaligen leitenden Redakteur des Co- besondere bei Ortsteilen von Großstädten. wissenschaftliche Apparat war. dex diplomaticus Saxoniae regiae, bearbeitet Da sich die Zugehörigkeit von Ortsteilen wurde. Der von Posse 1898 im Vorwort an- durch Eingemeindungen und Gemeinde- Der Band enthält zudem als Nachträge in gekündigte Nachfolgeband für die Zeit von vereinigungen relativ häufig ändert, ist die Form von Kurzregesten 31 von Posse nicht 1235 bis 1247, der das Register ursprünglich durchgängige Verwendung dieser Angabe erfasste Stücke (S. 241–251). Im Register so- mit enthalten sollte, ist nie fertig gestellt wor- für ein auf langfristige Nutzung angelegtes wie in der Aussteller- und Zeugenliste sind den. Posses wissenschaftliches Interesse galt Urkundenbuch nicht sinnvoll. Die Unterbe- diese Nachträge mit erfasst. Nur für etwa ein insbesondere in seinen späteren Lebensjah- griffe zu den Hauptbegriffen sind logisch und Drittel dieser Stücke liegen bisher Editionen ren weniger der Arbeit an Urkundeneditionen, übersichtlich gegliedert. Hervorhebenswert im Volltext vor. Eine solche Volltextedition sondern vorwiegend Themen der historischen ist, dass bei den Unterbegriffen ausdrücklich ist für den Band I/4 des Codex diplomaticus Hilfswissenschaften, insbesondere der Sphra- ausgewiesen wird, in welchen Fällen ein Ort Saxoniae geplant. Abgesehen von dieser noch gistik. Hinzu kam, dass er ab 1906 als Direktor als Ausstellungsort einer Urkunde auftritt. ausstehenden Volltextedition ist mit dem vor- des Sächsischen Hauptstaatsarchivs stark in Das erleichtert die Orientierung für den Nut- liegenden Band auf qualitativ hohem Niveau Verwaltungsaufgaben eingebunden war. Die zer erheblich. Das Register ist im Vergleich die Lücke geschlossen worden, die durch die gewisse Vernachlässigung der Aufgaben, mit zum 2010 erschienenen Band zu den Papst­ über mehr als ein Jahrhundert unvollständige denen er beim Codex diplomaticus Saxoniae urkunden des Hauptstaatsarchivs Dresden, gebliebene Edition der Urkunden der Wetti- regiae betraut war, hat Posse, der auf anderen der nachfolgend besprochen wird, in einigen ner und Ludowinger für die Zeit von 1196 bis Gebieten wissenschaftlich und archivorga- unwesentlichen Details anders gestaltet und 1234 entstanden war. nisatorisch herausragende Verdienste hatte, in einem Punkt ausführlicher. Den Orts- und schon zu Lebzeiten erhebliche Kritik einge- Personennamen sind in Klammern die Origi- Zur ausführlichen Information über die Ge­ bracht. nalschreibweisen nachgestellt. In Anbetracht schichte und die Konzeption zur Fortfüh- der Tatsache, dass der 1898 von Otto Posse rung des Codex diplomaticus Saxoniae kann Die Bearbeiter des Registerbandes konnten bearbeitete Band, auf den sich das Register auf folgende Publikation verwiesen werden: sich auf sehr umfangreiche und inhaltlich bezieht, vielen Nutzern der Registers nicht in Matthias Werner, „Zur Ehre Sachsens“. Ge- wertvolle Vorarbeiten der früheren Dresdner gedruckter Form, sondern nur als Digitalisat schichte, Stand und Perspektiven des Co- Stadtarchivarin Elisabeth Boer (1896–1991) im Internet zur Verfügung steht, kann diese dex diplomaticus Saxoniae, in: Tom Graber stützen, die jedoch konzeptionell für die Zusatzinformation im konkreten Fall die Ar- (Hrsg.), Diplomatische Forschungen in Mit- Drucklegung einer erheblichen Überarbei- beit erheblich erleichtern. teldeutschland, Leipzig 2005 (Schriften zur tung bedurften. Während ihres Ruhestands sächsischen Geschichte und Volkskunde, begann Boer in den sechziger Jahren mit der Außer dem Register enthält der Band weitere Bd. 12), S. 261–301. Es bleibt zu hoffen, dass Erarbeitung unfangreicher Orts- und Perso- wichtige Ergänzungen zum Band von 1898, das hier dargelegte Gesamtkonzept dieses nenregister sowie eines Glossars zum bezüg- der außer einem sehr kurzen, achtzeiligen zentralen Editionswerks zur mittelalterlichen lich des Registers unvollendet gebliebenen Vorwort nur die Urkundentexte jeweils mit Geschichte Sachsens künftig kontinuierlich Band Posses. Sie konnte diese Arbeiten, die einem Kopfregest umfasst. Eine Liste mit den realisiert werden kann, ohne das es nochmals sich heute im Bestand 12657 Personennach- Daten, an denen die wettinischen Markgrafen zu Unterbrechungen kommt. lass Elisabeth Boer des Hauptstaatsarchivs von Meißen und die ludowingischen Land- Dresden befinden, 1986 abschließen. grafen von Thüringen als Urkundenaussteller bzw. Zeugen fassbar sind, kann als wesentli- In der Druckfassung wurde das Register che Grundlage für eine Itinerarforschung zu (S. 1–137), wie bei Urkundeneditionen üblich, diesen Herrschern dienen. Die Ergänzungen Eckhart Leisering als kombinierter Index der Orts- und Perso­ und Berichtigungen (S. 191–239) enthalten (Hauptstaatsarchiv Dresden)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 29 Tom Graber (Bearb.), Die Papsturkunden thüringischen Raumes. Lediglich ein Stück des Hauptstaatsarchivs Dresden, Bd. 1, kann einem weltlichen Empfänger zugeord- Originale Überlieferung, T. 1, 1104–1303, net werden (Nr. 94). Es ist ein Ehedispens vom Hannover: Hahnsche Buchhandlung 15. Juli 1253. Dieser erlaubte Dietrich, dem 2009, 379 S. (Codex diplomaticus Saxo- Sohn Markgraf Heinrichs (des Erlauchten) niae, Dritter Hauptteil, Papsturkunden, von Meißen und späteren Markgrafen von Bd. 1), ISBN 987-3-7752-1903-07 Landsberg, die Eheschließung mit einer Toch- ter Markgraf Johanns I. von Brandenburg, die Wie in der vorhergehenden Rezension aus- mit ihm im vierten Grad verwandt war. geführt, konnte die Arbeit am Codex dip- lomaticus Saxoniae nach langer Pause im Der Band enthält ein mit ausführlichen Li- vergangenen Jahrzehnt erfolgreich wieder teraturbelegen versehenes Verzeichnis der aufgenommen werden. Dabei wurde die in den Urkundentexten und Kanzleivermer- Konzeption des Werkes, die ursprünglich ken nachweisbaren Schreiber (S. 253–270). aus zwei Hauptteilen (Erster Hauptteil: Ur- Es folgen Verzeichnisse zu den in den Ur- kunden der Markgrafen von Meißen und ist auch der Band zu den Papsturkunden kunden vorkommenden Kanzleivermerken Landgrafen von Thüringen; Zweiter Haupt- eine äußerst exakte Edition mit weit über- (S. 271–297) die durch Tafeln mit Abbildun- teil: Die Urkunden der Städte und geistlichen durchschnittlichem hilfswissenschaftlichem gen der auf den Urkunden vorkommenden Institutionen in Sachsen) bestand, um einen Apparat. Symbole (S. 299–302) ergänzt werden. Der dritten Hauptteil (Papsturkunden) ergänzt. Zugang zu den Urkunden unter Gesichts- Dieser dritte Hauptteil knüpft an den vom Der Band enthält 157 Regesten, umfasst punkten der Diplomatik wird durch ein italienischen Diplomatiker Franco Bartoloni die Amtszeit der Päpste von Paschalis II. bis chronologisches Verzeichnis mit Angabe der (1914–1956) begründeten „Censimento“ (Be- Boni­faz VIII. und enthält somit Urkunden von Urkundenart und des Incipits (S. 305–310) standsaufnahme) der Papsturkunden an, der insgesamt 18 Päpsten. Gerade die Nr. 1 des erleichtert. Auch eine Suche nach der Prove- eine vollständige Erfassung der Papsturkun- Bandes, ein angebliches Original des ansons- nienz der Urkunden im archivischen Sinn ist den vorsieht, die in einer bestimmten Region ten hier nicht belegten Papstes Paschalis II. anhand einer entsprechenden Übersicht mög-­ bzw. in einem bestimmten Archivfonds ent- für das Kloster Pegau, ist dabei eine der we- lich (S. 311–314). Weitere Verzeichnisse er- halten sind. Der leider kürzlich verstorbene nigen enthaltenen Fälschungen. Zwei in den leichtern den Zugang zu formelhaften Teilen Walter Zöllner (1932–2011) hat mit zwei 1966 Findmitteln des Hauptstaatsarchivs Dresden der Urkunden (Incipit-Vereichnis, S. 315–321; und 1982 erschienenen Bänden über die bisher auf die Jahre 1392 und 1393 datierte Explicit-Verzeichnis, S. 323–329; Verzeichnis Papsturkunden des Staatsarchivs Magdeburg Urkunden, die irrtümlich Papst Bonifaz IX. zur Sanctio, S. 331–335). Das Verzeichnis der (heute Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, zugeordnet waren, konnten jetzt Papst Boni­ Siegel (S. 337–345) ist mit umfangreichen Abteilung Magdeburg) erstmals für den mit- faz VIII. zugewiesen und auf 1297 und 1298 Quellen-, Literatur- und Abbildungsnachwei- teldeutschen Raum eine Papsturkundenedi- umdatiert werden (Nr. 146 und 149). Dies sen versehen. tion nach den Grundsätzen des „Censimento zeugt von der Sorgfalt des Bearbeiters, der Bartoloni“ vorgelegt. Als Mitglied der für den die Findmittel des Hauptstaatsarchivs Dres- Die Orts- und Personennamen sind, wie auch Codex diplomaticus Saxoniae zuständigen den nach möglicherweise falsch datierten in den bisherigen Bänden des Codex diploma- Kommission der Sächsischen Akademie der Stücken durchgesehen hat. ticus Saxoniae üblich, in einem kombinierten Wissenschaften zu Leipzig war er maßgeblich Namensregister erfasst (S. 347–379). Über am Zustandekommen der hier besprochenen Bemerkenswert ist auch die Rekonstruktion Verweise wurden alle in den Urkunden vor- Edition beteiligt. Er war zudem neben Tho- der Texte von sechs Urkunden des Jahres kommenden Schreibungen berücksichtigt. mas Vogtherr einer der beiden Gutachter 1244, deren Originale im Zusammenhang Personen sind sowohl unter ihrem Vornamen für die 2001 vorgelegte Dissertationsschrift mit der Auslagerung im Zweiten Weltkrieg als auch unter dem Ort erfasst, nach dem sie von Tom Graber, deren um die Urkunden des verschollen sind (Nr. 61–66). Gestützt auf die sich benannten oder aus dem sie stammten. 12. Jahrhunderts erweiterte Druckfassung bei den Findmitteln des Hauptstaatsarchivs der hier besprochene Band ist. vorhandenen Regesten der Urkunden aus Es bleibt zu hoffen, dass unter Beibehaltung dem 19. Jahrhundert in lateinischer Sprache des sehr hohen Qualitätsstandards bald wei- Gerade bei den Papsturkunden mit ihren von und die Kenntnis über das stark normierte tere Bände mit der Fortsetzung der Edition der der päpstlichen Kanzlei sehr stark normierten Formular der päpstlichen Kanzlei gelang dem Papsturkunden im Hauptstaatsarchiv Dres- inneren und äußeren Merkmalen bringt die Bearbeiter in allen sechs Fällen eine vollstän- den sowie in den anderen Archiven Sachsens durch Fondseditionen mögliche Gesamtsicht dige Textrekonstruktion. folgen können. Gerade die hier noch nicht auf die Urkunden eines Archivs unter dem bearbeitete spätmittelalterliche Überlieferung Aspekt des Ausstellers erhebliche Vorteile. Am häufigsten tritt im hier besprochenen des Hauptstaatsarchivs Dresden enthält vie- Der Vergleich erleichtert, wie auch der hier Band das Zisterzienserkloster Altzelle auf, le noch gänzlich unedierte Stücke, die eine besprochene Band zeigt, die Auffindung von das mit 26 Urkunden belegt ist. Es folgen das Bearbeitung dieses Zeitabschnitts besonders Fälschungen, Fehldatierungen und anderen Hochstift Meißen mit 17 und des Klarissen- lohnenswert erscheinen lassen. Unregelmäßigkeiten. Wie das vom selben kloster Seußlitz mit 16 Stücken. Es handelt Bearbeiter stammende Urkundenbuch des sich fast ausschließlich um Urkunden für Zisterzienserklosters Altzelle (Codex diplo- geistliche Empfänger, vorwiegend für Klös- Eckhart Leisering maticus Saxoniae, Zweiter Hauptteil, Bd. 19) ter und Chorherrenstifte des meißnisch- (Hauptstaatsarchiv Dresden)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 30 Andreas Vogel (Hrsg.), Digitalisierungs- ger, die über Arbeitsweisen bestimmen und fibel. Leitfaden für audiovisuelle Archive, über Ressourcen verfügen. Dabei bliebe zu Potsdam: Transfermedia 2011, 227 S. hinterfragen, wie stark die vorgetragenen In- (ohne ISBN) sider-Kompetenzen etwa aus Privatwirtschaft und Hochschulen im Berlin-Brandenburger In sieben Kapiteln wird der gegenwärtige Raum von deren Interessen geprägt sind, wie Diskussionsstand zur Medien-Archivierung der Herausgeber selbst, der 2003 als gemein- ausgebreitet, wobei der Schwerpunkt auf dem nützige Pro Babelsberg GmbH auf Initiative Bewegtbild und dort beim Video liegt. Die der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Autoren bieten zunächst etwas Medienkunde, Sonderaufgaben und des transnationalen stellen den Umgang mit Metadaten dar, er- Medienkonzerns Vivendi gegründet wurde. Als läutern die Schritte vom kinematografischen frühere Projekte werden genannt: „join media Material zum Digitalisat, äußern sich über ana- – das Medienpraktikum in berlinbrandenburg“ loge und digitale Filmrestaurierung, kommen (2006), das „Innovationsforum ‚CINEARCHIV schließlich zur digitalen Langzeitarchivierung, digital’“ und „HD at work“ (2007), gefolgt von zum Management der Digitalisate und zum der Umbenennung in „Medien Bildungsgesell- Workflow insgesamt, bevor einige der aktu- schaft Babelsberg gGmbH“. Die vorliegende ellen Rechtsfragen den Band abrunden. Dabei Publikation entstand im Zuge des Projekts ist schon vom Umfang her eine allumfassende „mediaglobe – the digital archive“ (ab 2009), Darstellung der Materie weder zu leisten noch einer Art Bestandsaufnahme der Medienar- zu erwarten. Wenn jedoch Begriffe wie „Fibel“ melband reißt zumindest im Überblick an, wel- chivierung in Deutschland (vgl. http://www. oder „Leitfaden“ auf eine gewisse Verbindlich- che Fragen zur Diskussion und Entscheidung projekt-mediaglobe.de). Den jetzigen Namen keit hinweisen sollten, so stehen dem die Viel- in der Medienarchivierung anstehen, und es – transfermedia – nahm die Firma 2011 an. stimmigkeit der elf Autoren und drei Vorwort- werden Angebote zur Beantwortung dieser Schreiber sowie das wohl eher zurückhaltende Fragen unterbreitet. Insofern richtet sich die Stefan Gööck Lektorat entgegen. Der somit vorliegende Sam- „Digitalisierungsfibel“ an Verantwortungsträ- (Zentrale Aufgaben / Grundsatz)

Peter Rückert/Erwin Frauenknecht (Hrsg.), Maßnahmen Ergebnisse bei der Forschungsarbeit mit die- Wasserzeichen und Filigranologie. Bei- zur digitalen sen Hilfsmitteln werden in dem Tagungsband träge einer Tagung zum 100. Geburtstag Nutzbarma- allerdings leider weniger präsentiert. So zeigt von Gerhard Piccard (1909–1989), Lan- chung dieser der Beitrag von Erwin Frauenknecht „Symbo- desarchiv Baden-Württemberg, Stutt- Sammlung, lik im Papier?“ beispielhaft, welche Arten der gart: Verlag W. Kohlhammer 2011, 151 S., ihre Zusam- Fragestellung bei der Erforschung der Wasser- 80 Abb., klebegebunden, kartoniert, menführung zeichen auch möglich sind. Erneut sei auf Her- ISBN 978-3-17-021923-6, 20,00 € mit anderen mann Bannasch verwiesen, der feststellt, dass Sammlungen eine Nutzung der „Spezialkenntnisse Piccards“ Die Wasserzeichensammlung von Gerhard sowie einige durch die Archivare des Hauptstaatsarchivs Piccard ist in ihrem Umfang international ein- Forschungs- Stuttgart kaum stattgefunden hat (vgl. S. 146). zigartig. Nach Motiven systematisiert können ergebnisse vorgestellt. Die Beiträge der inter- Tatsächlich würde sich die Rezensentin grund- hier rund 100.000 Wasserzeichen recherchiert nationalen Experten sind in dem vorliegen- sätzlich eine stärkere Wahrnehmung der Aus- werden. Dies ist das Ergebnis einer enormen den Band wiedergegeben. So wird der Leser sagekraft des Materials wünschen. Dafür kann Lebensleistung, bedenkt man, dass sich Pic- auf die allgemein zugänglichen Datenbanken das Wasserzeichen nicht nur als Datierungs- card seit 1948 über fast vier Jahrzehnte hin- hingewiesen, allen voran das internationale hilfe beispielhaft herangezogen werden. Dem weg den Wasserzeichen gewidmet hat und Portal „Bernstein, Memory of Paper“, das Hauptstaatsarchiv Stuttgart gilt daher Dank dabei durchschnittlich etwa 15 Wasserzei- von nationalen Adressen gespeist wird. Für und Hochachtung dafür, dass es nicht nur die chen täglich aufgefunden, durchgezeichnet Deutschland ist dies „Piccard-Online PO“ Arbeit von Gerhard Piccard gestützt hat, son- und verzeichnet haben muss. Im vorliegenden (Hauptstaatsarchiv Stuttgart). Darüber hin- dern sich bis heute für die Nutzbarmachung Tagungsband berichtet Hermann Bannasch fa- aus wird das inzwischen laufende DFG-Projekt seiner Grundlagenarbeit engagiert und somit cettenreich von dem Forscher und Menschen vorgestellt, ein „Wasserzeicheninformati- auch diesen Tagungsband ermöglicht hat. Piccard, dessen zentrale Wirkungsstätte das onssystem Deutschland WZIS“ aufzubauen, Bleibt also zu hoffen, dass sich weiterhin Wis- Hauptstaatsarchiv Stuttgart war. Nicht zuletzt, dessen Kooperationspartner die Württem- senschaftler der Erforschung der Wasserzei- um mit Hilfe seiner Sammlung vergleichende bergische Landesbibliothek, die Bayerische chen widmen und wir zukünftig auf der Basis zeitliche Einordnungen zu ermöglichen, erfass- Staatsbibliothek, die Universitätsbibliothek der vorgestellten Wasserzeichen­datenbanken te Piccard Wasserzeichen ausschließlich von Leipzig und das Hauptstaatsarchiv Stuttgart ergänzende Forschungsergebnisse über die datierten Dokumenten, überwiegend von Ar- sind. Die Errungenschaften der elektronischen Herstellung und Verwendung des Papiers und chivalien. Über diese Dokumente wiederum er- Datenverarbeitung und des Internets bieten damit über die Entstehung unseres schriftli- folgt dann auch die räumliche Zuordnung zum dabei einmal mehr nicht nur den verbesserten chen Kulturgutes erhalten. Ausstellungsort des jeweiligen Schriftstückes. Zugriff auf das einzelne Wasserzeichen, son- Auf der Tagung in Stuttgart 2009 anlässlich dern auch wertvolle Hilfen bei der grafischen, Barbara Kunze des 100. Geburtstages von Piccard wurden statistischen und geografischen Auswertung. (Zentrale Aufgaben / Grundsatz)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 31 Katrin Wenzel / Jan Jäckel (Hrsg.), Sie ging u. a. auf Auswahlkriterien für zu digi- Retrokonversion, Austauschformate und talisierenden Bestände ein, während Johannes Archivgutdigitalisierung. Beiträge zum Kistenich die Digitalisierung im Rahmen der Kolloquium aus Anlass des 60-jährigen Bestandserhaltung thematisierte. Er hält fest, Bestehens der Archivschule Marburg. dass das Digitalisat vor allem ein Schutzme- Zugleich 14. Archivwissenschaftliches dium ist, das für die Schonung und damit Kolloquium der Archivschule Marburg, längeren Erhalt des Originals sorgt, aber eben Marburg 2010, 378 S. (Veröffent- kein Sicherungs- oder Ersatzmedium. Zum li­chun­gen der Archivschule, Nr. 51), Schluss des Bandes wird von Joachim Kemper ISBN 978-923833-38-2 das virtuelle Urkundenarchiv „Monasterium“ vorgestellt, welches als Partner der Plattform Seit 1994 werden an der Archivschule Kollo- „Europeana“ vor allem mittelalterliche und quien zu verschiedenen archivwissenschaft- frühneuzeitliche Urkunden der bayerischen lichen Themen veranstaltet. Das nunmehr 14. Archive bereithält. Das Portal sieht die Betei- fand unter der Prämisse statt, dass „Informa- ligung der Nutzer vor, etwa bei der Erstellung tionen bereitstellen und Benutzung […] för- von Regesten, und kann wie auch die zuvor dern […] eine der wichtigsten Aufgaben von genannten Portale kostenlos genutzt werden. Archiven“ ist. Der Tagungsband behandelt die Erfahrungen, Ziele und Nutzen der Retrokon- Insgesamt ist festzuhalten, dass sich der Blick version, von Austauschformaten und Archiv- über die Ländergrenzen hinweg interessant gutdigitalisierung anhand 17 deutsch- bzw. liest. Nützlich sind praktische Überlegungen, englischsprachiger Beiträge nationaler und etwa wann die Retrokonversion eher von ei- internationaler Fachleute. Die Förderung von nem externen Dienstleister oder von eigenem Retrokonversionsprojekten und die Unterstüt- Personal durchgeführt werden sollte. Auch zung bei diesen Vorhaben durch die Koordinie- konversion ist in diesem Band vertreten, dabei der sog. „intrinsische Wert“ von Archivalien rungsstelle werden dabei ebenso beleuchtet werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten oder der Terminus „Web 2.0“ werden ange- wie die Verwendung von Austauschformaten zwischen Archiven und Bibliotheken erkennbar. sprochen. Letzterem wird meines Erachtens und die Digitalisierung von Archivgut in ver- zu wenig Bedeutung zugemessen. Nur in schiedenen europäischen Ländern. Michael Fox, einer der Gründerväter des Kempers Beitrag zu monasterium.net ist die weltweit genutzten Austauschformates EAD Einbeziehung des Nutzers explizit vorgesehen. Der Zusammenhang der drei Themen wird [Encoded Archival Description], zeigte derzei- Gerade hier bieten sich noch weitgehend un- durch die Logik der Arbeitsabläufe darge- tige Entwicklungen und Fragen bei den ar- genutzte Möglichkeiten, die Bekanntheit der stellt: Über die Retrokonversion werden ana- chivischen Austauschformaten auf, während Archive zu vergrößern und sie vom alten Bild log vorhandene Findmittel, etwa Karteikarten, die Beiträge von Kollegen aus Italien und dem der verschlossenen, verstaubten Institution in eine digitale Form gebracht, welche u. a. spanischsprachigen Raum die dortigen Ver- zu befreien. Was leider fehlt, ist eine Unter- als Grundlage für die Verbreitung im Internet hältnisse umreißen. Im Text von Sigrid Schie- suchung zum Verhältnis von eingesetztem genutzt wird. Die Verwendung von standardi- ber wird der Nutzen von Austauschformaten Aufwand und dem erreichbaren Nutzen bei sierten Austauschformaten ermöglicht dabei konkretisiert. Peter Worm stellt das Archiv­ ohnehin knappem Personal. zum Beispiel die Bereitstellung dieser Daten in portal „Archive in NRW“ nach dem Relaunch einem übergreifenden Internetportal, in dem 2007 vor und präsentiert damit ein Beispiel Zu beachten ist gerade bei dem hier vorlie- im Rahmen der online gestellten Findbücher für den Austausch von Daten in der Praxis. genden Thema, dass der besprochene Ta- Digitalisate von Archivalien eingestellt werden gungsband lediglich den Stand von 2009 können. „Europeana“ als europäische digitale Biblio- bzw. 2010 repräsentieren kann, der inzwi- thek wird von Gerald Meier vorgestellt. Als schen zum Teil überholt ist. In das Portal Zur Retrokonversion referierte u. a. Frank deutscher Beitrag soll eine Deutsche Digitale „Europeana“ sind mittlerweile über 20 Mio. Bischoff, welcher ein Resümee zu den Auf- Bibliothek geschaffen werden, der wiederum digitale Objekte eingebunden und bei „Mo- gaben und Erfahrungen der Koordinierungs- das „Archivportal D“ zugehörig sein soll. Hier nasterium“ sind weitere deutsche Bundes- stelle verfasste. Dabei ging er näher auf die sollen vorhandene Digitalisate von Archivalien länder beteiligt. Neuerungen und Änderun- Förderung durch die DFG ein und stellte die hinzugefügt werden können. Die Situation in gen sind im Internet selbst nachzuverfolgen. Retrokonversion als Grundlage für die Online­ Frankreich wird wiederum von Claire-Sibille Für einen ersten Überblick zu den Beiträ- stellung von Findmitteln und Archivgutdigita- de Grimoüard beschrieben. Dort wurden ers- gen dürften für den Leser auch die Power­ lisaten dar. Dies versteht er als Service für den te Digitalisierungsprojekte bereits 1993 bzw. pointpräsentationen zu den Tagungsbeiträgen Benutzer und Teil der Wissensvermittlung in 1994 gestartet und es existiert ein nationaler interessant sein. Diese werden, ergänzt um einer auf das World Wide Web fixierten Ge- Digitalisierungsplan, der u. a. festlegt, dass weitere Beiträge, auf der Seite archivschule.de sellschaft. Digitalisate innerhalb eines Jahres nach ihrer bereitgestellt. Als Einstieg in die Thematik ist Erstellung online stehen müssen. Angelika die Lektüre aber dennoch zu empfehlen. Die Retrokonversion als Hilfe bei der Krisen- Menne-Haritz befasste sich mit den Zielen, bewältigung nach dem Einsturz des Kölner Verfahren und Werkzeugen bei der Digitali- Stadtarchivs ist Thema des Beitrages von sierung und Online-Stellung von Archivgut im Christiane Helmert Ulrich Fischer. Auch bibliothekarische Retro- größten deutschen Archiv, dem Bundesarchiv. (Bergarchiv Freiberg)

Sächsisches Archivblatt Heft 1-2012 | 32 Sächsisches Archivblatt Mitteilungen des Sächsischen Staatsarchivs Heft 1 / 2012

Titelbild: Stimmung im Verwaltungstrakt des Bergarchivs Freiberg (© Punctum/Foto Bertram Kober)

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Satz und Druck: Druckerei Friedrich Pöge e. K., Leipzig

Redaktionsschluss: 12. März 2012

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