Heinz Grün

Bürger aus Jena und Umgebung im Widerstand gegen das Naziregime 1933–1945 Eine Übersicht

ROSALUXEMBURGSTIFTUNG THÜRINGEN E.V.

JENA 2005

Heinz Grün

Bürger aus Jena und Umgebung im Widerstand gegen das Naziregime 1933–1945

Eine Übersicht

ROSA-LUXEMBURG-STIFTUNG THÜRINGEN E.V. JENA 2005

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio- nalbiographie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 3-935850-32-8

Herausgeber:

Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen e.V. Käthe-Kollwitz-Str. 6 07743 Jena

Redaktion:

Dr. Claus Remer

Drucktechnische Herstellung:

Saale Betreuungswerk der Lebenshilfe Jena gGmbH Am Flutgraben 14 07743 Jena

Inhalt

Vorwort ...... 5

I. Abschnitt: Die Überführung der politischen Arbeit in die Illegalität (1933 bis etwa 1936) ...... 9

Unterbezirk Jena der KPD ...... 9

Wohnbezirke in Jena und Ortsgruppen im Landkreis ...... 9

Roter Frontkämpferbund (RFB) ...... 29

Rote Hilfe Deutschlands (RHD) ...... 33

Kommunistischer Jugendverband (KJVD) ...... 35

Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD) ...... 37

Kommunistische Partei Deutschlands-Opposition (KPD-O) ...... 38

Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ...... 42

SPD-Ortsgruppen in Jena, Kahla und Eisenberg ...... 45

Jenaer Jungsozialisten ...... 48

SAJ-Gruppe „Marx“ ...... 55

Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK) ...... 55

Gruppe „Neubeginnen“ ...... 56

Sozialistische Arbeiterpartei (SAPD) – Sozialistischer Jugendverband (SJV) ...... 58

Antifaschistischer Jugendausschuß, Jena ...... 63

Zu Arbeitersportvereinen in Jena und Kahla ...... 65

Volkschöre in Jena ...... 70

Arbeiter-Gesangverein Lobeda und Umgebung ...... 70

Jenaer Arbeiterkapellen ...... 71

Opposition und Widerstand christlicher Hitlergegner ...... 71

Der Widerstandskreis ...... 77

Die Schwarze Front ...... 78

II. Abschnitt: Der Weg zum gemeinsamen Handeln von Nazigegnern im Jenaer Raum (1937 bis 1945) ...... 81

Zur Formierung und Tätigkeit illegaler Gruppen in Orten und Betrieben .... 82

Pfarrer der Lutherischen Bekenntnisgemeinschaft in Auseinandersetzungen mit den Deutschen Christen ...... 102

Aktivitäten der kleinen katholischen Gemeinde in Jena ...... 107

Zu jüdischen Bürgern in Jena und zum Antisemitismus ...... 109

Geheimbund „COTE“ ...... 110

Bund technischer Angestellter und Beamter (ButAB) ...... 111

Zum runden Tisch von Ricarda Huch ...... 111

Aktivitäten von Widerstandskämpfern gegen den totalen Krieg ...... 113

Abschließende Bemerkungen ...... 125

Wirkungsorte der KPD und ihre Verbindungen in Thüringen (1942) 129

Mahnende Worte ...... 130

Abkürzungsverzeichnis ...... 132

Verzeichnis der in der Publikation erwähnten Personen ...... 133

Vorwort

„Die deutsche Widerstandsbewegung hat es schwerer gehabt als jede andere. In den besetzten Ländern war das Ziel die Befreiung vom äußeren Feind. Darauf ei- nigte sich nahezu die Gesamtheit. Eine innere Gewalt, die nur dem äußeren Feind ihr Dasein verdankt, war offenkundig verräterisch. Wer widerstand, mußte vieles überwinden, nicht aber sich selbst. Er handelte zweifellos richtig. Er konnte elend leben und tief leiden, er vergoß das Blut seiner Landsleute. Aber er rettete das Land, das gerettet werden wollte. Deutsche, die widerstanden, hatten soviel Grund wie andere, sogar mehr als sie. Zerrüttet war auch ihr Land. In Gefahr unterzuge- hen ist es während aller zwölf Jahre gewesen; der Krieg war nur der offene Aus- bruch der Gefahr. Ja, aber niemand hielt es besetzt, kein Fremder, nur eine innere Gewalt, die es sich, nach dem Bewußtsein der meisten, selbst gegeben hatte. Wer ihr widerstand, auch nur sie ablehnte, hatte nicht ohne weiteres ein Volk, sich dar- auf zu berufen, ein Volk, dessen Atem er in seinem Rücken fühlt. Er war ganz und gar angewiesen auf seine Erkenntnisse, auf die Wurzeln seines Herzens. Jeder Kämpfer gegen die überwältigende Herrschaft im Lande hat sich selbst geschaffen, war nur sich allein verantwortlich, keine Mehrheit half ihm oder kannte ihn, er mußte sich vor ihr hüten. Wurde er entlarvt und getötet, um so schlimmer für ihn. Beklagt wurde er we- nig, auch diese lange Zeit nur heimlich. Aber das haben die Mutigen voraus ge- wußt, haben es mit eingerechnet in ihr Opfer. Ihre Sendung: das Gewissen des Landes zu sein. Ihr Geschick: gebrandmarkt zu sterben. Das ist mehr als die Tap- fersten sonst ertragen, geschweige herausfordern. Ihre innere Verpflichtung muß unwiderruflich gewesen sein. Sie war stärker als jeder Zweifel, als die Angst, allein zu bleiben, zu irren; ihre Verpflichtung war gewisser als der sichere Tod. Hier ge- schieht etwas außerordentliches. Seltene Stunden der Geschichte, in ihrer höchsten Steigerung der Kräfte und Gegenkräfte, des Bösen und des Guten, der blöden Ruchlosigkeit und des Eifers, ein Mensch zu bleiben, zeitigen auch dies: Helden ei- nes Widerstandes, wie es der deutsche war.“1

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen e.V. (bisher: Thüringer Forum für Bildung und Wissenschaft e.V.) hat bereits in den Jahren 2000 und 2003 zwei Dokumentationen von Heinz Grün zum Antifaschismus im Raum Jena veröf- fentlicht,2 denen weitere folgen sollen. Nun liegt vom Autor eine Darstellung

1 Heinrich Mann: Zur Geschichte der Deutschen Antifaschistischen Widerstandsbewegung, 1957, S. 10. 2 Gegen Faschismus und Krieg. Auseinandersetzung, Opposition und Widerstand im Raum Jena von September 1929 bis Mai 1945, Dokumente. Teil 1: September 1929 bis Januar 1933, Jena 2000, 483 S.; Teil 2: Februar 1933 bis Juli 1933. Jena 2003, 401 S. 6 vor, die für die Jahre von 1933 bis 1945 überblicksartig erschließt, wie aufrechte Kommunisten, Sozialdemokraten, liberale Vertreter des Bürgertums und andere Nazi-Gegner in Jena und im Umland antifaschistisch dachten und handelten, welche Gruppierungen nach dem 30. Januar 1933 zunächst erhalten blieben, die meisten aber von der Nazi-Diktatur zerschlagen wurden. Andere Wege und Formen der Opposition und des Widerstandes mußten gefunden werden. Dafür waren viele Opfer zu bringen, Schwierigkeiten und Rückschläge zu überwinden. Die Darstellung bezeugt, daß Zivilcourage, zahlreiche antifaschistische Aktivitä- ten, Widerstand „von unten“ auch im Jenaer Raum nachzuweisen sind. Die vorliegende Publikation ist als ein Angebot zur Diskussion und als Anre- gung zu verstehen, anhand dieser und anderer Quellen die Thematik von Antifa- schismus und Widerstand besonders auf regionaler Ebene weiter zu untersuchen und darzustellen. Faschistischer Terror sowie Resignation und Anpassung an die Nazidiktatur erschwerten zwar die Entwicklung einer breiten Widerstandsbewe- gung außerordentlich, aber dennoch fanden sich Kräfte, die ihrer antifaschisti- schen Haltung in den 12 Jahren treu blieben, ihr aktives Wirken unter den neuen Bedingungen in anderen Formen fortsetzten und auch weitere Mitstreiter zu ge- winnen suchten. Deshalb bleibt der antifaschistische Widerstand in Deutschland, so auch in Jena und Umgebung, ein zwar opferreiches, aber ermutigendes Vorbild für den Antifaschismus in der Gegenwart und Zukunft. Allein im Jahre 1942 sind in Deutschland 9.916 Kommunisten und 697 Sozialdemokraten verhaftet, viele von ihnen ermordet worden.3 Das Netz des antifaschistischen Widerstandes in Thü- ringen basierte nicht zuletzt auf der umsichtigen und klugen Führungsarbeit sol- cher Kommunisten wie Dr. Theodor Neubauer (Tabarz) und Magnus Poser (Je- na),4 die bis zu den großen Verhaftungswellen von 1942 bis 1944 eine aufopfe- rungsreiche und verantwortungsbewußte Widerstandsarbeit im Rahmen von Gruppen und Einzelaktivitäten leisteten und so hoffnungsvolle Alternativen ei- nes anderen, eines demokratischen Deutschland aufzeigten. Seit Jahrzehnten wurden die Stadt Jena und ihr Umfeld durch die Universität, durch das Zeiss-Werk und das Schott-Glaswerk geprägt. Das hier vorhandene Potential an gebildeten, zum Denken und Nachdenken fähigen Menschen war überdurchschnittlich. Ihre unterschiedlichen sozialen und parteipolitischen Bin- dungen hatten aber bereits am Ende der Weimarer Republik mit dazu beigetra- gen, daß in dieser Stadt, wie andernorts, keine Kraft erstand, die den Nazis und der frühzeitigen Machtübernahme des Faschismus in Thüringen Einhalt gebot. So konnten seit 1930 erstmals im Reichsmaßstab Naziminister in der Weimarer Landesregierung mitregieren und seit August 1932 die Regierung in Thüringen

3 Gestapo-Berichte über den antifaschistischen Widerstandskampf der KPD. Band 2: 1939– 1943, Berlin 1989, S. 17 (Einleitung), s. auch S. 216. 4 Vgl. hierzu die graphische Darstellung auf S. 8 dieser Publikation. 7

übernehmen. Die NSDAP versuchte mit allen Mitteln, Thüringen und die Jenaer Universität zu einem „Nazi-Paradebeispiel“ zu gestalteten. Schon 1933 entstan- den Konzentrationslager in Nohra, Bad Sulza und seit 1937 „Buchenwald“ auf dem Ettersberg. Zugleich wurde Thüringen in den 30er Jahren zu einem Zen- trum der deutschen Kriegswirtschaft ausgebaut, in die auch das Zeiss-Werk stark eingebunden war und durch die Herstellung von kriegswichtigen Produk- ten einen großen Aufschwung nahm. Er wirkte sich zwar auf die materielle Si- tuation der Zeiss-Beschäftigten positiv aus, dämmte aber zugleich ihr antifaschi- stisches Denken und Handeln. Der Prozeß des Zusammenfindens der im Jenaer Raum lebenden und agierenden Gegner des Nazi-Regimes gestaltete sich nur sehr langsam und war mit vielen Rückschlägen und Bedrängnissen behaftet. Die Kriegsfolgen (Einberufungen mit Fronteinsatz, Luftangriffe der Alliierten, 20.000 Tote allein in Thüringen, die drohende militärische Besetzung) empfan- den auch viele Jenaer als bedrohlich, ohne daß eine grundsätzliche Wende im Denken und Handeln der Mehrheit einsetzte. Der vorliegenden Darstellung ist sehr konkret zu entnehmen, wer mit wem in diesen 12 Jahren im Jenaer Gebiet antifaschistische Kontakte oder sogar ent- sprechende Aktivitäten entwickelte, von den Nazis verhaftet und verurteilt wur- de, wer angesichts des Terrors die illegale Arbeit aufgab und in welchem Maße in diesen Jahren dennoch bescheidene Erfolge in der Auseinandersetzung mit dem Nazi-Regime möglich waren. Der Personenkreis, der in den Jahren der faschistischen Diktatur aktiv Wider- stand leistete, war auch in Jena relativ klein und konnte angesichts des brutalen Naziterrors hier nur begrenzt wirksam werden. Um so wichtiger ist es aber, alle antifaschistischen Verhaltensweisen und Taten dem Vergessen zu entreißen. Verständlich ist es daher, daß alle diese Nazigegner nach 1945 auf ihre Gedan- ken und ihr Tun, auf ihre damals begrenzte Einflußnahme im Wohn- und Tätig- keitsfeld stolz waren, sich in der DDR bestätigt und anerkannt sahen, während sie in der Bundesrepublik von Alt- und Neonazis, aber auch von vielen rechts orientierten Partei- und Staatspolitikern nicht selten als „Verräter“ gebrandmarkt wurden und auch noch werden. Die Antifaschisten der Nazizeit fühlten sich in Ost und West nach 1945 durch den geschichtlichen Verlauf bestätigt. Ihre Erinnerungen und Memoiren spiegeln das wider und tragen natürlich subjektiven Charakter. Die vorliegende detaillierte Darstellung und Materialsammlung stützt sich stark auf solche Quel- len, die der Autor in vielen Jahren zusammengetragen und laufend ergänzt hat, ohne das gesamte bis heute existierende Quellenmaterial über den Jenaer Raum schon vollständig ausgewertet zu haben. Die vorliegende Publikation sollte möglichst durch andere, erweiternde Quellen ergänzt und nötigenfalls korrigiert, durch neue Untersuchungen und Darlegungen weiter- und fortgeführt werden. Zeitzeugenberichte haben ihr besonderes Gewicht als eine wichtige histori- sche Instanz des antifaschistischen Widerstandes, als eine unersetzbare Quelle 8 für die Interpretation und Wahrnehmung dieser historischen Vorgänge und für notwendige Korrekturen und Zurückweisung beschönigender, einseitiger Nazi- Erinnerungen und neofaschistischer Schriften. Das sind wir den Opfern der Na- zi-Diktatur schuldig.

Claus Remer

Die nachfolgenden Darstellungen basieren auf Dokumenten, Erinnerungen und Aufzeichnungen von Antifaschisten. Die Quellen werden abschnittsweise be- legt.

I. Abschnitt: Die Überführung der politischen Arbeit in die Illegalität (1933 bis etwa 1936)

Die notwendig gewordene Neuorientierung im Ergebnis der faschistischen Machtergreifung am 30. Januar 1933 und die entsprechende Umstellung der Ar- beiterparteien und ihrer Nebenorganisationen auf völlig neue Kampfbedingun- gen in der Illegalität war ein schwieriger Prozeß und eine große Leistung, die Mut, Klugheit, Standhaftigkeit und Ausdauer der Menschen erforderte. Es galt, die charakterlich und politisch Stärksten zu gewinnen und ihnen klar zu machen, daß sich der Kampf gegen den Faschismus über Jahre erstrecken würde und stets mit der Gefahr verbunden war, das eigene Leben zu verlieren. Zersplittert, wie die Arbeiterbewegung Deutschlands zu Beginn der faschisti- schen Herrschaft war, gingen ihre Kräfte auch im Raum Jena in den Kampf. Bis Juni 1933 entstanden nach den uns vorliegenden Unterlagen folgen- de Widerstandsgruppen der Arbeiterbewegung.

Unterbezirk Jena der KPD

Wohnbezirke in Jena und Ortsgruppen im Landkreis

Lange vor dem 30. Januar 1933 bereitete die KPD die Illegalität vor. Im Raum Jena wurden u.a. Magnus Poser, Paul Krahn, Michael Fries, Lydia Poser (Or- ban) in gesonderten Kursen für die neuen Bedingungen in der Illegalität geschult und die Mitglieder in besonderen Versammlungen auf die zu erwartende Ände- rung der politischen Arbeit vorbereitet. Zur ersten illegalen Leitung des Unter- bezirkes Jena gehörten: Karl Stankiewicz, Politischer Leiter; Magnus Poser, Organisationsleiter; Lydia Poser (Orban), Kassierer; Otto Kutta, Literatur-Vertrieb. Karl Stankiewicz arbeitete bis zum 30. Januar 1933 in der Bezirksleitung des „Kampfbunds gegen den Faschismus“. Er bekam den Auftrag, den Unterbezirk Jena der KPD in die Illegalität zu überführen. Lydia Poser (Orban) war bis Mitte Januar 1933 in einem von der Bezirkslei- tung eingerichteten illegalen Büro in Erfurt tätig. Der Sitz des Büros wechselte. In ihm wurden Adressen wichtiger Funktionäre und andere Parteiunterlagen aufbewahrt, um sie vor dem Zugriff der Faschisten zu schützen. Auch L. Poser erhielt den Auftrag, illegal in der Unterbezirksleitung in Jena zu arbeiten. Im März stießen zu diesen beiden noch Magnus Poser und Otto Kutta hinzu. 10

Aus der Arbeit: Die Illegalen stellten Flugblätter her und verteilten sie. Ma- gnus Poser gelang es, die Gartenlaube des parteilosen Rentners Max Patzke un- terhalb des Fuchsturms als Arbeitsmöglichkeit zu finden. Er sagte ihm, daß Ma- terialien in der Laube untergestellt werden sollen. Die Ausgabe der Flugblätter fand am Jenzig und an den Teufelslöchern statt. Die Empfänger bekamen dabei den Auftrag, das Material im Wohngebiet und vor allem in den Betrieben zu verteilen. Zum Beispiel hatte Heinrich Ankele, der die Flugblätter für den Wohnbezirk Nord in Empfang nahm, gleichzeitig die Aufgabe, einen Teil davon im Reichsbahnausbesserungswerk (RAW) unterzubringen. Ernst Obstfelder und Paul Kerzel verteilten im Westviertel die Flugblätter. Aufgabe von Otto Kutta war die Annahme und der Weitervertrieb des nun illegalen „Thüringer Volks- blattes“. Der Empfang von Propagandamaterial der Bezirksleitung Erfurt lief über Michael Fries. Deckadressen waren Wilhelm Dahlig und Rudi Ebing. Von Fries wurde das Material an die Leitungsmitglieder und ihre Vertretrer in den Betrie- ben Zeiss und Schott weitergegeben, wobei Brockauf und Willi Schuhmann da- bei eine Rolle spielten. Im April ist Fritz Kalisch von Michael Fries an die Grenze zur Tschechoslowakei bei Klingenthal gebracht worden. Fries half Ka- lisch beim Grenzübergang, der nun in einer Grenzstelle der KPD arbeitete und in der Folgezeit ziemlich regelmäßig Informationen nach Jena schickte. Lydia Poser berichtete u.a. darüber, daß die illegalen Kämpfer Losungen mit Parolen gegen die Nazis auf die Straßen malten. Daraufhin wurden von den Na- zis wahllos Mitglieder der KPD verhaftet, die diese Losungen wegschrubben mußten. Das betraf auch Magnus Poser und August Orban. Erika Gempe berich- tete:

„In der Nähe des Kinos ‚Astoria‘, Unterm Markt, wurde ebenfalls 1933 mit weißer Farbe eine große Faust gemalt.“

Zur Festlegung von Aktionen gab es einen Treffpunkt in der Wohnung von An- na und Paul Seifarth in der Bürgelschen Straße in Jena-Ost. Die kassentechnische Erfassung wurde von Lydia Poser (Orban) mit Hilfe anderer Illegaler durchgeführt. Nur 20 % der Mitglieder der KPD waren damals in Betriebszellen erfaßt, 80 % setzten sich aus Arbeitslosen und Hausfrauen zu- sammen. Die einzelnen Familien mußten zunächst vorsichtig auf ihre politische Einstellung und Verläßlichkeit hin getestet werden. L. Poser berichtete, daß in dieser ersten Zeit nur ganz wenige Kommunisten der Partei untreu wurden. Max Kerzel sagte aus:

„Mit Lydia Poser besuchte ich verschiedene Ortsgruppen im Kreis Stadtro- da, wo wir kassentechnische und politische Angelegenheiten regelten.“ 11

Und das „Porzelliner Echo“ berichtete später:

„Lydia Poser selbst war es, die in Kahla bei Hermann Metzner Geld in Emp- fang nahm, das von den Genossen als illegale Beiträge gesammelt wurde.“

Verbindungen innerhalb des Unterbezirks gab es – entsprechend unserer Unter- lagen – zu: Hermann Mertel und Kurt Fischer in Eisenberg, Walter Konopatzki und Alfred Buhler in Bürgel, Ernst Schulschewski und Willi Hellfritsch in Stadtroda, Karl Stang über Wilhelm Meyer und Paul Brendel in Orlamünde, Karl Taubert über Paul Krahn in Dorndorf. Otto Militzer arbeitete ebenfalls an der Herstellung von Verbindungen im Un- terbezirk. Fritz Schlegel berichtete:

„Ich wurde von Otto Militzer beauftragt, die Orte Bürgel, Eisenberg und Stadtroda mit Druckmaterial zu versorgen und Partei- und Freidenkergelder abzuholen. Fischer fuhr mich mit dem Motorrad dahin.“

Oskar Kind sagte aus:

„Folgendes gehört noch in den Lebenslauf und zwar Zusammenkünfte, die in den Wäldern am ‚Luftschiff‘/Wöllmisse und auf dem Dorlberg bei Großlöbi- chau stattgefunden haben und von Otto Militzer, Jena, geleitet wurden.“

Die Verbindung zur Bezirksleitung (BL) bestand zunächst über Heinz Senthoff, der aber am 7. Juli 1933 verhaftet und am 9. Juli unter unmenschlichen Qualen auf dem Petersberg in Erfurt ermordet wurde, sowie über Josef Riß und Schapi- ro. Die Verbindung zur BL ist danach über Otto Trillitzsch und Hermann Danz wieder hergestellt worden. Von Sommer 1933 bis 13. Januar 1934 war Helene Fleischer Instrukteur für die Unterbezirksleitungen Weimar, Jena, Saalfeld und Rudolstadt. Max Kerzel berichtete:

„Im Grundstück Schillbachstr. 5 (Unter dem Landgrafen) kamen wir die er- ste Zeit regelmäßig mit Heinz Senthoff, Erfurt, zusammen und sprachen über die illegale Arbeit in Jena. An diesen Besprechungen nahmen u.a. teil: Lydia Poser, Minna Schippel und Karl Stankiewicz. […] Auch mit Bernd Bredhorn fanden verschiedene Besprechungen an derselben Stelle statt.“ 12

Es ist anzunehmen, daß Minna Schippel und Michael Fries zur erweiterten Un- terbezirksleitung (UBL) gehörten. Nach einem Bericht von Erich Schiller gehör- te auch Kurt Gempe dazu. Die Mitglieder der ersten illegalen UBL wurden im November 1933 verhaftet. Aus einem Bericht über den Stand und die Entwicklung der Arbeit der KPD in Thüringen vom 30. April 1934 geht hervor: Sehr schwierig war

„das für die Thüringer Organisation verheerende Auftreten des früheren BL- Mitgliedes Thieme, Erfurt, der es kaum glaublicherweise verstanden hat, sich in das Vertrauen der Leitung einzuschleichen, alle Fäden systematisch zu sammeln und zu Papier zu bringen, um dann schlagartig den ganzen Laden hochgehen zu lassen. Dadurch verlor der Bezirk fast seine gesamte aktive Funktionärs-Garnitur. Die Folgen: Untergrabung der Autorität der BL, Ab- sacken der pol. Arbeit, Schwierigkeiten noch und noch in der Reorganisati- on, Funktionärsmangel, stellenweise direkte Ablehnung einer weiteren Zu- sammenarbeit mit der BL und sogar Verweigerung der Kassierung, ein Rat- tenschwanz von Prozessen in ganz Thüringen, in denen Thieme sämtlich als Kronzeuge auftritt. Bisher wurden schon über 100 Jahre Zuchthaus und Ge- fängnis verhängt. […] Mit folgenden UBL hält die BL laufend Verbindung: […] Jena, […].“

Nach diesem schweren Schlag und dem Verlust der ersten illegalen Unterbe- zirksleitungen Weimar, Jena, Saalfeld und Rudolstadt wurde die Arbeit von Minna Schippel bis zu ihrer Verhaftung am 12. Mai 1934 weitergeführt. Danach bildete sich ein Zentrum um Kurt Gempe, Erich Nacke und Paul Jährling. Vgl. Quellenangaben zum Stadtgebiet Jena: ThStA R, VdN Akten: Nr. 06/39 Karl Stankie- wicz; Lydia Poser: ThStA R, VdN-Nr.06/33: Otto Kutta: ThStA R, VdN-Nr. 06/33; [Im Fall der Aktenbezeichnungen von Lydia Poser und Otto Kutta gibt es gleiche VdN- Archivnummern, da sie in ein und derselben Akte erfaßt wurden. Dies betrifft später auch die VdN-Akten von Ernst Obstfelder und Rudolf Olm. H.G.] Paul Kerzel: ThStA R, VdN-Nr. 06/23; Max Kerzel: ThStA R, VdN-Nr. 06/23; Paul Seifarth: ThStA R, VdN-Nr. 06/36; Mi- chael Fries: ThStA R, VdN-Nr 06/12; Wilhelm Dahlig: ThStA R, VdN-Nr. 06/07; Walter Kutta: ThStA R, VdN-Nr. 06/25; Ernst Schulschefski: ThStA R, VdN-Nr. 03/45; Minna Schippel: ThStA R, VdN-Nr. 06/37; Otto Hagenauer: ThStA R, VdN-Nr. 05/02; Paul Wild- ner: ThStA R, VdN-Nr. 06/61; Fritz Schlegel: ThStA R, VdN-Nr. 06/59; Oskar Kind: ThStA R, VdN-Nr. 01/10; ThHStA W. Bezirkstag und Rat des Bezirkes Erfurt. Abteilung für Ge- sundheits- und Sozialwesen, VdN-Akte Walter Konopatzki, und Paul Krahn; Karl Stang, OdF-Akten in: Stadtverwaltung Jena; ThHStA W., Thür. Justizministerium, Titel 8, Nr. 1297, Urteil Fries sowie Nr. 1302, Urteil zu Kutta, Orban, Poser, Stankiewicz; ThStA G., Gräfen- tonna Nr. 172, betr. Haft Orban und Nr. 53, Haft Fleischer; Stadtmuseum Jena, IV, 2 D 33– 45; Fritz Merten: Gespräch mit K. Stankiewicz vom 2. Februar 1960, in: BACZ J–T; Erich Schiller: Aus der illegalen Arbeit [SAP/SAJ] 1933–1945. 1947, Abschrift in: PA H.G.; Alfred Buhler: Bericht sowie Kurt Fischer: Lebensläufe. Abschriften in: PA H.G.; Oechsner/Leutsch: Lebensbild Michael Fries; Lydia Poser: Bericht und Brief vom 6. Dezember 1981 an Ruth 13

Grimm sowie Hermann Mertel: Lebenslauf, alles als Abschriften in: PA H.G; Erika Gempe: Erinnerung vom 16. November 1985; Protokoll und Bericht über Stand und Entwicklung der Arbeit in Thüringen vom 30. April 1934, Repro, in: PA H.G.; „Porzelliner Echo“, Nr. 7, Kah- la, Mai 1983.

Nach den uns vorliegenden Unterlagen arbeiteten seit März 1933 in den Stadtteilen Jenas folgende Gruppen der KPD:

Jena-Nord:

Ernst Hagemann, Anna Gase, Konrad Strampfer, Ilse Gase, Josef Mose, Martha Pätz, Kurt Nitsche.

Sie stellten Flugblätter her und verteilten sie. Der Abziehapparat war bei Anna Gase, St.-Jacob-Straße, auf dem Boden versteckt. A. Gase verteilte auch illegale Parteizeitungen und arbeitete für die Rote Hilfe. Das Flugblatt „Vorwärts! Trotz alledem“ wurde von dieser Gruppe herge- stellt. Führend dabei war Ernst Hagemann. Bei der Verteilung der Flugblätter wurde eine junge Antifaschistin von den Nazis gestellt. Sie gab die Aktion preis. Dadurch kam es zur Verhaftung von Ernst Hagemann. Der Abziehapparat mußte verlagert werden. Einige Zeit später wurden auch die anderen Mitglieder der Gruppe verhaftet. Im Stadtteil Nord arbeitete Heinrich Ankele aktiv weiter in seiner Zehner- gruppe der KPD und für die Rote Hilfe. Wilhelm Meyer, Karl und Gerda Stöbe kamen regelmäßig in der Wohnung der Stöbes zusammen und hörten den Moskauer Rundfunk. Sie diskutierten dar- über und gaben Nachrichten in Betrieben weiter. Stöbes wurden denunziert und mußten die Dienstwohnung räumen. 1936 war Karl Stöbe zu sechs Monaten Ge- fängnis mit Bewährung bis 1939 verurteilt worden. Danach wurde er ständig zur Polizei vorgeladen und durch die Gestapo überwacht. Vgl. Anna Gase: ThStA R, VdN-Nr. 06/13; Josef Mose: ThStA R, VdN-Nr. 06/30; Konrad Strampfer: ThStA R, VdN-Nr. 06/41; Heinrich Ankele: ThStA R, VdN-Nr. 06/01; Karl Stöbe: ThStA R, VdN-Nr. 03/48; ThHStA W., Thür. Justizministerium, Titel 8, Nr. 1293, betr. Urteil Hagemann sowie Nr. 1296 und 1297; Anklage und Urteil zu Strampfer, Mose, Nitsche, Pätz, Gase; ThStA G., Gräfentonna Nr. 180, Akte Pätz und Nr. 127, Akte Pipphard.

Jena-Ost:

Paul Jährling, Walter Sänger, Josef Wanzek, Heinrich Wostrack, Hans Kläsener, Gustav Heinrich, Kurt Töpfer, Wilhelm Bischoff.

Nach einem Bericht von Josef Wanzek wurden zur Arbeit auch junge Mitglieder der SAP hinzugezogen, z.B. Helmut Butze, Robert Möser und Heinz Sondhaus. 14

Wilhelm Bischoff arbeitete im Bootshaus der Universität Jena, wo es einen kommunistischen Treffpunkt gab. Hier wurde die politische Lage beraten und mit Studenten diskutiert. In der Werkstatt der Segelflieger, Seidelstraße, kam es ebenfalls zu Diskussionen mit jungen Arbeitern und Studenten. Auch in dieser Gruppe wurden Flugblätter hergestellt und verteilt, Schreibmaschinen, Papier und Waffen organisiert. Frau Wostrack teilte mit:

„Die Mitglieder der Widerstandsgruppe kamen besonders bis 1939 auch hin und wieder in unsere Wohnung […]. Besonders in der Zeit, wo in Spanien der Aufstand war, wurden, wie ich sah, Karten ausgelegt und die Lage sehr eingehend besprochen. Auch Schreibmaschinen, die in unserem Gartenge- lände versteckt wurden, wie auch Papier brachte Paul Jährling und holte sie auch wieder. Auf den Maschinen schrieb mein Mann oft die ganze Nacht Flugblätter, die dann mit großer Gefahr von der Gruppe verteilt wurden.“ Vgl. Gustav Heinrich: ThStA R, VdN-Nr. 06/17; Josef Wanzek: ThStA R, VdN-Nr. 06/43; Wilhelm Bischoff: ThStA R, VdN-Nr. 06/05; Paul Jährling: ThStA R, VdN-Nr. 06/52; Hein- rich Wostrack: Bericht, in PA H.G.; Volkswacht, Gera, 3. Oktober 1957 und 21. Juli 1964.

Heimstätten:

Albert Bauer, Alfred Langenberg, Robert Witzmann, Oskar Koch, Genn. Weiß- barth, [?] Zipproth, Richard Kreil, Paul Jährling, [?] Bohm, Otto Merker, Alfons Leißner.

Albert Bauer berichtete:

„Nur ein schwacher Kern von alten Kommunisten wurde durch meine Kas- sierertätigkeit, die ich im Rahmen der ‚Meißener Kasse‘ durchführte […] zu- sammengehalten. Wir mögen an die 10 gewesen sein.“

Die Treffen fanden in Wohnungen und auf Spaziergängen statt. Diskussionen gab es über die außen- und innenpolitischen Ereignisse genügend. Gute Verbin- dungen bestanden zu Kurt Gempe, der Verwandte in diesem Stadtteil hatte. Die Abrechnung der gesammelten Gelder erfolgte an Karl Kippker, Lichtenhain. Über den Vertrieb von Materialien der KPD-Bezirksleitung für den ganzen Bezirk seit Frühjahr 1934 berichtete Albert Bauer:

„Es war Minna Schippel, die […] uns erstmalig mit Literatur für den ganzen Bezirk versorgte, wozu auch das damals vielbesprochene ‚Braunbuch‘ gehörte, das in Miniaturausgabe vertrieben wurde. Wir machten Päckchen und verschickten diese von verschiedenen Poststellen aus an die noch bestehenden Ortsgruppen im Bezirk.“ 15

Richard Kreil verteilte, in Milchkannen versteckt, beim Austragen von Milch illegale Literatur. Das bestätigte Michael Fries. Richard Kreil hatte Verbindung zu einem Goldenen-Parteiabzeichen-Träger der Nazis, erfuhr von ihm wichtige Vorhaben der NSDAP und gab diese Nachrichten an Magnus Poser weiter. Das wurde durch Wilhelm Meyer bestätigt. Vgl. Albert Bauer: in: ThrStA R., VdN-Nr. 06/02; Richard Kreil: in: ThStA R, VdN-Nr. 06/25; Albert Bauer: Bericht vom 7. Dezember 1950, in: PA H.G.

Ortsteil Lichtenhain:

Otto Militzer, Willy Nürnberger, Rudolf Schammer u.a.

Die Zusammenkünfte fanden in den Wohnungen von Militzer und Schammer statt. Hier sind Informationen ausgetauscht und ist die politische Lage analysiert worden. Außerdem gab es Treffen in den Wäldern der Wöllmisse und auf dem Dorlberg, hier vor allem mit Kommunisten aus Eisenberg und Bürgel. Andere Verbindungen gab es nach Bürgel, Eisenberg, nach Stadtroda über Fritz Schle- gel, nach Gera über Paul Müller und nach Pößneck über Willy Nürnberger. So kam auch das „Braunbuch“ von Jena nach Pößneck zu Friedel Wild. Paul Müller übergab Otto Militzer das illegale Material „Die Rote Fahne“ und „Die Gewerkschafts-Internationale“ im Kleinformat. In der Folge holte Otto Militzer illegales Material bei der Mutter von Paul Müller und bei dessen Bruder im Garten ab. Er gab das Material zur Verteilung an Willy Nürnberger weiter. Zu Alfred Weißköppel, Richard Zimmermann und Max Härzer bestanden Ver- bindungen, seit 1936 auch zu Magnus Poser. Vgl. Otto Militzer: Bericht, in: PA H.G.; Fritz Schlegel: ThStA R, VdN-Nr. 06/59; Oskar Kind: ThStA R, VdN-Akte 01/10; Rudolf Schammer: Bericht über seinen Schwager Otto Mi- litzer, in: BACZ J–T; StaA J., Bestand Y 16: Anklageschrift gegen Militzer; ThStA Meinin- gen. Untermaßfeld Nr. 953, Akte Militzer.

Die folgende Gruppe setzte sich aus aktiven RFB-Mitgliedern zusammen. Nach der Verhaftung von Max Grande führten sie ihre Arbeit fort, die in der Folgezeit mit der Arbeit der Gesamtpartei verschmolz. Da einige Kommunisten in Lich- tenhain wohnten und dort auch die Besprechungen stattfanden, wird diese Gruppe unter dem Stadtteil Lichtenhain mit genannt:

Kurt Gempe, Paul Bornmann, Max Grande, Karl Stange, Karl Kippker, Hans Kläsener, Willy Nürnberger, Hans Kröber.

Kurt Gempe leitete die Gruppe, aber bis zu seiner Verhaftung am 16. Juli 1933 war Max Grande der Leiter dieser Gruppe. Besprechungen fanden in der Woh- nung von Paul Bornmann, Lichtenhain, Lützowstraße 24, statt. Die Gruppe stell- te Flugblätter her und verteilte sie, vertrieb auch Zeitungen und Flugblätter des 16

RFB. Hauptaufgabe dieser Kommunisten war der Schutz der KPD und ihrer Funktionäre vor dem Zugriff der Nazis. Sie besorgten illegale Quartiere, küm- merten sich um die Verwahrung von Waffen und, wenn es notwendig wurde, um deren Umlagerung. Vgl. Paul Bornmann: ThStA R, VdN-Nr. 06/06; Hans (Helene) Kläsener: ThStA R, VdN-Nr. 06/ 23; Hans Kröber, ThStA R, VdN-Nr. 06/25; Otto Schmidt: Bericht über Gespräch mit Hans Kröber vom 15. November 1985, in: PA H.G.

In Lichtenhain gab es auch noch eine antifaschistische Gruppe, die von Kurt Gempe angeleitet wurde. Ihr gehörten an:

Kurt Gempe (KPD), Arthur Große (KPD), Dr. Jobst (Demokrat), Walter Große (SPD), Dr. Apell (Demokrat), Bruno Gerstenberger (SPD), [?] Seiffert (SPD).

Die Zusammenkünfte fanden in der ersten Zeit im Gartenhaus von Arthur Gro- ße, Lichtenhain, Mühlenstraße 131, statt. Die Antifaschisten hörten den Mos- kauer und den Londoner Sender und werteten die Nachrichten in der Gruppe aus. Kurt Gempe brachte illegales Material mit, das ebenfalls diskutiert und aus- gewertet wurde. Die gesammelten Geldbeträge für die Rote Hilfe und für die KPD wurden an Kurt Gempe übergeben. Nach der Einberufung von Kurt Gempe zur Wehrmacht (1939) hat sich die Gruppe aufgelöst. Arthur Große kam zur Betriebsgruppe Schott in die Gruppe von Walter Kutta und Gustav Zimmermann, Walter Große zur Zeiss-Gruppe von Heiner Stock. Vgl. Arthur Große, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/15; Walter Große, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/15.

Schottviertel:

Hugo Kolk (KPD), August Orban (KPD), Adolf Theel (KPD), Karl Bähring [Neffe] (KPD), Arno Weiß (KAP), Karl Franke (?),Elfriede Adam (KPD-O), Karl Länz (SPD), Richard Näder (KPD).

Leiter der Gruppe war Hugo Kolk. Sein Garten war Treffpunkt für die Gruppe. Unmittelbar daneben lagen die Gärten von Orban und Theel. Wo die heutige Tatzendpromenade auf die Prof.-Ibrahim-Straße (jetzt: Forstweg) stößt, lag der Garten von August Orban, drei Gärten weiter, nach der Waldseite zu, folgten die Gärten von Adolf Theel und Hugo Kolk. Unter dem großen Kirschbaum im Gar- ten von Hugo Kolk wurden, bei einer Flasche Bier und getarnt durch Kartenspiel usw., Besprechungen und Sitzungen durchgeführt. Zur Information war in der Gartenlaube ein Detektor angebracht, der mit ei- nem Radio, das von K. Bähring (Neffe) in die Liege eingebaut wurde, verbun- den war. Nach jedem Abhören ausländischer Sender, sind die Buchsen am De- tektor umgesteckt worden. Vom Radio in der Liege wußten nur Kolk und Bäh- 17 ring (Neffe). So hatten die Antifaschisten ziemliche Klarheit über die politische und später auch über die militärische Lage. In den Gärten wurden zunächst bei Orban und später bei Theel Waffen ver- steckt. Im Jahre 1963 wurden im Beisein von Hugo Kolk zwei Gewehre aus der Rückwand der Theelschen Laube hervorgeholt und der Volkspolizei übergeben. Hinter den Gärten verlief ein kleiner Pfad. Tauchte Magnus Poser im unteren Garten seines Schwiegervaters (August Orban) auf, so begab sich Hugo Kolk hinter seine Laube und erwartete dort Magnus Poser, der ihm Informationen und Material übergab. Sonntags nachmittags wurden Spaziergänge auf dem durchgeführt. Diese endeten zumeist mit einem Abendbrot im Schreberheim Forst. Antifaschisten, die sich Aufklärung holen wollten, trafen auf diesen We- gen mit Hugo Kolk zusammen. Mit Genossen, die von außerhalb kamen, wurde sonntags früh ein Treff auf dem Forst an der Schönemann-Eiche vereinbart. Hu- go Kolks Verbindungen reichten weit ins Thüringer Land. In Jena gab es Ver- bindungen zu Fritz Schlegel, Albert Bauer, Willi Gebhardt, Bernhard Gase und Hermann Eisenmann. Vgl. Karl Bähring: Lebenslauf und Hermann Eisenmann: Bericht in BACZ J–T; Über die Tätigkeit von Hugo Kolk während der Nazizeit s. Bericht von Karl Bähring, in: BACZ J–T; s. ferner: Gespräch von Heinz Grün mit Frau Wörfel (Gartennachbarin) vom 1. November 1986, Bestätigung durch Herrn Böhrk vom 1. November 1986, den jetzigen Besitzer des Gartens von A. Theel vom 1. November 1986; Gespräch von Anneliese Grün mit Elfriede Adam im September 1986; alle Protokolle in: PA H.G.

Jena-West:

Walter Kutta war bis 1934 Zellenleiter und Kassierer der Zelle Jena-West der KPD. Er empfing Flugblätter von Lydia Poser (Orban) an den Teufelslöchern. Sie wurden im Stadtteil und in Betrieben verteilt. In der Gruppe ist auch für die Rote Hilfe gesammelt worden. Verbindungen gab es zu den Kommunisten Hein- rich Ankele, Paul Förster, Kurt Gempe, Michael Fries, Wilhelm Meyer und Jo- sef Wanzek. Vgl. Walter Kutta: Unterlagen in: ThStA R, VdN-Nr. 06/25.

Im Jahre 1933 traf sich wöchentlich eine Frauengruppe in Jena-West. Die Frau- en standen allein da, weil ihre Männer von den Nazis verhaftet worden waren. Zu diesen Frauen gehörten Elsa Zimmermann, Lina Spindler, Erna Grande, Ruth Black (eine Schwester von Magnus Poser), Anna Härzer und Liesbeth Adam, die Frau von Willi Gebhardt. Vgl. Unterlagen von Richard und Else Zimmermann, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/46.

18

Löbstedt-Zwätzen:

Paul Krahn, Richard Matschy, Fritz Friedel, Fritz Gerlach, Karl Bohne.

Leiter der Gruppe war Paul Krahn. Die Gruppe kam zusammen, um Informatio- nen auszutauschen und Diskussionen über die politische Lage zu führen. Es wurden Sammlungen durchgeführt, Zeitungen und Broschüren verkauft sowie Flugblätter verteilt. Paul Krahn schrieb später in seinem Lebenslauf:

„Im Jahre 1933 fertigte ich mit Fritz Friedel und Karl Bohne auf meiner Rei- seschreibmaschine ‚Erika‘ drei bis vier verschiedene Flugblätter an. Sie wurden in Jena verteilt.“ Vgl. ThHStA W. Bezirkstag und Rat des Bezirkes Erfurt. Abteilung für Gesundheits- und Sozialwesen, VdN-Akte Paul Krahn.

Carl Zeiss Jena:

Die Verbindungen der Jenaer KPD zu Arbeitern und Angestellten der Firma Carl Zeiss wurden vor allem über folgende Kommunisten gehalten: August Or- ban, Hugo Kolk (T-Dr. 1), Karl Bähring (Onkel und Neffe), Richard Näder, Ernst Obstfelder (Tra), Fritz Creutzburg, Otto Merker (Mikro), Kurt Zier, Paul Krahn (Geo VF), Hans Näder, Alfred Erler, Willi Dippmann (Endmeßwerk- statt), Max Langheinrich, Willi Nürnberger, Max Porstendorfer, Fritz Schlegel, Otto Schmidt, Gerhard Reinhold, Jochen Riedel (alle OFKi), Franz Gernhard, Felix Fuchs (T-Dr. 1) sowie Hermann Sander (T-Dr. 4). Im Oktober 1933 waren bei Zeiss wieder etwa 40 Genossen aktiv. Es wurden Flugblätter und die Betriebszeitung der KPD „Zeiß-Prolet“ verteilt. Der Leiter der RGO Thüringens, Ernst Busse, verfaßte im Juli 1933 ein Flugblatt „Arbeiter der Zeiß-Werke Jena“, das zum Aufbau unabhängiger Klassengewerkschaften aufrief. Trotz Spitzeltätigkeit und eifriger Nachforschungen konnten die Polizei und die Geschäftsleitung des Zeiss-Werkes der Flugblattverteiler nicht habhaft werden. Um wenigsten einen kleinen Erfolg verbuchen zu können, veranlaßte der Geschäftsleiter August Kotthaus die Verhaftung führender Kommunisten. Lydia Poser erinnerte sich:

„Die GL der Firma Zeiß wandte sich an die Politische Polizei, nannte Na- men von alten Kommunisten und bat, dieselben zu verhaften, um dem Ausle- gen von Flugblättern Einhalt zu gebieten. Das brachte mit sich, daß die Ge- nossen Fritz Creutzburg, August Orban, Albert Hoffmann in ‚Schutzhaft‘ ge- nommen wurden. Diesen Genossen, die an die 50 Jahre alt waren, konnte man nicht klein bekommen. Wenn man am Amtsgericht vorbeiging, hörte man sie Arbeiterlieder singen.“ 19

„Von 1933 bis ca. 1940 hatte Hermann Eisenmann (parteilos) zu folgenden Kommunisten bei Zeiss Verbindung: Paul Handwerk, Kurt Adam, Rudolf Zänker, Rudolf Schwimmer, Willi Weigel, Otto Schmidt, Gerhard Reinhold und Jochen Riedel. Sie trafen sich zu politischen Gesprächen im Garten und in der Wohnung von Paul Handwerk und in der Wohnung von Lotte und Otto Schmidt in der Forsthohle. In der Wohnung der Schmidts wurde marxistische Literatur studiert. Als Vorwand für die Treffs galten Themen, wie Skilaufen, Fotografie u.a.“ Vgl. Alfred Erler: ThStA R, VdN-Nr. 06/10; Walter Große: ThStA R, VdN-Nr. 06/15; Hans Näder: ThStA R, VdN-Nr. 06/31; Kurt Zier: ThStA R, VdN-Nr 06/46; Max Porstendorfer: ThStA R, VdN-Nr.06/32; Ernst Obstfelder: ThStA R, VdN-Nr. 06/31; Hermann Müller: ThStA R, VdN-Nr. 05/31; Max Langheinrich: ThStA R, VdN-Nr. 06/54; Fritz Schlegel: ThSt A R. VdN-Nr. 06/59; Otto Militzer: Bericht zu Willi Nürnberger, in: PA H.G.; ThHStA W. Bezirkstag und Rat des Bezirkes Erfurt. Abteilung für Gesundheits- und Sozialwesen. VdN- Akte Paul Krahn; ThHStA W. Thür. Justizministerium, Titel 8, Nr. 1296, Urteil zu Willi Dippmann; Berichte von Karl Bähring (Neffe), Hugo Kolk, Fritz Creutzburg, Hermann Ei- senmann, Otto Schmidt: in: BACZ J–T; Lydia Poser: Bericht, Abschrift in: PA H.G.

Jenaer Glaswerk Schott & Gen.:

Zu Arbeitern und Angestellten dieses Werkes hatte die KPD Verbindungen über Kurt Gempe, Arthur Große, Gustav Heinrich, Werner Diener, Arthur Dietrich, Edmund Adam, [?] Friedrich u.a. Im Frühjahr 1933 wurden mehrere kommuni- stische Zellen gebildet, darunter eine mit:

Alfred Vollrath, Rudi Holbach, Richard Matschy, Käthe Haas, Kurt Gempe, Er- na Grande, Kurt Adlung.

Leiter der Gruppe war Alfred Vollrath. Er berichtete.

„Die Hauptaufgabe der Gruppe bestand darin, die Werktätigen im Betrieb über die wirklichen Ursachen und Ziele des Hitlerfaschismus aufzuklären. Da die Mitglieder eifrige Hörer der ausländischen Sender waren, besonders des Moskauer Rundfunks, war es ihnen immer möglich, die neuesten Nach- richten zu verbreiten. Den einzelnen Genossen kamen dabei ihre günstigen Arbeitsplätze zugute: Kurt Gempe arbeitete als Schmied, Käte Haas in der Betriebspost, Rudi Holbach in der Transportkolonne.“

Weitere Aktivitäten betrafen das Fernbleiben von Nazi-Kundgebungen und De- monstrationen, das Lächerlichmachen des Hitlergrußes. Die Geldsammlungen für eingekerkerte Kommunisten wurden Heinrich Ankele übergeben. Gustav Heinrich sagte in Bezug auf den 1. Mai: 20

„Die rote Fahne auf der Esse im Jenaer Glaswerk hatte die Nazis schwer ge- troffen, [es] hätte den Tod bedeutet, wenn sie gewußt hätten wer […]“ Vgl. Kurt Gempe: ThStA R, VdN-Nr. 06/13; Arthur Große: ThStA R, VdN-Nr 06/15; Gustav Heinrich, ThStA R, VdN-Nr. 06/17; Walter Kutta: ThStA R, VdN-Nr, 06/25; Werner Diener: ThStA R, VdN-Nr. 06/48; Arthur Dietrich, in der Akte von: Edmund Adam: ThStA R, VdN- Nr. 06/47; Alfred Vollrath und Gustav Heinrich: Berichte, in: BACZ J–T; Fritz Merten: Der antifaschistische Widerstandskampf in Jena 1933–1945, FSU J–A, F, I, Nr. 2727.

Zum Reichsbahnausbesserungswerk (RAW) in Jena bestanden politische Kon- takte über Heinrich Ankele. Vgl. Lydia Poser: Brief an Ruth Grimm vom 6. Dezember 1981, in: PA H.G.

Seit 1933 sind relativ viele aus Gefängnissen und aus dem KZ entlassene Anti- faschisten in folgenden Betrieben beschäftigt gewesen: • Jenaer Friedhof (z.B. Heinrich Ankele, Max Härzer, Elsa Rudolf, gesch. Creutzburg und Konrad Strampfer). • Prea-Gesellschaft (Preßluft & Apparatebetrieb Müller und Neumann), jetzt: Tümplingstraße in Jena-Ost (Hier arbeiteten u.a. Willi Arnold, Rudolf Olm, Walter Konopatzki, Paul Jährling und Ernst Martin). • Mechanische Werkstatt Otto Hoffmann, Jansonstraße (z.B. Ernst Obstfelder, Heinz Seidel, Paul Jährling, Erich Matthes). Der Zeiss-Technologe Werner Schubert (SPD) hatte diese Werkstatt von O. Hoffmann als Zulieferbetrieb für Zeiss gewonnen und versorgte ihn von 1933 bis 1941 mit verschiednen Aufträgen, so dass auch einige ehemalige Zeiss-Arbeiter, Antifaschisten, die aus Gefängnissen kamen, dort arbeiten konnten. • Firma Junghenn, (z.B. Richard Zimmermann). Diese Firma befand sich in demselben Haus wie die Firma Otto Hoffmann, so daß Kontakte zu anderen Gleichgesinnten möglich waren. • Zur Buchhandlung Rudolf in Jena hatte Josef Wanzek gute Verbindungen. Er war von 1936 bis 1940 dort beschäftigt. • Seit Herbst 1937 trafen sich im Cafe Westend folgende Antifaschisten: Rolf Reitmeier (parteilos), Willy Arnold (KPD-O), Rudolf Olm (KPD-O), Herta Näder, Kurt Zier (KPD), Rudi Döpel (KPD-O), Heinrich Lösche (SPD). Die Treffs wurden abgesichert durch den Kellner Ernst Höllein, dem Bruder von Emil Höllein. In den Betrieben traten die Kommunisten untereinander in Erfahrungsaustausch und waren in gegenseitiger Hilfe mit den Antifaschisten der KPD-O, der SAP/SJV und der SPD verbunden. Vgl. Max Härzer: ThStA R, VdN-Nr. 06/16; Werner Schubert: ThStA R, VdN-Nr. 06/38; Ernst Obstfelder: ThStA R, VdN-Nr. 06/31; Rudolf Olm: ThStA R, VdN-Nr. 06/31; Josef 21

Wanzek: ThStA R, VdN-Nr. 06/43; Willi Arnold: Bericht. Abschrift in: PA H.G.; Rolf Reit- meier: Bericht, im BACZ J–T.

Die uns vorliegenden Unterlagen weisen nach, daß sich die Leitung der Jenaer KPD in der ersten Zeit des illegalen Kampfes noch auf die in den Stadtteilen bestehenden Parteigruppen stützte. Sie hatte die Illegalität zwar z.T. schon vor dem 30. Januar 1933 vorbereitet, doch in der Praxis brauchte es eine längere Zeit, bis die konspirativen Regeln von allen erfaßt und streng angewendet wur- den. Auch deshalb brachten ihr die Jahre 1933 und 1934 hohe Verluste. Auch andere Ortsgruppen des KPD-Unterbezirks Jena nahmen die illegale Ar- beit auf. Dazu gehörten in Bürgel:

Willi Stempel, Alfred Becker, Arthur Börner (SPD), Walter Konopatzki, Franz Körner (SPD), Oskar Kind, Walter Preller, Alfred Buhler, Kurt Härtel, Richard Heinz, Herbert Seeliger, Karl Kurt, Werner Krause, Elsa Seeliger, geb. Buhler, Otto Böttner.

Willi Stempel war bis zu seiner Einberufung im Jahre 1939 der politische Leiter dieser Gruppe. Danach übernahm Walter Konopatzki die Leitung. Die Verbin- dungen nach Jena und Eisenberg hielten zunächst Alfred Buhler und Walter Ko- nopatzki. Buhler erhielt Informationen und Material durch Magnus Poser, Max Härzer, Josef Wanzek, Erich Kops, Hans Beck und Willy Gebhardt. Oskar Kind nannte in diesem Zusammenhang auch Militzer. Walter Konopatzki hatte in der Anfangszeit Verbindungen zu Max Grande, Michael Fries, Hans Kläsener und Kurt Gempe. Durch Bürgeler Kommunisten wurden ziemlich regelmäßig Infor- mationen und Material (so auch „Die Rote Fahne“ in Miniaturausgabe und die Broschüre über den Reichstagsbrand) nach Eisenberg weitergegeben an Her- mann Mertel, Fritz Mainka, Alfred Eberhardt, Gottfried Schlegelmilch, Emil Baumgarten und Bartholomäus Muckoff. Solche Verbindungen bestanden bis etwa 1937 bzw. 1939. Danach übernahm Walter Konopatzki entsprechende Kontakte zwischen Jena, Bürgel und Eisenberg. Bis ungefähr 1937 existierten von Bürgel aus auch Verbindungen nach Hermsdorf (Heller), Klosterlausnitz und Stadtroda (Schulschefski). Stützpunkte gab es in den Dörfern Thalbürgel, Gniebsdorf, Nausnitz, Pox- dorf, Graitschen, Droschka, Serba, Rockau und Tautenburg, so zu den Kommu- nisten Friedrich, Konopatzki, Stubenrauch, Krause, Hetzer, Kurat und Zwacka. Die Gebrüder Böttner hörten den Moskauer Sender und gaben Nachrichten an Antifaschisten weiter. Das Ehepaar Seeliger sorgte sich um Verbindungen der Kommunisten untereinander. Walter Konopatzki war in dieser ersten Zeit auch verantwortlich für die sog. „E“-Gruppen (E = Organisationsform im RFB seit Ende 1931/Anfang 1932). Es 22 gab zwei Zusammenkünfte bei Oskar Kind, an denen auch Magnus Poser teil- nahm. Vgl. ThHStA W., Bezirkstag und Rat des Bezirkes Erfurt. Abteilung für Gesundheits- und Sozialwesen, VdN-Akte Walter Konopatzki; Oskar Kind, VdN-Akte, in: ThStA R, VdN-Nr. 01/10; Alfred Buhler: Bericht. Abschrift, in: PA H.G.; Frau und Kinder Konopatzki: Biogra- phie Walter Konopatzki vom 16. Juni 1977, Abschrift in: PA H.G.

Eisenberg:

Kommunistische Antifaschisten waren u.a.:

Georg Kunze, Walter Sittner, Hermann Mertel, Ernst Arsand, Kurt Fischer, Kurt Sturm, Alfred Eberhardt, Max Pilling, Albert Schmidt, Paul Möser, Karl Obst, Walter Kopffleisch, Fritz Mainka, Ernst Preller, Kurt Prüfer, Emil Baumgarten, Paul Bergner, Fritz Stumpf, Fritz Schild, Bartholomäus Muckoff, Rudi Wilsdorf.

Zur Überführung der Partei in die Illegalität fanden drei Treffen statt: An der Kastanie, am Thiemendorfer Weg und in der Beuge. Hier wurde die Lage be- sprochen und beschlossen, einen neuen „Kopf“ der Partei zu schaffen, da Kunze und Obst zu sehr von den Nazis beobachtet wurden. Kunze gab im März 1933 Kurt Fischer den Auftrag, illegale Dreiergruppen zu bilden. Dieser nahm zu Hermann Mertel engere Verbindungen auf. Mertel übernahm die politische, Fischer die organisatorische Leitung der Eisenberger Gruppe. Zum engeren Kreis dieser Leitung gehörten weiter Alfred Eberhardt und Albert Schmidt. In der Folgezeit entstanden acht Dreiergruppen:

1. Herbert Hempel, Erich Petzold, Kurt Fischer. 2. Karl Zingel, Rudolf Feller (SPD), Walter Sittner. 3. Albert Schmidt, Walter Kuse, Walter Kopffleisch. 4. Max Pilling, Kurt Sturm, Paul Möser. 5. Hermann Mertel, Fritz Schild, Karl Schild. 6. Paul Pochner, Otto Martin, Albin Födisch. 7. Ernst Preller, Paul Preller, Max Horn. 8. Ernst Arsand, Erich Theiler, Wilhelm Bräunlich.

In diesen Dreiergruppen erfolgte auch die Schulung und Ausbildung der Mit- glieder. Kunze war in Eisenberg zu bekannt und mußte im Hintergrund bleiben. Er besaß einen kleinen Tabakladen, den die Antifaschisten bei Bedarf anlaufen konnten. Er wurde im Dezember 1941 verhaftet und im Juli 1942 ermordet. Bisher war Karl Obst Verbindungsmann zum Unterbezirk Jena gewesen. Als Porzellanmaler betrieb er nebenher ein kleines Geschäft mit Fotoapparaten. Da er ebenfalls bespitzelt wurde, konnte ihn von Jena niemand mehr anlaufen. Da- für übernahmen Hermann Mertel und Kurt Fischer bis 1935 die Verbindungen 23 nach Jena. Danach existierten die Kontakte dorthin über die in Bürgel wohnen- den Alfred Buhler und Walter Konopatzki. Aus einem Bericht von Mertel:

„Nachdem die führenden Mitglieder der KPD im April 1933 [Mainka spricht von Ostern 1933 – das war am 16./17. April 1933; H.G.] aus der Schutzhaft wieder entlassen waren, nahmen wir die Verbindung mit dem Unterbezirk der KPD Jena wieder auf und haben so in verschiedenen illegalen Gruppen sowohl Flugblätter als auch anderes Material vom Unterbezirk Jena als auch von der Ortsgruppe Zeitz der KPD in den Jahren 1933 bis 1935 nach Eisen- berg eingeschleust und dort in nächtlichen Einsätzen unter die Bevölkerung gebracht.“

Das bestätigte Hans Stöckel. Er schrieb:

„Auch die Verbindungen nach Gera waren nicht abgerissen, die aus der Zeit bestanden, da die Ortsgruppen der Jugend zum Unterbezirk Gera gehörten.“

Walter Sittner aus Eisenberg hielt die Kontakte zu Ernst Prüfer in Krossen auf- recht. Zur Vervielfältigung von Materialien in Eisenberg schrieb Hermann Mer- tel:

„Die beiliegende Abschrift über eine Verhandlung vor dem Schöffengericht in Jena, in welcher Bartholomäus Mukoff und meine Wenigkeit angeklagt waren wegen der Herausgabe einer durch Abziehapparat hergestellten Zei- tung ‚Die rote Einheit‘, zeigt, daß wir den Abziehapparat, den die örtliche Gruppe der KPD Eisenberg schon in der legalen Zeit zur Verfügung hatte, rechtzeitig vor dem Zugriff der faschistischen Schergen sicherstellten und ihn weiter verwendeten, um die politische Arbeit in der Bevölkerung fortsetzen zu können.“

Fritz Mainka gab am 16. November 1961 für Albert Schmidt folgende Erklärung ab:

„Als Ende des Jahres 1932 die Leitung des UB Jena durch Max Härzer uns beauftragte, alle Vorbereitungen zu treffen, die Illegalität vorzubereiten, er- hielt Albert Schmidt den Auftrag, eine illegale Druckerei einzurichten. Die Druckerei bestand bis September 1933 in Oberbodnitz Nr. 18.“

Und am 17. November 1961 schrieb Hermann Mertel, Grevesmühlen, dazu:

„Ich kann Euch sagen, daß in Eisenberg u.a. auch Schmidt, Albert, 1933 bei der Machtübernahme in Schutzhaft kam. […] Auch an der illegalen Arbeit 24

hat Albert Schmidt bis ca. 1935 teilgenommen. Soweit ich mich entsinnen kann, war damals bei seiner Mutter, welche auf einem Dorf bei Kahla wohn- te, ein Anlaufpunkt. Sein Schwager Kuse holte als Kurier von dort das illega- le Material ab.“

Aus dem Lebenslauf von Albert Schmidt:

„Da ich gemeinsam mit Alfred Eberhardt die Schreibmaschine zu meinen El- tern in Verwahrung gebracht hatte, er aber bei seiner Vernehmung geschickt reagierte und alles auf sich nahm, konnte er mich vor der Verhaftung bewah- ren.“

Seit dem 15. September 1933 befanden sich Alfred Eberhardt, Kurt Prüfer und Ernst Arsand in Untersuchungshaft. Sie waren den Faschisten durch Verrat und die verstärkte Tätigkeit der Nazi-Polizei in die Hände gefallen. Bis dahin stellten sie Flugblätter und Streuzettel her und waren an deren Verteilung aktiv beteiligt. Aus der Anklageschrift gegen diese drei vom 7. Oktober 1933:

„Der Apparat, mit dem die Schriften vervielfältigt worden waren, wurde bei dem Angeklagten Prüfer gefunden. Er gibt vor, ihn vor 2 Jahren von einer al- ten Frau erhalten zu haben.“

Aus der Schrift „Leben und Kampf von Kommunisten und antifaschistischen Widerstandskämpfern des Kreises Eisenberg“. Eisenberg 1979, S. 12:

„In Flugblattaktionen wurden die Eisenberger Einwohner über den Fa- schismus aufgeklärt und zum Widerstand gegen die Nazis aufgefordert. Diese Flugblätter wurden von einer illegalen Gruppe, die aus den Kommunisten Eberhardt, Prüfer und Arsand bestand, hergestellt. Ein Abziehapparat sowie Farben und Schablonen befanden sich in einem Schuppen in der Leipziger Gasse Nr. 11. In diesem Schuppen wurden Flugblätter hergestellt und an einzelne Gruppen verteilt. Durch die Flugblätter wurde auch Aufklärungsar- beit unter der Landbevölkerung betrieben. An der Verteilung der Flugblätter waren auch Frauen [Lina Prüfer, Linda Eberhardt, Minna Böhm und Helene Hertel: H.G.] beteiligt. Diese illegale Druckerei wurde durch Verrat ent- deckt, und die Kommunisten wurden verhaftet.“

Diese Aussagen erscheinen auf den ersten Blick widersprüchlich, aber man muß dabei bedenken, daß jeder einzelne Kommunist nur die eigene Arbeit und die seiner Dreiergruppe genau kannte. Nach Vergleichen aller Aussagen ist anzu- nehmen, daß die illegalen Schriften auf der Schreibmaschine in Oberbodnitz ge- schrieben und in Eisenberg, in der Leipziger Gasse, vervielfältigt wurden. 25

Auch Ernst Preller stellte Flugblätter her. Die „Komintern-Informationen“ sind von Walter Sittner und Kurt Fischer in dessen Wohnung mit Hektographen- tinte abgeschrieben, abgezogen und als Flugblätter herausgegeben worden. Wei- terhin führten Eisenberger Antifaschisten Malaktionen durch. In den Dreier- gruppen fanden entsprechende Schulungen statt. Der Versuch, im Wald – unweit von Hainspitz – einen Unterstand zu bauen, scheiterte, da das Vorhaben nicht geheim blieb. Hermann Mertel schrieb, daß Ende 1935 die illegale Arbeit in Ei- senberg zum Erliegen kam. Nur die Rote Hilfe arbeitete weiter. Vgl. Hermann Mertel: Bericht sowie weitere Dokumenten-Kopien zu Hermann Mertel von Hanna Hild, geb. Mertel, in: PA H.G.; Alfred Eberhardt: ThStA R, VdN-Nr. 01/02; Fritz Mainka: ThStA R, VdN-Nr. 01/05; Ernst Arsand: ThStA R, VdN-Nr. 06/01; Kurt Prüfer: ThStA R, VdN-Nr. 01/05; Albert Schmidt: ThStA R, VdN-Nr 01/11; Kurt Fischer: ThStA R, VdN-Nr 01/09; Rudolf Feller: ThStA R, VdN-Nr, 01/09; ThHStA W. Bezirkstag und Rat des Bezirkes Erfurt. Abt. für Gesundheits- und Sozialwesen. VdN-Akte Walter Konopatzki; Wal- ter Sittner: Bericht, in: PA H.G.; ThStA M, Untermaßfeld 885, Akte Mainka; ThStA R, Ich- tershausen, Nr. 283, Akte Kunze; ThHStA W, Thür. Justizministerium, Titel 8, Nr. 1293: Ur- teile zu Arsand, Prüfer, Eberhardt; Alfred Buhler: Bericht, in: PA H.G.; Leben und Kampf von Kommunisten und anderen Widerstandskämpfern des Kreises Eisenberg, Hrsg. SED-KL Eisenberg 1979, S. 4, 6, 9. [Die Registrierung von VdN-Akten in Archiven ist gelegentlich unter gleichen Archivnummern erfaßt worden – vgl. z.B. Mainka und Prüfer. H.G.]

Crossen:

Willy Graumüller, Oskar Lehmann, Ernst Baumgärtel, Willy Seidel, Reinhold Urbansky, Alfred Dusi, Ernst Prüfer, [?] Körner.

Leiter der Gruppe war Graumüller, 1920 Mitbegründer der KPD-Ortsgruppe Crossen. Urbansky stellte bis zu seiner Verhaftung am 13. Juli 1938 Verbindun- gen nach Eisenberg und Gera-Langenberg hinsichtlich des Bezugs von Zeit- schriften, Broschüren und sonstigen antifaschistischen Materialien her. Auch Prüfer war ein Verbindungsmann nach Eisenberg. Hilde Mertel, Eisenberg, brachte von 1933 bis 1935 als Kurier Flugblätter von Zeitz nach Crossen und Eisenberg. Etwa 90 Antifaschisten demonstrierten am 30. Januar 1933 in Crossen gegen die Nazis. Bei den Teilnehmern führten SA und SS anschließend Hausdurchsu- chungen durch. Im Verlaufe des Jahres 1933 konnten einige Flugblattverteilun- gen vorgenommen werden. Nach einer solchen Aktion im Herbst 1934 führte die SS eine große Razzia durch. Dabei wurde Willy Seidel blutig zusammenge- schlagen. 1938 erfolgte die Verhaftung und der Prozeß wegen Hochverrats ge- gen Prüfer, Graumüller, Lehmann, Seidel, Körner, Urbansky und Dusi. Außer Prüfer und Seidel erhielten die anderen mehrere Monate Gefängnis. Vgl. Willy Graumüller, ThStA R, VdN-Nr. 01/02; Ernst Baumgärtel, ThStA R, VdN-Nr. 01/01; Reinhold Urbansky, ThStA R, VdN-Nr. 01/07; Willy Seidel: Lebenslauf, Abschrift in: 26

PA H.G.; Fred Grünewald u.a.: Die KPD lebt! Materialsammlung zur Chronik, Bad Blanken- burg 1985, Heft I, S. 4f.

Hermsdorf:

Alfred Heller, Walter Vogel, Willi Planert, Marie Vogel, [?] Schäller sen., Diet- rich Bracksiek, Kurt Schäller u.a.

Diese Gruppe kam zum Informationsaustausch zusammen. Als Grundlage dazu diente das Abhören des Moskauer Senders bei Schäller sen. und der Familie Vogel. Es wurden Flugblätter gedruckt und verbreitet. Familie Vogel beherberg- te mehrmals den illegal lebenden Hermann Danz. Nach Jena bestanden Verbindungen über Lydia Poser (Orban) und Minna Schippel sowie nach Eisenberg über Fritz Mainka. (Dieser war von November 1933 bis April 1939 in Haft.) Im Juni 1934 wurden Walter und Marie Vogel und Bracksiek verhaftet. Schäller konnte in die Tschechoslowakei fliehen. Die Gruppe wurde durch Frau Bracksiek verraten. Alfred Heller, Willi Planert und Schäller sen. arbeiteten dennoch illegal wei- ter, Heller auch in der Hermsdorf-Schomburg-Isolatoren GmbH, allgemein als Hescho, Hermsdorf, bekannt. Die Gruppe in diesem Betrieb bestand aus Otto Worms, Alfred Heller, beide Hermsdorf, und Walter Kruse, Eisenberg. Seit 1939 kamen Herbert Schulze, Franz Bichler und Rudi Scheffel aus Gera hinzu. Vgl. Alfred Heller: ThStA R, VdN-Nr. 12/04; Kurt Schäller: ThStA R, VdN-Nr. 12/07; Wal- ter und Maria Vogel: ThStA R, VdN-Nr. 12/08; Dietrich Bracksiek, ThStA R, VdN-Nr. 12/02; Anklageschrift vom 18. Juli 1934 gegen Dietrich Bracksiek, Walter Vogel, Maria Vo- gel, Abschrift in: PA H.G.; ThHStA W. Thür. Justizministerium, Titel 8, Nr. 1305, Urteil zu Bracksiek, W. Vogel, Maria Vogel, Schäller; ThStA G. Gräfentonna 280, Akte Maria Vogel.

Stadtroda:1

Ernst Schulschefski, Willi Hellfritzsch, Otto Ahnert, Erich Gottesmann, Willy Adler, Albert Finger, Karl Stöckel, Erich Ringel, Hanni Stöckel. Paul Peetz, Gottlieb Kuhnke, Ernst Dehlers, Heinrich Neugart, Willi Schulschefski, Hermann Hanse, Kurt Schulschefski, Alfred Berger,

1 Die herausgestellten Familiennamen benennen die Zellenleiter. 27

Hermann Heinrich, Gustav Appelt, Hans Senkel. Max Handling.

Leiter der KPD-Widerstandsarbeit in Stadtroda war Ernst Schulschefski, der die Zellenleiter oft gesondert zusammenfaßte und ihnen Orientierungen gab. Seine Gruppe war untergliedert in diese vier Zellen zu je vier bis fünf Mitgliedern, darunter auch SPD-Mitglieder und Parteilose. Diesen stellte er besondere Auf- gaben, z.B. das Sammeln von Stimmungsbildern in der Bevölkerung, die Siche- rung von Aktionen, die Beobachtung der Nazis. In der Zelle von Paul Peetz ar- beiteten die Söhne Schulschefskis mit. Als Peetz nach Leipzig verzog, fungierte Ernst Dehlers als Zellenleiter. Die Gruppe befaßte sich mit dem Austausch von Informationen, ihrer Verbreitung und mit Schulungsarbeit. Die Sender Moskau und London wurden abgehört und über ihre Nachrichten diskutiert. Die Mitglieder der Gruppe stell- ten Flugblätter her, verbreiteten sie und führten Malaktionen durch. Ernst Schulschefski hatte Verbindungen zur Unterbezirksleitung Jena. Kurier war Willi Hellfritzsch, der bei Zeiss arbeitete. Vgl. Ernst Schulschefski, in: ThStA R, VdN-Nr. 03/46; ThHStA W. Bezirkstag und Rat des Bezirkes Erfurt. Abt. für Gesundheits- und Sozialwesen. VdN-Akte Walter Konopatzki; ThHStA W., Thüringisches Amtsgericht Stadtroda, Nr. 7: Urteil zu Schulschefski; ThHStA W. Thüringisches Amtsgericht Stadtroda, Nr. 2: Urteil zu Hellfritzsch und Schieferdecker.

Orlamünde:

Karl Stang, Eugen Häußler, Paul Schweinitz, Walter Kropf, Walter Fischer, Hu- go Häußler, Walter Hammerschmidt u.a.

Stang leitete die Arbeit der KPD seit 1921 in Orlamünde. Während der Nazizeit gab es illegale Verbindungen zu Wilhelm Meyer, Jena-Winzerla, Paul Brendel, Jena, und [?] Böhme, Jena. Die Fahne der KPD, die 1926 in Weimar ihre Weihe erhalten hatte, wurde als Einlage in einem Sofakissen versteckt und von der Familie Stang über die ge- samte Nazizeit hinweg gebracht, trotz vieler Haussuchungen, bei denen das Un- terste zuoberst gekehrt wurde. Alles nahmen die Nazis mit, was ihnen verdäch- tig erschien, jedoch die KPD-Fahne von Orlamünde fanden sie nicht. 1945 weh- te sie wieder frei über den Köpfen der Menschen, die sich als erste um den Wie- deraufbau des zerstörten Landes bemühten. Vgl. Karl Stang [er verstarb bereits 1948]: Bericht, in: KAJ, AB Orlamünde; Karl Stang und Walter Hammerschmidt: OdF-Akten in: Stadtverwaltung Jena.

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Kahla:

Kurt Ropte, Rudolf Arnhold, Rudi Eismann, Willy Ziewitz, Hermann Dietsch, Fritz Rank, Hermann Metzner, Max Hutschenreuter, Fritz Höfer, Willy Hart u.a.

In Kahla gab es 1933 gemeinsame antifaschistische Aktionen von Kommunisten und Sozialdemokraten. Fritz Höfer saß 1933 im KZ Nohra, arbeitete seit 1940 bei Carl Zeiss in der Abt. F-Teil und saß seit 1944 im KZ Buchenwald. Es gibt heute aber keine OdF- oder VdN-Akte mehr von ihm. Diese und andere Antifaschisten nahmen in Kahla nach 1933 die illegale Ar- beit auf. Sie organisierten illegale Treffen und tauschten Informationen aus. Flugblätter und Handzettel sind hergestellt und verbreitet, Plakate geklebt und Losungen gemalt worden. Auch der Moskauer Sender wurde abgehört. Die Mit- glieder dieser Gruppe arbeiteten mit Mitgliedern der SPD zusammen. Vgl. Rudolf Arnhold: ThStA R, VdN-Nr. 05/02; Hermann Metzner: ThStA R, VdN-Nr. 05/03; Marianne Hellmann: Lebensbild von Kurt Ropte; Cornelia Danzer: Lebensbild von Rudi Eismann; Ingrid Sauer: Lebensbild von Hermann Dietsch, letzteres in: Heimatmuseum Kahla; „Porzelliner Echo“, Kahla, Nr. 7 vom Mai 1983.

Camburg:

Otto Hagenauer

„1933 wurde Hagenauer nicht sofort mit verhaftet, aber er war nach unserer Verhaftung der Organisator des Widerstandes […] 1933 nach unserer Frei- lassung kam Magnus Poser des öfteren zu mir und wir verteilten einige Male selbstgefertigte Flugblätter auf den Dörfern.“

Das schrieb Alfred Frische aus Camburg in einer Erklärung. Zusammen mit Ha- genauer protestierten Richard Frommelt und Agnes Schöppe gegen die Verhaf- tung führender Funktionäre in Camburg. Zu den damals Verhafteten gehörten Fritz Krähling, Alfred Frische (Arbeiter), Alfred Frische (Schmied), Paula Ha- genauer, Erich Grünewald, Heinz Marquardt, Paul Esche und der Arbeiter Mül- ler. Vgl. Otto Hagenauer, in: ThStA R, VdN-Nr. 05/02; Polizeibericht vom 1. März 1933, in: SS im Einsatz, Hrsg. Komitee Antifaschistischer Widerstandskämpfer, Berlin 1957, S. 32f.

Dornburg/Dorndorf:

Karl Taubert

Er arbeitete sofort nach 1933 weiter für die KPD im Gebiet Dornburg/Dorndorf. 29

Vgl. Karl Taubert: ThStA R, VdN-Nr. 05/04; ThHStA W. Bezirkstag und Rat des Bezirkes Erfurt, Abt. für Gesundheits- u Sozialwesen. VdN-Akte Paul Krahn; Paul Krahn: Bericht vom 24. Oktober 1981, in: PA H.G.; Ulrich Kluge: Lebensbild über Karl Taubert, in: Heimatmu- seum Kahla.

Antifaschistische Kontakte gab es von Jena auch nach Kunitz zu Gustav Schwarz, Werner Schmidt und [?] Dörfer sowie nach Großeutersdorf zu Otto Koschig. In Kleineutersdorf wohnte Hans Stang, ein Sohn des KPD-Mitglieds Karl Stang aus Orlamünde. Die KPD hatte in dieser Zeit weiterhin politische Kontakte nach Kleinpürschnitz zu Horst Büchner und dessen Vater. Vgl. Otto Koschig: ThStA R, VdN-Nr. 05/02; Hort Büchner: ThStA R, VdN-Nr. 05/01; Gu- stav Schwarz: ThStA R, VdN-Nr. 05/04; Karl Stang: OdF-Akte, in: Stadtverwaltung Jena.

Roter Frontkämpferbund (RFB)

Der Rote Frontkämpferbund ist im Juli 1924 als antifaschistische Schutz- und Wehrorganisation der deutschen Arbeiterbewegung gegründet worden. Er um- faßte kommunistische, sozialdemokratische und parteilose Arbeiter über 23 Jah- re; die Jüngeren von 16 bis 23 Jahren waren in der Roten Jungfront organisiert. Seit 1925 stand der RFB unter Leitung von Ernst Thälmann. Wegen seiner Rolle als wehrhafte Massenorganisation der Arbeiterklasse gegen den immer stärker aufkommenden Rechtsradikalismus wurde der RFB am 13. Mai 1929 in Thürin- gen verboten, kämpfte aber bis 1935 illegal weiter. Sitz der Thüringer Gaufüh- rung war Jena, Gauführer Max Grande. Seit Ende 1931/Anfang 1932 nannte sich der RFB in der Illegalität „Einheit“, abgekürzt „E“. Die KPD versuchte nach dem Verbot des RFB, legale wehrhafte Gruppen der Arbeiter aufzubauen. Dazu gehörten der „Rote Massenselbst- schutz“ und der „Kampfbund gegen den Faschismus“. Mitglieder des RFB un- terstützten die Abwehraktionen gegen die faschistische Gefahr im „Antifaschi- stenbund“ und im „Kampfbund gegen den Faschismus“. Walter Konopatzki, damals Bürgel, berichtete:

„Auf Grund der verschärften Situation wurden dann die E-Gruppen zu Drei- ergruppen organisiert und beim Machtantritt der Faschisten, als die KPD verboten war, konnte die Arbeit fortgesetzt werden. Nur die zuverlässigsten Genossen wurden in die Arbeit einbezogen. Die Beitragskassierung wurde durch Werner Krause und mich fortgesetzt. Wir rechneten im Unterbezirk bei Willi Nürnberger ab. Gleichzeitig wurden weitere E-Gruppen und Vertrau- 30

enspersonen in den Arbeitsdienstlagern Bürgel und anderen Orten entwickelt und diese mit entsprechendem Material beliefert.“

Wilhelm Dahlig bestätigte Max Langheinrich die Zugehörigkeit zu einer Jenaer E-Gruppe, zu der Hubert Heckert, Rudi Hubert, Paul Spindler, Hans Kläsener und Max Langheinrich gehörten. Max Grande wurde am 16. Juli 1933 verhaftet. Danach arbeitete die Gaufüh- rung mit Hans Kläsener, Karl Kohl und Kurt Gempe weiter. Leiter der Gaufüh- rung und der Ortsleitung der „Roten Jungfront“ war nun Erich Kops. Kurt Töp- fer war Mitglied der Gauleitung der „Roten Jungfront“, außerdem gehörte er der Ortsleitung des RFB an. Treffpunkte waren Waldwege auf den Kernbergen und im Forst sowie im Rahmen des Schachclubs im „Felsenkeller“. Seit Juli 1933 waren die Verbindungen nach Berlin abgerissen. Den Nazis blieben aber im Prinzip die Verbindungen nach Weimar, Erfurt, Arnstadt, Eise- nach, Mühlhausen, Suhl, Zella-Mehlis, Bad Salzungen, Langewiesen, Saalfeld und Waltershausen weithin unbekannt. Es gab illegale Sitzungen in der Zeit zwi- schen dem 28. Februar und April 1933.

„Da 1933 die Polizei Jagd auf Funktionäre machte, suchten einige Genossen illegale Quartiere auf. U.a. hatte ich den Auftrag, einige Genossen wie Max Härzer, welcher in der Freiheitsstraße [ein] illegales Quartier hatte, zu einer Sitzung im Hause eines RFB-Mannes zu schleusen. Diese Sitzung fand in der Vogelkolonie, Jena-Ost statt.“

Das berichtete Walter Kutta. Max Grande, Alfred Vollrath und Karl Kohl erin- nerten sich:

„Ostern [16/17. April 1933] fand in Jena eine Sitzung der Gauführung statt, an der etwa 15 Funktionäre aus den Untergauen teilnahmen […]. Nachdem alles abgesichert war, kamen die RFB-Funktionäre dann in der Wohnung ei- nes Arbeiters in der Sickingenstraße 10 zu ihrer Beratung zusammen. Im Mit- telpunkt der Zusammenkunft standen die neuen Aufgaben der Organisation unter den Bedingungen der faschistischen Herrschaft. […] Es wurde be- schlossen, alle Kräfte zum Schutz der Partei und der Arbeiter gegen den fa- schistischen Terror einzusetzen.“

Illegale Landeinsätze des RFB fanden in Bucha, Kröbitz und Nennsdorf statt. Hier wurden Diskussionen über den Reichstagsbrand geführt, Flugblätter verteilt und in Arbeitsdienstlagern Agitationseinsätze durchgeführt. Illegale Zusammen- künfte fanden weiterhin an den Teufelslöchern und an der Einhügelquelle statt. Auch Waffenkunde und Ausbildung an der Pistole 08 und am Karabiner wurden durchgeführt. 31

Bis zum Sommer 1933 sind relativ regelmäßig in Umlauf gebracht worden: „Die Rote Front“, „Der Rote Führer“, „Neuigkeiten der Woche“ und auch das „Befehls- und Kommandoreglement für proletarische Wehrverbände“. In Jena wurden Flugblätter selbständig hergestellt. Karl Kohl und Kurt Töpfer berichte- ten später:

„Illegales Material (‚Die Rote Front‘, die militärpolitische Zeitschrift ‚Okto- ber‘ u.a. Schriften) wurde meistens unter Beachtung aller Vorsichtsmaßnah- men mit einem LKW von Leipzig geholt. Bei der Verteilung dieses Materials setzten wir vielfach Frauen und andere unverdächtige Personen ein. Um die Arbeit besser tarnen zu können, traten auch einzelne Mitglieder in andere, teilweise sogar in faschistische Organisationen ein. So wurde z.B. in Jena Willi Dippmann in die SA delegiert. Nachts ging er dann spazieren und ver- teilte unbehelligt die ‚Rote Front‘ u.a. Materialien.“

Dementsprechend hieß es in einem Bericht der BL Thüringen der KPD vom 30. April 1934:

„In Jena hat die Jugend guten Boden in der SA.“

Mehrmals wurde Material (Zeitungen und Flugblätter) vom Auslandsstützpunkt der KPD in Asch/Tschechoslowakei geholt und dann verteilt. Michael Fries ver- half im April 1933 dem von der Polizei verfolgten Fritz Kalisch zum Grenzüber- tritt bei Klingenthal/ČSR. Er arbeitete später in einem Grenzstützpunkt mit und schickte wiederholt Material nach Jena. Im Sommer 1933 holte Karl Kohl aus der Tschechoslowakei, neben anderen Materialien, auch 15 Exemplare des „Braunbuches“ zum Reichstagsbrandprozeß nach Thüringen. Sie wurden unter RFB-Funktionären in Jena, Erfurt, Weimar, Gotha und Eisenach verteilt. Von 1933 bis 1935 überquerte Marianne Bajanowski zusammen mit ihrer Freundin Hilde Wachauf 13 Mal die Grenze zur ČSR und brachte illegales Material nach Jena. Hans Kröber berichtete:

„Durch meine Arbeit als Kraftfahrer konnte ich mehreren Genossen, so auch Max Grande, zur Flucht vor den nazistischen Schergen verhelfen. Auch Ma- terial (Flugblätter) konnte so nach anderen Orten gebracht und Waffen um- gelagert werden.“

Kröber hielt in seiner Garage bis zum Jahr 1945 sechs Karabiner versteckt. Zu- gleich hatte Döhring zwei Kisten Gewehre gut eingefettet im Hühnerauslauf des Grundstückes vergraben. Sie wurden erst 1959 gefunden, ausgegraben und der Volkspolizei übergeben. 32

In Jena sind nach der Verhaftung von Max Grande eine der Schreibmaschi- nen und ein Vervielfältigungsapparat nach Jena-Ost gebracht worden. Den Nazis waren aber zwei Dokumente in die Hände gefallen: Vom Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale „Die Lage in Deutschland“ vom 3. Mai 1933 und ein „Aufruf zum Ausbau der Organisation“ vom 30. Mai 1933. Georg Sta- nik (ein Schwager von Kurt Töpfer, der seit 1922 in Jena lebte) berichtete:

„Nach dem Verbot des RFB wurden 5-er Gruppen gebildet, deren einzigster Verbindungsmann Max Grande war. Nach der Verhaftung Grandes […] mußte diese Arbeit beendet werden.“

Wegen ihrer illegalen Arbeit für den RFB in Jena wurden im Juni 1933 Johan- nes Kläsener, Paul Spindler, Erich Kaiser, Kurt Töpfer, Karl und Paul Meininger sowie Erich Jacob zu Gefängnisstrafen von der faschistischen Justiz verurteilt. Diese Prozesse und weitere Verhaftungen von Mitgliedern des RFB schränkten 1933 die selbständige Arbeit dieser Organisation immer mehr ein. Die weiter wirkenden Kämpfer wurden in die Arbeit des Unterbezirkes der KPD integriert. Mit der Arbeit des RFB in Jena und im Unterbezirk sind für immer die Na- men folgender Antifaschisten verbunden: Wilhelm Bischoff, Paul Bornmann, Max Grande, Hubert Heckert, Rudi Hubert, Erich Kaiser, Hans Kläsener, Karl Kohl, Walter Konopatzki, Hans Kröber, Walter Kutta, Max Langheinrich, Paul Spindler, Georg Stanik, Kurt Töpfer, Josef Wanzek und andere. Vgl. Marianne Bajanowski: ThStA R, VdN-Nr.06/01; Wilhelm Bischoff: ThStA R, VdN-Nr. 06/05; Paul Bornmann: ThStA R, VdN-Nr. 06/06; Johannes Kläsener: ThStA R, VdN-Nr. 06/23; Hans Kröber: ThStA R, VdN-Nr. 06/25; Walter Kutta: ThStA R, VdN-Nr. 06/25; Max Langheinrich: ThStA R, VdN-Nr. 06/54; Kurt Töpfer: ThStA R, VdN-Nr. 06/42; Josef Wan- zek: ThStA R, VdN-Nr, 06/43; ThHStA W. Bezirkstag und Bezirksrat Erfurt, Abt. für Ge- sundheits- und Sozialwesen, VdN-Akte Walter Konopatzki; ThHStA W. Thür. Justizministe- rium, Titel 8, 1296. Anklage M. Grande; ebenda, 1293, Urteil zu Kaiser, Spindler, Kläsener; ebenda, 1296, Urteil zu Dippmann, Müller; ebenda, 1293 Anklage und 1294 Urteil zu: Töp- fer, Pressler, Meininger, Jacob; Harry Krüger: Lebensbild von Georg Stanik; Otto Schmidt: Gesprächsprotokoll mit Hans Kröber vom 15. November 1985; Repro des Berichts über Stand und Entwicklung der Arbeit in Thüringen vom 30. April 1934, alles in: PA H.G.; Werner Fritzsch: Der Kampf des Roten Frontkämpferbundes gegen Faschismus, Militarismus und Kriegsgefahr in Thüringen. Erfurt 1966, S. 98, 158–277; Kurt Finker. Geschichte des Roten Frontkämpferbundes. Berlin 1981, S. 17, 25, 201–206, 210–223, 231; Fritz Merten: Ge- sprächsprotokoll, in: BACZ J–T. 33

Rote Hilfe Deutschlands (RHD)

Die RHD entstand 1921 im Zusammenhang mit den Märzkämpfen auf Initiative der Kommunistischen Partei und war eine überparteiliche Solidaritätsaktion der Arbeiterklasse zur Unterstützung verfolgter Revolutionäre und ihrer Familien. Zunächst bestand sie als provisorisches Rote-Hilfe-Komitee und wurde schließ- lich am 1. Oktober 1924 als RHD gegründet, die auch von einer Reihe Angehö- riger der Intelligenz Unterstützung erhielt, so von Albert Einstein, Heinrich Mann, Käthe Kollwitz, Kurt Tucholsky und Heinrich Zille. Die Rote Hilfe muß- te 1933 mit allen anderen Nebenorganisationen der KPD in die Illegalität gehen. Leiterin der Roten Hilfe in Jena war Minna Schippel. Sie begann sofort mit dem Aufbau einer illegalen Gruppe in ihrem Wohngebiet. Ihr gehörten an:

Minna Schippel, Paul Hofmann, Liesbeth Adam, Gertrud Töpfer, Karl Stankiewicz, Liesbeth Klose, Gertrud Stern Hans Gebhardt.

Bei Gertrud Töpfer fanden monatlich ein bis zwei Zusammenkünfte statt, auf denen über die politische Lage diskutiert, Informationen ausgetauscht und als Hauptaufgabe die Arbeit für die Rote Hilfe besprochen wurde. Im Oktober/November 1933 kam Walter Molle als Verbindungsmann der Bezirksleitung der RHD nach Jena. Er wurde von Hans Gebhardt mit Minna Schippel und Paul Jährling zusammengebracht. Gebhardt organisierte für Molle auch Unterkünfte

• bei Minna Schippel, Prießnitzerstraße, • beim Korbflechter Scheibe am Fichteplatz, • und bei Karl Gebhardt und Gerhard Lehmann in deren gemeinsamer Hütte im Münchenrodaer Grund.

Molle brachte dann im Auftrag von Minna Schippel Gelder der Roten Hilfe für den Bezirk nach Erfurt, wurde aber später verhaftet und nannte Namen von Mit- kämpfern. Dadurch kam es zu Verhaftungen von Minna Schippel, Hans und Karl Gebhardt sowie Gerhard Lehmann. Lydia Poser berichtete:

„Die Rote Hilfe hatte die Aufgabe, politisch Inhaftierte und ihre Familien fi- nanziell zu unterstützen. Bei meiner Haftentlassung bekam ich von Heinrich Ankele, einem alten treuen Kommunisten, 5,– Mark ausgehändigt. Für diese 5,– Mark hatte er 50 Menschen angesprochen; es gab noch viele Arbeitslose und der Verdienst war gering. Somit hat er 50 Mal praktisch mit einem Bein im Gefängnis gestanden.“ 34

Viele Fäden der Roten Hilfe liefen auch bei Heinrich Ankele zusammen, der im Nordviertel von Jena wohnte. Aus seinem Lebenslauf:

„Von 1933 an habe ich für die KPD und die Rote Hilfe weitergearbeitet, hauptsächlich Beiträge kassiert, so auch meine Zehnergruppe im Nordbezirk der Partei und der RH-Mitglieder und dabei Geld gesammelt […]. Ich hatte zwei Bezirke für die Metallarbeiter-Hilfskrankenkasse zu kassieren. Dadurch konnte ich jeden Sonntag unauffällig illegale Arbeit verrichten […]. Es ka- men wöchentlich 5,– bis 6,– Mark ein. […] Zusammen mit einem verantwort- lichen Genossen von der Partei haben wir das gesammelte Geld zur Vertei- lung gebracht. Zuerst war es der Org.-Leiter der Partei, Willy Nürnberger. Als dessen Unzuverlässigkeit festgestellt war, auf kurze Zeit Paul Jährling und Otto Militzer, dann jahrelang Kurt Gempe. Es waren nur geringe Beträ- ge, die wir auszahlen konnten. Jeder entlassene politisch Inhaftierte erhielt 5,– M. Den Frauen der langjährig Inhaftierten konnten wir von Zeit zu Zeit höchstens 15,– M auszahlen, hauptsächlich zu Weihnachten. Wir hatten auch Spender, die direkt Lebensmittel und Sachen an die Angehörigen der politi- schen Gefangenen gaben, die wir vermittelten. Es brauchte nicht immer Geld zu sein, eine Aussprache mit den Frauen der politisch Inhaftierten genügte auch, sie zum Ausharren zu bestärken.“

Albin Funk schrieb in seiner Bestätigung:

„Neben einigen Arbeiterorganisationen gehörte Heinrich Ankele auch der RH an. Dort hatte er den ehrenvollen Auftrag der Gefangenen-Fürsorge in der schwersten Zeit der Arbeiterbewegung in vorbildlicher Weise bearbei- tet.“

Während Wilhelm Meyer sen. schrieb:

„Ich selbst habe die für die RH gesammelten Gelder […] bei ihm abgerech- net.“

Später berichtete Elfriede Adam:

„Nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 ersuchte Hugo Kolk mich, ei- nen Geldbetrag von meinem Wochenlohn für politisch Verfolgte abzuzwei- gen. Ich übergab ihm regelmäßig wöchentlich eine Mark bis zum Ausschei- den aus dem Betrieb Carl Zeiß im Jahre 1940.“ 35

Auch aus anderen Berichten geht hervor, daß in den Wohnbezirken und Betrie- ben für die Rote Hilfe gesammelt und die Gelder zumeist bei Heinrich Ankele, Kurt Gempe oder Minna Schippel abgeliefert wurden. Man kann also sagen: Solche Namen, wie Minna Schippel, Heinrich Ankele, Gertrud Töpfer, Gertrud Stern, Hugo Kolk, Albin Funk, Paul Förster, Paul Krahn, Fritz Creutzburg, Elsa Rudolf (gesch. Creutzburg), Paul Wildner, Werner Schubert, aber auch Ernst Schulschefski, Willi Hellfritzsch, Paul Peetz, Elfriede Adam, Kurt Schache u.v.a. bleiben in diesem Zusammenhang unvergessen. Vgl. Minna Schippel: ThStA R, VdN-Nr. 06/37; Hans Gebhardt: ThStA R, VdN-Nr. 06/13; Heinich Ankele: ThStA R, VdN-Nr. 06/01; Albin Funk: ThStA R, VdN-Nr. 06/12; Karl Stan- kiewicz: ThStA R, VdN-Nr. 06/39; Walter Kutta: ThStA R, VdN-Nr. 06/25; Ernst Schul- schefski: ThStA R, VdN-Nr. 03/46; Kurt Schache: ThStA R, VdN-Nr. 06/58; Lydia Poser: ThStA R, VdN-Nr. 06/33; Paul Wildner: ThStA R, VdN-Nr, 06/61; Johanna Henniger: Erin- nerungen an Minna Schippel vom 29. Oktober 1976 sowie Hans Gebhardt: Angaben zu Min- na Schippel vom 18. Dezember 1980, in: PA H.G.; ThStA G. Gräfentonna 180, Akte Martha Pätz; Werner Schubert und Elfriede Adam: Berichte, in: BACZ J–T; Anneliese und Heinz Grün: Gesprächsprotokoll mit Paul Krahn vom 24. Oktober 1981, in: PA H.G.

Kommunistischer Jugendverband (KJVD)

In den Jahren 1916 bis 1918 entstand unter Mithilfe der Linken in der Deutschen Sozialdemokratie, vor allem mit der Unterstützung von Karl Liebknecht, die „Freie Sozialistische Jugend“, eine Organisation der oppositionellen Jugend Deutschlands, aus der 1920 die Kommunistische Jugend Deutschlands hervor- ging. Der KJVD unterstützte die Politik der KPD und vertrat die Interessen der werktätigen Jugend gegen die Ausbeutungspolitik des Monopolkapitals. Der Kommunistische Jugendverband arbeitete nach dem 30. Januar 1933 im Unterbezirk Jena ebenfalls illegal weiter. Aus dem untersuchten Material kristal- lisieren sich einige Gruppen heraus:

Helene Döpel, Werner Neuberger, Liesbeth Klose, Richard Klose, Willy Schraumann, Elsa Pipphardt.

Diese Jungkommunisten in Jena waren an der Herstellung und Verteilung des Flugblatts „Vorwärts! Trotz alledem!“ beteiligt, das sich mit den Ergebnissen der Reichstagswahl am 5. März 1933 befaßte. Sie hatten Verbindung zum Buchdrucker Ernst Hagemann, der die Matrizen dazu anfertigte. Bei der Vertei- lung des Flugblattes wurden sie durch die Polizei gestellt und am 18. März 1933 im Schnellverfahren des Thüringischen Amtsgerichtes Jena zu vier bis acht Wo- chen Gefängnis verurteilt.

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Hubert Heckert, Paul Spindler, Rudi Hubert, Hans Kläsener, Max Langheinrich.

Diese Gruppe ist schon beim RFB in Jena erwähnt worden, setzte sich aber aus Mitgliedern des KJV zusammen. Sie führte politisch-agitatorische Landeinsätze durch und bildete sich an Waffen aus.

Gertrud Schneemann, Hermann Voigt, Hans Kläsener, Erich Kaiser, Willy Voigt u.a.

Diese kamen im Wohngebiet Jena-Ost bei illegalen Treffen zusammen, stellten selbst Flugblätter her, verteilten sie und malten Losungen gegen das Hitler- Regime auf die Straßen.

Paul Spindler, Kurt Gempe Erich Kaiser.

Sie arbeiteten im Jenaer Glaswerk als Zelle des KJV, trafen sich zum Informati- onsaustausch, zu Diskussionen und verteilten im Betrieb Flugblätter und auch Material des RFB. Beim Arbeitsdienst in Jena gab es ebenfalls eine Gruppe des KJVD. Das Ex- trablatt der „Jungen Garde“ schrieb im April 1933:

„In Jena konnten die Kommunisten einen großen Erfolg verbuchen; auf Grund der Tätigkeit der kommunistischen Jugendgruppe wurde ein Kampf- ausschuß gewählt, der im Namen der Arbeitsdienstler eine Erhöhung des Lohnes forderte. Die Lagerleitung sah sich nach Demonstrationen der Ju- gendlichen gezwungen, den Wochenlohn von RM 1,50 auf RM 3,– zu erhö- hen.“

Außerdem traten Jungkommunisten in den Arbeitsdienstlagern Bürgel, Eisen- berg, Poppendorf, Klosterlausnitz, Kahla und Dornburg für die Rechte der Jun- gen Generation ein.

Alex Keller, Walter Jahn, Fritz Laaser, Rudolf Wachs, Clemens Gräfe u.a.

Diese Jugendlichen arbeiteten in Bürgel. Sie stellten illegal Flugblätter her und verteilten sie; sie hißten rote Fahnen und brachten antifaschistische Losungen an. Sie waren auch an der Zerstörung des SA-Schießstandes im Silbertal bei Bürgel beteiligt. Aus dem herangezogenen Material ist zu entnehmen, daß durch den furchtba- ren Terror der Faschisten die sich immer wieder neu bildenden Gruppen und Leitungen zerschlagen wurden. So bahnte sich hier und dort eine Verschmel- zung der Arbeit aller Nebenorganisationen der KPD mit der Gesamtpartei an. 37

Sehr junge Mitglieder des KJVD mußten damals schwere, verantwortungsvolle Aufgaben innerhalb der Partei und der illegalen Tätigkeit übernehmen. Vgl. Gertrud Voigt, geb. Schneemann: ThStA R, VdN-Nr. 06/43; Max Langheinrich: ThStA R, VdN-Nr. 06/54; Clemens Gräfe: ThStA R, VdN-Nr. 01/09, ThHStA W., Thür. Justizmini- sterium, Titel 8, 1293: Anklage und Urteil gegen Kaiser, Spindler, Kläsener und Hagemann; ThStA G., Gräfentonna 127, Akte Liesbeth Klose; Gustav Heinrich: Bericht, in: BACZ J–T; Alfred Buhler: Geschichte der Arbeiterbewegung in unserem Kreis Eisenberg, Abschrift in: PA H.G.

Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD)

Am 3./4. April 1920 ist in Berlin die KAPD gegründet worden. Sie ging aus der linken Opposition der KPD hervor, die sich auf dem II. Parteitag 1919 von der KPD getrennt hatte. Dies erfolgte trotz des Aufrufes von Lenin u.a. Parteiführer, die Parteieinheit zu wahren. Die Meinungsverschiedenheiten zur KPD bestanden vor allem in der Stellung zum bürgerlichen Parlament. Die KAPD war antipar- lamentarisch eingestellt, trat für putschistische Minderheitenaktionen ein, lehnte die Arbeit in den Gewerkschaften und tagespolitische Kämpfe ab, wurde aber 1920 mit 38.000 Mitgliedern als „sympathisierende Partei“ in die Kommunisti- sche Internationale aufgenommen. In Jena ist die KAPD von Willy Bloß und Walter Rosenblatt gegründet wor- den, die zunächst nur etwa 15 Mitglieder zählte. Nach Angaben von Walter Schmidt fand Pfingsten 1933 in Berlin ein Treffen von Funktionären der KAPD aus ganz Deutschland statt. Hier wurde beschlos- sen, die Arbeit der Partei abzubrechen und sich den örtlich aktiven Gruppen des Widerstandes gegen den Faschismus anzuschließen. Walter Schmidt versuchte über seinen Bruder Willi Schmidt (KPD) Verbin- dung zur Jenaer KPD herzustellen. Es wurde ein Treffen mit dem KPD- Funktionär Karl Stankiewicz am Kriegerdenkmal in Jena-Ost ausgemacht. Stan- kiewicz konnte jedoch nicht erscheinen, da er gerade verhaftet worden war. Über Ernst Schnacke stieß Walter Schmidt nun zur Jenaer KPD-O. Es entwik- kelte sich eine gute Zusammenarbeit, und im Herbst 1934 fand die Verschmel- zung der Mitglieder der KAPD (Spartakusgruppe) unter Walter Schmidt mit den Mitgliedern der illegalen Gruppe der KPD-O unter Karl Brundig und [?] Scheler statt. Vgl. Walter Schmidt: ThStA R, VdN-Nr. 06/38; Walter Schmidt: Bericht vom 1. Dezember 1976 sowie Heinz Grün: Ausspracheprotokolle mit Walter Schmidt vom 9. August 1985 und 20. Januar 1986, in: PA H.G. 38

Kommunistische Partei Deutschlands-Opposition (KPD-O)

Am 30. Dezember 1928 wurde die KPD-O (bzw. KPDO) auf einer Reichskonfe- renz in Berlin von 74 Delegierten gegründet. Von ihnen waren 43 im Spartakus- bund, 53 in der Vorkriegssozialdemokratie, 62 gewerkschaftlich organisiert und 17 aus der KPD ausgeschlossen worden. Zu den führenden Vertretern der KPDO gehörten Heinrich Brandler, August Thalheimer, Paul Frölich, Jacob Walcher u.a. Der Thüringer Delegierte zum VI. Weltkongreß der Kommunistischen Inter- nationale (KI) 1928 in Moskau, Hans Tittel, Jena, stellte dort offen und mutig seine kritischen Positionen zur Tätigkeit der KI dar. Ende 1928 wurde er als Be- zirksleiter der KPD-Großthüringen abgesetzt und aus der KPD ausgeschlossen, aber wenig später als Mitglied der Reichsleitung der KPDO gewählt. Die KPD- Opposition warf der KI u.a. vor:

„Gestützt auf die leichtfertige Analyse der ökonomischen und politischen La- ge […] begann der VI. Weltkongreß die bisherige Taktik der Kommunisti- schen Parteien abzubauen und durch einen ultralinken Kurs zu ersetzen, [… der sie] in den Sumpf des Opportunismus führt.“2

Der KPDO gelang es 1929, nur einen Teil der KPD-Mitglieder zu organisieren, die wegen ihrer „rechten“ Abweichungen von der ZK-Linie aus der KPD ausge- schlossen wurden. Der Bezirk Thüringen war dennoch der größte mit 29 Prozent der Gesamtmitgliederzahl der KPDO. Unter den 35 Ortsgruppen befanden sich Jena (seit 1929) und Bürgel (seit 1931). Die Bildung der KPDO mit eigener Reichsleitung, eigenen Presseorganen und Fraktionen in den Landtagen und Gemeindeparlamenten bedeutete objektiv eine weitere Zersplitterung der Arbeiterbewegung und komplizierte den Kampf um die Aktionseinheit der Arbeiterbewegung und gegen alle faschistischen Kräfte. Zentrale Organe waren die Wochenzeitschrift „Gegen den Strom“ und seit Januar 1930 die Tageszeitung „Die Arbeiterpolitik“. Auch die KPDO bereitete sich schon längere Zeit vor dem 30. Januar 1933 auf die Illegalität vor. Die V. Reichskonferenz vom 31. Dezember 1932 bis 1. Januar 1933 nahm das Organisationsstatut an, das im § 3 vorschrieb:

„Die Mitglieder sind schon jetzt zu arbeitsfähigen Fünfergruppen zusam- menzufassen.“

2 Gegen den Strom. 1932, Nr. 111. 39

Auf Veranlassung der Reichsleitung ging Hans Tittel nach dem Reichstagsbrand nach Leipzig und bis Mai 1933 nach Berlin zur Reichsleitung. Dann wurde er nach Asch in die ČSR geschickt, um von dort aus den Zubringerdienst für illega- le Literatur nach Deutschland zu organisieren. Karl Bräuning, Jena, arbeitete seit Anfang 1933 in Straßburg und von Juni 1934 bis 1935/36 in der illegalen Reichsleitung in Berlin. An Stelle dieser beiden wurden Friedrich Gießner und Hermann Scheler (Titus) mit der Führung der Bezirksleitung in Gera betraut. Zur Ortsleitung Jena gehörten 1933:

Karl Brundig, Politischer Leiter, Oswald Seyfarth, Organisationsleiter, Willi Arnold, Verantwortlicher für Agitation und Propaganda, Bernhard Gase, Verantwortlicher für Gewerkschaftsarbeit, Heinrich Adam, Verantwortlicher für Gewerkschaftsarbeit.

Diese Leitung überführte in Jena die KPDO in die Illegalität. Ende April 1933 fand noch einmal eine größere Mitgliederversammlung statt, auf der Hans Tittel und insgesamt etwa 90 bis 100 Teilnehmer anwesend waren. Nur die zuverläs- sigsten Mitglieder wurden für die illegale Arbeit in Fünfergruppen ausgewählt. Zur KPDO-Gruppe in Jena gehörten auch Eitel Ehrhardt und Otto Poller. Man studierte marxistische Literatur (z.B. von Marx das „Kapital“, „Lohnar- beit und Kapital“, von Engels „Von der Utopie zur Wissenschaft“), Materialien der Reichsleitung, des Auslandskomitees in Straßburg bzw. in Paris oder solche, die aus Asch, von der Bezirks- oder von der Ortsleitung kamen. Es wurde auch Literatur, z.B. von der Naturfreundebibliothek aus dem Gewerkschaftshaus, zu- sammengetragen. Das Studium trug zum besseren Verständnis der politischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge bei und gab Mut und Kraft zur weiteren Arbeit. KPDO-Mitglieder haben zur Aufklärung der Bevölkerung Flugblätter, bis zu 150 oder sogar 300 Stück pro Aktion, bis nach Weimar und Chemnitz verteilt. Von der Reichsleitung kamen verfilmte und in Kleinstformat vervielfältigte „Ju- niusbriefe“, von Vertretern der Thüringer Bezirksleitung das „Thüringer Funk- tionärsorgan“. Über Asch erschien weiter „Gegen den Strom“ und andere illega- le Literatur, so auch das „Braunbuch“. Die Ortsleitung Jena beschloß im Oktober 1933 die Herausgabe der „Zeitung für Politik der Arbeiterbewegung“. Die Redaktion übernahm Karl Brundig. Sie erschien alle vier bis sechs Wochen. Rudi Henniger stellte die Zeitung her. Dann ging sie in den Umlauf, mußte zurückgegeben werden und wurde dann vernich- tet. Die letzte Auflage erschien im November 1934 mit 132 Exemplaren. Kurt und Heinrich Adam schrieben zusammen mit Gertrud Adam (Bräuning) Matri- zen für Flugblätter, zogen sie ab und gaben sie zur Verteilung weiter. 40

Rudi Henniger stellte nicht nur die Ortszeitung mit her, er verteilte sie auch, war Fünfergruppenleiter und arbeitete als Kurier. Hanna Henniger (Lorbeer) half mit bei der Herausgabe der Zeitung „Gegen Faschismus und Krieg“. Sie war Kurier nach Weimar und Chemnitz und brachte Flugblätter nach dort. Im Zeiss-Werk sammelte sie einige Zeichnungen und Un- terlagen von einem wichtigen Gerät. Helmut Bergmann, Ernst Schnacke, Hermann Scheler und Karl Bräuning wurden illegal untergebracht, verbotene Literatur zur Familie Paul in die Zeiss- Siedlung umgelagert. 1934 konnte eine Schreibmaschine nach Berlin abgegeben werden. Es gab auch eine Kassiber-Verbindung zu Heinrich Adam in das KZ Bad Sulza. Erich Matthes führte fotografische Vervielfältigungen aus. Auch er war Fün- fergruppenleiter. Zu seiner Gruppe gehörten u.a. Frieda Matthes, Max Mähler und Erich Gehmlich. Hans Schwab organisierte die Übergabe von 40 Infanteriegewehren an die KPDO durch seinen Vater. Schwab sen. gab natürlich den Ort des Verstecks der Gewehre nicht bekannt und betreute sie selbst. Er zeigte lediglich Karl Brundig ein Gewehr, damit er sich überzeugen konnte, daß sie in gebrauchsfähigem Zu- stand waren. Schwab sen. starb jedoch im Jahre 1941, so daß niemand wußte, wo die Gewehre versteckt worden waren. Geld ist gesammelt und an Karl Brun- dig übergeben worden. Verbindungen gab es nach 1933: zur SPD/SAJ über Fritz Barth, zu den Jungsozialisten über Rudi Wehner und Karl Gießmann, zur SAP über Kurt Schache, zum SJV über Herbert Klausnitzer, zur KAPD über Walter Schmidt, zum KJVD über Liesel Weise (Klose), zur Abbe-Jugend über Franz Germann (nur bis Frühjahr 1933).

Im Herbst 1933 kam Erich Haussen von der illegalen Reichsleitung Berlin nach Jena zur Reorganisation der Arbeit. Es wurden neue Anlaufstellen gesucht, der Kurierdienst erneuert und neue Arbeitsmethoden entwickelt. Auch Fragen des Grenzübergangs für die vom Ausland nach Deutschland zu schleusenden Anti- faschisten sowie der Nachrichtenübermittlung von Deutschland zum Auslands- komitee mußten neu erörtert werden. Wichtigster nahegelegner Übergangspunkt wurde Greiz. Im Frühjahr mußte Hermann Scheler ins Ausland, da ein Bezirksbericht in die Hände der Gestapo gelangt war. Friedrich Giessner wurde in diesem Zu- sammenhang verhaftet. Daher ist die gesamte Bezirksarbeit wieder nach Jena verlagert worden. Das neue Bezirkssekretariat setzte sich wie folgt zusammen:

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Karl Brundig, Ernst Schnacke, Oswald Seyfarth, Edwin Bergner, Gera, Willi Arnold, Hans Becker, Weimar.

Die Ortsleitung Jena bestand nun aus:

Bernhard Gase, Heinrich Adam, Erich Matthes, Hanna Lorbeer u.a.

Im Herbst 1934 kam es zur Verschmelzung der KPDO mit der KAPD (Sparta- kusgruppe), die in Jena unter der Leitung von Walter Schmidt stand. Der Schwerpunkt der Arbeit der KPDO sollte in der Schaffung von Gewerkschafts- gruppen in Betrieben liegen. Verbindungen zur Firma Zeiss gab es über Karl Brundig, Johanna Henniger (Lorbeer), Erich Matthes, Heinrich Adam, Willi Arnold, Rudi Olm, Gerhard Schulze, Franz Germann, Kurt Lehmann, Max Löhmer, Elfriede Adam (Stel- ling), Kurt Pfeiffer, Karl Poller, Kurt Adam (Optik), Albin Funk, Bernhard Ga- se, Harry Müller (F-Teil), Hans Schwab, Otto Paul, Paul Gehring, Erich Gehm- lich, Willy Schmalz und Arno Weiß (T-Fräs 4). Seit April 1934 wurden Walter Schmidt und Ernst Dreßler (beide in der Abt. T-Fräs und Mitglieder der KAPD) aktiv in die Betriebs- und Gewerkschaftsar- beit einbezogen. Albin Funk war maßgeblich daran beteiligt, daß die verbotene „Zeiss-Lupe“ mit Hilfe eines doppelten Bodens in einer Transportkiste in den Betrieb ge- schmuggelt und verteilt werden konnte. Albin Funk, Kurt Adam und Harry Müller sammelten Geld für Angehörige verhafteter Genossen und übergaben es Bernhard Gase. Außerdem wurden 1936 Geldsammlungen für die Opfer des Bürgerkrieges in Spanien durchgeführt. Verbindungen zum Jenaer Glaswerk gab es über Rudi Heinz, zur Konsum- Bäckerei über Ernst Schnacke. Diese Gruppe sammelte vornehmlich die „führer- los“ gewordenen Sozialdemokraten, die etwa 16 Mitglieder umfaßten. Kontakte zu Kollegen in der Stadtgärtnerei sind über Oswald Seyfarth und zu einem Rechtsanwaltsbüro über Gertrud Adam (Bräuning) gehalten worden. Durch Beobachtungen der Gestapo und unter Mithilfe des Spitzels Willi Müller, Hermsdorf, ist ein Teil der KPDO-Gruppe in Jena verraten worden. Ernst Schnacke floh ins Ausland. Im November 1934 wurden verhaftet: Karl Brundig, Johanna Henniger (Lorbeer), Rudi Henniger, Erich Matthes, Frieda Matthes, Heinrich Adam, Willi Arnold, Rudi Olm, Gerhard Schulze, Oswald Seyfarth, Franz Germann, Walter Käppel, Kurt Lehmann, Max Löhmer und Ru- dolf Döpel. Bis 1937 arbeiteten folgende Mitglieder der Jenaer KPDO illegal weiter: Kurt Adam, Albin Funk, Bernhard Gase, Harry Müller, Hans Schwab, Gertrud 42

Bräuning, Otto Paul, Rudi Heinz, Martha Bräuning, Paul Gehring, Erich Gehm- lich und Willy Schmalz. Von ihnen wurde u.a. das aus Berlin kommende Mate- rial ausgewertet. Nach Gera bestanden weiterhin Verbindungen und es wurden auch Material und Geld dorthin übergeben. Kuriere waren: Gertrud Bräuning und Rudi Heinz. Zu den Deckadressen gehörten: Familie Zinner, Jena, Schüt- zenstr., und Familie Schmalz, Jena, Kronfeldstr. Albin Funk, Willy und Liesbeth Schmalz wurden am 29. November 1937 wegen sog. Hochverrat verurteilt. 1938 nahm Willi Arnold nach seiner Haft Verbindung zu Kurt Adam auf. Sie arbeiteten, wie später Albin Funk und andere, in der Poser-Organisation mit. Vgl. Karl-Heinz Tjaden: Struktur und Funktion der KPD-Opposition (KPO). Hannover 1983; Heinrich Adam: ThStA R, VdN-Nr. 06/01; Kurt Adam: ThStA R, VdN-Nr. 06/01; Albin Funk: ThStA R, VdN-Nr. 06/12; Johanna Henniger: ThStA R, VdN-Nr. 06/18; Rudi Henni- ger: ThStA R, VdN-Nr. 06/18; Erich Matthes: ThStA R, VdN-Nr. 06/28; Frieda Matthes: ThStA R, VdN-Nr. 06/28; Rudolf Olm: ThStA R, VdN-Nr. 06/31; Willi Arnold, Gertrud Adam und Harry Müller: Berichte sowie Willi Arnold: Bericht vom Januar 1983 über die ille- gale Arbeit, Abschriften in: PA H.G.; Karl Brundig: Niederschrift über die Einheitsbestrebun- gen und die illegale Tätigkeit der KPD-O in Thüringen. Weimar 1948, StaA J Y, Nr. 9; Uwe Völkel: Kurzbiographie über Albin Funk, in: BACZ J–T; Erich Matthes: Erklärung zu M. Mähler, in: PA H.G; Max Mähler: OdF-Akte, in: Stadtverwaltung Jena; Anklageschrift vom 30. April 1935 des OLG Jena, OJ 187/34 und OJS 25/35, Kopie in: PA H.G.

Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

In der SPD gelang es dem Vorstand in den Jahren der Weimarer Republik im- mer wieder, die Wirkung der linken und oppositionellen Kräfte zu neutralisie- ren. Nach dem Verbot der SPD durch die Nazis am 22. Juni 1933 zerfiel die SPD als einheitliche Organisation. In Jena gehörten zu den linken Kräften vor 1933 Professor Anna und August Siemsen, Professor Paul Hermberg, Fritz Barth, Fritz Röhrdanz und Rudi Wehner. Friedrich Adler, der Sekretär der Sozialistischen Arbeiter-Internationale (SAI), schrieb Anfang Juni 1933 über die SPD:

„Alle Anpassungsversuche in Deutschland, die Wahnsinnstaktik eines Teils der Gewerkschaften, der dem Feind die Festungen der Arbeiterklasse mög- lichst wohlbehalten auslieferte, die Wahnsinnstaktik eines Teils der Parla- mentsfraktion, der anstatt Hitler zu demaskieren, ihm die Mauer machte, ha- 43

ben die Verwirrung in der Arbeiterschaft weiter gesteigert, das Vertrauen weiter erschüttert.“3

Das Verbot der SPD traf die Mehrheit der Mitglieder und Ortsgruppen unvorbe- reitet, während die kommunistischen Gruppen seit Februar 1933 in die Illegalität gegangen waren. Zur SPD-Ortsgruppe Jena gehörten:

Eduard Heintz, Paul Brückner, Otto Schmidt, Paul Buchmann, Fritz Herrmann, Kurt Haake, Gustav Schubert, Alfred Teubner, Wilhelm Richter, Walter Federbusch, Karl Nicolai, Emma Heintz, Karl Engler u.a.

Bis zum Verbot der SPD war in Jena Otto Schmidt Vorsitzender, Fritz Herr- mann Sekretär des Unterbezirks und Eduard Heintz Vorsitzender der Ortsgruppe Jena. Wilhelm Richter übte in dieser Zeit die Funktion des Sekretärs im Metall- arbeiterverband in Jena aus. Eduard Heintz berichtete später:

„Nach dem Verbot war der Wald Treffpunkt der Funktionäre. Solche Zu- sammenkünfte wurden bisweilen durch berittene Polizei gestört, die von den geheimen Zusammenkünften Wind bekommen hatte. In einem späteren Stadi- um der Verfolgung waren der ‚Anker‘ in der Wagnergasse und der Tabakla- den im Steinweg Informationsstellen für wichtige Mitteilungen und Ereignis- se. Der ‚Anker‘ flog als Treffpunkt auf, weil der dort tätige Antifaschist län- gere Zeit in Haft gehalten wurde. […] Es bestanden vielseitige illegale Verbindungen, darunter auch zur Tschecho- slowakei, aus der Flugblätter nach Deutschland eingeführt wurden. Bei einer Flugschriftenverteilung wurden in Gera Verhaftungen vorgenommen, worauf die Geheime Staatspolizei in einer Reihe von Thüringer Städten, darunter auch in Jena, eine Anzahl von Antifaschisten in das Konzentrationslager Bad Sulza einlieferte, obwohl ein Schuldbeweis nicht erbracht werden konnte.“

Kurt Haake gab die Situation später so wieder:

„Während der Nazizeit habe ich mit Karl Nicolai, Karl Engler, Paul Brück- ner und Paul Buchmann mehrere Jahre lang regelmäßig Skatabende in dem

3 Internationale Information, 10. Juni 1933, S. 279. 44

von Wilhelm Richter bewirtschafteten ‚Anker‘, Wagnergasse, durchgeführt. Das war immer mit politischen Informationen verbunden.“

Aus der VdN-Akte von Kurt Unger:

„Nach der Zerschlagung der Gewerkschaften und der Besetzung des Ge- werkschaftshauses durch die Faschisten in Jena am 2. Mai 1933 war es mög- lich, daß Wilhelm Richter die Gastwirtschaft ‚Anker‘, Wagnergasse, über- nahm. Diese Gastwirtschaft war nun Treffpunkt eines Teiles von SPD- Mitgliedern, mit welchen wir unsere Gedanken austauschten, aber auch ge- meinsame Fahrten unternahmen. Die Faschisten nannten damals die Gast- wirtschaft ‚Anker‘ das kleine Gewerkschaftshaus, welches ihnen schon lange ein Dorn im Auge war. Anfang Juli 1935 wurde Wilhelm Richter von den Fa- schisten verhaftet und die Gastwirtschaft geschlossen.“

Fritz Heinlein berichtete:

„Ernst Lösche führte mich Ende Januar 1935 in die Gastwirtschaft ‚Zum An- ker‘ in der Wagnergasse ein. Der Wirt war der ehemalige Sekretär des Me- tallarbeiterverbandes Jena, Wilhelm Richter. Diese Gastwirtschaft war Treffpunkt vieler ehemaliger Mitglieder beider Arbeiterparteien und wurde das ‚kleine Gewerkschaftshaus‘ genannt. Hier lernte ich kennen: Oskar Po- ser sen. und jun., Hilde Poser, Walter Ebert, Kurt Hensel und Braut, Wilhelm Schreck und viele andere.“

Anneliese Grün (Heinlein) erinnerte sich hinsichtlich des bekannten Sozialde- mokraten Hermberg:

„In den Jahren 1935/1936 spielten meine Schwester und ich des öftern mit den Kindern des Professors Hermberg im Garten der Familie Eduard Heintz in der Döbereinerstraße unter Aufsicht der Betreuerin der Hermbergschen Kinder. Die Erwachsenen unterhielten sich unterdessen ungestört über die sie brennend interessierenden politischen Probleme.“

SPD-Mitglieder hielten recht enge Verbindungen zu diesem Professor der Öko- nomie, Hermberg. Von ihm gingen auch Verbindungen zu Adolf Reichwein. Es gab weiterhin als Kaffeekränzchen getarnte Treffen zum Informationsaus- tausch und um den politischen Zusammenhalt zu bewahren, so in den Wohnun- gen von

Wilhelm Bärwinkel, Richard Marx, Karl Nicolai, Kurt Wohanka, Karl Zierath.

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Sie hatten Verbindungen zu Kurt Böhme in Gera und zu Professor Jenssen an der Volkshochschule in Gera-Tinz. Vgl. Rudi Wehner: Lebenslauf vom 1. November 1975, in: BACZ, T und in: PA H.G.; Kurt Unger sowie Fritz Herrmann, in: ThStA R, VdN-Nr. 03/52 und Nr. 06/18; Eduard Heintz: Erinnerungen an die Arbeiterbewegung nach dem 1. Weltkrieg. 9. März 1961; Kurt Haake: Erlebnisbericht, im: BACZ J–T; Wilhelm Stephan und Eduard Heintz: Die Arbeiterbewegung in Jena von 1890–1945. 1950, in: StaA J, Bestand 26/1; Fritz Heinlein: Zu meiner illegalen Tätigkeit in Jena, 10. Juni 1981; Anneliese Grün: Erinnerungen an die Familie Eduard Heintz, 1989, in: PA H.G.

SPD-Ortsgruppen in Jena, Kahla und Eisenberg

In der Automatendreherei Zeiss Jena wirkten u.a. folgende Sozialdemokraten im antifaschistischen Sinne:

Gerhard Sauthoff, Alfred Ruderich, Paul Meinhardt, Ernst Kaiser, Robert Schimmel, Otto Lang, Gustav Probsthain, Ernst Petz, Karl Stöbe.

Gerhard Sauthoff berichtete:

„Die wenigen aufrechten und standhaften Mitglieder beider Arbeiterparteien mußten sich erst wiederfinden und eine Neuauflage der Arbeiterbewegung beginnen. Paul Meinhardt und Robert Schimmel waren die ersten, mit denen ich mich über unsere traurige Situation und die Schlußfolgerungen über un- ser Verhalten im Betrieb austauschte. Unser Kreis vergrößerte sich durch Gustav Probsthain, Ernst Petz, Karl Stö- be, Alfred Ruderich, Ernst Kaiser und Otto Lang. Wir waren alle Mitglieder der SPD und jeder hatte sich in der gesellschaftlichen Arbeit vergangener Jahre zuverlässig bewährt. Wir erforschten alles Wissenswerte im Betrieb und unserer sonstigen Umge- bung, gaben uns im Austausch notwendige Tips und Hinweise. Durch gedul- dige Bearbeitung suchten wir Vertrauen, gaben nicht selten berufliche Hilfe- stellung, besonders den neueingestellten Kollegen, die ja oft längere Zeit ar- beitslos waren und fachliche Lücken überwinden mußten. Durch unsere Kleinarbeit ergab sich, daß wir mehr Einfluß gewannen als die politischen Gegner, was sich später, während des 2. Weltkrieges, in verstärk- tem Maße auszahlte. […] Unsere Informationen erweiterten sich mit der Ausweitung der faschistischen Herrschaft. Wir waren unterrichtet über die KZs, über die Judenpogrome […], über die fortlaufende Verfolgung von Menschen aller Schichten, von dem Kriegsgeschehen und dem Terror in Polen, Belgien, Holland, Frank- 46

reich und Norwegen. Wertvoll waren die Auskünfte, die ich durch Adolf Reichwein erlangte, der als international bekannter Intellektueller viele Be- ziehungen hatte. Mit solchen Kenntnissen konnten wir in unserer Umwelt, unter ahnungslosen Mitläufern und eingeschüchterten Menschen, gezielte Zersetzungsarbeit leisten. Mir war es beispielsweise gelungen, einige junge Menschen davon abzuhalten, sich zur NSDAP oder zum Kriegsdienst zu mel- den. […] Während dieser Zeit habe ich mich mehrmals mit meinem Freund und Lehrer Adolf Reichwein getroffen und mich stets an dessen Umsicht und Standhaf- tigkeit aufgerichtet. […] Mit meinem mutigen Freunde Robert Schimmel und einigen SPD-Mitgliedern unseres Wohngebietes, u.a. Helmut Schmidt, vergruben wir im Winter 1933/34 […] unsere Gewehre. Als moralischen Ausgleich gingen wir auf nächtliche Streifzüge zur Demontage von Hakenkreuzfahnen, von denen ich eine ganze Anzahl in meinem Garten verbrannte.“

Diese Gruppe arbeitete bis 1942 selbständig. Erst danach bekam Gerhard Sauthoff zu Magnus Poser Kontakt und reihte sich mit seiner Gruppe in die gro- ße Widerstandsorganisation ein. Weiter wirkten bei Zeiss folgende Mitglieder der SPD:

Walter Große (Fabrikmaler-Abt.); Otto Oppermann (T-Fräs 4); Paul Gersten- berger sowie die Mitglieder des DMV Paul Büchner, Willi Ernst, Rudolf Öhme, Oskar Orthaus, Otto Preisser und Max Wildner (alleT-Dr). Vgl. Gustav Probsthain: ThStA R, VdN-Nr. 06/33; Hermann Müller: ThStA R, VdN-Nr. 05/31; ThHStA W. Bezirkstag und Rat des Bezirkes Erfurt. Abt. für Gesundheits- und Sozi- alwesen. VdN-Akte Otto Lang; Gerhard Sauthoff: handgeschriebener Bericht ohne Datum; Otto Lang: Bericht vom 16. Februar 1959, in: BACZ J–T.

Aktive Antifaschisten der SPD-Ortsgruppe Kahla waren u.a.:

Otto Lang, Alfred Bodinger, Kurt Hahn, Max Eggert, Otto Anske, Fritz Schulze, Rudi Anske, Karl Jecke, Walter Lorenz Franz Schweinitz, Harry Heunemann, Friedrich Böhme, Hermann Schaub.

In dieser Gruppe wurde das Transparent hergestellt, das vor dem 5. März 1933, dem Tag der Reichstagswahl, auf dem Felsen des Dohlensteins angebracht wur- de. Die SA schoß es nach drei Tagen herunter. Die Antifaschisten hatten es ret- 47 ten wollen und stießen dabei mit der SA zusammen. Es kam zu einer handfesten Keilerei. Fritz Schulze, Karl Jecke, Franz Schweinitz, Friedrich Böhme, Alfred Bodinger und Max Eggert wurden dafür zu Gefängnisstrafen zwischen einem und zweieinhalb Jahren verurteilt. Mit Gummiband und Schwammgummi wurden Stempel mit revolutionären Losungen angefertigt und in Kahla damit Häuser, Mauern, Straßen und Zäune bedruckt, ferner Flugblätter angefertigt und verteilt. Auf der Saalebrücke hat diese Gruppe mit roter Ölfarbe das Wort „Freiheit“ gemalt, aber alle Übermal- versuche scheiterten zunächst. Die Antifaschisten

Ernst Degener, Paul Hey, Franz Lüders, Fritz Rank (KPD), Paul Engelmann, Willi Hart (KPD), Otto Engelmann, Max Wittig (KPD) Ernst Bock trafen sich mit anderen Antifaschisten und mit Sympathisierenden des Arbeiter- Radio-Bundes in deren Wohnungen und hörten die Sender Radio Moskau und Londoner Rundfunk. Die Nachrichten wurden z.B. beim Angeln an der Saale oder in den Gärten verbreitet. Bis Ende 1934 leitete Willy Pfeifer das Siebshaus bei Hummelshain. Dort trafen sich Mitglieder der SAJ, des KJVD und Arbeitersportler. Von dort aus bestanden auch gute Verbindungen zur Leuchtenburg, wo sich Jugendgruppen aus dem ganzen Reich trafen. Herbert Töpfer versteckte nach dem Verbot der SAJ deren Fahne in seinem Schlafzimmer und rettete sie über die Zeit des Fa- schismus hinweg. Vgl. Heidrun Hartwig: Aus dem Leben von Otto Lang, Kahla; Schmitzmann: Lebensbild von Willy Pfeifer, Kahla; Bericht der Polizeiverwaltung Kahla, Akt.-Z.: Kahla VI/793/33, alles in: Heimatmuseum Kahla; Karl Jecke: ThStA R, VdN-Nr. 06/21; Fritz Schulze: ThStA R, VdN- Nr. 05/04; Franz Schweinitz: Bericht, in: PA H.G.; Kahlaer Tageblatt, Nr. 217 vom 16. Sep- tember 1933; Jenaer Zeitung und Jenaer Volksblatt vom 4. März 1933; „Porzelliner Echo“. Kahla, Nr. 7 vom Mai 1983.

Zur Gruppe linker Sozialdemokraten in Eisenberg gehörten u.a.:

Friedrich Singer, Heinz Schubart, Änne Singer, Hermann Kotze.

Die Zusammenkünfte dieser Antifaschisten wurden auch von Hermann Mertel, KPD, und Pfarrer Kleinschmidt, Religiöser Sozialist, wahrgenommen. Treff- punkt waren jahrelang die Wohnung von Friedrich Singer in Eisenberg am Ton- teich, das Landheim der SAJ in Waldeck und der Garten der Familie Singer, der auf dem Waldgrundstück eines SPD-Mitgliedes angelegt war. Nach dem Verbot der SAJ konnte das Mitglied der SPD Walter Müller, Kursdorf, das Heim in Waldeck pachten. Das Grundstück gehörte einer alten Bäuerin, die in der Um- gebung als Hexe verschrieen war. Bei den Treffen wurden Informationen ausge- tauscht und Diskussionen über die politische Lage geführt. 48

Auch im Bad von Klein-Aga, am Waldteich von Altenroda und an den Plothener Seen fanden Zusammenkünfte statt. Hier kamen auch Jugendgruppen aus Eisenberg, Hermsdorf, Zeulenroda und anderen Orten Thüringens zusam- men. Politische Verbindungen bestanden über Singer nach Gera zu Herbert Frister, der etwa seit August 1934 dem Führungs-Dreierkopf der linken Sozialdemokra- ten Ostthüringens angehörte. Entsprechende Kontakte gab es weiter nach Zeitz, nach Zeulenroda zu Arno Müller und nach Jena. Hier arbeitete Singer von 1937 bis 1945 in der Wäscherei Hahn. Es wurden Druckschriften herangeschafft und verteilt. Im Ergebnis eines Treffens an den Plothener Seen kam eine Radtour in die Tschechoslowakei zustande. Teilnehmer waren: Friedrich und Änne Singer, Ei- senberg, und Arno Müller, Zeulenroda. In der ČSR wurden Verwandte von Sin- ger aufgesucht und Verbindungen mit Sozialdemokraten aufgenommen. Durch Arno Müller und andere linke SPD-Mitglieder ist dann ständig Material aus der Tschechoslowakei geholt worden, so z.B. das „Braunbuch“, „Hitler treibt zum Krieg“, der „Vorwärts“ und die „Rote Fahne“. Dieses Material fand auch in Ei- senberg Verbreitung. Von Herbert Frister aus Gera kamen Exemplare der „Base- ler Zeitung“ und die einmalig erscheinende „Münchener Karnevalszeitung“, die scharfe Kritik am Nazisystem übte. Auch diese Zeitschrift sowie Zeitungen sind in Eisenberg verbreitet worden. Flugblätter kamen bis 1936 aus Zeitz und wur- den in Eisenberg und im Holzland verteilt. Die Verbindung zu Arno Müller brach mit seiner Verhaftung im Jahr 1935 ab. Mit Herbert Frister traf sich Singer weiterhin, so auch in Eisenberg und an- deren Orten des Holzlandes. Vgl. ThHStA W, Bezirkstag und Rat des Bezirkes Erfurt, Abt. für Gesundheits- und Sozial- wesen. VdN-Akte Friedrich Singer; Bestätigungen solcher Aktivitäten durch Herbert Frister und Arno Müller: in: PA H.G.

Jenaer Jungsozialisten

Die jungen Mitglieder der SPD zwischen 18 und 25 Jahren hatten sich das Recht auf Bildung eigener Gruppen und eigener Geschäftsführung als Jungsozialisten erkämpft. Da ein immer größer werdender Teil in Opposition zur Politik der Ge- samtpartei stand, legte der Leipziger Parteitag 1931 mit übergroßer Mehrheit fest:

„Der Beschluß des Kasseler Parteitages 1920 betr. Einrichtung von Jungso- zialisten-Gruppen ist aufgehoben.“ 49

Damit war faktisch das Verbot der jungsozialistischen Bewegung innerhalb der SPD verfügt. Rudi Wehner schätzte später ein:

„Wir waren damals in Jena eine starke Opposition in der SPD.“ Und er füg- te hinzu: „Die Isolationsbewegung, wie sie von der Gruppe Seydewitz ge- führt wurde, lehnte ich ab. Obwohl mir klar geworden war, daß die KPD die einzige marxistische Partei ist, hielt ich es damals für unzweckmäßig, sofort zur KPD überzugehen, weil ich glaubte, dem Gedanken der Einheitsbewe- gung durch meine aktive Mitarbeit beim linken Flügel der SPD mehr zu nut- zen.“ R. Wehner berichtete weiterhin: „Nachdem der Faschismus seine staatliche Macht 1933 angetreten hatte, zögerte ich nicht, um in Jena mitzu- helfen, unter Führung von Fritz Barth, Fritz Röhrdanz und Heiner Frank il- legale Gruppen von Jungsozialisten zu bilden. Während Fritz Röhrdanz per- sönliche Verbindungen zu den Jungsozialisten in Gera, Fritz Schönburg, Fritz Roth u.a., aufnahm, stellte ich solche Verbindungen zu Hans Eberling, Willi Hüttenrauch, Kurt Nehrling u.a. in Weimar her. Die ersten Jahre dieser illegalen Arbeit dienten besonders der weiteren ideologischen Aufklärungs- und Schulungsarbeit in Fünfergruppen.“

Aus dem Lebenslauf von Hans Näder, KJVD, ist zu erfahren, daß in der Gruppe Wehner bereits im März/April 1933 das antifaschistische Flugblatt „Luftausgabe Süd“ ausgewertet wurde. Im Juni 1933 ist im Garten der Familie Rambusch im Munketal, unter we- sentlicher Mitwirkung von Änne, Karl und Fritz Rambusch sowie Walter Feuer- stein, marxistische Literatur sichergestellt und versteckt worden, die später bei der illegalen Schulungsarbeit eine Rolle spielte. Auguste Wehner:

„Die Gruppe der Jungsozialisten in Jena umfaßte im Sommer 1933 noch et- wa 50 Mitglieder. Wir kamen in Fünfergruppen zusammen und diskutierten meist den Inhalt der damals in Berlin erscheinenden Zeitung ‚Blick in die Zeit‘. Sie […] war eine Zusammenstellung von Nachrichten aus aller Welt. Sie erschien auf den ersten Blick ‚neutral‘, für politisch Geschulte bildete sie aber eine Möglichkeit, sich über viele Ereignisse ein richtiges Bild zu ma- chen. Sie bestand nicht lange.“

Diese Zeitung wurde Mitte 1933 von den Nazis zugelassen, Herausgeber war Dr. Ristow, Berlin. Vertrieben wurde sie vom Zeitschriften-Großvertrieb Liebe, Berlin-Neukölln. Dort waren fast ausnahmslos ehemalige SPD-Genossen ange- stellt, die eine neue Existenz aufbauen wollten. Der ehemalige Reichssekretär der „Kinderfreunde“, Weinberger, wandte sich an den Jungsozialisten Herbert Frister, Gera, mit der Frage, ob er für Gera und Umgebung den Aufbau des Ver- 50 triebes dieser Zeitschrift übernehmen wolle. Frister sagte zu und übernahm seit Herbst 1933 den Vertrieb für Gera und Umgebung. Fritz Singer, Eisenberg, war von Anfang an beim Aufbau des Vertriebsappa- rates dabei und hatte einige Funktionen. Innerhalb eines halben Jahres gab es in Ost-Thüringen rund 30.000 Abonnenten, fast ausnahmslos ehemalige KPD- und SPD-Mitglieder. Der Vertriebsapparat ist auch als Tarnung für die illegale Ar- beit benutzt worden, doch im Frühjahr 1935, nach einer Verhaftungswelle der Nazis, wurde die Zeitschrift verboten. Die Zeitung „Blick in die Zeit“ gelangte von Gera aus auch nach Jena zur Gruppe der Jungsozialisten, ebenso die von linken Sozialdemokraten Ostthürin- gens illegal herausgegebene Zeitschrift „Marxist“. Letztere wurde über Paul Richter, Meiningen, zu Erich Treffkorn nach Jena vermittelt, der engen Kontakt zu Professor Paul Hermberg in Jena hatte und der auch Artikel für den „Mar- xist“ verfaßte. Auguste Wehner berichtete über die politische Arbeit in der ersten Zeit nach dem Machtantritt der Nazis weiterhin:

„Höhepunkte bildeten immer unsere Wanderungen, die wir in die Umgebung von Jena ungestört fortsetzten. Wir waren manchen Sonntag 20–30 Mann und diskutierten die Lage in Jena, wer wieder unzuverlässig wurde, mutmaß- ten über die Dauer des Dritten Reiches, trafen uns mit Weimarer und Geraer Jungsozialisten, bildeten Zirkel zum Studium marxistischer Schriften usw. Fritz Barth zog noch 1933 von Jena fort nach Ilmenau, Heiner Frank und Fritz Röhrdanz fielen für die Leitung aus, weil sie eine illegale Arbeit für zwecklos und zu gefährlich hielten bzw. eine Orientierung auf die Politik der [Sowjetunion; d.Red.] ablehnten. So hielten es die übrigen führenden Jung- sozialisten Rudi Wehner, Helmut Schmidt und Heiner Stock für richtig, die bisher bestehende Gruppe der Jungsozialisten aufzulösen. In den Monaten der ‚Ruhe‘ wurde aber sondiert, wer noch als zuverlässig galt, und 1934/1935 etwa wurde die Arbeit fortgesetzt.“

Helmut Schmidt berichtete:

„Ende 1933 bis Sommer 1934 trat der erste größere Differenzierungsprozeß innerhalb der Jenaer Gruppe Jungsozialisten ein. Heiner Frank, Hans Brau- ne, Liesbeth Marquardt lösten sich von der Gruppe bzw. wurden von der Gruppe nicht mehr als voll zuverlässig angesehen. Neben dem Ausscheiden aus der Gruppe gab es aber auch Jungsozialisten, die neu hinzukamen, wie z.B. Willy Jahnke. Weiter gab es junge Genossen, die, ohne zur Gruppe der Jungsozialisten zu gehören, an unseren regelmäßigen Fahrten teilnahmen […], wie z.B. Fritz Rambusch, Wilhelm Bärwinkel, Helmuth Zierath, Werner Kassler. Mit den verbliebenen Jungsozialisten und den neu hinzugekomme- 51

nen kamen wir in regelmäßigen Treffs zusammen, so im Gartengrundstück der Familie Rambusch (im Herbst und Winter) und während des ganzen Sommers am Wochenende im Mariengrund bei Langendembach. In der Zeit bis 1936 waren diese Zusammenkünfte mehr oder weniger ein Austausch von politischen Informationen. Eine intensive politische Schulungsarbeit auf der Grundlage bestimmter Materialien, wie die Schrift von Lenin ‚Staat und Re- volution‘, Band 1 ‚Kapital‘ von Karl Marx, ‚Kommunistisches Manifest‘ und ähnliches, begann erst ab 1936.“

Zur neu entstandenen Gruppe der Jungsozialisten Jenas gehörten:

Rudi Wehner, Erich Treffkorn, Karl Gießmann, Karl Zierath jun., Auguste Wehner (Bärwinkel), Helmut Schmidt, Wilhelm Bärwinkel jun., Herta Schmidt (Becker), Felix Wieczorek, Lotte Wieczorek, Heiner Stock, Gertrud Becker, Werner Schubert, Ernst Schütze, Annemarie Anweiler (Rambusch), Walter Ebert, Walter Feuerstein, Leni Feuerstein (Lange), Karl Rambusch, Fritz Ram- busch, Fritz Heinlein (kam 1935 aus Heidelberg dazu).

Sie bildeten Fünfergruppen, kamen zu regelmäßigen Treffen in Wohnungen, auf Wanderungen und bei Zeltfahrten zusammen. Wichtigster Teil der Arbeit war die ideologische Aufklärung und Schulung. Auguste Wehner berichtete:

„Wir lasen Bücher, bildeten Zirkel, in denen das Gelesene diskutiert wurde. Die Jungsozialisten mußten Vorträge halten über wirtschaftliche, politische, militärische (wir lasen Clausewitz ‚Vom Kriege‘ und hielten eine Militärzeit- schrift) und auch philosophische Themen. Das alles geschah aber ohne ei- gentliche Zusammenhänge, auch ohne Anleitung einer zentralen Organisati- on etwa, sondern war lediglich eine Schulung unter denjenigen, die unbe- dingt einen Zusammenhalt anstrebten, um nicht, wie so viele, ins unpolitische Leben hinabzugleiten und zu warten, bis sich der Nazismus von selbst erle- digt haben würde.“

Von Karl Rambusch wissen wir, daß in seiner Gruppe die politischen Ereignisse diskutiert, die Jungsozialisten durch das Studium von sozialistischer und marxi- stischer Literatur geschult wurden und eine sehr kritische Einstellung zur Politik der SPD-Führung bestand. Das Wesen des faschistischen Regimes, seine Verlo- genheit und Grausamkeit, wurde in der Gruppe erkannt, was für Rambusch als Jugendlichen besonders wichtig war. Annemarie Anweiler (Rambusch) schrieb:

„Nach der Machtübernahme durch den Hitlerfaschismus setzten wir unsere Arbeit unter der Arbeiterjugend durch Agitation in den Betrieben fort. 52

Die politische Praxis und der Kampf gegen das Hitlerregime lehrten aber selbst, daß den einzig konsequenten Kampf gegen den Hitlerfaschismus nur die KPD führte. Darum näherte sich auch unsere Gruppe von Jungsoziali- sten immer mehr dem kommunistischen Standpunkt und die Kontakte, die zwischen Jungkommunisten und Jungsozialisten schon vor 1933 bestanden, wurden fester.“

Fritz Heinlein erklärte:

„Eines Tages sprach mich Walter Ebert an, zu einem Treffpunkt der Jungso- zialisten mitzugehen. Ich nahm meine Gitarre mit und Walter führte mich in ein Grundstück in das Mädertal. Das Grundstück gehörte den Eltern von Ernst Schütze. Im Wohnzimmer waren schon eine ganze Reihe Jungsoziali- sten versammelt. Ich wurde Rudi und Auguste Wehner, Helmut und Herta Schmidt, Walter Ebert und Frau, Ernst Schütze und Frau und anderen vorge- stellt. Bald begannen wir leise, alte Arbeiterlieder zu singen und zwischen- durch unterhielten wir uns über die Lage in Deutschland. Von nun an hatte ich zu den Jungsozialisten laufend festen Kontakt. Wir pflegten kamerad- schaftliche Beziehungen, machten gemeinsame Wanderungen und wahrten das sozialistische Ideengut. Von einer organisierten Widerstandsarbeit war hier noch nicht die Rede. Eine große Rolle für die Veränderung meines Bewußtseins spielten die Dis- kussionen mit Richard Dietz. Richard war vor 1933 Mitglied der Kommuni- stischen Partei. In den Gesprächen mit Richard Dietz wurde mir klar, daß der Faschismus nur durch eine gut durchdachte, gut organisierte, zielgerich- tete und breite Widerstandsbewegung wirksam bekämpft werden konnte.“

Zu den ersten illegalen Aktionen der Jenaer Jungsozialisten gehörte das Hissen von roten Fahnen auf hohen Bäumen zum 1. Mai und zum Jahrestag der Okto- berrevolution sowie das Parolen-Schreiben auf Straßen und an Mauern. Ostern 1934 fuhren Rudi Wehner, Helmut Schmidt, Erich Treffkorn, Hans Braune und Liesbeth Marquardt nach Prag, um mit Vertretern des SPD- Vorstandes Verbindung aufzunehmen. Rudi Wehner und Helmut Schmidt über- nachteten in Gera bei Karl Wetzel, der zur illegalen Leitung linker Sozialdemo- kraten im Unterbezirk Gera gehörte. Er stand ihrem Unternehmen skeptisch ge- genüber. In der Tschechoslowakei gelang die Verbindung mit Vertretern des Parteivorstandes nicht. In Prag traf die Gruppe zufällig auf Marga Sell, KJVD. Es entwickelte sich eine Diskussion und die Jungsozialisten bekamen Schriften über den Februaraufstand 1934 in Wien mit (z.B. die AIZ, die Arbeiter- Illustrierte-Zeitung). Dieses Material übergaben sie in Jena an Kurt Gempe. Im Sommer 1934 fuhr Helmut Schmidt in die Schweiz und traf sich dort mit den emigrierten Jenensern August und Professor Anna Siemsen. Aber auch die- 53 ses Gespräch zeigte deutlich, daß mit der Hilfe von SAP-Emigranten in der ille- galen Arbeit nicht gerechnet werden konnte. Ebenso enttäuscht war Helmut Schmidt von einem Gespräch mit Georg Dietrich, der bis 1933 SPD- Vorsitzender Thüringens war. Die Treffen in Prag und in der Schweiz trugen in hohem Maße dazu bei, daß die Jungsozialisten immer engere Kontakte mit Mitgliedern der KPD und des KJVD herstellten, so u.a. zu den Brüdern Gebhardt, zu Kurt Gempe und Erich Nacke. Helmut Schmidt erinnerte sich dazu:

„In zunächst losen Verbindungen suchten wir Kontakt zu Mitgliedern der KPD bzw. des KJVD. Wir tauschten unsere politischen Meinungen aus und der Kontakt wurde immer enger.“

Weitere Verbindungen der Jungsozialisten gab es zu Karl Brundig und Erich Matthes, KPD-O, sowie zu Erich Gehmlich, SAP/SJV. Zu dem der verbotenen SPD angehörenden Professor für Ökonomie Paul Hermberg und dessen Familie unterhielten die Jungsozialisten ebenfalls Kontak- te. Helmut Schmidt berichtete:

„Nach 1933 gehörten Paul und Annemarie Hermberg zu den Mitgliedern der SPD in Jena, die entschieden gegen eine ‚Legalisierung‘ der SPD eintraten, wie das durch eine Reihe von rechten SPD-Mitgliedern angestrebt wurde. […] Im Herbst 1934 hatten wir eine bemerkenswerte Zusammenkunft mit Prof. Hermberg in der Wohnung des SPD-Mitgliedes Grete Sorsche. Sie war vor 1933 Studienrätin und wurde von den Faschisten gemaßregelt. Wir, d.h. beide Wehners, zu denen ich ja gehörte, vertraten im Herbst 1934 die Mei- nung: Es wird höchste Zeit, engere Verbindung zur KPD herzustellen. Es gab dabei mit Professor Hermberg Auseinandersetzungen über die Beurteilung der Sowjetunion. Wir sahen in ihr den einzigen Staat, von dem aus die Arbei- terklasse eine Unterstützung erfahren könne. Professor Hermberg war aber aus ökonomischen Gründen nicht von der Stärke und der führenden Rolle der Sowjetunion überzeugt. […] Als nach 1936 Prof. Hermberg nach Columbien ging, gab es bis zu Beginn des Krieges einen losen Briefverkehr mit ihm bzw. Zusammenkünfte [noch] während der Zeit seiner Anwesenheit in Jena. Aus Unterhaltungen mit Prof. Hermberg war mir lediglich bekannt, daß er über Jack Greidinger bestimmte zugelassene Schriften in das Zuchthaus vermittel- te. Sonst ist mir aus der Verbindung Greidinger-Hermberg nichts bekannt. Von der genannten Gruppe Jungsozialisten verkehrten alle im Hause von Prof. Hermberg. 1935 hatte ich mit Jack Meitmann mehrere Zusammenkünfte bei Professor Hermberg. Jack Meitmann war vor 1933 erster Bezirksvorsitzender der SPD in Groß-Hamburg. Ich erinnere mich noch, daß er damals politisch sehr auf- 54

geschlossen war und nicht gegen eine Verbindung mit der KPD auftrat. Die Verbindung zu Hamburger Genossen wurde 1939 anläßlich eines Urlaubes im Zelt in der Lübecker Bucht, in der Nähe von Neustadt-Holstein, noch en- ger geknüpft. An diesem Zeltlager nahmen die Genossen Wehner, Genosse Bärwinkel und die Familie Wieczorek teil.“

1936 wurden Geldsammlungen für den Befreiungskampf in Spanien organisiert und in Betrieben mit sympathisierenden Kollegen über den Kampf der spani- schen Arbeiter diskutiert. In den Fünfergruppen der Jungsozialisten sind auch Materialien des VII. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale und der sog. Brüsseler Konferenz der KPD erörtert worden. Man zog erste Schlußfolgerungen für die eigene Arbeit. Es war für die Jungsozialisten auch wichtig, vor allem in den Betrieben poli- tisch zu wirken. Über die entsprechenden Möglichkeiten und die Verhältnisse, z.B. in der Firma Zeiss berichtete Rudi Wehner:

„Eine überaus schwere Zeit war über uns hereingebrochen. Eine Bespitze- lung in den Werkhallen und Büros durch die [Nazi-]Parteigenossen und SA- Leute hatte eingesetzt. Werktätige, von denen wir es nie erwartet hatten, ent- puppten sich plötzlich als Nazis, rissen das Maul für den Führer auf und be- gannen, die Kollegen politisch zu schikanieren. Man mußte sich seine Leute schon genau ansehen, mit denen man ein offenes Wort sprechen wollte und höllisch aufpassen, daß man nicht an die falsche Adresse kam. Ich war in der Maschinenhalle als Hobler beschäftigt und mit anderen fest entschlossen, die Kräfte des antifaschistischen Widerstandes zusammenzufügen. In den ersten Jahren nach 1933 tat ich das noch als Jungsozialist, denn es gab in Jena eine Gruppe junger Sozialisten, der ich angehörte und die sich die Aufgabe gestellt hatte, illegal politisch zu arbeiten und die eine Verbin- dung zu den Kommunisten suchte, welche im Jahre 1940 mit Hilfe Magnus Posers auch zustande kam. In der Maschinenbauhalle konnte ich mit anderen Genossen im Laufe der Jahre zwei feste aktionsfähige Fünfergruppen aufbauen, der unter anderem Kurt Unger, Herbert Syrbe, Otto Hengelhaupt, Kurt Hertel angehörten.“

Kurt Unger berichtete dazu:

„Als im Jahre 1933 der Faschismus an die Macht kam, gehörte ich der SPD an und war tätig in der Firma Carl Zeiss, Jena, Abteilung Machinenbau II, als Dreher. […] Gerade in dieser Maschinenhalle waren ein großer Teil der dort beschäftigten Arbeiter Mitglieder der KPD und SPD bzw. mit ihnen Sympathisierende […]. Zunächst bildete sich bei uns eine feste Einheit von 55

folgenden Antifaschisten: Rudi Wehner, Heiner Stock, Fritz Heinlein, Willi Haas, Kurt Hertel, Kurt Unger.“ Vgl. Heinz Niemann: Geschichte der deutschen Sozialdemokratie 1917 bis 1945, Berlin 1982, S. 261, 337, 518; Wehner: Die illegale Arbeit des Ehepaares Auguste und Rudolf Wehner während der Zeit des Faschismus, in: BACZ J–T; Rudi und Auguste Wehner sowie Annema- rie Anweiler (Rambusch), Berichte, in: PA H.G.; Helmut Schmidt: ThStA R, VdN-Nr. 96/38; Heinrich Stock: ThStA R, VdN-Nr. 06/40; Werner Schubert: ThStA R, VdN-Nr 06/38; Hans Näder: ThStA R, VdN-Nr. 06/31; Kurt Unger: ThStA R, VdN-Nr. 03/52; Karl Rambusch: Bericht vom 27. Januar 1975, in: PA H.G.; Helmut Schmidt: Bericht vom 1. August 1964 und Tondokumentation mit Bericht von Rudi Wehner sowie: Die illegale Arbeit des Ehepaares Wehner während der Zeit des Faschismus, in: BACZ J: T; Fritz Merten: Der antifaschistische Widerstandskampf in Jena 1933–1945, FSU J–A, F, I, Nr. 2727; Heinz Grün: Gesprächspro- tokoll mit Helmut Schmidt vom 21. November 1985; Herbert Frister: Bericht sowie Fritz Heinlein: Bericht vom 10. Juni 1981, alles in: PA H.G.

SAJ-Gruppe „Marx“

Zu dieser Gruppe der sozialdemokratischen Arbeiterjugendorganisation (1931: 50.000 Jugendliche im Alter ab 14 Jahre) gehörten in Jena: Karl Ziegler, Werner Goldfuß, Walter Hädrich, Hans Braune, Heinz Dallmann, Werner Meyerstein, Werner Schmidt, Paul Großherr u.a. Die Gruppe bestand bis 1934. Östlich von Kahla, zwischen den Orten Hum- melshain, im Wald von Trockenborn-Wolfersdorf bis nach Langendembach, so auch im dort gelegenen Siebshaus, das heute im Besitz des Thüringer Forstamtes ist, und in Wansiedel, erstreckte sich das Gebiet für illegale Treffen von jungen SPD-Mitgliedern und zur Würdigung des 1. Mai. Es gab Treffen im Siebshaus, in Wansiedel und im Walde bei Wolfersdorf und Hummelshain zum 1. Mai. Vgl. Paul Großherr, OdF-Akte in: Stadtverwaltung Jena.

Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK)

Der ISK entstand Ende 1925, befand sich in Opposition zur SPD und grenzte sich auch gegen die KPD ab. Der ISK war aus dem Internationalen Jugendbund hervorgegangen, der 1917/18 von Leonhard Nelson gegründet worden war, vorwiegend aus Studenten bestand und eine Art Kaderorganisation sein wollte. Die Mitglieder arbeiteten zumeist in der SPD und in den der SPD nahestehenden Massenorganisationen. 1932 wirkten Mitglieder des ISK auch in Einheitskomitees gegen Faschismus und Krieg mit, die sich auf Initiative der KPD gebildet hatten. Nach der Errich- tung der faschistischen Diktatur organisierten ISK-Gruppen auch Widerstands- 56 aktionen. Zu den führenden Köpfen solcher Gruppen gehörte der Pädagoge Juli- us Philippson. Er war Jude und wurde deshalb von den Nazis auch aus rassisti- schen Gründen verfolgt. Er verfaßte Flugblätter gegen die Zwangsmaßnahmen und den Kriegskurs der faschistischen Regierung und wies nach, daß die Nazis im Auftrag der rechten Kräfte des deutschen Großkapitals handeln. Im Laufe des Jahres 1937 nahm der ISK über Philippson zwecks Durchführung gemeinsamer Aktionen Fühlung mit der KPD auf. Im Sommer 1937 gelang es der Ge- stapo, einige Mitglieder des ISK bei der Arbeit zu beobachten. Es kam zur Ver- haftung zahlreicher Mitglieder des ISK, darunter war auch Julius Philippson. Der ISK gab die Monatsschrift „ISK“ und die Tageszeitung „Der Funke“ heraus. Die illegale Literatur kam aus dem Ausland. Zur ISK-Gruppe in Jena gehörten:

Fritz Grebe, Lore Walter, Gerhard Wagenhaus, Elli Gerber, Elfriede Röblitz, Franz Reitmeier.

Zum Informationsaustausch kamen sie zu Treffen zusammen. Die Verständi- gung untereinander erfolgte mündlich an vereinbarten Stellen, mittels kleiner, dünner Handzettel oder über das Porzellangeschäft von Fritz Grebe, Steinweg. Einzeltreffen fanden auch in den Wohnungen von Franz Reitmeier statt. Dieser war im Jenaer Glaswerk in der Verwaltung beschäftigt. Die Gruppe stellte Flug- blätter her und verteilte sie. 1936 wurde auch Geld für die republikanischen Kämpfer in Spanien gesammelt. Verbindungen gab es zu:

Kurt Pfotenhauer, Erfurt, Hugo Schmidt, Eisenach, Richard Bauersachs, Coburg (Creidlitz). Vgl. Sachwörterbuch der Geschichte Deutschlands und der deutschen Arbeiterbewegung, Berlin 1969, Bd. I, S. 854; Deutsche Widerstandskämpfer 1933–1945, Berlin 1970, S. 47; Judith Grebe: ThStA R, VdN-Nr. 06/14; Fritz Grebe: ThStA R, VdN-Nr. 06/14; Franz Reit- meier: ThStA R, VdN-Nr. 06/34; ThStA M., Untermaßfeld Nr. 1078, Akte Pfotenhauer und Nr. 1283, Akte Schmidt; ThStA G.; Strafgefängnis Eisenach Nr. 59, Akte Daum, hier im Ur- teil auch betr. Elfriede Röblitz; Stadtmuseum Jena, D 20–32 und D 33–45; Petra Lange und Barbara Heinze: Lebensbild über Fritz Grebe, in: PA H.G.

Gruppe „Neubeginnen“

Diese Gruppe wurde 1928 von Walter Löwenheim (Schriftstellername Miles) mit einem Kreis von Mitgliedern gegründet, die aus der KPD ausgeschlossen worden waren. Sie erkannten die tiefe Spaltung der Arbeiterbewegung als Grundübel und versuchten, illegal in beiden großen Arbeiterparteien Mitglieder zu gewinnen, die in ihrem Sinne die Spaltung überwinden helfen sollten. Daher 57 wurde diese Gruppe von Anfang an konspirativ aufgebaut, obwohl sie nicht von vorn herein als Widerstandsgruppe gegen den Faschismus gegründet worden war. Sie entwickelte sich zunächst der immer weiter in Richtung der linken So- zialdemokraten, später aber zur rechten SPD-Führung hin. Ihre Vorstellung von der illegalen Arbeit während des Faschismus war folgende:

• Verzicht auf Agitation, weil das zu großen Verlusten führe; • Konzentration auf die Schulung von Menschen mit dem Hauptziel, sie als bewußte Sozialisten über die faschistische Periode hinüber zu retten.

„Es war nicht die Vorstellung, wir könnten durch unsere Propaganda den Faschismus stürzen, es war die Vorstellung, er wird irgendwann gestürzt werden, wahrscheinlich von außen her. Wir wollten ihn überleben, aber nicht einfach als Privatleute überleben, sondern als politisch bewußte, die Dinge verfolgende, auf der Höhe des Zeitbewußtseins stehende Sozialisten, auch im Gruppenzusammenhang überleben.“

Im Herbst 1933 ist in Prag ein Auslandsbüro „Neubeginnen“ eingerichtet wor- den. Zur Gruppe „Neubeginnen“ gehörten in Jena

Fritz Röhrdanz, Dr. Hübner (bis 1933 Bürgermeister von Schkeuditz), Karl Ni- colai, Paul Buchmann, Kurt Haake.

Röhrdanz war zentraler Verbindungsmann nach Gera. Die Zusammenkünfte fanden bei ihm in der Wohnung statt. Er wurde von dem Modelltischler Buch- mann mit dem Motorrad etwa alle vier Wochen nach Gera gefahren und bekam dort seine Informationen von Jack Greidinger. Röhrdanz und Hübner informier- ten die Gruppe politisch. Im August 1934 wurde aber Jack Greidinger in Gera verhaftet. Danach gab es keine Zusammenkünfte mehr. Herbert Frister, Gera, erinnerte sich:

„Während des ersten Halbjahres 1934 versuchte die […] illegale Gruppie- rung ‚Neubeginnen‘ Einfluß auf die linkssozialdemokratische Gruppe in Ost- thüringen zu gewinnen, um von hier aus die ihr fehlende proletarische Mas- senbasis zu erhalten. Die Einwirkungsversuche waren sporadisch und be- schränkten sich auf ideologische Auseinandersetzungen über das umfangrei- che gedruckte Programm von ‚Neubeginnen‘. Die Auseinandersetzungen wa- ren unfruchtbar und wurden mit der Berliner Zentrale nur von einem sehr kleinen Kreis Geraer Genossen geführt.“

In der ersten Hälfte des Jahres 1934 traf sich Jack Greidinger regelmäßig mit Vertretern der Berliner Zentrale in Jena. 58

„Anfang Juli 1934 fand eine Art Konferenz im Hause des Fritz Röhrdanz in Jena statt, an der als Vertreter der Berliner Zentrale Genosse ‚Arnold‘ oder ‚Dr. Arnold‘ teilnahm. […] Die Ostthüringer illegale Organisation hat zu ‚Neubeginnen‘ keine, oder, wie es Jack Greidinger ausdrückte, ‚nur eine sehr lose Verbindung‘ gehabt. Den engsten Kontakt hatte Jack Greidinger. Karl Wetzel und Arthur Schöneburg waren, wie Greidinger einschätzte, ‚zu einem gewissen Grad‘ informiert. Auf die praktische, tägliche illegale Wider- standsarbeit hatte die Verbindung zur Berliner Zentrale ‚Neubeginnen‘ nicht den leisesten Einfluß.“ Vgl. Richard Löwenthal, Die Widerstandsgruppe „Neubeginnen“, Berlin 1982; Kurt Haake: Bericht vom 25. April 1977 und 6. Dezember 1981, in: BACZ J–T; Herbert Fister: Bericht, in: PA H.G.

Sozialistische Arbeiterpartei (SAPD) – Sozialistischer Jugendver- band (SJV)

Nachdem Max Seydewitz und im September 1931 aus der SPD ausgeschlossen worden waren, gründeten sie am 2. Oktober 1931 in Berlin die SAPD. Die neugegründete Partei bekannte sich zur Diktatur des Proletariats und unter bestimmten Vorbehalten auch zur Sowjetunion. Sie erklärte sich bereit, am gemeinsamen Kampf der Arbeiter zur Verteidigung ihrer sozialen Grundrechte teilzunehmen, grenzte sich aber gleichzeitig nicht nur von der SPD, sondern auch von der KPD stark ab. Zur SAPD stießen – neben anderen Splittergruppen, wie der „Sozialistische Bund“ von Georg Ledebour, die USPD von Theodor Liebknecht, die Pazifisten – auch Anfang März 1932 Teile der KPDO unter Führung von Paul Frölich und Jacob Walcher. Die Gründung der SAPD war der letzte Versuch in der Weima- rer Republik, alle linksstehenden Kräfte innerhalb der Arbeiterbewegung zu sammeln. In Jena wurde die SAPD am 24. Oktober 1931 im „Erbprinz“ am Westbahn- hof von Anna und August Siemsen gegründet. Vergeblich versuchte Hermann Scheler-Titus zu beweisen, daß die SAPD ihre Aufgaben nur erfüllen kann, wenn sie sich zu den Grundsätzen des Kommunismus bekennt. Mitte 1932 trat er mit einer Gruppe Jenaer SAPD-Funktionäre zur KPDO über.4 Die Gründung der SAPD wirkte auf zahlreiche linksgerichtete SPD- Mitglieder insofern desorientierend, als sie indirekt die antikommunistische Agi- tation der SPD-Führung unterstützte. Für die Herstellung der Aktionseinheit

4 Arbeiterpolitik, 11. Juni 1932. 59 wirkte dieser Umstand erschwerend, obwohl später viele Mitglieder der SAPD gemeinsam mit Kommunisten und Sozialdemokraten am antifaschistischen Wi- derstandskampf teilnahmen. Am 3. März 1933 beschloß der Parteivorstand die Auflösung der SAPD. Et- wa 1.500 Mitglieder folgten unter Max Seydewitz dem Auflösungsbeschluß und kehrten in die SPD zurück – unter ihnen Professor Anna Siemsen und August Siemsen, Jena, die im gleichen Jahr in die Schweiz emigrierten. Eine Gruppe um Kurt Rosenfeld strebte den Anschluß an die KPD an, aber etwa 15.600 Mitglie- der weigerten sich, in die Mutterpartei SPD zurückzukehren. Die SAPD bildete im Frühsommer 1933 eine illegale Reichsleitung, die je- doch von der Gestapo sehr bald zerschlagen wurde. In Brüssel, London, Oslo, Paris, Prag und Stockholm entstanden kleine Auslandsgruppen, deren Auslands- leitung ihren Sitz in Paris hatte. Von ihr wurden als Publikationsorgane die „Neue Front“ und das „Banner der proletarischen Einheit“ herausgegeben. In den ersten Jahren des Faschismus bestanden auch in Deutschland einige Grup- pen dieser Partei. Unmittelbar nach Kriegsausbruch 1939 zerfiel die Auslands- leitung der SAPD, die damit aufhörte, als eigene Partei zu bestehen. Während des Weltkrieges fanden viele SAPD/SJV-Mitglieder den Weg zum gemeinsa- men antifaschistischen Kampf. In Jena gehörten zur aktiven Gruppe der SAPD:

Hermann Goell, Amalie Goell, [?] Schillbach, Redakteur, Frau Sturm und Toch- ter, Erich Schiller, Walter Hentschek, Gerhard Reichelt, Erich Kreil, Kurt Scha- che, Robert Möser, Heinz Rudolf, Hermann Müller (seit September 1934).

Die Gruppe traf sich ziemlich regelmäßig zur wöchentlichen Zusammenkunft. Der Informationsaustausch diente der Einflußnahme auf Bekannte und Arbeits- kollegen. Es wurden Geldsammlungen für Familienangehörige eingekerkerter Genossen durchgeführt. Den Erlös einer Geldsammlung für den Freiheitskampf in Spanien 1936 brachte Amalie Goell in die Schweiz. Sie übergab das Geld spanischen Genossen, die in Genf zu den Tagungen des Völkerbundes anwesend waren. Hermann Müller erinnerte sich an eine Kurierfahrt von SAPD-Mitgliedern im Herbst 1933 von Saalfeld nach Jena:

„Wir trafen dann im Laufe des Vormittags in Jena ein, nahmen zu den in Je- na illegal arbeitenden Mitgliedern in der Wohnung von Amalie Goell Kon- takt auf. Zu dieser Gruppe gehörten u.a. Erich Schiller, Gerhard Reichelt, Kurt Schache und Hermann Goell. Hier in Jena gab es keine Komplikatio- nen.“

Kurt Schache schrieb in seinem Lebenslauf: 60

„Als Jugendfunktionär trat ich 1931 mit 18 Jahren der SPD bei. In der da- maligen Zeit standen wir als Jungsozialisten auf dem linken Flügel der SPD […]. Wir waren damals immer noch der Überzeugung, daß es uns gelingen müßte, die SPD von ihren reformistischen, verräterischen Auffassungen ab- zubringen. Der linke Flügel der SPD war zu schwach und konnte sich nicht durchsetzen. Die damaligen Führer der SPD steuerten immer mehr einem reaktionären Kurs zu. Aus diesen Gründen kam es 1931 zur Gründung der SAPD und des SJV. 1932 trat ich aus der SPD und SAJ aus und schloß mich der SAP und dem SJV mit dem Wunsch an, daß es dieser Partei und ihrer Ju- gend gelingen möge, die Einheit der Arbeiterklasse Deutschlands zustande zu bringen und vor allem die unzufriedenen, klassenbewußten Mitglieder in der SPD den reformistischen Einflüssen der rechten SPD-Führung zu entziehen. Als junge Genossen kamen wir aber sehr schnell zu der Erkenntnis, daß wir auf halbem Wege stehen geblieben sind, daß dieses Ziel nur zu erreichen war mit einer starken kommunistischen Partei und Jugend. Deshalb schlossen wir uns in Jena sehr eng mit den Mitgliedern der Kommunistischen Partei und Jugend zusammen und bereiteten uns bereits 1932 auf die illegale Arbeit vor.“

Erich Schiller berichtete:

„Im Dezember 1932 bis Januar 1933 lösten sich [in Jena] SAP und SJV auf. Ein Teil ging zur KPD, der andere Teil zur KPD-O. Die Auflösung erfolgte unter dem Gesichtspunkt, daß innerhalb kürzester Zeit doch mit dem Verbot zu rechnen sei. Als Splittergruppe innerhalb der proletarischen Bewegung waren SAP und SJV nicht so bekannt, so daß sie gewisse günstige Vorraus- setzungen für die illegale Arbeit mitbrachten. Die Vorbereitungen wurden praktisch bereits im Dezember 1932 geleistet. Damals wurden schon inner- halb der beiden Gruppen (SAPD und SJV) die Besten und Zuverlässigsten herausgenommen und zu acht Aktivs vereinigt. Aktivleiter waren: Kurt Schache, Werner Müller, Gerhard Reichelt, Erich Zange, Alfred Kramer, Heinz Rudolf, Robert Möser, Heinz Sondhaus. Die Hauptleitung aller acht Gruppen hatten Erich Schiller, Robert Möser.“

Der gesamte übrige Kreis vor allem des SJV wurde aus der politischen Arbeit ausgeschaltet und in eine „wilde“ Jugendgruppe umgewandelt, genannt „Junge Schar“. Durch Volkstanzarbeit und bürgerlich-gesellschaftliche Arbeit sollte verhindert werden, daß dort die HJ eindrang. Ende 1933 ist aber die „Junge 61

Schar“, für die Hermann Haun und Erich Zange die Verantwortung hatten, auf- gelöst worden, zumal sich Haun als ein Renegat erwies. Mitglieder der illegalen Gruppe der SAPD/SJV stellten Verbindungen zur KPD und zum KJV über Kurt Gempe her, der nach Darstellung von Erich Schil- ler zur damaligen illegalen Leitung der KPD gehörte, zu Michael Fries und Hans Kläsener sowie zur KPDO über Karl Brundig. Zu den SAJ-Mitgliedern gab es nur persönliche Kontakte. Verbindungen nach außerhalb bestanden über Agricola nach Zeitz und über Fritz Altwein nach Leipzig. Beide stellten im März 1933 Verbindungen her nach Berlin zum Zahnarzt Weingärtner (Deckname), zu Stefan Sende und Klaus Zweiling. Georg Schiller, Jena, und Wilhelm Hirschelmann, Rudolstadt, waren deshalb zweimal als Kuriere in Berlin bzw. Leipzig. Bis 1935 und teilweise bis 1937/38 gab es in Thüringen politische Kontakte nach Rudolstadt zu Hirschelmann, nach Arnstadt zu Schwarzbold, nach Gotha zu Eichler, nach Eisenach zu Schaller und Pflug, nach Langewiesen zu Schlott, nach Gera zu Schuler, nach Greiz zu Fischer und nach Elsterberg zu Geiler. Diese Verbindungen existierten nicht regelmäßig, aber in den ersten drei Jah- ren erhielten alle relativ häufig das Antifa-Material aus Berlin. Die Übermittlung besorgten insbesondere Kurt Schache und Georg Schiller, Robert Möser und Heinz Sondhaus. Berliner Mitglieder der SAPD gaben hektographiertes Material über die politische Lage und sonstige Informationen nach Jena mit, am Anfang auch noch größere Mengen an Zeitungen und Flugblättern, später nur noch in Form von Fotokopien. Dieses Material wurde in Jena mit Hilfe eines provisori- schen Hektographen in der Wohnung von Erich Schiller, Wogauer Straße, später Löbstedter Straße 2, vervielfältigt. In Aktivgruppen ist dieses Material ausge- wertet und weiter an Kollegen in Betrieben verteilt worden. So existierten über Gerhard Reichelt Kontakte zu folgenden Mitarbeitern der Firma Zeiss: H. Orla- münder, Harry Müller, Fritz Höfer, K. Winkler, L. Rappe, K. Eismann und M. Schulz. An diese sind Flugblätter übergeben und von ihnen Spendengelder ein- gesammelt worden. Über Kurt Gempe erhielt die SAJD-Gruppe anfangs noch „Die Rote Fahne“, später ebenfalls nur noch das entsprechende hektographische Material, sodann Material der KPD von Hans Kröber (RFB) an der Einhügelquelle sowie das der KPDO über Karl Brundig, das in Gruppen ausgewertet wurde. Aus dem Lebens- lauf von Gerhard Reichelt:

„Ich kam in eine Fünfergruppe unter Leitung von Erich Schiller. Mitglieder der Gruppe waren: Erich Schiller, Erich Kreil, Werner Müller, Karl Stöhr, Paul Seidert, Gerhard Reichelt. Unsere Zusammenkünfte fanden regelmäßig wöchentlich in der Wohnung der Antifaschisten statt. Offiziell spielten wir Doppelkopf. 62

Die Wochenenden wurden zumeist gemeinsam auf Fahrten und Wanderun- gen verbracht. In den Wintermonaten war am Wochenende Treffpunkt der Otto-Schott-Platz. […] In unseren Zusammenkünften wurde die politische in- ternationale Situation behandelt, speziell der Stand der Kämpfe in Spanien, sowie die Taktik der Sowjetunion gegenüber dem Faschismus. Nach der Machtübernahme der Faschisten haben wir mit weißer Farbe Lo- sungen über die Straße geschrieben – „Es lebe die Sowjetunion“ u.a. Am folgenden Tag mußten wir zusehen, wie unsere verhafteten Antifaschisten Ri- chard Zimmermann, Max Härzer u.a., knieend mit Bürste und Lauge, unter Beschimpfungen der sie begleitenden SS [und] mit Schlägen über Kopf und Rücken, getreten wurden. Seitdem haben wir keine Losungen mehr auf Stra- ßen angebracht.“

Über diese Arbeit berichtete Kurt Schache:

„In den Jahren 1933/34 habe ich mich aktiv beim Malen von Parolen auf den Straßen und Brücken im Gebiet Jena beteiligt. Ich erinnere mich daran, daß z.B. nach dem Malen die Antifaschisten Max Härzer u.a., die als erste verhaftet wurden und ins KZ kamen, als Vergeltung der Faschisten mit Eimer und Schrubber diese Parolen beseitigen mußten. Sie waren aber mit sehr harter Spezialfarbe aus den Beständen des Malermeisters Hädrich, dem Va- ter von Herbert Hädrich, durch uns angebracht worden. Die Beseitigung konnte nur durch Hammer und Meißel geschehen.“

Im Schott- und im Ostviertel sind Aktionen mit selbstgefertigten Flugblättern durchgeführt worden. Geldsammlungen für die Rote Hilfe erfolgten zwar nicht regelmäßig, aber das Geld wurde an Heinrich Ankele, KPD, abgeführt. Kurt Haake schrieb später:

„1933 oder 1934 haben Erich Schiller, Georg Schiller, Werner Müller, Heinz Sondhaus und ich einige Infanteriegewehre aus dem Gartengrundstück von Sondhaus’ Eltern ausgegraben und für spätere Verwendung sicherge- stellt.“

Josef Wanzek, KPD, erinnerte sich, daß es im Stadtteil Jena-Ost eine Art Grup- penbildung mit Mitgliedern der SAPD gab und zwar mit Helmut Butze, Robert Möser und Heinz Sondhaus. Walter Schmidt teilte dazu mit:

„Es wurde nicht mehr kassiert, jedoch Gelder zur Unterstützung illegaler Genossen und deren Angehöriger gesammelt. Es erfolgte die einmalige Her- ausgabe eines Flugblattes. Bis 1937 wurden illegale Maifeiern durchgeführt sowie Verbindungen zur ČSR und im Rheinland hergestellt.“ 63

Mitglieder des SJV nahmen auch aktiv an der Arbeit des antifaschistischen Ju- gendausschusses in Jena teil. Aber seit 1939 stellten die SAJD-Gruppen infolge der Einberufungen der Mitglieder zur faschistischen Wehrmacht ihre Arbeit ein. Vgl. Sachwörterbuch der Geschichte Deutschlands und der deutschen Arbeiterbewegung, Berlin 1970, Bd. 2, S. 523ff.; Hanno Drechsler: Die Sozialistische Arbeiterpartei Deutsch- lands (SAPD), Hannover 1983; Josef Wanzek: ThStA R, VdN-Nr. 06/43; Hermann Müller: ThStA R, VdN-Nr. 05/31; Hans Kröber: ThStA R, VdN-Nr. 06/25; Kurt Schache: ThStA R, VdN-Nr. 06/58; Gerhard Reichelt: ThStA R, VdN-Nr. 06/57; Erich Schiller und Walter Schmidt: Berichte, in: PA H.G.; Hermann Müller: Bericht sowie Kurt Haake: Bericht vom 25. April 1977, in: BACZ J–T; Rudi Wehner: Lebenslauf vom 1. November 1975, in: PA H.G.

Antifaschistischer Jugendausschuß, Jena

Willy Arnold berichtete folgendes:

„Im Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen der Arbeiterjugendorganisatio- nen Jenas gelang es Ende 1933, einen ‚Antifaschistischen Jugendausschuß‘ zu bilden. Ihm gehörten an: Vertreter des KJVD, der SAJ und der Jungsozia- listen, des SJV, der Naturfreundejugend und der Ernst-Abbe-Jugend sowie Arbeitersportvereine. Ziel und Aufgabe waren: • Schaffung einer breiten Einheitsfront der Arbeiterjugend und aller antifa- schistischen Jugendlichen der Stadt und des Landkreises Jena; • Durchführung gemeinsamer Aktionen gegen die Terror- und Willkürherr- schaft der Nazis, gegen die Militarisierung des Lebens, gegen die Arbeits- hetze in den Betrieben, für die Freilassung inhaftierter Jugendlicher, für das Recht auf Versammlungs-, Rede- und Pressefreiheit. Der Ausschuß setzte sich aus ca. 15 Jugendvertretern zusammen. Ihre Treffs waren in der Regel als Wanderungen getarnt oder fanden in der Wohnung der Eltern [von] Kurt Schache in der Oberlauengasse (über der Gastwirtschaft ‚Zur Noll‘) statt. Hierbei wurden Informationen über die Lage und die Meinung der Jugend besonders in den Betrieben und über den Nazi- terror ausgetauscht. Gemeinsame Maßnahmen für die Herausgabe von Flugblättern und Klebezetteln sowie bestimmte Aktionen wurden vereinbart.“

Kurt Schache erinnerte sich:

„Da ich bis 1938 noch bei meinen Eltern in der Oberlauengasse – Gastwirt- schaft ‚Zur Noll‘ – wohnte und man annehmen mußte, daß Besucher die Wirtschaft aufsuchen, wurden in der Wohnung meiner Eltern, in meinem 64

Zimmer, in dieser illegalen Zeit viele Sitzungen und Besprechungen durchge- führt, unter anderem auch das Drucken von Flugblättern. Der dazu benötigte Druckkasten wurde durch Erich Schiller, Helmut Rudolf und Karl Stöhr, die in der Druckerei Vopelius arbeiteten, beschafft. Der Druck von kurzen anti- faschistischen Losungen, z.B. ‚Es lebe die Sowjetunion‘, ‚Es lebe die KPD‘ u.a., wurde in meinem Zimmer durchgeführt und durch uns in die Briefkä- sten, Flure und Treppen der Häuser verteilt. Da uns nur ein Druckkasten, der den Druck von kurzen Losungen gestattete, zur Verfügung stand, wurde festgelegt, daß Erich Schiller und ich Verbin- dung mit einem Eisenacher Lehrer aufnehmen sollten, mit dem Ziel, größere Flugblätter mit mehr Text zu drucken. An den Namen des Lehrers kann ich mich leider nicht mehr erinnern. […] 1934 stellte er sein Lehrerzimmer zur Verfügung. Dort wurden Flugblätter durch Vervielfältigungsverfahren her- gestellt. Auf der Rückfahrt wurde ein Teil der Flugblätter in Gotha abgelie- fert, und in Jena wurden die Flugblätter zur weiteren Verteilung auf die Antifaschisten aufgeteilt.“

Willy Arnold schrieb:

„Wir forderten die Freilassung aller inhaftierten Antifaschisten durch das Malen von Losungen auf Straßen und Mauern. Als am darauffolgenden Tag wahllos Verhaftungen vorgenommen wurden, erschienen Klebezettel mit den Losungen ‚Weg mit der Hitlerregierung!‘, ‚Es lebe die antifaschistische Ein- heitsfront!‘ Unsere Flugblätter in den Jahren 1933/34 richteten sich gegen den Abbau demokratischer Rechte und Freiheiten, gegen das ‚Ermächtigungsgesetz‘ und das ‚Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit‘. Sie richteten sich gegen den Terror und die Arbeitshetze in den Betrieben und entlarvten die demagogi- sche Losung von der ‚Volksgemeinschaft‘. Verteilt wurden sie besonders in den Betrieben Carl Zeiß, dem Glaswerk Schott & Gen. sowie im Reichsbahn- ausbesserungswerk und bei Schietrumpf & Co AG in Jena. Die Verteilung er- folgte über die Genossen der einzelnen Gruppen. Sie wurden an antifaschi- stisch eingestellte Arbeiter persönlich übergeben oder auf dem Wege über ‚tote Briefkästen‘ weitergereicht. Ich erinnere mich noch an eine Aktion anläßlich des 1. Mai 1934. In der Nacht vom 29. zum 30. April übernahmen vier Gruppen mit je drei Mitglie- dern die Aufgabe, große rote Fahnen auf den höchsten Berggipfeln bei Jena (Kernberge, Jenzig und Landgrafen) und auf der Esse des Glaswerkes Schott & Gen. anzubringen. Um 24.00 Uhr war der Auftrag erfüllt. Zwei Tage weh- ten die roten Fahnen und kündeten vom internationalen Kampftag. Ein Jung- kommunist berichtete: ‚Bei diesem Unternehmen ging es um Kopf und Kra- gen, das war uns damals völlig klar. Aber was für ein herrliches Gefühl war 65

es, als wir uns am nächsten Tag bei Arbeitsanfang unter die Schichtarbeiter mischten und dabei feststellten, daß uns die Arbeiter verstanden haben. Un- sere roten Fahnen zeigten allen, daß wir noch da waren und daß der 1. Mai ein Kampftag der Arbeiter ist.‘“

Rolf Reitmeier berichtete, daß er nach seiner Rückkehr von der „Walze“ nach Kopenhagen und Bornholm in den Kampf der Antifaschisten in Jena einbezogen wurde. Mitstreiter waren damals: Hans Klingelstein, Erich Nacke, Hans Schiller, Walter und Willy Schmidt, Liesel Weise (Klose), Kurt Zier (die bis zur Verhaf- tung im November 1933 in Verbindung zu Magnus Poser standen), ferner Hein- rich Adam, Karl Brundig, Erich Gehmlich, Rudi Henniger, Johanna Henniger (Lorbeer), Erich und Frida Matthes, Rudi Olm, Rudi Döpel, Gerhard Schulze, Heiner Stock, Helmut Schmidt, Rudi Wehner, Erich Keil, Robert Möser, Ger- hard Reichelt, Kurt Schache, Erich Schiller, Gerhard Brendel u.a. Vgl. Willi Arnold: Zusammenfassender Bericht zum „Antifaschistischen Jugendausschuß“ in Jena, vom 21. Januar 1986; Tonbandaufzeichnung und Kurzbiographie, in: PA H.G.; Kurt Schache: ThStA R, VdN-Nr. 06/58; Rolf Reitmeier: Mein Einsatz im Antifa- Widerstandskampf, in: BACZ J–T.

Zu Arbeitersportvereinen in Jena und Kahla

Zu den Sport-Hochburgen in Thüringen zählte neben den Regionen Gera und Altenburg auch Jena. Dem Jenaer Arbeitersportkartell, das zur besseren Interes- senvertretung gegenüber den kommunalen Behörden gebildet worden war, ge- hörten 1931 insgesamt 23 Vereine an. Es umfaßte neben 14 Arbeiter-Turn- und Sportvereinen auch Kulturvereine, wie die starke Ortsgruppe des Touristenver- bandes „Die Naturfreunde“, den Arbeitergesangverein „Volkschor Jena“ mit seinem künstlerischen Leiter Paul Patzer, eine Arbeitersamariterkolonne und eine Ortsgruppe des Arbeiterradiobundes. Über 3.000 Erwachsene, Jugendliche und Kinder waren in diesen Sport- und Kulturvereinen organisiert. Die Jenaer Arbeitersportvereine umfaßten eine breite Palette von Sportarten: Turnen, Gymnastik, Fußball, Handball und andere Ballspiele, Leichtathletik, Schwimmen, Radfahren, Kegeln, Schwerathletik, Wintersport, Wasserfahrsport, Schach und Tennis. So ermöglichte die Mitgliedschaft vielen einfachen Arbei- tern, Arbeiterinnen und Arbeiterkindern schöne Stunden im sportlichen Wett- streit und in der Natur oder bei oft selbst gestalteten, stimmungsvollen, kulturel- len Veranstaltungen. Die politischen Auseinandersetzungen zwischen KPD und SPD führten 1928/29 zur Spaltung der Arbeitersportbewegung. Von diesen oft sehr schmerz- lichen Vorgängen blieben die Jenaer Arbeitersportvereine im wesentlichen ver- 66 schont. So wirkten in der Freien Turnerschaft Jena und auch im Vorstand des Vereins Sozialdemokraten und Kommunisten. Der im September 1931 entstan- dene Arbeitersportverein „Fichte“ Jena, der sich zur KPD-Linie bekannte, er- langte keine größere Bedeutung. Gustav Heinrich, KPD, erinnerte sich:

„Sämtliche Arbeitersportvereine Jenas standen unter der politischen Leitung der SPD. Als 1928–1929 ein Teil der KPD-Mitglieder aus den Gewerkschaf- ten und Sportvereinen wegen kommunistischer Tätigkeit ausgeschlossen wurden, gründeten diese ihre eigenen Sport-Sparten, den Rot-Sport. Eine be- sondere Schwächung der Sportvereine unter der Leitung der SPD trat nicht in Erscheinung. […] Die KPD war im Jenaer Sportkartell nur durch die ‚Na- turfreunde‘ und den Arbeiterschachclub vertreten, die in der Sportbewegung weniger bedeutend waren. Der Vertreter des Arbeiter-Schachclubs wurde wegen kommunistischer Tätigkeit mit ausgeschlossen, so daß bis 1933 im Sportkartell Jena nur Vertreter der SPD waren, bis auf ein KPD-Mitglied. Rot-Sport ist in keiner Sparte zur besonderen Bedeutung gekommen.“

Auch im Arbeiter-Turn- und Sportbund herrschte die von der SPD gehegte Hoffnung vor, daß sich Hitler nur ein paar Monate halten würde. So hatte die Führung des Bundes noch am 20. März 1933 dazu aufgerufen, Ruhe zu bewah- ren und den normalen sportlichen Vereinsbetrieb aufrechtzuerhalten. Doch das Verbot der Arbeitersportvereine und die Gleichschaltung der bürgerlichen Ver- eine trafen die Jenaer Arbeitersportler nicht unvorbereitet. Der wachsame Kas- sierer der freien Turnerschaft hatte rechtzeitig die Mitgliederkartei des Vereins vernichtet. An Spareinlagen und Bargeld gab es sowieso nicht viel zu holen. Ein schwerer Verlust war die Fahne der Freien Turnerschaft. Wilhelm Meyer hatte sie versteckt. Von der Polizei im Juni aufgefunden, wurde sie am 26. August 1933 auf dem Marktplatz verbrannt. Eine Reihe von Arbeitersportlern gingen nach dem Verbot ihrer Vereine in die weiter bestehenden bürgerlichen Vereine. Diese waren vor allem an lei- stungsstarken Sportlern interessiert. Im Kreisgebiet wurde von oppositionellen Sportlern ein Flugblatt verbreitet, das aufrief, sich nicht freiwillig der wehrsport- lichen Tätigkeit zu unterziehen und sich enger zum Kampf gegen die faschisti- schen Terrorbanden zusammen zu schließen. Gustav Heinrich schrieb:

„Um den Tu r n v e r e i n G l a s h ü t t e entstand ein kleiner Kampf. Hier schaltete sich die Geschäftsleitung der Firma Schott ein. Der Platz gehörte nach wie vor dem Betrieb. Dr. Erich Schott und Oberingenieur Richard Hirsch verhandelten mit der NSDAP, unterdessen hatten sich Ingenieur Fritz Blumenstein und noch einige ehemalige Arbeitersportler bei der NSDAP an- gemeldet. Diese Kollegen übernahmen die Leitung des Vereins unter Über- wachung der NSDAP. Auf diese Weise blieb der Verein zum größten Teil in- 67

nerlich geschlossen beieinander. […] Nach wie vor trafen sich die SPD- Mitglieder auf dem Otto-Schott-Platz und die KPD-Mitglieder gesellten sich dazu. Der stärkere und größere Feind hatte sie geschlagen, es gab keinen Bruderkrieg mehr. Die Unterhaltung war wohl sehr gedämpft, aber für die damalige Zeit sehr frei. Der Verein nannte sich nun T u r n - , Sport- und Musikverein.“ [Abkürzung: TSM]

Seine Gründung erfolgte am 9. Juni 1933 auf dem Otto-Schott-Platz im Beisein von 150 Personen. Der Führer des Vereins, Fritz Blumenstein, paßte die Ver- einssatzung den Forderungen des Reichssportführers an. Ende Oktober 1933 zählte der nun „freie Verein“ fast 900 Mitglieder. Damit hatte er die großen bür- gerlichen Turn- und Sportvereine in Jena überflügelt. Kurt Haake, SPD, hielt in seinen Erinnerungen fest:

„An der Zusammenfassung ehemaliger Arbeitersportler im TSM Schott war ich unter der Leitung von Paul Kops maßgeblich beteiligt. Vor allem haben wir fast alle aktiven Mitglieder der ‚Freien Turnerschaft‘ erfassen können, z.B. Karl Schuchard und die gesamte Handballabteilung. Wenn wir auch keinen systematischen Kampf gegen die Nazis organisiert haben, so hat die Geschlossenheit vieler ehemaliger Arbeitersportler (ca. 2.000) im TSM Schott uns eine gewisse Bewegungsfreiheit unter Gleichgesinnten verschafft. Viele junge Sportler sind unter unserer Leitung keine Faschisten geworden […] 1938 wurde ich von meiner Funktion als Jugendleiter für Handball (TSM Schott) wegen politischer Unzuverlässigkeit abgesetzt. Neuer Leiter wurde ein Mitglied der NSDAP.“

Anneliese Grün erinnerte sich:

„Im Jahre 1935 verzog unsere Familie von Heidelberg nach Jena, da mein Vater, ehemaliger Unterbezirksleiter der ‚Kinderfreunde‘ in Baden, bei Zeiss wieder Arbeit bekommen hatte. Zeiss war die einzige Firma, die ihn nicht wegen ‚politischer Unzuverlässigkeit‘ ablehnte. Eines Tages sprach mich eine Schulfreundin an, ob ich nicht mit zur Sport- stunde im Sportverein des Glaswerkes mitkommen wolle. Ich sagte zu und nahm gleich noch meine drei Jahre jüngere Schwester mit. Wir wurden sehr herzlich empfangen, mußten etwas in unserem badischen Dialekt vortragen und fühlten uns sofort unter den anderen wohl. Die Sportstunde begann dann mit dem Lied ‚Turner auf zum Streite‘, welches wir sehr schnell lernten. Ei- nes Tages sangen wir das Lied, hell und laut, auch zu Hause. Vater stutzte, sah uns erstaunt an und fragte uns, woher wir dieses Lied kennen. Auf unsere Antwort, daß wir es im Sportverein des Glaswerkes gelernt haben, sagte er sehr fröhlich zu uns: ‚Kinder, in diesem Verein dürft ihr keine Stunde ver- 68

säumen, dort ist es gut für Euch.‘ Erst viel später erfuhren wir, daß es sich bei dem Lied um ein altes Arbeitersportlied handelte.“

Dr. Jörg Lölke schrieb später:

„Unter dem Symbol der Esse, dessen Rauch nicht zufällig nach links ging, bildete sich ein breites, sehr reges Vereinsleben heraus. Besondere Erlebnis- se bereiteten die im Volkshaus durchgeführten Turnerischen Abende, die durch wirkungsvolle sportliche Vorführungen und das Auftreten der starken Musik- und Sängerabteilung einen kulturellen Höhepunkt in der Stadt Jena darstellten. Auch in den sportlichen Leistungen ließ der TSM Glaswerk aufhorchen. Her- vorzuheben sind die Turner, Handballer und Schwimmer sowie die Skiabtei- lung, als deren Mitglied Arthur Fleischhauer seine ersten sportlichen Lor- beeren erkämpfte. Aus der gut entwickelten Leichtathletik-Abteilung ragte der Mittelstreckenspezialist Heinz Witthauer und später der Hochspringer Hermann Nacke, 1940 und 1941 Deutscher Meister, heraus. Ohne Konkur- renz in Jena und mitführend im Gau Mitte waren die Ringer des TSM, deren erfolgreichster Athlet, Karl Zillich, 1936 sogar Gaumeister wurde. Von besonderer Brisanz waren Vergleiche mit anderen Jenaer Vereinen, da sich die ‚Essen-Träger‘ immer noch als Arbeitersportler fühlten und es eine besondere Genugtuung war, den ‚bürgerlichen‘ Gegnern Paroli zu bieten. Die Zusammensetzung des TSM-Glaswerk erregte naturgemäß das Mißtrau- en der NSDAP-Dienststellen. Auf Grund einer Denunziation bei der NSDAP- Kreisleitung wurde 1936 Vereinsführer Fritz Blumenstein seines Amtes ent- hoben, und 1937 gab es Versuche, den Verein in eine KdF- Betriebssportgemeinschaft umzuwandeln. Mit der Werkleitung im Rücken konnte das verhindert werden.“

Am 29. Oktober 1936 forderte der Sicherheitsdienst des Reichsführers SS, Un- terabschnitt Erfurt, von seiner Außenstelle in Jena eine Stellungsnahme an, war- um über die im September 1936 vorgenommenen Verhaftungen von Mitgliedern des TSM e.V. Glaswerk Jena wegen Verteilung von Flugblättern nicht berichtet wurde. Er verlangte sofortige Nachforschungen hierzu und weitere Kenntnisse über den TSM e.V. Glaswerk Jena. Kontakt miteinander zu halten und die Freizeit mit Gleichgesinnten zu verbringen, widerspiegelte sich in allen Arbeitersportvereinen. Aus einem Be- richt von Hermann Eisenmann geht hervor: 1933 konnten mit Hilfe eines Teiles der Vorstandsmitglieder des Arbeiter- Turn-und Sportvereins Jena-Ost die dem Verein gehörenden Kleinsportgeräte sichergestellt und auf zuverlässige Sportler verteilt werden. Letztere blieben während der faschistischen Zeit zunächst miteinander in Verbindung. Durch den 69

Druck der Nazis zogen sich später einzelne Vorstandsmitglieder zurück. Her- mann Eisenmann versuchte, mit ehemaligen Arbeitersportlern und Gewerkschaftern, wie Willi Gruner, Kurt Hensel, Fritz Hesse, Eugen Gröschner, Paul Schmidtke u.a., Kontakt zu halten, was auch gelang. Festere Verbindungen gab es in dieser Zeit zu Eugen Gröschner, Paul Schmidtke, beide KPD, und Fritz Hesse. Sie trafen sich jede Woche, führten auf der Grundlage von Radiosendun- gen (Radio Moskau) Schulungen durch und diskutieren über die dargelegten Fragen zur Entwicklung des deutschen Faschismus. Diese Verbindungen lösten sich jedoch durch Wohnungswechsel und Einberufungen in die Wehrmacht auf. Im Kanusport gab es einen antifaschistischen Kreis. 1933 verhandelten die Sportler Böhler und Sälzer mit dem Zeiss-Betrieb. Dieser setzte einen Treuhän- der ein und so konnten die Kanusportler das Bootshaus weiter benutzen. Da- durch war es möglich, in einem ausgewählten Kreis politische Treffen, z.B. auf dem „Helenenstein“ bei Rothenstein, durchzuführen. Zu diesem Personenkreis gehörten:

Ernst Sälzer, Hermann Eisenmann, Hedwig Eisenmann,Otto Lang, Felix Fuchs, Fritz Höfer, Kurt Geisler, Eva Geisler u.a. In den Zusammenkünften wurden vor allem Informationen ausgetauscht und aktuelle Fragen diskutiert. Einige Sportler sind zwar später zur Wehrmacht ein- gezogen worden, aber dieser Kreis bestand im Prinzip bis 1945. Dazu gehörte u.a. Otto Lang. Der Kommunist Wilhelm Bischoff war im Bootshaus der Uni- versität beschäftigt. Hier fanden Beratungen zu politischen Fragen und zur aktu- ellen Lage statt. Wegen der Diskussionen mit jugendlichen Arbeitern und Stu- denten, die sich gegen den faschistischen Krieg richteten, wurde Bischoff im Juli 1942 zum Notdienst verpflichtet. Hermann Dietsch lernte in den Mitgliedern des Arbeitersportvereins „Wak- ker“ und in der Fußballmannschaft Kahla bewußte Kämpfer und Kämpferinnen gegen Krieg und Faschismus kennen. Ingrid Sauer schrieb über ihn:

„Er nahm sie sich zum Vorbild und diskutierte manche Nacht mit ihnen. Ei- ner dieser Vorbilder war das Mitglied des KJVD, Rudi Eismann. Als Hitler an die Macht kam, waren sich die Genossen einig: Wir müssen alles tun, da- mit diese Machtherrschaft so schnell wie möglich zu Ende ist. Hermann Dietsch schloß sich dieser Bewegung an. In der Nacht beschrieben sie die Fabrikmauern mit Losungen gegen Hitler. Mit dem Fahrrad fuhren Hermann und zwei Genossen die Farbe besorgen. Getarnt als Händler, die übers Land fuhren, gelangte das Material an Ort und Stelle. Bei jeder dieser Aktionen hatten Hermann und seine Genossen ein gutes Gefühl, wir haben wieder et- was gegen die Nazis getan.“ Vgl. Jörg Lölke: Aus Jenas Sportgeschichte, in: Ostthüringer Zeitung vom 18./25. Februar und 22. April 1993; Gustav Heinrich: Bericht, in: FSU J–Geschichte AB V, Nr. 61 und AB 70

VI, Nr. 10; Schreiben des Sicherheitsdienstes des Reichsführer SS, Unterabschnitt Thüringen- Erfurt vom 29. Oktober 1936, Repro in: PA H.G.; Wilhelm Meyer: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/29; Kurt Haake: Bericht vom 25. April 1977 und Hermann Eisenmann: Lebens- lauf, in: BACZ J–T; Anneliese Grün: Bericht vom 20. Juni 1989 und Gesprächsprotokoll mit Hermann Eisenmann vom 30. Juli 1986, in: PA H.G.; SAPMO, ST. 17/30; Wilhelm Bischoff: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/05; Ingrid Sauer: Lebensbild von Hermann Dietsch, in: Heimatmuseum Kahla.

Volkschöre in Jena

„Das Naziregime löste den Volkschor auf, beschlagnahmte Noten und Kas- senbestand von über 3.000,– Mark. Um den Verein nicht ganz zu Grunde ge- hen zu lassen, schlossen wir uns dem Turn-, Sport- und Musikverein Glas- werk an, wurden also zum Werkchor. Die Werkleitung des Glaswerkes kaufte uns die Männerchorsammlung des Deutschen Sängerbundes und unterstützte uns auch auf alle mögliche Art und Weise. Das Gewerkschaftshaus wurde von der NSDAP beschlagnahmt, [wir] waren also wieder heimatlos. Die Mitgliederzahl ging stark zurück, so daß wir in unserem alten Vereinslokal ‚Zur Krone‘ wieder Platz hatten. Auch unserem Dirigenten, dem Schulleiter Paul Patzer, wurde seine Tätig- keit verboten. Herr Hans Fuchs und Herr Professor Prüger übernahmen vo- rübergehend die Leitung, bis es uns gelang, im Herbst 1933, Herrn Musikdi- rektor Ernst Schwassmann als Dirigenten zu gewinnen, welcher bis zu seiner Einberufung leitete, sodann übernahm Herr Patzer vertretungsweise den Chor.“ Vgl. Günther Schmidt: Bericht vom 25. Oktober 1950, in: StA J., MS 26/2.

Arbeiter-Gesangverein Lobeda und Umgebung

Dieser Verein war Mitglied des Deutschen Sängerbundes, der 1933 als Organi- sation der Sozialdemokratie mit allen seinen Vereinen verboten und verfolgt wurde. Die Polizei beschlagnahmte aus dem Eigentum des Chores: Einen Schrank mit Liedmappen, Partituren, Theaterstücke, Liederbücher. Insgesamt handelte es sich um 88 Gegenstände. Von Sängern, die seit 1933 Aufnahme im Gesangverein fanden, wurde Notenmaterial, darunter die Partitur der „Interna- tionale“, über die Zeit der faschistischen Diktatur gerettet. Von 1930 bis in die Kriegszeit war Kurt Ullrich Chorleiter. Gemeinsam mit dem 1. Vorsitzenden 71

Fritz Lipper bemühte er sich, den Chor, trotz vieler Schwierigkeiten durch die Nazibehörden, zu erhalten und die Tradition beider Chöre weiterzuführen. Vgl. Volkswacht, Gera, 18. Juni 1987.

Jenaer Arbeiterkapellen

Die drei Jenaer Arbeiterkapellen von Zeiss, Jenaer Glaswerk und der Jenaer Straßenbahn vereinigten sich unter den Namen „TSM Jenaer Glaswerk“, die sich den Nazis nicht unterordnen wollten. Zum 50jährigen Bestehen des Werkes im Jahre 1934 wurden zum ersten Mal vom Orchester Glasfanfaren dem Grün- der dieser bekannten Fabrik, Dr. Otto Schott, vorgespielt. Ein Jahr später kam das Glasxylophon hinzu. Einmalig und von besonderer Eigenart blieb dieser Chor der Fanfarenbläser. Die Instrumente sind in diesem industriellen Betrieb aus dem hochwertigen Jenaer Glas geblasen worden. Vgl. Volkswacht, Gera, 5. November 1987.

Opposition und Widerstand christlicher Hitlergegner

Anfang 1920 hatten sich sieben evangelische Kirchen in Thüringen zur Thürin- ger evangelischen Kirche zusammengeschlossen. Die Kirchen der Reuß älteren Linie (Greiz, Zeulenroda) traten ihr am 1. April 1934 bei. Abseits blieben das Herzogtum Coburg, die preußischen Gebietsteile Thüringens und das Dekanat Schmalkalden. Damit war die Thüringer evangelische Kirche eine kleine, relativ unbedeutende Kirche unter den 28 im evangelischen Kirchenbund lose vereinig- ten Landeskirchen. Die theologischen wie kirchlichen Unterschiede spiegelten sich auch in der Thüringer Kirchenverfassung vom 10. Oktober 1924 wieder. Dort hieß es im § 3:

„Die Thüringer evangelische Kirche ist ihrem Wesen und Ursprung nach ei- ne Kirche lutherischen Bekenntnisses. Sie will eine Heimat evangelischer Freiheit und Duldsamkeit sein. Der Bekenntnisgrund im Bereich der bisheri- gen Landeskirchen bleibt durch die Gesetzgebung unberührt. Das lutherische Bekenntnis behält dieselbe Geltung wie vor dem Zusammenschluß.“

Nicht zuletzt um diese Sätze ging es bei der Auseinandersetzung zwischen der Bekennenden Kirche (BK) und den Deutschen Christen (DC). Besonders um- 72 stritten blieb, was unter evangelischer Freiheit und Duldsamkeit zu verstehen war. Die Pfarrer verstanden sich fast ausnahmslos als treue Diener ihres Staates und der Regierung. Die Mehrzahl hoffte auf den Zusammenbruch der Weimarer Republik und die Wiederherstellung früherer Zustände. Eine Ausnahme bildete die kleine Gruppe der Religiösen Sozialisten. Die sich „nach links“ orientierenden Pfarrer kamen aus bürgerlichen Häusern, und fanden als Werkstudenten in Industriebetrieben Zugang zum Sozialismus, wie z.B. Dr. Erich Hertzsch, seit 1948 ord. Professor für Praktische Theologie in Je- na. Ihr Ziel war es, die der Kirche entfremdeten Arbeiter wieder zu gewinnen. Die Religiösen Sozialisten sahen im Marxismus mit seinem Bestreben, der Selbstentfremdung des Menschen durch die kapitalistische Ausbeutung entge- genzuwirken, und in der sozialen Botschaft von Jesus verwandte Züge. Zugleich erkannten sie im Nationalsozialismus und im Konservatismus deutscher Lan- deskirchen und ihrer Pfarrerschaft eine verhängnisvolle Abirrung von der christ- lichen Botschaft, die alle Menschen ohne Unterschied der Rasse und Nation in die Liebe Gottes einschließe. An der Spitze des Landesverbandes der Religiösen Sozialisten standen Pfar- rer Emil Fuchs (Eisenach), Dr. Erich Hertzsch (1926–1932) und seit 1932 Pfar- rer Karl Kleinschmidt (Eisenberg). Aktiv im Jenaer Raum waren ferner Dr. Hans Boegehold (Dornburg) und Pfarrer Dr. Carl Vogl (Vierzehnheiligen). Am 22. Januar 1933 mit sechs Abgeordneten in den Thüringer Landeskirchentag gewählt, wurden sie am 5. Mai 1933 von den Deutschen Christen hinausge- drängt. Die an sich schon kleine Zahl der religiös-sozialistischen Pfarrer in Thü- ringen wurde durch die Rede- und Berufsverbote in der Nazizeit noch geringer. Seit 1925 wohnte Pfarrer Dr. Carl Vogl in Vierzehnheiligen.

„Beim Erleben des Reichstagsbrandes ist er überzeugt von der schändlichen Tat der Faschisten, wie es ja Dimitroff so großartig nachwies. [Otto] Stras- ser aus Naumburg kommt ins Haus und will Carl Vogl für seine Sache ge- winnen. Nach stundenlanger Diskussion wird höflich, aber bestimmt abge- lehnt.“

Bis zur Machtergreifung der Nazis hatte sich der Einigungsbund neu profiliert. In diesem Bund war Prof. Waldemar Machholz von der Theologischen Fakultät in Jena ein führender Mann, der auch der Lutherischen Bekenntnisgemeinschaft (LBK) nahe stand. Dazu gestoßen waren Persönlichkeiten, die eine Erneuerung der Kirche anstrebten und vor allem auf die jüngere Generation Einfluß ausüb- ten. In der Folge traten viele von ihnen dem Pfarrernotbund bzw. der LBK bei. Anhänger des Theologen Friedrich Gogarten bildeten am 22. Juni 1937 den Wittenberger Bund. Pfarrer Oskar Ziegner (Warza bei Gotha), der seit Mitte 1937 eng mit der LBK zusammenarbeitete, war Vorsitzender des Wittenberger 73

Bundes in Thüringen. Dem Bund gehörten auch die Jenaer Pfarrer Elle und Ce- sar an. Eine kleine Schar entschiedener liberaler Pfarrer lehnte den Nazi-Ungeist in Staat und Kirche ab. Sie zogen sich meist in ihre Kirchengemeinde zurück, stan- den aber gesinnungsmäßig oft radikaler im Gegensatz zum Hitlerstaat als man- cher Pfarrer der Lutherischen Bekennenden Kirche. Dies betraf unter anderem den bereits damals im Ruhestand lebenden Pfarrer August Cesar in Jena, der noch als 83jähriger nach 1945 in Jena Stadtverordneter der LDP wurde. Seit etwa 1931 gab es in Thüringen eine Gruppe von Pfarrern, die mit Fana- tismus den Parolen der Faschisten folgte. Sie fand bei der NSDAP rege Unter- stützung. Inspiriert von der faschistischen Ideologie und dem Gedanken des Führerprinzips wollten diese Deutschen Christen (DC) einen von allen Kirchen akzeptierten Reichsbischof, der, mit großen Vollmachten ausgestattet, ohne all- zu große Schwierigkeiten die Einigung der evangelischen Landeskirchen zur Reichskirche herbeiführen sollte. Erich Stegmann schrieb:

„Es verstand sich für einen Studenten von 1933 von selbst, daß er mindestens einer NS-Formation angehörte. Auch jüngere Professoren ließen sich im Braunhemd sehen. Die Mitgliedschaft im NS-Studentenbund war fast Vor- raussetzung für einen reibungslosen Ablauf des Studiums. Längst nicht alle hier, an der Theologischen Fakultät in Jena, organisierten Studenten waren mit Überzeugung dabei.“

Leiter der Thüringer Deutschen Christen waren die Altenburger Pfarrer Sieg- fried Leffler und Julius Leutheuser, beide Mitglieder der NSDAP. Im Raum Je- na gehörte die Mehrheit der Pfarrer und Theologen den DC an. Am 6. und 7. September 1933 konstituierte sich der 4. Thüringer Landeskir- chentag. Bei erdrückender Mehrheit der DC – außer fünf Abgeordneten des Volkskirchen- und Einigungsbundes, darunter Prof. Dr. Karl Heussi, als ent- schiedener Gegner des Nationalsozialismus und Vertreter der Theologischen Fakultät Jena sowie Landwirtschaftsrat Gustav Tiebel (Stadtroda) – war der Weg zu einer nahezu skrupellosen Alleinherrschaft der Deutschen Christen frei. Am 14. Mai 1934 beschloß der Landeskirchentag entsprechend der Forde- rungen des Reichsbischofs Müller die „Eingliederung“ der Thüringer evangeli- schen Kirche in die Reichskirche. Am 15. Mai 1934 erfolgte die Einführung des Landesbischofs Martin Sasse, Deutscher Christ und Mitglied der NSDAP, in sein Amt. Der Sieg der Deutschen Christen im Reich veranlaßte am 11. September 1933 Pfarrer Martin Niemöller in Berlin-Dahlem zur Gründung des Pfarrernot- bundes. 1933 umfaßte er fast ein Drittel der gesamten evangelischen Pfarrer- schaft in Deutschland. Auch in Thüringen unterschrieben die Pfarrer Hans- Georg Fontius (Ottendorf), Gerhard Säuberlich (Etzdorf), Hilfspfarrer Erich 74

Stegmann (Renthendorf) und der Leiter des Thüringischen Mädchenheimes in Bad Köstritz, Werner Sylten – er gehörte zugleich dem Freundeskreis Religiöser Sozialisten an –, die Verpflichtung des Pfarrernotbundes:

„Ich verpflichte mich, mein Amt als Diener des Wortes auszurichten allein in der Bindung an die Heilige Schrift und an die Bekenntnisse der Reformation, als die rechte Auslegung der Heiligen Schrift. – Ich verpflichte mich, gegen alle Verletzungen solchen Bekenntnisstandes mit rückhaltlosem Einsatz zu protestieren. – Ich weiß mich nach bestem Vermögen mitverantwortlich für die, die um sol- chen Bekenntnisses willen verfolgt werden. – In solcher Verpflichtung bezeuge ich, daß eine Verletzung des Bekenntnis- standes mit der Anwendung des Arierparagraphen im Raum der Kirche Chri- sti geschaffen ist.“

Leiter des Pfarrernotbundes in Thüringen waren die Pfarrer Ernst Otto (Eise- nach) und Gerhard Bauer (Gotha). Die Gründung der Lutherischen Bekenntnisgemeinschaft (LBK) in Thüringen erfolgte am 27. Juni 1934 in Weimar. Vorsitzender des Landesbundes wurde Pfarrer Ernst Otto (Eisenach), sein Stellvertreter Pfarrer Gerhard Bauer (Gotha). Weitere führende Mitglieder waren die Pfarrer Dr. Wolfgang Schanze (Wei- mar), Walter Zimmermann (Altenburg) und Gerhard Säuberlich (Mengersge- reuth/Hämmern). Gegen letzteren vollzog der Landeskirchenrat 1935 erstmalig eine Strafversetzung nach Etzdorf (1935 bis 1943) wegen aktiver Tätigkeit in der Bekennenden Kirche. Er war 1939 bis 1943 Vorsitzender des Landesbruder- rates und dann bis 1945 Soldat. Die LBK umfaßte ungefähr 160 Pfarrer und 11.000 Laien. Im Unterschied zum Pfarrernotbund wollte die Bekennende Kirche von An- fang an auch Laien für den Kirchenkampf aktivieren, so z.B. den Landwirt- schaftsrat Gustav Tiebel (Stadtroda), Mitglied des Landesbruderrates und Mit- glied des 2., 3. und 4. Thüringer Kirchentages. Die kleine Schar der Thüringer Bekennenden Pfarrer war im Gegensatz zu anderen Landeskirchen dem Kir- chenregiment der Deutschen Christen schutzlos ausgeliefert. Jederzeit konnte ein Bekennender Pfarrer aus nichtigen Gründen seines Amtes enthoben werden. Sie waren nur auf rein vereinsmäßiger Basis in der LBK organisiert. Der Bru- derrat wollte, daß angegriffene Pfarrer sich nicht selbst durch unnötige Provoka- tionen aus der Pfarrstelle heraus katapultieren und ihre Gemeinden verwaisen. Im Juni 1934 hatte mit Hilfe von Pfarrer Dr. Wolfgang Schanze (Weimar) Frau Dr. Anna Gehne (Jena), zusammen mit Pfarrer Gerhard [oder Rudolf] Fi- scher (Unterwellenborn), die 1. Thüringer Bekenntnisgemeinde in Jena gegrün- det, bis sich in dem wegen antinazistischer Einstellung entlassenen Pfarrer 75

Wolfgang Fraedlich ein Leiter der Jenaer Organisation fand. Der Bekennenden Kirche in Jena gehörten u.a. an: Hans-Georg Fontius, Erich Stegmann, Werner Sylten, die Vikare Horst Stäbe (Jena) und Helmut Gollwitzer, die Theologen Prof. Gerhard von Rad (Jena) und Martin Fischer, der Sprachwissenschaftler Dr. Debrunner (Jena), Landwirt- schaftsrat Gustav Tiebel (Stadtroda), Hugo Hahn und Hilfspfarrer Paul Fried- richs (Leislau). Der Leiter der Jenaer Universitätsbibliothek, Dr. Theodor Lockemann, erhielt am 1. Mai 1935 die Mitgliedskarte Nr. 4478 der Thüringer Bekenntnisgemeinde. Auf der Rückseite standen die Grundsätze, zu denen sich die Mitglieder bekann- ten:

„Die heilige Schrift als einzige und unantastbare Grundlage der Kirche, das Leben ihrer Glieder im Glauben und Gehorsam gegen ihren Herrn Christus; mögliche Auseinandersetzungen mit abweichenden Lehren sind zu führen, der Wahrheit des göttlichen Wortes gehorsam wie der brüderlichen Liebe eingedenk; die eigentliche Aufgabe besteht im Aufbau der Gemeinde, die der Erneuerung deutschen Lebens dient, in dem sie Gott gehorcht.“

Seit dem Frühjahr 1934 waren die Deutschen Christen unumschränkte Herren der Thüringer evangelischen Kirche. Zum Widerstand gegen die DC sahen sich die Pfarrer und Gemeindemitglieder zunächst aus rein theologischen und kirch- lichen Motiven veranlaßt. Erich Stegmann schrieb später:

„Die völlig abwegige Verwechslung vom Reich Gottes und Drittem Reich, die verbrecherische Ideologie des Rassenhasses, wie sie in der Übernahme der sogenannten Ariergesetzgebung in dem Bereich der Kirche sich wider- spiegelte, die Forderung des ‚rücksichtslosen‘ Bekenntnisses zum ‚Führer‘, ja seine Glorifizierung zum Propheten, wenn nicht gar zum Heiland der Deutschen, das alles mußte Menschen, die sich der Wahrheit der Bibel, die sich dem Evangelium verpflichtet wußten, zum Widerspruch bewegen. Dann kam die Abwertung der Theologie überhaupt.“

Die Nazis versuchten sehr bald, den bekennenden Pfarrern politische Motive unterzuschieben und die brutale Gewalt von Partei und Staat gegen sie mobil zu machen.

• Ende Februar 1933: der Landesvorsitzende der religiösen Sozialisten, Pfarrer Karl Kleinschmidt (Eisenberg), wurde auf Grund seines Artikels „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“ (vgl. Eisenacher Volkszeitung vom 24. Februar 1933) durch den Landeskirchenrat seines Dienstes enthoben. 76

• 22. September 1933: Pfarrer Fuchs (Jena) ist vom Sondergericht Weimar wegen der Formulierung entstellender Behauptungen zu einem Monat Ge- fängnis verurteilt worden. • Herbst 1933: Die Gestapo verlangte von Pfarrer i. R. Carl Vogl in Vier- zehnheiligen eine Urkundenfälschung für den Nazi Robert Ley. Dessen wirklicher Name war der jüdische Name Levi. Vogl lehnte energisch und entrüstet ab. • 11. Dezember 1933: Pfarrer Hans-Georg Fontius (Ottendorf) wurde we- gen sog. Greuelpropaganda gegen den NS-Staat vom Landeskirchenrat vom Dienst suspendiert. • 1933: Prof. Waldemar Macholz, der Ordinarius für praktische Theologie an der Landesuniversität Jena, ist auf den Lehrstuhl Konfessionskunde zwangsversetzt worden, um dem Mitglied der NSDAP und DC-Pfarrer Wolf Meyer-Erlach aus Würzburg-Heidungsfeld Platz zu machen. • 8. Dezember 1934: Der Sprachwissenschaftler Dr. Debrunner, Landesuni- versität Jena, lehnte es ab, den Beamteneid abzulegen. • Februar/März 1935: Ein Sonderbericht des SS-Sicherheitshauptamtes besagte:

„Es ist zu beobachten, daß auf Seiten der Bekenntnisfront ausländische Staatsangehörige einen verhängnisvollen Einfluß ausüben. Hier sind die Prof. Barth (Bonn) und Debrunner in Jena zu erwähnen. Beide sind Schweizer Staatsbürger.“

• 10. Juli 1935: Die Propaganda des sogenannten Volksdienstes mit ihrer Werbung und Schulung von Pfarrern und Kirchenältesten verfehlte ihre Wirkung. Unter einer von 100 Pfarrern unterschriebenen Gegen- Erklärung vom 10. Juli 1935 befanden sich auch die Unterschriften von Pfarrer Säuberlich und des noch nicht angestellten Hilfspfarrers Erich Stegmann (Rentendorf). Der Landeskirchenrat erteilte Stegmann einen Verweis, eine Ordnungsstrafe von 100,– RM. und verwehrte seine Anstel- lung in der Thüringischen evangelischen Kirche. • September 1935: Am Widerstand besonders der Landeskirchen von Bay- ern und Württemberg scheiterte die Schaffung einer Reichskirche. Die am 14. Mai 1934 vom Landeskirchenrat beschlossene Eingliederung der Thü- ringer Kirche wurde im September 1935 wieder rückgängig gemacht. • 5. Oktober 1935: Der von den DC beherrschte Landeskirchenrat verfügte die Zwangsversetzung des Hilfspfarrers Paul Friedrichs von Neuhaus a.R. nach Leislau. Hier wurde er im Juli 1937 von der Gestapo verhaftet, in- haftiert und am 28. August 1937 aus dem Dienst der Landeskirche entlas- sen. Er ging nach Bayern. 77

Der Landeskirchenrat erreichte nach und nach, daß die Zahl der Bekenntnispfar- rer vermindert wurde. So wurden 1935 die Vikare Horst Stäbe, Jena, und Hel- mut Gollwitzer aus dem Vorbereitungsdienst der Thüringer evangelischen Kir- che entlassen. Sie gingen nach Bayern bzw. Berlin-Dahlem. Ebenfalls 1935 wurde Pfarrer Wolfgang Fraedlich, Jena, wegen antinazistischer Einstellung ent- lassen. Der Staat leistete den Deutschen Christen wertvolle Hilfe, indem er die Bekenntnispfarrer mit Redeverbot und Landesverweisungen attackierte. Im Ok- tober 1935 hob aber das Thüringische Kreisamt Stadtroda das Redeverbot für folgende Pfarrer auf:

Martin Roye, Werner Claudert, Waldemar Schröder, Wilhelm Menge, Karl Veidt, Otto Breithaupt, Helmut Klingbeil, Ludwig Schäfer, Gotthilf Weber. Vgl. Erich Stegmann: Der Kirchenkampf in der Thüringer Evangelischen Kirche 1933–1945, Berlin 1984, S. 10, 32, 108; Wilhelm Bondzio: Christlicher Widerstand gegen den Faschis- mus, Berlin 1955, S. 14; Klaus Drobisch/Rudi Gogol/Werner Müller: Juden unterm Haken- kreuz, Berlin 1973, S. 227ff.; ThHStA W., Register: Sondergericht, Nr. 24/1941 [Wolfgang Stammler]; Hermann Förtsch s. JZ vom 23. September 1933 [Pfarrer Fuchs]; Anna Gehne: OdF-Akte in: Stadtverwaltung Jena; Eberhard Schulz: Die Bekennende Kirche in Jena, Manu- skript, in: PA H.G.; Ihr Gewissen gebot es, Hrsg. Klaus Drobisch und Gerhard Fischer, Berlin 1980, S. 64, 79–86; Walter Barton: Theodor Lockemann 1985–1945, Jena 1995, S. 85; Hei- matgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933–1945, Bd. 8, Thüringen 2003, S. 88, 284f.

Der Widerstandskreis

Professor Ernst Niekisch, Herausgeber der Zeitschrift „Widerstand“, veröffent- lichte 1932 die Schrift „Hitler – ein deutsches Verhängnis“. Sie kann als eine sehr gründliche Zurechtweisung Hitlers angesehen werden. Niekisch wurde 1933 kurzfristig, 1937 erneut mit weiteren 70 Personen verhaftet und zu lebens- länglichem Zuchthaus verurteilt. Nachdem er 1945 befreit werden konnte, nahm er – halb gelähmt und fast blind – am Aufbau eines neuen Deutschlands teil. Den Jenaer Widerstandskreis leitete der Zeiss-Ingenieur Erich Wolfram. Dieser Gruppe können zugeordnet werden:

Dr. Genschel, Leiter Zeiss „Kobo“, Fritz Straube, Dr. Herbert Schorch, Zeiss Ing. Karl Röschke, Kurt Kratsch, Zeiss Ing. Paul Große, Fritz Höfer, G. Berlin, Alfred Ferster, Hausmeister Schmidt.

Erich Wolfram hatte in der Jenaer Leutrastraße 23 einen Aushängekasten des Widerstandskreises angebracht. Neben mündlicher Gegenpropaganda, Einberu- fen und Durchführung von Veranstaltungen und Versammlungen verbreitete er 78 auch antifaschistische Druckschriften, u.a. die Monatsschrift „Widerstand“ und die Wochenzeitung „Entscheidung“. Allein 1933/34 vertrieb er im Zeiss-Werk etwa 90 Exemplare der genannten Schrift von Professor Niekisch: „Hitler ein deutsches Verhängnis“. Am 24. April 1937 wurde der Ingenieur Wolfram an seinem Arbeitsplatz im Konstruktionsbüro der Fa. Carl Zeiss verhaftet. Eine gründliche Haussuchung führte zur Beschlagnahme von 84 Büchern, vorwiegend marxistische und Wi- derstandsliteratur. Angeklagt wegen Vorbereitung zum Hochverrat verblieb er in Einzelhaft und wurde schließlich im Dezember 1937 auf Widerruf freigelassen. Günter Weißenborn: Der lautlose Widerstand, Frankfurt a.M. 1974, S. 234; Vgl. Erich Wolf- ram: ThStA R, VdN-Nr. 06/44.

Die Schwarze Front

Anfang Juli 1933 trennte sich die Strasser-Gruppe von der Nazipartei und ver- kündete:

„Die Sozialisten verlassen die NSDAP.“

Der Kreis um Otto Strasser, der sich „Kampfgemeinschaft Revolutionärer Na- tionalsozialisten“ und seit 1931 „Schwarze Front“ nannte, blieb auf Stützpunkte in Nord- und Mitteldeutschland beschränkt.

„Eine der großen Persönlichkeiten der Widerstandsbewegung, die mit dem Leben davon kamen, ist Professor Ernst Niekisch, der Herausgeber der Zeit- schrift ‚Widerstand‘, der noch 1932 sein Buch ‚Hitler – ein deutsches Ver- hängnis‘ veröffentlichte. Natürlich wurde er 1933 von der SA in einem Keller gefangengehalten, aus dem ihn einige Konservative befreiten. Auf einen Kreis von Offizieren hatte er einen starken Einfluß. 1934 zog er sich bereits eine heftige Attacke des ‚Angriffs‘ zu. 1937 wurde er verhaftet und 1945, halb gelähmt und fast erblindet, befreit.“

Blanck war der stellvertretende Führer der sogenannten Schwarzen Front, Brinkmann der Herausgeber der Zeitschrift „Schwarze Front“. Zur Kahlaer Gruppe gehörten:

Walter Schreck, Kahla, Ehefrau Elsa Schreck, Kahla, Ing. Ernst Martin, Jena, Werkstattschreiber Fridolin Hey,Kahla, Laborant Karl Geißler, Kahla, Kaufmann Hilmar Eckstein, Bodelwitz.

79

Der Sägewerksbesitzer Walter Schreck in Kahla war Leiter der Schwarzen Front in Thüringen. Er hatte Verbindungen zu Otto Strasser nach Prag. Strasser sprach schon 1932 in Kahla. Conrad Finkelmeier berichtete weiter:

„Schreck war Anhänger der ‚Schwarzen Front‘ Otto Strassers. Da er poli- tisch sehr aktiv war, suchte er Querverbindungen mit allen Feinden Hitlers. Von den Sozialdemokraten hielt er nicht viel. Sie wären kleine satte Bürger der ersten Republik geworden, ohne Kraft und Saft, und hätten die Zeichen der Zeit nicht verstanden. Es fehlten ihnen die starken geistigen Führerper- sönlichkeiten, ein Lenin und Stalin, die in der Lage gewesen seien, die Schat- ten der Entwicklung im voraus zu sehen und die Kräfte der Partei auf das kommende einzustellen. Am liebsten arbeitete er mit den Kommunisten zu- sammen. Sie waren aktiv, mit der illegalen Arbeit vertraut und sie ließen sich auch nicht durch Drohungen der braunen Meute einschüchtern. Ihm kam es in allem auf den aktiven Kampf gegen Hitler an. Er führte diesen Kampf und versorgte ganz Thüringen mit illegalem Material, das von Hand zu Hand ging und in große Kreise eingedrungen war.“

Auf Verfügung der Thüringischen Staatsregierung wurden am 15. Juni 1933 bei den Funktionären der Schwarzen Front Haussuchungen vorgenommen und ist zahlreiches Schriftmaterial, Kassenbücher, die Gaufahne und Ausrüstungsge- genstände, beschlagnahmt worden. Vier Funktionäre, darunter der Berliner Schriftsteller Blanck, kamen in sogenannte Schutzhaft. Conrad Finkelmeier be- richtete ferner:

„Bis eines Tages das Verhängnis kam. An einem Wintertag des Jahres 1935 hatte er mich zur Jagd eingeladen. […] Ich übernachtete nach einer interes- santen politischen Debatte in einem größeren Kreise bei Schrecks und wollte am nächsten Tag, einem Sonntag, zu Mittag wieder nach Hause fahren. Ich mußte bis zum Abend bleiben. Ein wichtiger Kurier aus der Tschechei wurde erwartet. Als der Kurier abends um 11 Uhr noch nicht eingetroffen war, ließ ich mich nicht mehr halten und fuhr um 12 Uhr nachts nach Jena zurück. Am nächsten Morgen [25. Februar 1935] um 7 Uhr wurden Schreck und seine Frau in ih- rer Wohnung und noch weitere zwanzig Aktivisten in ganz Thüringen von der Gestapo verhaftet und zur Aburteilung vor einem ‚Volksgerichtshof‘ nach Berlin gebracht.“

Am 25. Januar1936 fand der Prozeß vor dem „Volksgerichtshof“ Weimar statt. Walter Schreck erhielt zehn Jahre, Hilmar Eckstein fünf Jahre, Fridolin Hey drei Jahre, Karl Geißler zwei Jahre und sechs Monate Zuchthaus, Elsa Schreck zwei Jahre und Ernst Martin ein Jahr und sechs Monate Gefängnis. Ernst Martin ar- 80 beitete von Ende 1936 bis 1945 in der Prea-Gesellschaft in Jena. Hier hatte er politische Kontakte und gelegentliche Aussprachen mit den Antifaschisten Stan- kiewicz, Poser, Arnold, Sänger und Konopatzki. Vgl. Kurt Pätzold/Manfred Weißbecker: Hakenkreuz und Totenkopf, Berlin 1981, S. 122f.; Ernst Martin: ThStA R, VdN-Nr. 06/55; vgl. auch Jenaer Zeitung, 15. Juni und 8. Juli 1933 sowie 23. bis 25. und 27. Januar 1936; Conrad Finkelmeier: Die braune Apokalypse, Weimar 1947, S. 33f.

II. Abschnitt: Der Weg zum gemeinsamen Handeln von Na- zigegnern im Jenaer Raum (1937 bis 1945)

Obwohl das Hitlerregime mit Terror und Sondergerichten jede antifaschistische Tätigkeit verfolgte, wirkten im Jenaer Raum Kommunisten, Sozialdemokraten und bürgerlich-christliche Antifaschisten weiter gegen die Massenmanipulierung und gegen die Kriegsvorbereitungen der Nazis. Der wesentliche Inhalt der Tä- tigkeit bestand in möglichst regelmäßigen Zusammenkünften und Beratungen zur Vermittlung aktuell-politischer Informationen über die politische Lage, im Vereinbaren konkreter Maßnahmen, wie z.B. Verteilen von Flugblättern, der Geldsammlungen für Verfolgte und der Gewinnung weiterer Sympathisanten und Hitlergegner. Es bestand keine Orts- und keine Landesleitung. Von 1937 bis 1938 existierte lediglich über den Unterbezirk Apolda Kontakt zur KPD- Abschnittsleitung in Prag. Die aus den Gefängnissen und Konzentrationslagern Zurückgekehrten hatten ihre Erfahrungen im Kampf gegen den Faschismus mit anderen Antifaschisten ausgetauscht. Neue Erkenntnisse vermittelten die Diskussionen über den Inhalt der Brüsseler Konferenz-Beschlüsse der Kommunistischen Internationale, ob- wohl sie solche Begriffe, wie Brüsseler Konferenz der KPD u.ä., erst später er- fuhren. So ausgerüstet, waren Magnus Poser u.a. bemüht, überwiegend junge Kader aus der Arbeiterjugendbewegung für die direkte, illegale Arbeit zu ge- winnen. Sie wollten die Kraft und Anpassungsfähigkeit der Jugend an die gege- benen Umstände nutzen und damit zugleich die Sicherheit der Organisation stärken. Die wertvollen Erfahrungen der älteren Mitkämpfer wurden vor allem durch individuelle Beratungen, Einzelverbindungen und Sonderaufträge genutzt, aber sie sind aus Sicherheitsgründen seltener direkt in den illegalen Kampf ein- bezogen worden. Lydia Poser schrieb:

„Mein Mann ging ab 1937 daran, Verbindung zu früheren Jugendgenossen aufzunehmen, um sie für eine Mitarbeit zu gewinnen. Sie mußten zunächst ‚abgetastet‘ werden. Sie mußten sich darüber im klaren sein, was es heißt, wenn man in die Hände der Gestapo fällt und standhalten muß. Nach und nach gab es zunächst wieder eine Parteigruppe von 29 Genossen, die fest or- ganisatorisch erfaßt waren. Sie wurden in Vierergruppen zusammengefaßt. Warum das? Das war notwendig zur Sicherheit. Jeder Genosse wußte, daß noch andere Gruppen bestanden, kannte aber dort keine Namen. Eine solche Arbeitsweise mußte sein, um beim eventuellen Zugreifen der Gestapo den Kreis der unmittelbar gefährdeten Genossen so klein wie möglich zu halten. Und es war eben so, wenn man keine Namen wußte, konnte man geschlagen, ja tot geschlagen, aber nicht zum Verräter werden. Die Gruppen, die sich trafen, um Schach oder Skat zu spielen, wurden an das Studium theoretischer 82

Werke, wie das ‚Kommunistische Manifest‘, ‚Was tun‘, ‚Staat und Revoluti- on‘ u.a. herangeführt.“ Vgl. Lydia Poser: Bericht, Abschrift, in: PA H.G.

Zur Formierung und Tätigkeit illegaler Gruppen in Orten und Betrie- ben

In den Jahren 1936/37 kehrten relativ viele inhaftierte Kommunisten und Sozi- aldemokraten aus Gefängnissen und Konzentrationslagern in ihre Wohnorte zu- rück. Sie konnten Anfang 1937 in Jena folgende illegale Gruppen vorfinden:

Innerhalb der KPD und ihres Einflußbereiches:

Jena-Ost:

Paul Jährling, Wilhelm Bischof, Josef Wanzek, Johannes Kläsener, Gustav Heinrich, Heinrich Wostrak, Gustav Sänger, Kurt Töpfer. Vgl. Gustav Heinrich: ThStA R, VdN-Nr. 06/17; Josef Wanzek: ThStA R, VdN-Nr. 06/43.

Heimstätten:

Kurt Gempe, Ernst Kühnhold, Hans Wenzel, [?] Pretsch, Albert Bauer. Vgl. Hans Wenzel: ThStA R, VdN-Nr. 06/61.

Löbstedt-Zwätzen:

Paul Krahn, Fritz Jäger, Fritz Friedel, Ernst Köhler, Karl Bohn, Albert Lehmann, Richard Matschy, Liesel Lehmann, Artur Bussendorf, Karl Klapper, Willi Müller, Hedwig Krahn, Hans Kirsynski. Vgl. Paul Krahn: Bericht, jetzt in: PA H.G. 83

Schottviertel:

Hugo Kolk, August Orban, Adolf Theel, Elfriede Adam (KPDO), Karl Bähring, Erwin Störmer (KPDO), Richard Näder, Arno Weiß (KAPD), Karl Länz (parteilos), Karl Franke (parteilos).

Bei Zusammenkünften in der Gartenlaube von Hugo Kolk am Forstweg wurden ausländische Sender abgehört. Kolk hatte ins Thüringer Land reichende Verbin- dungen. Für die Mitkämpfer wurden sonntags früh Treffen an der Schönemann- Eiche auf dem Forst vereinbart. Am Sonntagnachmittag beim Spaziergang im Forst und beim Abendbrot im Schreberheim „Am Birnstiel“ holten sich recht viele Aufklärung über die wahre politische Lage. Vgl. Karl Bähring, Hugo Kolk, Elfriede Adam: Berichte in: BACZ J–T.

Forsthohle:

Otto Schmidt (KPD), Paul Handwerk (parteilos), Lotte Schmidt (KPD), Rudolf Zänker (parteilos), Kurt Adam (KPD-O), Rudolf Schwimmer (parteilos), Gerhard Reinhold (parteilos), Willi Weigel (parteilos), Jochen Riedel (parteilos), Karl Länz (parteilos), Hermann Eisenmann (parteilos).

Überwiegend Angehörige der Abt. OFKi des Zeiss-Werkes trafen sich wieder- holt von 1933 bis zur Versetzung von Otto Schmidt nach Saalfeld im Jahre 1940 in der Wohnung von Lotte und Otto Schmidt in der Forsthohle. „Jedesmal wenn Otto oder Lotte die marxistische Literatur aus dem Einband mit der Aufschrift ‚Hindenburg, mein Leben‘ holten, freuten wir uns und schöpften Hoffnung auf eine Niederlage der Faschisten.“ Vgl. Otto Schmidt und Hermann Eisenmann: Berichte, in: BACZ J–T.

Die erste Gruppe aus Jungkommunisten bestand aus Magnus Poser, Alexander Bauerschmidt, Lydia Poser, Kurt Zier und Kurt Gempe. Jeder erhielt konkrete Aufgaben und mußte über die Realisierung bei den Zusammenkünften berichten, z.B. über das Sammeln von Angaben über die Produktion in den Betrieben, über Möglichkeiten zur Schaffung einer neuen Bibliothek sowie über das Auskund- schaften sicherer Quartiere. Vgl. Alexander Bauerschmidt: Bericht, ThStA R, VdN-Nr. 06/01. 84

Es bestanden weiterhin Gruppen des Sozialistischen Jugendverbandes der SAPD. Erich Schiller leitete acht Aktivs, die aber mit der Einführung der allge- meinen Wehrpflicht auf drei zusammenschmolzen. Aktivleiter waren u.a. Ger- hard Reichelt, Erich Keil, Karl Stöhr, Paul Seidert, Heinz Sondhaus und Robert Möser. Eine ständige Verbindung bestand zu Magnus Poser und Kurt Gempe. 1938/39 wurden zwei Flugblattaktionen durchgeführt. Anfang 1940 bestand der Sozialistische Jugendverband in Jena aber nur noch aus Erich Schiller, Georg Schiller, Gerhard Reichelt, Kurt Schache, Heinz Rudolf und Robert Möser. Nach 1942 waren fast alle zur Wehrmacht eingezogen worden. Erich Schiller und Heinz Sondhaus führten 1942 mit 40 selbstgefertigten Flugblättern die letzte Aktion durch. Vgl. Erich Schiller: Bericht, Abschrift in: PA H.G.

Weiterhin bestanden Gruppen der Jungsozialisten (SPD) mit: Rudi Wehner, Au- guste Bärwinkel (Wehner), Lotte Wieczorek, Felix Wieczorek, Heiner Stock, Annemarie Rambusch (Anweiler), Liesbeth Rambusch, Karl Rambusch, Fritz Rambusch, Wilhelm Bärwinkel, jun., Helmut Schmidt, Herta Becker (Schmidt), Erich Treffkorn, Karl Zierath, jun., Gerhard Becher, Werner Schubert, Ernst Schütze, Walter Ebert, Walter Feuerstein, Leni Lange und Fritz Heinlein. Heiner Stock schilderte: „Seit etwa 1940 kam die Fünfergruppe ‚Guscha‘ und Rudi Wehner, Änne Rambusch, Lotte Wieczorek, Helmut Schmidt und ich – in 14-tägigen Ab- ständen in unseren Wohnungen zusammen, wo wir marxistische Literatur studierten. Später konnten wir auch leninistische Literatur durcharbeiten. Ich kann mich noch genau entsinnen, daß wir die Brüsseler Beschlüsse der KPD in einer Bodenkammer bei der Genossin Wieczorek durcharbeiteten. Alle Genossen und Genossinnen waren mit den Brüsseler Beschlüssen einver- standen […].“ Vgl. Rudi und Auguste Wehner: Berichte, in: PA H.G.; Helmut Schmidt: ThStA R, VdN-Nr. 06/38; Heiner Stock: ThStA R, VdN-Nr. 06/40; Gesprächsprotokoll mit Helmut Schmidt am 21. November 1985, in: PA H.G.

Im Maschinen Bau I–III, Carl Zeiss, Jena, bildeten Jungsozialisten im Mai 1938 zwei Fünfergruppen, denen u.a. angehörten:

Rudi Wehner, Heiner Stock, Kurt Unger, Werner Schubert, Willy Haas, Erich Treffkorn (seit 1940 in der Wehrmacht), Kurt Hertel, Fritz Heinlein, seit November 1941. 85

Vgl. Kurt Unger: Bericht in: ThStA R, VdN-Nr. 03/52; Werner Schubert: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/38; Fritz Heinlein: in: ThStA R, VdN-Nr. 06/17.

Der letzte Vorsitzende der Jenaer SPD, Eduard Heintz, erinnerte sich:

„Schon während der Nazizeit kam bei Besuchen und Zusammentreffen von alten (Wilhelm Bärwinkel, Karl Nicolai, Karl Zierath, Curt Böhme, Wilhelm Richter, Richard Marx, Kurt Wohanka) und jungen zuverlässigen SPD- Mitgliedern die Meinung zum Durchbruch, daß das sozialistische Zeitalter vorbei sei und daß nach dem vorauszusehenden Zusammenbruch Deutsch- lands die Arbeiterschaft von Neuem beginnen und sich zusammenfinden muß zum gemeinsamen Handeln.“

Auguste Wehner schilderte:

„Es wurde nicht nur über Volksfront diskutiert, sondern bereits Verbindung zu Kreisen geknüpft, von denen man noch keine illegale Tätigkeit, aber doch eine antifaschistische Haltung erwartete. So wurde z.B. mit alten Sozialde- mokraten in ihren Skatkränzchen diskutiert.“

Es ist anzunehmen, daß das sozialdemokratische 10-Punkte-Programm vom De- zember 1936 von Dr. Hermann Brill etwa 1938 auch nach Jena gelangte. Bis Mitte 1938 gab es von Jena aus Verbindungen nach Prag zum Sitz der SOPA- DE. In ihrer Zeitschrift wurde im Dezember 1937 der Artikel „Arbeiterverhaf- tungen im Zeisswerk“ und im April/Mai 1938 der Artikel „Terror in dem Zeiss- werk Jena“ veröffentlicht. Seit Mai 1938 mußte aber die SOPADE von Prag nach Paris ausweichen und im November 1938 löste sich der Parteivorstand der SPD ganz auf.

Vgl. Eduard Heintz: Erinnerungen, in: BACZ J–T; Auguste Wehner: Bericht, Abschrift in: PA H.G.; Hermann Brill: Wege zum Sozialismus. Offenbach/M. 1946, S. 61f.; Walter A. Schmidt: Damit Deutschland lebe, Berlin 1959, S. 43f.

Im Zeiss-Werk, Abt. T-Dr. Aut, arbeiteten seit 1933 die Sozialdemokraten Ger- hard Sauthoff, Gustav Probsthain, Otto Lang, Ernst Kaiser, Paul Meinhard, Ro- bert Schimmel, Ernst Petz und Alfred Ruderich zusammen und tauschten mit den Senioren Paul Meinhard und Hugo Kolk (KPD) ihre Gedanken zur politi- schen Lage aus. Gerhard Sauthoff schrieb später:

„Wir waren unterrichtet über die KZs, über die Judenpogrome, über die fort- laufende Verfolgung von Menschen aller Schichten, von dem Kriegsgesche- hen und dem Terror in Polen, Belgien, Holland, Frankreich und Norwegen. 86

Wertvoll waren die Auskünfte, die ich durch Adolf Reichwein erlangte, der als international bekannter Intellektueller viele Beziehungen hatte.“

Vgl. Gustav Probsthain: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/33; Gerhard Sauthoff: Bericht, in: BACZ J–T.

Im Sommer 1937 traf sich Magnus Poser mit Walter Konopatzki aus Gniebs- dorf/Bürgel auf der Rodigaster Höhe. Nach einer Analyse der politischen Lage wurde vereinbart:

1. Organisierung von Dreiergruppen in Betrieben von Jena und Bürgel. 2. Verbindungen zu werktätigen Bauern und zur Landbevölkerung herstellen sowie Stützpunkte auf Dörfern schaffen. 3. Möglichkeiten schaffen und organisieren, um Handzettel und andere Druck- schriften herzustellen. Vgl. ThHStA W, VdN-Akte, Walter Konopatzki.

Im Landkreis Jena sind in diesen Jahren wieder Verbindungen zu Gruppen in Bürgel, Eisenberg, Hermsdorf, Stadtroda, Kahla, Orlamünde, Dornburg/ Dorn- dorf und Camburg aufgenommen worden. Willi Arnold stellte auch Kontakte zu zuverlässigen Genossen der KPDO, der SAPD und der KAPD her. Es bildeten sich Gruppen in:

Vierzehnheiligen: Pfarrer Carl Vogl, Heino Wimmer, Willi Trommer, Fritz Rie- del. Sie hielten Verbindungen nach Dornburg, hatten Kontakte zu Zwangsarbei- tern und Kriegsgefangenen und vermittelten Literatur von Jena nach Weimar. Vgl. Heinz Grün: Gesprächsprotokoll mit Willi Trommer am 5. November 1986, in: PA H.G.

Dornburg: Alfred Himmelreich, Hermann Leber, Erich Thielemann, Josef Rie- del. Vgl. Lebensbild Alfed Himmelreich, in: Heimatmuseum Kahla.

Dorndorf: Karl Taubert, Artur Dietsch, Ernst Felsche, Kurt Jacob, Werner Kaufmann, Hermann Heinrich, Richard Dietz.

Vgl. Hermann Heinrich: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 12/04; Paul Krahn: VdN-Akte, in: ThHStA W; Werner Kaufmann: OdF-Akte, in: Stadtverwaltung Jena. 87

Bürgel: Die hier wirkende, etwa zwölf Antifaschisten zählende Gruppe schaffte gewisse Stützpunkte in Thalbürgel, Gniebsdorf, Nausnitz, Poxdorf, Graitschen, Droschka, Serba, Rockau und Tautenburg. Vgl. Alfred Neubert: Bericht in: PA H.G.; Walter Konopatzki: Bericht, in: BACZ J–T.

Bis Ende 1939 arbeiteten in Betrieben folgende Gruppen:

• Versorgungsring Jena-Camburg-Kahla (ehemals Konsum):

Es gab hier Verbindungen und viele Diskussionen zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten, darunter auch mit solchen früheren SPD-Mitgliedern, die 1937 Mitglieder der NSDAP wurden. Vgl. Sophie Bauerschmidt: Schreiben vom 13. Januar 1975, Abschrift in: PA H.G.

• Holzwarenfabrik, Friedrich Rappe, Jena:

Magnus Poser, Adolf Neubert, Rudolf Gleitsmann, Kurt Kaufmann, Steckemetz (Nausnitz), Haase (Beulbar, beide Orte bei Bürgel).

Rudolf Gleitsmann schrieb:

„Nach Ausbruch des 2. Weltkrieges hatte sich im Holzbearbeitungsbetrieb Friedrich Rappe eine illegale Gruppe gebildet. Der Austausch von Nachrich- ten fremder Sender diente zur Verbesserung einer zielgerichteten Aufklärung der Kollegen. Ich war einer der engsten Vertrauten von Magnus Poser, denn ich war öfters in seiner Wohnung. Zu der Gruppe gehörten 7 Mann, die al- lerdings bis auf 3 Mann im Kriege gefallen sind. […] Mit seinem urwüchsi- gen Humor hatte er [Magnus Poser] im Betrieb, außer einigen nazistischen Fanatikern, viele Freunde um sich herum. Im Laufe der Zeit kamen wir in ein engeres Verhältnis, zumal er merkte, daß ich in Camburg mit allen ehemali- gen Funktionären der Arbeiterbewegung engen Kontakt hatte, mit denen Magnus Poser vor 1933 in der KPD gearbeitet hatte.“

Vgl. Rudolf Gleitsmann: Lebenslauf, Abschrift in: PA H.G.

• Pressluft Apparatebetrieb Müller & Neumann, Jena (Prea):

Willi Arnold, Paul Jährling (etwa von 1939 bis Oktober 1940), Walter Kono- patzki, Ernst Martin (Schwarze Front), Rudolf Olm (bis April 1942).

Über Konopatzki bestand Verbindung nach Bürgel. Im Sommer 1942 wurde mit Hilfe sowjetischer Komsomolzen ein rotierender Vervielfältigungsapparat ent- wendet und in die Heimstätten-Schlosserwerkstatt zu Albert Bauer gebracht. 88

Diese sowjetischen Zwangsarbeiter hatten auch Verbindungen zu Komsomolzen in der Hescho/Hermsdorf. Vgl. Willi Arnold: Bericht, Kopie in: PA H.G.; Willi Arnold: Kurzbiographie, in: BACZ J–T.

• Firma Funk- und Feinmechanik Drescher, Jena:

Paul Brendel, Martin Rost, Willy Schmidt, Albin Funk (seit Mai 1940).

Rost war wohnhaft in Dornburg und hielt die Verbindung zu dortigen Antifa- schisten. Laut Willi Arnold hat im Betrieb auch ein Genosse aus Kahla gearbei- tet. Über diesen hielt Brendel politische Verbindungen nach Kahla und Orla- münde. Vgl. Paul Brendel: ThStA R, VdN-Nr. 06/06; Wilhelm Meyer: ThStA R, VdN-Nr.06/29; Al- bin Funk: ThStA R, VdN-Nr. 06/12.

• Mechanische Werkstatt Hoffmann und Fa. Junghenn, Werkzeugfabrik, Jena:

Erich Matthes (seit Oktober 1940), Paul Jährling (seit Oktober 1940), Ernst Obstfelder (seit März 1942), Heinz Seidel, Richard Zimmermann. Vgl. Elsa und Richard Zimmermann: ThStA R, VdN-Nr. 06/46; Werner Schubert und Erich Matthes: Berichte, in: BACZ J–T.

• Gösener Tonwerke, Eisenberg:

Alfred Eberhardt, Ernst Schilling, Albert Schmidt, Otto Hötzel.

Eberhardt arbeitete seit 1938 eng mit SPD-Mitgliedern zusammen. Sie vermit- telten Informationen von den Radio-Stationen Moskau und London und berieten Schritte gegen den Faschismus. Vgl. Alfred Eberhardt: Lebensbild, Abschrift in: PA H.G.

• Eisenberger Metallwarenfabrik (EME), seit 1941:

Kurt Fischer, Walter Hietschold (SPD), Kurt Rosenkranz. Vgl. Kurt Fischer: Lebenslauf, Abschrift in: PA H.G.

• Hermsdorf-Schomburg-Isolatoren GmbH (Hescho), seit 1939:

Otto Worms, Rudi Scheffel, Alfred Heller, Franz Bichler, Walter Kruse, Herbert Schulze u.a. Vgl. Alfred Heller: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 16/4. 89

Weiter wurden in Erinnerungsberichten von Antifaschisten noch kleinere illega- le Gruppen und Aktivitäten – ohne konkretere Angaben – in folgenden Betrie- ben erwähnt:

• Reichsbahnausbesserungswerk, Jena; • Schietrumpf & Co., Jena; • Fa. Vergen in Bürgel; • Porzellanwerk in Kahla.

Verbindungen gab es auch zur Klischeeanstalt Ernst Seide in Jena. Hier arbeite- ten die Parteilosen Rolf Reitmeier und Alfred Hoffmann. Reitmeier wurde 1939 Betriebsleiter dieser Firma. Im selben Jahr gewann ihn Willi Arnold zur Herstel- lung von Flugblättern. Der ehemalige Naturfreund Hoffmann aus Ziegenhain wurde seit 1944 zur Absicherung solcher illegaler Vorhaben hinzugezogen. Vgl. Rolf Reitmeier: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/34.

• Wäscherei Jena: Friedrich Singer (SPD).

Dieser Eisenberger Sozialdemokrat unterstützte als Wäschereimeister die als Arbeitskräfte eingesetzten Juden, später sowjetische Kriegsgefangene und leiste- te auf diese Weise unter ihnen antifaschistische Arbeit. Vgl. Friedrich Singer: Bericht, Abschrift in: PA H.G.

• Fa. Weckmann, Großschwabhausen: Kurt Schache (SJV/SAPD).

Er verteilte in Zugabteilen von Jena nach Großschwabhausen, in Gehöften des Ortes und unter zuverlässigen Arbeitern des Betriebes, in dem er arbeitete, Flugblätter. Vgl. Kurt Schache: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/58.

• Baubetrieb Dyckerhoff & Widmann:

Hier arbeiteten u.a. die Antifaschisten Kurt Töpfer (seit 1943 in der Bau- Organisation Todt) und Otto Koschig. Vgl. Kurt Töpfer: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/42; Otto Koschig: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 05/02.

Antifaschistische Kontakte existierten zu einigen älteren Genossen, so zu Au- gust Orban, Karl Stankiewicz, Josef Klose, Otto Merker, Heinrich Ankele (alle Jena) sowie zu Alfred Frische in Camburg. 90

Vgl. Lydia Poser: ThStA R, VdN-Nr. 06/33; Karl Stankiewicz: ThStA R, VdN-Nr. 06/39; Otto Hagenauer: ThStA R, VdN-Nr. 05/02; Paula John: Bericht sowie Otto Merker: Biogra- phie, in: Städtische Museen Jena.

Im Herbst 1938 bildete sich eine Ortsleitung Jena der KPD mit Magnus Poser (KPD), Willi Arnold (KPDO), Paul Krahn (KPD), Paul Brendel (KPDO), Paul Jährling (KPD) und seit 1941 mit Rudi Wehner (SPD). Sie konzentrierten sich u.a. auf folgende Schwerpunkte:

• Arbeit in Betrieben, insbesondere die Herstellung von Kontakten zu Sozial- demokraten; • Festigung bestehender und Aufbau neuer Gruppen; • Entwicklung marxistisch-leninistischer Schulungsarbeit; • Voraussetzungen schaffen für die Herstellung und Verteilung von Flugblät- tern.

Informationen über die Berner Konferenz der KPD (1939) unterstützten diese Orientierungen und rückten die drohende Katastrophe eines Weltkrieges sowie die Zielstellung, einen antifaschistisch-demokratischen Staat zu errichten, in den Mittelpunkt der Überlegungen. Unmittelbar nach Kriegsbeginn im September 1939 konstituierte sich die Je- naer Ortsleitung zur Unterbezirksleitung Jena-Stadtroda der KPD um. Ein Tref- fen in der Nähe von Bürgel stellte u.a. folgende Aufgaben:

• Aufklärung über die faschistische Politik und ihre Kriegsziele; • Störung der Kriegsproduktion durch organisierte Sabotage; • klare Instruktionen für die zur Wehrmacht Eingezogenen.

Für die Leitungsmitglieder wurden die Aufgabenbereiche exakt umrissen: In- strukteur für Dornburg/Dorndorf – M. Poser, Bürgel/Eisenberg – W. Arnold, Kahla – P. Krahn.

Letztgenannter war auch verantwortlich für die Arbeit in Betrieben, unter Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen. Für die Schaffung eines technisch- organisatorischen Apparates, der der Herstellung von Flugblättern dienen sollte, übernahm Willi Arnold die Verantwortung. Albert Bauer, Hermann Müller, Edmund Adam, Rolf Reitmeier und Walter Konopatzki gelang es nach monatelanger konspirativer Arbeit, drei Schreibma- schinen, einen Abziehapparat nebst Zubehör zu beschaffen, dezentralisiert un- terzubringen und im Februar 1938 das erste eigene Flugblatt zu verteilen. 91

Um die aus allen Richtungen der Arbeiterbewegung kommenden Illegalen zu einer wirksamen Tätigkeit zu befähigen, wurde im Dezember 1939 ein relativ differenziertes Schulungsprogramm beschlossen. Durch regelmäßiges Abhören des Moskauer Rundfunks und seit September 1938 des Deutschen Volkssenders sind notwendige Kontakte mit Vertretern der KPD-Parteiführung hergestellt worden. Im November 1939 stellte Willi Arnold Verbindungen nach Saalfeld zu Max Kabisch und Otto Bellmann und seit 1940 auch nach Gera zu Max Hölle- risch und Ernst Meyer her. Im Dezember 1939 zählte der Unterbezirk Jena-Stadtroda der KPD rund 130 Mitglieder bei über 100.000 Einwohnern im Stadt- und Landkreis. Zum Jahreswechsel 1941/42 kam es zu einem Treffen von Magnus Poser und Theodor Neubauer in Tabarz. Sie vereinbarten den Zusammenschluß der Unter- bezirke der KPD in Thüringen zu einer Bezirksparteiorganisation. Poser (Jena) gehörte als Organisationsleiter mit Hermann Jahn (Erfurt), Richard Eyermann (Bad Salzungen) und Otto Schieck (Eisenach) der Leitung an. Im Herbst 1942 konnten deutsche Widerstandskämpfer und Komsomolzen in der Firma Prea einen bereits schrottreifen Vervielfältigungsapparat bergen. Al- bert Bauer machte ihn wieder gebrauchsfähig. Zunächst wurden Flugblätter im Format DIN A 4 hergestellt, deren Verbreitung aber immer schwieriger wurde. Nach einem neuen Verfahren sind seit Ende 1943 kleinere Zettel in der Größe 8 x 12 cm auf ganz dünnem Papier gedruckt worden. Die Druckstöcke fertigte Rolf Reitmeier in der Klischee-Anstalt Seide an, den Druck selbst besorgte Bau- er. In dieser ersten illegalen Druckerei in Thüringen sind vier Flugblätter und ein Schulungsmaterial in etwa 1.500 bzw. in 700 Exemplaren hergestellt worden. Die Flugblätter gingen nach Berlin, Leipzig, Chemnitz, Dortmund, Erfurt, Gotha und Zella-Mehlis. Annemarie (Änne) Anweiler erklärte später:

„Meines Wissens ist (von 1939) bis Mitte der 50er Jahre nicht von einer Neubauer/Poser/Gruppe gesprochen worden. Diese Bezeichnung kam erst später auf. Es gab die illegale Parteiorganisation, die um sich einen Kreis von Antifaschisten scharte.“

Vgl. Willi Arnold: Kurzbiographie, in: BACZ J–T; Albert Bauer: Bericht, in: ThStA R, VdN- Nr. 06/02; Willi Arnold: Im Kampf holten wir uns Rat bei Lenin, in: BACZ J–T; Willi Ar- nold: Bericht in: PA H.G.; Lydia Poser: Bericht, sowie Hans und Elsa Raßmann: Erinnerun- gen, Abschriften in: PA H.G.; Willi Arnold: Geschichte des illegalen Flugblattes, Bericht vom Frühjahr 1985, in: PA H.G.; Annemarie Anweiler: Bericht vom 27. Juni 1976 an Hildegard Patzer, in: PA H.G.

Dem antifaschistischen Widerstand schlossen sich im Jenaer Raum weitere Gruppen an: 92

Mitglieder der Kommunistische Arbeiterpartei (KAPD) seit Oktober 1938:

Walter Schmidt, Otto Oppermann (SPD), Arno Weiß, Otto Jährling (KPD, spä- ter ausgeschieden), Hermann Sander, Willy Schmidt (KPD) [Verbindungs- mann].

Willi Arnold erinnerte sich später: „Bedeutsam war ein Treff im Frühjahr 1940 in seiner Wohnung in Jena-Ost. Hier brachte mich Walter [Schmidt] mit einer von ihm aufgebauten und ge- leiteten illegalen Fünfergruppe in Verbindung. Ihre Mitglieder wurden mir als ‚Arbeitskollegen‘ vorgestellt, aber ihre Namen blieben mir damals unbe- kannt. Diskutiert wurde über die durch den Krieg entstandene neue Situation und die sich daraus für unseren UB [= Unterbezirk] ergebenden konkreten Aufgaben. Da im Verlaufe der Diskussion, besonders über die Schaffung ei- ner breiten antifaschistischen Kampffront zum Sturz der Hitlerdiktatur, die Beendigung des Krieges und die Errichtung einer demokratischen Volksre- publik sektiererische, halbanarchistische Meinungen zum Ausdruck kamen und gleichzeitig das Bedürfnis zur Klärung dieser Grundfragen vorhanden war, vereinbarten wir, unsere Diskussion fortzusetzen. Grundlage für die weiteren Zusammenkünfte war das Studium der Werke Lenins […] An einige dieser Treffs erinnere ich mich noch, sie wurden abwechselnd von Walter und mir geleitet.“

Vgl. Willi Arnold: Erinnerungen vom 25. März 1987, s. unter: Walter Schmidt: im BACZ J– T.

Kommunistische Partei Deutschlands-Opposition (KPDO). Im Jahre 1939 löste sich das Auslandskomitee der KPDO bzw. das Internationale Verbindungskomi- tee (IVKO) auf.

Die Jenaer Gruppe Ringwiese bestand im Frühjahr 1940 aus:

Erich Gehmlich, von April 1942 bis Oktober 1944 in der Wehrmacht, Frieda Matthes, seit 1939 aus dem Gefängnis zurück, Erich Matthes, seit Frühjahr 1940 aus dem KZ zurück, Franz Götz, Hans Taubert, Artur Große (KPD). Vgl. Erich Gehmlich: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/49; Erich Matthes: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/28; Willi Arnold: Bericht, in: PA H.G.

Zu zwei anderen Gruppen der KPD-O gehörten (etwa seit März 1941) u.a.: • Kurt Adam, Gertrud Adam, Harry Müller, Fritz Höfer in der Lehrwerkstatt Carl Zeiss. Verbindungsmann war Willi Arnold. 93

• Kurt Adam, Walter Roltsch, Walter John, Felix Wieczorek. Verbindungs- mann war Rudi Wehner.

Harry Müller berichtete:

„Wir haben alles Neue ausgewertet und immer wieder neue Informationen erhalten. Von Zeit zu Zeit konnte ich die Kollegen in der Abt. [F-Teil bei Zeiss; H. G.] mit den neuesten Nachrichten vom Kriegsschauplatz versorgen. Ich hatte viele Kollegen, die gern einmal etwas Neues hörten.“ Vgl. Kurt Adam: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/01; Harry Müller: Bericht, in: PA H.G.

Jungsozialisten (vom Herbst 1940 bis Frühjahr 1941): Rudi Wehner schilderte später:

„Im Jahre 1939, angesichts der immer mehr anwachsenden Kriegsgefahr, suchte ich eine Verbindung zu Magnus Poser, dem ehemaligen Agitationslei- ter der KPD in Jena, herzustellen, von dem ich wußte, daß er nach Verbü- ßung seiner Haft wieder als Tischler in der Stadt arbeitete. Unsere erste Be- gegnung fand auf dem Jenaer Holzmarkt statt. Ich kannte den Genossen Ma- gnus Poser damals nur vom Sehen und war mir von Anfang an darüber klar, daß es nicht leicht sein würde, ihm die Ehrlichkeit meiner Absichten zu be- weisen. Vor dem Aushang eines Kinos sprach ich ihn an, bat ihn um eine Un- terhaltung. Wir gingen hinauf zum Fuchsturm und saßen stundenlang beiein- ander wie harmlose Spaziergänger, die beim Bier über irgendwelche Nich- tigkeiten plaudern. Ich sagte ihm, daß ich als Jungsozialist und Mitglied der SPD die Meinung vertrete, daß die illegale Arbeit unbedingt gemeinsam mit den Kommunisten organisiert werden müsse und viele mir gleichgesinnte Ar- beitskollegen bereit seien, mit den Genossen der KPD zusammenzuarbeiten. Magnus Poser verhielt sich zurückhaltend. Doch seit diesem Tag gab es re- gelmäßig Aussprachen, so daß wir uns bald näherkamen. Es dauerte viel- leicht vier bis fünf Monate, bis Magnus zu mir Vertrauen gefaßt hatte und ich erste Aufträge erhielt. Ich war gerade einunddreißig Jahre alt geworden.

In der illegalen Tätigkeit lernten wir uns noch besser kennen. Ich wurde nach kurzer Zeit Mitglied der Leitung des Unterbezirkes Jena der KPD, zu der ne- ben Magnus Poser noch Willi Arnold und Paul Krahn gehörten.“

Auguste Wehner (Jungsozialistin) sagte zur Vereinigung mit der illegalen KPD: „Es fanden viele persönliche Gespräche statt über eine gemeinsame Arbeit der bestehenden Gruppen, und 1941 traten alle in der jungsozialistischen Gruppe noch verbliebenen Genossen (etwa 20) in die illegale KPD ein. Es 94

wurden wieder Fünfergruppen gebildet, und nach meiner Erinnerung müssen es etwa 10–12 Gruppen gewesen sein. Die Aufteilung wurde von Magnus und Rudi vorgenommen. Die alten Gruppen blieben im wesentlichen bestehen. Die Leitung einer Gruppe wurde immer einem kommunistischen Genossen übertragen. Inzwischen waren auch eine Reihe parteiloser Arbeiter, die die ganzen Jahre zu den Diskussionsgruppen in den Betrieben gehört hatten, be- reit, in die illegale KPD einzutreten, sie wurden in die Fünfergruppen einge- reiht. Im Prinzip kannte man nur seine Fünfergruppe. Man wußte zwar von dem und jenem Genossen, er gehört insgesamt dazu, aber wer in welcher Gruppe war, wußte man nicht.“

Annemarie Anweiler beschrieb den Weg ihrer Entscheidung so:

„In die illegale KPD zu gehen, war für mich ein schwerer und auch schmerzhafter Prozeß, der manche schlaflose Nacht gebracht hat. Ich mußte mich erst vom alten Ideengut befreien, außerdem, die KPD hatte ja auch manche Fehler. Aber dann bekannte ich mich voll zur KPD. Jungsozialisten hatten ja schon lange gegen die reformistische Politik der SPD-Führung ge- standen.“

Helmut Schmidt teilte mit:

„Im Winter 1940/41 wurde ich in der Wohnung von Rudi Wehner im Beisein von Guscha Wehner und Heiner Stock durch Handschlag persönlich von Magnus Poser in die illegal kämpfende KPD aufgenommen. ‚Wie stehst Du zur Sowjetunion?‘ – das war die Frage, die er allen Genossen bei der Auf- nahme in die Partei stellte. Ein langer Prozeß des Nachdenkens, des Abwä- gens, der politischen Reife hatte seinen Abschluß gefunden – ein Höhepunkt in meinem politischen Leben.“

Vgl. Im Kampf um Deutschland, Hrsg. Hans Oley und Joachim Hellwig, Berlin 1968, S. 115; Fritz Merten: Der antifaschistische Widerstandskampf in Jena 1933–1945, S. 108–116; FSU J–A, F, I, Nr. 2727; Anneliese und Heinz Grün: Gesprächsprotokoll mit Annemarie Anweiler am 7. Januar 1986, in: PA H.G.; Helmut Schmidt: Bericht, in: BACZ J–T.

Annemarie Anweiler erklärte: Reine Betriebsgruppen gab es nicht.

„Die Genossen konnten sich im Betrieb nicht länger und ungestört versam- meln. Schulungen, Beratungen, Vorbereitungen von Aktionen fanden in den Wohnungen der Genossen, in Gartengrundstücken oder im Freien aus Si- cherheitsgründen statt. Im Betrieb gab es nur kurzen Informationsaustausch, wenn unbedingt nötig. Jeder Genosse arbeitete in seiner Abteilung unter den 95

ihm bekannten Kollegen. Oberster Grundsatz war: Keine Gefährdung der Gruppe.“

Über Treffen solcher Gruppen berichtete Kurt Unger: „Die Guppe, welcher ich angehörte, bestand aus den Genossen Fritz Hein- lein, Kurt Hertel und Willy Haas. Die illegale Arbeit wurde jetzt organisiert durchgeführt. Regelmäßige Treffs in den Wohnungen der Genossen Hertel, Haas und bei mir fanden statt. Die Treffs wurden unter Leitung des Genossen Poser durchgeführt. Bei diesen Treffs orientierten wir uns an Sendungen des Moskauer Rundfunks und über die politische Lage, besprachen und schulten uns über politische Probleme und zogen Schlußfolgerungen für unsere weite- re Arbeit. Unsere Arbeit bestand auch darin, im Betrieb unter den Arbeits- kollegen für unsere Sache aufklärend zu wirken. Vorraussetzung war jedoch, daß hierbei die Arbeit unserer illegalen Gruppe unbedingt gesichert blieb.“

Helmut Schmidt schilderte: „Zu meiner Gruppe gehörten Hans Näder, Werner Schubert und Rolf Reit- meier. Treffen fanden regelmäßig in den Wohnungen der Genossen statt, ge- tarnt als ‚Fernschüler‘ der Berliner Fernschule. Wir betrieben das Studium der Klassiker, verteilten Flugblätter bei den Barackenlagern der Zwangsar- beiter. Hans Näder hatte Beziehungen zu sowjetischen Zwangsarbeitern in seiner Abt. Renk im Südwerk herzustellen. Werner Schubert hatte auf Grund seiner Arbeit Verbindung zu Genossen in den Zuchthäusern zu suchen. Die Genossen Schubert und Reitmeier erhielten außerdem direkte Aufgaben von Magnus Poser, über die sie nicht sprachen.“

Vgl. Anneliese und Heinz Grün: Gesprächsprotokoll mit Annemarie Anweiler am 7. Januar 1986, in: PA H.G.; Kurt Unger: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 03/52; Helmut Schmidt: Be- richt vom 2. Januar 1975, in: BACZ J–T.

Widerstandskämpfer waren u.a. in folgenden Rüstungsbetrieben tätig:

Carl Zeiss, Jena:

Masch.-Bau I–III: Rudi Wehner, Werner Schubert, Kurt Unger, Otto Hengelhaupt, Willi Haas, Al- fred Hoffmann, Kurt Hertel, Richard Näder, Heiner Stock, Willibald Gruner. Vgl. Kurt Unger: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 03/52; Werner Schubert: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/38; Heiner Stock: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/40; Otto Hengelhaupt: 96

Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr., 06/18; Willibald Gruner: Bericht, in: PA H.G.; Hermann Ei- senmann: Bericht, in: BACZ J–T.

T-Dr. Aut.: Gerhard Sauthoff, Gustav Probsthain, Werner Georges, Franz Gernhard, Ernst Kaiser, Otto Lang, Lotte Wieczorek, seit 1944. Vgl. Gustav Probsthain: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/33; Otto Lang: ThHStA W, VdN- Akte; Gerhard Sauthoff: Bericht, in: BACZ J–T.

T-Dr. I & II: Hermann Müller, Paul Gerstenberger, Willi Ernst, Felix Fuchs, Rudolf Öhme, Paul Meinhard, Oskar Orthaus, Robert Schimmel, Otto Preisser, Alfred Rude- rich, Karl Stöbe, Ernst Petz, Hugo Kolk.

Rudi Wehner berichtete: „Müller bildete mehrere 3-er Gruppen mit etwa 18 Kollegen.“ Vgl. Rudi Wehner und Hermann Müller: Beiträge zur Geschichte des illegalen antifaschisti- schen Widerstandskampfes der KPD in Jena während der Zeit des Faschismus von 1933 bis 1945, in: BACZ J–T.

T-Dr. IV: Walter Schmidt, Hermann Sander, Otto Oppermann, Ernst Dreßler, Arno Weiß, Hans Näder. Vgl. Walter Schmidt: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/38; Hans Näder: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/31.

T-Dr. V: Erich Gehmlich, Franz Götz. Vgl. Erich Gehmlich: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/49.

F-Teil: Fritz Höfer, Gerhard Reichelt, Harry Müller. Vgl. Erich Gehmlich: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/49; Gerhard Reichelt: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/57; Fritz Höfer: Bericht, Abschrift in: PA H.G.

Rep. Schlosser: August Orban, Kurt Zier (bis Februar 1942), Karl Bähring (bis Februar 1943). Vgl. Kurt Zier: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr.06/46; Karl Bähring: Lebenslauf, in: BACZ J– T.

Südwerk: Hans Klingelstein, Paul Wildner, Max Langheinrich, Wilhelm Bärwinkel (bis 1942). 97

Vgl. Paul Wildner: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/61; Max Langheinrich: Bericht, in: T hStA R, VdN-Nr. 06/54; Wilhelm Bärwinkel: Lebenslauf, in: BACZ J–T.

OFKi: Kurt Adam, Hermann Eisenmann, Otto Schmidt (bis 1940). Vgl. Kurt Adam: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/01; Hermann Eisenmann und Otto Schmidt: Berichte, in: BACZ J–T.

Kobo: Helmut Schmidt, Fritz Heinlein, Erich Wolfram, Fritz Bornschein. Vgl. Helmut Schmidt: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/38; Fritz Heinlein: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/17; Erich Wolfram: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/44; Fritz Born- schein: OdF-Akte, in: Stadtverwaltung Jena.

Lehrwerkstatt: Walter Roltsch, Walter John, Felix Wieczorek. Vgl. Kurt Adam: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 96/01; Walter Roltsch: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/57.

Geo Vf.: Paul Krahn. Vgl. Paul Krahn: Bericht, in: ThHStA W, VdN-Akte Paul Krahn.

Zeiss-Aerotopograph GmbH: Annemarie Anweiler. Vgl. Annemarie Anweiler: Bericht, in: PA H.G.

TLM Sw.: Walter Große. Vgl. Walter Große: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/15.

Tra: Ernst Obstfelder (bis 1941). Vgl. Ernst Obstfelder: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/31.

Mikro: Otto Merker. Vgl. Otto Merker: Biographie, in: Städtische Museen, Jena.

Druck Guss: Karl Grunig. Vgl. Helmut Schmidt: Aufstellung, in: PA H.G. 98

Post: Max Porstendorfer. Vgl. Max Porstendorfer: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/32.

Nordwerk: Fritz Creutzburg. Vgl. „Scheinwerfer“, Nr. 6/1969.

Bereich Gera: Kurt Haake. Vgl. Kurt Haake: Bericht, in: BACZ J–T.

Keiner Abteilung konnten zugeordnet werden:

Mechaniker: Bernhard Gase; Former: Richard Kreil; Graveur: Paul Bornemann; Werkzeugausgeber: Paul Seyfahrt; Buchbinder: Erich Nacke; Buchdrucker: Alexander Bauerschmidt; Schlosser: Fritz Schlegel; Wilhelm Meyer; Alfred Erler; Konrad Korn. Vgl. Bernhard Gase: Biographie, in: BACZ J–T; vgl. Richard Kreil: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/25; vgl. Paul Bornemann: Bericht, in. ThStA R, VdN-Nr. 06/6; vgl. Paul Sey- fahrt: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/36; vgl. Erich Nacke: Bericht, in: Städtische Museen, Jena; vgl. Alex Bauerschmidt: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/01; vgl. Fritz Schlegel: Be- richt, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/59; Wilhelm Meyer: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/59; Alfred Erler: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/10; Konrad Korn: vgl. Helmut Schmidt: Auf- stellung, in: PA H.G.

„Während des zweiten Weltkrieges konnten auch in folgenden Abteilungen bzw. Bereichen des Zeiss-Betriebes Widerstandsgruppen gebildet werden: Fräserei, Schleiferei, Automatenabteilungen, Optische Vorabteilungen, Lin- senschleifereien, Gießerei, Feinmeß- und Telemontage, Astro, Bildmeß (be- sonders beteiligt am Bau von militärischen Luftbildgeräten und -aufnahmen), Optik-Montage, Optisches Betriebsbüro und Konstruktionsbüro. Aus dieser Aufzählung, die noch ergänzt werden könnte, ist zu erkennen, daß insgesamt in den Abteilungen der Vorfertigung die antifaschistische Aktivität stärker entwickelt war, als in den Montageabteilungen. Das Antifa- Bewußtsein der Maschinenschlosser, Dreher, Fräser, Schleifer und vieler 99

ungelernter Arbeiter war ausgeprägter. Jedoch wurde auch von Genossen und Kollegen einiger Montageabteilungen und Büros eine hervorragende Widerstandsarbeit geleistet, die sich von Informationen über militärisch be- deutungsvolle Forschungsobjekte bis hin zur Sabotage der Produktion wich- tiger Geräteteile u.a. erstreckte.“ Zit. nach: Rudi Wehner, Annemarie Anweiler, Willi Arnold u.a.: Der antifaschistische Wider- standskampf unter Leitung der illegalen UBL der KPD. Manuskript, in: PA H.G.

Jenaer Glaswerk Schott & Genossen (JGW):

„Ab 1938 hatten wir begonnen, uns im Betrieb auf 3-er Gruppen aufzuteilen. Nach 1939 stand die illegale Zelle der KPD im Jenaer Glaswerk mit Kommuni- sten und Sozialdemokraten in 14 Abteilungen in Verbindung: Wellpappe: Hans Luft; Rohrhütte: Arthur Große, Hugo Krieger; Masch-Bau: Wilhelm Müller; Optik: Hans Kröber, Gustav Heinrich; Schmiede: H. Friedrich, Kurt Gempe (bis 1939); Versand: Rudi Hollbach; Magazin: Rudi Reinhard; Gleisbau: Artur Dietrich, A. Höber; Zil-Hütte: Edmund Adam, Willy Voigt, Huldreich Fickler; Kantine: Toni Liebold; Optik-Schmelze: Otto Kaiser; Hof: Arno Struppert. Aktive Dreiergruppen bestanden in folgender Zusammensetzung: Walter Kutta, Gustav Zimmermann, Hans Luft; Gustav Zimmermann, Arthur Dietrich Willy Voigt.“

Politischer Leiter der Zelle war Kurt Gempe, seit 1939 Walter Kutta. Vgl. Gustav Heinrich: Aus meinem Leben und der Widerstandsbewegung im Jenaer Glas- werk, in: PA H.G.

Hermsdorf-Schonburg-Isolatoren G.m.b.H. (Hescho):

„Mit Hilfe von ‚Dienstverpflichtungen‘ wurden Werktätige aus weniger wichtigen Betrieben der weiteren Umgebung auch nach Hermsdorf gezwun- gen, so Textilarbeiter aus Münchenbernsdorf, Dreher und Schlosser aus Ge- ra, andere aus Eisenberg, Scheubengrobsdorf und Frankenthal. Unter ihnen waren ehemalige Arbeitersportler, aktive Gewerkschaftler, Sozialdemokraten 100

und Kommunisten. Sie lernten sich in verschiedenen Abteilungen kennen, fuhren Tag für Tag gemeinsam im Zug, und vorsichtig tastete mancher den anderen genauer ab. Nach und nach fanden sich in einzelnen Abteilungen unter Führung der KPD Widerstandskämpfer zusammen. In der

Feinschleiferei: Walter Opitz, Franz Piehler, Rudi Scheffel, Herbert Schulz, Otto Worms; Porzellanschleiferei: Walter Bärwolf; Schlosserei: Walter Knappe, Richard Bergner; Großstückdreherei: Alfred Schmidt; Presserei: Max Grimm.

Neben diesen Antifaschisten, die vor allem von Rudi Scheffel und Otto Worms angeleitet und geführt wurden, stellten sich weitere Arbeiter zur akti- ven Tätigkeit zur Verfügung, so Otto Müller, Karl Schubert, Paul Schlechte, Rudolf Radeck, Willi Graf, Hugo Häßelbarth und Willy Bröter.“ Zit. nach: Werner Stiehler: Unser Werk, Gotha 1983, S. 30.

Durch ständige Einberufungen zur Wehrmacht und zu anderen Pflicht-Diensten gab es immer wieder Veränderungen in den Widerstandsgruppen. Ihre Gesamt- zahl ist heute nicht mehr exakt feststellbar. Die Aufgabenstellungen der Grup- pen ergaben sich aus den entsprechend der Lage von der Unterbezirksleitung gestellten und realisierbaren Schwerpunkten. Willi Arnold erklärte später:

„In der Sitzung der UBL Jena der KPD nach dem 22. Juni 1941 im Waldge- biet der Wöllmisse, Burg Ranis, erklärte Magnus Poser, daß der Krieg der Sowjetunion gegen die faschistischen Okkupanten auch ‚unser Krieg‘ sei. Es gelte nun, den sozialistischen Staat mit allen Kräften zu unterstützen, die re- volutionären Traditionen der deutsch-sowjetischen Freundschaft zu wahren, die Klassensolidarität allseitig zu organisieren, den Antisowjetismus zu ent- larven, die Parteiorganisation zu festigen und die begonnene Zusammenar- beit mit allen antifaschistischen Kräften, besonders unter den ausländischen Deportierten und Kriegsgefangenen, zu vertiefen. Mit dieser Aufgabenstel- lung erhielt der Widerstandskampf eine neue Qualität.“

Seit 1939 wurde in Rüstungsbetrieben durch mündliche Agitation die „Arbeite- langsam-Bewegung“ gefördert. Die Kriegsgegner in den Drehereien und Fräse- reien kämpften auch um die Erhöhung der Stücklohnpreise. Sie machten ferner Werkzeuge, Lehren und Spezialstähle unbrauchbar. Antifaschisten ließen Meß- werkzeuge und Teilzeichnungen, Arbeitskarten, Begleitscheine und Teile von wichtigen Arbeitsvorrichtungen verschwinden, machten Arbeitsmittel un- 101 brauchbar und verlangsamten so die Produktion. Hitlergegner meldeten sich wiederholt krank, produzierten höhere Ausschußquoten, ließen wichtige Teile verschwinden und verzögerten bewußt den Transport von Geräten. Wider- standskämpfer berichteten, daß seit 1942 auch Zwangsarbeiter an der illegalen Arbeit teilnahmen. Qualitätsoptik war der Stolz des Zeiss-Werkes. Sie wurde auch im größeren Maße durch Zwangsarbeiter hergestellt, zumal Optikteile stets dringend benötigt wurden. Antifaschisten weigerten sich, schneller zu arbeiten und verwiesen auf die doch notwendige Qualität der Produkte. Als im Frühjahr 1944 Zenit-Prismen für Nachtsehrohre bei der Firma Goerz in Wien hergestellt werden sollten, er- reichten Kriegsgegner um Kurt Adam in Wien, daß kaum ein brauchbares Zenit- Prisma nach Jena kam. Zeiss-Geschäftsführer Küppenbender sah sich am 12. August 1943 gezwungen, energische Maßnahmen gegen Arbeitsbummelei ein- zuleiten. Am 18. September 1943 teilte er mit, daß die Optik deshalb 400 weite- re Arbeitskräfte erhalten müsse. Annemarie Anweiler konnte wichtige Informationen von Zeiss-Auslands- vertretern sowie aus Analysen, Berichten und Rundschreiben der Wirtschaftspo- litischen Abteilung abschreiben und illegal weitergeben. Walter Schmidt ver- schaffte u.a. eine vollständige Montagezeichnung über die Neuentwicklung „Ziel IV“. Vgl. Willi Arnold: Kurzbiographie in: PA H.G.; Hermann Müller: Bericht vom 17. Januar 1977 sowie Franz Pichler, Rudi Scheffel, Herbert Schulz: Aufzeichnungen über den Wider- standskampf gegen den Faschismus im ehem. Hescho-Konzern. Abt. Feinschleiferei, in: PA H.G.; Kurt Adam: Bericht vom 20. Mai 1977, in: BACZ J, 15 139; Annemarie Anweiler: Be- richt sowie Walter Schmidt: Bericht vom 1. Dezember 1976, in: BACZ J–T.

Im Mai 1942 hatte Paul Krahn an einem Treff von 60 polnischen Zwangsarbei- tern bei Naumburg teilgenommen. Er berichtete ihnen über die politische und militärische Lage. In die Wohnungen von Charlotte Wieczorek, Hermann Mül- ler, Karl Stankiewicz, Auguste und Rudolf Wehner kamen relativ regelmäßig Verbindungsleute aus Lagern zum Informationsaustausch und nahmen Flugblät- ter mit. Paul Krahn unterhielt ziemlich feste Verbindungen zu Zwangsarbeitern in den Lagern Talstraße, Reichsbahn-Ausbesserungswerk und Zeiss-Nordwerk. Relativ enge Verbindungen zu Zwangsarbeiterlagern hatten in Bürgel Alfred Neubert, in Eisenberg Kurt Fischer, in Hermsdorf Richard Bergner und in Kahla Frau Missikowski. Vgl. Paul Krahn: Lebenslauf, in: BACZ J–T; Paul Krahn und Charlotte Wieczorek: Berichte, in: PA H.G.; Hermann Müller: Bericht vom 17. Januar 1977, in: BACZ J–T.; Karl Stankie- wicz: Bericht, in ThStA R, VdN-Nr. 06/39; Auguste und Rudolf Wehner sowie Walter Kono- patzki: Berichte in: BACZ J–T; Kurt Fischer: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 01/09; Kurt Keuchel: Als der Mensch nichts galt …, Keramische Werke Hermsdorf 1966; Frau Missi- kowski: Bericht, in: Heimatmuseum Kahla. 102

Pfarrer der Lutherischen Bekenntnisgemeinschaft in Auseinander- setzungen mit den Deutschen Christen

Die sog. Deutschen Christen und die Gestapo verfolgten weiterhin die Pfarrer der Lutherischen Bekenntnisgemeinschaft (LBK):

19. Januar 1936: Bei einem Jugendgottesdienst im Jenaer Melanchthonhaus (Hornstr. 4) hatte Pfarrer Heinrich Elle geäußert, die Gefahr könne auch „im braunen Kleide“ nahen, und Pfarrer D. Paul Rieger hatte den Naziideologen Al- fred Rosenberg als offenen und erbarmungslosen Feind des Christentums be- zeichnet. Die „neutralen“ Geistlichen Elle und Rieger erschienen dem Nazi- Sicherheitsdienst (SD) nun sogar als „Hauptkräfte der LBK“ 1936: Pfarrer Schulze (Bad Klosterlausnitz) wurde vom Amtsgericht Eisen- berg wegen nicht genehmigter Tellersammlung zur Zahlung von 5,– RM verur- teilt. 1936: Der Leiter es Thüringer Mädchenheimes in Bad Köstritz, Werner Syl- ten, ist nach Angriffen der NS-Presse wegen seiner jüdischen Abstammung in den Wartestand versetzt worden. Er übernahm bis 1938 die Geschäftsstelle der Lutherischen Bekenntnisgemeinschaft in Gotha und arbeitete von 1939 bis 1941 im Büro Grüber in Berlin. 19. März 1937: Die Gestapo erteilte das Redeverbot für Thüringen an Helmut Gollwitzer. 24. Juli 1937: Die Gestapo verhaftete den Ortspfarrer von Dienstädt (westl. von Kahla), Heinz Hertel, zusammen mit anderen Pfarrern der Bekennenden Kirche, wegen des Vergehens gegen das Heimtückegesetz und des Kanzelmiß- brauchs. 8. Dezember 1937: An diesem Abend fand im Gemeindesaal des Luther- sprengels in Jena (heutige Friedrich-Engelsstr. 7), den der „neutrale“ Theologie- professor D. Paul Glaue zur Verfügung gestellt hatte, eine Veranstaltung der Bekenntnisgemeinde statt, die die Polizei auflöste. Die leitenden Persönlichkei- ten wurden festgenommen, verhört und der Redner einige Tage inhaftiert. 1. April 1938: Das Sondergericht verurteilte Pfarrer Herman Förtsch wegen Heimtücke. Seit dem 1. August 1939 befand er sich in Jena im War- testand, wurde aber am 22. April 1941 zur Wehrmacht eingezogen, diente dort als Sanitäts-Obergefreiter und kehrte erst am 17. Juni 1946 nach Jena zurück. August 1938: Der Studentenpfarrer Otto Dilschneider wurde aus Jena ausgewie- sen. 1938: Vom Leiter der Jenaer Kinderklinik, Prof. Ibrahim, wurde berichtet, daß er den Pfarrern der Deutschen Christen die seelsorgerische Tätigkeit in sei- ner Klinik verweigerte und diesen Dienst weiterhin durch die 1938 aus der Kli- nikseelsorge ausgeschiedene Pastorin Gertrud Schäfer ausüben ließ. 103

1939: Die Gestapo erteilte Pfarrer Erich Stegmann Redeverbot. Er wurde vom Landeskirchenrat entlassen. Seine Frau führte bis zum Frühjahr 1940 einen gut besuchten Kindergottesdienst durch. Das wurde ihr dann aber vom Kirchen- rat Lehmann verboten, der früher im Hause ihres Vaters, des Pfarrers Ploetz (Tabarz), verkehrt hatte. 1941: Pfarrer Wolfgang Stammler, Jena, stand wegen Verstoßes gegen § 1, 4 der Verordnung vom 28. Februar 1933 vor dem Weimarer Sondergericht. Das Strafmaß ist unbekannt.

„Manche Pfarrer wandten sich von den DC ab, der Wittenberg-Bund nahm an Stärke zu […]. Durch die Maßnahmen des Landeskirchenrates nahm die Zahl der Bekenntnispfarrer hingegen ab. Manch einer gab auch ohne ausge- sprochenes Bedrängnis, des Kampfes müde, seine Stelle in Thüringen auf und ging in eine andere Landeskirche“, schrieb Erich Stegmann. Dr. Anna Gehne (Jena) berichtete:

„Meine Mitarbeit in der Bekenntnisfront in Jena beschränkte sich auf carita- tive Tätigkeit und die Arbeit unter den Studenten. Für die caritative Tätigkeit empfing ich Geldmittel nicht nur von den Gliedern der Gemeinde, sondern auch von solchen, die dem Christentum fern standen, die aber um unsere Un- terstützung von Verfolgten, Inhaftierten und Unterdrückten wußten. Die Arbeit unter den Studenten versuchte eine Aktivierung gegen die nazisti- schen Irrtümer, gegen die ungeheure Vergewaltigung jedes Menschenrechtes wie aller sittlichen Grundlagen überhaupt und vor allem auch gegen die Vorbereitung zum Krieg. Im Sommer 1936 wurde der Polizei durch Verrat bekannt, daß sich in mei- nem Hause Flugblätter für die Studentenwerbungsaktion befanden. Das gan- ze Werbungsmaterial, das von der Bekenntnisfront im Kampf gegen den Na- zismus herausgegeben wurde, wurde für Jena in meinem Haus untergebracht und mir jeweils von dem damaligen Landessekretär der Bekennenden Kirche, Dr. Helmut Gollwitzer, zugeschickt. Vom Sommer 1936 an erfolgten dann bei mir Haussuchungen und Vernehmungen.“

Aus der Festschrift „Domine, dirige me in verbo tuo!“:

„In Jena sammelte sich die bekennende Gemeinde nicht um einen aus dem Amt vertriebenen Pfarrer, sondern sie entstand aus einem Bibelstundenkreis, der durch Pfarrer Gerhard Fischer aus Unterwellenborn betreut wurde. Im Jahre 1935 gelang es, im Haus Camsdorfer Ufer 17 einen Saal zu mieten, der bis 1945 den illegalen Gottesdiensten der Bekenntnisgemeinde diente. 104

Hier amtierten im Laufe der Jahre viele auswärtige Prediger, darunter die jetzigen Theologieprofessoren Martin Fischer und Helmut Gollwitzer, der spätere sächsische Landesbischof Hugo Hahn und der jetzige Oberkirchenrat Wolfgang Schanze. Auch Jenaer Universitätsprofessoren, darunter der Sprachwissenschaftler Dr. Debrunner und der Alttestamentler D. von Rad, arbeiteten aktiv in dieser Gemeinde mit. Eine Reihe von Pfarrern der Beken- nenden Kirche waren nacheinander illegal in Jena ansässig. Erst nach dem Zusammenbruch der Hitlerherrschaft konnte die bekennende Gemeinde Jena wieder in die evangelisch-lutherische Kirche eingegliedert werden.“

Der Landwirtschaftrat Gustav Tiebel gehörte als einer der wenigen Laienmit- glieder dem Bruderrat der evangelisch-lutherischen Bekenntnisgemeinschaft an. Immer wieder stellte er bereitwillig seine Wohnung für Zusammenkünfte der Bekenntnisgemeinschaft in Stadtroda zur Verfügung. Die Referenten wechselten sich in den Gemeinden mit ihren Themen ab, schrieb Erich Stegmann. Die Thematik war gegenwartsbezogen. So ging es um Fragen zur Bibel, um Vorträge über die zehn Gebote und um weltanschauliche Probleme, so auch um die Auseinandersetzung mit der „deutschen“ Glaubens- bewegung. Diese Veranstaltungen waren oft gut besucht. Zur Spaltung der Bekenntnisfront kam es durch die Bildung des Reichskir- chenrates und durch die sich daraus ergebenden inneren Schwierigkeiten in der Thüringer Kirche. Der bedeutendste Kritiker war Dr. theol. Helmut Gollwitzer, der sich für eine neue, von Berlin-Dahlem aus geführte „Vorläufige Kirchenlei- tung“ aussprach. Ein Versuch, die Sympathien des Staates für die Kirchen wieder zu gewin- nen, war die Anordnung des Landeskirchenrates vom 14. März 1938, die Pfarrer auf den „Führer“ zu vereidigen. Erich Stegmann schrieb:

„In der Bekenntnisgemeinschaft wurde über den Erlaß ernsthaft diskutiert. Eine Verweigerung des Eides hätte dem Landeskirchenrat die Handhabe ge- geben, wieder einmal die Staatsfeindschaft der BK-Pfarrer unter Beweis zu stellen. Dem wollte man sich nicht aussetzen und erhob gegen die Vereidi- gung keinen Protest.“

Pfarrer, von denen man eine Verweigerung befürchtete, schloß der Landeskir- chenrat von der Eidesleistung aus. Das betraf Pfarrer Hans-Georg Fontius und eben auch Hilfspfarrer Erich Stegmann. Der Landesbischof Sasse konnte dar- aufhin Hitler telegrafieren:

„Mein Führer, ich melde: In großer geschichtlicher Stunde haben sämtliche Pfarrer der Thüringer Evangelischen Kirche, einem inneren Befehl gehor- 105

chend, den Treueid auf Führer und Reich freudigen Herzens geleistet […] Ein Gott – ein Gehorsam im Glauben. Heil Ihnen, mein Führer!“

Günther Zahn, Werner Syltens Freund und Amtsbruder, erinnerte sich:

„Es war im März 1938. Zu den Kurierfahrten am Tag der Schließung des Büros konnte ich in meinem Fahrtenbuch die Reiseroute finden: 21. März: Gotha – Gera – Ronneburg – Greiz – Gera. 22. März: Gera – Renthendorf – Lichtentanne – Saalfeld – Gotha. Auf dieser Fahrt brachten wir den ostthü- ringischen Vertrauensmännern Informationen und Material, an manchen Or- ten konnten die benachbarten BK-Pfarrer zusammengerufen werden. Diese Kontakte waren lebenswichtig. Am Spätnachmittag in Saalfeld, unserer letz- ten Station, erreichte uns die Nachricht von der Schließung des Büros in Go- tha.“

Seit Ende 1937 leitete Pfarrer Gerhard Schüler die Jenaer Gemeinde der LBK. Bespitzelungen, Haussuchungen und Drohungen mit der Einberufung zur Wehrmacht, die 1939 schließlich auch erfolgte, begleiteten seine Tätigkeit. Von nun an mußten die Gottesdienste von auswärtigen Geistlichen versehen werden. Die Ehefrau von Pfarrer Schüler übernahm die organisatorische Arbeit. Ihr wur- de später von der Polizei mitgeteilt, daß Gottesdienste nur in kirchlichen Räu- men stattfinden dürfen. Da die Miete für den Saal am Camsdorfer Ufer auf die Dauer ohnehin zu teuer war, fand Frau Schüler in der Bachstraße, in einem Hin- tergebäude, die Räume einer ehemaligen Autoreparaturwerkstatt (vermutlich Fa. Malow in Nr. 13), die sie billig mieten konnte. Ein anderer Treffpunkt war ihr Garten im Pennickental bei Wöllnitz, unweit des Fürstenbrunnens. Als Frau Schüler im Laufe des Krieges in eine Munitionsfabrik dienstverpflichtet werden sollte, gelang es Professor Peter Petersen, ihr eine Stelle als Schulhelferin in der Kindertagesstätte von Zeiss zu verschaffen, so daß sie ihre Arbeit für die Be- kenntnisgemeinde fortsetzten konnte. Im Jahre 1941 nahm der Deutsch-Christliche Vizepräsident des 4. Thüringer Landeskirchentages, Lic. theol. Dr. phil. Erwin Langner aus Jena zunehmend eine kritische Haltung gegen dem DC-Landeskirchenrat ein. So versuchte er 1941, mit der Lutherischen Bekenntnisgemeinschaft (LBK) und dem Witten- bergbund ins Gespräch zu kommen. Als am 18. Juni 1942 die Leiter der LBK und des Wittenbergbundes ihre Bedenken über die Unordnung in der Kirchenfi- nanzierung äußerten, teilte Langner ihre Kritik, konnte aber keine Veränderung erreichen. Seine zunehmend kritische Haltung gegenüber dem Landeskirchenrat blieb nicht ungestraft: 1943 wurde er vom Amt des Vizepräsidenten entbunden. Die „Deutschen Christen“ beherrschten die Kirchenleitung der Evangeli- schen Landeskirche in Thüringen. Sie begannen im Sinne der „Nürnberger Ge- setze“ sämtliche Juden aus der kirchlichen Gemeinschaft auszuschließen. Das 106

Kirchengesetz der Thüringer Evangelischen Kirche vom 10. Februar 1939 be- stimmte im § 1:

„Juden können nicht Mitglieder der Thüringer Evangelischen Kirche wer- den.“

Gegen das Judenausschlußgesetz wandte sich die Konferenz der Landesbruder- räte am 14. April 1939 mit den mutigen Worten:

„Wir bitten die Pfarrer und Gemeinden der betreffenden Landeskirchen, die- se Gesetze nicht zu halten, vielmehr die christliche Gemeinschaft mit all de- nen, die sich diesem Joch beugen, aufzugeben. Wir wollen lieber Leiden auf uns nehmen, als uns mitschuldig machen an der Zerstörung des Leibes Chri- sti.“

In Eisenach wurde am 6. Mai 1939 das „Institut zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ eröffnet. „Wissenschaftlicher“ Leiter des Instituts war der Theologe Prof. Dr. Gundermann von der Universität Jena. Eine der Hauptaufgaben war es, aus dem neuen Testament alles „jüdisch Beeinflußte“ zu entfernen. Zu den Kräften, die sich um die Rettung verfolgter Juden wohl mit am mei- sten bemüht haben, gehörte die Berliner Hilfsstelle „An der Stechbahn“. Das sogenannte Büro Grüber – ein Kreis von Menschen unter Leitung von Pfarrer Heinrich Grüber – organisierte in erster Linie die Auswanderung evangelischer Judenchristen. Vom Herbst 1938 bis zur Verhaftung Grübers im Dezember 1940 gelang es, Tausenden das Leben zu retten. Landesbeauftragte für Thüringen war Frau Erna Schrade in Jena. Frau Dr. Anna Gehne, Jena, Angehörige der Bekennenden Gemeinde, hatte bis 1937 Kontakte zu Pfarrer Gollwitzer. Ihr Wohnhaus in Jena, Weißenbur- gerstraße 25, war nicht selten Zufluchtsort für verfolgte Geistliche, oder man kam bei ihr zusammen, um neue Pläne zu besprechen. In Vierzehnheiligen, im Haus des Pfarrers Dr. Vogl, wurden Zwangsarbeiter unterstützt. Seine Tochter Hildegard berichtete:

„Eines Tages kommt zu uns ein sehr verhungerter Sowjetfreund. Wir konnten ihm Brot geben. Plötzlich eine Frauenstimme: ‚Jetzt ist ein Russe drin, die zeig ich an.‘ Schnell mußten wir handeln. Im Wald war gleich ein Treff.“

Es wurden im dortigen Pfarrhaus auch illegal lebende Genossen versteckt; Lydia und Magnus Poser besuchten wiederholt Carl Vogl und führten anregende Dis- kussionen mit ihm. Die Gestapo interessierte sich seit Oktober 1944 für die ge- samte Familie Vogl, für Besucher und Angestellte, die sich im Haus befanden. 107

Hervorzuheben: Pfarrer Kittel (Isserstedt) versteckte u.a. geflüchtete Häftlinge aus dem KZ Buchenwald. Nach dem 20. Juli 1944 fielen etwa 160 bis 180 Menschen in Deutschland dem faschistischen Terror zum Opfer. Als überzeugter Christ ging auch Gene- ralleutnant von Hase in den Tod. Er war der Enkel des Jenaer Theologieprofes- sors Karl von Hase. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, daß von der Jenaer „Villa Hase“ aus Fäden zu Helmuth J. Graf Moltke und Werner Graf von der Schulenburg in den Kreisauer Kreis führten. Das Denkmal des Kirchenge- schichtlers Karl von Hase am Fürstengraben wurde 1944 von den Faschisten entfernt. Sie benannten auch den von-Hase-Weg um. Der Haß der Jenaer Nazi- größen richtete sich insgesamt gegen die Familie von Hase. Frau von Hase wur- de aus dem „Roten Kreuz“ entfernt. Trotz des Verbots ihrer Glaubensgemeinschaften im Jahre 1933 trafen sich die Zeugen Jehovas weiterhin zu Gottesdiensten, verteilten ihre Druckschriften und lehnten den Hitlergruß sowie den Wehrdienst ab. Dafür wurden einige von ihnen verurteilt, so Hermann Lange, Max Oertel, Otto-Edmund Miliowsky und seine Ehefrau aus Hartmannsdorf am 4. Oktober 1935. Ferner wurden Walter Sch., Frieda K., Oskar und Ella Romstedt aus Großschwabhausen am 11. De- zember 1935 vom Sondergericht Weimar zu Gefängnisstrafen verurteilt. Ein ähnliches Schicksal traf die Eisenberger Karl Heider, Frieda Kleinsteuber, Rosa Weller, Helene und Ernst Pfleger, die am 27. April 1936 ins KZ verschleppt wurden. Robert Schmidt aus Thiemendorf verstarb schon während der Untersu- chungshaft, und Johannes Rabenstein aus Hermsdorf erhielt am 20. März 1942 eine Gefängnisstrafe. Vgl. Erich Stegmann: Der Kirchenkampf in der Thüringer Evangelischen Kirche 1933–1945, Berlin 1984, S. 10, 32, 104, 108; Hildegard Vogl: Der Widerstandskampf der Familie Vogl, Bericht vom 4. August 1982, in: PA H.G.; Anna Gehne, Georg von Hase, Hermann Förtsch: OdF-Akten in: Stadtverwaltung Jena; Jenaer Zeitung, 23. September 1933; StaA Jena, B VIII, Nr. 19; ThHStA W, Register Sondergericht, Nr.25/41 [Wolfgang Stammler]; Eberhard Schulz: Die Bekennende Kirche in Jena, Manuskript, in: PA H.G.; Domine, dirige me in ver- bo tuo. „Herr, leite mich nach Deinem Wort!“ Festschrift. Berlin 1961, S. 87; Bruno Köhler: Werner Sylten, Eisenach 1978, S. 50; Eberhard Bethge: Dietrich Bonhoeffer, Berlin 1986, S. 676; Kurt Finker: Der 20. Juli 1944. Militärputsch oder Revolution, Berlin 1994, S. 280; Kurt Nowak: „Euthanasie“ und Sterilisierung im „Dritten Reich“, Halle/S. 1977, S. 111; Heimat- geschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933–1945, Band 8. Thüringen, 2003, S. 206.

Aktivitäten der kleinen katholischen Gemeinde in Jena

Im Gegensatz zur evangelischen Kirche und ihren Pfarrern war bei der großen Mehrzahl der Katholiken, besonders aber unter ihrer Priesterschaft, wenig Sym- 108 pathie für den Faschismus vorhanden. Die katholische Kirche bewertete das 1930 erschienene pseudowissenschaftliche Buch „Mythos des 20. Jahrhunderts“ von Alfred Rosenberg recht kritisch. Die von den Nazis stark propagierten Ro- senbergschen Ansichten ersetzten u.a. den Klassen- durch den Rassenbegriff. Aus dieser Art Geschichtsbetrachtung sollte ein „neues Weltbild“ und ein „neuer Menschentypus“ entstehen. Solche Gedankengänge mußten zur Auseinanderset- zung mit der offiziellen Kirchenlehre führen. Die Fuldaer Bischofskonferenz vom 30. Mai bis 1. Juni 1933 hatte den Preu- ßischen Gesetzentwurf über die freiwillige Sterilisierung abgelehnt. Die Gründe wurden ausführlich zu Protokoll gegeben. So hieß es u.a.:

„Trotz seiner vielen ‚Vorzüge‘ können wir Katholiken dem vom preußischen Landesgesundheitsrat entworfenen Sterilisierungsgesetz […] nicht zustim- men. Es müssen andere Wege gesucht werden, um unser Volk zu schützen vor der Fortpflanzung krankhafter Erbanlagen und [um] die Gefahr der Degene- ration von ihm fernzuhalten.“

Am 20. Juli 1933 wurde das Konkordat zwischen dem Deutschen Reich und dem Vatikan unterzeichnet. Es verbot den Katholiken jede politische Betätigung gegen die faschistische Diktatur. Damit hatte das Oberhaupt der Katholischen Kirche seinen Frieden mit dem Regime in Deutschland geschlossen. Doch bald kam es zwischen der Katholischen Kirche und dem NS-Staat zu größeren Aus- einandersetzungen. Darüber, wie sie in Jena ausgetragen wurden, konnte bisher nur wenig ermittelt werden. Die katholische Gemeinde in Jena unterstützte aber z.B. zu Weihnachten 1943 die illegale Durchführung einer Messe im KZ Bu- chenwald, indem sie über den in Jena tätigen Ordensgeistlichen Edmund Labon- té die erforderlichen Materialien dafür bereitstellte. Unter dem Vorwand, im La- ger würde Fleckfieber-Spezialliteratur vom Hygiene-Institut der Universität be- nötigt, ist dieses Material von Häftlingen in einem Koffer mit der Aufschrift „Hochinfektiöses Material“ eingeschmuggelt worden. Folgendes Dokument beweist auch die Zusammenarbeit Jenaer Katholiken mit der Lutherischen Bekenntnisgemeinde: „Bestätigung Das katholische Pfarramt Jena bestätigt, daß es von Frau Dr. Gehne, Wei- ßenburgerstraße 25, in den Jahren 1943–1945 mehrere tausend Mark zur Unterstützung von Notleidenden und Verfolgten, unter anderen für Insassen des Konzentrationslagers Buchenwald, empfangen hat. Jena, den 29. Oktober 1945 (Stempel) Labonté, Pfarrvikar.“

Zit. nach: Eugen Kogon: Der SS Staat, Berlin 1997, S. 346; Anna Gehne: OdF-Akte, in: Stadtverwaltung Jena. 109

Zu jüdischen Bürgern in Jena und zum Antisemitismus

Nur noch 111 jüdische Bürger lebten im Jahre 1933 in Jena – bei einer Einwoh- nerzahl von etwa 60.000 Personen in dieser Stadt. Auf jüdische Widerstandsgruppen sind wir während unserer Untersuchungen, die den Raum Jena betreffen, nicht gestoßen. Wohl aber arbeiteten Juden in be- stehenden Widerstandsgruppen mit bzw. sie sympathisierten mit den Antifaschi- sten, so z.B. Edeltraud Eberhard, Paul Großherr, Hans Kühnhold (KPD); Werner Meyerstein (SAJ). Bis 1933 gehörten 15 % aller Jenaer Geschäfte Juden oder wurden von jüdi- schen Inhabern geleitet. Im August 1938 waren noch 17 jüdische Firmen erfaßt worden, aber im Zuge der sog. Arisierung blieben bis zum 31. März 1939 nur noch drei Gewerbebetriebe übrig, die als noch nicht „entjudet“ bewertet wurden. Nach den uns vorliegenden Unterlagen wurden in der Stadt Jena 70 jüdische Bürger Opfer der sogenannten „Endlösung“. Am 30. November 1944 trafen 105 Männer im Zwangsarbeitslager Jena-Ost, Sportplatz am Jenzig, ein. Die soge- nannten „Halbjuden“ oder aus „Mischehen“ stammende Bürger wurden zum unterirdischen Stollenbau im Rahmen der Firma Schott & Gen. eingesetzt. Gegen die Nazilosung der „Jud ist schuld“ und gegen die Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben traten in Jena nur wenige Bürger auf. In den Jahren von 1933 bis 1936 brachte aber z.B. Albin Cramer drei bis fünf Emigran- ten zur Übernachtung in die Gaststätte „Zur Noll“ und verhalf ihnen zur weite- ren Flucht. Ricarda Huch und Franz Böhm distanzierten sich vom Antisemitismus und mußten sich 1937 eines Ermittlungsverfahrens wegen sogenannter Heimtücke erwehren. Franz Böhm verlor am 22. März 1938 seinen Lehrstuhl an der Jenaer Universität. Der Direktor der Universitätsbibliothek Prof. Theodor Lockemann bewies menschlichen Anstand und persönlichen Mut, als er dem Wunsch des Jüdischen Schocken-Verlages in Berlin nachkam und ihm im September 1937 die Geneh- migung zur Anfertigung einer Faksimile-Wiedergabe der im Besitz der Univer- sität befindlichen ersten Ausgabe des jüdisch-deutschen Samuel-Buches von 1543 erteilte. Der Gerichtsmediziner Ernst Giese, der Biologe Otto Renner, die Ärzte Pro- fessor Dr. Jussuf Ibrahim und Professor Dr. Johannes Zange, Dr. Anna Gehne, Pfarrer Carl Vogl und Frau Erna Schrade, die Leiterin der Thüringer Hilfsstelle des Büros Grüber, unterstützten jüdische Mitbürger. Patienten verhinderten 1944 die Verschleppung von Dr. Siegfried Griefahn in ein Zwangsarbeitslager (ZAL). Die Verschonung vor massiven Übergriffen durch die Nazis und die Verhinderung einer Verschickung in ein ZAL verdankte 110

Dr. Paul Prausnitz vom Jenaer Glaswerk dem persönlichen Einsatz von Dr. Hans Knöll und Dr. Erich Schott. Vertreter der Geschäftsleitung des Zeiss-Werkes versetzten einzelne qualifizierte jüdische Kräfte (z.B. Dr. Ing. Franz Löwen, Herbert Friedmann) in ihre Auslandsfilialen und unterstützten Ehefrauen von entlassenen Juden. Vgl. Kurt Schache: Bericht vom 12. Dezember 2002, in: PA H.G.; Volker Wahl: Ricarda Huch – Jahre in Jena, Jena 1982, S. 12ff.; Thüringer Landeszeitung, 13. August 1988 und 11. August 2004; Alma mater Jenensis, Hrsg. Siegfried Schmidt, Weimar 1983, S. 290; Willi Arnold: Mitteilung vom 9. Juni 1964 und Ausspracheprotokoll mit A. und H. Grün am 26. Januar 1987, in: PA H.G.; Anna Gehne: OdF-Akte, in: Stadtverwaltung Jena; Hildegard Vogl: Bericht vom 4. August 1982, in: PA H.G.; An der Stechbahn. Hrsg. Ev. Hilfsstelle für ehe- mals Rasseverfolgte. Berlin 1960; Siegfried Griefahn: ThStA R, VdN-Nr. 06/14; Jenaer Ar- beitskreis Judentum. Juden in Jena, Jena 1998, S. 91; BACZ J, 22 799 und 15 815; Hans Mayerböck: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/28.

Geheimbund „COTE“

Am 26. September 1938 gründete der Jenaer Student der Rechts- und Wirt- schaftswissenschaftlichen Fakultät Wolfram Brieger einen Geheimbund mit dem Namen „COTE“ (Klub des 20. Jahrhunderts) und leitete ihn bis 1943. Er umfaß- te einen Kreis überzeugter und zuverlässiger revolutionär gesinnter höherer Schüler und Studenten. Entsprechend seinem Aufruf zum gewaltsamen Sturz der nationalsozialistischen Regierungsform in Deutschland und für eine liberalde- mokratische Verfassung bestand die illegale Arbeit in der Hauptsache in politi- schen Diskussionen in kleinen Gruppen, um zur politischen Aufklärung und zur entsprechenden Zersetzung im umgebenden Bekanntenkreis beizutragen. Die Leitung bestand ferner aus: • Vizepräsident Helmut Flick, Jena; • Hauptpresse- und Propagandachef Hans-Dieter Koch, Jena. Über Mitglieder liegen keine Informationen vor. Prof. Dr. Hugo Preller, Dorn- burg, und Otto Koch, Weimar, bestätigten diese Angaben. Am 6. Februar 1943 wurde Wolfram Brieger zur Wehrmacht eingezogen. Im Panzer-Grenadier-Ersatz-Battaillon 1 in Weimar arbeitete er weiter im Sinne des Geheimbundes „COTE“, u.a. durch das Anbringen von Handzetteln. Der Gefrei- te Brieger wurde wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Wehrkraftzersetzung verhaftet und vom 4. Senat des Reichskriegsgerichtes mit Feldurteil vom 1. No- vember 1943 zu 13 Jahren Zuchthaus verurteilt. W. Brieger verbüßte die Strafe im Zuchthaus Halle, seit 16. Januar 1945 in den Konzentrationslagern Buchen- 111 wald und Flossenburg. Er wurde dort von den Alliierten befreit und war bis 15. August 1945 als Apotheker im Krankenblock des KZs Buchenwald tätig. Vgl. Wolfram Brieger: OdF-Akte, in: Stadtverwaltung Jena.

Bund technischer Angestellter und Beamter (ButAB)

Dieser in Jena existierenden Gruppe gehörte Ing. Fritz Bornschein, Konstrukteur bei Carl Zeiss Jena, an. Vermutlich können auch die Männer um Franz Ziegler diesem Bund zuge- ordnet werden. Der Schneidermeister Rudolf Horn, Jena, Heydenstraße 3, schrieb:

„Aus meiner Einstellung gegen Nazis und Krieg ergaben sich illegale Zu- sammenkünfte mit Gleichgesinnten, insbesondere mit: • Rundfunkhändler Franz Ziegler, Neugasse, • Architekt Otto Weißbarth, Jena-Ammerbach, bis zu seiner Verhaftung am 16. Oktober 1944, • Zeiss-Angestellter Kochalski, Sophienstr. 43, • Zeiss-Kontrolleur Paul Wildner, Pestalozzistraße 44. Der ältere Genosse Ziegler lieferte Funknachrichten, welche von Kochalski in seinem damaligen ‚Büro‘ (unterirdischer Raum des späteren Geschäftes Möbelräuber, Grietgasse) vervielfältigt wurden, und von mir und dem leider verstorbenen Paul Wildner (KPD) teils in Briefkästen, insbesondere an be- kannte Feldurlauber, verteilt wurden.“

Otto Weißbarth ergänzte:

„Seit Kriegsbeginn hörten wir ‚Schwarz‘- und Auslandssender und verbreite- ten die Nachrichten. In der Straßenbahn und bei jeder anderen Gelegenheit auf dem Bau verurteilte ich die Maßnahmen der Nazis.“ Vgl. Vgl. Fritz Bornschein, Jena-Lobeda: OdF-Akte, in: Stadtverwaltung Jena. Rudolf Horn, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/51; Otto Weißbarth, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/44.

Zum Runden Tisch von Ricarda Huch

Die Schriftstellerin Ricarda Huch lernte am 17. Januar 1938 den Pfarrer Hel- muth Gollwitzer kennen, der auf sie großen Eindruck machte. Infolge des nun 112 zwischen beiden einsetzenden Briefverkehrs war sie über den Weg der Beken- nenden Kirche gut informiert. Im Jahre 1940 hörte Ricarda Huch Helmuth Gollwitzer in Jena predigen und führte mit ihm Gespräche über gegenseitig in- teressierende Fragen (Prozeß gegen Martin Niemöller/Una-Sancta-Bewegung u.a.) Die Schriftstellerin übernahm 1939 mietweise das Hermbergsche Haus in Je- na. Durch ihre Korrespondenz mit dem in die USA ausgewanderten Jenaer Pro- fessor Paul Hermberg (SPD) übermittelte sie wichtige Nachrichten aus dem Ausland an linke sozialdemokratische Widerstandskreise in Gera. Von Gera und Jena waren über Hermberg wichtige konspirative Verbindungen zu Prof. Adolf Reichwein (SPD) nach Berlin gegangen. Kontaktperson in Jena war u.a. die e- hemalige Studienrätin Grete Sorsche (SPD). Im November 1939 bildete Ricard Huch einen „Runden Tisch“. Etwa 12 Je- naer Professoren mit ihren Ehefrauen tauschten hier ihre Gedanken zu aktuellen Fragen der Politik aus.

„Sicher ist, daß dazu der Altphilologe Prof. Dr. Friedrich Zucker, die Wirt- schaftswissenschaftler Prof. Dr. Ernst Pape (gestorben am 27. Januar 1945), Prof. Dr. Erich Preiser (seit 1. November 1938 in Jena) und Prof. Dr. Gu- tenberg (Nachfolger von Pape seit 1. September 1940), die Juristen Prof. Dr. Heinrich Gerland (gestorben am 28. Dezember 1944) und Prof. Dr. Her- mann Schultze von Lasaulx (am 1. November 1941 nach Breslau verzogen, aber seit 8. März 1945 wieder in Jena) gehörten. Weitere Teilnehmer am Runden Tisch waren der Theologe Prof. Dr. Waldemar Machholz und der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Franz Jerusalem. Da zum engeren Freun- deskreis Ricarda Huchs auch der Theologe Prof. Dr. Gerhard von Rad und der Direktor der Universitätsbibliothek Prof. Dr. Theodor Lockemann (ge- storben am 8. Februar 1945) zählten, ist auch mit ihrer Anwesenheit bei den wöchentlichen Treffen am ‚Runden Tisch‘ zu rechnen. […] Die Zusammen- künfte fanden zunächst im Cafe Puhlvers am Holzmarkt und dann in den be- kannten Weinstuben ‚Göhre‘ am Markt statt. Im Sommer 1940 traf man sich vorübergehend auch in der Gaststätte ‚Paradies‘ auf der Rasenmühleninsel an der Saale.“

Die Professoren Gerhard von Rad und Franz Böhm trafen sich gelegentlich bei Ernst Wolf in Halle zu Wochenendgesprächen mit ausländischen Amtsbrüdern. Im Advent 1942 traf dort Gerhard von Rad den Jugendfreund und Theologie- Kollegen Dr. Dietrich Bonhoeffer. Besprochen wurde was „danach“ zu gesche- hen habe, denn ein schnelles Ende der Hitlerära sollte weder Kirche noch Uni- versität unvorbereitet treffen. In der oppositionellen Gruppe von Wirtschaftswissenschaftlern in Freiburg arbeiteten der Schwiegersohn Ricarda Huchs, Franz Böhm, und 1940 sowie von 113

1943 bis 1944 die Professoren Erich Gutenberg und Erich Preiser. Sie trafen sich in den offiziell arbeitenden Ausschüssen der Gruppe Wirtschaftswissen- schaft der Akademie für Deutsches Recht. Die Gruppe hatte sich die Aufgabe gestellt, geistige Vorarbeiten zu leisten, damit nach dem Sturz des Nationalso- zialismus mit einer neuen deutschen Währungs-, Wirtschafts-, und Sozialpolitik begonnen werden konnte. Es waren die beiden Wissenschaftler der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, die während der Zeit des Faschismus, so Willi Arnold in seinen Aufzeichnungen,

„ihre Studenten auch zum Studium der marxistischen Ökonomie anregten und auf die Notwendigkeit eines gründlichen Studiums vor allem des ‚Kapi- tals‘ von Karl Marx hinwiesen. Mit ihnen hatte ich beim Kaffeetrinken im ‚Kaffee Prag‘ oft Diskussionen über Marx und den Frontverlauf. Ende 1944 fragte mich Preiser: ‚Sind sie der Meinung, daß wir den Krieg gewinnen werden?‘ Die Studentin Eva Fischer verteilte Flugblätter unter den Studen- ten und Soldaten.“

Von dem Teilnehmerkreis am „Runden Tisch“ ging trotz der stetigen kritischen und zum Teil ablehnenden Einstellung zum Faschismus kein aktiver Widerstand aus. Vgl. Maria Baum: Leuchtende Spur. Das Leben Ricarda Huchs, Tübingen und Stuttgart 1950, S. 387f., 401; Prof. Dr. Günter Wirth: Ricarda Huch, in: Der Antifaschistische Widerstands- kämpfer, Nr. 12/1987, Berlin; Volker Wahl: Ricarda Huch – Jahre in Jena, Jena 1982, S. 20ff.; Günter Gerstmann: „Ich habe die Deutschen sehr geliebt …“ [Betr. Ricarda Huch], in: Thüringer Landeszeitung, 11. August 2004; Eberhard Bethge: Bonhoeffer, Berlin 1986, S. 788; Eberhard Bethge: Begegnungen mit Dietrich Bonhoeffer, München 1964, S. 115f. und 141; Christine Blumenberg-Lampe: Das wirtschaftliche Programm des „Freiburger Kreises“. Berlin 1973; Willi Arnold: Kurzbiographie und Gespräch von A. und H. Grün mit Willi Ar- nold am 26. Januar 1989, in: PA H.G.

Aktivitäten von Widerstandskämpfern gegen den totalen Krieg

Als Antwort auf den von Goebbels proklamierten totalen Krieg führten am 11. September 1943 Mitglieder der KPD-Unterbezirksleitung Jena mit Theo Neu- bauer eine Beratung im Grundstück des Zeiss-Arbeiters Heinrich Prengel (KPD) im Münchenrodaer Grund durch. Neubauer analysierte die neue Lage nach der Niederlage der Hitlerokkupanten bei Stalingrad, hob die Bedeutung der Grün- dung des Nationalkomitees „Freies Deutschland“ (NKFD) im Juli 1943 hervor und erläuterte das Manifest des NKFD „An die Wehrmacht und an das deutsche Volk“. Es gipfelte in der Forderung: „Weg mit Hitler und seinem Krieg!“ Aus- 114 führlich begründete Neubauer die Notwendigkeit, breiteste Schichten der Be- völkerung in den aktiven antifaschistischen Widerstandskampf einzubeziehen. Teilnehmer der Beratung waren: Theodor Neubauer, Magnus Poser, Paul Krahn, Rudi Wehner, Willi Arnold, Paul Brendel, Helmut Schmidt, Fritz Wolf (Suhl) und Änne Rambusch, die in einem Nebenraum saß und die Zusammenkunft ver- folgen konnte. Sektiererische Auffassungen, die den Bemühungen zur Schaffung einer brei- ten antifaschistischen Widerstandsfront im Wege standen, wurden u.a. durch das Studium, vor allem des Materials „Bericht zur Lage“, durch das Abhören des „Deutschen Volkssenders“ und des Senders des NKFD eingedämmt. Vgl. Willi Arnold: Kurzbiographie und Manuskript vom 21. April 1960, in: PA H.G.

Seit Sommer 1943 besprach Theo Neubauer mit KPD-Genossen in Leipzig und Berlin Probleme der illegalen Arbeit, vor allem die in dieser Zeit oft diskutierte Frage „Was kommt nach dem Sturz Hitlers?“ In wesentlichen Fragen ergab sich eine völlige Übereinstimmung, die im Dokument „Wir Kommunisten und das Nationalkomitee Freies Deutschland“ vom Mai 1944 ihren Niederschlag fand. Zugleich wurde eine Landesleitung gebildet. Ihr gehörten Franz Jacob, Theodor Neubauer, Anton Saefkow, Georg Schumann, Martin Schwantes und seit Januar 1944 Bernhard Bästlein an. In der Jenaer Unterbezirksleitung lehnte Paul Jährling die zentralisierte Tä- tigkeit ab und wurde deshalb von der weiteren Mitarbeit ausgeschlossen. Vgl. SAPMO-BArch, NJ 1563; Gertrud Glondajewski/Heinz Schumann: Die Neubauer- Poser-Gruppe, Berlin 1957, S. 69; Annemarie Anweiler: Über meine Tätigkeit als Kurier der illegalen Bezirksleitung der KPD/Thüringen in den Jahren 1943/44, August 1977, in: BACZ J–T; Paul Jährling: Brief vom 11. Dezember 1971; Gesprächsprotokolle von Anneliese und Heinz Grün mit Willi Arnold am 9. Januar 1986 und mit Paul Krahn am 28. Mai 1986, in: PA H.G.

In der Jenaer Leitungssitzung der Unterbezirksleitung der KPD im November 1943 wurde beschlossen, zur Verbreiterung der antifaschistischen Arbeit die Verbindung zu Intellektuellen an der Universität Jena, zu Kreisen der Ärzte und der Lehrerschaft sowie zu antifaschistischen Kräften in der Landbevölkerung systematisch auszubauen. Auch fortschrittliche Geistliche sollten stärker einbe- zogen werden. Hierbei waren die seit September 1943 auf Dünndruckpapier ge- fertigten Flugblätter eine wertvolle Hilfe. Vgl. Rudi Wehner: Bericht, Abschrift in: PA H.G.

Von kommunistischen Antifaschisten gab es relativ feste Verbindungen zu fol- genden Ärzten: 115

Dr. Otto Schulze, Praktischer Arzt, Jena, Inselplatz 11. Er unterstützte den antifaschistischen Kampf besonders durch:

- Bestätigungen der Arbeitsunfähigkeit für Genossen, die aus bestimmten Gründen eine Zeitlang der Arbeit fernbleiben mußten; - ärztliche Betreuung von Zwangsarbeitern und Abgabe von Medikamenten an sowjetische Kriegsgefangene; - las Flugblätter der KPD Thüringens, gab sie an einige Freunde und Be- rufskollegen weiter und diskutierte mit Magnus Poser und Willi Arnold über deren Inhalt; - hörte den Sender „Freies Deutschland“ und solidarisierte sich mit den Forderungen des NKFD; - übermittelte auch Gelder an die UBL Jena, die er vermutlich von seiner Schwiegermutter, Margarete Unrein, erhielt. Sie verwaltete den Nachlaß der Jenaer jüdischen Familie Rosenthal entsprechend einer persönlichen Absprache zwischen Clara Rosenthal und ihr.

In der Wohnung des Armeniers Dr. Arsak Megriam, Arzt und Heilpraktiker, Je- na, Sophienstraße 48,

- fanden Zusammenkünfte und eine Art Schulungen statt, an denen er auch selbst teilnahm. So wurden bei ihm u.a. Abschnitte aus Lenins Schriften gelesen und besprochen.

Der Arzt Dr. Hartmann, Jena, Camsdorfer Ufer,

- hatte einen Kreis von Medizin-Studenten um sich geschart und berichtete 1943/44, wie Flugblätter von diesen Kreisen eingeschätzt wurden. Ma- gnus Poser hatte einen guten Kontakt zu ihm. Dies galt auch für das Ver- hältnis von M. Poser zum

Mediziner Dr. Krütze, Jena, Saalbahnhofstraße. Dieser war vor 1933 Ausbil- dungsarzt beim Arbeiter-Samariter-Bund in Jena, dann aber Mitglied der NSDAP geworden. Eine relativ gute Verbindung bestand zu Professor Jussuf Ibrahim, Direktor der Kinderklinik in Jena. Seine Sprechstunden wurden für gegenseitige Informa- tionen genutzt. Es fanden Erörterungen über Maßnahmen der Hitlerfaschisten auf dem Gebiet des Gesundheitswesens, über den Terror gegen jüdische Bürger, über die politische und militärische Lage sowie über den Aufruf und Sendungen des NKFD statt. Bei Gefahr holte Professor Ibrahim die Jüdin Erna Schrade und ihren Sohn in seine Klinik. Auch jüdische Patienten und Kinder ehemaliger be- kannter Sozialdemokraten wurden von ihm ärztlich versorgt. 116

Professor Dr. Johannes Zange, Direktor der Hals-Nasen-Ohren-Klinik, hat, seinem ärztlichen Gewissen folgend, Juden, KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter, trotz der damit verbundenen Gefahren, wie alle anderen Patienten behandelt. Vgl. Willi Arnold: Mitteilung vom 9. Juni 1964 und Gesprächsprotokoll mit Anneliese und Heinz Grün vom 26. Januar 1987, in: PA H.G.; StaA J, D VII, Nr. 42; Gesprächsprotokoll von Pfarrer Schröter mit Dr. Rolf Schrade vom 25. April 1988; Frageprotokoll von Hildegard Patzer mit Lydia Poser vom Mai 1976, in: PA H.G.; FSU J–A, 94 J 94, S. 180.

Kontakte und Verbindungen bestanden von kommunistischen Antifaschisten zu Lehrern und humanistischen Wissenschaftlern, so zum

• Sprachwissenschaftler Dr. Gustav Kirchner. Wegen seiner antifaschistischen Einstellung von der Friedrich-Schiller-Universität verwiesen, war er an- schließend als Sprachlehrer am Lyzeum in Jena tätig. Die Antifaschisten Al- bert Bauer und Willi Arnold stellten die Verbindung zu ihm her. Dr. Kirchner gab Russisch-Unterricht für Antifaschisten, übersetzte den „Brief an die kriegsgefangenen Rotarmisten, Ostarbeiter und Ostarbeiterinnen“ in die rus- sische Sprache, war Hörer der Sender „Freies Deutschland“ und Radio Mos- kau und nahm seit August 1944 am entsprechenden Abhördienst teil. • Zu Dr. Renate Riemeck und Dr. Ingeborg Meinhoff knüpfte Lotte Wieczorek Pfingsten 1944 Kontakte auf der Schmücke im Thüringer Wald. Es kam in Jena des öfteren zu Treffen und Diskussionen von Antifaschisten mit bürger- lichen Demokraten bzw. Antifaschisten über die Kriegslage, über das sich abzeichnende Ende der Hitlerdiktatur, über die Notwendigkeit gemeinsamer Positionen sowie zum Gedankenaustausch über die ihnen übermittelten mar- xistischen Literatur. So hörte z.B. Renate Riemeck bei Dr. Meinhoff BBC- Nachrichten und Rundfunkkommentare des Schweizer Historikers von Salis. Beide Frauen führten offene Gespräche über die aktuelle politische Situation und über die weitere Zukunft mit dem Buchhändler Albert Steen, mit dem Direktor der Volkshochschule Ernst Merkel und mit dem Dozenten Dr. Her- mann Mau. • Hervorzuheben ist vor allem, daß Rudi Wehner und Dr. Renate Riemeck am 12. April 1945 die weiße Fahne auf dem Jenaer Zeiss-Hochhaus hißten. • Paul Krahn hielt die Verbindung zu Dr. Stöbe aufrecht. • Zum Pädagogen Dr. Adolf Reichwein, Berlin, dem Angehörigen des Krei- sauer Kreises, ihrem ehemaligen Volkshochschullehrer, hatten vor allem Gerhard Sauthoff und Walter Schmidt relativ enge Verbindungen. Sauthoff schrieb:

„Wertvoll waren die Auskünfte, die ich durch Adolf Reichwein erlangte, der als international bekannter Intellektueller viele Beziehungen hatte. Mit sol- 117

chen Kenntnissen konnten wir in unserer Umwelt, unter ahnungslosen Mit- läufern und eingeschüchterten Menschen gezielte Zersetzungsarbeit leisten. Mir war es beispielsweise gelungen, einige junge Menschen davon abzuhal- ten, sich zur NSDAP oder zum Kriegsdienst zu melden.“

• Rudi Wehner unterhielt zu seinen fortschrittlichen Lehrern Hans Taubert, Dr. Karl Schrader, Dr. Karl Theil und Frau Grete Sorsche gute Kontakte. • Annemarie Anweiler pflegte ihre gemeinsamen Verbindungen aus der Tätig- keit in der SAJ mit Professor Franz Böhm, auch mit der Schriftstellerin Ri- carda Huch, mit Mathilde Jeß, Buchhändler Albert Steen, zur Familie des Pfarrers Langner, zu den Geschwistern Meitmann, zu Dr. Renate Riemeck und Dr. Ingeborg Meinhoff. • Die Nazis hatten schon am 1. September 1934 Studienrat Dr. Rudolf Hübel von der Realschule Lobenstein entfernt. Der Demokrat lehnte jede Einmi- schung der NSDAP in schulische Dinge ab. Vom August 1938 bis zum Au- gust 1941 war er als Leiter der Privatschule Landmann in Stadtroda tätig und leistete vom 1. Januar 1942 bis zum 30. Juni 1945 sogenannte Kriegshilfe an der Oberrealschule für Jungen in Jena. Da er es ablehnte, den Umgang mit Ausländern aufzugeben, erhielt er zwei Verwarnungen durch die Gestapo. Für seine Tätigkeit zugunsten französischer Zwangsarbeiter erhielt Dr. R. Hübel später Dankesbriefe vom französischen Delegierten des Lagers 8 in Jena, Monsieur Acheray, und der französischen Delegierten vom Lager 9 in Jena, Madame Flamant, beide aus Paris. • Im Herbst 1943 suchte der Theologe Professor Wolfgang Meyer-Erlach den Antifaschisten Paul Krahn auf und bot seine Mitarbeit an. Magnus Poser be- auftragte Krahn, eine lose Verbindung aufrecht zu halten. Als die Antifaschi- sten jedoch feststellten, daß Meyer-Erlach bei der SS und der SA predigte, wurde die Verbindung aus Sicherheitsgründen abgebrochen. Immerhin hat Meyer-Erlach kurz vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen im April 1945 in Jena einen zum Kampfeinsatz fahrenden Lkw mit Hitlerjungen an- gehalten und die Jugendlichen wieder nach Hause geschickt. Vgl. Gesprächsprotokoll Anneliese und Heinz Grün mit Willi Arnold am 26. Januar 1987; Willi Arnold: Kurzbiographie, in: PA H.G.; Charlotte Wieczorek: Bericht, im: BACZ J–T; Renate Riemeck: Ich bin ein Mensch für mich, Stuttgart 1992, S. 65, 79f. und 91; Gesprächs- protokoll Anneliese und Heinz Grün mit Paul Krahn am 24. Oktober 1981, in: PA H.G.; Kampf um Deutschland, Hrsg. Hans Oley/J. Hellwig, Berlin 1968, S. 121; Ruth Bahmann: Magnus Poser. Jena 1981, S. 61; Gerhard Sauthoff: Handgeschriebener Bericht, im BACZ J– T; Dr. Rudolf Hübel: OdF-Akte, in: Stadtverwaltung Jena.

Beispiele antifaschistischer Hilfsbereitschaft gab es auch unter Bauern, Hand- werkern und Geschäftsleuten. Bekannt geworden sind in diesem Zusammenhang die Namen des Lebensmittelhändlers Hohmann, der Zigarrenhändler Eberhard 118

Lenz und Wilhelm Richter, des Schneidermeisters Horn sowie des Leiters der Jenaer Allgemeinen Ortskrankenkasse, Rudolf Koch. Sicher ist diese Aufzäh- lung unvollständig. Vgl. Walter Konopatzki und Heinrich Wostrak: Bericht, Abschrift in: PA H.G.; Rudolf Horn, Walter Schmidt, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/51 und 06/38; Erinnerungen von Willi Arnold, in: SAPMO-BArch, EA 0021; Lydia Poser: Bericht, in: BACZ J–T.

Rudi Wehner erinnerte sich später:

„In den Jahren 1943–1945 hatten wir beschlossen, im verstärkten Maße die Zersetzung der faschistischen Militärkraft zu organisieren und unseren eige- nen Kader zu bewaffnen.“

Im Jenaer Glaswerk drosselte Walter Kutta mit Unterstützung sowjetischer Kriegsgefangener die Produktion von Schmelzöfen und damit einen Teil kriegswichtiger Produkte. Am 11. März 1943 versuchten Antifaschisten in Hermsdorf, die Kraftanlage der Hescho zu sprengen. Die Gestapo entdeckte die Aktion. 24 sowjetische und acht deutsche Arbeiter wurden verhaftet. Paul Krahn hatte Kontakte zu einem Lager kriegsgefangener sowjetischer Offiziere in der Nähe des Güterbahnhofs beim Jenaer Saalbahnhof. Gemeinsam gelang es, Schmierbüchsen der Güterwagen mit Quarz-Korund und Stahlspänen zu füllen und so Transporte von Soldaten und Kriegsmaterial zu verzögern. P. Krahn verschickte auch relativ viel aufklärerisches Material an Feldpost- Adressen, stellte Verbindungen mit Urlaubern her und suchte Angehörige von Gefallenen auf. Auch zu einer Reihe von zum Militär eingezogenen Genossen in den Jenaer Kasernen nahm er Verbindungen auf. Im Rahmen des NKFD waren tätig: Julius Schaxel in der UdSSR, Hermann Scheler, Karl Bräuning, Heinz Rolskoven in Frankreich, Werner Gittel (Eisen- berg) in Holland, Helmut Hensel in England, Max Langheinrich und Hans Rich- ter in Dänemark, Hermann und Selma Dietz in Norwegen, Otto Wieland in Griechenland, ferner Kurt Zier, Fritz Kalisch, Willy Hartmann, Viktor Smyrek, Willi Ruskiwiecz, Manfred Klotz, Hermann Frey, Heinz Sondhaus und Studien- rat Dr. Trapp. Im Rahmen solcher Aktivitäten sind Antifaschisten der Stadt und des Land- kreises Jena verhaftet, verurteilt oder hingerichtet worden: 23 Wehrmachtsangehörige kamen wegen Wehrkraftzersetzung bzw. Fahnen- flucht vor ein Kriegsgericht und noch Anfang 1945 wurden neun Bürger, darun- ter vier Zwangsarbeiter, erhängt oder erschossen. Vgl. Rudi Wehner: Bericht, in: PA H.G.; Artur Große: Erklärung zu Walter Kutta, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/15; Werner Stiehler: Unser Werk, Gotha 1983, S. 32; Paul Krahn: Lebenslauf, in: BACZ J–T; Kurt Zier, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/46; Stefan Blöth/Heinz Grün: Vorbilder 119 im Kampf um den Frieden, Berlin 1983, S. 45ff., 52f.; Viktor Smyrek: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/36; Willi Ruskiwiecz: Bericht, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/35; E. Meitzner: Be- richt über Manfred Klotz, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/55; Kurt Töpfer: Berichte über Hermann Frey und Studienrat Dr. Trapp, in: PA H.G.; Josef Wanzek: Bericht über Heinz Sondhaus, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/42.

Willi Arnold legte später dar:

„Im Frühjahr 1944 entwickelte Magnus Poser in der Wohnung von Hermann Müller den Plan für einen bewaffneten Aufstand. Hauptinhalt war: Alle Waf- fen gegen Hitler. Dazu Kontakte mit sowjetischen Kriegsgefangenen aufneh- men und fordern, bewaffnete Widerstandsgruppen zu bilden. Lager für Ver- pflegung, Waffen und Munition anlegen. Waffen und neue Informationsquel- len erschließen. Genossen gewinnen, die sich der militärischen Ausbildung widmen.“

Im Tautenburger Forst bei Löberschütz fand im Juni 1944 ein Treff von über 100 vorwiegend sowjetischen Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen statt. Die Teilnehmer tauschten Erfahrungen aus und besprachen ihren Beitrag im Kampf gegen den Faschismus. Anerkennend nahmen sie Stellung zu dem im Juni/Juli 1944 in Jenaer Betrieben, in Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiterlagern ver- teilten „Brief an die kriegsgefangenen Rotarmisten, Ostarbeiter und Ostarbeite- rinnen“. In einem Antwortschreiben und in persönlichen Gesprächen bekunde- ten sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter ihre Solidarität und teilten die Gewißheit des Sieges über den Faschismus. Rudi Wehner hatte Verbindung zu einer Gruppe unter Leitung von Walter Feuerstein in der Eisenacher Kaserne. Von hier brachten Kuriere Waffen und Munition zu Hans Näder nach Jena-Ost, der sie verwahrte. Weitere Waffenver- stecke befanden sich im Haus von Walter Feuerstein und im Gartengrundstück von Edmund Adam. Walter Konopatzki errichtete bis Juni 1944 in der ehemaligen Gummifabrik „Sachsland“ in Gniebsdorf/Bürgel ein illegales Quartier für 15 bis 20 Personen und legte Depots für Lebensmittel, Kleidungsstücke, Medikamente und Hand- feuerwaffen an. Anfang 1945 befand sich ein weiteres Waffenlager auf dem Gartengrund- stück von Dr. Kirchner unterhalb des Fuchsturms. Im Winter 1944/45 wurde mit der Schießausbildung begonnen. Vgl. Willi Arnold: Geschichte des illegalen Flugblattes, Frühjahr 1985 sowie: Willi Arnold: Diskussionsbeitrag am 27. Januar 1987, in: PA H.G.; Rudi Wehner: Bericht, Karl Rambusch: Bericht vom 27. Januar 1975, Schreiben von Hans Näder an Hermann Müller vom 6. Januar 1976, in: PA H.G.; Helmut Schmidt: Bericht, in: BACZ J–T; Edmund Adam: VdN-Akte, in: ThStA R, VdN-Nr. 06/1; Gertrud Glondajewski/Heinz Schumann: Die Neubauer-Poser- 120

Gruppe, Berlin 1957, S. 57f.; Paul Krahn, Walter Konopatzki und Charlotte Wieczorek: Be- richte, in: PA H.G; Auguste Wehner: Berichte vom Februar 1960 und 6. Dezember 1965, in: BACZ J–T.; Ruth Bahmann: Magnus Poser, Lebensbild eines Kommunisten. Gera 1981, S. 72f, 83f.

Seit Ende 1943 wurde die Frage „Was kommt nach dem Sturz Hitlers?“ zu einer Schlüsselfrage im antifaschistischen Kampf, bei der Gewinnung neuer Streiter für die Beendigung des Krieges und für eine demokratische Nachkriegsordnung. Auch bürgerliche Kreise beschäftigten sich so oder ähnlich mit der Zukunft Deutschlands. Aus dem Pfarrhaus in Vierzehnheiligen berichtete Hildegard Vogl:

„Frau von Schwarzkoppen bereitete einen Besuch von General Witzleben [im Pfarrhaus] vor. Er entwickelte die Pläne zum Attentat auf Hitler und wollte nun wissen, ob es gelingen kann. Der Pfarrer verneinte. ‚So ein Al- leingang kann nicht gut ausgehen. Sie wollen bloß Hitler beseitigen und Wei- terarbeit mit dem Kapital. Wenn auch alles schimpft, das ändert nichts. Nur eine revolutionäre Arbeiterschaft ist in der Lage, eine wirkliche Änderung herbeizuführen. Mit Hilfe der Sowjetunion werden wir es diesmal erreichen. Es geht anders als 1914!‘“

Friedrich Bernt, der Freund von Adolf Reichwein, schrieb später:

„Der Wunsch nach einer Verbindung der verschiedenen Aktionskreise wurde im April 1944 fast zu gleicher Zeit von Reichweins Umkreis als auch von dem unsrigen an mich gerichtet, in Jena, wo ich zufällig weilte, von Magnus Po- ser. […] Zu erwähnen hätte ich noch, daß Adolf Reichwein den Inhalt aller drei Schriften5 genau kannte und sie als ausreichend ansah, zu einem Gedan- kenaustausch zu kommen. Voll zustimmend war er nicht, ich denke da beson- ders an die Frage: Auslösung von Massenaktionen. Auf Grundlage dieser drei Materialien hielten es also Reichwein und Leber für möglich, mit der Landesleitung der KPD in Verbindung zu treten.“

Am 22. Juni 1944 kam es in Berlin zu den vereinbarten Gesprächen zwischen Franz Jacob und Anton Saefkow sowie den Sozialdemokraten Julius Leber und Adolf Reichwein. Die Verhandlungen betrafen das politische System im künfti- gen Deutschland, die Gewerkschaftsfrage, die Bodenfrage und die Frage der Na-

5 Es ist anzunehmen, daß es sich dabei um die Flugblätter „Hitlers Krieg ist verloren – Nur Kindsköpfe träumen noch vom Sieg!“ (September 1943), „Ihr wißt, daß Hitler seinen Krieg verloren hat!“ (Januar 1944) sowie um den „Bericht zur Lage“ (Oktober 1943) han- delte. [H.G.] 121 tionalisierung der Industrie. Sie verliefen zur beiderseitigen Zufriedenheit. Doch zu dem vereinbarten Treffen am 4. Juli 1944 kam es nicht mehr. Vgl. Hildegard Vogl: Bericht vom 4. August 1982, in: PA H.G.; StaA J, Xa, Nr. 6; Walter Schmidt: Bericht vom 1. Dezember 1976, in: BACZ J–T; Heinz Grün: Gesprächsprotokoll mit Walter Schmidt am 20. Januar 1986, in: PA H.G.; Friedrich Bernt: Zum Gedenken Adolf Reichweins am 1. April 1946, in. StaA J, Xa, Nr. 5.

Am 14. Juli 1944 ist die illegale Tätigkeit in Jena jäh unterbrochen worden. Ma- gnus Poser wurde in Jena, Theo Neubauer in Tabarz verhaftet. Poser wurde bei seiner Flucht aus dem Weimarer Gestapogefängnis angeschossen und verstarb am 22. April 1944 im KZ Buchenwald, Theodor Neubauer wurde am 5. Februar 1945 im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet. Magnus Poser erklärte Hanna Henniger kurz vor seiner Verhaftung im Juli 1944, daß es im Kreis ca. 500 Antifaschisten gebe. Die Thüringer Parteiorganisation blieb zwar von einer großen Verhaftungs- welle verschont, aber die beiden führenden Genossen, die alle Fäden in der Hand hatten, waren nicht mehr da. Die inzwischen erfolgten Einberufungen zur Wehrmacht, zum Volkssturm und zur Heimatflak unterbrachen bewährte Ver- bindungen. Mühevolle, komplizierte, sehr umsichtige Kleinarbeit war erforder- lich, um neue Kontakte zu knüpfen, zum Teil auch zu ausländischen Freunden. Durch die am 22. August 1944 einsetzenden Verhaftungen im Rahmen der so- genannten Gewitter-Aktion wurde die Arbeit zunächst lahmgelegt. 55 Funktio- näre der SPD, der KPD und andere Antifaschisten wurden gemäß der seit 1935 angelegten A-Kartei der Gestapo im KZ Buchenwald, des Amtsgerichts Jena und des Landgerichts Gera isoliert. Der Sozialdemokrat Karl Nicolai legte dar:

„Als im August 1944 etwa 800 Funktionäre, zumeist ehemalige Abgeordnete und Gemeindevertreter der KPD und SPD (aus Thüringen), im KZ Buchen- wald ungewollt ein Wiedersehen ‚feierten‘, sah man manches hoffnungslose Gesicht. Etliche alte Genossen hatten offenbar den Glauben an die Kraft der Arbeiterklasse verloren und waren deshalb müde geworden. Aber die meisten begriffen schmerzlich, aber deutlich, daß sie anders als zuvor an der Zer- schlagung des Faschismus mitwirken müssen, um die Kräfte für ein neues Deutschland zu mobilisieren. Wir zogen aus dieser Erkenntnis die richtigen Schlußfolgerungen und haben nach 1945 von Anfang an die Aufgaben ge- meinsam angepackt.“ Karl Nicolai, zit. nach: Wir schmieden die Einheit, Gera 1961, S. 86; A. und H. Grün: Ge- sprächsprotokoll mit Hanna Henniger am 22. Januar 1981, in: PA H.G.; Kurt Finker: Der 20. Juli 1944, Berlin 1994. S. 200; Zitat von Karl Nicolai, in: Wir schmieden die Einheit, Gera 1961, S. 86. 122

Durch die „totale Mobilisierung“ aller Reserven wollte das Hitler-Regime die enormen Verluste an den Fronten ausgleichen. Der Kriegsmüdigkeit und der zu- nehmenden Zahl von Andersdenkenden trat der voll der SS unterstellte Terror- apparat mit unnachsichtlicher Härte entgegen. Verantwortlich für die illegale Leitungsarbeit im Jenaer Raum waren jetzt Rudi Wehner, Willi Arnold, Paul Krahn (damals nicht in Jena) und Annemarie Anweiler. Die erste Zusammenkunft der KPD-Unterbezirksleitung im Septem- ber 1944 fand im Südviertel statt. Nach der Analyse der neu entstandenen Lage wurden folgende Schwerpunkte festgelegt:

• Den Widerstandskampf in den Betrieben mit dem Ziel weiterführen, die Rü- stungsproduktion zu lähmen, die Terrorherrschaft der Nazibonzen und der Gestapo zu bekämpfen und möglichst zu vernichten, die Einberufungen zur Wehrmacht und zum Volkssturm sabotieren, den bewaffneten Kampf gegen das Hitler-Regime und den Schutz lebenswichtiger Einrichtungen organisie- ren. • Die Zusammenarbeit mit ausländischen Zwangsarbeitern und Kriegsgefan- genen wirkungsvoller gestalten sowie breiteste Bevölkerungsschichten in den Kampf einbeziehen. • Der Arbeit unter den Soldaten der Wehrmacht und unter dem Volkssturm sowie der Vorbereitung von bewaffneten Auseinandersetzungen mit den Hit- lerfaschisten größere Bedeutung beimessen. • Unter diesen Aspekten die Agitations- und Propaganda-Arbeit gestalten und wichtige Aktionen koordinieren.

Im Ergebnis dieser Beratung wurde ein Abhördienst für den „Deutschen Volks- sender“ und für den Sender „Freies Deutschland“ organisiert. Hierin waren Karl Grundig, Hermann Müller, Hans Näder und Rolf Reitmeier einbezogen. Dr. Kirchner konzentrierte sich auf Sendungen des NKFD und des Moskauer Sen- ders in russischer Sprache, Lehrer Taubert widmete sich besonders den Sendun- gen für Ärzte und Lehrer. Vgl. Annemarie Anweiler: Bericht, in: BACZ J–T; Annemarie Anweiler: Bericht, in: PA H.G.; Willi Arnold: Erinnerungen, in: SAPMO-BArch, EA 0021.

Charlotte Wieczorek schrieb später:

„Ende 1944 machten sich durch die Einbeziehung verschiedener Genossen und durch das Hinzukommen neuer Genossen (eine Reihe Sozialdemokraten hatte ohne bisherige organisierte Bindung den Kampf gegen Hitler aufge- nommen) Umgruppierungen nötig. Danach nahm ich auch an Zusammen- künften einer anderen Gruppe teil, welche in den Wohnungen der Genossen 123

Probsthain und Otto Lang zusammenkamen. Hier legten wir bereits einige Aufgaben fest, die beim Herannahen der Amerikaner, die Thüringen besetz- ten, akut wurden.“

Auf Initiative von Kurt Adam entstand im Schottviertel eine aktive Gruppe: Lei- ter war Hermann Eisenmann, Stellvertreter Alfred Hoffmann. Zur Gruppe ge- hörten ferner Herta Schammer, Herta Barthel und Hedwig Eisenmann. Gerhard Sauthoff bildete in dieser Zeit mit Hugo Kolk, Karl Sieburg und An- ton Heinze eine Widerstandsgruppe. Um wichtige Lebensgrundlagen der Menschen zu erhalten, konzentrierten sich die Widerstandskämpfer auf

• die Verhinderung von Brückensprengungen, • die Erhaltung von Produktionsanlagen, Kulturgütern und schließlich auf die Übergabe der Städte und Orte, • die Zerstörung der Kommandozentrale des NSDAP-Kreisleiters in Jena, • die Erhaltung von Menschenleben, vor allem in den Einheiten des Volks- sturms.

Im Februar 1945 wandten sich Kommunisten über das Antifaschistische Komi- tee mit einem Flugblatt an die Bevölkerung. Es rief zum Zusammenschluß aller Antifaschisten und zur Organisierung des Widerstandes gegen Hitler auf. So wurde gefordert: Verbindung zu Gleichgesinnten aufnehmen, Spitzel- und Denunzianten un- schädlich machen, Faschisten überwachen und kontrollieren, sich gegenseitig im Kampf unterstützen, gegen faschistische Greuelpropaganda und faschistischen Terror auftreten. Vgl. Hermann Eisenmann: Bericht, in: BACZ J–T; Charlotte Wieczorek: Bericht, ferner: Gerhard Sauthoff und Arthur Heinze: Lebensläufe sowie das Flugblatt: „Deutsche Arbeiter und Arbeiterinnen“, in: PA H.G.

Am 29. März 1945 zündeten Antifaschisten eine Sprengladung in der Jenaer Kommandozentrale der NSDAP und erschwerten damit u.a. den organisierten Einsatz des Volkssturms. In deren Einheiten verhinderten Hitlergegner die Durchführung von Einsatzbefehlen und halfen Menschenleben vor der Vernich- tung zu retten. Nach den verheerenden acht Angriffen alliierter Flugzeuge auf das Zentrum von Jena vom 9. Februar bis 19. März 1945 setzten Massenfluchten von Zwangsarbeitern ein, aktivierten die Kommunisten Paul Krahn, Gustav Hein- rich, Hans Stöckel und Otto Koschig ihre Verbindungen zum Außenkommando 124 des KZs Buchenwald im Reichsbahnausbesserungswerk Jena und zu den Zwangsarbeitslagern in Jena, Hermsdorf, Dornburg, Eisenberg und Kahla. Am Tage des Einmarsches amerikanischer Truppen in Jena am 13. April 1945 wurden weiße Fahnen auf dem Hochhaus des Zeiss-Werkes, in den Zwangsarbeitslagern Talstraße und Mühlenstraße sowie in Hermsdorf gehißt. Deutsche und ausländische Antifaschisten traten für die Erhaltung lebenswichti- ger Anlagen ein und versuchten die Zerstörung der Städte und Dörfer sowie die Vernichtung von Lebensmittellagern zu verhindern. Nach dem Einmarsch amerikanischer Truppen in Jena reorganisierte die KPD-Unterbezirksleitung ihre Arbeit in der Stadt. Es wurden sieben Wohnbe- zirke gebildet: Ost, Heimstätten, Süd, Schottviertel, Mitte, West und Nord, un- tergliedert in Vierer- bzw. Fünfergruppen. Gustav Probsthain schilderte:

„Noch unter der amerikanischen Besatzungsmacht kamen wir Genossen des Wohnbezirkes in Vierergruppen zusammen. In unserer Gruppe waren die Genossen Rudi Henniger, Otto Lang, Paul Jährling und ich. Ich bekam den Auftrag, organisatorisch die politische Schulung für die in unserem Wohnbe- zirk wohnenden Genossen durchzuführen. Die erste Schulung war in meiner Wohnung mit ca. 6–8 Genossen. Der Schulungsleiter war der Genosse Otto Hengelhaupt.“

Auch Hans Näder legte dar:

„Als die Amerikaner in Jena waren, mußten wir die Arbeit illegal in den Wohnungen fortsetzen. Die Gruppenzusammensetzung war natürlich etwas erweitert und nach Ortsteilen aufgeteilt.“

Vom 21. April bis 13. Mai 1945 schrieb die UBL der KPD Jena vier Informati- onsblätter, die über die Gruppenleiter an alle Mitglieder gelangten, die als Grundlage der Schulung dienten und zur Aktivierung der Parteiarbeit beitragen sollten. Dabei konzentrierte sich die KPD auf die Entfaltung der Gewerkschafts- arbeit nach dem Aachener Beispiel (weil es Möglichkeiten legaler Arbeit ab- steckte), auf die Bildung provisorischer Stadträte und auf die Feiern zum 1. Mai 1945. Vgl. Gustav Probsthain: ThStA R, VdN-Nr. 06/33; Josef Thieß: Bericht, in: Heimatmuseum Kahla; Hans Näder: Bericht vom 1. September 1959 und Karl Rambusch: Lebenslauf, in: BACZ J–T; KPD-UBL Jena. Informationsblätter vom 21./28. April, 3./13. Mai 1945, Fotoko- pien, in: PA H.G.

Abschließende Bemerkungen

Das untersuchte Material weist nach, daß es in Jena ein relativ breites Spektrum von Gruppen aus allen Richtungen der Arbeiterbewegung und bürgerlich- pazifistischer Personen gab, die nach dem 30. Januar 1933 illegal wirken muß- ten und dennoch die politische Aufklärungsarbeit sporadisch oder in mehr oder weniger organisierter Form aufnahmen. Die Vertreter entsprechender Parteien und Organisationen mußten zumeist isoliert von einander wirken. In den Betrieben, bei der praktischen politischen Aufklärungsarbeit gab es unter den Antifaschisten überwiegend solidarisches Verhalten und in begrenztem Maße auch eine Zusammenarbeit. Rudi Wehner, Leiter der illegalen Jungsozialistengruppe in Jena, berichtete:

„Wir hatten auch gelegentlich Verbindungen zu einzelnen Mitgliedern ande- rer illegaler Gruppen, so z.B. zu Karl Brundig (KPD-O), der aber bereits 1934 zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, zu Erich Matthes (KPD-O), zu Erich Gehmlich SAP (KPD-O). Wir tauschten gelegentlich untereinander Materialien aus, so z.B. die Materialien des VII. Weltkongresses der Komin- tern. Wir vermieden es jedoch, die illegalen Gruppen untereinander bekannt zu machen. Ja, wir gestanden uns gegenseitig die Existenz dieser Gruppen nicht einmal ein. Zu groß waren die Verluste, die die Arbeiterklasse auch in Thüringen durch Unvorsichtigkeit im illegalem Kampf erlitten hatte. Erst nachdem der 2. Weltkrieg schon ausgebrochen war und Hitler Frankreich und die Balkanländer unterjochte, hielt ich es nicht mehr länger aus und suchte bewußt die Verbindung zu Mitgliedern der Kommunistischen Partei.“ Vgl. Rudi Wehner: Einige Bemerkungen über meine illegale Tätigkeit während der Jahre 1933–1945, Februar 1960, MS bei H.G.

Vor allem in den ersten fünf Monaten, von Februar bis Juni 1933, mußten viele Arbeiter, Angestellte, Vertreter der Mittelschichten und andere Antifaschisten Jenas solche gravierenden Erfahrungen mit der Hitlerdiktatur machen, daß die standhaft gebliebenen Mitglieder aller Organisationen der Arbeiterbewegung zum Nachdenken und Überprüfen ihrer bisherigen Linie gezwungen wurden. Es war eine Zeit dicht gedrängter Erfahrungen, daraus resultierender Erkenntnisse und notwendiger Veränderungen bisheriger Kampftaktiken. Bedeutend war die Erfahrung, daß einige Abteilungen der Arbeiterbewegung und bürgerlich- demokratische Antifaschisten den ersten Schlägen der Nazis trotzten und hier und dort den illegalen Kampf aufnahmen. 126

„Die revolutionären Massenorganisationen leben und arbeiten trotz des furchtbaren Terrors, trotz der tollsten Verfolgungen. Jeder, der in den Rei- hen der revolutionären Arbeiterschaft steht und kämpft, hat besonders in den letzten Wochen mit Freude und Begeisterung feststellen müssen, wie sich die kämpfenden Organisationen des Proletariats nach den ersten Angriffen des Faschismus wieder neu formierten, neu zusammenfanden, die Arbeit wieder aufnahmen und die Massen unter dem Banner des unsterblichen Marxismus sammelten. Die Organisationen der revolutionären Arbeiterschaft haben sich den veränderten Bedingungen angepaßt, haben es verstanden, sich zu tarnen. […] Dieses Werk allein ist schon ein großer Erfolg. […] Schaffen wir die Einheitsfront der Arbeiterklasse! Dann ist das Regime schneller beendet, als seine Herrscher es sich heute träumen lassen!“ Vgl. (Illegales) Thüringer Volksblatt, Nr. 8, Juni 1933.

Ansätze für eine Zusammenarbeit zwischen der Arbeiterbewegung und christ- lich-bürgerlichen Kreisen waren für die ersten Jahre der Nazizeit in Jena und Umgebung wenig zu finden. Es gab jedoch bestimmte Formen von Kontakten und begrenzter Zusammenarbeit mit einzelnen Persönlichkeiten aus diesen Krei- sen, wie z.B. mit den Pfarrern Carl Vogl, Vierzehnheiligen, und Karl Klein- schmidt, Eisenberg, mit dem Fabrikanten Walter Schreck, Kahla, sowie mit den Demokraten Dr. Jobst und Dr. Apell, Jena. Erst im weiteren Verlauf des antifa- schistischen Widerstandes, vor allem in den Jahren des zweiten Weltkrieges, bildete sich eine etwas engere Zusammenarbeit mit einem begrenzten Personen- kreis heraus. Die Darstellung zur Entwicklung und Tätigkeit der Widerstandsgruppen und -kräfte in Jena und Umgebung macht deutlich, daß das große Verdienst von Ma- gnus Poser und anderer aktiver Antifaschisten darin bestand, möglichst alle Richtungen der Arbeiterbewegung und der bürgerlichen Kräfte im Raum Jena zum gemeinsamen Handeln gegen Faschismus und Krieg zusammenzuführen. Dabei ist zu beachten, daß von Jungsozialisten, von Mitgliedern der KPDO und von anderen Antifaschisten selbständig das Bestreben vorhanden war, mit Mit- gliedern der KPD zusammen zu arbeiten. Vor allem Rudi Wehner (Jungsozia- list) und Willi Arnold (KPD-O) wirkten in dieser Richtung. Mit der Herausbildung einer Leitung des illegalen Kampfes entwickelte sich seit Herbst 1939 eine Kraft, die – zumeist in Fünfer-Gruppen erfaßt, durch ein gewisses Schulungssystem auf den Kampf gegen Hitlerdiktatur und Krieg vor- bereitet – den schwierigen Aufgaben des illegalen Kampfes besser gewachsen war. Nach der Niederlage der Hitlerokkupanten bei Stalingrad (Anfang 1943) und der sowjetischen Sommeroffensive 1943 führte die illegale Leitung der Jenaer Widerstandsorganisation am 11. September 1943 eine geheime Beratung im 127

Münchenrodaer Grund durch. Hier wies Theo Neubauer vor allem darauf hin, daß die Befreiung vom Faschismus möglichst durch das eigene Volk zu erringen sei oder es zumindest einen großen Beitrag dazu zu leisten habe. Deshalb mußte alles unternommen werden, um eine übergreifende Widerstandsbewegung zu schaffen. 1943 war eine Landesleitung der KPD gebildet worden, zu der Theo Neubauer u.a. gehörten. Ihr Kurier nach Jena war Judith Auer. Betroffene bestätigten, daß die Flugblätter „Hitlers Krieg ist verloren – nur Kindsköpfe träumen noch vom Sieg!“ (September 1943) und „Ihr wißt, daß Hit- ler seinen Krieg verloren hat!“ (Januar 1944) gute Orientierungen gaben. Dem dienten auch Diskussionen über das Schulungsmaterial „Bericht zur Lage“. Seit 1943 wurde die Frage „Was kommt nach Hitler?“ in Widerstandskreisen der Arbeiterbewegung sowie in bürgerlich-pazifistischen Schichten diskutiert. Beide Seiten versuchten zu gleicher Zeit, miteinander Verbindungen aufzuneh- men. In Berlin geschah das von Adolf Reichwein über Fritz Bernt zu Magnus Poser, und umgekehrt versuchte Magnus Poser über Bernt mit Reichwein die Verbindung herzustellen. Friedrich Bernt schätzte später am 1. April 1946 rück- blickend zur Lage im April 1944 ein:

„Die Erkenntnis war bei allen die gleiche, nämlich, daß kaum eine nochma- lige Zusammenfassung solcher Kräfte in absehbarer Zeit möglich sein wird, sollte es vor dem Sturz (Hitlers) zum Mißlingen kommen.“ Vgl. Stadtarchiv Jena, X a, Nr. 5.

Inzwischen war die Widerstandsbewegung im Raum Jena zwar auf etwa 500 Personen angewachsen, aber im Juli 1944 wurde die illegale Arbeit durch die Verhaftung von Theodor Neubauer, Magnus Poser u.a. jäh unterbrochen. Insge- samt sind in den 12 Jahren der Nazidiktatur aus dem Raum Jena 497 Bürger, darunter 33 Zwangsarbeiter, inhaftiert worden. Vor Kriegsgerichten standen 25 Militärangehörige, darunter drei Zwangsarbeiter und vor Standgerichten neun Bürger, darunter vier Zwangsarbeiter. Insgesamt waren folglich 531 Bürger und Militärangehörige, darunter 40 Zwangsarbeiter, betroffen. In ein Konzentrationslager wurden aus Jena 306 Bürger, darunter 95 Juden und 25 Zwangsarbeiter, verschleppt. Von diesen sind 73 ermordet worden, darunter 55 Juden. Den Freitod suchten neun jüdische Bürger. Auch der geplante Aufstandsversuch vom 20. Juli 1944 unter Claus Graf Schenk von Stauffenberg war mißlungen. Damit schien die Warnung von Paul Jährling, daß bei einer Zentralisierung der Arbeit Spitzel schneller in die Organi- sation eindringen können, Realität geworden zu sein. Jährling hatte 1937 zur illegalen Gruppe in Jena-Ost gehört, war 1938 Mitglied der KPD-Ortsleitung, wurde aber 1941 u.a. wegen der eben zitierten Meinung von der illegalen Arbeit ausgeschlossen. Mangelnde Wachsamkeit und Konspiration führten auch hier 128 und dort zum Verrat. Aber ohne ein Zusammenwirken aller Hitlergegner in Deutschland und die Hilfe des antifaschistischen Auslands war der Sturz des Hitlerregimes durch Kräfte des eigenen Volkes nicht möglich. Die nun einset- zende Welle des faschistischen Terrors legte die Widerstandsarbeit zunächst lahm. Die Beseitigung des Faschismus und die Beendigung des Krieges durch das deutsche Volk selbst war nicht möglich. Die Zusammenarbeit aller antifa- schistischen Kräfte begann zu spät, weil

• seit 1933 ein Trommelfeuer an Verleumdungen gegen Kommunisten, Sozia- listen, Demokraten, Liberale und Konservative – im Grunde gegen alle An- dersdenkenden – einsetzte. Alle humanistischen, demokratischen und libera- len Werte wurden durch die Naziherrschaft bekämpft. • Der unerhörte Terror wirkte einschüchternd auf die Menschen, die oft auch illusionäre Vorstellungen von Deutschlands Gegenwart und Zukunft hatten. Viele waren aus Angst nicht bereit, Widerstand zu leisten. • Die Erfahrung mit der – auch durch Aufrüstung – relativ schnellen Beseiti- gung der Arbeitslosigkeit betäubte die Massen. Nur wenige sahen und andere wollten nicht sehen, daß zum großen Teil durch die Rüstung zwar Arbeit ge- schaffen, aber so der große Krieg vorbereitet wurde.

Zu den wichtigsten Lehren aus der Vergangenheit gehören u.a.:

• Entsteht eine faschistische oder militaristische Gefahr, müssen ihr gegenüber alle politischen, weltanschaulichten und religiösen Unterschiede zwischen den verschiedenen Klassen und Schichten des Volkes in den Hintergrund tre- ten. • Nur mit allen Gegnern einer faschistischen, reaktionären oder ähnlich gearte- ten Diktatur, nur mit einer übergreifenden Bewegung im ganzen Volk könnte es gelingen, dieser Gefahr, noch bevor sie wieder Machtpositionen erlangt, erfolgreich zu begegnen. Nach einer erneuten faschistischen oder ähnlich ge- lagerten Machtergreifung in Europa und anderswo würde es noch weitaus schwerer werden, den Widerstand der Völker zu organisieren.

, S. 558. 2 ach: Deutschland im zweiten Weltkrieg, Bd. 2, Berlin 1976 Wirkungsorte der KPD und ihre Verbindungen in Thüringen (1942) N

Mahnende Worte

Heinrich Mann (1948): „Der deutsche Widerstand ging nicht gegen fremde Angreifer, er wurde her- ausgefordert von einer triumphierenden Gewalt, die überall zum bloßen Schein triumphiert hat, nur bei den Deutschen wirklich. Der Widerstand war bei Minderheiten; er mußte, um fruchtbar zu sein, die sonst unzugänglichen Massen, die nicht denken wollen, zu der Anerkennung sittlicher Rechte den- noch nötigen. Unausweichlich war das eigene Opfer; Manifeste, die mit dem Tode besiegelt sind, haben Aussicht, unvergessen zu bleiben. Das nächste mal wären sie im voraus bekannt, ein künftiger Widerstand gegen Gewalt fände Belehrte vor. Ein ganzes Volk, sobald es will, erinnert sich seiner ach- tungswerten Kämpfer. Dann muß nicht mehr gestorben werden, die vorigen hätten lieber lebend gesiegt.“ Heinrich Mann, Widerstehe dem Übel, in: Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, Bd. XIII: Essays, Dritter Bd., Berlin 1962, S. 387.

Aus dem „Aufruf“ von Ricarda Huch (1946): „Aus unserer Mitte sind böse, brutale und gewissenlose Menschen hervorge- gangen, die Deutschland entehrt und Deutschlands Untergang herbeigeführt haben. Sie beherrschten das deutsche Volk mit einem so klug gesicherten Schreckensregister, daß nur Heldenmütige den Versuch, es zu stürzen, wagen konnten. So tapfere Menschen gab es eine große Anzahl unter uns. Es war ihnen nicht beschieden, Deutschland zu retten; nur für Deutschland sterben durften sie; das Glück war nicht mit ihnen, sondern mit Hitler. Sie sind dennoch nicht umsonst gestorben. Wie wir der Luft bedürfen, um zu atmen, des Lichtes, um zu sehen, so bedürfen wir edler Menschen, um zu leben. Sie sind das Ele- ment, in dem der Geist wächst, das Herz rein wird. Sie reißen uns aus dem Sumpf des Alltäglichen; sie entzünden uns zum Kampf gegen das Schlechte; sie nähren in uns den Glauben an das Göttliche im Menschen: Wenn wir de- rer gedenken, die im Kampf gegen den Nationalsozialismus ihr Leben gelas- sen haben, so erfüllen wir eine Pflicht der Dankbarkeit; zugleich aber tun wir uns selber wohl; denn indem wir ihrer gedenken, erheben wir uns über unser Unglück. Nicht alle von den gegen Hitler Verschworenen sind im Kampf gefallen, eini- ge sind dem Tode entgangen. Sie sind nicht deshalb geringer, weil sie glück- licher waren, und ich möchte ihrer ebenso wie der Toten gedenken; aber es ziemt sich, so scheint mir, zuerst Kränze auf die Gräber niederzulegen.“ Ricarda Huch: Widerstand aus Glauben, Berlin 1984, S. 417f. 131

Julius Fučik: „Um eines bitte ich: Ihr, die ihr diese Zeit überlebt, vergeßt nicht! Vergeßt die Guten nicht und nicht die Schlechten! Sammelt geduldig die Zeugnisse über jene, die für sich und für euch gefallen sind. Eines Tages wird das Heu- te Vergangenheit sein, wird man von der großen Zeit und von den namenlo- sen Helden sprechen, die Geschichte gemacht haben. Ich möchte, daß man weiß, daß es keine namenlosen Helden gegeben hat. Daß es Menschen wa- ren, die ihren Namen, ihr Gesicht, ihre Sehnsucht und ihre Hoffnungen hat- ten, und daß deshalb der Schmerz auch des Letzten unter ihnen nicht kleiner war als der Schmerz des Ersten, dessen Name erhalten bleibt. Ich möchte, daß sie alle euch immer nahe bleiben, wie Bekannte, wie Verwandte, wie ihr selbst.“ Julius Fucik: Reportage unter dem Strang geschrieben, Berlin 1981, S. 55.

Abkürzungsverzeichnis

(Abkürzungen von Bereichen und Abteilungen der Firma Zeiss und anderer Betriebe aus den Jahren 1933 bis 1945 werden hier nicht entschlüsselt.)

ATSB – Arbeiter-Turn- und Sportbund Prea – Preßluft & Apparatebetrieb Mül- BK – Bekennende Kirche ler und Neumann BL – Bezirksleitung RFB – Roter Frontkämpferbund BACZ J-T – Betriebsarchiv Carl Zeiss RGO – Rote Gewerkschaftsopposition Jena – Traditionskabinett SA – Sturmabteilung DC – Deutsche Christen SAJ – Sozialistische Arbeiterjugend DMV – Deutscher Metallarbeiter Ver- (SPD nahestehend) band SAPD – Sozialistische Arbeiterpartei FSU J-A – Friedrich-Schiller-Universi- Deutschlands tät Jena – Archiv SAPMO-BArch – Stiftung Archiv der Gestapo – Geheime Staatspolizei Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv GL – Geschäftsleitung SJV – Sozialistischer Jugendverband Hescho – Hermsdorf-Schomburg-Isola- (SAP nahestehend) toren GmbH SOPADE – emigrierter SPD-Vorstand KAJ – Kreisarchiv Jena SS – Schutzstaffeln KAPD – Kommunistische Arbeiterpar- tei Deutschlands StA J – Stadtarchiv Jena KJVD – Kommunistischer Jugendver- ThStA G – Thüringer Staatsarchiv Go- band Deutschlands tha Komintern – Kommunistische Interna- ThStA M – Thüringer Staatsarchiv Mei- tionale ningen KPDO (KPD-O) – Kommunistische ThStA R – Thüringer Staatsarchiv Ru- Partei Deutschlands (Opposition) dolstadt LBK – Lutherische Bekenntnisgemein- ThHStA W – Thüringer Hauptstaatsar- schaft chiv Weimar NKFD – Nationalkomitee Freies UB – Unterbezirk Deutschland UBL – Unterbezirksleitung NSDAP – Nationalsozialistische Deut- VdN – Verfolgte(r) des Naziregimes sche Arbeiterpartei OdF – Opfer des Faschismus PA H.G. – Privatarchiv Heinz Grün

Verzeichnis der in der Publikation genannten Personen

Acheray Beck, Hans Adam (Bräuning), Gertrud Becker, Alfred Adam (Stelling), Elfriede Becker, Gertrud Adam, Edmund Becker, Hans Adam, Heinrich Becker (Schmidt), Herta Adam, Kurt Bellmann, Otto Adam, Liesbeth Berger, Alfred Adler, Friedrich Bergmann, Helmut Adler, Willi Bergner, Edwin Adlung, Kurt Bergner, Paul Agricola Bergner, Richard Ahnert, Otto Berlin, G. Altwein, Fritz Bernt, Friedrich Ankele, Heinrich Bichler, Franz Anske, Otto Bischoff (Bischof), Wilhelm Anske, Rudi Black, Ruth Anweiler/Rambusch, Annemarie/Änne Blanck Apell, Dr. Bloß, Willi Appelt, Gustav Blumenstein, Fritz (Ing.) Arnhold, Rudolf Bock, Ernst Arnold, Willi (Willy) Bodinger, Alfred Arsand, Ernst Boegehold, Dr. Hans Auer, Judith Böhler Bohm Bähring, Karl Böhm, Minna Bajanowski, Marianne Böhm, Prof. Dr. Franz Barth, Fritz Böhme, Friedrich Barth, Prof. Dr. Böhme, Kurt (Curt) Barthel, Herta Bohn(e), Karl Bärwinkel, Wilhelm Bonhoeffer, Dr. Dietrich Bärwolf, Walter Börner, Arthur Bästlein, Bernhard Bornmann, Paul Bauer, Albert Bornschein, Fritz Bauer, Gerhard (Pfarrer) Böttner, Otto Bauersachs, Richard Bracksiek, Dietrich und Frau Bauerschmidt, Alexander Brandler, Heinrich Baumgärtel, Ernst Braune, Hans Baumgarten, Emil Bräuning, Gertrud Becher, Gerhard Bräuning, Karl 134

Bräuning, Martha Dimitroff, Georgi Bräunlich, Wilhelm Dippmann, Willi Bredhorn, Bernd Döpel, Helene Breithaupt, Otto Döpel, Rudolf, Rudi Brendel, Gerhard Dörfer Brendel, Paul Döring Brieger, Wolfram Drescher (Fa.) Brill, Dr. Hermann Dreßler, Ernst Brinkmann Dusi, Alfred Brockauf Dyckerhoff & Widmann (Fa.) Bröter, Willy Brückner, Paul Eberhard, Edeltraud Brundig, Karl Eberhardt, Alfred Buchmann, Paul Eberhardt, Linda Büchner, Horst Eberling, Hans Büchner, Paul Ebert, Walter und Frau Buhler, Alfred Ebing, Rudi Busse, Ernst Eckstein, Hilma Bussendorf, Artur Eggert, Max Butze, Helmut Ehrhardt, Eitel Eichler, (Gotha) Cesar, August (Pfarrer) Einstein, Albert Claudert, Werner Eisenmann, Hedwig Clausewitz, Karl von Eisenmann, Hermann Cramer, Albin Eismann, K. Creutzburg, Fritz Eismann, Rudi Elle, Heinrich (Pfarrer) Dahlig, Wilhelm Engelmann, Otto Dallmann, Heinz Engelmann, Paul Danz, Hermann Engels, Friedrich Debrunner, Dr. Engler, Karl Degener, Ernst Erler, Alfred Dehlers, Ernst Ernst, Willi Diener, Werner Esche, Paul Dietrich, Arthur Eyermann, Richard Dietrich, Georg Dietsch, Artur Federbusch, Walter Dietsch, Hermann Feller, Rudolf Dietz, Hermann Felsche, Ernst Dietz, Richard Ferster, Alfred Dietz, Selma Feuerstein (Lange), Leni Dilschneider, Otto (Pfarrer) Feuerstein, Walter 135

Fickler, Huldreich Gebhardt, Hans Finger, Albert Gebhardt, Karl Finkelmeier, Conrad Gebhardt, Willi und Frau Fischer Gehmlich, Erich Fischer (Greiz) Gehne, Dr. Anna Fischer, Eva Gehring, Paul Fischer, Gerhard (Pfarrer) Germann, Franz Fischer, Kurt Geiler (Elsterberg) Fischer, Prof. Dr. Martin Geisler, Eva Fischer, Walter Geisler, Kurt Flamant Geißler, Karl Fleischer, Helene Gempe, Erika Fleischhauer, Arthur Gempe, Kurt Flick, Helmut Genschel, Dr. Födisch, Albin Georges, Werner Fontius, Hans-Georg Gerber, Elli Förster, Paul Gerlach, Fritz Förtsch, Hermann (Pfarrer) Gerland, Prof. Dr. Heinrich Fraedlich, Wolfgang Gernhard, Franz Frank, Heiner Gerstenberger, Bruno Franke, Karl Gerstenberger, Paul Frey, Hermann Giese, Ernst (Gerichtsmediziner) Friedel, Fritz Gießmann, Karl Friedmann, Herbert Giessner (Gießner), Friedrich Friedrich Gittel, Werner Friedrich, H. Glaue, Prof. Dr. D. Paul Friedrichs, Paul Gleitsmann, Rudolf Fries, Michael Goebbels, Josef Frische, Alfred (Arbeiter) Goell, Amalie Frische, Alfred (Schmied) Goell, Hermann Frister, Herbert Goerz, Fa. Wien Frölich, Paul Gogarten, Friedrich (Theol.) Frommelt, Richard Goldfuß, Werner Fuchs, Emil Gollwitzer, Dr. Helmut (Theol.) Fuchs, Felix Gottesmann, Erich Fuchs, Hans Götz, Franz Fučik, Julius Graf, Willi Funk, Albin Gräfe, Clemens Grande, Erna Gase, Anna Grande, Max Gase, Bernhard Graumüller, Willi (Willy) Gase, Ilse Grebe, Fritz 136

Greidinger, Jack (Jacob) Haussen, Erich Griefahn, Dr. Siegfried Häußler, Eugen Grimm, Max Häußler, Hugo Gröschner, Eugen Heckert, Hubert Große, Arthur (Artur) Heider, Karl Große, Paul Heinlein, Fritz Große, Walter Heinrich, Gustav Großherr, Paul Heinrich, Hermann Grüber, Heinrich (Pfarrer) Heintz, Eduard Grün (geb. Heinlein), Anneliese Heintz, Emma Gruner, Willi (Willibald) Heinz, Richard (Rudi) Grünewald, Erich Heinze, Anton Grundig, Karl Heller, Alfred Gundermann, Prof. Dr. Hellfritzsch, Willi Gutenberg, Prof. Dr. Erich Hempel, Herbert Hengelhaupt, Otto Haake, Kurt Henniger (Lorbeer), Johanna Haas, Käthe Henniger, Rudi Haas, Willi, Willy Hensel, Helmut Haase Hensel, Kurt Hädrich (Malermeister) Hentschek, Walter Hädrich, Herbert Hermberg, Annemarie Hädrich, Walter Hermberg, Prof. Dr. Paul Hagemann, Ernst Herrmann, Fritz Hagenauer, Otto Hertel, Heinz Hagenauer, Paula Hertel, Helene Hahn, Hugo Hertel, Kurt Hahn, Kurt Hertzsch, Dr. Erich Hammerschmidt, Walter Hesse, Fritz Handling, Max Hetzer Handwerk, Paul Heunemann, Harry Hanse, Hermann Heussi, Prof. Dr. Karl Hart, Willy Hey, Fridolin Härtel, Kurt Hey, Paul Hartmann, Dr. Hietschold, Walter Hartmann, Willy Himmelreich, Alfred Härzer, Anna Hindenburg, Paul von Härzer, Max Hirsch, Richard Hase, Karl von Hirschelmann, Wilhelm Hase, von (Offizier) Hitler, Adolf Häßelbarth, Hugo Höber, A. Haun, Hermann Höfer, Fritz 137

Hoffmann (Fa.) Kaiser, Otto Hoffmann, Albert Kalisch, Fritz Hoffmann, Alfred Kalisch, Karl Hoffmann, Otto Käppel, Walter Hofmann, Paul Kassler, Werner Hohmann Kaufmann, Kurt Holbach, Rudi Kaufmann, Werner Höllein, Emil Keil, Erich Höllein, Ernst Keller, Alex Höllerisch, Max Kerzel, Max Horn, Max Kerzel, Paul Horn, Rudolf Kind, Oskar Hötzel, Otto Kippker, Karl Hübel, Dr. Rudolf Kirchner, Dr. Gustav Hubert, Rudi Kirsynski, Hans Hübner, Dr. (Bgm.) Kittel (Pfarrer) Huch, Dr. Ricarda Klapper, Karl Hutschenreuter, Max Kläsener, (Joh.) Hans Hüttenrauch, Willi Klausnitzer, Herbert Kleinschmidt, Karl (Pfarrer) Ibrahim, Prof. Dr. Jussuf Kleinsteuber, Frieda Klingbeil, Helmut Jacob, Erich Klingelstein, Hans Jacob, Franz Klose, Josef Jacob, Kurt Klose, Lisbeth Jäger, Fritz Klose, Richard Jahn, Hermann Klotz, Manfred Jahn, Walter Knappe, Walter Jahnke, Willy Knöll, Dr. Hans Jährling, Otto Koch, Hans-Dieter Jährling, Paul Koch, Oskar Jecke, Karl Koch, Otto Jenssen, Prof. Dr. Otto Koch, Rudolf Jerusalem, Prof. Dr. Franz Kochalski Jeß, Mathilde Kohl, Karl Jobst, Dr. Köhler, Ernst John, Walter Kolk, Hugo Junghenn (Fa.) Kollwitz, Käthe Konopatzki, Walter Kabisch, Max Kopffleisch, Walter Kaiser, Erich Kops, Erich Kaiser, Ernst Kops, Paul 138

Korn, Konrad Lehmann (Kirchenrat) Körner, Franz Lehmann, Albert Koschig, Otto Lehmann, Gerhard Kotthaus, August Lehmann, Kurt Kotze, Hermann Lehmann, Liesel Krähling, Fritz Lehmann, Oskar Krahn, Hedwig Leißner, Alfons Krahn, Paul Lenin, W. I. Kramer, Alfred Lenz, Eberhard Kratsch, Kurt Lettler, Siegried (Pfarrer) Krause, Werner Leutheuser, Julius Kreil, Erich Ley, Robert Kreil, Richard Liebe (Fa., Berlin) Krieger, Hugo Liebknecht, Karl Kröber, Hans Liebknecht, Theodor Kropf, Walter Liebold, Toni Kruse, Walter Lipper, Fritz Krütze, Dr. Lockemann, Prof. Dr. Theodor Kühnhold, Ernst Löhmer, Max Kühnhold, Hans Lölke, Dr. Jörg Kuhnke, Gottlieb Lorbeer, Hanna Kunze, Georg Lorenz, Walter Küppenbender, Heinrich Lösche, Ernst Kurat, Kurt Lösche, Heinrich Kurt, Karl Löwen, Dr. Franz Kuse, Walter Löwenheim (Miles), Walter Kutta, Otto Lüders, Franz Kutta, Walter Luft, Hans

Laaser, Fritz Machholz, Prof. Dr. Waldemar Labonté, Edmund Mähler, Max Lang, Otto Mainka, Fritz Lange, Hermann Malow (Fa.) Lange (Feuerstein), Leni Mann, Heinrich Langenberg, Alfred Marquardt, Heinz Langheinrich, Max Marquardt, Liesbeth Langner, Dr. Erwin (Pfarrer) Martin, Ernst Länz, Karl Martin, Otto Leber, Hermann Marx, Karl Leber, Julius Marx, Richard Ledebour, Georg Matschy, Richard Leffler, Siegfried (Pfarrer) Matthes, Erich 139

Matthes, Frieda Näder, Hans Mau, Dr. Hermann Näder, Herta Megriam, Dr. Arsak Näder, Richard Meinhard(t), Paul Nehrling, Kurt Meinhoff, Dr. Ingeborg Nelson, Leonhard Meininger, Karl Neubauer, Dr. Theodor Meininger, Paul Neuberger, Werner Meitmann, Jack Neubert, Adolf Menge, Wilhelm Neubert, Alfred Merkel, Ernst Neugart, Heinrich Merkel, Paul Nicolai, Karl Merker, Otto Niekisch, Prof. Dr. Ernst Mertel, Hermann Niemöller, Martin Mertel, Hilde Nitsche, Kurt Metzner, Hermann Nürnberger, Willy Meyer, Ernst Meyer, Wilhelm Obst, Karl Meyer-Erlach, Prof. Dr. Wolfgang Obstfelder, Ernst Meyerstein, Werner Oertel, Max Militzer, Otto Öhme, Rudolf Miliowsky, Otto-Edmund und Frau Olm, Rudolf Missikowski (Frau) Opitz, Walter Molle, Walter Oppermann, Otto Moltke, Helmuth J. Graf von Orban, August Mose, Josef Orlamünder, H. Möser, Paul Orthaus, Oskar Möser, Robert Otto, Ernst (Pfarrer) Muckhoff, Bartholomäus Müller (Camburg) Pape, Prof. Dr. Ernst Müller & Neumann (Fa. Prea) Pätz, Martha Müller (Reichsbischof) Patzer, Paul Müller, Arno Patzke, Max Müller, Harry Paul, Otto Müller, Hermann Peetz, Paul Müller, Otto Petersen, Prof. Dr. Peter Müller, Paul Petz, Ernst Müller, Walter Petz, Willy Müller, Werner Petzold, Erich Müller, Willi (Wilhelm) Pfeifer, Willy Pfeiffer, Kurt Nacke, Erich Pfleger, Ernst Nacke, Hermann Pfleger, Helene 140

Pflug (Eisenach) Reichelt, Gerhard Pfotenhauer, Kurt Reichwein, Prof. Dr. Adolf Philippson, Julius Reinhard, Rudi Piehler, Franz Reinhold, Gerhard Pilling, Max Reitmeier, Franz Pipphardt, Elsa Reitmeier, Rolf Planert, Willi Renner, Otto (Biologe) Ploetz (Pfarrer) Richter, Hans Pochner, Paul Richter, Paul Poller, Karl Richter, Wilhelm Poller, Kurt Riedel, Fritz Poller, Otto Riedel, Jochen Porstendorfer, Max Riedel, Josef Poser (geb. Orban), Lydia Rieger, D. Paul (Pfarrer) Poser, Hilde Riemeck, Dr. Renate Poser, Magnus Ringel, Erich Poser, Oskar (sen. und jun.) Riß, Josef Prausnitz, Dr. Paul Ristow, Dr. Preiser, Prof. Dr. Erich Röblitz, Elfriede Preisser, Otto Röhrdanz, Fritz Preller, Ernst Rolskoven, Heinz Preller, Paul Roltsch, Walter Preller, Prof. Dr. Hugo Romstedt, Ella Preller, Walter Romstedt, Oskar Prengel, Heinrich Ropte, Kurt Pretsch, Röschke, Karl Probsthain, Gustav Rosenberg, Alfred Prüfer, Ernst Rosenblatt, Walter Prüfer, Kurt Rosenfeld, Kurt Prüfer, Lina Rosenkranz, Kurt Prüger, Prof. Dr. Rosenthal, Clara Rost, Martin Rabenstein, Johannes Roth, Fritz Rad, Prof. Dr. Gerhard von Roye, Martin Radeck, Rudolf Ruderich, Alfred Rambusch, Änne (Annemarie) Rudolf (Creutzburg), Elsa Rambusch, Fritz Rudolf (Fa.) Rambusch, Karl Rudolf, Heinz Rambusch, Liesbeth Rudolf, Helmut Rank, Fritz Ruskiwiecz, Willi Rappe, Friedrich (Fa.) Rappe, L. Saefkow, Anton 141

Salis, von Schmidt, Albert Sälzer, Ernst Schmidt, Alfred Sander, Hermann Schmidt, Helmut Sänger, Gustav Schmidt, Hugo Sänger, Walter Schmidt, Lotte Sasse, Martin (Landesbischof) Schmidt, Otto Säuberlich, Gerhard (Pfarrer) Schmidt, Robert Sauer, Ingrid Schmidt, Walter Sauthoff, Gerhard Schmidt, Werner Schache, Kurt Schmidt, Willi (Willy) Schäfer, Gertrud (Pastorin) Schmidtke, Paul Schäfer, Ludwig Schnacke, Ernst Schaller (Eisenach) Schneemann, Gertrud Schäller (sen.) Schönburg, Fritz Schäller, Kurt Schöneburg, Arthur Schammer, Herta Schöppe, Agnes Schammer, Rudolf Schorch, Dr. Herbert Schanze, Dr. Wolfgang Schott, Dr. Erich Schapiro, Waldemar Schott, Dr. Otto Schaub, Hermann Schrade, Erna Schaxel, Dr. Julius Schrader, Dr. Karl Scheffel, Rudi Schraumann, Willy Scheibe (Korbflechter) Schreck, Elsa Scheler (Titus), Hermann Schreck, Walter Schieck, Otto Schreck, Wilhelm Schietrumpf u. Co. AG. Schröder, Waldemar Schild, Fritz Schubart, Heinz Schild, Karl Schubert, Gustav Schillbach (Red.) Schubert, Karl Schiller, Erich Schubert, Werner Schiller, Georg Schuchard, Karl Schiller, Hans Schuhmann, Willi Schilling, Ernst Schulenburg, Graf F. W. von der Schimmel, Robert Schuler (Gera) Schippel, Minna Schüler, Gerhard (Pfarrer) Schlechte, Paul Schulschefski, Ernst Schlegel, Fritz Schulschefski, Kurt Schlegelmilch, Gottfried Schulschewski, Willi Schlott (Langewiesen) Schultze von Lasaulx, Prof. Dr. Her- Schmalz, Liesbeth mann Schmalz, Willy Schulz, Herbert Schmidt (Becker), Herta Schulz, M. 142

Schulze (Pfarrer) Sorsche, Grete Schulze, Dr. Otto Spindler, Lina Schulze, Fritz Spindler, Paul Schulze, Gerhard Stäbe, Horst Schulze, Herbert Stalin, J. W. Schumann, Georg Stammler, Wolfgang (Pfarrer) Schütze, Ernst und Frau Stampfer, Konrad Schwab, Hans Stang, Hans Schwab (sen.) Stang, Karl Schwantes, Martin Stanik, Georg Schwarz, Gustav Stankiewicz, Karl Schwarzbold (Arnstadt) Stauffenberg, Claus Graf Schenk von Schwarzkoppen, von Steckemetz, Schwassmann, Ernst Steen, Albert Schweinitz, Franz Stegmann, Erich (Pfarrer) Schweinitz, Paul Stempel, Willi Schwimmer, Rudolf Stern, Gertrud Seeliger, Elsa Stöbe, Dr. Seeliger, Herbert Stöbe, Gerda Seide, Ernst (Fa.) Stöbe, Karl Seidel, Heinz Stock, Heiner Seidel, Willy Stöckel, Hanni Seidert, Paul Stöckel, Hans Seifarth, Anna Stöckel, Karl Seifarth, Paul Stöhr, Karl Seiffert Störmer, Erwin Sell, Marga Strampfer, Konrad Sende, Stefan Strasser, Otto Senthoff, Heinz Straube, Fritz Senkel, Hans Struppert, Arno Seydewitz, Max Stubenrauch Seydewitz, Otto Stumpf, Fritz Seyfahrt, Paul Sturm (Frau und Tochter) Seyfarth, Oswald Sturm, Kurt Sieburg, Karl Sylten, Werner (Pfarrer) Siemsen, Prof. Dr. Anna Syrbe, Herbert Siemsen, August Singer, Änne Taubert, Hans Singer, Friedrich, Fritz Taubert, Karl Sittner, Walter Teubner, Alfred Smyrek, Viktor Thalheimer, August Sondhaus, Heinz Thälmann, Ernst 143

Theel, Adolf Wehner, Rudi/Rudolf Theil, Dr. Karl Weigel, Willi Theiler, Erich Weinberger, Thielemann, Erich Weingärtner (Deckname: Zahnarzt) Thieme (Erfurt) Weise (Klose), Liesel Tiebel, Gustav Weiß, Arno Tittel, Hans Weißbarth, Otto und Frau Todt (Bauorg.) Weißköppel, Alfred Töpfer, Gertrud Weller, Rosa Töpfer, Herbert Wenzel, Hans Töpfer, Kurt Wetzel, Karl Trapp, Dr. Wieczorek, Felix Treffkorn, Erich Wieczorek, Lotte/Charlotte Trillitzsch, Otto Wieland, Otto Trommer, Willi Wild, Friedel Tucholsky, Kurt Wildner, Max Wildner, Paul Ullrich, Kurt Wilsdorf, Rudi Unger, Kurt Wimmer, Heino Unrein, Margarete Winkler, K. Urbansky, Reinhold Witthauer, Heinz Wittig, Max Veidt, Karl Witzleben, Ernst (General) Vergen (Fa.) Witzmann, Robert Vogel, Marie Wohanka, Kurt Vogel, Walter Wolf, Ernst Vogl, Dr. Carl (Pfarrer) Wolf, Fritz Vogl, Hildegard Wolfram, Erich Voigt, Hermann Worms, Otto Voigt, Willy Wostrack (Frau) Vollrath, Alfred Wostrack, Heinrich Vopelius (Druckerei) Zahn, Günther (Pfarrer) Wachauf, Hilde Zange, Erich Wachs, Rudolf Zange, Prof. Dr. Johannes Wagenhaus, Gerhard Zänker, Rudolf Walcher, Jacob Ziegler, Franz Walter, Lore Ziegler, Karl Wanzek, Josef Ziegner, Oskar (Pfarrer) Weber, Gotthilf Zier, Kurt Weckmann (Fa.) Zierath, Helmuth Wehner (Bärwinkel), Auguste (Guscha) Zierath, Karl 144

Ziewitz, Willy Zille, Heinrich Zillich, Karl Zimmermann, Elsa Zimmermann, Gustav Zimmermann, Richard Zimmermann, Walter Zingel, Karl Zinner (Fam.) Zipproth, Zucker, Prof. Dr. Friedrich Zwacka, Paul Zweiling, Klaus

ISBN 3-935850-32-8