Plenarprotokoll 19/119

Deutscher

Stenografischer Bericht

119. Sitzung

Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Inhalt:

Würdigung von Vizepräsidentin a. D. Anke Änderung des Grundsteuergesetzes Fuchs und Präsidentin a. D. Annemarie zur Mobilisierung von baureifen Renger ...... 14691 A Grundstücken für die Bebauung Drucksachen 19/11086, 19/14139, 19/ 14159 ...... 14692 C – Zweite und dritte Beratung des von der Tagesordnungspunkt 27: Bundesregierung eingebrachten Ent- a) – Zweite und dritte Beratung des von den wurfs eines Gesetzes zur Änderung Fraktionen der CDU/CSU und SPD ein- des Grundsteuergesetzes zur Mobili- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur sierung von baureifen Grundstücken Änderung des Grundgesetzes (Arti- für die Bebauung kel 72, 105 und 125b) Drucksachen 19/13456, 19/14139, 19/ Drucksachen 19/11084, 19/14136, 19/ 14159 ...... 14692 D 14157 ...... 14692 A d) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- – Zweite und dritte Beratung des von der nanzausschusses Bundesregierung eingebrachten Ent- – zu dem Antrag der Abgeordneten wurfs eines Gesetzes zur Änderung , , Stefan des Grundgesetzes (Artikel 72, 105 Keuter, weiterer Abgeordneter und der und 125b) Fraktion der AfD: Echte Gemeinde- Drucksachen 19/13454, 19/14136, 19/ steuerreform auf den Weg bringen 14157 ...... 14692 A – zu dem Antrag der Abgeordneten b) – Zweite und dritte Beratung des von den Christian Dürr, Dr. , Fraktionen der CDU/CSU und SPD ein- Frank Schäffler, weiterer Abgeordneter gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur und der Fraktion der FDP: Grund- Reform des Grundsteuer- und Bewer- steuer – Einfaches Flächenmodell oh- tungsrechts (Grundsteuer-Reformge- ne automatische Steuererhöhungen setz – GrStRefG) – zu dem Antrag der Abgeordneten Jörg Drucksachen 19/11085, 19/14138, 19/ Cezanne, , Lorenz Gösta 14158 ...... 14692 B Beutin, weiterer Abgeordneter und der – Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion DIE LINKE: Sozial gerechte Bundesregierung eingebrachten Ent- Grundsteuer-Reform für billigere wurfs eines Gesetzes zur Reform des Mieten und starke Kommunen Grundsteuer- und Bewertungsrechts Drucksachen 19/11125, 19/11144, 19/ (Grundsteuer-Reformgesetz – 7980, 19/14141, 19/14160 ...... 14713 B GrStRefG) e) Zweite und dritte Beratung des von den Drucksachen 19/13453, 19/13713, 19/ Abgeordneten Christian Kühn (Tübingen), 14138, 19/14158 ...... 14692 C Stefan Schmidt, , weiteren c) – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten und der Fraktion BÜND- Fraktionen der CDU/CSU und SPD ein- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur wurfs eines Gesetzes zur Änderung des II Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Bürgerlichen Gesetzbuches und anderer Offene Standards für eine gerechte Gesetze – Abschaffung der Grund- und gemeinwohlorientierte Gestal- steuer-Umlagefähigkeit (Mieter-Grund- tung der Digitalisierung nutzen steuer-Entlastungsgesetz) Drucksachen 19/9929, 19/7698, 19/7589, Drucksachen 19/8827, 19/14118 ...... 14713 B 19/13601 ...... 14713 C f) Beschlussempfehlung und Bericht des b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucher- Ausschusses für Verkehr und digitale Inf- schutz zu dem Antrag der Abgeordneten rastruktur zu dem Antrag der Abgeordne- , Jörg Cezanne, Dr. Gesine ten , Manuel Höferlin, Grigorios Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Grundsteuer nicht Fraktion der FDP: Lückenschluss-Auk- länger auf Mieterinnen und Mieter um- tion – Frequenzvergabe neu denken legen Drucksachen 19/10618, 19/14006 ...... 14713 C Drucksachen 19/8358, 19/14118 ...... 14713 B c) Antrag der Abgeordneten Daniel Föst, (SPD) ...... 14693 A Frank Sitta, , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Albrecht Glaser (AfD) ...... 14695 A Smart Building – Ein Update für den (CDU/CSU) ...... 14696 C Wohnungsbau Drucksache 19/14026 ...... 14713 C Christian Dürr (FDP) ...... 14697 D d) Antrag der Abgeordneten Frank Sitta, Fabio De Masi (DIE LINKE) ...... 14698 D Dr. Lukas Köhler, Grigorios Aggelidis, Stefan Schmidt weiterer Abgeordneter und der Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ...... 14700 B der FDP: Smart – CO2 an die digitale Kette legen Dr. h. c. (Univ Kyiv) Drucksache 19/14039 ...... 14713 D (CDU/CSU) ...... 14701 C e) Antrag der Abgeordneten Bijan Djir-Sarai, (Heidelberg) (SPD) ...... 14702 C Manuel Höferlin, Alexander Graf Albrecht Glaser (AfD) ...... 14703 D Lambsdorff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Smart Germany – Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) ...... 14704 C Beitritt Deutschlands zu den „Digital 9“- Fritz Güntzler (CDU/CSU) ...... 14704 D Staaten Drucksache 19/14043 ...... 14713 D Dr. Florian Toncar (FDP) ...... 14706 A f) Antrag der Abgeordneten Katharina (CDU/CSU) ...... 14707 A Willkomm, , Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Namentliche Abstimmungen ...... 14708 A, 14712 C Fraktion der FDP: Zugang zum digitalen Nachlass regeln und rechtlich in der Eu- Ergebnisse ...... 14708 C, 14717 C ropäischen Union harmonisieren Drucksache 19/14044 ...... 14714 A g) Beschlussempfehlung und Bericht des Tagesordnungspunkt 28: Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Alexander Graf a) Beschlussempfehlung und Bericht des Lambsdorff, , Grigorios Ausschusses für Inneres und Heimat Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der – zu dem Antrag der Abgeordneten Fraktion der FDP: Digitalisierung trifft Manuel Höferlin, Frank Sitta, Mario auf Diplomatie – Innovationsbotschafter Brandenburg (Südpfalz), weiterer Abge- entsenden ordneter und der Fraktion der FDP: Drucksachen 19/8542, 19/14101 ...... 14714 A Smart Germany – Bundesministe- rium für Digitalisierung etablieren h) Beschlussempfehlung und Bericht des – zu dem Antrag der Abgeordneten Ausschusses für Inneres und Heimat zu Manuel Höferlin, Jimmy Schulz, dem Antrag der Abgeordneten Anke Stephan Thomae, weiterer Abgeordneter Domscheit-Berg, Dr. , Doris und der Fraktion der FDP: Digitalisie- Achelwilm, weiterer Abgeordneter und rung ernst nehmen – IT-Sicherheit der Fraktion DIE LINKE: Öffentliches stärken Geld – Öffentliches Gut – Öffentlich fi- – zu dem Antrag der Abgeordneten Tabea nanzierte Daten und Werke frei zur Ver- Rößner, Dr. , fügung stellen , weiterer Abgeordneter Drucksachen 19/12633, 19/14113 ...... 14714 A und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Offen für die Zukunft – in Verbindung mit Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 III

Zusatzpunkt 16: Zusatzpunkt 21: Antrag der Abgeordneten Frank Sitta, Antrag der Abgeordneten Manuel Höferlin, Grigorios Aggelidis, Renata Alt, weiterer Ab- Stephan Thomae, Grigorios Aggelidis, weiter- geordneter und der Fraktion der FDP: Smart er Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Cities – Mit Datenfluss zu blühenden Städ- Smart Germany – Souveränität der Nutz- ten erinnen und Nutzer über ihre IT-Systeme Drucksache 19/14045 ...... 14714 B gewährleisten Drucksache 19/14050 ...... 14714 D

in Verbindung mit in Verbindung mit Zusatzpunkt 22: Zusatzpunkt 17: Antrag der Abgeordneten Manuel Höferlin, Antrag der Abgeordneten Manuel Höferlin, Stephan Thomae, Grigorios Aggelidis, weiter- Frank Sitta, Jimmy Schulz, weiterer Abgeord- er Abgeordneter und der Fraktion der FDP: neter und der Fraktion der FDP: Smart Ger- Smart Germany – Register modernisieren many – Cybersicherheit der 5G-Netze und öffentliches Datenmanagement einfüh- Drucksache 19/14046 ...... 14714 B ren Drucksache 19/14053 ...... 14714 D

in Verbindung mit in Verbindung mit Zusatzpunkt 23: Zusatzpunkt 18: Antrag der Abgeordneten , Antrag der Abgeordneten Dr. Andrew Stephan Thomae, Grigorios Aggelidis, weiter- Ullmann, , Grigorios er Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Smart Germany – Digitalisierung und Bür- Fraktion der FDP: Smart Germany – Anti- gerrechte biotikaeinsatz reduzieren, Chancen von Big Drucksache 19/14058 ...... 14733 D Data nutzen Drucksache 19/14047 ...... 14714 C in Verbindung mit

Zusatzpunkt 24: in Verbindung mit Antrag der Abgeordneten , , Grigorios Aggelidis, weiterer Zusatzpunkt 19: Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Smart Germany – Games – Treiber für In- Antrag der Abgeordneten Frank Sitta, Manuel novation und Kreativität Höferlin, Grigorios Aggelidis, weiterer Abge- Drucksache 19/14059 ...... 14734 A ordneter und der Fraktion der FDP: Smart Germany – Gigabit-Gutscheine für den Breitbandausbau in Verbindung mit Drucksache 19/14048 ...... 14714 C Zusatzpunkt 25: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Inneres und Heimat zu dem An- in Verbindung mit trag der Abgeordneten Anke Domscheit-Berg, Dr. Petra Sitte, Dr. Alexander S. Neu, weiterer Zusatzpunkt 20: Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Umsetzung effektiver Maßnahmen für digi- Antrag der Abgeordneten Frank Schäffler, tale Sicherheit statt Backdoors Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Drucksachen 19/7705, 19/14114 ...... 14734 A Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Smart Finance – Innovation statt Verbote (CDU/CSU) ...... 14715 A bei Kryptowährungen, Libra nicht verbie- (AfD) ...... 14716 A ten Drucksache 19/14049 ...... 14714 C (SPD) ...... 14720 B Manuel Höferlin (FDP) ...... 14721 B in Verbindung mit Anke Domscheit-Berg (DIE LINKE) ...... 14722 B IV Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 14723 C Zusatzpunkt 26: (CDU/CSU) ...... 14724 D Antrag der Abgeordneten Daniel Föst, Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeord- Dr. (AfD) ...... 14725 D neter und der Fraktion der FDP: Smart Ger- Dr. Jens Zimmermann (SPD) ...... 14726 D many – Liberales Bürgergeld einführen – Digitales Antragsportal einrichten Dr. Michael Espendiller (AfD) ...... 14728 A Drucksache 19/14060 ...... 14770 C Dr. Jens Zimmermann (SPD) ...... 14728 A Karsten Möring (CDU/CSU) ...... 14734 B (Südpfalz) (FDP) ...... 14728 B Udo Theodor Hemmelgarn (AfD) ...... 14735 C Karsten Möring (CDU/CSU) ...... 14729 A (SPD) ...... 14737 A Dr. Lukas Köhler (FDP) ...... 14730 B Daniel Föst (FDP) ...... 14738 C Karsten Möring (CDU/CSU) ...... 14730 C Caren Lay (DIE LINKE) ...... 14739 B Christian Kühn (Tübingen) (SPD) ...... 14730 D (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ...... 14740 C (Kleinsaara) (CDU/CSU) . . . . . 14731 D , Parl. Staatssekretär BMI . 14742 A (FDP) ...... 14743 C Bernhard Daldrup (SPD) ...... 14744 B Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU) . . . . . 14746 A

Tagesordnungspunkt 8: Tagesordnungspunkt 29: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Erste Beratung des von der Bundesregierung Bundesregierung eingebrachten Ent- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur wurfs eines Gesetzes zur Stärkung Regelung des Sozialen Entschädigungs- des Wohngeldes (Wohngeldstär- rechts kungsgesetz – WoGStärkG) Drucksache 19/13824 ...... 14778 C Drucksachen 19/10816, 19/11696, 19/ , Bundesminister BMAS ...... 14747 D 13175 Nr. 10, 19/14135 ...... 14734 A (AfD) ...... 14749 B – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung Hubertus Heil (Peine) (SPD) ...... 14752 B Drucksache 19/14137 ...... 14734 B Martin Sichert (AfD) ...... 14753 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des (CDU/CSU) ...... 14753 C Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtent- (FDP) ...... 14754 D wicklung und Kommunen – zu dem Antrag der Abgeordneten Daniel Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) ...... 14755 B Föst, , Frank Sitta, weiterer Sven Lehmann Abgeordneter und der Fraktion der FDP: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ...... 14756 C Bezahlbare Mieten sichern – Zielge- Dr. (SPD) ...... 14757 D richtet unterstützen – Liberales Bür- gergeld einführen Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . . 14758 D – zu dem Antrag der Abgeordneten Caren Pascal Kober (FDP) ...... 14760 A Lay, Dr. Gesine Lötzsch, Lorenz Gösta Beutin, weiterer Abgeordneter und der Torbjörn Kartes (CDU/CSU) ...... 14760 C Fraktion DIE LINKE: Wohngeld aus- (Chemnitz) (CDU/CSU) ...... 14761 C weiten und die Belastung durch Wohnkosten begrenzen Drucksachen 19/11107, 19/10752, 19/ Tagesordnungspunkt 33: 14135 ...... 14747 C Erste Beratung des von der Bundesregierung c) Unterrichtung durch die Bundesregierung: eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wohngeld- und Mietenbericht 2018 Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Drucksache 19/11750 ...... 14762 D Vierten EU-Geldwäscherichtlinie Drucksache 19/13827 ...... 14778 C , Parl. Staatssekretärin BMF . 14763 A Jörn König (AfD) ...... 14763 D Sepp Müller (CDU/CSU) ...... 14765 A in Verbindung mit (FDP) ...... 14767 A Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 V

Fabio De Masi (DIE LINKE) ...... 14767 D Dr. (FDP) ...... 14781 D Dr. (DIE LINKE) ...... 14782 D (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ...... 14768 D Kordula Schulz-Asche Dr. Jens Zimmermann (SPD) ...... 14769 C (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ...... 14783 C (CDU/CSU) ...... 14784 B Tagesordnungspunkt 32: Martina Stamm-Fibich (SPD) ...... 14785 B Erste Beratung des von den Abgeordneten (CDU/CSU) ...... 14785 D Dr. , , Peter Dr. (FDP) ...... 14786 C Boehringer, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der AfD eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Änderung des Aufenthalts- gesetzes (Aufenthaltsänderungsgesetz – Tagesordnungspunkt 35: AufenthÄndG) Antrag der Abgeordneten , Drucksache 19/14067 ...... 14778 D , Dr. André Hahn, weiterer Abgeord- Dr. Gottfried Curio (AfD) ...... 14770 C neter und der Fraktion DIE LINKE: Rechten Terror stoppen – Opfer schützen (CDU/CSU) ...... 14771 D Drucksache 19/10750 ...... 14787 A (FDP) ...... 14772 D Dr. (SPD) ...... 14773 C in Verbindung mit Gökay Akbulut (DIE LINKE) ...... 14775 A Zusatzpunkt 28: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ...... 14776 A Antrag der Abgeordneten Benjamin Strasser, (CDU/CSU) ...... 14777 A Konstantin Kuhle, Stephan Thomae, weiterer (CDU/CSU) ...... 14777 D Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ter- ror von rechts nicht unterschätzen – Ge- waltbereiten Rechtsextremismus entschlos- Tagesordnungspunkt 34: sen bekämpfen a) Erste Beratung des von der Bundesregie- Drucksache 19/14062 ...... 14787 B rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes für den Schutz vor Masern und zur in Verbindung mit Stärkung der Impfprävention (Masern- schutzgesetz) Drucksachen 19/13452, 19/13826 ...... 14787 A Zusatzpunkt 29: b) Antrag der Abgeordneten Katja Dörner, Antrag der Abgeordneten Dr. Irene Mihalic, Katrin Göring-Eckardt, Kordula Schulz- Dr. Konstantin von Notz, , wei- Asche, weiterer Abgeordneter und der terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: NIS 90/DIE GRÜNEN: Rechtsextremen Masern und andere Infektionskrankhei- Netzwerken entschlossen entgegentreten ten jetzt eliminieren – Solidarität und Drucksache 19/14091 ...... 14787 B Vernunft fördern, Impfquoten nachhal- Martina Renner (DIE LINKE) ...... 14787 C tig steigern Drucksache 19/9960 ...... 14787 B (CDU/CSU) ...... 14788 A Dr. Christian Wirth (AfD) ...... 14789 C in Verbindung mit Dr. Lars Castellucci (SPD) ...... 14790 D Benjamin Strasser (FDP) ...... 14792 C Zusatzpunkt 27: Dr. Irene Mihalic Antrag der Abgeordneten Dr. Andrew (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ...... 14793 C Ullmann, Michael Theurer, Renata Alt, weiter- er Abgeordneter und der Fraktion der FDP: (CDU/CSU) ...... 14794 C Impfquoten wirksam erhöhen – Infektions- Axel Müller (CDU/CSU) ...... 14795 D krankheiten ausrotten Drucksache 19/14061 ...... 14787 B Nächste Sitzung ...... 14712 D Dr. , Parl. Staatssekretär BMG ...... 14778 D (AfD) ...... 14779 D Anlage 1 (SPD) ...... 14781 A Entschuldigte Abgeordnete ...... 14797 A VI Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Anlage 2 – den von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten des Grundsteuergesetzes zur Mobilisie- Dr. , und rung von baureifen Grundstücken für die Hans-Jürgen Thies (alle CDU/CSU) zu der Bebauung Abstimmung über den (Tagesordnungspunkt 27 c) ...... 14797 D – von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grund- Anlage 3 stücken für die Bebauung und Amtliche Mitteilungen ...... 14798 C Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14691

(A) (C)

119. Sitzung

Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Beginn: 9.00 Uhr

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: rendes Andenken bewahren. Ich spreche allen Angehöri- Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bitte gen im Namen des Hauses meine Anteilnahme aus. nehmen Sie Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Sie haben sich zur Ehren der Verstorbenen von Ihren Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, bitte ich Sie, Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen. sich von Ihren Plätzen zu erheben. (Die Anwesenden nehmen wieder Platz) (Die Anwesenden erheben sich) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Politikerinnen- Der Deutsche Bundestag trauert um Anke Fuchs. Sie generation von Anke Fuchs wurde geprägt von starken ist am Montag nach langer Krankheit im Alter von 82 Jah- Persönlichkeiten, die nach Gründung der Bundesrepublik ren gestorben. Anke Fuchs ist vielen in Erinnerung als – Frauen den Weg in die Politik geebnet haben. Annemarie im besten Sinne des Wortes – streitbare und geradlinige Renger ragt aus ihnen heraus, die erste Präsidentin des (B) Kollegin. Sie vertrat 22 Jahre lang ihren Kölner Wahl- Deutschen Bundestages. Am 7. Oktober wäre sie 100 Jah- (D) kreis im Parlament, sie wurde 1998 zur Bundestagsvize- re alt geworden. Auch sie wurde in ein sozialdemokrati- präsidentin gewählt. sches Elternhaus hineingeboren. An der Seites ihres po- litischen Ziehvaters Kurt Schumacher baute sie nach dem Anke Fuchs war Parlamentarierin aus Leidenschaft Krieg die SPD mit auf. Von 1953 bis 1990 war sie un- und Sozialdemokratin aus tiefer Überzeugung. Sie wuchs unterbrochen Mitglied des Bundestages. als Tochter Paul Nevermanns, des späteren Hamburger Ersten Bürgermeisters, in einer Familie mit sozialdemo- Als die SPD 1972 erstmals den Parlamentspräsidenten kratischer Tradition auf. Ihr Elternhaus war nach dem stellte, meldete Annemarie Renger – selbstbewusst und Krieg Treffpunkt für viele Genossen, die den demokrati- verantwortungsfreudig, wie sie war – ihren Anspruch auf schen Neuaufbau Deutschlands vorantreiben wollten – das zweithöchste Amt im Staate an. „Glauben Sie, man von Kurt Schumacher bis Herbert Wehner. Anke Fuchs hätte mich sonst genommen?“, fragte sie rückblickend. trat der SPD noch vor dem Abitur bei und engagierte sich Annemarie Renger war weltweit die erste Frau an der zunächst in den Gewerkschaften. 1971 wurde sie als ein- Spitze eines frei gewählten Parlaments. Sie verstand sich zige Frau in den geschäftsführenden Vorstand der IG Me- nicht als Feministin, aber sie nutze ihr Amt, „um der tall berufen, wo sie sich insbesondere für die Vereinbar- Sache der Frauen zu dienen“, wie sie es formulierte. Sie keit von Familie und Beruf einsetzte. führte den Bundestag mit natürlicher Autorität. Sie setzte sich für ein selbstbewusstes Parlament ein und strengte Parlamentarisches Ansehen erwarb sich Anke Fuchs engere parlamentarische Kontakte zu unseren östlichen vor allem in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, die sie Nachbarn an. Ihr Augenmerk galt nicht zuletzt der Aus- auch als Staatssekretärin und Bundesministerin gestalte- söhnung mit Israel. te. Im Bundestag übernahm sie 1992 den Vorsitz der En- quete-Kommission „Demographischer Wandel“, ein The- Die parlamentarische Demokratie lebt von denen, die ma, das uns heute noch beschäftigt. Ihr Amt als sie gestalten, und wir tun gut daran, uns dankbar derer zu Vizepräsidentin übte sie mit der gleichen Haltung aus, erinnern, die sie entscheidend mitgeprägt haben – so wie die ihr vielfältiges Engagement auch außerhalb des Parla- Annemarie Renger. ments prägte: pflichtbewusst, tatkräftig, souverän. (Beifall im ganzen Hause) Sie habe „immer ziemlich solide gearbeitet in ihrem Jetzt rufe ich die Tagesordnungspunkte 27 a bis 27 f Leben“, hat sie rückblickend von sich gesagt – in nüch- auf: terner, typisch hanseatischer Zurückhaltung. Wir sind Anke Fuchs dankbar für das, was sie für unsere parlamen- a) – Zweite und dritte Beratung des von den tarische Demokratie geleistet hat, und werden ihr ein eh- Fraktionen der CDU/CSU und SPD ein- 14692 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble (A) gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Echte Gemeindesteuerreform auf den (C) Änderung des Grundgesetzes Weg bringen (Artikel 72, 105 und 125b) – zu dem Antrag der Abgeordneten Christian Drucksache 19/11084 Dürr, Dr. Florian Toncar, Frank Schäffler, – Zweite und dritte Beratung des von der weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bundesregierung eingebrachten Entwurfs der FDP eines Gesetzes zur Änderung des Grundsteuer – Einfaches Flächenmo- Grundgesetzes (Artikel 72, 105 und dell ohne automatische Steuererhöhun- 125b) gen Drucksache 19/13454 – zu dem Antrag der Abgeordneten Jörg Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- Cezanne, Fabio De Masi, Lorenz Gösta nanzausschusses (7. Ausschuss) Beutin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Drucksachen 19/14136, 19/14157 b) – Zweite und dritte Beratung des von den Sozial gerechte Grundsteuer-Reform Fraktionen der CDU/CSU und SPD ein- für billigere Mieten und starke Kommu- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur nen Reform des Grundsteuer- und Bewer- Drucksachen 19/11125, 19/11144, 19/7980, tungsrechts (Grundsteuer-Reformge- 19/14141, 19/14160 setz – GrStRefG) Drucksache 19/11085 e) Zweite und dritte Beratung des von den Ab- geordneten Christian Kühn (Tübingen), – Zweite und dritte Beratung des von der Stefan Schmidt, Canan Bayram, weiteren Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Abgeordneten und der Fraktion BÜND- eines Gesetzes zur Reform des Grund- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- steuer- und Bewertungsrechts (Grund- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des steuer-Reformgesetz – GrStRefG) Bürgerlichen Gesetzbuches und anderer Gesetze – Abschaffung der Grundsteuer- Drucksachen 19/13453, 19/13713 Umlagefähigkeit (Mieter-Grundsteuer- (B) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- Entlastungsgesetz) (D) nanzausschusses (7. Ausschuss) Drucksache 19/8827 Drucksachen 19/14138, 19/14158 Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- c) – Zweite und dritte Beratung des von den schusses für Recht und Verbraucherschutz Fraktionen der CDU/CSU und SPD ein- (6. Ausschuss) gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Drucksache 19/14118 Mobilisierung von baureifen Grund- stücken für die Bebauung f) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Ver- Drucksache 19/11086 braucherschutz (6. Ausschuss) zu dem An- – Zweite und dritte Beratung des von der trag der Abgeordneten Caren Lay, Jörg Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Cezanne, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abge- eines Gesetzes zur Änderung des ordneter und der Fraktion DIE LINKE Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung Grundsteuer nicht länger auf Mieterinnen von baureifen Grundstücken für die Be- und Mieter umlegen bauung Drucksache 19/13456 Drucksachen 19/8358, 19/14118 Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- Zu dem Entwurf eines Grundsteuer-Reformgesetzes nanzausschusses (7. Ausschuss) der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD liegt ein Än- derungsantrag der Fraktion der FDP vor. Drucksachen 19/14139, 19/14159 Über den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU d) Beratung der Beschlussempfehlung und des und der SPD zur Änderung des Grundgesetzes – Arti- Berichts des Finanzausschusses (7. Aus- kel 72, 105, und 125b – sowie über die Beschlussfassung schuss) des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem – zu dem Antrag der Abgeordneten Albrecht Antrag der Fraktion Die Linke über die Umlage der Glaser, Kay Gottschalk, , Grundsteuer auf Mieterinnen und Mieter werden wir spä- weiterer Abgeordneter und der Fraktion ter namentlich abstimmen. Wir werden also zwei nament- der AfD liche Abstimmungen durchführen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14693

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble (A) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die sich vor allem Bayern mit seinen Länderinteressen quer- (C) Aussprache 60 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen gestellt. Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. (Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Hamburg auch!) Dann eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Bernhard Daldrup von der SPD-Fraktion. Das hat zu einer Öffnungsklausel geführt. Kompromiss eben! Dennoch bleibt das bundesweit gültige Bewer- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten tungsrecht bestehen. Kein Kompromiss! Wir halten wei- der CDU/CSU) terhin ein Grundsteuerrecht, das neben der Fläche auch den Wert von Grundstücken und Immobilien berücksich- Bernhard Daldrup (SPD): tigt, weil sich darin die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es spiegelt, für richtig und angemessen. Und das ist gut so! ist keine ganz alltägliche Entscheidung, die wir heute Das ist für uns von der SPD wichtig. Das ist ein Erfolg der treffen. In jahrzehntelangen Debatten ist es den Ländern SPD. und dem Bund nicht gelungen, das Grundsteuerrecht zu reformieren. Wir bringen diese Aufgabe heute zu einem (Beifall bei der SPD) erfolgreichen Abschluss. Ich glaube, wir geben den Län- dern für die Umsetzung hinreichend Zeit, nämlich bis Die neue Grundsteuer ist gerecht; denn wir stellen si- zum 31. Dezember 2024. cher, dass der Villenbesitzer in einer begehrten Lage nicht bessergestellt wird und weniger Steuern zahlt als der Wir ändern das Grundgesetz in den Artikeln 72, 105 Besitzer einer einfachen Immobilie in einer Randlage. und 125b so, dass die Gesetzgebungskompetenz des Bun- Diese eklatante Ungerechtigkeit nehmen Befürworter des eindeutig geregelt und den Ländern Spielraum für des sogenannten reinen Flächenmodells, wenn es denn eigene Gesetze eröffnet wird. Die Diskussion war nicht irgendwann überhaupt kommen sollte, bewusst in Kauf. einfach. Es ist aber der in unserer Zeit viel zu gering ge- schätzte Kompromiss, zu dem demokratische Parteien in Wir beschließen heute eine Gesetzesreform aus drei der Demokratie fähig sind – mit Ausnahme der AfD. Elementen. Wir fangen mit der Grundgesetzänderung an. Wir sichern auf diese Art und Weise explizit die Bun- (Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei deskompetenz für die Grundsteuer. Das ist damit ein- Abgeordneten der CDU/CSU) deutig und zukunftsfest. Die Länder können die Öff- Weil mit der Grundsteuer die letzte vermögensbezoge- nungsklausel nutzen, um eigene Grundsteuergesetze zu ne Steuer in Deutschland erhalten bleibt, wird den Kom- beschließen. Wir sorgen aber auch dafür, dass sich kein munalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern sicherlich Land auf Kosten anderer Länder bereichert. Für die Be- (B) ein Stein vom Herzen fallen. Wir erhalten und sichern rechnung des Länderfinanzausgleichs gibt es eine bun- (D) kommunale Einnahmen in einer Größenordnung von deseinheitliche Berechnung auf der Grundlage des Be- rund 15 Milliarden im Jahr. Ihr Wegfall ab dem wertungsrechtes des Bundes. Das bleibt so, und das ist 1. Januar 2020, also ab kommenden Januar, hätte dem auch wichtig. öffentlichen Finanzierungssystem erheblichen Schaden zugefügt, auch die kommunale Selbstverwaltung wäre (Beifall bei der SPD) bedroht worden. Leidtragende einer solchen Entwicklung Dieser Punkt war bis zuletzt Gegenstand vieler Diskus- wären die Bürgerinnen und Bürger gewesen, deren Kom- sionen, weil es hier Misstrauen gab. Deswegen Folgen- munen ihre Infrastruktur nicht mehr hätten sicherstellen des: können. Erstens: die Öffnungsklausel. Sie ist im Steuerrecht Ihre Belastung, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, nicht Ausdruck von Föderalismus, sondern sie ist Aus- die im Durchschnitt bei etwa 18 bis 20 Cent pro Quadrat- druck von Provinzialismus meter im Monat liegt, wollen wir insgesamt gesehen nicht erhöhen. Darum geht es uns überhaupt nicht. Durch die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten drastische Reduzierung der bundeseinheitlichen Steuer- der LINKEN – Lachen des Abg. Dr. h. c. [Univ messzahl nehmen wir unsere Verantwortung wahr, damit Kyiv] Hans Michelbach [CDU/CSU]) das Gesamtvolumen der Grundsteuer in Höhe von etwa 15 Milliarden Euro maßgeblich erhalten bleibt. Das ist und im Übrigen eine Variante, vor der die Wirtschaft, eben Aufkommensneutralität. Herr Michelbach, massiv warnt, weil sie genau weiß, dass sie Bürokratie in Reinform produziert. Das ist so. Sie Die Verantwortung der Kommunen über die Höhe des konterkariert im Übrigen auch das Ziel der gleichwerti- kommunalen Hebesatzes bleibt gesichert, das kommuna- gen Lebensverhältnisse; dies nur als kleiner Tipp an le Hebesatzrecht bleibt erhalten. Das ist für uns unver- Herrn Seehofer. zichtbar. Vergessen Sie, liebe Mitbürgerinnen und Mit- bürger, also all die Horrorszenarien um explodierende ( [CDU/CSU]: Quatsch!) Mieten und Umzugszwänge, die von interessierter Seite in die Diskussion um die Grundsteuer eingebracht wor- – Das ist überhaupt kein Quatsch. Denken Sie nach, dann den sind. Alles heiße Luft! kommen Sie darauf. Lange Zeit erschien es so, als könne man sich auf der (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Basis von Kompromissen auf ein bundesweit einheitli- SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- ches Bewertungsrecht verständigen. Erst sehr spät hat NEN) 14694 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Bernhard Daldrup (A) Zweitens: die Schattenrechnung. Sie suggeriert, dass (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Christian (C) Bürger eine doppelte Grundsteuererklärung abgeben Dürr [FDP]: Und Sie gar nicht? Sie waren nie müssten, einmal nach Bundes- und einmal nach Landes- dabei, Herr Daldrup?) recht. Das ist einfach Unsinn. Wir wollen und werden daraus keine Zusatzbelastungen für die Bürgerinnen – Doch, auch wir waren dabei. Deswegen machen wir das und Bürger machen. ja. Wir helfen Ihnen, dass auch Sie zustimmen können. (Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Wollen Sie (Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP) eigentlich zustimmen oder ablehnen?) Gerne wird auch die Behauptung aufgegriffen, das Deshalb war es für uns nicht so dramatisch, vor allem der Ganze sei ein Mietenturbo oder ein Steuerturbo. FDP-Fraktion durch leichte Änderungen bei Formulie- rungen entgegenzukommen, um unverhältnismäßigen (Christian Dürr [FDP]: Richtig!) Aufwand für die Verwaltungen und die Bürgerinnen und Bürger auch sprachlich auszuschließen. Die FDP Eines ist klar: Wer aufgrund der überholten Berechnungs- kann das zu ihrem Erfolg erklären. Das ist in Ordnung. grundlagen ungerechtfertigt zu viel zahlt, wird künftig Jeder muss seine Zustimmung legitimieren. Ich sage auf weniger zahlen. Wer aus denselben Gründen heute ver- jeden Fall herzlichen Dank dafür. gleichsweise zu wenig zahlt, wird in der Zukunft mehr zahlen. Das ist schlicht und ergreifend so. Das ist unbe- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) streitbar richtig, egal in welchem Modell.

Wenn wir in das Bewertungsgesetz schauen, sehen wir, Die Grundsteuer ist aber die am wenigsten beklagte dass für uns die wertabhängigen Grundlagen für die Be- Steuer in Deutschland. Das zeigt zweierlei: Sie wird ak- rechnung der Grundsteuer besonders wichtig sind. Wir zeptiert und ist in der Höhe nicht so belastend. Sie treibt wollen eine gerechte Steuer. Warum? Das Bundesverfas- niemanden aus der Wohnung oder macht das Wohnen sungsgericht hat die veralteten Einheitswerte für verfas- unbezahlbar. Auch die Kommunen haben sich zum ge- sungswidrig erklärt, weil sie gegen das Gleichheitsgebot meinsamen Ziel der Aufkommensneutralität bekannt. verstoßen, weil die tatsächlichen Werte dabei von den Das ist gut so. Steuern entkoppelt worden sind. Im Flächenmodell wer- den unterschiedliche Immobilien gleichgesetzt. Das heißt Herr Präsident, ich will noch ein paar Sätze zur Grund- mit anderen Worten, eine Ungerechtigkeit wird durch ei- steuer C sagen. Sie ist für uns ein Beitrag zur Stärkung der ne andere Ungerechtigkeit ersetzt. Daher ist das Einfach- kommunalen Selbstverwaltung, ein Stück weit jedenfalls Modell aus unserer Sicht ein Einfach-ungerecht-Modell. Sicherung der kommunalen Freiheit. Das ist für uns wich- (B) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) tig. Die Kommunen dürfen selber entscheiden, ob und aus (D) welchen Überlegungen sie die Grundsteuer C erheben Wir halten es für problematisch und auch für klageanfäl- wollen, zum Beispiel um den Wohnungsmarkt zu mobi- lig. lisieren, um Spekulationen einzudämmen oder aus allge- Jetzt kommen wir zum Bürokratiemonster. Dieser Vor- meinen Gründen der Stadtentwicklung. Das ist gut so. wurf kommt immer aus einer bestimmten Ecke. In die Ich möchte mich zu guter Letzt bei allen Kolleginnen Berechnung der Grundsteuer werden künftig für Wohn- und Kollegen von den Grünen, der FDP und von den baugrundstücke fünf Parameter eingehen: Grund- Linken herzlich bedanken, die im parlamentarischen Ver- stücksfläche, Bodenrichtwert, Immobilienwert, Alter fahren, vor allem in den zahlreichen Berichterstatterge- des Gebäudes und Mietniveaustufe. Heute sind es 20. sprächen mit der Koalition, konstruktiv und verantwor- Statt 20 jetzt 5 – ist das mehr Bürokratie? tungsvoll an dieser Grundsteuerreform mitgewirkt haben. (Dr. Florian Toncar [FDP]: Statt Einheitswert!) Ebenso möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BMF bedanken, namentlich bei Minister Für Gewerbegrundstücke sinkt die Zahl der Angaben von Olaf Scholz. Mein besonderer Dank gilt dem Kollegen 30 auf maximal 8. Statt 30 nun 8 – ist das mehr Büro- Fritz Güntzler. Ich will das an dieser Stelle ausdrücklich kratie? Nein, ist es nicht. feststellen. Lieber Fritz, wer so konstruktiv und teamfähig (Dr. Florian Toncar [FDP]: Alle sieben Jahre in den gemeinsamen Gesprächen agiert, dem traue ich neu!) auch zu, die anspruchsvolle Aufgabe des neuen Kapitäns des FC Bundestag zu erfüllen. Herzlichen Glückwunsch Ob die Bürokratie bei der Flächensteuer geringer werden auch dazu. wird, werden wir noch sehen. Vielen Dank an Sie alle. (Christian Dürr [FDP]: Warum braucht es dann die zusätzlichen Beamten, Herr Daldrup? Wa- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten rum braucht man mehr Mitarbeiter?) der CDU/CSU und der FDP) – Weil da jahrelang von den Ländern nichts gemacht wurde. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (Christian Dürr [FDP]: Aha!) Albrecht Glaser, AfD, hat als nächster Redner das Wort. – Ganz genau. Daran waren Sie in den Ländern mit be- teiligt. So ist das. (Beifall bei der AfD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14695

(A) Albrecht Glaser (AfD): mobilien erzielt, unterliegen diese der Ertragsteuer. Wenn (C) Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- man jedoch sein Haus oder seine Wohnung selbst nutzt ren! Das vorgelegte Gesetzespaket der Bundesregierung oder eine Wiese im Außenbereich hat, hat man keine Er- und der Regierungsfraktionen ist der Versuch, ein viele träge. Jahre lang verdrängtes Problem kurz vor Ablauf der Nebenbei: In der aktiven Landwirtschaft wird mit der durch das Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist bis linken Hand Grundsteuer erhoben, und mit der rechten Ende des Jahres auf Teufel komm raus zu lösen. Die wird subventioniert. Das aber nur am Rande. Grundsteuer ist ein Fossil aus der Agrargesellschaft, als Landnutzung noch eine große Quelle von Wohlstand war. Sollerträge sind daher eine Fata Morgana, eine perver- Sie wurde zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedli- se mentale Konstruktion, und das allemal, wenn nicht chen Orten auf die Bodennutzung zum Wohnen erstreckt. einmal mit dem Steuerobjekt verbundene Schulden be- Um den Steuergegenstand messbar zu machen, musste er rücksichtigt werden. Das zu 80 Prozent eingeschuldete bewertet werden. Eine Substanzbewertung dieses Steuer- Gebäude löst die gleiche Grundsteuer aus wie das schul- gegenstandes erschien lange Zeit einfacher als die Erfas- denfreie Gebäude. Das zum Thema Leistungsfähigkeit. sung von Einkommen. Die Isterträge werden bereits besteuert. Zweimal auf den- selben Steuergegenstand zuzugreifen, kann auch nicht Im Zuge des Aufbaus der Einkommensteuersystematik verfassungsgemäß sein. im 19. Jahrhundert wurden folgerichtig die Erträge aus Verpachtung von Boden, aus Waldnutzung und aus Ver- (Beifall bei der AfD – Britta Haßelmann mietung von Gebäuden der Einkommensteuer unterwor- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was will denn fen. Da – unbeschadet vieler neu erfundener Steuern – eigentlich die AfD?) einmal erhobene Steuern wegen fiskalischer Gier ein ewi- Der konfiskatorische Charakter dieser Steuer ist also ges Leben haben, weste die Grundsteuer neben der Ein- offenkundig. Die Fantasie im Rechtsstaat ist allerdings kommensteuer einfach weiter. Da der Obrigkeitsstaat eingegrenzt. Das wird dieses Projekt noch begleiten. noch keine rationale, verfassungsrechtlich legitimierte Die Witwe, die mit kleiner Rente in ihrer Eigentumswoh- Steuererhebung kannte, störte das so lange nicht, bis die nung lebt, wird durch die Grundsteuer – nebenbei auch moderne Steuertheorie – auch und gerade durch das Bun- durch die Rundfunksteuer – im Existenzminimum einge- desverfassungsgericht auf vortreffliche Weise entwi- schränkt. Das alles riecht nach Verfassungswidrigkeit und ckelt – die Fragen nach den Erhebungsgründen, der Leis- wird von klugen Köpfen auch so gesehen. tungsgerechtigkeit und der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen stellte. Zudem verlangt die Steuertheorie ein Da die Grundsteuer bei Vermietung an die Mieter wei- ökonomisches Verhältnis zwischen Steueraufkommen tergereicht werden kann, werden sich speziell die Groß- (B) und dem Erhebungsaufwand. stadtmieter wundern – entgegen den jetzigen Ankündi- (D) gungen –, wenn demnächst die neuen Wertverhältnisse in Bei all diesen Kriterien sieht die Grundsteuer alt aus. neue Belastungen umgesetzt werden. In einer Stadt wie Um beim Einfachen anzufangen: Das jährliche Aufkom- Berlin mit einem Hebesatz von über 1 000, einer der men der Grundsteuer beträgt knapp 14 Milliarden Euro. höchsten in der ganzen Bundesrepublik, wird diese mie- Das sind rund 2 Prozent des Steueraufkommens des Ge- terunfreundliche Politik hoffentlich die entsprechende samtstaates. Um es zu erzielen, müssen 35 Millionen Be- Reaktion erzeugen. steuerungsobjekte, vorwiegend Häuser und Wohnungen, periodisch bewertet werden. Dafür braucht es mehrere (Beifall bei der AfD) Tausend Steuerbeamte, die demnächst eingestellt werden Die Operation Grundsteuer wird in einzelnen Bundes- sollen – es gibt sie gar nicht –, die jedoch nur zeitweise ländern bereits als sehr unangenehm empfunden; sie er- damit beschäftigt sind; im Übrigen streichen sie das Fi- scheint unheimlich. Deshalb fordern diese Länder – als nanzamt an. Da die Bewertung schon in der Vergangen- Notausgang für Helden gewissermaßen – eine Öffnung heit nicht geklappt hatte und zum letzten Mal 1936 statt- durch das Grundgesetz für eine eigene legislative Mög- fand, musste das Bundesverfassungsgericht schon allein lichkeit. Auch hierfür bedarf es einer Verfassungsände- deshalb die in diesen Jahren erhobene Grundsteuer für rung. Sie sehen, meine Damen und Herren: Chaos auf verfassungswidrig erklären. Das hat es mit vorheriger, allen Rängen. mit reichhaltiger Ansage 2018 getan; von jedem Fach- menschen war das lange erwartet worden und vorherge- Die AfD hat daher einen Modellvorschlag eingebracht, sehen. der den Kommunen, welche die ausschließliche Ertrags- hoheit der Grundsteuer haben, die derzeit zu einem Auf- Das Bundesverfassungsgericht musste sich dabei zur kommen von etwa 12 Prozent ihrer Steuereinnahmen steuertheoretischen Begründung der Grundsteuer nicht führt, zu angemessenen Ersatzeinnahmen verhilft und vertieft äußern. An anderer Stelle allerdings hat es fest- dennoch Steuersystematik, Verfassungsrecht und Erhe- gestellt, dass der Gesetzgeber den Belastungsgrund einer bungsökonomie respektiert. Hätte man sich früher ver- Steuer im Gesetz erkennbar machen muss. In der Begrün- nünftige Gedanken gemacht, wäre man jetzt nicht in Zeit- dung zur jetzigen Vorlage, welche als Steuergegenstand not. Reformunfähigkeit, meine Damen und Herren, hat den Wert von Grund und Boden ansieht und bestimmte Folgen! Bewertungsverfahren vorschreibt, um ihn zu ermitteln, wird der Sollertrag des Steuergegenstandes als Belas- Auf eine Kuriosität muss noch hingewiesen werden. tungsobjekt angegeben. Was aber soll das sein, der Soll- Die Clara-Zetkin-Kommunisten in diesem Hause wollen ertrag? Sie alle sind erstaunt. Wenn man Erträge aus Im- jetzt den Kampf gegen die 45 Prozent der Bürger, die sich 14696 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Albrecht Glaser (A) Wohneigentum geschaffen haben. Dieser Kampf muss Das Verfassungsgericht wird über dieses dubiose Gesetz (C) gefochten werden. befinden müssen, und es wird darüber befinden, davon können Sie ausgehen. Das Ergebnis ist offen. (Beifall bei der AfD) Wenn über 60 Prozent der Bürger mit der Arbeit dieser Er muss gefochten werden in dem Land, in dem die nied- Regierung unzufrieden sind – das sagt eine jüngste Um- rigste Wohnungseigentumsquote in der gesamten EU frage –, dann hat das seine guten Gründe. Diese Grund- existiert. 45 Prozent der Bürger dieses Landes haben Ei- steuerreformruine ist einer davon. gentum, und über 80 Prozent sehnen sich seit Jahrzehnten beständig danach, es zu bekommen. Das können wir ver- Herzlichen Dank. hindern. Das kriegen wir hin: Steuern auf die Vermögens- substanz, auch wenn damit keine Erträge erzielt werden. (Beifall bei der AfD – Michael Grosse-Brömer Meine Damen und Herren, das ist Sozialismus, und es ist [CDU/CSU]: Wir wissen jetzt zwar nicht, was verfassungswidrig und müsste daher den Verfassungs- die AfD will, aber es war eine schöne Vorle- schutz interessieren. sung!)

(Beifall bei der AfD) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Statt sich ein Land von Wohnungseigentümern vorzustel- Nächster Redner ist der Kollege Andreas Jung, CDU/ len – das könnte man ja mal machen –, muss der selbst- CSU. verantwortliche Bürger bekämpft werden; denn mit ihm kann man keine Revolutionen machen. Das ist das Prob- (Beifall bei der CDU/CSU) lem. Andreas Jung (CDU/CSU): Da diese verkorkste und unter Zeitdruck zusammenge- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das schusterte Grundsteuerreform einer Verfassungsänderung Paket, das wir heute beschließen werden, ist ein Paket zur bedarf, musste die kleine Große Koalition eine verfas- Stärkung kommunaler Selbstverwaltung. Es ist ein Paket sungsändernde Mehrheit besorgen. Wie bekommt man zur Stärkung föderaler Vielfalt, es fördert bezahlbaren die FDP und die Grünen ins Boot? Die Gegenleistungen Wohnraum, und es vermeidet unnötige Bürokratie. Und der Regierungskoalition kennen wir nicht. Vielleicht gibt damit ist es ein gutes Ergebnis. es demnächst wieder Richterwahlen für die obersten Ge- richte? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Herr (Heiterkeit und Beifall bei der AfD – Christian Glaser, hören Sie zu!) (B) (D) Dürr [FDP]: Hä?) Es ist ein Durchbruch nach zugegebenermaßen Auf alle Fälle hat es diesmal geklappt: Die einen bekamen schwierigen Verhandlungen, da es bei den Fraktionen in die Baulandsteuer – Grundsteuer C genannt – mit einem diesem Haus, auch innerhalb der Großen Koalition, und extra erhöhten Hebesatz. Den anderen wurde durch Mi- bei denen, die die Grundgesetzänderung mittragen, unter- nisterwort versprochen, den Verwaltungsaufwand in schiedliche Auffassungen gibt. Aber es bestand die Not- Grenzen zu halten. wendigkeit, ein gemeinsames Ergebnis zu finden, weil das Bundesverfassungsgericht gesagt hat: Ihr müsst eine (Christian Dürr [FDP]: Das ist ja Quatsch! Das Neuregelung machen. Wenn ihr in diesem Jahr keine steht im Gesetz, Herr Glaser! Sie haben es nicht Neuregelung schafft, dann wird nächstes Jahr keine mitbekommen! – Britta Haßelmann [BÜND- Grundsteuer erhoben. – Es geht um Einnahmen in Höhe NIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat einiges nicht von 14 Milliarden Euro für die Städte und Gemeinden in mitbekommen!) Deutschland. Um diese zu sichern, haben wir uns in der – Lieber Herr Dürr, wenn Sie doch einmal zivilisatorische Großen Koalition und darüber hinaus jetzt auch mit den Grundregeln der Kommunikation einhalten würden. Ländern, mit FDP und Grünen, zusammengerauft. Ich darf mich bei allen Beteiligten sehr herzlich bedanken. (Beifall bei der AfD – Lachen des Abg. Wir werden damit unserer Verantwortung als Demokra- Christian Dürr [FDP] – Christian Dürr [FDP]: ten gerecht und können den Kommunen das Signal ge- Das sagt der Richtige! Der war gut! – Stefan ben: Die Einnahmen aus der Grundsteuer sind gesichert. Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zi- tieren Sie, was Sie im Ausschuss gesagt ha- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und ben! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: der SPD) Sie haben es falsch zitiert!) Wir tun dies mit der Durchsetzung der Öffnungsklau- Wenn man wüsste, wie die Wurst hergestellt wird, wür- sel, mit dem Bekenntnis zu föderaler Vielfalt; das ist ein de man sie nicht essen – da hilft auch eine debile Lache neuer Weg. Herr Kollege Daldrup, ich will es bei aller nichts, Herr Dürr –, sagt ein metzgerkritisches Sprich- großkoalitionären Nächstenliebe doch deutlich sagen: wort. So etwas Ähnliches könnte auch für Gesetze gelten Wer Föderalismus als Provinzialismus verspottet und deren mangelnde Autorität beim Bürger. (Bernhard Daldrup [SPD]: Habe ich nicht!) (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: – das haben Sie getan –, hat ein grundlegend falsches Schauen Sie bei Bismarck nach! Er hat dazu Verständnis von unserem Staatsaufbau und von Subsidia- etwas gesagt!) rität. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14697

Andreas Jung (A) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) setz finden, wo es gelungen ist, entgegen den ersten Vor- (C) Deshalb sage ich es extra für Sie frei nach Willy Brandt schlägen, eine Regelung zu finden, bei der man nicht an und Klaus Wowereit: Wir wollen mehr Föderalismus wa- jeden einzelnen Mietvertrag ranmuss, sondern aus allge- gen. Und das ist auch gut so. mein zugänglichen Quellen die Grundsteuer erheben kann. Wir erreichen es dadurch, dass wir bei Gewerbe- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) immobilien das Sachwertverfahren vereinbaren konnten. Wir erreichen es dadurch, dass bei der Landwirtschaft die Ich finde, das, was wir hier tun, kann auch für andere bewährten Regelungen fortgeführt werden können, und Dinge prägend sein. Warum? Was machen wir denn hier? wir erreichen es letztlich auch dadurch, dass ein Land, Wir sagen: Wir haben eine kommunale Steuer, und der wenn es von der Öffnungsklausel Gebrauch macht, keine Aufwand kommt zu 100 Prozent den Kommunen zugute. Doppelerhebung vornehmen muss. Das hätte zu zusätz- Die Kommunen haben ein Hebesatzrecht, das schon heu- lichem bürokratischen Aufwand geführt te ausgeübt wird, mit Hebesätzen von 0 bis fast 1 000 Pro- zent. Das heißt, wir haben unterschiedliche Regelungen, (Christian Dürr [FDP]: Ja! Das ist richtig!) und das ist auch richtig, weil wir unterschiedliche Gege- benheiten haben zwischen Kiel und Konstanz, zwischen und hätte die Gefahr einer Aushöhlung der Öffnungsklau- Stadtstaaten und Flächenländern, zwischen Hotspots, wo sel mit sich gebracht. Menschen Wohnungen suchen, und Gebieten, in denen (Christian Dürr [FDP]: Sehr richtig, Herr Häuser leerstehen. Deshalb ist es richtig, dass wir auf Jung!) unterschiedliche Gegebenheiten entsprechend reagieren und nicht alles über einen Kamm scheren, sondern unter- Das ist endgültig vom Tisch. Das ist richtig und trägt schiedliche, flexible Lösungen ermöglichen. Dass die dazu bei, unnötige Bürokratie zu verhindern, die Öff- Länder in Zukunft ihre eigene Grundsteuer erheben kön- nungsklausel zu stärken und insgesamt eine Grund- nen, ist richtig. Das haben wir gemeinsam beschlossen, steuerreform umzusetzen, hinter der wir aus Überzeu- das werden wir gemeinsam auf den Weg bringen. Das ist gung stehen können. Wir erreichen ein gutes Ergebnis. ein Fortschritt für den Föderalismus und ein Beispiel für Herzlichen Dank. passgenaue, gute Lösungen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Christian Dürr [FDP]) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Unsere Leitlinie in dieser Diskussion war das, was wir Christian Dürr, FDP, ist der nächste Redner. (B) gemeinsam im Koalitionsvertrag vereinbart haben, näm- (D) lich dass wir bezahlbaren Wohnraum sichern wollen. (Beifall bei der FDP) Dem muss sich die Grundsteuerreform unterordnen. Un- ser Ziel ist eben nicht, möglichst hohe Steuern zu erhe- Christian Dürr (FDP): ben; denn wir sind der Überzeugung, dass eine höhere Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Grundsteuer immer, selbst wenn man an der Umlagefä- Kollegen! Es sind ja in Wahrheit zwei Punkte, über die higkeit herumgeschraubt hätte, was wir Gott sei Dank wir heute reden. Zum Ersten sprechen wir heute über den verhindern konnten, zu höheren Mieten und zu Belastun- Entwurf eines Grundsteuergesetzes von Union und SPD – gen im Bereich Wohnen führt. Deshalb war unsere Ma- ich komme darauf inhaltlich gleich noch zu sprechen –, xime, einerseits die Einnahmen der Kommunen zu si- und zum Zweiten geht es um die Einführung einer Län- chern, andererseits aber höhere Mieten, eine höhere deröffnungsklausel im Grundgesetz, die den Bundeslän- Belastung zu verhindern. Das erreichen wir mit diesem dern die Möglichkeit eröffnet, eigene Grundsteuergesetze Gesetz. zu erlassen. Wir erreichen es dadurch, dass man nicht tatsächliche Ich will Ihnen, Herr Daldrup und Herr Jung, danken, Mieten ansetzt, sondern Durchschnittsmieten. Wir errei- dass Sie die Forderungen der Freien Demokraten in Be- chen es dadurch, dass man auf den Metropolenzuschlag zug auf die Länderöffnung übernommen haben. Es drohte verzichtet hat, der eine Doppel- und Dreifachbelastung eine komplizierte Doppelbürokratie, durch die die Länd- bedeutet hätte. Und wir erreichen es insgesamt dadurch, eröffnung, wie Sie zu Recht gesagt haben, ins Leere ge- dass wir durch die Bundesregelung und die Öffnung für laufen wäre. Kein Land wird gezwungen, das Bundesge- Länderklauseln einen Wettbewerb um das beste Modell setz anzuwenden. Dieser politische Erfolg der Freien und damit auch einen Wettbewerb darum ermöglichen, Demokraten ist vor allem ein politischer Erfolg für die wie am besten das Ziel, bezahlbaren Wohnraum zu si- Haus- und Grundbesitzer und für die Mieterinnen und chern, erreicht werden kann. Deshalb ist das heute ein Mieter in Deutschland. sehr wichtiger Beitrag, auch zu dem Ziel der Großen Koalition, das wir insgesamt in Deutschland haben: be- (Beifall bei der FDP – Stefan Schmidt zahlbaren Wohnraum sichern. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Blödsinn!) Alle Bundesländer bekommen die Möglichkeit, ein un- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) kompliziertes Flächenmodell bei der Grundsteuer einzu- Darüber hinaus sind wir diese Reform angegangen in führen. Die Haus- und Wohnungseigentümer brauchen dem Geiste, unnötige Bürokratie zu verhindern. Das spie- ihre Immobilien nicht mit viel Aufwand zu bewerten. gelt sich wider in den Regelungen, die wir im Bundesge- All die negativen Effekte eines bürokratischen Bewer- 14698 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Christian Dürr (A) tungsmodells werden vermieden. Ich fordere alle vor allem in Hamburg die Grundstückswerte deut- (C) 16 Bundesländer auf, davon auch Gebrauch zu machen. lich gestiegen waren. Als Bundesminister brachte er hingegen einen Gesetzentwurf in den Bundestag ein, (Beifall bei der FDP) der das Wertemodell favorisiert. Viele Es liegt jetzt an den Landesregierungen und Landespar- – auch wir – lamenten, das zu tun. fragen sich: Was ist auf dem Weg von Hamburg nach Ich komme zu dem anderen Punkt. Warum ist eine Berlin mit dem Mann passiert? solche Länderöffnung überhaupt notwendig geworden? Warum ist sie so wichtig? (Beifall bei der FDP – Dr. h. c. [Univ Kyiv] (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Weil Herr Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sozialismus!) Söder sie wollte, nicht die FDP!) Olaf Scholz weiß, dass das Bewertungsmodell schlecht Sie ist so wichtig, weil Sie heute ein Grundsteuergesetz ist. Die Union weiß, dass das Bewertungsmodell schlecht beschließen wollen, welches die Bundesländer gezwun- ist. Es ist wirklich ein politischer Erfolg am heutigen gen hätte, eine Katastrophe für die Mieter und Hauseigen- Tage, dass kein einziges der 16 Bundesländer dieses Be- tümer herbeizuführen. 35 Millionen Immobilien hätten wertungsmodell anwenden muss, sondern stattdessen das neu bewertet werden müssen, Flächenmodell der Freien Demokraten umsetzen kann. (Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der FDP) GRÜNEN]: Das müssen sie auch jetzt!) Ich will zum Schluss etwas zum Stichwort Umlagefä- und zwar alle paar Jahre. Tausende neue Stellen in den higkeit sagen. Die Grünen werden gleich sagen: Halt! Die Finanzverwaltungen sind dafür notwendig. Das ganze Mieten müssen ja gar nicht steigen, wenn die Umlage- Gesetz ist ein Bürokratiemonster. Deswegen werden wir fähigkeit abgeschafft wird. – Ihre Behauptung, dass die es ablehnen. Mieten dann nicht steigen, ist doch ein Märchen; denn die Vermieter werden das logischerweise in die Kaltmiete mit (Beifall bei der FDP – [SPD]: einrechnen. Ihre Antwort darauf lautet: staatliche Mieten. Daran ändert sich aber nichts!) Es wird am Ende dadurch in Deutschland, gerade in sol- chen Hotspots wie Berlin, keine einzige neue Wohnung Das trifft die Eigentümer. entstehen. Ich komme jetzt auf die Mieterinnen und Mieter zu sprechen. Dieses Gesetz ist der personifizierte Olaf- (Beifall bei der FDP) (B) Scholz-Mietenturbo. Denkt man das zu Ende, so ist das Ergebnis Ihrer Po- (D) litik, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, dass (Beifall bei der FDP – Michael Schrodi [SPD]: der Wohnungsbau komplett in staatliche Hand kommt. Sie haben es nicht verstanden!) Das ist 40 Jahre lang wenige Meter von hier ausprobiert Die Grundlage für die Höhe der Grundsteuer sollen nach worden. Das funktioniert nicht; das müssen wir verhin- Ihrem Willen, nach dem Willen der Großen Koalition, die dern. Die Marktwirtschaft ist die bessere Antwort, insbe- Mieten und Grundstückswerte sein. Mit anderen Worten: sondere am Wohnungsmarkt. Dort, wo die Mieten hoch sind, werden sie durch dieses Gesetz weiter steigen. Das ist die faktische Einführung Herzlichen Dank. der kalten Progression bei der Grundsteuer. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Steigende Mieten führen zu steigender Grundsteuer, mei- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: ne Damen und Herren. Nächster Redner ist der Kollege Fabio De Masi, Die Linke. Deswegen ist der wahre politische Erfolg, dass kein Land gezwungen wird, so etwas einzuführen. Es ist ein (Beifall bei der LINKEN) gigantischer Fehler von Union und SPD, diesem Scholz- Modell jemals zugestimmt zu haben. Fabio De Masi (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Grund- (Beifall bei der FDP) steuer in ihrer jetzigen Form ist verfassungswidrig. Die Ich will zum Schluss eine Frage stellen. Diese Proble- Einheitswerte zur Ermittlung des Wertes von Grund- matik des Gesetzentwurfs von Olaf Scholz ist von der stücken und Immobilien wurden im Westen zuletzt Union ja gesehen worden. Warum hat Olaf Scholz so 1964 und im Osten 1935 festgesetzt. Der Wert von etwa etwas überhaupt vorgelegt? Ich habe mir in den letzten 36 Millionen Grundstücken hat sich seither total verän- Wochen die Berichterstattung in der Sommerpause ange- dert, und es kommt zu großen Ungerechtigkeiten. schaut. Das „Hamburger Abendblatt“ schrieb am 27. Juli dieses Jahres: Ohne eine Reform der Grundsteuer würden in den Kommunen zukünftig 14 Milliarden Euro jährlich fehlen. Als der Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) Kommunen brauchen aber Busse, Turnhallen und noch Hamburgs Erster Bürgermeister war, lehnte Schulen; denn Kommune ist dort, wo wir leben und arbei- er das Wertemodell vehement ab, wohlwissend, dass ten. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14699

Fabio De Masi (A) Die Grundsteuer beträgt derzeit durchschnittlich und Grundstücksfläche eine Rolle. Die Linke befürwortet (C) 175 Euro im Jahr oder 50 Cent pro Tag; daran soll sich ein wertabhängiges Modell; auch nichts ändern. Natürlich zahlt niemand gerne Steuern; aber es ist wie in jeder Gemeinschaft: Alle müs- (Beifall bei der LINKEN sowie bei sen den Abwasch machen. Wo es eine gute Infrastruktur Abgeordneten der SPD) gibt, profitieren auch die Hausbesitzer. Der Wert ihrer denn es ist eben ein Unterschied, ob eine Hütte oder eine Grundstücke und Immobilien steigt. Villa auf einem gleichgroßen Grundstück steht. Die Linke Wie in jeder Gemeinschaft ist es aber entscheidend, will daher „Friede den Hütten!“ und die Union will Friede wer den Abwasch macht und wie oft. Ist es der Besitzer den Palästen. Das ist der Unterschied. eines kleinen Einfamilienhauses, ist es die Kranken- (Beifall bei der LINKEN) schwester, die nur zur Miete wohnt, oder ist es der Eigen- tümer einer Villa am Starnberger See? Wir haben den ursprünglichen Entwurf des Finanzmi- nisters für ein wertabhängiges Modell begrüßt. Auch wir (Beifall bei der LINKEN) unterstützen die Grundsteuer C, mit der ein eigenes Hebe- Herr Glaser, Sie haben ja gerade behauptet, die Linke satzrecht der Kommunen für unbebaute, aber baureife würde Politik gegen 45 Prozent der Bevölkerung machen. Grundstücke geschaffen wird. Wer mit Bauland speku- Das ist in der Sache natürlich falsch. liert, statt zu bauen, kann dann stärker besteuert werden. Das will auch die Linke. (Albrecht Glaser [AfD]: Nein! Natürlich nicht!) (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich will Sie nur darauf hinweisen, dass dies im Umkehr- schluss bedeuten würde, wir würden Politik für 55 Prozent Leider gab es am Ende aber auch viele schlechte Kom- der Bevölkerung machen. promisse mit der Union. (Christian Dürr [FDP]: Das ist auch falsch!) Erstens. Das wertabhängige Modell wurde durch Pau- Darauf wollte ich hinweisen. schalisierungen verwässert. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Zweitens. Bayern wollte eine Extrawurst mit einer Öff- nungsklausel. Sie haben ja als Kämmerer in Frankfurt ein paar Milliön- chen in den Sand gesetzt. Kopfrechnen scheint nicht so ( [CDU/CSU]: Zu Recht!) Ihre Stärke zu sein. (B) Damit ist auch ein reines Flächenmodell möglich. Dann (D) (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. wird auf 1 Quadratmeter Wohnfläche einer Villa am Bernhard Daldrup [SPD]) Starnberger See kaum mehr Grundsteuer entfallen als auf den einer Sozialwohnung in München. Da Bayern Wenn die Hauspreise steigen, profitieren davon in ers- aber nicht auf Geld verzichten will, zahlt der Sozialmieter ter Linie die Eigentümer, nicht die Mieter. Die Mieter relativ gesehen mehr und der Villenbesitzer relativ gese- zahlen dann vor allem höhere Mieten. Da die Miete in hen weniger. Das ist nicht christlich, das ist nicht sozial, die Berechnung der Grundsteuer einberechnet wird, zie- das ist einfach nur dreist. hen Mietsteigerungen dann häufig auch eine Erhöhung der Nebenkosten wegen höherer Grundsteuer nach sich. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ulle Das ist doppelt ungerecht. Die Linke fordert daher, dass Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) die Umlage der Grundsteuer auf die Mieterinnen und Mieter gestoppt wird. Und für diesen Unfug soll jetzt auch extra das Grund- gesetz geändert werden. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Drittens gibt dies Bayern die Möglichkeit, seine Fi- NEN]) nanzkraft klein und sich im Länderfinanzausgleich ärmer zu rechnen. Damit dies aber nicht passiert, muss das im Viele Menschen fürchten, dass es mit der Reform der Gesetz festgeschrieben werden. Damit auch die FDP Grundsteuer wegen der gestiegenen Hauspreise auch zu noch ihre Wahlkampfshow hat, musste zusätzlich ins einer Explosion der Steuern kommt. Aber die Reform der Gesetz, dass es nicht mehr Bürokratie durch die Nutzung Grundsteuer soll neutral sein. Es sollen auch weiterhin der Öffnungsklausel geben wird. Denn die Steuer muss nicht mehr als die 14 Milliarden Euro eingenommen wer- dann für den Länderfinanzausgleich theoretisch gleich den. Die Kommunen müssen dazu die Hebesätze anpas- zweimal ermittelt werden: einmal nach Scholz und ein- sen. mal nach Söder. Wenn es zu Veränderungen für die Steuerzahler (Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Stimmt doch kommt, am Ende aber nicht mehr Geld eingenommen gar nicht!) werden soll, geht dies nur, wenn einige mehr zahlen als vorher und andere weniger als vorher. Beim wertabhän- Auf Deutsch: Die FDP feiert die Öffnungsklausel, die gigen Modell spielt nicht nur die Größe des Grundstücks mehr Bürokratie schafft, feiert aber auch, dass sie eine eine Rolle, sondern auch der Wert der Immobilie, die Regel gegen mehr Bürokratie im Gesetz verankert habe. darauf steht. Beim Flächenmodell spielt nur die Wohn- Klingt bescheuert, ist auch bescheuert. 14700 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Fabio De Masi (A) (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordne- Kommune in Deutschland gibt. Die Regelung läuft also (C) ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – vollkommen ins Leere. Aber statt die Formulierung ein- Christian Dürr [FDP]: Unsinn! Wo ist denn da fach aus dem Gesetz rauszulassen, hält die Bundesregie- mehr Bürokratie?) rung, halten die Koalitionsfraktionen an dieser sinnlosen Es gilt wohl der alte Satz von Bismarck, wonach es Forderung fest. Ganz ehrlich: Schade! manchmal besser ist, wenn die Bevölkerung nicht mitbe- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) kommt, wie zwei Dinge gemacht werden: Blutwürste und Gesetze. Eine der großen Ungerechtigkeiten rund um die Grund- steuer bleibt wohl leider erhalten. Sie muss nämlich (Dr. Florian Toncar [FDP]: Da haben Sie sich weiter von den Mieterinnen und Mietern gezahlt werden. jetzt mit Herrn Glaser gemein gemacht!) Ja, auch Sie haben etwas von den Grundsteuereinnahmen. Hätte Herr Scholz die Kompromisse mit der Linken statt Sie nutzen schließlich die Infrastruktur der Kommune. mit der FDP gesucht, hätte es in den letzten Tagen harte Aber Vermieterinnen und Vermieter profitieren doppelt: Verhandlungen für Millionen Mieterinnen und Mieter ge- Zum einen können sie höhere Mieten erzielen – das wur- geben und nicht so einen Unfug wie mit der FDP. de hier ja auch zu Recht dargestellt –, zum anderen steigt der Wert der Immobilie. Es ist völlig absurd, dass die (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ulle Bundesregierung die Umlagefähigkeit der Grundsteuer Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) auf Mieten nicht abschaffen will. Die Linke wird sich daher bei der Abstimmung zum Grundsteuer-Reformgesetz enthalten. Der Grundsteuer C (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gegen Spekulationen mit Bauland stimmen wir zu. Die Wir Grüne wollen das ändern. Ringen Sie sich durch, Grundgesetzänderung überzeugt uns jedoch nicht, und und stimmen Sie nachher unserem Gesetzentwurf zu. Die wir beantragen heute namentliche Abstimmung. Die Um- Umlage der Grundsteuer auf Mieterinnen und Mieter ist lage der Grundsteuer auf die Mieterinnen und Mieter in und bleibt ungerecht. Aber das muss nicht so bleiben. Das der Betriebskostenverordnung zu stoppen, das ist unsere können wir hier ändern. Verantwortung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Vielen Dank. Christian Dürr [FDP]: Das habe ich Ihnen doch (Beifall bei der LINKEN) gerade erklärt!) Lassen Sie mich zurückkommen zu den eigentlichen (B) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Grundsteuergesetzentwürfen. Die FDP hat im letzten Mo- (D) Stefan Schmidt, Bündnis 90/Die Grünen, hat jetzt das ment auf stur gestellt. Das hätte den Kompromiss zur Wort. Grundsteuer fast noch gekippt. Und warum? Sie wollte unbedingt kleine kosmetische Änderungen, Korrekturen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) am Gesetzentwurf durchsetzen. Diese Änderungen sind zwar nicht weiter tragisch, aber eben auch nicht weiter Stefan Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): wirklich relevant. Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin- nen und Kollegen! Seit ganzen 18 Monaten wissen wir: (Beifall der Abg. Britta Haßelmann Die Grundsteuer ist verfassungswidrig. Und erst seit we- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) nigen Monaten beraten wir Abgeordnete über eine neue Grundsteuer. Mehr als ein ganzes Jahr lang liefen die Oder auf gut Bayerisch gesagt: Nutzt’s nix, so schad’s Gespräche und Verhandlungen im Hinterzimmer. Das nix. war schlechter Stil. Das hat den Prozess nur erschwert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Das hat zu erheblichen Sorgen vieler Bürgermeisterinnen wie der Abg. Michael Schrodi [SPD] und Fabio und Bürgermeister geführt, und das zu Recht; denn wir reden hier über nicht weniger als 15 Milliarden Euro, mit De Masi [DIE LINKE]) denen Schulen, Schwimmbäder und Kulturangebote fi- Für das größte Manko allerdings an diesem Kompro- nanziert werden, also das gesamte Sozialleben einer miss sorgte wie so häufig die CSU. Die CSU hat es wieder Kommune. einmal geschafft, eine Extrawurst für sich herauszuholen, Nun ist es aber endlich geschafft. Das Grundsteuer- diesmal mit der Länderöffnungsklausel, nur um das un- Reformgesetz steht. Endlich können die Kommunen auf- gerechte Flächenmodell in Bayern einführen zu können. atmen und auch weiterhin mit den Einnahmen rechnen. (Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Danke für die Ein großer Wurf ist das Gesetzespaket gleichwohl nicht Werbung!) geworden. Mit dem ersten Manko dürfen sich die kom- munalen Wohnungsunternehmen herumschlagen, wenn Mit der Länderöffnungsklausel öffnet die Bundesregie- sie künftig eine niedrigere Grundsteuermesszahl in An- rung Tür und Tor für einen Flickenteppich aus bis zu 16 spruch nehmen wollen. Um zum Beispiel mehr Sozial- verschiedenen Grundsteuern. Ich bin überzeugt: Wir wohnungen bauen zu können, müssen sie einen Gewinn- brauchen keine Öffnungsklausel. Das Bundesmodell ist abführungsvertrag mit den Kommunen nachweisen. Die das verständlichere und gerechtere Modell für die Bürger- kommunalen Spitzenverbände haben in der Anhörung innen und Bürger. Und sonderlich kompliziert ist es auch klipp und klar gesagt, dass es so was in keiner einzigen nicht; das wurde in der Anhörung auch deutlich. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14701

Stefan Schmidt (A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Aber uns Grünen war und ist wichtig, dass die Kommu- (C) wie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. nen endlich Sicherheit haben über ihre Einnahmen und Fabio De Masi [DIE LINKE]) nicht weiter bangen müssen. Deshalb werden wir dem Hier müssen Sie, werte Kolleginnen und Kollegen aus Gesetzentwurf heute auch zustimmen. der Union und der FDP, sich endlich auch einmal ehrlich Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. machen. Wenn wir eine aufkommensneutrale Grund- steuer wollen – und alle wollen sie –, dann bedeutet (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das, dass die Kommunen durch ihr Hebesatzrecht am sowie bei Abgeordneten der SPD) Ende genauso viel einnehmen wie bisher. (Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Stimmt Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: überhaupt nicht!) Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Hans Michelbach, CDU/CSU. Es wird aber zu individuellen Lastenverschiebungen kommen. Einige werden zwangsläufig mehr, andere we- (Beifall bei der CDU/CSU) niger zahlen. Dieses Phänomen wird es bei allen Model- len geben, egal wie einfach oder komplex sie am Ende sind. Die Länderöffnungsklausel wird das nicht lösen Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Michelbach (CDU/CSU): können. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An der Neuregelung der Grundsteuer haben wir mehr als ein (Beifall der Abg. Britta Haßelmann [BÜND- Jahr lang sehr intensiv gearbeitet. Das Ziel von CDU und NIS 90/DIE GRÜNEN] und Bernhard Daldrup CSU war von Anfang an eine Reform, die einfach und [SPD]) transparent ist, die verfassungskonform ist, die Mieter Und dann werden einige Bürgerinnen und Bürger trotz und Eigentümer nicht überfordert, die eine wichtige Ihres Flächenmodells mehr Grundsteuer zahlen müssen kommunale Steuer sichert und die zudem föderalismus- als bisher und in vielen Fällen auch mehr, als sie nach dem freundlich ist. Vor allem wollten wir eine umfassende Bundesmodell bezahlen müssten. Länderöffnungsklausel, weil die Immobilienwerte in Deutschland nun mal sehr unterschiedlich sind. Und des- Seien Sie so ehrlich, und sagen Sie das den Menschen. halb ist diese Öffnungsklausel richtig, meine Damen und Sie werden erklären müssen, warum man für ein herunter- Herren. gekommenes Häuschen auf dem Land mehr Grundsteuer zahlen muss als für eine Stadtvilla. (Beifall bei der CDU/CSU) (B) (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Kompromiss, sowie bei Abgeordneten der SPD und der der den Ländern große Eigenständigkeit garantiert. Wir LINKEN – Christian Dürr [FDP]: Das stimmt kommen der Forderung des Bundesverfassungsgerichts doch so überhaupt nicht!) nach, eine Grundsteuerreform noch vor Ende 2019 abzu- schließen. Wir sichern damit eine wichtige Quelle für die Die Kritik der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Finanzierung der kommunalen Infrastruktur und stärken von Stadt- und Gemeinderäten ist jetzt schon hörbar. Die- damit unsere Städte und Gemeinden. Hier entsteht ab ser Kritik werden Sie sich stellen müssen. sofort Planungssicherheit für unsere Kommunen. Der Kompromiss zur Grundsteuer enthält aber auch (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) erfreuliche und gute Punkte. Besonders zufrieden bin ich mit der Einführung und Ausgestaltung der Grund- CDU und CSU waren von Anfang an für eine umfas- steuer C. Sie ermöglicht den Städten und Gemeinden, sende Öffnungsklausel. Wir halten sie nicht nur wegen der Bodenspekulation einen Riegel vorzuschieben. Das der unterschiedlichen Immobilienwerte für sehr wichtig, ist dringend notwendig. sondern auch deshalb, weil das von Bundesfinanzminis- ter Scholz ursprünglich vorgeschlagene wertabhängige (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Besteuerungsmodell nach unserer Auffassung zu kompli- wie bei Abgeordneten der LINKEN und des ziert, intransparent und aufwendig war. Es wurde nach- Abg. Bernhard Daldrup [SPD]) gebessert. Es könnte wegen der Berechnung auf der Basis Ich freue mich auch, dass auf unser Bemühen hin künf- von Bodenrichtwerten und Mieten nach wie vor zu einem tig nicht nur Kommunen mit Wohnungsnot die Grund- gefährlichen und fortdauernden Erhöhungsautomatismus steuer C anwenden dürfen, sondern alle; denn gerade im bei der Grundsteuer führen. Rahmen einer aktiven Stadtentwicklung kann die Grund- steuer C ein geeignetes Instrument für alle Kommunen (Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Genau!) sein. Noch besser wäre es natürlich gewesen, hätte es mir Das wollen wir nicht. Es bedeutet eine reale Gefahr einer gefallen, wenn das Gesetz zur Grundsteuer C sofort und Grundsteuerexplosion zulasten von Eigentümern und nicht erst in fünf Jahren zur Anwendung gekommen wäre. Mietern, gerade in den Ballungsgebieten mit jetzt schon Aber besser spät als nie! sehr hoher Preisdynamik bei den Immobilien. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Öffnungsklausel dagegen macht den Weg frei für Unterm Strich muss ich sagen: Wir sind nicht mit allen ein flächenbasiertes Steuermodell, das Eigentümer, Mie- Punkten glücklich. Man hätte es besser machen können. ter, Bürger und Betriebe vor Überforderung schützt. 14702 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) (A) Noch eines: Die Grundsteuer muss eine Objektsteuer (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. (C) zur Mitfinanzierung der kommunalen Infrastruktur blei- Bernhard Daldrup [SPD]) ben. Sie darf nicht als verdeckte Einkommen- oder Ver- mögensteuer durch die Hintertür missbraucht werden, Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: meine Damen und Herren. Nächster Redner ist der Kollege Lothar Binding, SPD. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Andreas Im Übrigen: Eine wertabhängige Grundsteuer kann Jung [CDU/CSU]) nicht gerechter sein, weil in einem Gebäude ärmere und reichere Mieter leben. Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr (Christian Dürr [FDP]: So ist es!) geehrte Damen und Herren! Herr Glaser hat vorhin die Die Grundsteuer als Objektsteuer darf damit heute nicht FDP ermahnt, sie möge doch die zivilisatorischen Regeln zur Klassenkampfsteuer umgemünzt werden. einhalten. Das ist ein ganz guter Satz, obwohl ich nicht glaube, dass es bei ihnen nötig ist. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Herr Glaser hat im Ausschuss zur Grundsteuer gespro- chen. Er sprach von dem Gesetz als Torso, übersetzte das Vielmehr muss die Steuer auf das Objekt bezogen wer- mit Ungeheuer, und sagte, wir würden eine palliative Ge- den. Nur das kann gerecht sein, meine Damen und Her- setzgebung machen. Das haben wir noch einigermaßen ren. ruhig überstanden. Er sprach aber dann davon, dass Pro- Ich möchte deshalb von dieser Stelle die Länder aus- fessor Tappe ein Gefälligkeitsgutachten gemacht habe, drücklich ermutigen – ich hätte mir gewünscht, dass die dass es den Sollertrag nicht gäbe und dass der Sollertrag – Bundesratsbank heute voll besetzt ist –, ich zitiere wörtlich – wie eine Vergewaltigung auf offener Straße sei. Das haben wir dann nicht mehr ausgehalten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Richtig! – (Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE [CDU/CSU]: Genau!) GRÜNEN]: Pfui! Das hat er gesagt! So ist es!) von der Öffnungsklausel umfassend Gebrauch zu ma- Wenn dieser Mensch heute andere ermahnt, die zivilisa- chen. torischen Grundregeln einzuhalten, spricht das für sich. Meine Damen und Herren, letztlich verantwortlich für (Abg. Albrecht Glaser [AfD] meldet sich zu (B) die Höhe der Grundsteuer sind natürlich unsere Kommu- einer Zwischenfrage) (D) nen. Auch das gehört zur Wahrheit. Wir achten die kom- Ich würde sagen: Sie entfremden uns von unserer eigenen munalen Hebesatzrechte. Deshalb haben wir, auch mit Sprache. dem Kollegen Haase, der unsere Kommunalpolitiker ver- tritt, intensiv darum gerungen und vereinbart, dass dieses (Albrecht Glaser [AfD]: Herr Präsident, das ist Gesetz nicht zu Steuererhöhungen auf breiter Ebene ge- doch ungeheuerlich!) nutzt wird und der Grundsatz der Aufkommensneutralität Sie machen uns sozusagen heimatlos, obwohl wir den Ort gewahrt bleibt. Hier haben unsere Kommunen gegenüber nie wechseln. Etwas Schlimmeres gibt es nicht. unseren Bürgern eine große Mitverantwortung. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, der Grund- und der LINKEN) steuerreform und der damit verbundenen Grundge- setzänderung zuzustimmen. Ohne die Grundgesetz- änderung, die die Gesetzgebungskompetenz für die Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Grundsteuer in die Hände des Bundes legt, ist diese Re- Herr Kollege Binding, gestatten Sie eine Zwischenfra- form nicht verfassungsfest. Das hat die Anhörung deut- ge des Kollegen Glaser? lich gezeigt. Mir wäre es lieber gewesen, die Länder hät- ten die Reform selbst in die Hand genommen. Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Nein, nein. Auf diesem Niveau lasse ich keine Zwi- (Beifall des Abg. Christian Freiherr von Stetten schenfragen zu. – Es ging uns immer um das Wie – wie [CDU/CSU]) wollen wir die Steuer erheben? –, niemals um das Ob, Ich meine, wir sollten heute alle zufrieden sein, dass weil es um die Sicherung einer wichtigen Einnahmequel- dieser Kompromiss zustande gekommen ist, insbesonde- le für die Kommunen geht. Das war unser Grundsatz. Das re auch mit unserem Koalitionspartner, der eine andere Schöne ist: Alle Fraktionen waren sich einig. Deshalb Ausgangslage hatte. Die SPD sollte für diesen Kompro- stimmt das, was Hans Michelbach gesagt hat; wir alle miss werben und das eigene Gesetz nicht gleich wieder können jetzt auf das Erreichte stolz sein. schlecht machen. Ich meine, wir haben allen Grund, dem Trotzdem gab es ganz gewisse Unterschiede, auf die Gesetzentwurf heute zufrieden zuzustimmen. ich jetzt eingehe. Die CSU hat eine Öffnungsklausel er- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ist reicht. es!) (Dr. h. c. [Univ Kyiv] Hans Michelbach [CDU/ Herzlichen Dank. CSU]: Gott sei Dank!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14703

Lothar Binding (A) Man könnte auch sagen, die CSU hat Bayern ein bisschen (Beifall bei der SPD) (C) isoliert, aber damit die Tür für alle aufgestoßen; denn es Das ist auch die Hauptdiskrepanz. Wir wollen, dass Leu- ist ein teuer erkaufter Sieg. Man nennt das Pyrrhussieg. Er te, die viel mehr haben, wenigstens ein klein wenig mehr bereitet einen Flickenteppich vor und führt ein bisschen bezahlen. Das ist soziale Gerechtigkeit, die sich sehen in die Kleinstaaterei zurück. Es ist mehr Bürokratie. Das lassen kann. Flächenmodell ist – gegen alle Aussagen von euch – nicht einfacher, sondern komplizierter. (Beifall bei der SPD) Ich ergänze zum Gedankengang von Herrn Jung: Die Dass das wertabhängige Modell einfacher sein kann, Parzellierung von Steuerrecht ist kein Zeichen von Frei- hat der Finanzminister nun bewiesen. Im alten Modell heit. Es ist oft ein Zeichen von Dummheit. Der Födera- hatten wir 20 Werte, jetzt haben wir 5, bezogen auf die lismus funktioniert unter dem Dach allgemeiner Regeln Gewerbegrundstücke, musste man früher 30 Werte ange- für Deutschland besser als bei einem divergenten Flicken- ben und jetzt nur noch 8. Dazu kann man sagen: Wer teppich, den keiner mehr im Griff hat. weiß, dass 8 kleiner ist als 20, der weiß auch, dass das neue Modell einfacher ist als das alte. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall bei der SPD) Wie gut das funktioniert, erkennt man auf einer niede- Herr Glaser hat heute noch etwas Interessantes gesagt. ren oder höheren Ebene, je nachdem, wie man es möchte, Ich erwähne es nur, um anzudeuten, wie sich eine be- der Kommunen. Sie haben die Freiheit, das Hebesatzrecht stimmte Logik übersetzt. Er hat über die Eigentumsquote anzuwenden. Diese Freiheit haben wir erhalten. Wir ken- gesprochen und gesagt, 45 Prozent der Eigentümer wer- nen den Freiheitsbegriff unter einem einheitlichen Mo- den jetzt bekämpft. Zu diesem Begriff will ich etwas sa- dell. Das ist die eigentliche Qualität dieser Gesetzgebung. gen: Wer die Eigentumsquote in den Blick nimmt, der weiß sicher auch, dass die höchste Eigentumsquote in (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Rumänien ist und die niedrigste in der Schweiz. Wer da- raus etwas ableiten will, der muss ein bisschen genauer Trotz dieser Kritik und um anzudeuten, worüber wir nachdenken als nur diese Worte zu benutzen. uns gestritten haben, will ich allen danken: der CDU, der CSU, der SPD, der FDP und den Grünen. Sie zusammen (Beifall bei der SPD – Michael Grosse-Brömer zu bringen, ist nicht einfach. [CDU/CSU]: Kapitalismus!) (Heiterkeit bei der FDP) Christian Dürr hat gesagt, dass der Bürgermeister in Hamburg, Olaf Scholz, gegen das wertabhängige Modell (B) – Ja, logisch. – Wenn die Opposition mitmacht, zeigt das war. Das stimmt. Aber damals war das wertabhängige (D) auch etwas ganz Besonderes. Es zeigt nämlich, dass die Modell unter der Bedingung, dass es keine einheitliche Opposition und die Regierungskoalition staatspolitische Messzahl gab. Aber die einheitliche Messzahl hat er jetzt Verantwortung übernehmen und sich nicht, wenn die Not eingeführt. Insofern meine große Bitte: Nur Vergleichba- am größten ist, vom Acker stehlen, sondern einen Kom- res miteinander vergleichen und nicht irgendwas mitei- promiss mittragen, der jedem auf gleiche Weise irgend- nander vergleichen. Dann wird es schnell falsch. wie ein bisschen wehtut. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der Mein letzter Satz. Wir hätten sehr gerne die Möglich- FDP) keit, die Grundsteuer auf die Mieter umzulegen, abge- Ich will zwei Leute nennen, die diesen Kompromiss schafft. Diese Steuer ist ja eine Steuer auf das Eigentum besonders ausgefochten haben: Bernhard Daldrup und und nicht auf die Miete. Das bleibt sicherlich noch eine Fritz Güntzler. Diese beiden Berichterstatter haben dies kleine Aufgabe für die Zukunft; die haben wir uns vor- verhandelt. Ich finde, das ist richtig gut gelungen; denn genommen. Ihr hattet die jeweiligen Fraktionen und die Opposition In diesem Sinne: Alles Gute und vielen Dank. mit ihren Bedingungen noch im Schlepptau, wo es immer geknistert hat. Ich finde, es war eine ganz besondere Leis- (Beifall bei der SPD) tung, wie ihr das ausgetragen habt. Vielen Dank dafür. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Zu einer Zwischenbemerkung erteile ich das Wort dem Das Flächenmodell hat keine wertbasierte Berechnung. Abgeordneten Albrecht Glaser, AfD. Das finde ich schwierig. Auch Herr Dürr hat etwas zum Flächenmodell gesagt. Hier ist die Bruttogrundfläche die Albrecht Glaser (AfD): Basis. Die zu definieren, bliebe im Moment noch offen. Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Verehrter Herr Darauf will ich aber nicht genau eingehen, weil das Flä- Binding, ich muss deshalb intervenieren, weil Sie mir chenmodell nicht einfacher und gerecht ist, sondern tat- wahrheitswidrig unterstellt haben, ich hätte in der Finanz- sächlich komplizierter und streitanfälliger ist. Keine Ge- ausschusssitzung gesagt: eine Vergewaltigung auf öffent- bäudefläche ist bislang korrekt berechnet. Wer das licher Straße. Häuschen am Stadtrand mit dem gleichen Maßstab misst wie das Luxusgebäude in der Innenstadt, der macht aus (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: unserer Sicht einen Fehler. Überhaupt nicht!) 14704 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Albrecht Glaser (A) Ich glaube, ich habe es wortwörtlich so wiederholt, wie Albrecht Glaser (AfD): (C) Sie es gesagt haben. Und wenn Sie das bestätigen, wird es Herr Präsident, Ihre Ermahnung ist mir Befehl. nicht wahrer. Herzlichen Dank. (Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der AfD) NEN]: Das haben Sie gesagt! – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das haben Sie gesagt! – Bernhard Daldrup [SPD]: Doch! Zeugen!) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Herr Kollege Binding, Sie dürfen erwidern. Sie haben Wir werden das anhand des Protokolls nachvollziehen. das Wort. Ich versichere Ihnen, dass Sie gelogen haben, wenn Sie das jetzt behaupten. Ich habe gesprochen von einer Ver- (Abg. Albrecht Glaser [AfD] nimmt Platz – Zu- gewaltigung der Steuertheorie. rufe von der SPD: Aufstehen! – Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- GRÜNEN]: Nein, muss er nicht!) NEN]: Oh Gott! – Bernhard Daldrup [SPD]: Sie sollten sich schämen!) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Herr Glaser, um die Sache korrekt zu machen: Sie ha- Und dieses Sprachbild haben Sie nicht verstanden, weil ben recht. Sie haben im Ausschuss nicht gesagt: Verge- das schon oberhalb Ihrer mentalen Fähigkeiten liegt. waltigung auf öffentlicher Straße. Sie haben gesagt: Ver- gewaltigung auf offener Straße. (Beifall bei der AfD – Lachen des Abg. [Erfurt] [SPD]) (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN) Wir werden den Wahrheitsbeweis erbringen mit dem Pro- tokoll. Können Sie sich drauf verlassen! Dann werden wir Sie haben dann nach unserer Intervention gesagt, dass sei das hier noch mal nacharbeiten. ein Sprachbild, und haben mehrmals das Wort „Sprach- bild“ benutzt. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Dann melden Sie einen Tagesordnungs- (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- punkt an!) NEN]: Jetzt hören Sie auf mit diesem schrecklichen Bild! Furchtbar!) Dann erzählen Sie von den Rumänen und den Ich sage Ihnen: Das ist kein Sprachbild, das ist widerlich, (B) Schweizern. Ich weiß gar nicht, was Sie damit beweisen geschmacklos und beschämend. (D) wollen. Verehrter Herr Binding, man hat in ganz Europa ja in allen Staaten ein höheres Vermögen der Privatfami- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, lien als in Deutschland – wir sind ein armes Land, ent- der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE gegen anderslautenden Meldungen –, weil die Quote GRÜNEN) beim Wohnungsbesitz – beim Wohnungseigentum, um es exakt zu sagen – in all den Ländern, übrigens auch in Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: den romanischen Ländern am Mittelmeer, ungeheuer hoch ist. Italien und Spanien haben Wohnungseigentums- Jetzt hat das Wort der Kollege Fritz Güntzler, CDU/ quoten von 70 bis 80 Prozent. Wenn man aber Grund- CSU. erwerbsteuer und Grundsteuer macht und wenn man für (Beifall bei der CDU/CSU) das Ansparen, um eine Immobilie zu erwerben, keine Zinsen bekommt, dann wird dieses Land dauerhaft und Fritz Güntzler (CDU/CSU): nachhaltig das Land der wenigen Wohnungsbesitzer sein. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Das mag ein Leitbild sein von Leuten, die Wohnungen für Kollegen! Liebe Zuhörer! Sie haben einen Eindruck be- Staatseigentum halten, bei dem man vielleicht ab und zu kommen, wie die Diskussion im Finanzausschuss teilwei- was nutzen darf. Wer aber eine Eigentümergesellschaft se gelaufen ist. Im Großen und Ganzen war sie über die vor Augen hat – ich glaube, das ist die Mehrheit der Fraktionsgrenzen hinweg – das ist heute mehrfach ange- Bevölkerung in diesem Lande; alle Meinungsumfragen sprochen worden – sehr konstruktiv. Leider hat sich auch besagen das –, der muss eine völlige andere Politik ma- hier wieder die AfD vollständig ins Abseits gestellt. Was chen, und die andere Politik wollen wir haben. Herr Glaser für ein Niveau verfolgt, das haben wir eben wieder mitbekommen. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie Herr Kollege Glaser. bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Fabio De Masi [DIE LINKE]) Albrecht Glaser (AfD): Meine Damen und Herren, heute ist ein guter Tag für Bitte sehr. die Kommunen. Über 11 000 Kommunen haben nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April des letzten Jahres etwas gezittert, ob wir es hinbekom- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: men, ein neues Grundsteuergesetz zu machen. Denn die Zwischenbemerkungen müssen kurz sein. Frist würde ja ablaufen, und damit hätte die Grundsteuer Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14705

Fritz Güntzler (A) ab dem 1. Januar des nächsten Jahres nicht mehr erhoben Hamburg – damals zu Recht. Der Bundesfinanzminister (C) werden können. Wir können Meldung machen: Wir ha- war als Bürgermeister gegen ein wertabhängiges Modell, ben geliefert. Heute werden wir ein Grundsteuergesetz und das lag, lieber Lothar Binding, nicht nur an der beschließen mit einer Grundgesetzänderung und der Ein- Steuermesszahl. Es war eine klare Entscheidung. Ich fin- führung der Grundsteuer C. Ich nehme an, dass die Län- de es klug, dass der jetzige Hamburger Bürgermeister, der derkammer dem Ganzen auch zustimmen wird. ehemalige Finanzsenator Tschentscher, nach wie vor der Meinung ist, dass ein Flächenmodell wahrscheinlich Dass das Verfahren recht komplex war, haben wir ge- besser wäre als ein wertabhängiges Modell. Aber insge- merkt, als wir jeweils mit den Bundesländern verhandelt samt ist es gut, dass wir zu diesem Ergebnis gekommen haben. Denn man konnte nicht einfach sagen: Die A-Län- sind. der sind für dieses, die B-Länder sind für jenes. – Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir in den 16 Bundes- Wenn wir beim Belastungsgrund der Grundsteuer sind: ländern mittlerweile unterschiedliche Konstellationen ha- Es geht darum, dass die Bürgerinnen und Bürger für die ben. Es ist übrigens eine Stärke unserer Demokratie, dass Inanspruchnahme von Infrastrukturleistungen einen Bei- wir immer zusammenfinden und den Kompromiss su- trag über ihre Gebühren und Beiträge leisten. Wenn es chen, so wie wir ihn hier auch jetzt gefunden haben. aber so ist, dass es um die Inanspruchnahme durch die Mit dem Wissen von heute – 556 Tage nach dem Ur- Mieterinnen und Mieter geht, dann ist es auch folgerich- teil – hätte man am Anfang vielleicht mehr darüber nach- tig, dass die Mieterinnen und Mieter die Grundsteuer zu denken können, ob es nicht sinnvoll gewesen wäre, es tragen haben, dass die Umlagefähigkeit bleiben muss. komplett freizugeben, sodass die Länder in eigener Be- Das ist eigentlich die Konsequenz aus dem Belastungs- fugnis alles entschieden und wir uns als Bundesgesetz- grund der Grundsteuer. Das kann man meines Erachtens geber herausgehalten hätten. nicht anders darstellen. Von daher ist es klug, dass wir dabei bleiben, wie es jetzt geregelt ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich weiß, das wäre für die SPD nicht machbar gewesen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Aber ich glaube, ein Freigabegesetz wäre vielleicht gar Das Bundesgesetz verursacht bei uns teilweise auch nicht so verkehrt gewesen. Schmerzen; es ist mehrfach angesprochen worden. Wir Wir haben jetzt ein verfassungskonformes Gesetz vor- sind froh, dass wir einiges erreichen konnten. Am Anfang liegen. Es ist rechtssicher, anders als uns der Hobbyjurist war es sehr komplex – ich würde nicht von einem Büro- Glaser das weismachen wollte. kratiemonster reden wollen; das geziemt sich nicht in der Koalition –, (B) (Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN) (D) Ich frage mich, ob Herr Glaser den Gesetzentwurf tat- (Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP) sächlich mal gelesen hat. Er nimmt immer wieder Bezug – und es wäre schon schwierig geworden. Von daher ist es er unterhält sich jetzt hier auch leidenschaftlich – auf den gut, dass wir einige Vereinfachungen erzielen konnten. Belastungsgrund der Grundsteuer. Das Bundesverfas- Einige Fragen haben wir noch, ich nenne nur das Stich- sungsgericht hat in dem Urteil gesagt, wir als Gesetzgeber wort der Bodenrichtwerte, die nicht justiziabel sind. Das haben einen sehr weiten Spielraum, etwas zu regeln; wir ist, glaube ich, schon ein Problem. Wir sollten beobach- müssen nur klar den Belastungsgrund der Grundsteuer ins ten, wie letztendlich damit umgegangen wird. Gesetz schreiben und daraus folgerichtig die Bewertung ableiten. Das tut dieser Gesetzentwurf. Herr Glaser, ich Ich hoffe, die Länder werden die Öffnungsklausel in empfehle Ihnen die Seiten 81 ff. der Gesetzesbegründung. Anspruch nehmen. Wir werden einen tollen Wettbewerb Dort wird der Belastungsgrund eindeutig benannt und sehen. Mein niedersächsischer Finanzminister Reinhold folgerichtig daraus die Bewertung hergeleitet. Dass man Hilbers hat ein kluges Modell vorgeschlagen. Ich hoffe, auch einen anderen Belastungsgrund bei der Grundsteuer dass sich viele Länder anschließen werden. unterstellen kann, ist in der Steuerwissenschaft völlig un- umstritten; kann man machen. Abschließend möchte auch ich allen Beteiligten ganz Das, was der Bundesfinanzminister hier gemacht hat, herzlich danken für die wirklich meist konstruktiven Dis- ist ein gangbarer Weg, das geht in die Richtung eines kussionen, insbesondere natürlich auch meinem Kollegen wertabhängigen Modells. Selbstverständlich kann man Bernhard Daldrup. Übrigens vielen Dank für die Glück- auch ein wertunabhängiges Modell machen. Das muss wünsche zur Wahl des Kapitäns des FC Bundestages! man auch mal klarstellen: Das Bundesverfassungsgericht (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) hat nicht gesagt: Es gibt nur diese eine Lösung. – Viel- mehr sind beide Lösungen möglich: das wertunabhängige Lieber Bernhard Daldrup, wenn ich dich so im Ausschuss und das wertabhängige Modell. Das Problem war: Wenn beobachte: Ich würde mich freuen, wenn du deine Aus- Sie dem einen oder dem anderen Modell anhängen, dann putzerqualitäten dem FC Bundestag zur Verfügung stel- ist es schwierig, die Dinge zusammenzubringen. Den len könntest. Kompromiss da zu finden, ist nicht ganz einfach. Es ist ja schon über Jahre hinweg versucht worden; ich sage Herzlichen Dank. mal: Südländermodell, Nordländermodell, Thüringer Modell. Dann hat der Bundesrat mal ein Kostenwertmo- (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU dell beschlossen gegen die Stimmen von Bayern und sowie bei Abgeordneten der SPD) 14706 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

(A) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Zu der Frage, wie einfach es wird. Das Flächenmodell, (C) Nächster Redner ist der Kollege Dr. Florian Toncar, das wir wollen, hat entscheidende Vorteile. Man braucht weniger Angaben dafür als bei jedem irgendwie gearteten (Beifall bei der FDP) wertbasierten Modell. Es reichen die Grundstücksgröße der heute seinen 40. Geburtstag feiert, wozu ich im Na- und die Gebäudefläche. Bei jedem wertabhängigen Mo- men des Hauses herzlich gratuliere. dell braucht man mehr Angaben. Der andere Vorteil, Kollege Binding, Kollege Daldrup, (Beifall) beim Flächenmodell ist: Da müssen Sie einmal die Anga- ben einholen, nämlich die Fläche, und solange nicht um- Dr. Florian Toncar (FDP): gebaut wird oder sich irgendetwas mit der Immobilie Vielen Dank, Herr Präsident, für die freundliche und ändert, können Sie das auf alle Ewigkeit weiterrechnen, diskrete Behandlung dieses wichtigen Datums. also jedes Jahr die Grundsteuer ohne weitere Angaben ermitteln. Das ist sehr viel einfacher als das, was Sie hier (Heiterkeit) heute vorgelegt haben. Ab jetzt hat Verdrängung endgültig keinen Sinn mehr. (Beifall bei der FDP) Aber ich bedanke mich sehr bei allen. Jetzt haben Sie versucht, ein wertabhängiges Modell zu machen, aber in Wahrheit ist es das natürlich auch nicht; Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: denn wenn man es wirklich wertabhängig machen will, Herr Kollege Toncar, Sie sind Schwabe, – müsste man sich jedes Objekt einzeln anschauen. Bei Ihrem Modell kann es passieren, dass zwei Häuser in Dr. Florian Toncar (FDP): direkter Nachbarschaft oder zwei Wohnungen nebenei- Ja. nander im selben Haus, die sehr unterschiedlich erhalten sind oder eine sehr unterschiedliche Ausstattung haben, bei der Grundsteuer, obwohl sie unterschiedlich viel wert Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: sind, letzten Endes gleichbehandelt werden. Sie sind also – und bei den Schwaben sagt man, sie würden mit 40 letztlich damit gescheitert, ein wirklich wertabhängiges „gscheid“. Jetzt beweisen Sie es. Modell zu machen. (Heiterkeit und Beifall) (Bettina Stark-Watzinger [FDP]: Richtig!) Sie machen es nur kompliziert, aber nicht wertabhän- (B) Dr. Florian Toncar (FDP): gig. (D) Die Hürden sind jetzt nicht gerade tiefer gelegt worden. (Beifall bei der FDP) (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD) Und das sagt nicht nur die FDP. Das hat in der Anhörung Aber ich muss sagen, Herr Präsident: Es ist zumindest so, auch die Präsidentin des Instituts Finanzen und Steuern, dass man vor 40 in unserem gemeinsamen Heimatbun- Frau Professor Hey, gesagt, die deswegen auch damit desland mit dem, was man sagt, überhaupt nicht ernst rechnet bzw. in den Raum stellte, dass verfassungswidrig genommen wird. Insofern versuche ich jetzt mal, die erste sein könnte, was Sie da machen. Rede in einem Zustand zu halten, wo einem wenigstens Auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages zugehört wird. hat uns gestern noch mal bestätigt: Durch die vielen Ty- (Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der CDU/ pisierungen, die Sie verwenden, um Werte am Ende ir- CSU und der SPD) gendwie zu ermitteln, kommt es zu Ungleichbehandlun- gen, die Ihr Gesetz verfassungswidrig werden lassen Zum Gesetz selbst. Politisch ist das schon ein interes- könnten. santes Grundkonstrukt, das hier gewählt wird. Wir be- kommen ein Bundesgesetz bei der Grundsteuer, und die Olaf Scholz, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat vor Länder sollen was Eigenes machen dürfen. Das ist letzten den Krawallen vor dem G-20-Gipfel in Hamburg gesagt: Endes dem Hintergrund geschuldet, dass sich die Koali- Kein Problem, wir machen ja auch den Hafengeburtstag; tion auf Bundesebene nur mit allergrößter Mühe über- wir haben das hingekriegt. – Das Ergebnis ist bekannt. Ich haupt auf ein gemeinsames Modell einigen konnte. fürchte, das Grundsteuermodell, das Sie heute beschlie- ßen, wird Olaf Scholzʼ zweiter politischer Hafengeburts- Wenn man es mal bewertet, ist es im Grunde so: Die tag, wenn Sie nicht davon Abstand nehmen. SPD legt mit einem Boot in Richtung Scholz-Modell ab, und die Union hat sich viele kleine Rettungsboote ge- (Beifall bei der FDP) schnappt, sitzt darin und fährt in eine andere Richtung, Deswegen ist es gut, dass wir die Möglichkeit schaffen, nämlich Richtung Länder. Sie sind also eigentlich längst über die Grundgesetzänderung zumindest einen Ausweg in getrennten Booten unterwegs. Sie wollen heute Hand- aus diesem bürokratischen und nicht stimmigen Modell lungsfähigkeit zeigen, wollen zeigen, dass das Land gut aufzuzeigen. regiert wird. Aber in Wahrheit segeln Sie in unterschied- liche Richtungen. Ich bin froh und zufrieden, dass es auch gelungen ist, das jetzt wirklich effektiv auszugestalten. Hätte man das (Beifall bei der FDP) Gesetz so gelassen, wie es bis Mittwoch aussah, dann Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14707

Dr. Florian Toncar (A) hätte das zur Folge gehabt, dass Doppelbewertungen je- für die kommunale Seite – trotzdem warnen. Wir können (C) des einzelnen Grundstücks für den Länderfinanzaus- hier nicht Aufkommensneutralität predigen und den gleich hätten gemacht werden müssen. Das haben wir Kommunen auf der anderen Seite neue Steine in den rausgenommen; das war für uns Freie Demokraten auch Rucksack legen. Ich denke an das Angehörigen-Entlas- Voraussetzung dafür, dass wir zustimmen, weil die tungsgesetz, das im Augenblick in der Beratung ist; da Grundgesetzänderung nur so funktionieren wird. Wir ha- drohen neue kommunale Belastungen in Höhe von 1 Mil- ben es hingekriegt, dafür bedanke ich mich. Es war den liarde Euro. Wenn wir hier etwas beschließen und sagen: Kampf auch wert, und er war nötig, liebe Kolleginnen „Die Kommunen sollen die Steuern nicht erhöhen“, sie und Kollegen. aber an anderer Stelle gezwungen werden, quasi indirekt, die Steuern zu erhöhen, dann ist das nicht der Weg, den (Beifall bei der FDP) wir von kommunaler Seite richtig finden. Unterm Strich ist aus meiner Sicht jetzt jeder Landtag im ganzen Bundesgebiet gefragt, sich Gedanken zu ma- Mein letzter Punkt ist die Grundsteuer C und die chen: Wie kann man die Grundsteuer wirklich einfacher Grundsteuer W. Die Grundsteuer C ist in diesem Geset- und rechtssicher regeln? Da werden wir Freien Demokra- zespaket enthalten. Die Grundsteuer W wie „Wind“ wird ten vor Ort unseren Beitrag leisten. in einem weiteren Gesetzespaket kommen. Ich glaube, beide sind nicht verpflichtend angelegt und sind damit Die Grundgesetzänderung machen wir mit. Das Be- ein Beitrag zur Stärkung der kommunalen Selbstverwal- wertungsrecht, das Sie heute vorlegen – das Grund- tung. steuermodell –, lehnen wir ab. (Beifall bei der FDP) Und es ist auch richtig – das ist erst kurz vor Schluss in das Gesetz hineingekommen –, den Anwendungsbereich der Grundsteuer C auch auf städtebauliche Belange aus- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: zuweiten und nicht nur auf den dringenden Wohnbedarf Voraussichtlich letzter Redner in dieser Debatte ist der zu konzentrieren. Ich glaube, das hilft den Kommunen Kollege Christian Haase, CDU/CSU. vor Ort bei einer vernünftigen Anwendung dieser Grund- (Beifall bei der CDU/CSU) steuer.

Christian Haase (CDU/CSU): Die Grundsteuer W wie „Wind“ – das hatte ich bereits Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und erwähnt – kann ein Beitrag zur Stärkung der Akzeptanz Kollegen! Ich schließe mich dem Dank meiner Vorredner von Windenergieanlagen sein. Lange haben wir um Ak- (B) aus kommunaler Sicht natürlich an. Ich will nur noch vier zeptanzfragen gerungen, und gern hätte ich an dieser Stel- (D) Stichpunkte liefern. le noch viel mehr erreicht als das, was im Augenblick vorgesehen ist. Aber ich glaube, hier hat die starke Lob- Der erste ist die Länderöffnungsklausel. Die Lage bei byarbeit der Windkraftbranche zugeschlagen. Ich weiß der Grundsteuer vor Ort ist nicht homogen. Mit der Län- um den Lobbyismus hier in Berlin, und ich glaube auch: deröffnungsklausel legen wir die Grundsatzfragen der Es gibt keinen guten und keinen schlechten. Aber insge- Besteuerung nach dem Subsidiaritätsprinzip zurück in samt möchte ich mahnen: Der Lobbyismus darf nicht da- Länderhände. Ich glaube, das ist richtig. Die Grundsteuer zu führen, dass wir den Prozess der eigenen Meinungs- ist eine reine Kommunalsteuer. Die Kommunen sind Teil bildung negieren. Den sollten wir nach wie vor selbst der Länder, und ich traue den Ländern freiheitliche und führen. Mit dieser Grundsteuerreform ist uns das gelun- verantwortliche Entscheidungen zu. Wir als CDU/CSU gen, und deshalb danke ich allen Fraktionen noch einmal, tun das, andere in diesem Hause offensichtlich nicht. die hier zu einem guten Gesetz beigetragen haben. Zweiter Punkt: Baudenkmäler. Der Erhalt von Bau- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) denkmälern liegt unstrittig im öffentlichen Interesse. Ich habe deshalb nicht verstanden, warum die bisherige An- erkennung im ersten Gesetzentwurf nicht enthalten, son- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: dern einfach gestrichen worden war. Ich bin Abgeordne- Damit schließe ich die Aussprache. ter einer Region der Klöster, Kirchen, Burgen, Schlösser und Herrensitze. Ich denke an die Wasserschlösser in Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetz- Vinsebeck oder Neuenheerse oder an die Schlösser Lippe entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zur Än- oder Rheder, und ich weiß, welche Verantwortung private derung des Grundgesetzes (Artikel 72, 105 und 125b) auf Eigentümer an der Stelle übernehmen. Insofern begrüße der Drucksache 19/11084. Der Finanzausschuss emp- ich die im parlamentarischen Verfahren vorgenommenen fiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung Änderungen. auf den Drucksachen 19/14136 und 19/14157, den Ge- setzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD anzu- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei nehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zu- Abgeordneten der FDP) stimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt Dritter Punkt: Aufkommensneutralität. Es ist mehrfach dagegen? – Enthaltungen? – Dann ist der Gesetzentwurf darauf hingewiesen worden: Die Kommunen wollen die- mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP, Bündnis 90/ se Gesetzesänderung nicht dazu benutzen, zusätzliche Die Grünen gegen die Stimmen der AfD bei Enthaltung Steuereinnahmen zu generieren. Ich möchte aber – auch der Fraktion Die Linke in zweiter Beratung angenommen. 14708 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble (A) Dritte Beratung Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (C) und Schlussabstimmung. Ich weise darauf hin, dass zur Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Annahme des Gesetzentwurfs die Mehrheit von zwei Ich habe zunächst auf Bitten der Fraktion Die Linke zu Dritteln der Mitglieder des Deutschen Bundestages erfor- erklären, dass Die Linke den Gesetzentwurf in zweiter derlich ist; das sind mindestens 473 Stimmen. Wir stim- Lesung – da gab es ein bisschen Missverständnisse – ab- men über den Gesetzentwurf namentlich ab. Ich bitte die gelehnt hat. Das für das Protokoll. Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind alle Plätze an den Urnen be- (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Danke, setzt? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann eröffne ich Herr Präsident!) die erste namentliche Abstimmung, die namentliche Ab- stimmung über den Gesetzentwurf der Fraktionen der Jetzt verkünde ich das von den Schriftführerinnen und CDU/CSU und SPD. Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung in der dritten Lesung über den Gesetzent- Darf ich fragen, ob ein Mitglied des Hauses noch nicht wurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zur Än- Gelegenheit hatte, seine Stimme abzugeben? – Das ist derung des Grundgesetzes (Artikel 72, 105 und 125b), offenbar nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstim- Drucksachen 19/11084, 19/14136 und 19/14157: abgege- mung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, bene Stimmkarten 644. Mit Ja haben gestimmt 495, mit mit der Auszählung zu beginnen. Nein haben gestimmt 139, 10 Mitglieder des Hauses ha- Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen ben sich enthalten. Der Gesetzentwurf ist damit mit der Abstimmung über den Gesetzentwurf zur Änderung des erforderlichen Mehrheit angenommen. Grundgesetzes unterbreche ich die Sitzung. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP (Unterbrechung von 10.24 bis 10.32 Uhr) und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Endgültiges Ergebnis Fritz Güntzler Dr. Abgegebene Stimmen: 644; Sebastian Brehm davon Christian Haase ja: 495 Ralph Brinkhaus nein: 139 Jürgen Hardt enthalten: 10 (B) Carsten Körber (D) Alexander Dobrindt Alexander Krauß Ja Dr. CDU/CSU Marie-Luise Dött Michael Kuffer Dr. Michael von Abercron Hansjörg Durz Dr. Roy Kühne Frank Heinrich (Chemnitz) Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Mark Helfrich Andreas G. Lämmel Rudolf Henke Dr. Ulrich Lange Peter Aumer Marc Henrichmann Dr. Dr. Dorothee Bär Dr. Hans-Peter Friedrich Thomas Bareiß (Hof) Dr. Dr. Maik Beermann Hans-Joachim Fuchtel Alexander Hoffmann Dr. (Börde) Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Hans-Jürgen Irmer Dr. Dr. André Berghegger Andreas Jung Nikolas Löbel Christoph Bernstiel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Dr. Jan-Marco Luczak Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Torbjörn Kartes Astrid Grotelüschen Markus Grübel Dr. Stefan Kaufmann Dr. Thomas de Maizière Michael Brand (Fulda) Dr. Dr. Dr. Monika Grütters Michael Kießling Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14709

(A) Detlef Seif SPD (C) (Altötting) Ingrid Arndt-Brauer Dr. Dr. Christian Lange (Backnang) Dr. Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Björn Simon Michelbach Kirsten Lühmann Dr. Dr. Matthias Bartke Isabel Mackensen Sören Bartol Karsten Möring Dr. Bärbel Bas Lothar Binding Axel Müller (Heidelberg) Dr. Gerd Müller Dr. (Rostock) Sepp Müller Dr. Karl-Heinz Brunner Carsten Müller (Braunschweig) Martin Burkert Stefan Müller (Erlangen) Christian Frhr. von Stetten Dr. Lars Castellucci Dr. Dieter Stier Bernhard Daldrup Siemtje Möller Dr. Bettina Müller Detlef Müller (Chemnitz) Sabine Dittmar Michelle Müntefering Florian Oßner Dr. Dr. Rolf Mützenich Michael Stübgen Saskia Esken Dr. Ulli Nissen Hans-Jürgen Thies Dr. Alexander Throm Dr. Mahmut Özdemir Dr. (Duisburg) Dr. Aydan Özoğuz Stephan Pilsinger Angelika Glöckner Dr. Christoph Ploß Timon Gremmels (B) Dr. Volker Ullrich (D) Michael Groß (Minden) Uli Grötsch Volkmar Vogel (Kleinsaara) Dr. Alois Rainer Rita Hagl-Kehl Dr. Dr. Johann David Wadephul Hubertus Heil (Peine) Sönke Rix Marco Wanderwitz Dr. René Röspel Erwin Rüddel Albert H. Weiler Dr. Barbara Hendricks Dr. Michael Roth (Heringen) (Hamburg) Gabriele Hiller-Ohm Susann Rüthrich Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Bernd Rützel Dr. Wolfgang Schäuble Peter Weiß (Emmendingen) Dr. Eva Högl Sarah Ryglewski Axel Schäfer (Bochum) Dr. Christian Schmidt (Fürth) Annette Widmann-Mauz Dr. Bettina Margarethe Johannes Kahrs Patrick Schnieder Wiesmann Dr. Nadine Schön Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier- (Aachen) Becker Dr. Klaus-Peter Schulze (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) (Weil am Dr. Bärbel Kofler Rhein) Michael Schrodi Dr. -Emre Dr. Manja Schüle 14710 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

(A) Dr. Nein (C) Dr. AfD (Spandau) Dr. Pascal Kober Ekin Deligöz Dr. Dr. Lukas Köhler Katja Dörner Marc Bernhard Rita Schwarzelühr-Sutter Katharina Dröge Konstantin Kuhle Martina Stamm-Fibich Jürgen Braun Alexander Graf Lambsdorff Marcus Bühl Katrin Göring-Eckardt Matthias Büttner Markus Töns Joana Cotar Carsten Träger (Heilbronn) Britta Haßelmann Dr. Gottfried Curio Dr. Bettina Hoffmann Marja-Liisa Völlers Dr. Anton Hofreiter Berengar Elsner von Gronow Dirk Vöpel Alexander Müller Dr. Michael Espendiller Roman Müller-Böhm Dr. Kirsten Kappert- Frank Müller-Rosentritt Gonther Gülistan Yüksel Dr. (Lausitz) Dr. Hagen Reinhold Sven-Christian Kindler Dr. Götz Frömming Dr. Jens Zimmermann Maria Klein-Schmeink Dr. Dr. Sylvia Kotting-Uhl Albrecht Glaser Dr. h. c. Thomas FDP Sattelberger Armin-Paulus Hampel Christian Sauter Stephan Kühn (Dresden) Grigorios Aggelidis Mariana Iris Harder-Kühnel Dr. Wieland Schinnenburg Christian Kühn (Tübingen) Renata Alt Matthias Seestern-Pauly Renate Künast Christine Aschenberg- Dr. (B) Dugnus Frank Sitta Markus Kurth (D) Monika Lazar Jens Beeck Dr. Sven Lehmann Udo Theodor Hemmelgarn Dr. Bettina Stark-Watzinger (Rhein-Neckar) Dr. Marie-Agnes Strack- Dr. Mario Brandenburg Zimmermann Dr. Irene Mihalic (Südpfalz) Benjamin Strasser Claudia Müller Dr. Michael Theurer Beate Müller-Gemmeke Dr. Heiko Heßenkemper Stephan Thomae Dr. Konstantin von Notz Carl-Julius Cronenberg Nicole Höchst Britta Katharina Dassler Dr. Florian Toncar Bijan Djir-Sarai Dr. Andrew Ullmann Tabea Rößner Dr. Christian Dürr (Augsburg) Leif-Erik Holm Johannes Vogel (Olpe) Dr. Dr. Corinna Rüffer Daniel Föst Dr. Thomas Hacker Dr. Stefan Keuter DIE LINKE Stefan Schmidt Norbert Kleinwächter Katrin Helling-Plahr Kordula Schulz-Asche Sören Pellmann Markus Herbrand Dr. Wolfgang Strengmann- Jörn König Kuhn Steffen Kotré Dr. BÜNDNIS 90/ Margit Stumpp Dr. Rainer Kraft DIE GRÜNEN Manuel Höferlin Rüdiger Lucassen Dr. Christoph Hoffmann Luise Amtsberg Jürgen Trittin Dr. Dr. Dr. Beate Walter-Rosenheimer Dr. Birgit Malsack- Dr. Canan Bayram Winkemann Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14711

(A) Dr. Andreas Wagner (C) Dr. Hansjörg Müller Dr. Christian Wirth Volker Münz Sebastian Münzenmaier Caren Lay DIE LINKE Jan Ralf Nolte Sabine Zimmermann (Zwickau) Ulrich Oehme Dr. Gesine Lötzsch Gökay Akbulut Tobias Matthias Peterka Enthalten Lorenz Gösta Beutin Paul Viktor Podolay Cornelia Möhring CDU/CSU Jürgen Pohl Matthias W. Birkwald Johannes Röring Norbert Müller (Potsdam) Zaklin Nastic Martin Erwin Renner Dr. Birke Bull-Bischoff Dr. Alexander S. Neu DIE LINKE Sevim Dağdelen Roman Johannes Reusch Dr. Ulrike Schielke-Ziesing Fabio De Masi Petra Pau -Förster Dr. Anke Domscheit-Berg Jörg Schneider Tobias Pflüger Susanne Ferschl Martin Sichert Dr. Eva-Maria Schreiber Martina Renner Dr. André Hahn Dr. Petra Sitte Dr. Heike Hänsel Helin René Springer Matthias Höhn Dr. Fraktionslos Dr. Dr. Marco Bülow (B) (D) Abgeordnete, die sich wegen gesetzlichen Mutterschutzes für ihre Abwesenheit entschuldigt haben, sind in der Liste der entschuldigten Abgeordneten (Anlage 1) aufgeführt.

Dann setzen wir die Abstimmung zu der Beschlus- Gesetzentwurf zur Reform des Grundsteuer- und Bewer- sempfehlung des Finanzausschusses auf den Drucksa- tungsrechts. Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buch- chen 19/14136 und 19/14157 fort. Der Finanzausschuss stabe a seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksa- empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfeh- chen 19/14138 und 19/14158, den Gesetzentwurf der lung, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Ände- Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Drucksa- rung des Grundgesetzes (Artikel 72, 105 und 125b) auf che 19/11085 in der Ausschussfassung anzunehmen. der Drucksache 19/13454 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer ist dage- Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP gen? – Wer enthält sich? – Dann ist die Beschlussempfeh- auf der Drucksache 19/14144 vor, über den wir zuerst lung einstimmig angenommen. abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag der FDP-Fraktion? – Das sind die FDP-Fraktion, die AfD (Dr. Bernd Baumann [AfD]: Wir waren und Die Linke. Wer stimmt dagegen? – Das sind CDU/ dagegen!) CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen. Der Änderungsan- – Sie waren dagegen, den Gesetzentwurf für erledigt zu trag ist damit abgelehnt. erklären? – Na ja. Dann bitte ich diejenigen, die dem Gesetzentwurf in (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand- der SPD, der FDP, der LINKEN und des zeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dann ist der Gesetzentwurf in der Ausschussfassung mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grü- Also, die Beschlussempfehlung ist gegen die Stimmen nen gegen die Stimmen von AfD und FDP bei Enthaltung der AfD angenommen. – Das Missverständnis kann man der Fraktion Die Linke in zweiter Beratung angenommen. ja nachvollziehen. Wir nehmen das Abstimmungsverhal- ten der AfD zur Kenntnis. Deswegen habe ich „Na ja“ Dritte Beratung gesagt. Ich bitte um Nachsicht. und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Tagesordnungspunkt 27 b. Abstimmung über den von Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist die 14712 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

(A) Beschlussempfehlung mit den gleichen Mehrheitsver- Titel „Echte Gemeindesteuerreform auf den Weg brin- (C) hältnissen wie in der zweiten Beratung angenommen. gen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist die Wir setzen die Abstimmung zu der Beschlussempfeh- Beschlussempfehlung mit den Stimmen von CDU/CSU, lung des Finanzausschusses auf den Drucksachen 19/ SPD, FDP, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen gegen die 14138 und 19/14158 fort. Der Finanzausschuss empfiehlt Stimmen der AfD angenommen. unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung, den Ge- setzentwurf der Bundesregierung zur Reform des Grund- Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung emp- steuer- und Bewertungsrechts auf den Drucksachen 19/ fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Frak- 13453 und 19/13713 für erledigt zu erklären. Wer stimmt tion der FDP auf der Drucksache 19/11144 mit dem Titel für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – „Grundsteuer – Einfaches Flächenmodell ohne automati- Dann nehme ich zur Kenntnis, dass die Beschlussempfeh- sche Steuererhöhungen“. Wer stimmt für diese Beschlus- lung einstimmig angenommen worden ist. sempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält Tagesordnungspunkt 27 c. Abstimmung über den von sich? – Dann ist diese Beschlussempfehlung gegen die den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrach- Stimmen der FDP mit den Stimmen aller übrigen Fraktio- ten Gesetzentwurf zur Änderung des Grundsteuer- nen angenommen. gesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c für die Bebauung. seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags Dazu liegen mir eine Reihe von schriftlichen Erklä- der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 19/7980 mit rungen nach § 31 der Geschäftsordnung vor.1) dem Titel „Sozial gerechte Grundsteuer-Reform für billi- gere Mieten und starke Kommunen“. Wer stimmt für Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe a sei- diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – ner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 19/14139 Wer enthält sich? – Dann ist diese Beschlussempfehlung und 19/14159, den Gesetzentwurf der Fraktionen der gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke mit den Stim- CDU/CSU und der SPD auf der Drucksache 19/11086 men aller übrigen Fraktionen angenommen. in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejeni- gen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zu- Damit sind wir schon bei Tagesordnungspunkt 27 e. stimmen wollen, um das Handzeichen. – Das sind CDU/ Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Bünd- CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Wer nis 90/Die Grünen zur Änderung des Bürgerlichen Ge- stimmt dagegen? – Das sind FDP und AfD. Enthält sich setzbuches und anderer Gesetze – Abschaffung der jemand? – Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Bera- Grundsteuer-Umlagefähigkeit. Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschuss empfiehlt unter Buchstabe a sei- (B) tung mit den genannten Mehrheiten angenommen. (D) ner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/14118, den Damit kommen wir zur Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf dritten Beratung Drucksache 19/8827 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzei- und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem chen. – Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – die Fraktion Die Linke. Wer stimmt dagegen? – Das sind Dann bitte ich diejenigen, die dagegenstimmen, sich zu die übrigen Fraktionen. Damit ist der Gesetzentwurf in erheben. – Jetzt kann sich eigentlich niemand mehr ent- zweiter Beratung abgelehnt. Nach unserer Geschäftsord- halten. Ich frage trotzdem: Möchte sich jemand enthal- nung entfällt die dritte Beratung. ten? – Das ist offensichtlich nicht der Fall. Der Gesetz- entwurf ist in dritter Beratung mit den eben genannten Wir sind bei Tagesordnungspunkt 27 f. Abstimmung Mehrheiten angenommen. über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Fraktion Die Damit setzen wir die Abstimmung zu der Beschlus- Linke mit dem Titel „Grundsteuer nicht länger auf Mie- sempfehlung des Finanzausschusses auf den Drucksa- terinnen und Mieter umlegen“. Der Ausschuss empfiehlt chen 19/14139 und 19/14159 fort. Der Finanzausschuss unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfeh- Drucksache 19/14118, den Antrag der Fraktion Die Linke lung, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Ände- auf Drucksache 19/8358 abzulehnen. Wir stimmen über rung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von bau- die Beschlussempfehlung auf Verlangen der Fraktion Die reifen Grundstücken für die Bebauung auf Drucksache Linke namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen und 19/13456 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Beschlussempfehlung? – Das ist einstimmig. Dann ist die Ich darf fragen, ob alle Urnen besetzt sind. – Das ist der Beschlussempfehlung insoweit angenommen. Fall. Dann eröffne ich die zweite namentliche Abstim- Damit kommen wir zum Tagesordnungspunkt 27 d. mung, und zwar über die Beschlussempfehlung auf Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Finanz- Drucksache 19/14118 zu dem Antrag der Fraktion Die ausschusses auf den Drucksachen 19/14141 und 19/ Linke. 14160. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Fraktion der AfD auf der Drucksache 19/11125 mit dem Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage zunächst: Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine 1) Anlage 2 Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist offensichtlich Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14713

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und d) Beratung des Antrags der Abgeordneten (C) bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Frank Sitta, Dr. Lukas Köhler, Grigorios Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.1) Fraktion der FDP

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Auf- Smart Germany – CO2 an die digitale Ket- merksamkeit, auch in den Reihen der FDP und der Union. te legen Ich rufe die Tagesordnungspunkte 28 a bis 28 h sowie Drucksache 19/14039 die Zusatzpunkte 16 bis 25 auf: Überweisungsvorschlag: 28 a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (f) Berichts des Ausschusses für Inneres und Ausschuss Digitale Agenda Heimat (4. Ausschuss) e) Beratung des Antrags der Abgeordneten – zu dem Antrag der Abgeordneten Manuel Bijan Djir-Sarai, Manuel Höferlin, Höferlin, Frank Sitta, Mario Brandenburg Alexander Graf Lambsdorff, weiterer Abge- (Südpfalz), weiterer Abgeordneter und der ordneter und der Fraktion der FDP Fraktion der FDP Smart Gernany – Beitritt Deutschlands zu Smart Germany – Bundesministerium den „Digital 9“-Staaten für Digitalisierung etablieren Drucksache 19/14043

– zu dem Antrag der Abgeordneten Manuel Überweisungsvorschlag: Höferlin, Jimmy Schulz, Stephan Thomae, Auswärtiger Ausschuss (f) weiterer Abgeordneter und der Fraktion Ausschuss für Inneres und Heimat Ausschuss Digitale Agenda der FDP f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Digitalisierung ernst nehmen – IT-Si- Katharina Willkomm, Stephan Thomae, cherheit stärken Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter – zu dem Antrag der Abgeordneten Tabea und der Fraktion der FDP Rößner, Dr. Konstantin von Notz, Margit Stumpp, weiterer Abgeordneter und der Zugang zum digitalen Nachlass regeln und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rechtlich in der Europäischen Union har- monisieren (B) Offen für die Zukunft – Offene Stan- (D) dards für eine gerechte und gemeinwoh- Drucksache 19/14044 lorientierte Gestaltung der Digitalisie- Überweisungsvorschlag: rung nutzen Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Ausschuss für Inneres und Heimat Drucksachen 19/9929, 19/7698, 19/7589, Ausschuss Digitale Agenda 19/13601 g) Beratung der Beschlussempfehlung und des b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses Berichts des Ausschusses für Verkehr und (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeord- digitale Infrastruktur (15. Ausschuss) zu neten Alexander Graf Lambsdorff, Renata dem Antrag der Abgeordneten Frank Sitta, Alt, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeord- Manuel Höferlin, Grigorios Aggelidis, wei- neter und der Fraktion der FDP terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Digitalisierung trifft auf Diplomatie – In- Lückenschluss-Auktion – Frequenzverga- novationsbotschafter entsenden be neu denken Drucksachen 19/8542, 19/14101 Drucksachen 19/10618, 19/14006 h) Beratung der Beschlussempfehlung und des c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Berichts des Ausschusses für Inneres und Daniel Föst, Frank Sitta, Grigorios Heimat (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Abgeordneten Anke Domscheit-Berg, Fraktion der FDP Dr. Petra Sitte, Doris Achelwilm, weiterer Smart Building – Ein Update für den Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Wohnungsbau Öffentliches Geld – Öffentliches Gut – Öf- Drucksache 19/14026 fentlich finanzierte Daten und Werke frei zur Verfügung stellen Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen Drucksachen 19/12633, 19/14113 (f) Ausschuss Digitale Agenda ZP 16 Beratung des Antrags der Abgeordneten Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, Renata Alt, weiterer 1) Ergebnis Seite 14717 C Abgeordneter und der Fraktion der FDP 14714 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) Smart Cities – Mit Datenfluss zu blühenden Drucksache 19/14050 (C) Städten Überweisungsvorschlag: Drucksache 19/14045 Ausschuss für Inneres und Heimat (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss Digitale Agenda Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz ZP 22 Beratung des Antrags der Abgeordneten Manuel Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Höferlin, Stephan Thomae, Grigorios Aggelidis, Ausschuss Digitale Agenda weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP ZP 17 Beratung des Antrags der Abgeordneten Manuel Smart Germany – Register modernisieren und Höferlin, Frank Sitta, Jimmy Schulz, weiterer öffentliches Datenmanagement einführen Abgeordneter und der Fraktion der FDP Drucksache 19/14053 Smart Germany – Cybersicherheit der 5G- Netze Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Inneres und Heimat (f) Drucksache 19/14046 Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss Digitale Agenda Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Inneres und Heimat (f) ZP 23 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ausschuss Digitale Agenda (f) Konstantin Kuhle, Stephan Thomae, Grigorios Ausschuss für Wirtschaft und Energie Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Frak- Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Federführung strittig tion der FDP ZP 18 Beratung des Antrags der Abgeordneten Smart Germany – Digitalisierung und Bürger- Dr. Andrew Ullmann, Michael Theurer, Grigorios rechte Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Frak- Drucksache 19/14058 tion der FDP Überweisungsvorschlag: Smart Germany – Antibiotikaeinsatz reduzie- Ausschuss für Inneres und Heimat (f) ren, Chancen von Big Data nutzen Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss Digitale Agenda Drucksache 19/14047 ZP 24 Beratung des Antrags der Abgeordneten Thomas Überweisungsvorschlag: Hacker, Katja Suding, Grigorios Aggelidis, wei- Ausschuss für Gesundheit (f) terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (B) Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (D) Ausschuss Digitale Agenda Smart Germany – Games – Treiber für Inno- vation und Kreativität ZP 19 Beratung des Antrags der Abgeordneten Frank Sitta, Manuel Höferlin, Grigorios Aggelidis, wei- Drucksache 19/14059 terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Kultur und Medien (f) Smart Germany – Gigabit-Gutscheine für den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Breitbandausbau Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Ausschuss Digitale Agenda Drucksache 19/14048 Haushaltsausschuss

Überweisungsvorschlag: ZP 25 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f) richts des Ausschusses für Inneres und Heimat Ausschuss Digitale Agenda (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten ZP 20 Beratung des Antrags der Abgeordneten Frank Anke Domscheit-Berg, Dr. Petra Sitte, Schäffler, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, Dr. Alexander S. Neu, weiterer Abgeordneter weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP und der Fraktion DIE LINKE Smart Finance – Innovation statt Verbote bei Umsetzung effektiver Maßnahmen für digitale Kryptowährungen, Libra nicht verbieten Sicherheit statt Backdoors Drucksache 19/14049 Drucksachen 19/7705, 19/14114

Überweisungsvorschlag: Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Finanzausschuss (f) Aussprache 60 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Wirtschaft und Energie Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss Digitale Agenda Ich eröffne die Aussprache und bitte zunächst die Kol- leginnen und Kollegen, auch in den hinteren Reihen bei ZP 21 Beratung des Antrags der Abgeordneten Manuel der Union, Höferlin, Stephan Thomae, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP (Glocke des Präsidenten) Smart Germany – Souveränität der Nutzerin- der jetzt beginnenden Aussprache aufmerksam zu folgen. nen und Nutzer über ihre IT-Systeme gewähr- Ich erteile als erstem Redner dem Kollegen Maik leisten Beermann von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14715

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) (Beifall bei der CDU/CSU) Wichtig ist, dass die vielen digitalpolitischen Maßnah- (C) men, die in den verschiedenen Ministerien geplant wer- den, gut koordiniert werden, und das erfolgt ja auch. Maik Beermann (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und (Manuel Höferlin [FDP]: Nicht!) Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich persönlich finde es richtig gut, dass wir heute in der Kern- Das erfolgt im Kanzleramt durch unsere Staatsministerin zeit digitalpolitische Themen diskutieren, auch wenn man Dorothee Bär. bei der Anzahl der Anträge das Gefühl hat, hier heute eine (Manuel Höferlin [FDP]: Nicht!) Digitalisierungswoche der FDP zu erleben. Dort wird ein guter Job geleistet. (Frank Sitta [FDP]: Genau!) Auch der internationale Vergleich zeigt: Digitalminis- Wenn man sich allerdings die Anträge anschaut, stellt terien erfassen oft nur einen kleinen und spezifischen man sich an der einen oder anderen Stelle doch die Grön- Ausschnitt der Digitalisierung. Ich nenne beispielhaft Po- emeyer-Frage: Was soll das? len. Das polnische Digitalministerium ist ausschließlich für den Breitbandausbau und für die Digitalisierung der (Beifall des Abg. Dr. Jens Zimmermann [SPD]) Verwaltung verantwortlich. Eine andere Aufgabe hat die- Beispielsweise der Antrag „Smart Germany – Bundes- ses Ministerium derzeit nicht. Da fragt man sich: Ist das ministerium für Digitalisierung etablieren“ ist ja nichts erforderlich und zwingend notwendig? Kurzum: Aus un- Neues. serer Sicht ist ein Digitalministerium bei uns in Deutsch- land weder sinnvoll noch praktikabel. (Frank Sitta [FDP]: Machen Sie doch mal!) Der zweite Antrag der FDP befasst sich mit dem The- Man kennt das jetzt ja schon seit einigen Jahren. Diese ma IT-Sicherheit. Die Themensetzung kann ich erst ein- Forderung wird gerade auch seitens der FDP immer und mal begrüßen. IT-Sicherheit ist ein wichtiges Thema, das immer wieder hier vorgetragen. Ich erinnere mich an eine die breite Gesellschaft in unserem Land betrifft. Auch mit Rede des Kollegen Brandenburg vom November 2018 den Inhalten kann ich in Teilen mitgehen. Das betrifft zur KI-Strategie der Bundesregierung. Darin sagte er un- zum Beispiel die Haushaltsausstattung in diesem Bereich. ter anderem, ein Digitalministerium sei das einzig Wahre. Wenn ich mehr Sicherheitsbehörden fordere, dann brau- che ich auch mehr Personal, dann brauche ich auch eine (Beifall bei der FDP) bessere Ausstattung. Das hat anscheinend eine ungemein hohe Bedeutung für (B) Gewundert habe ich mich allerdings, liebe Kolleginnen (D) die FDP. Heia Safari! Wie oft und wie lange wollen wir und Kollegen, ähnlich wie in meiner Rede vor ein paar uns noch mit diesen Themen beschäftigen? Monaten zum FDP-Antrag „Innovationsbotschafter ent- (Manuel Höferlin [FDP]: Bis Sie es verstanden senden“, über die neue Staatsgläubigkeit der FDP gerade haben!) in Fragen der Hochtechnologie. Es ist schon spannend, dass aktuell eine liberale Partei dem Staat anscheinend Auf den ersten Blick mag man meinen, dass es eine gute mehr vertraut als den Anwendern und Nutzern selbst. Idee ist und auch gut gemeint ist. Auf den zweiten Blick, wenn man genauer hinschaut, stellt man fest, dass das (Manuel Höferlin [FDP]: Steht da gar nicht alles doch nicht so einfach ist. Das möchte ich auch gern drin!) begründen. Der Staat soll zukünftig für die ganze IT-Sicherheit Wenn wir uns vor Augen führen, dass das Thema Di- zuständig sein. gitalisierung einen großen Querschnitt unserer Gesell- Das sehen wir anders. Wir wollen den Nutzer in die schaft widerspiegelt, dann erkennen wir, dass nicht nur Selbstverantwortung bringen und ihn stärken. Auch darü- ein einziges Ministerium davon betroffen ist, sondern ber müssen wir einmal reden, wenn wir über IT-Sicher- mittlerweile alle Häuser, die wir in Berlin haben. Bei- heit debattieren. Jedes Netz ist ja nur so sicher wie der spielsweise die Zuständigkeit für die elektronische Anwender, der es verwendet. Denken wir hier nur einmal Patientenakte oder den digitalen Impfpass aus dem Ge- an die Zahlen: Über 60 Prozent der Deutschen nutzen ein sundheitsministerium herauszulösen, also aus dem Minis- und dasselbe Passwort für unterschiedliche Onlineac- terium, in dem die Fachleute sitzen, und in ein Digitalmi- counts. nisterium zu überführen, ist aus meiner Sicht nicht der richtige Weg. Wenn man weiterschaut und feststellt, dass (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Sollte man zum Beispiel der Bereich Cyberwar, wo es möglicher- das nicht?) weise auch um Aus- und Aufrüstung geht, ein fachspezi- fisches und spezielles Thema, aus dem Verteidigungsmi- Wenn „00000“, „ichliebedich“ oder „Schalke04“ zu den nisterium herausgelöst werden soll, um ihn in ein beliebtesten Passwörtern gehören, nützt auch die beste IT- Digitalministerium zu überführen, dann ist das aus mei- Sicherheit nichts. ner Sicht nicht der richtige Weg, meine Damen und Her- (Timon Gremmels [SPD]: Sie wissen doch, ren. Ich glaube, dass es ohne fachlichen Hintergrund nicht dass es andere Passwörter sind!) geht. Deshalb bin ich und sind wir von der Union von einem Digitalministerium nicht überzeugt. – Das sind aber die beliebtesten. 14716 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Maik Beermann (A) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bekomme das (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Haben (C) Signal vom Präsidenten. Es ist immer ärgerlich, wenn Sie bei der Regierungsbefragung vorgestern am Ende der Redezeit noch so viel Redetext übrig ist. nicht mitgemacht?) Aber es ist, wie es ist. Ich kann nur sagen, dass wir den Anders kann ich mir die Lethargie nicht erklären, mit der Anträgen in dieser Form nicht zustimmen werden. die Verantwortlichen an das Thema herangehen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Ja, in jeder Rede der SPD und der Union hören wir die berühmten Buzz-Wörter: Industrie 4.0, Gigabitgesell- (Beifall bei der CDU/CSU) schaft, KI, autonomes Fahren. Man könnte hier im Ple- num direkt Bullshit-Bingo spielen. Aber wie ernst es der Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Regierung ist, sehen wir, nachdem die Anträge hier im Vielen Dank, Herr Kollege Beermann. – Sie sehen, Plenum behandelt worden sind, an der Überweisung in dass ich heute etwas großzügiger bin. Ich möchte auch die Ausschüsse. Jeder Antrag zur Digitalen Agenda wird gemocht werden von den Kolleginnen und Kollegen. eben nicht in den Ausschuss „Digitale Agenda“ überwie- sen, weil dieser nicht einmal federführend ist. Jedes Mal, (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU, wenn die Überweisung strittig ist, stimmen alle Opposi- der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/ tionsparteien für die Überweisung in den Ausschuss „Di- DIE GRÜNEN – Karsten Möring [CDU/CSU]: gitale Agenda“ und die Regierungsparteien dagegen. Und Keine Chance! – Michael Grosse-Brömer so landen auch die Anträge der FDP heute im Ausschuss [CDU/CSU]: Aber nur zwischendurch!) für Inneres und Heimat, im Finanzausschuss, in den Aus- schüssen für Gesundheit, Bau, Auswärtiges, Umwelt, Als nächste Rednerin hat die Kollegin Joana Cotar, Kultur – die Digitalpolitiker dürfen nur mitberaten. Dabei AfD-Fraktion, das Wort. haben Sie doch wirklich gute Leute im Digitalausschuss (Beifall bei der AfD) sitzen, werte Kollegen von der Union und der SPD. Las- sen Sie die doch endlich einmal machen! Dann wird es vielleicht auch etwas mit der Digitalisierung in diesem Joana Cotar (AfD): Land. Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kollegen! Die FDP braucht mal wieder ein bisschen Aufmerksamkeit. (Beifall bei der AfD) So besprechen wir unter dem heutigen Tagesordnungs- Und richten Sie endlich das geforderte Digitalministe- punkt tatsächlich 17 ihrer digitalen Anträge. In dieser rium ein, eine Stelle, die dieses Chaos, das Sie all die vereinbarten 60-Minuten-Debatte kann kein einziger An- (B) Jahre angerichtet haben, koordiniert. Ja, Digitalisierung (D) trag voll zur Geltung kommen. Aber darum geht es auch ist ein Querschnittsthema; ja, es betrifft alle Ministerien. weniger. Es geht um Marketing und ein bisschen Show. Aber das ist Umweltschutz auch, und trotzdem haben wir Wir sind im Landtagswahlkampf in Thüringen, und die ein Umweltministerium. Beenden Sie endlich diesen Partei zittert um den Einzug in den Landtag. Da kann ein Kompetenzwirrwarr! bisschen Schützenhilfe aus dem Bundestag nicht schaden. Ich glaube zwar nicht, dass das die Wähler be- Deutschland ist im internationalen Vergleich weniger eindrucken wird, aber ich gönne Ihnen den Versuch. wettbewerbsfähig als noch im Vorjahr. In der neuen Rangliste des Weltwirtschaftsforums sind wir von Platz (Beifall bei der AfD) 3 auf Platz 7 zurückgefallen. Überholt wurden wir von Hongkong, den Niederlanden, der Schweiz und Japan. Wenn man so viele Anträge raushaut, sollte man aber Ein Grund für die Abstufung ist der Nachholbedarf zumindest darauf achten, dass sie sich nicht widerspre- Deutschlands bei der Informationstechnologie: Deutsch- chen. land hat ein Infrastrukturproblem. Bei Internetverbindun- gen über Glasfaserkabel landet Deutschland auf Platz 72, (Manuel Höferlin [FDP]: Tun sie auch nicht!) bei mobilen Breitbandanschlüssen auf Platz 58. Und da- Vor Kurzem forderten Sie noch, Funkfrequenzen für Me- bei klingelt mir noch das Versprechen von Frau Merkel in dien und Kultur dauerhaft zu erhalten. Jetzt fordern Sie den Ohren, Deutschland zur Gigabitgesellschaft zu ma- die Zurverfügungstellung der Frequenzen und eine Neu- chen. Wie so vieles ist auch das nur ein Lippenbekennt- verhandlung mit den Ländern. Ja, was denn nun? Wusste nis! da die rechte Hand nicht, was die linke tut? Manchmal ist Bezeichnenderweise entwickelt sich auch das wich- Qualität eben doch besser als Quantität, liebe Kollegen. tigste und teuerste Digitalprojekt der Bundesregierung, (Beifall bei der AfD – Manuel Höferlin [FDP]: die Modernisierung der IT der Bundesverwaltung, zum Die widersprechen sich auch nicht, wenn Sie milliardenteuren Fiasko. Sie können es einfach nicht, meine Damen und Herren. richtig lesen!) Aber ich will nicht nur kritisieren. Ich finde es ja gut, (Beifall bei der AfD) dass sich zumindest die Opposition für die Digitalisierung Spitze sind wir dagegen bei der Einschränkung der in diesem Land einsetzt und der lahmen Ente Bundesre- Meinungsfreiheit im Internet und bei der Forderung nach gierung Beine machen will; denn unsere technophobe immer mehr Überwachung der Bürger. Die Union bringt Regierung scheint der Meinung zu sein, dass man dieses es ja tatsächlich fertig, im Zusammenhang mit Halle die Neuland einfach aussitzen kann. Gamerszene unter Generalverdacht zu stellen und die Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14717

Joana Cotar (A) Killerspieldebatte wieder aufzumachen, mit lauter und Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (C) deutlicher Forderung nach Zensur. Man kommt aus dem Vielen Dank, Frau Kollegin. – Bevor ich die nächste Kopfschütteln nicht mehr heraus. Rednerin aufrufe – Frau Kollegin Esken, gemach, ge- mach! –, gebe ich das von den Schriftführerinnen und Während in den anderen Ländern die Zukunft längst Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen begonnen hat, fährt diese Bundesregierung den Wirt- Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus- schaftsstandort Deutschland mit Vollgas an die Wand. schusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) Es fehlt an Wille, Verständnis, Mut, Flexibilität, Organi- zu dem Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Jörg sation, schlicht an allem. Cezanne, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Grundsteuer Wachen Sie auf, meine Damen und Herren der Regie- nicht länger auf Mieterinnen und Mieter umlegen“, rung! In der Digitalisierung darf es kein Vielleicht oder Drucksachen 19/8358 und 19/14118, bekannt: abgegebe- Später geben, sonst gehört die Zukunft nicht uns, sondern ne Stimmkarten 642. Mit Ja haben gestimmt 517, mit anderen. Nein haben gestimmt 125, Enthaltungen keine. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. – Beifall viel- leicht im Hohen Haus? – Auch nicht. Vielen Dank. (Beifall des Abg. Maik Beermann [CDU/ (Beifall bei der AfD) CSU] – Manuel Höferlin [FDP]: Nicht nötig!)

Endgültiges Ergebnis Alexander Dobrindt Marc Henrichmann Antje Lezius Abgegebene Stimmen: 642; Michael Donth Ansgar Heveling Andrea Lindholz davon Marie-Luise Dött Christian Hirte Dr. Carsten Linnemann ja: 517 Hansjörg Durz Dr. Heribert Hirte Patricia Lips nein: 125 Thomas Erndl Alexander Hoffmann Nikolas Löbel Uwe Feiler Karl Holmeier Bernhard Loos Ja Enak Ferlemann Erich Irlstorfer Dr. Jan-Marco Luczak CDU/CSU Dr. Maria Flachsbarth Hans-Jürgen Irmer Daniela Ludwig Thorsten Frei Thomas Jarzombek Dr. Michael von Abercron Karin Maag Dr. Astrid Freudenstein Andreas Jung Yvonne Magwas (B) Stephan Albani (D) Hans-Joachim Fuchtel Ingmar Jung Dr. Thomas de Maizière Peter Altmaier Ingo Gädechens Alois Karl Gisela Manderla Philipp Amthor Dr. Thomas Gebhart Anja Karliczek Dr. Astrid Mannes Artur Auernhammer Alois Gerig Torbjörn Kartes Matern von Marschall Peter Aumer Eberhard Gienger Volker Kauder Andreas Mattfeldt Thomas Bareiß Eckhard Gnodtke Dr. Stefan Kaufmann Stephan Mayer (Altötting) Norbert Barthle Ursula Groden-Kranich Ronja Kemmer Dr. Michael Meister Maik Beermann Hermann Gröhe Roderich Kiesewetter Jan Metzler Manfred Behrens (Börde) Klaus-Dieter Gröhler Michael Kießling Dr. h. c. (Univ Kyiv) Hans Veronika Bellmann Michael Grosse-Brömer Dr. Georg Kippels Michelbach Sybille Benning Astrid Grotelüschen Volkmar Klein Dr. Mathias Middelberg Dr. André Berghegger Markus Grübel Axel Knoerig Dietrich Monstadt Melanie Bernstein Manfred Grund Jens Koeppen Karsten Möring Christoph Bernstiel Oliver Grundmann Markus Koob Elisabeth Motschmann Peter Beyer Monika Grütters Carsten Körber Axel Müller Marc Biadacz Fritz Güntzler Alexander Krauß Sepp Müller Steffen Bilger Olav Gutting Gunther Krichbaum Carsten Müller Peter Bleser Christian Haase Michael Kuffer (Braunschweig) Norbert Brackmann Jürgen Hardt Dr. Roy Kühne Stefan Müller (Erlangen) Michael Brand (Fulda) Matthias Hauer Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Dr. Andreas Nick Dr. Reinhard Brandl Mark Hauptmann Andreas G. Lämmel Petra Nicolaisen Dr. Helge Braun Dr. Matthias Heider Katharina Landgraf Michaela Noll Silvia Breher Mechthild Heil Ulrich Lange Wilfried Oellers Sebastian Brehm Thomas Heilmann Dr. Silke Launert Florian Oßner Heike Brehmer Frank Heinrich (Chemnitz) Jens Lehmann Josef Oster Ralph Brinkhaus Mark Helfrich Paul Lehrieder Henning Otte Gitta Connemann Rudolf Henke Dr. Katja Leikert Ingrid Pahlmann Astrid Damerow Michael Hennrich Dr. Andreas Lenz Sylvia Pantel 14718 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

(A) Martin Patzelt Dr. Dietlind Tiemann Ulrich Freese Mahmut Özdemir (C) Dr. Joachim Pfeiffer Antje Tillmann Dagmar Freitag (Duisburg) Stephan Pilsinger Markus Uhl Angelika Glöckner Aydan Özoğuz Dr. Christoph Ploß Dr. Volker Ullrich Timon Gremmels Detlev Pilger Eckhard Pols Oswin Veith Kerstin Griese Sabine Poschmann Thomas Rachel Kerstin Vieregge Michael Groß Florian Post Kerstin Radomski Volkmar Vogel (Kleinsaara) Uli Grötsch Achim Post (Minden) Alexander Radwan Christoph de Vries Bettina Hagedorn Florian Pronold Alois Rainer Kees de Vries Rita Hagl-Kehl Dr. Sascha Raabe Dr. Peter Ramsauer Dr. Johann David Wadephul Dirk Heidenblut Martin Rabanus Eckhardt Rehberg Marco Wanderwitz Hubertus Heil (Peine) Andreas Rimkus Lothar Riebsamen Nina Warken Gabriela Heinrich Sönke Rix Josef Rief Kai Wegner Marcus Held Dennis Rohde Johannes Röring Albert H. Weiler Wolfgang Hellmich Dr. Martin Rosemann Stefan Rouenhoff Marcus Weinberg Dr. Barbara Hendricks René Röspel Erwin Rüddel (Hamburg) Gustav Herzog Dr. Ernst Dieter Rossmann Dr. Anja Weisgerber Albert Rupprecht Gabriele Hiller-Ohm Michael Roth (Heringen) Peter Weiß (Emmendingen) Stefan Sauer Thomas Hitschler Susann Rüthrich Ingo Wellenreuther Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Eva Högl Bernd Rützel Marian Wendt Dr. Wolfgang Schäuble Frank Junge Sarah Ryglewski Kai Whittaker Andreas Scheuer Josip Juratovic Johann Saathoff Annette Widmann-Mauz Jana Schimke Thomas Jurk Axel Schäfer (Bochum) Tankred Schipanski Bettina Margarethe Dr. Nina Scheer Wiesmann Oliver Kaczmarek Christian Schmidt (Fürth) Marianne Schieder Klaus-Peter Willsch Johannes Kahrs Dr. Claudia Schmidtke Elisabeth Kaiser Udo Schiefner Patrick Schnieder Elisabeth Winkelmeier- Becker Ralf Kapschack Dr. Nils Schmid Nadine Schön Oliver Wittke Gabriele Katzmarek Uwe Schmidt Felix Schreiner Emmi Zeulner Arno Klare Ulla Schmidt (Aachen) Dr. Klaus-Peter Schulze (B) Paul Ziemiak Lars Klingbeil Dagmar Schmidt (Wetzlar) (D) Uwe Schummer Dr. Matthias Zimmer Dr. Bärbel Kofler Carsten Schneider (Erfurt) Armin Schuster (Weil am Johannes Schraps Rhein) Daniela Kolbe Michael Schrodi Torsten Schweiger SPD Elvan Korkmaz-Emre Anette Kramme Dr. Manja Schüle Detlef Seif Ingrid Arndt-Brauer Christine Lambrecht Ursula Schulte Reinhold Sendker Heike Baehrens Christian Lange (Backnang) Martin Schulz Dr. Patrick Sensburg Ulrike Bahr Dr. Karl Lauterbach Swen Schulz (Spandau) Thomas Silberhorn Nezahat Baradari Helge Lindh Frank Schwabe Björn Simon Doris Barnett Kirsten Lühmann Andreas Schwarz Tino Sorge Dr. Matthias Bartke Isabel Mackensen Rita Schwarzelühr-Sutter Jens Spahn Sören Bartol Caren Marks Rainer Spiering Katrin Staffler Bärbel Bas Svenja Stadler Dr. Wolfgang Stefinger Lothar Binding Katja Mast Albert Stegemann (Heidelberg) Christoph Matschie Martina Stamm-Fibich Andreas Steier Leni Breymaier Hilde Mattheis Mathias Stein Peter Stein (Rostock) Dr. Karl-Heinz Brunner Dr. Matthias Miersch Kerstin Tack Sebastian Steineke Katrin Budde Klaus Mindrup Claudia Tausend Johannes Steiniger Martin Burkert Susanne Mittag Markus Töns Christian Frhr. von Stetten Dr. Lars Castellucci Falko Mohrs Carsten Träger Dieter Stier Bernhard Daldrup Claudia Moll Ute Vogt Gero Storjohann Dr. Karamba Diaby Siemtje Möller Marja-Liisa Völlers Stephan Stracke Esther Dilcher Bettina Müller Dirk Vöpel Max Straubinger Sabine Dittmar Detlef Müller (Chemnitz) Bernd Westphal Karin Strenz Dr. Wiebke Esdar Michelle Müntefering Dirk Wiese Michael Stübgen Saskia Esken Dr. Rolf Mützenich Gülistan Yüksel Dr. Peter Tauber Yasmin Fahimi Dietmar Nietan Dagmar Ziegler Hans-Jürgen Thies Dr. Johannes Fechner Ulli Nissen Stefan Zierke Alexander Throm Dr. Fritz Felgentreu Josephine Ortleb Dr. Jens Zimmermann Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14719

(A) AfD Corinna Miazga Markus Herbrand Nein (C) Dr. Bernd Baumann Andreas Mrosek Torsten Herbst DIE LINKE Hansjörg Müller Dr. Gero Clemens Hocker Marc Bernhard Doris Achelwilm Volker Münz Manuel Höferlin Andreas Bleck Gökay Akbulut Sebastian Münzenmaier Dr. Christoph Hoffmann Peter Boehringer Simone Barrientos Christoph Neumann Reinhard Houben Stephan Brandner Dr. Dietmar Bartsch Jan Ralf Nolte Ulla Ihnen Jürgen Braun Lorenz Gösta Beutin Ulrich Oehme Olaf In der Beek Marcus Bühl Matthias W. Birkwald Gerold Otten Dr. Christian Jung Matthias Büttner Heidrun Bluhm-Förster Tino Chrupalla Tobias Matthias Peterka Karsten Klein Paul Viktor Podolay Michel Brandt Joana Cotar Dr. Marcel Klinge Christine Buchholz Dr. Gottfried Curio Jürgen Pohl Daniela Kluckert Stephan Protschka Dr. Birke Bull-Bischoff Pascal Kober Martin Reichardt Sevim Dağdelen Thomas Ehrhorn Dr. Lukas Köhler Martin Erwin Renner Fabio De Masi Berengar Elsner von Carina Konrad Gronow Roman Johannes Reusch Anke Domscheit-Berg Wolfgang Kubicki Dr. Michael Espendiller Ulrike Schielke-Ziesing Klaus Ernst Konstantin Kuhle Peter Felser Dr. Robby Schlund Susanne Ferschl Alexander Kulitz Dietmar Friedhoff Jörg Schneider Nicole Gohlke Alexander Graf Lambsdorff Dr. Anton Friesen Uwe Schulz Dr. Gregor Gysi Ulrich Lechte Thomas Seitz Dr. André Hahn Dr. Götz Frömming Martin Sichert Christian Lindner Heike Hänsel Dr. Alexander Gauland Detlev Spangenberg Michael Georg Link Matthias Höhn (Heilbronn) Albrecht Glaser Dr. Dirk Spaniel Andrej Hunko Oliver Luksic Franziska Gminder René Springer Ulla Jelpke Christoph Meyer Armin-Paulus Hampel Beatrix von Storch Kerstin Kassner Alexander Müller Mariana Iris Harder-Kühnel Dr. Alice Weidel Dr. Achim Kessler Roman Müller-Böhm Verena Hartmann Dr. Harald Weyel Katja Kipping Frank Müller-Rosentritt Jan Korte (B) Dr. Roland Hartwig Wolfgang Wiehle (D) Jochen Haug Dr. Heiko Wildberg Dr. Martin Neumann Jutta Krellmann (Lausitz) Martin Hebner Dr. Christian Wirth Caren Lay Hagen Reinhold Udo Theodor Hemmelgarn Uwe Witt Sabine Leidig Bernd Reuther Waldemar Herdt Ralph Lenkert Dr. Stefan Ruppert Lars Herrmann Michael Leutert FDP Dr. h. c. Thomas Martin Hess Stefan Liebich Grigorios Aggelidis Sattelberger Dr. Heiko Heßenkemper Dr. Gesine Lötzsch Renata Alt Christian Sauter Karsten Hilse Thomas Lutze Christine Aschenberg- Dr. Wieland Schinnenburg Nicole Höchst Pascal Meiser Dugnus Matthias Seestern-Pauly Martin Hohmann Amira Mohamed Ali Nicole Bauer Frank Sitta Dr. Bruno Hollnagel Cornelia Möhring Jens Beeck Judith Skudelny Leif-Erik Holm Niema Movassat Dr. Jens Brandenburg Dr. Hermann Otto Solms Johannes Huber (Rhein-Neckar) Norbert Müller (Potsdam) Bettina Stark-Watzinger Fabian Jacobi Mario Brandenburg Zaklin Nastic (Südpfalz) Dr. Marie-Agnes Strack- Dr. Alexander S. Neu Dr. Marc Jongen Zimmermann Jens Kestner Dr. Marco Buschmann Thomas Nord Benjamin Strasser Stefan Keuter Karlheinz Busen Petra Pau Norbert Kleinwächter Carl-Julius Cronenberg Sören Pellmann Michael Theurer Enrico Komning Britta Katharina Dassler Victor Perli Stephan Thomae Jörn König Bijan Djir-Sarai Tobias Pflüger Manfred Todtenhausen Steffen Kotré Christian Dürr Ingrid Remmers Dr. Florian Toncar Dr. Rainer Kraft Hartmut Ebbing Martina Renner Dr. Andrew Ullmann Rüdiger Lucassen Dr. Marcus Faber Bernd Riexinger Frank Magnitz Daniel Föst Gerald Ullrich Eva-Maria Schreiber Jens Maier Otto Fricke Johannes Vogel (Olpe) Dr. Petra Sitte Dr. Lothar Maier Thomas Hacker Sandra Weeser Helin Evrim Sommer Dr. Birgit Malsack- Peter Heidt Nicole Westig Kersten Steinke Winkemann Katrin Helling-Plahr Katharina Willkomm Friedrich Straetmanns 14720 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

(A) Dr. Kirsten Tackmann Agnieszka Brugger Sven-Christian Kindler Dr. Manuela Rottmann (C) Jessica Tatti Dr. Anna Christmann Maria Klein-Schmeink Corinna Rüffer Alexander Ulrich Ekin Deligöz Sylvia Kotting-Uhl Manuel Sarrazin Kathrin Vogler Katja Dörner Oliver Krischer Ulle Schauws Andreas Wagner Katharina Dröge Stephan Kühn (Dresden) Dr. Frithjof Schmidt Harald Weinberg Harald Ebner Christian Kühn (Tübingen) Stefan Schmidt Katrin Werner Matthias Gastel Renate Künast Kordula Schulz-Asche Hubertus Zdebel Kai Gehring Markus Kurth Dr. Wolfgang Strengmann- Pia Zimmermann Stefan Gelbhaar Monika Lazar Kuhn Sabine Zimmermann Katrin Göring-Eckardt Sven Lehmann Margit Stumpp (Zwickau) Erhard Grundl Steffi Lemke Markus Tressel Anja Hajduk Dr. Tobias Lindner Jürgen Trittin BÜNDNIS 90/ Britta Haßelmann Dr. Irene Mihalic Dr. Julia Verlinden DIE GRÜNEN Dr. Bettina Hoffmann Claudia Müller Daniela Wagner Beate Müller-Gemmeke Luise Amtsberg Dr. Anton Hofreiter Beate Walter-Rosenheimer Lisa Badum Dr. Konstantin von Notz Ottmar von Holtz Gerhard Zickenheiner Margarete Bause Dr. Kirsten Kappert- Friedrich Ostendorff Dr. Danyal Bayaz Gonther Filiz Polat Canan Bayram Uwe Kekeritz Tabea Rößner Fraktionslos Dr. Franziska Brantner Katja Keul Claudia Roth (Augsburg) Marco Bülow

Abgeordnete, die sich wegen gesetzlichen Mutterschutzes für ihre Abwesenheit entschuldigt haben, sind in der Liste der entschuldigten Abgeordneten (Anlage 1) aufgeführt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dann erteile ich der in allen Bereichen. Deshalb ist es in allen Ministerien und Kollegin Saskia Esken, SPD-Fraktion, das Wort. übrigens in allen Ausschüssen gut angesiedelt. (Beifall bei der SPD) Ich beschränke mich wegen der Kürze der Zeit auf (B) einen Begriff, der in der Digitalisierung eine große Rolle (D) Saskia Esken (SPD): spielt: die Offenheit. Gestern haben wir bei einem parla- Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und mentarischen Frühstück der Open Knowledge Founda- Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jede tion zusammengesessen und haben uns beraten, wie wir Zeit hat ihre Begriffe, und unsere Zeit ist stark vom Di- diesen Gedanken der Offenheit in die Köpfe und in die gitalen geprägt: Gestern war noch alles in der Cloud, Herzen der Regierenden, der Behörden und der Parla- heute wird es mit der Blockchain gebändigt. mentarier tragen könnten. Wie können wir deutlich ma- chen, dass gerade in heutigen Zeiten offene Daten, Trans- Die FDP-Fraktion legt einen ganzen Strauß von An- parenz und Beteiligung wichtige Grundlagen für die trägen vor, die sich um den Begriff „smart“ drehen: Smart Schaffung neuen Vertrauens in das Regieren, in politi- Building, Smart City, Smart Germany – so viel Smart- sches und staatliches Handeln wären? Dieses Vertrauen ness, man möchte fast von einer „Smart FDP“ sprechen. hat in jüngster Zeit durchaus etwas gelitten. (Beifall bei der FDP) Außerdem ergeben sich durch die Öffnung der Daten Wir sind wirklich beeindruckt. Ganz ehrlich: Wenn ich Perspektiven für die Zivilgesellschaft und neue Ge- nur die Titel eurer Anträge vorlesen würde, wäre meine schäftsmodelle. Aber auch die Verwaltung selbst kann Redezeit um; davon profitieren, auf das Wissen der jeweils anderen zugreifen zu können. Wenn man die Daten vorher auf- (Zuruf von der FDP: Das war der Plan!) räumen muss, dann kann man sogar selbst davon profi- deswegen ist das schwierig. Ich habe auch manchmal tieren. Den Plädoyers der Grünen und der Linken für Zweifel, wie lange die Legislatur noch währt, aber so viel mehr Offenheit können wir also durchaus zustimmen, Torschlusspanik muss nun wirklich nicht sein, liebe Kol- auch wenn sie in der Umsetzung vielleicht etwas ungenau leginnen und Kollegen. und unausgegoren sind. An der Fülle der Anträge sieht man, was es heißt, wenn Wir haben hier kurz vor Ende der vergangenen Legis- alle sagen, die Digitalisierung durchdringe alle Bereiche latur ein Open-Data-Gesetz beschlossen, in dem wir die unseres Lebens. Andere sagen einfach: Digital ist das unmittelbaren Bundesbehörden verpflichtet haben, ihre neue Normal. – Damit ist am besten erklärt, warum die nicht personenbezogenen Daten der Öffentlichkeit bereit- Forderung nach einem Digitalministerium, in die faktisch zustellen. Grüne und Linke fordern die Bundesregierung jeder Ihrer Anträge gipfelt, total aus der Zeit gefallen ist, jetzt auf, das Open-Data-Gesetz zu novellieren, gerade liebe Kollegen von der FDP. Das Digitale lebt heute zwei Jahre, nachdem es in Kraft ist. Ist das ungerecht? längst nicht mehr in einer Nische, sondern, wie gesagt, Nein, weil auch wir mit der Umsetzung bislang unzufrie- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14721

Saskia Esken (A) den sind. Ist es zu früh? Nein, weil auch wir den Sach- ist nicht nur für uns falsch, auch einzelne Personen aus (C) standsbericht durchaus als erste Evaluation interpretieren Ihren eigenen Fraktionen haben das schon zu Recht an- können und schon Ideen entwickeln, wie es weitergehen ders gesehen. Alexander Dobrindt zum Beispiel hat ge- könnte. Und doch kommen die Anträge etwas zu früh; sagt: Wir können mit einem Digitalministerium unsere denn ein zweites Open-Data-Gesetz ist ja im Koalitions- Schlagkraft deutlich erhöhen und uns gemeinsam mit vertrag vereinbart. Jetzt, wo auch die Opposition dafür ist, der Wirtschaft an die Spitze kämpfen in der neuen, digita- dürfen wir sicher erwarten, dass das Ministerium, auch len Weltordnung. wenn kein Vertreter anwesend ist, in Bälde mit konkreten Eckpunkten auf uns zukommt. (Christian Dürr [FDP]: Ah! Guck an!) Auch Bitkom, BDI und IT-Mittelstand unterstützen (Beifall bei Abgeordneten der SPD) uns. Bei der SPD hat sich Lars Klingbeil 2018 für einen Auch bei der Nutzung von Open-Source-Software in Digitalminister ausgesprochen. Tabea Rößner, die gleich der Verwaltung liegen unsere Positionen nicht weit aus- noch sprechen wird, hat im Juli 2019 gesagt, ein Digital- einander. Erst vor einigen Wochen hat eine Studie im ministerium könne man sich auch vorstellen, sie habe ihre Auftrag des Innenministeriums ergeben, dass die Verwal- Meinung geändert. Und ganz frisch: Mitte 2019 sagte – tung in Deutschland in hohem Maße von Produkten von damals noch in der Bundesregierung – Verteidigungsmi- Monopolisten abhängt und dass dies eine erhebliche Ge- nisterin zu diesem Thema: „Ein fahr für die digitale Souveränität und vor allem auch für Nebeneinanderher und Tempostopper können wir uns die Unabhängigkeit und die Zuverlässigkeit staatlichen einfach nicht mehr leisten“, und sprach sich für ein Digi- Handelns darstellt. Daran müssten wir noch arbeiten. talministerium aus. So abwegig kann unsere Vorstellung Für die Entwicklung offener Architekturen und den Ein- nicht sein, wie Sie es hier darstellen, meine Damen und satz offen lizenzierter Software gibt es handfeste Gründe. Herren. Kostenersparnis gehört übrigens nicht dazu; denn Open Source ist nicht umsonst, und wenn ihr Einsatz sinnvoll (Beifall bei der FDP – Maik Beermann [CDU/ sein soll, dann darf er auch nicht kostenlos sein. CSU]: Einzelmeinungen!) Heute haben wir das Thema „Digitalisierung Deutsch- Nicht nur beim Ausrollen der 5G-Infrastruktur, son- lands“; es ist hier verkürzt an der Tafel dargestellt. In dern auch bei der Konsolidierung der IT des Bundes, Wahrheit, meine Damen und Herren, geht es aber um der Länder und der Kommunen wären wir also mit einer die digitale Transformation. Strategie für mehr Offenheit, mehr Unabhängigkeit und mehr digitale Souveränität gut beraten. Es ist zu hoffen, (Christian Dürr [FDP]: So ist es!) dass auch die Anträge der Opposition ihren Beitrag zu Das ist der entscheidende Unterschied, den manche wohl (B) dieser Überzeugung leisten, auch wenn wir ihnen nicht (D) einfach noch nicht verstanden haben. Es geht um die zustimmen können. Transformation in der digitalen Welt von Wirtschaft, Ge- Danke. sellschaft und Politik. Bei der Wirtschaft klappt das schon sehr, sehr gut, bei der Gesellschaft und der Politik sind wir (Beifall bei der SPD) da, vor allen Dingen hier im digitalen bzw. pseudodigita- len Berlin, noch nicht angekommen. Ich höre hier immer Vizepräsident Wolfgang Kubicki: wieder, auch am Mittwoch bei der Befragung, aus der Vielen Dank, Frau Kollegin Esken. In Verfolgung Ihrer Bundesregierung: Wir sind auf einem guten Weg. – Mei- Rede stimme ich Ihnen zu, dass die Präsenz der Bundes- ne Damen und Herren, das höre ich seit fünf bis zehn regierung bei diesem Thema durchaus ausbaufähig wäre. Jahren beim Thema Digitalisierung. Die Menschen kön- nen es einfach nicht mehr hören; es muss endlich etwas Als nächster Redner hat der Kollege Manuel Höferlin, passieren. Denken wir doch einmal ein paar Sachen neu. FDP-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Ich war gerade letzte Woche mit dem Digitalausschuss Manuel Höferlin (FDP): in Kanada; einige Kollegen waren dabei. Wir haben mit dem Minister für digitale Transformation in Québec ge- Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine lieben Kollegin- sprochen. Dort gibt es auch eine Digitalstrategie, eine nen und Kollegen! Wir stellen heute einen Antrag zur Strategie zur digitalen Transformation. Die sogenannte Einrichtung eines Digitalisierungsministeriums. Insge- Digitalstrategie der Bundesregierung listet 111 Einzelpro- samt sind es 25 Anträge, die wir diese Woche zum Thema jekte auf – ohne Zeitplan, ohne Priorisierung, ohne Bezug „Smart Germany“ ins Plenum eingebracht haben. Sie zie- zueinander. Das ist kein Projektmanagement, wie man es hen sich tatsächlich quer durch alle Gebiete: Innen, Infra- bei diesem Thema bräuchte. Deswegen gibt es hier in struktur, Verkehr, Gesundheit, Finanzen, Umwelt, Außen, Deutschland keine richtige digitale Strategie, es wird Kultur – ich könnte noch mehr nennen. Bei all diesen nicht richtig koordiniert, und das sollten wir dringend digitalen Themen geht es um Federführung und Koordi- ändern. nation. Ich habe wieder die alten Argumente gehört – von (Beifall bei der FDP) Saskia Esken, von Maik Beermann –, wir wollten das Die Frage, die sich hier stellt, ist doch: Wollen wir den Digitale aus den Fachministerien herausreißen, das sei digitalen Wandel gestalten, oder sollen wir ihn über uns eine überkommene Vorstellung und total abwegig. Das ergehen lassen? Stattfinden wird er in jedem Fall, meine 14722 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Manuel Höferlin (A) Damen und Herren. Aber wenn wir ihn nicht gestalten, desregierung Verantwortung für den digitalen Verbrau- (C) werden wir ihn zumindest hier in Deutschland über uns cherschutz und untersagt Anbietern, solche Passwörter ergehen lassen müssen. Er wird woanders in der Welt zu akzeptieren? Ja, jeder trägt natürlich eigene Verant- geschehen, und wir werden ihn dann mitmachen können. wortung. Aber wenn das reichen würde, gäbe es auch Das wollen wir nicht. Wir wollen ihn aktiv gestalten. keine Schranken an Bahnübergängen. Am Mittwoch hat mein Kollege Sitta Herrn Bundes- (Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP) minister Braun die Frage gestellt, ob denn nicht ein Di- gitalministerium der bessere Weg sein könnte. Auch er Kluger Verbraucherschutz besteht außerdem aus Infor- hat das nicht grundsätzlich abgelehnt. Er sagte, das sei mationspflichten. Deshalb kleben Energiesparsymbole eine philosophische Frage, das könne man nicht mehr in auf Waschmaschinen und Mindesthaltbarkeitsdaten auf dieser Legislaturperiode machen, die Entscheidungen Käsepackungen. Was aber weder auf Handys oder smar- seien getroffen. ten Toastern klebt, ist ein Datum, bis zu dem die Her- steller Softwareupdates garantieren, mit denen sie neu Übrigens: Die Koordination funktioniert auch jetzt gefundene Sicherheitslücken schließen. Deshalb gehört nicht. Natürlich ist Digitalisierung eine Querschnittsauf- ein Mindest-Update-Datum zu den notwendigen Stan- gabe. Unser Vorschlag zur Schaffung eines Digitalminis- dards für IT-Sicherheit, deren Einführung wir fordern. teriums bedeutet aber nicht das Herausreißen des Digita- len. Herr Beermann sprach das Gesundheitsministerium (Beifall bei der LINKEN) an, dass dort dann keine Kompetenz mehr vorhanden sei. Wir wollen ja gerade nicht die Gesundheitskompetenz Überfällig ist auch die Produkthaftpflicht für IT-Pro- aus dem Gesundheitsministerium abziehen, sondern Di- dukte. Die bisherige Haftpflicht greift nämlich zum Bei- gitalkompetenz hinzufügen. spiel nur, wenn der vernetzte Kühlschrank ausläuft, aber nicht, wenn er als Teil eines Botnetzes Schaden anrichtet. Auch in diesem Haus müsste sich einiges ändern. Die Ausschüsse – Frau Cotar sagte es – sind Fachausschüsse. Außerdem braucht es endlich eine Meldepflicht für ge- Warum denken wir denn hier nicht einmal neu, wenn die fundene Sicherheitslücken, um sie schneller schließen zu digitale Transformation alles umwälzt? Auch in diesem können. Und weil es keine Schwachstellen gibt, die nur Haus könnten zwei Ausschüsse einen gemeinsamen Un- aus guten Motiven ausgenutzt werden, muss sie auch für terausschuss bilden und gemeinsam ein Projekt bearbei- staatlichen Stellen gelten. Denn wenn sich Geheimdiens- ten. Dann kämen nämlich die Kompetenz aus dem Ge- te Hintertüren zu häufig genutzter Software offenhalten, sundheitsbereich und die Kompetenz aus dem digitalen um sie später zu Überwachungszwecken auszunutzen, Bereich zueinander, und die beiden Fachministerien, die setzen sie unser aller vernetzte Welt unkalkulierbaren Si- (B) sonst nicht zusammen sind, würden nicht gegeneinander, cherheitsrisiken aus. (D) sondern miteinander arbeiten. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordne- (Beifall bei der FDP – Maik Beermann [CDU/ ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) CSU]: Dafür braucht man aber kein Ministe- rium!) Schon gar nicht darf der Staat bei einem Hackerangriff einen Hackergegenangriff starten. Das ist nämlich keine Herr Braun sagte, das sei philosophisch, das könne man Verteidigung mehr, und wenn man sie hundertmal „aktive vielleicht demnächst machen. Wollen wir wirklich war- Cyberabwehr“ nennt. Derlei Praktiken würden gegen ge- ten? Nein. Wir brauchen jetzt ein Update für Deutschland, ltendes Recht verstoßen und Eskalationen mit unabsehba- meine Damen und Herren. Das kann nicht länger warten. ren Folgen garantieren. Die Linke fordert daher die Bun- Herzlichen Dank. desregierung erneut auf, Maßnahmen zu unterlassen, die unser aller IT-Sicherheit gefährden. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Margit Stumpp [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: NEN]) Vielen Dank, Herr Kollege Höferlin. – Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Anke Domscheit- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch Berg, Fraktion Die Linke. über einen zweiten Antrag meiner Fraktion sprechen, der heute zur Debatte steht. Wir fordern darin die Bun- (Beifall bei der LINKEN) desregierung auf, dem Grundsatz „Öffentliches Geld? Öffentliches Gut!“ – abgekürzt ÖGÖG – zu folgen, also Anke Domscheit-Berg (DIE LINKE): alle Inhalte, die mit Steuergeldern von der Allgemeinheit Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol- finanziert wurden, auch der Allgemeinheit frei zur Ver- legen! Ich zitiere: „123456“, „12345“, „123456789“, „fi- fügung zu stellen. So sollten alle von Verwaltungen cken“, „12345678“, das sind die fünf häufigsten Passwör- gesammelten Daten mit wenigen Ausnahmen zeitnah, ter einer halben Million E-Mail-Konten, die das kostenlos, maschinenlesbar und ohne jegliche Nutzenein- Potsdamer Hasso-Plattner-Institut 2018 analysierte. Wa- schränkung frei zur Verfügung stehen und damit zu Open rum nur, haben Medien gefragt, nutzen so viele Menschen Data werden. Passwörter, die man leicht erraten kann, wo doch ein E- Mail-Postfach auch höchst private Dinge enthält? Wann, (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordne- fragen wir uns in der Linksfraktion, übernimmt die Bun- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14723

Anke Domscheit-Berg (A) Die Bundesregierung will übrigens weltweit Vorreite- (Anke Domscheit-Berg [DIE LINKE]: Stille (C) rin im Bereich Open Data werden. Ich beschäftige mich Wasser sind tief!) nun schon seit zehn Jahren mit dem Thema und kann Als nächste Rednerin hat die Kollegin Tabea Rößner, sagen: Ein Mangel an verbalem Ehrgeiz besteht zwar Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. nicht, aber leider an Umsetzungskompetenz. Das Open- Data-Gesetz der Bundesregierung war ein Schuss in den (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ofen; das ergab Ihre eigene Studie. Aber immerhin wis- sen wir seit Mittwoch, dass unsere Kritik an der ursprüng- Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): lich für 2021 geplanten Evaluation dieses Gesetzes Gehör Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte fand und ihre Ergebnisse nun doch Ende 2019 vorliegen zeigt: Bei der Digitalisierung gibt es zahllose Baustellen. werden. Damit ist der Weg frei für ein besseres Gesetz. Die Bundesregierung könnte an jeder Stelle anfangen und eine nach der anderen abräumen. Aber was macht sie? Unser Grundsatz „ÖGÖG“ bezieht sich aber nicht nur Nichts. Ich verrate Ihnen etwas: Die Digitalisierung fin- auf staatlich gesammelte Daten wie Wetter-, Verkehrs- det statt, ganz ohne Ihr Zutun. Dabei müssten Sie sie oder Katasterdaten, die Grundlage für nützliche Apps endlich gestalten; denn alles, was sich jetzt in eine falsche sein können. Auch Bildungsmaterialien, die mit Steuer- Richtung entwickelt, ist später umso schwerer zurückzu- geldern entwickelt worden sind, müssen als Open Educa- holen. Wir bieten Ihnen ein breites Portfolio an Hand- tional Resources frei zur Verfügung stehen, gleicherma- lungsoptionen. Sagen Sie einfach Danke und nehmen ßen Forschungsergebnisse aus öffentlich finanzierter Sie es. Forschung und digitalisierte Kulturschätze aus öffentli- chen Museen und Archiven, damit Kunst und Kultur auch (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) im ländlichen Raum, auch bei mir in Brandenburg im Zum Beispiel im Bereich offene Standards: welch Wahlkreis, zugänglicher werden. große Chancen die für alle bieten! Offene Standards sind (Beifall bei der LINKEN) leicht zugänglich, weiterentwickelbar und ermöglichen einen selbstbestimmten Umgang mit Geräten, Daten Manche Schritte gehen schon in die richtige Richtung, und Informationen. Sie befördern Innovation, stärken aber reichen nicht. So beschloss das Auswärtige Amt, die Wahlfreiheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern sein politisches Archiv mit Millionen von Dokumenten und erhöhen die Sicherheit in der digitalen Welt. und Bildern zu veröffentlichen – aber leider mit einer Lizenz, die eben keine beliebige Nutzung erlaubt, sodass Unser Antrag zeigt Ihnen all diese Potenziale quer sie so auf dem Weg zu Open Data auf den allerletzten durch die Digitalpolitik: von Interoperabilität bis zum Metern einfach stehen bleibt. So wird man nicht Vorrei- Recht auf Reparatur. Ich begreife nicht, warum die Bun- (B) terin. desregierung diesen wichtigen Treiber für eine gemein- (D) wohlorientierte Digitalisierung so sträflich vernachläs- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordne- sigt. ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Auch Software, die der Staat entwickeln lässt, muss sowie bei Abgeordneten der FDP) Open Source sein. Und Dokumente, die Ergebnisse staat- Im Koalitionsvertrag – Kollegin Esken hat es ange- lichen Handelns sind, gehören maschinenlesbar und frei sprochen – ist ein zweites Open-Data-Gesetz verspro- ins Netz: Gerichtsurteile, Amtliche Mitteilungsblätter, chen. Damit soll die Verwaltung alle Daten von sich aus Gesetze oder Gutachten samt der ihnen zugrundeliegen- standardmäßig zur Verfügung stellen. Auf das Gesetz den Daten. Also zum Beispiel auch die Ergebnisse der warten wir aber immer noch. Gleichzeitig wird die Abgastests des Kraftfahrt-Bundesamts zum Ausstoß von Non-Profit-Organisation FragDenStaat mit Verweis auf Stickoxiden bei Dieselautos, die bisher – und zwar jahre- das Urheberrecht verklagt, weil sie das Gutachten einer lang – unter Verschluss waren und erst vor Gericht ein- Bundesbehörde zu Glyphosat öffentlich gemacht hat. Mir geklagt werden mussten. So etwas geht einfach mal gar wäre das an Ihrer Stelle peinlich. Statt andere zu verkla- nicht. gen, sollten Sie erst einmal Ihre Versprechen einlösen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordne- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Digitalisierung zu gestalten, ist mehr, als einen Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unseren Anträ- Podcast zu machen. Die Kanzlerin wirkt übrigens wie gen. Und, wie immer, bin ich im Übrigen der Meinung, eine Märchenerzählerin, wenn sie wundervolle Dinge dass Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen abso- wie den zweiten Aktionsplan zur Open Government Part- lut nichts im Strafgesetzbuch verloren haben. § 219a ge- nership verspricht, mit dem sich Bürgerinnen und Bürger hört abgeschafft. über Regierung und Parlament besser informieren kön- Vielen Dank. nen. Im wahren Leben sieht es aber ganz anders aus; denn die Union sperrt sich weiterhin, Ausschüsse öffentlich (Beifall bei der LINKEN) tagen zu lassen. Unser Parlament ist das meistbesuchte der Welt – aber Vizepräsident Wolfgang Kubicki: nur, was die Reichstagskuppel angeht. Bei Open Govern- Ja, Frau Kollegin Anke Domscheit-Berg. Das Wort bei ment und Open Data haben uns inzwischen viele Länder der Kodierung hätte ich jetzt nicht erraten. überholt, die nicht auf eine so lange demokratische Tradi- 14724 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Tabea Rößner (A) tion wie wir zurückblicken können. Also bei mir weckt (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (C) das Ehrgeiz, bei Ihnen offenbar nicht. sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Einer der Gründe all dieser Baustellen ist die fehlende Koordination. Die einzelnen Bemühungen verpuffen. Ein Auch bei freier Software stolpern wir ordentlich hinter- Digitalministerium ist aber nicht zwingend der alleinige her. Zwar strapaziert die Bundesregierung – auch Saskia Heilsbringer, wie die FDP glaubt. Digitalministerium hin Esken hat das eben gesagt – bei jeder Gelegenheit die oder her – das ist eigentlich gar nicht die zentrale Frage. digitale Souveränität, bei der eigenen Technik setzt sie Es käme darauf an, wie man es aufstellt. aber nicht auf Open-Source-Lösungen. Erst kürzlich tru- delte im Innenministerium das Ergebnis einer Studie ein, (Manuel Höferlin [FDP]: Genau!) die aufzeigte, dass die Bundesregierung, die Ministerien Ich brauche nicht viel Fantasie, um mir ein schlecht ge- und die obersten Behörden in hohem Maße vom Softwa- führtes Digitalministerium in einer Großen Koalition vor- reanbieter Microsoft abhängig sind. zustellen. (Anke Domscheit-Berg [DIE LINKE]: Hört! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hört!) Dabei sind mit der Staatsministerin für Digitalisierung Ist es verantwortbar, auf einen einzigen Konzern derart und dem Digitalkabinett theoretisch eigentlich die Grund- angewiesen zu sein? Sie geben damit nicht nur die Kon- lagen für eine gute Koordinierung geschaffen. Aber die trolle aus der Hand, es bremst Innovation, gefährdet die praktische Umsetzung ist schlecht. Da gebe ich gar nicht IT-Sicherheit und kann zudem extrem teuer werden. Was Doro Bär die Schuld. Sie hat wenig Kompetenzen, Bud- könnte man nicht alles Sinnvolles mit dem Geld anstellen, get oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und im Digi- das Sie Microsoft in den Rachen werfen! talkabinett sitzen zudem noch viele Digitalisierungs- bremser. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich kann Ihnen jedenfalls versichern: Wir Grüne haben eine Menge Ideen und auch den Willen, die vielen Bau- Apropos IT-Sicherheit. Während wir in der Warte- stellen endlich anzupacken. schleife für das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 versauern, weigert sich die Bundesregierung, echte Verschlüsselung Vielen Dank. für alle anzubieten. Stattdessen geht sie lieber noch ein paar Sicherheitslücken auf dem Schwarzmarkt shoppen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (B) damit sie die Bürgerinnen und Bürger besser überwachen (D) kann. Das darf doch wohl nicht sein. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Vielen Dank, Frau Kollegin Rößner. – Ich habe darüber wie bei Abgeordneten der FDP und der LIN- nachgedacht, weil Sie erklärt haben, zu einer Rednerin KEN – Karsten Möring [CDU/CSU]: Die Bun- „süß“ zu sagen, sei sexistisch, ob ich einen Ordnungsruf desregierung überwacht keine Bürgerinnen und erteilen muss. Ich bin mir aber noch nicht ganz schlüssig, Bürger! – Gegenruf des Abg. Manuel Höferlin ob das wirklich sexistisch ist, weil meine Frau häufiger zu [FDP]: Sie lässt überwachen!) mir sagt, ich sei süß. Aber sei es drum. Ich könnte ewig so weitermachen. Der Breitbandaus- (Heiterkeit) bau ist ein Jammerspiel epischen Ausmaßes. Wie schön wäre es, wenn wir alle endlich auch im Zug Richtung Als nächster Redner hat der geschätzte Kollege Patrick Wahlkreis wichtige Telefonate führen könnten, ohne dass Schnieder, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. die Verbindung ständig abreißt. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der LINKEN – Manuel Patrick Schnieder (CDU/CSU): Höferlin [FDP]: Das ist aber sehr weit herge- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! holt!) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Debatte hat einen gewissen Unterhaltungswert. Ich möchte sie Oder man könnte auch Digitalisierung und Klimaschutz aber nicht so fortsetzen, weder mit Abkürzungen – zusammendenken. „ÖGÖG“, „oink, oink“ oder wie auch immer – noch mit Ich fasse zusammen: Über der Reichstagskuppel lacht der Diskussion der Frage, heute die Sonne, über Deutschlands Digitalpolitik lacht (Anke Domscheit-Berg [DIE LINKE]: Als die ganze Welt. Regierung können Sie es einfach machen!) (Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Maik ob bestimmte Äußerungen, die in gewissem Kontext Beermann [CDU/CSU]: Ein Raunen geht durch durchaus anerkannt sind, sexistisch sind. Wir sollten das den Saal! – Weiterer Zuruf: Süß!) nicht zu hoch hängen. – Es ist sexistisch, wenn man „süß“ zu einer Rednerin Ich möchte mir aus dem Bauchladen, den uns die FDP sagt. heute serviert, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14725

Patrick Schnieder (A) (Manuel Höferlin [FDP]: Das nennt sich Verbesserungen fordern, uns aber auf der anderen Seite (C) digitale Transformation, nicht Bauchladen!) vor Ort im konkreten Fall an die Spitze der Bewegung ein Thema herausgreifen, nämlich die Mobilfunkversor- setzen, um das Aufstellen von Funkmasten zu verhindern. gung. Dieses Thema berührt die Menschen in vielen Re- Was haben wir unternommen? Auf dem Mobilfunkgip- gionen in Deutschland, auch in meinem Wahlkreis, sehr fel 2018 gab es die Zusage der Telekommunikationsun- stark. Ich will Ihnen durchaus zustimmen, wenn Sie in ternehmen, bis Ende 2020 99 Prozent der Haushalte bun- Ihrem Antrag formulieren, die Mobilfunkversorgung sei desweit, bis 2021 99 Prozent der Haushalte in jedem absolut unbefriedigend. Eine Unterversorgung können Bundesland mit LTE zu versorgen. Das ist ein wichtiger wir so nicht akzeptieren, können wir so nicht bestehen weiterer Schritt. Fläche ist wichtig. Das haben wir bei der lassen. Diese betrifft vor allem den ländlichen Raum. Die Versteigerung der 5G-Frequenzen in Angriff genommen Kollegin hat mit einem Satz dieses Thema dann auch mit den Flächenkriterien, die dort enthalten sind. Wir noch aufgegriffen. Es trifft uns in Rheinland-Pfalz, Herr werden 1 400 zusätzliche Mobilfunkmasten in unterver- Kollege Höferlin, ganz besonders, aber die Menschen in sorgten Regionen errichten. Wir wollen die Probleme, die manch einem anderen Bundesland auch, dass unterwegs letztlich verbleiben, mit einer staatlichen Mobilfunkge- Verbindungen abreißen, dass es Dörfer und Weiler gibt, sellschaft in den Griff bekommen, um dem Anspruch, die nicht versorgt sind, die unterversorgt sind. Es geht gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland zu nicht nur um die weißen Flecken, es geht auch um die schaffen, gerecht zu werden. grauen Flecken. Ich komme aus einem Grenzraum mit Belgien und Da haben wir uns auf den Weg gemacht. Die Situation Luxemburg als Nachbarn. Wir müssen auch die Versor- ist heute – das sage ich noch einmal – unbefriedigend, gung der Grenzregionen verbessern. Auch da ist ein wich- aber ich glaube, dass wir in den nächsten Jahren zu einer tiger Schritt unternommen worden. Das BMVI hat deutlichen Verbesserung kommen werden. Deshalb stellt Anfang Oktober eine Vereinbarung mit der Bundesnetz- sich zunächst die Frage, wo die Ursachen für diese Pro- agentur getroffen, sodass die zulässige Einstrahlung ins bleme liegen. Das liegt zum einen an der Siedlungsstruk- Nachbarland in Zukunft auch vollständig genutzt werden tur. Deshalb bin ich auch immer etwas vorsichtig bei all kann. den Vergleichen, die wir mit anderen Ländern anstellen. So richtig es ist, unsere Situation an deren zu messen und Deshalb kann ich als Fazit festhalten: Die Mobilfunk- messen zu lassen, so muss man doch immer auf die Be- strategie des Bundes wird systematisch abgearbeitet. Wir sonderheiten hinweisen. Wir haben eine sehr heterogene haben wichtige Entscheidungen getroffen, die Weichen Siedlungsstruktur. Wir haben eine Flächenversorgung, richtig gestellt. Wir werden deutliche Verbesserungen in die deutlich aufwendiger und schwieriger ist. unterversorgten Regionen bekommen. Dennoch: Auch (B) bei den neuen Zielen handelt es sich um Zwischenschrit- (D) (Manuel Höferlin [FDP]: Und Kanada? Da gibt te, denen weitere Schritte bis zu einer Versorgung sämtli- es viel Fläche!) cher Haushalte und Verkehrswege in Deutschland folgen Das Beispiel Kanada ist ungeeignet. Auch das Beispiel müssen und folgen werden. Schweden ist im Vergleich ungeeignet, weil es dort im- (Beifall bei der CDU/CSU) mer auch Agglomerationsräume gibt.

(Manuel Höferlin [FDP]: Und dazwischen habe Vizepräsident Wolfgang Kubicki: ich auch Empfang!) Vielen Dank, Herr Kollege Schnieder. – Als nächster Dies ist mit der Situation in Deutschland, wenn man ganz Redner hat das Wort der Kollege Dr. Michael Espendiller, Deutschland betrachtet, nicht vergleichbar. Da muss man AfD-Fraktion. schon genau hinschauen. Trotzdem ist es ein Anreiz, bei der Versorgung letztlich so gut zu werden wie diese Län- (Beifall bei der AfD) der. Dr. Michael Espendiller (AfD): Wir haben bisher beim Vergabedesign – das geht weit Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und zurück – viel zu stark auf die Versorgung einzelner Haus- Herren! Die FDP hat 17 Anträge zur Digitalisierung unter halte gesetzt als auf die Versorgung von Flächen. Das fing diesem Tagesordnungspunkt eingebracht. Eine ausführ- schon bei der ersten Auktion an; da ging es zu einem liche Debatte ist eigentlich nicht möglich und auch nicht Großteil ums Geld. Bei der Auktion im Jahr 2010 – üb- erwünscht. Exemplarisch mache ich das an dem Antrag rigens unter Wirtschaftsminister Brüderle – fiel die Ver- „Smart Germany – CO2 an die digitale Kette legen“. sorgungsauflage schon etwas stärker ins Gewicht. Jetzt haben wir bei der Versteigerung der 5G-Frequenzen deut- (Manuel Höferlin [FDP]: Sehr guter Antrag!) lich stärker einbezogen, auch verstärkt in die Fläche zu – Schauen wir gleich. – Beantragt wird hier die Einfüh- kommen. Das halte ich für den richtigen Weg. rung einer Blockchain-basierten digitalen Währung mit Daneben darf man aber auch nicht verschweigen, dass dem Ziel, einen künstlichen Markt für die Speicherung die rechtlichen Anforderungen an Mobilfunkstandorte von CO2 zu schaffen. hoch sind. Überhaupt geeignete Liegenschaften für Funk- (Beifall bei Abgeordneten der FDP) masten zu finden, ist nicht so einfach. Auch da müssen wir schneller werden. Das Planungsrecht muss besser Pro gespeicherter Tonne CO2 soll ein Coin ausgegeben werden. Es darf nicht sein, dass wir auf der einen Seite werden. Gegründet werden soll dafür ein staatlicher Ver- 14726 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Dr. Michael Espendiller (A) ein, der aus Umwelt- und Klimaschutzverbänden besteht. Diese Wissenschaftler sagen aber nicht, wie stark dieser (C) Er soll die Ausgabe dieser Coins kontrollieren und auch Effekt ist. In der Statistik gehen Sie jetzt hin und fügen die Maßnahmen in den Ländern weltweit kontrollieren. diese Wissenschaftler zu denen hinzu, die den Klimakon- Da frage ich mich: Wie soll denn das funktionieren? sens teilen. Das ist wissenschaftlich nicht sauber. (Manuel Höferlin [FDP]: Wie bei ICANN zum (Beifall bei der AfD) Beispiel!) Unterm Strich: Dieser Klimakonsens ist wissenschaft- Wenn zum Beispiel ein Maßnahmenpaket gemacht wird, licher Nonsens. Sie berufen sich hier auf eine Quelle, die um in Afrika Bäume zu pflanzen, soll dann ein Umwelt- Sie selber nicht geprüft haben. Nach einer Rede des Kol- schutzverband aus Deutschland dort hinfahren und die legen Hilse in einer Debatte hier im Bundestag hat der Umsetzung nachprüfen? Sie öffnen damit dem Miss- Phoenix-Kommentator gesagt, Herr Hilse kenne diesen brauch Tür und Tor. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag 97-Prozent-Konsens nicht. Herr Hilse kennt aber die Stu- ab. die von John Cook und weiß, dass das Unsinn ist. Es kann nicht sein, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender (Beifall bei der AfD – Zuruf von der FDP: Weil Sie ihn nicht verstehen!) (Zurufe von der SPD: Oh! Medienschelte!)

Auch Ihr Grundansatz ist falsch. Denn CO2 ist kein solche falschen Zahlen ohne kritische Überprüfung im- Killergas. Die Debatte zum Thema „CO2 und Klima“ mer wieder veröffentlicht. ist mir zu unwissenschaftlich. (Niema Movassat [DIE LINKE]: Sagen Sie (Lachen bei Abgeordneten der SPD) noch etwas zum Thema der Debatte? – Marianne Schieder [SPD]: Flüchtlinge verges- Wir könnten hier jetzt viel über Rückstrahlungswerte, sen!) Sättigungswerte, Wolkenbildungsfaktoren und Sonnen- aktivität diskutieren. Gerade die letzten zwei Punkte ha- Es ist Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Sender, objektiv ben viel mit dem Weltklima zu tun. Ich möchte hier eine und neutral zu berichten. Bei einem Budget in Höhe von Sache ausräumen, nämlich den 97-Prozent-Konsens der 9 Milliarden Euro kann man das auch erwarten. Wissenschaftler. (Beifall bei der AfD – Zurufe der Abg. Niema (Manuel Höferlin [FDP]: Wenn das Ihre einzi- Movassat [DIE LINKE] und Tabea Rößner ge Kritik an unserem Antrag ist, ist alles gut!) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Sie alle nutzen diese Zahl immer und immer und immer Für diejenigen, dir mir die Zahlen, die ich gerade ge- (B) wieder als Argument für Ihre überteuerten Klimaschutz- nannt habe, nicht glauben möchten, nenne ich jetzt einmal (D) maßnahmen. Wie kommt diese Zahl eigentlich zustande? direkt die Quelle. Das ist Professor Legates et al., also Sie berufen sich hier auf eine Studie von John Cook aus zusammen mit den Kollegen, veröffentlicht 2015. Die dem Jahr 2013. Sie ist über 300 000-mal heruntergeladen wissenschaftliche Arbeit heißt „Climate Consensus and worden, wird in den Medien oft zitiert, selbst Barack ‚Misinformationʼ“, veröffentlicht in „Science & Educa- Obama hat sich schon auf sie berufen. tion“, Volume 24, Issue 3, Seite 299 bis 318. Schauen wir uns diese Studie einmal an. Was wurde da (Zurufe von der LINKEN) gemacht? John Cook hat 11 944 wissenschaftliche Arbei- Das sollten Sie unbedingt einmal lesen, bevor Sie hier ten untersucht. Als Erstes hat er 8 000 davon aussortiert, wieder irgendwelche Milliardenprogramme beschließen. weil sie sich zum Klimawandel nicht positionieren. Es gibt eine Definition von Klimakonsens, die Sie hier alle Herzlichen Dank. nutzen. Ich zitiere einmal: Der Mensch macht mehr als (Beifall bei der AfD – Niema Movassat [DIE die Hälfte der Erderwärmung seit 1950 aus. – Dieser Aus- LINKE]: Gar nichts zum Thema! Das ist auch sage, werte Kollegen, stimmen 0,54 Prozent der unter- einmal erstaunlich! Kein Satz zum Thema! – suchten Studien von John Cook zu. Timon Gremmels [SPD]: Die Rede war noch (Marianne Schieder [SPD]: Haben Sie die alle in der Schublade! – Weiterer Zuruf von der nachgelesen?) LINKEN: Thema verfehlt!) 0,54 Prozent der Wissenschaftler teilen diese Aussage. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Beifall bei der AfD) Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Espendiller. – Die Ran- ge ist für alle weit bei diesem Thema Digitales. Mit welchem statistischen Zaubertrick macht man jetzt aber 97 Prozent daraus? Es gibt viele Wissenschaftler, die Als nächster Redner hat der Kollege Dr. Jens sagen, dass es einen Treibhauseffekt gibt. Manche sagen, Zimmermann, SPD-Fraktion, das Wort. der Mensch hat etwas damit zu tun. Manche sagen, das ist nicht so. (Beifall bei der SPD – Timon Gremmels [SPD]: Das ist einmal jemand, der Ahnung hat!) (Manuel Höferlin [FDP]: Reden Sie doch ein- mal zur digitalen Transformation, Herr Kolle- Dr. Jens Zimmermann (SPD): ge! Sie haben die Aufgabe nicht verstanden! Hier liegt, glaube ich, noch ein Aluhut, Herr Kollege, Wie immer!) den Sie vergessen haben. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14727

Dr. Jens Zimmermann (A) (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der (Manuel Höferlin [FDP]: 54!) (C) SPD und der LINKEN) Das wollt ihr nicht; das verstehe ich auch. Aber was ist es Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich denn dann? Das heißt, es wird einfach ein zweites Kanz- mir die Vielzahl der Anträge der FDP heute anschaue, leramt mit Spiegelressorts für jedes andere Ressort auf- denke ich, dass hier nach dem Motto „Viel hilft viel“ gebaut. Das halten wir für keine sinnvolle Idee, meine und mit der Gießkanne vorgegangen wird. Ob dieses Vor- Damen und Herren. gehen am Ende smart ist, da bin ich mir nicht ganz sicher. Aber wenn man sich einmal anschaut, welche Themen- (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Manuel bereiche abgedeckt werden, kann man sagen: Mit so vie- Höferlin [FDP]: Nein! Eine echte Koordinie- len Anträgen trifft man ganz automatisch bei vielen The- rung!) men auf unsere Zustimmung. Das habe ich gestern schon in der Debatte zu einem anderen Antrag gesagt. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Wenn ich mir die Ministerien anschaue, die betroffen Herr Kollege Dr. Zimmermann, erlauben Sie eine Zwi- sind, also Innen, Wirtschaft, Umwelt, Außen, Finanzen, schenfrage des Kollegen Dr. Espendiller? Recht, Verkehr, Kultur, Gesundheit (Zuruf von der FDP: Landwirtschaft!) Dr. Jens Zimmermann (SPD): Nein. – Wir wollen ja über das Thema Digitalisierung und noch viele andere, dann zeigt sich natürlich, dass wir reden. Ich picke mir einmal einen zweiten Antrag heraus. beim Thema Digitalisierung Koordination notwendig ha- Dort wird das Thema Libra genannt, das Thema „digitale ben, dass diese wichtig ist. Jetzt wird gleich der Kollege Finanzen“. Es wundert mich, dass man sich dort so weit wieder in Erregung kommen. Denn ich sage: Die Frage, aus dem Fenster lehnt und sagt: Libra darf auf keinen Fall ob ein Digitalministerium das am Ende löst, ist heute für verhindert werden. mich wieder nicht beantwortet worden. Das ist ein schö- nes Bild. Man könnte sich vorstellen, dass es hier im (Manuel Höferlin [FDP]: Das steht da gar nicht Bundestag ein bisschen schwarz-weiß wird, Christian drin!) Lindner sitzt im Unterhemd da. Das ist irgendwie die Geschichte dahinter, die erzählt wird. Aber warum der Dass wir als Koalition und auch das Finanzministerium Aufbau eines Digitalministeriums eine so gute Idee sei, digitale Tokens nicht verhindern wollen, das will ich hier hat auch das Beispiel Kanada für mich überhaupt nicht ganz klar sagen. Aber eines verstehe ich wirklich nicht. gezeigt. Denn in Kanada ist die Digitalministerin gleich- Ich dachte, die FDP steht für Marktwirtschaft und Wett- zeitig die Chefin des Treasury Boards. bewerb. Warum man dann in einem Antrag schreibt, dass (B) man ein Kartell von Finanzunternehmen und Digitalun- (D) (Manuel Höferlin [FDP]: Aber nicht in ternehmen bei dem Versuch, eine private Parallelwährung Québec! Ich habe von Québec gesprochen!) einzuführen, schützen möchte, das verstehe ich nicht, Es gibt dort auch nicht ein Ministerium, so wie ihr euch meine Damen und Herren. das vorstellt. (Beifall bei der SPD – Manuel Höferlin [FDP]: (Manuel Höferlin [FDP]: Doch!) Das steht so auch gar nicht da drin!) Kanada ist zwar ein sehr gutes Beispiel – an ganz vielen – Das steht da drin. Das ist sogar die Überschrift: „Libra Stellen sind die wirklich Vorreiter und ein gutes Beispiel nicht verbieten“. Das ist die Forderung der FDP. – Wir für uns –, aber sie sind definitiv kein Vorreiter, wenn es sagen: keine privaten Parallelwährungen. Das würde er- darum geht, hier ein großes Digitalministerium einzufüh- neut in die Krise führen, meine Damen und Herren. ren, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des der CDU/CSU) Abg. Maik Beermann [CDU/CSU] – Manuel Höferlin [FDP]: Doch! In Québec schon!) Das zeigt aber auch schon, wie schwierig es ist, wenn man die Gießkanne rausholt nach dem Motto „Viel hilft Ich schaue mir die Situation an, wie sie heute ist. viel“ und sich nur als Ziel setzt: Wir machen eine The- (Manuel Höferlin [FDP]: Katastrophal!) menwoche. – So haben Sie es selbst genannt. Das ist eine legitime Idee. Aber ich würde sagen: Diese Woche und Es gibt im Kanzleramt eine große Einheit, die sich per se diese ganzen Debatten haben gezeigt, dass es sinnvoller darum kümmert, die Regierungsgeschäfte zwischen den wäre, sich einige Anträge herauszusuchen und über diese Ministerien zu koordinieren. ordentlich und intensiv zu diskutieren, statt hier diesen Rundumschlag zu machen. (Manuel Höferlin [FDP]: 17 Leute! Eine Rieseneinheit!) Herzlichen Dank. Genau das ist im Digitalbereich auch möglich. (Beifall bei der SPD) (Manuel Höferlin [FDP]: Weil sie sich stets bemüht!) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Jetzt wird gesagt, man will kein Digitalministerium, das Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Zimmermann. – Die 10 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat. AfD-Fraktion hat um eine Kurzintervention gebeten, die 14728 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) ich zulasse. Das Wort hat der Kollege Dr. Michael Minister für Internetkultur und differenzierte Aussagen, (C) Espendiller. Herr Seehofer, (Heiterkeit bei der FDP) Dr. Michael Espendiller (AfD): Herr Kollege Zimmermann, Sie haben gerade zu Ein- noch mal nachgelegt und gleich alle Gamer unter Gene- gang Ihrer Rede gesagt, hier liege noch ein Aluhut rum. ralverdacht gestellt. Das bezog sich sicherlich auf mich. Ich habe vorhin in meiner Rede eine wissenschaftliche Studie zitiert. Ich (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Siegbert habe die Studie von John Cook zum Thema Klimakon- Droese [AfD] und Anke Domscheit-Berg [DIE sens auseinandergenommen, natürlich kurz und kompakt. LINKE]) Ich habe jetzt eine Frage an Sie. Ich habe die Studie Das kann man machen, nur sollte man sich dann auch eines Klimawissenschaftlers aus den USA zitiert. Möch- überlegen, wen man damit eigentlich alles meint; denn ten Sie diese einmal lesen und sich ein eigenes Bild davon die Hälfte der Deutschen spielt bereits Videospiele. Die machen? Ja oder nein? Branche setzt pro Jahr mehr als 4 Milliarden Euro mit Produkten und Spielen mitten in unserer Gesellschaft (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – um. Eine Messe wie die Gamescom lockt jährlich fast Zuruf von der FDP: Digitale Transformation 400 000 Menschen nach Köln – und das übrigens inter- nicht verstanden!) national, bunt und friedlich. Wer diese Menschen, näm- lich die Mitte unserer Gesellschaft, auf diese Weise stig- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: matisiert, handelt bemerkenswert undifferenziert, liebe Kolleginnen und Kollegen. Herr Kollege Dr. Zimmermann, wollen Sie antworten? Ja oder nein? (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Siegbert Droese [AfD] und Anke Domscheit-Berg [DIE Dr. Jens Zimmermann (SPD): LINKE]) Wir wissen ja spätestens seit der Anhörung über die Ich habe das zur Aussprache gebracht, weil ich selbst Einführung der Pkw-Maut, dass Sie für jedes Argument seit meinem dritten oder vierten Lebensjahr Videospiele jederzeit eine Studie finden und jederzeit auch einen Ex- spiele: Ich bin mit „Super Mario“ im heimischen Wohn- perten, der Ihre Meinung vertritt. zimmer auf Gumbas gehüpft. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Heiterkeit und Beifall bei der FDP sowie der (B) Sie können mir die Studie gerne geben. Ich schaue sie Abg. Anke Domscheit-Berg [DIE LINKE] – (D) mir auch an. Ich schaue mir alle Meinungen an, weil ich Marianne Schieder [SPD]: Man sieht, was da- an einer ergebnisoffenen Diskussion interessiert bin. bei herauskommt!) Aber das, was Sie eben hier zum Antrag abgeliefert ha- ben, hat nicht den Eindruck erweckt, dass Sie Interesse an Bei „Mortal Kombat“ habe ich gelernt, wie man Einge- pluralen Meinungen haben. Vielmehr haben Sie die über- weide herausreißt. Ich durfte bei „Doom“ Monster zer- wiegende Mehrheit der Wissenschaftler, die hinsichtlich sägen. Und ich habe in vielen Nächten im Teamspeak mit irgendwelchen Menschen darüber geredet, wie ich meine CO2 und Klimaerwärmung zu klaren Einschätzungen kommen, sofort politisch frontal angegriffen. Das ist Sniper Skills verbessere. Aber eines hatte ich in 30 Jahren nicht unser Stil. Das ist Ihr Stil. Gaming nie: den Eindruck, dass ich deswegen verdächtig bin oder verdächtig sein sollte, liebe Kolleginnen und Herzlichen Dank. Kollegen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Siegbert der FDP) Droese [AfD]) Noch ein Wort zu den Kritikern: Es geht hier nicht Vizepräsident Wolfgang Kubicki: darum, irgendetwas wegzuwischen oder irgendetwas zu Damit ist diese Kurzintervention erledigt. – Als Nächs- verschweigen. Natürlich gibt es immer Strömungen, die tes hat der Kollege Mario Brandenburg, FDP-Fraktion, versuchen, Tools zu benutzen oder Plattformen zu unter- das Wort. wandern. Aber Gaming ist ganz einfach in der Mitte un- serer Gesellschaft angekommen. Deswegen sind auch die (Beifall bei der FDP) gesellschaftlichen Probleme im Gaming angekommen. Während wir in der Realwelt immer mit Angeboten zu Mario Brandenburg (Südpfalz) (FDP): Hilfe eilen – das ist absolut richtig –, von Prävention zu Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie- Exit-Strategien, gibt es für die digitale Welt einfach nur be Kollegen! 25 Anträge zum Thema Digitales von mei- den Generalverdacht. Das ist vollkommen falsch und er- ner Fraktion: Jeder für sich ist relevant, aber einer wurde zeugt mehr Kollateralschaden, als dass es dem Thema dann – man muss sagen: leider – doch etwas relevanter. hilft. Unser Antrag zum Thema Games hätte eigentlich nur auf das sich anbahnende großkoalitionäre Versagen beim (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Thema Games-Förderung hinweisen sollen. Aber als ob der AfD und des Abg. Christian Kühn [Tübin- das nicht schon schlimm genug gewesen wäre, hat Ihr gen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14729

Mario Brandenburg (Südpfalz) (A) Den spärlichen Rest meiner Redezeit möchte ich für was man sich vornehmen möchte. Anders als der Kollege (C) ein Fazit nutzen: Videospiele sind inzwischen Teil unse- von der AfD, der behauptete, er wolle über die Digitali- rer gesellschaftlichen Kultur geworden, genauso wie Li- sierungskette für CO2 reden, und nur das Übliche abge- teratur, Musik oder Filme. Sollte Herr Seehofer das hö- spult hat, was wir von der AfD zu diesem Thema immer ren: Geben Sie sich einen Ruck! Revidieren Sie Ihre hören, möchte ich mich diesem Antrag in der Tat etwas unglückliche Aussage, und revanchieren Sie sich bei intensiver widmen. der Games-Community mit einer ordentlichen Games- Förderung für den Games-Standort Deutschland! Sie haben in dem Antrag ein paar wirklich richtige Punkte genannt. Es ist richtig, dass wir uns über die Frage Vielen Dank. der CO2-Speicherung ernsthaft Gedanken machen müs- sen; denn alle Berichte sagen, dass es eine CO2-Neutra- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten lität ohne Speicherung nicht geben wird. Dass das in der AfD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- Deutschland ein schwieriges Thema ist, wissen wir alle, NEN) und trotzdem können wir dem auf die Dauer nicht aus- weichen. Wir müssen es angehen. Das ist richtig. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Es ist auch sinnvoll, zu überlegen, ob die Bereitstellung Vielen Dank, Herr Kollege Brandenburg. – Als näch- von CO2-Senken nicht positiv vergütet werden muss. Da ster Redner hat das Wort der Kollege Karsten Möring, aber liegt der Teufel schon im Detail. Wenn wir 2050 CDU/CSU-Fraktion. klimaneutral sein wollen, dann brauchen wir für die (Beifall bei der CDU/CSU) Emissionen, die zwingend immer noch da sein werden, Senken, die das aufwiegen. Was Sie vorschlagen, ist aber Karsten Möring (CDU/CSU): zu kurz gedacht. Ich will das an einem Beispiel erläutern. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lie- Wenn wir über die Frage nachdenken, welchen Nutzen ber Kollege Brandenburg, ich möchte Sie jetzt gerne fra- Wald beispielsweise für die CO2-Bilanz hat, dann ist völ- gen, ob Sie den Unterschied zwischen notwendigen und lig klar, dass er einen positiven Nutzen hat und dass er hinreichenden Bedingungen kennen. Analog dazu kann eine CO2-Senke von großer Bedeutung ist. Aber – jetzt man feststellen, kommt der entscheidende Punkt –: Eine CO2-Senke, die zur Klimaneutralität beiträgt, kann nur eine Senke sein, (Lachen bei der FDP – Manuel Höferlin [FDP]: die das CO2 dauerhaft fixiert. Und der Wald kann höchs- Analog, ja!) tens ein Fließgleichgewicht bringen; – ach, hören Sie mal! –, dass zwar sehr viele Terroristen (Manuel Höferlin [FDP]: Das macht er jetzt (B) einen Gamer-Hintergrund haben. Das heißt aber nicht, schon ganz gut, oder?) (D) dass jeder Gamer Terrorist wird. denn wir entnehmen dem Wald natürlich Holz als Roh- (Manuel Höferlin [FDP]: Gut erkannt!) stoff, und das geht irgendwann wieder als CO2-Emission in die Atmosphäre. Das ist der entscheidende Punkt dabei, dass es offensicht- lich Menschen gibt, die darauf anders reagieren als die Für die anderen Beispiele, die Sie da im Blick haben, Masse der Menschen. Dass der Bundesinnenminister da- gilt das genauso. Ihre Idee, einem privaten Verein die rauf hingewiesen hat, finde ich richtig. Wenn Sie daraus Kontrolle und Zertifizierung zu übertragen – ich lasse eine Verdächtigung der ganzen Gamer-Szene machen, mal die Spielerei mit dem Arbil Coin weg –, halte ich dann ist das das typische oppositionelle Übertreiben. für sehr blauäugig. Denn die Kontrolle – und das ist die Das kann ich Ihnen nachsehen; aber es wird dadurch nicht entscheidende Frage –, ob das aufgeht, für 1 Tonne CO2- richtiger. Emission 1 Tonne CO2 in einer Senke verschwinden zu lassen, funktioniert eben nur dann, wenn sichergestellt ist, (Mario Brandenburg [Südpfalz] [FDP]: Reden dass es a) keinen Missbrauch gibt – das haben Sie ange- Sie mal mit den Leuten!) sprochen – und b) die Frage der Dauerhaftigkeit geklärt Wenn man sich jetzt die Anträge anschaut, die wir ist. Das können Sie mit Ihrem Vorschlag überhaupt nicht heute auf dem Tisch haben, dann stellt man fest: Die regeln. Das können Sie auf diese Weise gar nicht garan- FDP feiert in dieser Woche eine Digitalisierungsorgie. tieren. Das macht natürlich auch einen wesentlichen Teil Man hat fast den Eindruck, Sie möchten das D in Ihrem des Problems aus. Parteinamen durch Digitalisierung ersetzen: Die Freie Digitalisierungspartei Deutschlands. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: (Manuel Höferlin [FDP]: Wenn Sie das mal mit Herr Kollege, erlauben Sie zwei Zwischenfragen, ein- Ihrem D täten!) mal aus der FDP-Fraktion des Kollegen Köhler und ein- mal aus der AfD-Fraktion? – Wir machen das schon bei uns. (Marianne Schieder [SPD]: Nein, wir sind doch (Heiterkeit bei der FDP – Manuel Höferlin eh schon im Verzug!) [FDP]: Nur keine Eile!) Das Schöne an einer solchen Omnibus-Debatte, in der Karsten Möring (CDU/CSU): Sie uns eine solche Masse an Anträgen vorgeben, ist, dass Also, ich glaube, wir sollten uns das an einem Frei- für jeden etwas dabei ist und man sich aussuchen kann, tagmittag ersparen. 14730 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Karsten Möring (A) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Karsten Möring (CDU/CSU): (C) Manuel Höferlin [FDP]: Jetzt wird es gerade Aber natürlich; denn zusätzliche Redezeit ist immer sachlich!) gut. – Sie haben natürlich auch recht. Aber der entschei- dende Punkt, den ich angesprochen habe, betrifft die Fra- Nein, ich würde gerne fortfahren. ge, wie das organisiert wird. Wo man Digitalisierung sinnvoll anwenden kann, ha- (Dr. Lukas Köhler [FDP]: Genau!) ben wir uns mit einigen Kollegen aus dem Baubereich kürzlich in Köln angeschaut. Wir haben eine Siedlung Selbstverständlich ist eine nachhaltige Forstwirtschaft ei- besucht, die hochdigitalisiert ihre Energieversorgung, ne Möglichkeit für eine CO2-Senke, die wir überhaupt ihr Emissionsverhalten, Heizsysteme und Ähnliches re- nicht ignorieren dürfen. Der entscheidende Punkt ist gelt. Der Witz bei der Digitalisierung dort ist: Wir brau- nur: Wenn diese Emissionen irgendwann wieder freige- chen Vorhersagen über den Verbrauch: Wann wird was – setzt werden, hilft uns das nichts. Heißwasser, Wärme – gebraucht. Das ist eine sehr um- Das, was man machen kann bzw. muss, wenn man eine fassende Gestaltung, die in diesem Bereich dazu führt, 60 Bilanzierung vernünftig und objektiv angehen will, ist bis 80 Prozent CO2-Emissionen einzusparen – und das zu beispielsweise, nur den Zuwachs zu begünstigen. Vor al- vertretbaren Preisen. Das geht nur mit Digitalisierung, len Dingen muss man sicherstellen, dass es per Saldo mit Algorithmen, mit künstlicher Intelligenz. Das ist eine immer zu einem weiteren Zuwachs kommt oder es min- musterhafte Vorgabe. Da ist es sinnvoll. destens beim Status quo bleibt. Im Falle des Status quo Überlegen Sie nur mal, was das Schürfen Ihrer Kryp- gibt es keinen zusätzlichen Nutzen mehr. Das ist der ent- towährung an zusätzlichem Energieaufwand kostet. scheidende Punkt dabei. (Manuel Höferlin [FDP]: Ach, das ist doch to- (Manuel Höferlin [FDP]: Dann stellen Sie mal taler Quatsch! Blockchain kostet ja nicht auto- einen Änderungsantrag!) matisch Energie!) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Vergessen Sie das! Machen Sie Digitalisierung mit Au- Damit ist die Kurzintervention beendet. – Als nächster genmaß und kommen Sie auf den Boden der Tatsachen Redner spricht zu uns der Kollege Timon Gremmels, zurück. SPD-Fraktion. (Manuel Höferlin [FDP]: Wir reden nicht von (Beifall bei der SPD) Bitcoins!) (B) Da, wo es sinnvoll ist, machen wir es; aber eine Spiel- Timon Gremmels (SPD): (D) wiese ist die Digitalisierung nicht. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP hat in dieser Woche 25 An- Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Herr Präsi- träge zum Thema „Smart Germany“ auf den Weg ge- dent, ich liege sieben Sekunden unter meiner Redezeit. bracht. Leider ist das alles sehr viel mehr Schein als Sein. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich habe mir mit Freude mal die Mühe gemacht und im Duden nachgeschaut, was „smart“ bedeutet. „Smart“ Vizepräsident Wolfgang Kubicki: steht für „von modischer und auffallend erlesener Ele- ganz“. Die verlieren wir jetzt wieder, Herr Kollege, weil die FDP-Fraktion eine Kurzintervention beantragt hat, die (Enrico Komning [AfD]: Schlau heißt das!) ich zulasse. – Der Kollege Köhler hat das Wort. Das mag vielleicht auf Ihren Fraktionsvorsitzenden zu- treffen, Dr. Lukas Köhler (FDP): (Manuel Höferlin [FDP]: Aber nicht für Lieber Kollege Möring, ich schätze Sie und durchaus Deutschland? Dann haben Sie aber ein komi- auch Ihr Wissen in der Debatte. Sie hatten gerade er- sches Verständnis von unserem Land!) wähnt, dass nachrechenbar CO2-Emissionen, die sozusa- gen im Forstsektor gespeichert werden, nicht langfristig gilt aber nicht für die Anträge, die Sie uns heute hier gespeichert werden. Dem widerspricht zum Beispiel die präsentiert haben. Sie sind alle sehr dünn und haben we- Bundesregierung in der Verordnung zu Land Use, Land- der Eleganz, noch sind sie modisch. Sie sind aus meiner Use Change and Forestry, kurz: LULUCF, in der sehr Sicht sehr dünn. explizit darauf hingewiesen wird, dass eine nachhaltige Lassen Sie mich das am Thema „Digitalisierung der Holznutzung natürlich langfristig dem CO -Kreislauf zu- 2 Energiewende und des Klimaschutzes“ deutlich machen. gutekommt und damit auch als Speicherung agiert und Das ist in der Tat eine große Herausforderung. Ich glaube, wir so auch zielgenau das Einsetzen unseres Arbil Coins dass die Digitalisierung der nächste Schritt Energiewende dafür nutzen können, langfristig CO zu speichern. Wür- 2 sein kann, ein richtiger Motor und Antrieb dafür. den Sie dem widersprechen, und wenn ja, wieso? (Beifall der Abg. Dr. Anna Christmann Vizepräsident Wolfgang Kubicki: [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Herr Kollege, Sie wollen bestimmt antworten. In diesem Bereich präsentieren Sie gar nichts. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14731

Timon Gremmels (A) (Enrico Komning [AfD] meldet sich zu einer Mitte September eine sehr umfassende Blockchain-Stra- (C) Zwischenfrage) tegie vorgelegt hat. Es geht dabei auch um die Möglich- Es wäre wichtig gewesen, im Bereich der Erzeugung von keiten, die wir in diesem Bereich für die Energiewende Energie, im Bereich der Verteilung von Energie, im Be- sehen. Es gibt gute Projekte, die wir schon auf dem Weg reich der Speicherung und Flexibilisierung von Energie, gebracht haben. Ich nenne beispielsweise das Programm im Bereich des Vertriebs von Energie deutlich mehr zu „Smart Service Welt II“, das Förderprogramm „SINTEG machen. -Schaufenster Intelligente Energie“ und das Kopernikus- Projekt „ENSURE – Neue Netzstrukturen“. Im Bereich (Manuel Höferlin [FDP]: Einmal machen wir der Blockchain-Technologie liegt eine wirkliche Chance zu viele Anträge! Einmal machen wir zu weni- für die Energiewende. Darauf sollten wir uns konzentrie- ge!) ren; da könnte man ansetzen. Dazu hört man von der FDP leider gar nichts, meine sehr verehrten Damen und Her- Aber da sind Sie blank; da präsentieren Sie gar nichts; da ren. ist die FDP nicht auf der Höhe der Zeit, meine sehr ver- ehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD – Manuel Höferlin [FDP]: Ja, natürlich kann es auch sein, dass die Digitalisierung Hätten wir 40 Anträge stellen sollen, oder der Energiewende zusätzliches Geld kosten und CO2 zu- was?) sätzlich emittieren wird. Das ist richtig. Schon heute ist es so, dass am Internetknoten in Frankfurt mehr Energie Vizepräsident Wolfgang Kubicki: verbraucht wird als am Frankfurter Flughafen. Bisher ist es so, dass die großen Rechenzentren die Wärme, die Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der bei der Kühlung ihrer Rechenzentren entsteht, in die Luft AfD-Fraktion? blasen. Ich glaube, dass man diese Wärme intelligenter nutzen könnte. Das sind die großen Herausforderungen Timon Gremmels (SPD): bei der Digitalisierung der Energiewende. Nein. – Ich möchte an dieser Stelle deutlich machen, dass auch ich mir in der Tat Ihren Antrag mit dem Titel Lassen Sie mich deshalb zum Schluss sagen: Die Di- „Smart Germany – CO2 an die Kette legen“ angeguckt gitalisierung ist der nächste Schritt bei der Energiewende. habe. Es geht darin in erster Linie um die Frage, wie Sie Um da voranzukommen, reicht aber eine smarte Opposi- das finanzieren wollen. Sogenannte Coins sollen über tionsrhetorik nicht aus. Wir brauchen vielmehr knallharte einen Verein, der unter der Schirmherrschaft der Bundes- Regierungsarbeit. regierung – was immer das sein soll – stehen soll, ausge- (Manuel Höferlin [FDP]: Die fehlt leider!) (B) geben werden. (D) Darauf können Sie sich bei der SPD verlassen. In diesem (Manuel Höferlin [FDP] meldet sich zu einer Sinne: Glück auf! Zwischenfrage) Ich danke Ihnen. Ich sage Ihnen an dieser Stelle ganz deutlich: Wir müssen Verbraucherinnen und Verbraucher schützen. (Beifall bei der SPD) Ein Kernelement der staatlichen Souveränität ist die Herausgabe einer Währung, wir werden sie nicht Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Privatunternehmen überlassen. Herzlichen Dank, Herr Kollege Gremmels. – Sowohl die AfD-Fraktion als auch die FDP-Fraktion haben um eine Kurzintervention gebeten. Ich habe das abgelehnt. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Erstens hatten beide Fraktionen schon eine. Zweitens bin Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des ich zwar für die Folgen der Verzögerung heute dankens- Kollegen Höferlin? werterweise nicht mehr zuständig, aber ich möchte auch Ihnen ersparen, dass Sie nach 18 Uhr hier noch tagen Timon Gremmels (SPD): müssen. Nein. – Diesen schlauen Satz hat unser Bundesfinanz- minister Olaf Scholz gesagt. Es ist also staatliche Auf- Liebe Kolleginnen und Kollegen, als letzter Redner zu gabe, Währungen herauszugeben, und nicht die von diesem Tagesordnungspunkt hat der Kollege Volkmar Vereinen, die unter der Schirmherrschaft der Bundesre- Vogel, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. gierung stehen. Das ist aus unserer Sicht nicht auf der (Beifall bei der CDU/CSU) Höhe der Zeit und dient auch nicht dem Verbraucher- schutz, meine sehr verehrten Damen und Herren. Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU): (Beifall bei der SPD) Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben ja eine ganze smarte Flotte Wenn Ihnen die Frage, was die Digitalisierung im Be- an Anträgen vonseiten der FDP vorliegen. Herr Kollege reich der Energiewende und des Klimaschutzes bewirken Gremmels, auch ich habe mich mit der Definition des könnte, wirklich von der Sache her am Herzen läge, hät- Wortes „smart“ beschäftigt. Ich würde es ein bisschen ten Sie sich mal mit der Blockchain-Strategie der Bun- anders definieren. desregierung beschäftigt. Vielleicht hat Ihnen dazu aber die Zeit gefehlt. Sie wissen, dass die Bundesregierung (Timon Gremmels [SPD]: Das ist Duden!) 14732 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Volkmar Vogel (Kleinsaara) (A) Ich glaube, smart heißt vernetzt und miteinander kommu- Kommunen untereinander digital kommunizieren und (C) nizieren. Smart Germany heißt letztendlich auf gut sich auf diesem Wege austauschen können. Deutsch: vernetztes, miteinander kommunizierendes Deutschland. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜND- (Beifall bei der SPD – Enrico Komning [AfD]: NIS 90/DIE GRÜNEN]) Smart heißt schlau!) Das sind Chancen, die wir nutzen müssen, das sind Chan- Meine sehr verehrten Damen und Herren, um den Wor- cen, die wir nutzen werden. ten des Präsidenten zu folgen: Alles hängt mit allem zu- Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie sammen. Insbesondere gilt das natürlich für die digitale mich zum Abschluss sagen: Der Bund wird diesen Pro- Welt. Das zeigte sich heute auch von Anfang an in unserer zess auch in Zusammenarbeit mit der KfW weiter för- vielschichtigen Debatte, die ich mit großem Interesse ver- dern. Die Weichen sind gestellt. Wir handeln. Zusätzli- folgt habe. cher Entschließungsanträge, liebe Kollegen von der FDP, Ich möchte mich auf den Baubereich konzentrieren – bedarf es diesbezüglich nicht. Vielmehr ist es wichtig, Stichwort „Smart City“ – vernetzte Stadt. Wir nutzen hier dass wir jetzt daran weiterarbeiten, damit das, was hier die digitalen Technologien in allen Bereichen des kom- auf den Weg gebracht wird, umgesetzt wird. munalen Zusammenlebens. Das wird bereits in der Smart Vielen Dank. City Charta von 2017 deutlich. Deutlich ist aber auch zu sagen: Wir wollen diesen Prozess nicht einfach sich selbst (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei überlassen, sondern wir wollen ihn aktiv gestalten, und Abgeordneten der SPD) zwar zum Nutzen einer nachhaltigen Stadtentwicklung, Und die Zeit habe ich auch noch eingehalten. Vielen für eine Energieerzeugung, die auf Energieeffizienz opti- Dank, Herr Präsident. miert ist und das Beste dabei herausholt, für einen ver- netzten ÖPNV zum Wohle der Kunden, die ihn benutzen, und nicht zuletzt auch im Rahmen einer sozialen Vernet- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: zung der Bürger zum Vorteil der Einzelnen. Die Smart Dafür weise ich Sie auch nicht darauf hin, dass ich City Charta wirkt auch in allen Siedlungsstrukturen. nicht Vorsitzender, sondern Präsident dieses Hauses bin. Wenn wir City hören, denken wir zwar immer nur an (Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: die großen Metropolen. Nein, sie wirkt in allen Entschuldigung!) Strukturen. Also, eigentlich nur Vizepräsident, (B) Während wir hier noch über die Einrichtung eines Di- (D) gitalministeriums reden, haben wir uns im Innenministe- (Heiterkeit) rium – in Klammern: Bauministerium – des Themas an- aber der gerade amtierende Sitzungspräsident. genommen und sind schon ein Stück weiter. Wir haben ein Pilotprojekt auf den Weg gebracht, das sich mit vier Ich schließe die Aussprache. Kategorien der Siedlungsstruktur beschäftigt: große und Jetzt kommen wir zur analogen Abstimmung über die mittlere Städte, Kleinstädte und Landgemeinden und Anträge. auch die interkommunale Zusammenarbeit in den Land- kreisen. Für insgesamt 50 Projekte stehen insgesamt Tagesordnungspunkt 28 a. Wir kommen zur Abstim- 750 Millionen Euro zur Verfügung. Wir haben in der mung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für ersten Staffel mit 13 Projekten begonnen. Dafür stehen Inneres und Heimat auf Drucksache 19/13601. Der Aus- 150 Millionen Euro zur Verfügung. Ich kann Ihnen be- schuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussemp- richten: Meine Geburtsstadt Gera ist in dieser ersten fehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP Charge dabei. Dort wird schon gearbeitet. Man hat Ar- auf Drucksache 19/9929 mit dem Titel „Smart Germany – beitsgruppen gebildet, die die einzelnen Themenfelder Bundesministerium für Digitalisierung etablieren“. Wer abbilden. Man ist in intensiven Vorbereitungen und will stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt bereits 2021 mit der Umsetzung beginnen. dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist diese Beschlus- sempfehlung bei Enthaltung der Fraktion der AfD, von Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolle- Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP mit ginnen und Kollegen, Sie sehen: Es wird bereits gehan- den Stimmen der anderen Fraktionen des Hauses, also delt, und, um es noch einmal zu sagen: Klar, alles hängt CDU/CSU, SPD und Linke, angenommen. mit allem zusammen. Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung emp- Wenn wir ein Gebäude errichten und es bewirtschaften, fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Frak- stellt sich die Frage, wie wir es benennen. Ich verweise tion der FDP auf Drucksache 19/7698 mit dem Titel „Di- auf den Begriff „Building Information Modeling“. Mein gitalisierung ernst nehmen – IT-Sicherheit stärken“. Wer Kollege Michael Kießling beschäftigt sich mit diesem stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt Thema und ist auf einem guten Weg. Auch hier werden dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist diese Beschlus- die Vorteile genutzt. Wir vernetzen Quartiere, um damit sempfehlung gegen die Stimmen der FDP-Fraktion bei die Energiebereitstellung zu optimieren, die Energieeffi- Enthaltung der Fraktionen der AfD, Bündnis 90/Die Grü- zienz zu verbessern und den ÖPNV zu gestalten. In der nen und der Linken mit den Stimmen der Koalitionsfrak- nächsten Phase wollen wir auch dafür sorgen, dass ganze tionen angenommen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14733

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c Zusatzpunkt 17. Interfraktionell wird Überweisung der (C) seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags Vorlage auf Drucksache 19/14046 an die in der Tages- der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/ ordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die 7589 mit dem Titel „Offen für die Zukunft – Offene Federführung ist jedoch strittig. Die Fraktionen der Standards für eine gerechte und gemeinwohlorientierte CDU/CSU und SPD wünschen Federführung beim Aus- Gestaltung der Digitalisierung nutzen“. Wer stimmt für schuss für Inneres und Heimat, die Fraktion der FDP diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – wünscht Federführung beim Ausschuss Digitale Agenda. Wer enthält sich? – Dann ist diese Beschlussempfehlung gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Ich lasse zuerst abstimmen über den Überweisungsvor- Linken bei Enthaltung der FDP- und der AfD-Fraktion schlag der Fraktion der FDP: Federführung beim Aus- mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen. schuss Digitale Agenda. Wer stimmt für diesen Überwei- sungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Dann ist dieser Tagesordnungspunkt 28 b. Abstimmung über die Be- Überweisungsvorschlag mit den Stimmen der Koalitions- schlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr und di- fraktionen gegen die Stimmen der übrigen Fraktionen des gitale Infrastruktur zu dem Antrag der Fraktion der FDP Hauses abgelehnt. mit dem Titel „Lückenschluss-Auktion – Frequenzabga- be neu denken“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Be- Ich lasse nun abstimmen über den Überweisungsvor- schlussempfehlung auf Drucksache 19/14006, den An- schlag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Feder- trag der Fraktion der FDP auf Drucksache 19/10618 führung beim Ausschuss für Inneres und Heimat. Wer abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt lung? – Wer stimmt dagegen? – Dann ist diese Beschlus- dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Dann ist dieser Über- sempfehlung gegen die Stimmen der FDP-Fraktion mit weisungsvorschlag mit dem gleichen Stimmenverhältnis den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses ange- wie zuvor angenommen; die Koalitionsfraktionen haben nommen. die Mehrheit, wie vorher auch. Tagesordnungspunkte 28 c bis 28 f. Interfraktionell Zusatzpunkte 18 bis 24. Die Vorlagen auf den Druck- wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 19/ sachen 19/14047, 19/14048, 19/14049, 19/14050, 19/ 14026, 19/14039, 19/14043 und 19/14044 an die in der 14053, 19/14058 und 19/14059 sollen an die in der Tages- Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. ordnung aufgeführten Ausschüsse überwiesen werden. Sind Sie mit diesen Überweisungsvorschlägen einver- Sind Sie mit diesen Überweisungsvorschlägen einver- standen? – Ich sehe, das ist der Fall. Dann ist das so be- standen? – Ich sehe und höre, das ist der Fall. Dann ver- schlossen. fahren wir so. (B) Zusatzpunkt 25. Abstimmung über die Beschlussemp- (D) Tagesordnungspunkt 28 g. Abstimmung über die Be- schlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem fehlung des Ausschusses für Inneres und Heimat zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Umsetzung Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Digitalisie- effektiver Maßnahmen für digitale Sicherheit statt Back rung trifft auf Diplomatie – Innovationsbotschafter ent- - senden“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlus- doors“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlus- sempfehlung auf Drucksache 19/14101, den Antrag der sempfehlung auf Drucksache 19/14114, den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 19/8542 abzulehnen. Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/7705 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer Wer ist für diese Beschlussempfehlung? – Wer ist gegen stimmt dagegen? – Dann ist diese Beschlussempfehlung diese Beschlussempfehlung? – Wer enthält sich? – Dann gegen die Stimmen der FDP-Fraktion mit den Stimmen ist diese Beschlussempfehlung gegen die Stimmen der der übrigen Fraktionen des Hauses angenommen. Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bünd- nis 90/Die Grünen mit den Stimmen der übrigen Fraktio- Tagesordnungspunkt 28 h. Abstimmung über die Be- nen des Hauses angenommen. schlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Hei- Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 a bis 8 c sowie mat zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel Zusatzpunkt 26 auf: „Öffentliches Geld – Öffentliches Gut – Öffentlich finan- zierte Daten und Werke frei zur Verfügung stellen“. Der 8 a) – Zweite und dritte Beratung des von der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Drucksache 19/14113, den Antrag der Fraktion Die Linke eines Gesetzes zur Stärkung des Wohn- auf Drucksache 19/12633 abzulehnen. Wer stimmt für geldes (Wohngeldstärkungsgesetz – diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – WoGStärkG) Wer enthält sich? – Dann ist diese Beschlussempfehlung gegen die Stimmen der Fraktionen von Bündnis 90/Die Drucksachen 19/10816, 19/11696, 19/ Grünen und Die Linke bei Enthaltung der FDP-Fraktion 13175 Nr. 10 mit den Stimmen der übrigen Fraktionen des Hauses an- Beschlussempfehlung und Bericht des genommen. Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtent- Zusatzpunkt 16. Die Vorlage auf Drucksache 19/14045 wicklung und Kommunen (24. Ausschuss) soll an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse Drucksache 19/14135 überwiesen werden. Sind Sie mit diesem Überweisungs- vorschlag einverstanden? – Ich sehe und höre, das ist der – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Aus- Fall. Dann verfahren wir so. schuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung 14734 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) Drucksache 19/14137 Hunderttausend Menschen und Haushalte, die davon pro- (C) fitieren werden. Es ist wirklich ein guter Tag. b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bau, Wohnen, Seit 2016 handelt es sich um die erste Anpassung die- Stadtentwicklung und Kommunen (24. Aus- ses Gesetzes. Diese Anpassung hat es in sich, nicht nur schuss) weil wir zukünftig alle zwei Jahre über die Anpassung – zu dem Antrag der Abgeordneten Daniel beschließen und damit eine Art Dynamisierung haben, Föst, Pascal Kober, Frank Sitta, weiterer die eine regelmäßige Anpassung an sich verändernde Abgeordneter und der Fraktion der FDP Mietniveaus und Bedürfnisse möglich macht, sondern auch weil wir mit diesem Gesetz eine deutliche Leis- Bezahlbare Mieten sichern – Zielgerich- tungsausweitung vornehmen, sowohl was die Höhe der tet unterstützen – Liberales Bürgergeld Beträge als auch die Zahl der Berechtigten angeht. Die einführen Zahl der Berechtigten wird erwartet mit ungefähr 660 000 Haushalten. Das sind deutlich mehr, als nach der 2016er- – zu dem Antrag der Abgeordneten Caren Regelung begünstigt waren. Lay, Dr. Gesine Lötzsch, Lorenz Gösta Beutin, weiterer Abgeordneter und der Im Einzelnen haben wir eine Reihe von Maßnahmen Fraktion DIE LINKE beschlossen, unter anderem die Einführung einer Mieten- Wohngeld ausweiten und die Belastung stufe VII. Die trägt der Tatsache Rechnung, dass es in durch Wohnkosten begrenzen einigen Gemeinden zu erheblich größeren Mietsteigerun- gen gekommen ist als in anderen. Hier geht es darum, Drucksachen 19/11107, 19/10752, 19/14135 dass wir für eine Abweichung von mindestens 35 Prozent über dem durchschnittlichen Mietniveau diese Mietstu- c) Beratung der Unterrichtung durch die Bun- fe VII neu geschaffen haben. Wir haben für die desregierung Schwerbehinderten einen höheren Freibetrag. Wir haben Wohngeld- und Mietenbericht 2018 einen Betrag von insgesamt 1,2 Milliarden Euro bereit- gestellt, der zwischen Bund und Ländern hälftig geteilt Drucksache 19/11750 wird. Auch wenn die Länder den Versuch gemacht haben, Überweisungsvorschlag: ihren Anteil zu verkleinern, so ist doch darauf hinzuwei- Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen sen, dass es sich hier um eine Aufgabe handelt, die beide (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz gemeinsam zu tragen haben, und dass das Wohngeld, Ausschuss Digitale Agenda wenn es in ausreichendem Maße bereitgestellt wird, auch (B) dazu führt, dass die Sozialkassen der Kommunen entlas- (D) ZP 26 Beratung des Antrags der Abgeordneten Daniel tet werden. Da der sogenannte Drehtüreffekt, der im Lau- Föst, Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer fe der Zeit eintritt, weil Menschen aus dem Wohngeld Abgeordneter und der Fraktion der FDP herausfallen und SGB-II- oder SGB-XII-Leistungen in Smart Germany – Liberales Bürgergeld ein- Anspruch nehmen, eine etwas unangenehme Angelegen- führen – Digitales Antragsportal einrichten heit ist, weil wir natürlich Verwaltungsaufwand haben, so ist es umso wichtiger, dass wir zeitnah Anpassungsvor- Drucksache 19/14060 gänge durchführen. Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stär- Es ist festgestellt worden und auch öffentlich durchaus kung des Wohngeldes liegt ein Entschließungsantrag der häufiger kritisiert worden, dass die Zahl der Wohngeld- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. berechtigten deutlich größer ist als die Zahl derjenigen, Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die die das Wohngeld tatsächlich beantragen und bekommen. Aussprache 60 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Von daher muss man sagen, dass es eine Notwendigkeit Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. gibt, auf einfache Weise deutlich zu machen, wie man an Wohngeld kommt. Es gibt eine ganze Reihe von Initiati- Ich erlaube kurz den Sitzplatzwechsel, ohne große Be- ven in verschiedenen Kommunen. Ich habe kürzlich eine grüßungsszenen, bei der FDP-Fraktion beispielsweise. Broschüre in Leichter Sprache aus Bochum gesehen, die Ich stelle fest: Die Plätze sind eingenommen. Dann absolut vorbildlich ist. Auch Nordrhein-Westfalen hat ei- eröffne ich die Aussprache und erteile dem Kollegen ne Broschüre zur Anleitung herausgegeben, die etwas Karsten Möring, CDU/CSU-Fraktion, als erstem Redner umfänglicher ist. Ein entscheidender Punkt dabei ist – das Wort. das zeigen uns Untersuchungen und Berichte aus Be- treuungsorganisationen –, dass viele Menschen, die einen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Anspruch auf Wohngeld haben, nicht darauf zurückgrei- Abgeordneten der SPD) fen: aus Scham oder weil sie es mit Sozialleistungen ver- wechseln. Hier muss man deutlich machen, dass es sich Karsten Möring (CDU/CSU): um unterschiedliche Leistungen handelt. Wir müssen Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich auch dafür werben, dass sie in Anspruch genommen wer- werde nicht zum Dauerredner. – Vor einem Jahr hat der den. Das Wohngeld ist eine Leistung, die im Bereich der Wohnungsbaugipfel getagt. Ein Jahr nach diesem Termin Wohnungsfürsorge und im Bereich der Wohnraumversor- verabschieden wir heute das Wohngeldstärkungsgesetz in gung neben der sozialen Wohnraumförderung und der zweiter und dritter Lesung – ein sehr guter Tag für einige steuerlichen Förderung für den freien Wohnungsbau, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14735

Karsten Möring (A) den wir auch auf den Weg gebracht haben, eine wichtige, (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (C) ergänzende Rolle spielt. Das darf man nicht übersehen. Deswegen muss man das immer wieder betonen und die Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Leute animieren, diese Möglichkeiten in Anspruch zu Vielen Dank, Herr Kollege Möring. – Ob die Details nehmen. gleich kommen, weiß ich nicht. Als nächster Redner hat (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulli der Kollege , AfD-Fraktion, das Wort. Nissen [SPD]) (Beifall bei der AfD) Wir haben im Vorfeld über die Frage einer Klimakom- ponente diskutiert, die hier nicht realisiert wird, und zwar Udo Theodor Hemmelgarn (AfD): aus dem einfachen Grund, weil es dafür noch kein ver- Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident! Sehr geehrte nünftiges handhabbares Verfahren gibt, wie man dies ein- Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrtes Publikum auf richten kann. Es gibt Forschungsaufträge für die BBSR, den Tribünen! Beim Lesen des Wohngeld- und Mieten- die bisher zu keinem belastbaren Ergebnis gekommen berichts 2018 hat man den Eindruck: alles gar nicht so sind. Diese Forschungen gehen weiter. Wir werden ver- schlimm. Ja, die Mieten steigen, aber nur moderat. Ja, die suchen, in näherer Zukunft zu einem Verfahren zu kom- Betriebskosten steigen, aber nur etwas. Ja, die Bestands- men, das eine belastbare Einbeziehung der Klimakompo- mieten steigen, aber sogar weniger als die allgemeine nente in das Wohngeld möglich macht. Aber Sie wissen Inflationsrate. auch alle, dass im Klimapaket festgelegt ist, dass zum Wohngeld scheint für diese Bundesregierung nur ein Ausgleich der CO2-Bepreisung eine Steigerung der Mit- tel um 10 Prozent vorgesehen ist. Die soll spätestens dann kleines Thema zu sein, bei dem es darauf ankommt, ein vernünftiges Mittelmaß zu finden zwischen der Unter- in Kraft treten, wenn wir die CO2-Bepreisung haben und diesen Ausgleich schaffen. Das spielt also ineinander. stützung finanziell Schwächerer einerseits und der gebo- Vielleicht erreichen wir dafür eine gemeinsame Lösung. tenen Sparsamkeit des Staates andererseits. Weit gefehlt! Wohngeld ist ein hochbrisantes Thema. Schließlich ist die Ich glaube, von den Linken ist kritisiert worden, dass Situation auf dem Wohnungsmarkt, insbesondere in un- die Zahl der Empfängerhaushalte gegenüber 2010 deut- seren Metropolen, katastrophal. Davon ist im Wohngeld- lich abgenommen hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, und Mietenbericht 2018 nichts zu lesen. die Frage, wie viele Haushalte Wohngeld beziehen, kann man positiv oder negativ nicht alleine daran messen, wie Derzeit ist neben der Sicherung einer angemessenen viele es sind; denn es gilt auch der Umkehrschluss. Wenn Rente die Wohnsituation unserer Bürger die größte He- die Zahl der berechtigten Haushalte bei einer auskömm- rausforderung der Politik unseres Landes für das kom- (B) lichen Finanzierung und bei vernünftigen Grenzen klei- mende Jahrzehnt. Es ist die große soziale Frage. Die (D) ner wird, heißt das auch, dass es für viele nicht mehr Berichte in allen Medien, die Berichte aller Forschungs- notwendig ist, diese Mittel in Anspruch zu nehmen. Das institute und die Reportagen auf allen TV-Kanälen be- kann man eigentlich nur als positive Entwicklung sehen. schreiben immer wieder den Mangel an bezahlbarem Deswegen ist die reine Frage, wie viele Haushalte das Wohnraum in unseren Städten. Der eigene Anspruch jetzt begünstigt, kein Maßstab dafür, ob es sich um ein der Bundesregierung, absolut notwendige 1,5 Millionen gutes oder schlechtes Gesetz handelt. neue Wohnungen in dieser Legislatur zu bauen, wird bei Weitem nicht erreicht. Das eingeführte Baukindergeld Das, was ich zum Thema Leistungsausweitung und Er- wird zu über 70 Prozent für den bereits bestehenden höhung der Mittel gesagt habe, zeigt uns, dass wir für die, Wohnraum in Anspruch genommen, also aus unserer die es brauchen, bessere Leistungen anbieten. Das ist gut. Sicht ein reiner Mitnahmeeffekt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Der Wohngipfel 2018 hat im Grunde nichts gebracht. Deswegen möchte ich Sie bitten, diesem Gesetz zuzu- (Beifall bei der AfD) stimmen. Ich bin sicher, meine Kollegin Nissen wird auf ein paar Punkte eingehen, die wir auch im Vorfeld disku- Er war eine reine Showveranstaltung zur Beruhigung der tiert haben, die aber aus nachvollziehbaren Gründen so Gemüter. nicht realisiert werden können. Ich weise nur auf einen (Ulli Nissen [SPD]: So ein Unsinn!) Punkt hin, der mir wichtig war, der ihr wichtig ist und den sie wahrscheinlich gleich vortragen wird, Selbstverständlich muss alles unternommen werden, den Wohnungsbau weiter anzukurbeln und mehr bezahl- (Daniel Föst [FDP]: Frankfurt!) baren Wohnraum zu schaffen, aber mit den richtigen Mit- aber ich kann es mir nicht verkneifen, zu sagen: Wir ha- teln. Die vorgelegten Berichte zeigen auch auf, wie drin- ben für die Wohnungen auf den Inseln ohne Festlandan- gend eine Erhöhung des Wohngeldes ist, um wenigstens schluss eine wunderbare, gute Lösung gefunden. Details, die akut schlimmsten Fälle zu lindern. Aber es geht um denke ich, kommen gleich. weit mehr. In der Frage des Wohngeldes stecken die glo- balen Konzepte unseres Wirtschaftens. Es geht hier auch Vielen Dank für die Zusammenarbeit. Sie war sehr gut um die fundamentale Frage: Wollen wir mehr staatliche und sehr erfreulich. Planwirtschaft oder mehr soziale Marktwirtschaft? Linke und Grüne und sogar große Teile der SPD hängen immer (Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD]) noch ihrem Traum einer staatlich organisierten Planwirt- Ich bedanke mich ausdrücklich dafür. schaft nach. Sie fordern mehr staatlichen Wohnungsbau 14736 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Udo Theodor Hemmelgarn (A) (Ulli Nissen [SPD]: Das ist doch sinnvoll! Oder nicht nur hochbrisant, es ist fundamental für unsere ge- (C) nicht?) sellschaftliche Ordnung. und verjagen mit einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen Meine Damen und Herren, auf den ersten Blick hat der die privaten Investoren. Auf der Nachfrageseite brauchen vorgelegte Entwurf einige Vorteile. Das Wohngeld steigt wir dringend, um mehr Druck auf die Mietpreise zu erzie- um durchschnittlich 9 Prozent, und es wird eine siebte len, einen rigorosen Stopp des Zuzugs sogenannter Mietstufe eingeführt, um den besonders hohen Mietstei- Flüchtlinge gerungen in den Großstädten gerecht zu werden. Doch schaut man sich den Entwurf etwas genauer an, dann ent- (Ulli Nissen [SPD]: Oh Gott! Jetzt geht das deckt man natürlich auch Mängel. Die letzte Wohngeld- wieder los!) erhöhung gab es im Jahr 2016. Das sind ganze vier Jahre, und die Reduzierung der Zahl auf das rechtliche und hu- die ins Land gegangen sind. Das ist ein Skandal. Auch die manitär gebotene Maß zukünftige Anpassung des Wohngeldes innerhalb von zwei Jahren ist angesichts der rasanten Steigerung der (Beifall bei der AfD) Mieten nicht ausreichend. Das Wohngeld wird für jeweils und gleichzeitig die konsequente Rückführung aller, die ein Jahr gewährt. Wir brauchen auch hier eine jährliche sich nach wie vor unberechtigt und geduldet in unserem automatische Anpassung der Höhe des Wohngelds. Land aufhalten. (Beifall bei der AfD) (Ulli Nissen [SPD]: Ständig die gleichen Satz- Die Erhöhung ist zu niedrig. Bereits im Wohngeld- und bausteine! Und ewig grüßt das Murmeltier!) Mietenbericht 2018 heißt es: Wir brauchen auch einen rigorosen Stopp des unberech- 2017 wendeten die Mieterhaushalte 29 Prozent ihres tigten Zuzugs von Bürgern aus anderen EU-Staaten, drin- Einkommens für die Bruttowarmmiete auf. gende Maßnahmen zur Beendigung der Landflucht, die immer mehr Bürger aus den ländlichen Regionen in die Inzwischen ist die Belastung auf über 30 Prozent ange- Großstädte befördert. Kaum etwas davon wird realisiert, stiegen. Das ist schwer erträglich. So sinnvoll die Ein- höchstens ganz zögerlich und ineffektiv. führung der siebten Mietstufe ist, so seltsam erscheint es, dass Großstädte wie Berlin, Hamburg oder Leipzig Um den Wohnungsbau anzukurbeln, brauchen wir auf mit nur einer Mietenstufe abgebildet werden. Das wird der Angebotsseite dringend die komplette Aufhebung der den tatsächlichen Verhältnissen kaum gerecht und führt irrsinnigen Mietpreisbremse, eine Deckelung der Grund- zur sozialen Entmischung. Es ist zu befürchten, dass so- erwerbsteuer auf 3,5 Prozent, eine Erhöhung der linearen zial schwächere Mieter auf bestimmte, schlechtere Ge- (B) Abschreibung auf 3 Prozent pro anno und das Aussetzen biete in diesen Städten beschränkt bleiben. So betreibt (D) der unsinnigen und überteuren Energieeinsparverordnung man Ghettoisierung. Hier muss nachjustiert werden. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der AfD) und zudem auf kommunaler Ebene die komplette Ab- Kurzum: Die Wohngelderhöhung muss kräftiger ausfal- schaffung der Grundsteuer. Zur Kompensation hat die len, in kürzeren Abständen erfolgen, und die Mietstufen AfD-Fraktion bereits ein Reformmodell vorgelegt. müssen differenzierter werden. Um Bürger dazu zu be- wegen, weiter in den ländlichen Regionen zu wohnen (Ulli Nissen [SPD]: Die Kommunen freuen bzw. dorthin zurückzukehren, sind in erster Linie infra- sich!) strukturelle Maßnahmen notwendig, überirdisch und Nichts dergleichen ist in Sichtweite. Private Investoren unterirdisch, und natürlich muss die Nahversorgung ver- ziehen sich zunehmend zurück bzw. engagieren sich nur bessert werden. Gleichzeitig muss die Politik Rahmen- noch für Luxuswohnungen in Edelquartieren. So wird der bedingungen schaffen, die dafür sorgen, dass wieder Ruf nach dem Staat als Bauherr natürlich immer lauter. mehr Unternehmen im ländlichen Raum investieren und Die Plattenbausiedlungen aus der DDR lassen grüßen. so Arbeitsplätze schaffen. (Beifall bei der AfD) Wir nutzen derzeit in keiner Weise die Ressourcen des ländlichen Raumes. Dort stehen derzeit mehr als 2 Millio- Ein marktwirtschaftliches Engagement von Investoren nen Wohnungen leer. Beenden wir endlich die Landflucht ist letztlich die einzige Möglichkeit, dem Dilemma von und starten wir die Flucht zurück aufs Land. Um Bürger Wohnungsmangel einerseits und drohender Planwirt- dazu zu bewegen, wieder in die ländlichen Regionen zu schaft andererseits zu entrinnen. Eine lupenreine Markt- ziehen, kann auch das Wohngeld eine Unterstützung sein. wirtschaft hat jedoch auch ihre Schattenseiten. Das Ka- So könnte man eine Regelung einführen, die besagt, dass pital wandert automatisch dorthin, wo es die höchste ein Wohngeldberechtigter, der in eine Region mit einer Rendite zu erwarten hat. Dabei kann es passieren, dass niedrigen Mietstufe umzieht, für einen Zeitraum von zwei die Interessen der Bürger, vor allem der weniger begüter- Jahren weiterhin das Wohngeld nach der bisherigen Miet- ten, auf der Strecke bleiben. Oft droht eine soziale Schief- stufe erhält. Zurzeit bedeutet ein Umzug in eine Region lage, wenn Menschen mit durchschnittlichem Einkom- mit einer niedrigeren Mietstufe bei gleicher Miete einen men sich den erforderlichen Wohnraum nicht oder realen Einkommensverlust. kaum noch leisten können. Nur mithilfe eines angemesse- nen Wohngelds lässt sich der soziale Charakter der sozia- Zusammenfassend stelle ich fest: Mit dem vorliegen- len Marktwirtschaft erhalten. Das Thema Wohngeld ist den Gesetzentwurf gelingt ein Fortschritt gegenüber der Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14737

Udo Theodor Hemmelgarn (A) jetzigen Situation. So helfen wir den Mietern in unserem Arbeitslosengeld sowie Sozialhilfe hin- und herwechseln. (C) Land. Ziel muss eine effektive und zeitnahe Unterstüt- Des Weiteren werden die Höchstbeträge, bis zu denen die zung dieses Personenkreises sein. Wir verstehen den vor- Miete bezuschusst werden kann, regional gestaffelt ange- liegenden Gesetzentwurf als ersten Schritt in die richtige hoben. Richtung und werden dem Entwurf zustimmen. Durch die Einführung einer neuen Mietenstufe VII Vielen Dank. werden höhere Mieten in angespannten Wohnungsmärk- ten berücksichtigt. Mietenstufe VII erhalten nun 38 Kreise (Beifall bei der AfD) und Gemeinden mit einer Abweichung des Mietennive- aus von 35 Prozent und höher gegenüber dem Bundes- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: durchschnitt. Von den 38 Kreisen mit Mietenstufe VII Vielen Dank, Herr Kollege Hemmelgarn. – Und nun liegen zufälligerweise 33 in Bayern. In Hessen gibt es hat die Kollegin Ulli Nissen, SPD-Fraktion, das Wort. nur eine, aber dazu gehört nicht der Wahlkreis, aus dem ich komme, wo die Mieten in den letzten Jahren explo- (Beifall bei der SPD – Volkmar Vogel [Klein- diert sind. Die öffentliche Anhörung zur Wohngeldreform saara] [CDU/CSU]: Frankfurt ist eine schöne hat ergeben, dass wir weitere Untersuchungen brauchen, Stadt! – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE um die Verbreiterung der Datenbasis für die Einordnung GRÜNEN]: Das werden wir jetzt noch einmal von Kommunen in die Mietenstufen vorzunehmen. Der erfahren!) Gesetzentwurf sieht zudem die Erhöhung des seit 1990 nicht mehr angepassten Einkommensfreibetrages für Ulli Nissen (SPD): Menschen mit einer Schwerbehinderung von 1 500 auf Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde es klasse, 1 800 Euro jährlich vor. dass Sie Frankfurt so schön finden. Ich kann Ihnen da nur zustimmen. Karsten, du hast es angesprochen: Im parlamentari- schen Verfahren ist es uns gelungen, eine Lösung für (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der die Inseln ohne Festlandanschluss zu finden. Wenn die Abg. Daniel Föst [FDP] und Christian Kühn Fähre nicht fährt, dann haben die Menschen keine Mög- [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) lichkeit, zurück aufs Land zu kommen. Es ist wichtig, Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und dass wir dort eine Lösung gefunden haben. Das Mieten- Kollegen! Ich freue mich, dass wir heute die Wohngeldre- niveau auf diesen Inseln ist in der Regel wesentlich höher form auf den Weg bringen. Ich danke allen, die daran als in den ihnen zugeordneten jeweiligen Kreisen auf dem mitgearbeitet haben. Insbesondere möchte ich meinem Festland. Damit unterstützen wir Haushalte mit niedrigen (B) Kollegen Karsten Möring herzlich danken. Die Zusam- Einkommen auf diesen Inseln. (D) menarbeit war großartig. Eine nach wie vor offene Baustelle bleibt die Klimak- Unser Ziel ist klar: Mehr bezahlbarer Wohnraum muss omponente beim Wohngeld. Bisher haben wir noch kei- her. Bezahlbares Wohnen ist eine wichtige Forderung der nen praktikablen Weg gefunden, wie diese Klimakompo- Nachhaltigkeitsziele 2030, den SDGs, denen wir uns ver- nente lenkungswirksam und bürokratiearm umzusetzen pflichtet haben. Dafür brauchen wir ein Zusammenspiel wäre. Anfang 2019 wurde dazu ein neues Gutachten in aus mehr Investitionen, sozialem Wohnungsbau und ziel- Auftrag gegeben. Dies soll neue Alternativen für ein im genauen Änderungen in der Miet- und in der Sozialpoli- Wohngeld praktikables Nachweisverfahren entwickeln. tik, und all das tun wir. Ich hoffe, Anfang 2020 liegen die Ergebnisse vor. Wir erwarten darüber hinaus für das nächste Jahr ein weiteres Das Wohngeld erfüllt eine entscheidende sozialpoliti- Gesetzgebungsverfahren zum Wohngeld. Das Klima- sche Funktion. Diese stärken wir durch den heute vor- schutzprogramm 2030 der Bundesregierung sieht eine liegenden Gesetzentwurf. Mit dem Wohngeldstärkungs- pauschale 10-prozentige Erhöhung des Wohngeldes gesetz bekommen ab 1. Januar 2020 mehr Haushalte zum 1. Januar 2021 vor. Diese Erhöhung ist als Ausgleich mehr Wohngeld. Davon profitieren 660 000 Menschen, und zur Vermeidung sozialer Härten bei steigenden Heiz- liebe Kolleginnen und Kollegen. kosten vorgesehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Auch muss es eine Informations- und Öffentlichkeits- der CDU/CSU) kampagne geben, um das Wohngeld bekannter zu ma- chen. Denn viele Anspruchsberechtigte stellen gar keinen Ein Zweipersonenhaushalt bekam bisher durchschnittlich Antrag. 145 Euro Wohngeld pro Monat, ab 1. Januar 2020 sind es durch unsere Reform dann durchschnittlich 190 Euro. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Das ist eine starke Steigerung. der CDU/CSU und des Abg. Christian Kühn Erstmalig wird das Wohngeld dynamisiert. Dies war [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) schon lange eine Forderung der SPD. Schön, dass das Zum Beispiel wissen viele Eigentümer einer Immobilie jetzt kommt. Das Wohngeld wird jetzt regelmäßig alle nicht, dass auch sie Anspruch auf Unterstützung haben. zwei Jahre an die eingetretene Miet- und Einkommens- Dann heißt es Lastenzuschuss. Dies wird bei selbst ge- entwicklung angepasst. Damit sichern wir die mit der nutztem Wohneigentum gezahlt, wenn die Wohnkosten Wohngeldreform im Jahr 2020 erreichte Entlastungswir- die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Anspruchsbe- kung des Wohngeldes auch für die kommenden Jahre. rechtigten übersteigen. Für viele ist bisher nur der Not- Weniger Haushalte werden dadurch zwischen Wohngeld, verkauf ihrer Immobilie die letzte Lösung. Zu den Wohn- 14738 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Ulli Nissen (A) kosten gehören auch Ausgaben für Zins und Tilgung der (Beifall bei der FDP – Michael Theurer [FDP]: (C) Immobilienkredite und die Bewirtschaftungskosten. Ich München ist auch eine schöne Stadt!) wäre froh, wenn wir die betroffenen Menschen informie- ren könnten, damit sie diese Chance nutzen. Daniel Föst (FDP): Definitiv ist München eine sehr schöne Stadt. Wir müssen auch die Förderung von barrierearmem bzw. barrierefreiem Wohnraum bei der Weiterentwick- Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und lung des Wohngeldsystems berücksichtigen. Gut, dass Kollegen! Die Wohngeldreform war zweifelsohne über- wir beim Wohngeld deutliche Verbesserungen geschaffen fällig. Die Mieten explodieren. Normale Menschen kön- haben. Wir haben auch beim Mietrecht gehandelt. Das nen sich die Mietsteigerungen kaum noch leisten. Immer Mietrechtsanpassungsgesetz ist am 1. Januar 2019 in mehr sind auf Wohngeld angewiesen. Die Entwicklung Kraft getreten. auf dem deutschen Wohnungsmarkt ist ein Armutszeug- nis für diese Regierung und damit auch (Beifall der Abg. Marianne Schieder [SPD]) ein Armutszeugnis für den zuständigen Minister. Bundesweit darf die Miete nach Modernisierung nur noch um maximal 3 Euro pro Quadratmeter im Monat inner- (Beifall bei der FDP – Michael Theurer [FDP]: halb von 6 Jahren erhöht werden, bei Mieten unter 7 Euro Wo ist denn der Minister?) pro Quadratmeter sogar nur um 2 Euro. Liebe Kollegin- Beim Wohngeld anzusetzen, ist richtig. Mit dem nen und Kollegen, das ging deutlich über die Forderungen Wohngeld werden diejenigen zielgenau unterstützt, deren im Koalitionsvertrag hinaus. Ich finde das großartig. Einkommen nicht für die Miete reicht. Das Wohngeld ist (Beifall bei der SPD) sozial. Das Wohngeld schützt die Menschen vor Verdrän- gung aus ihrem Viertel. Deswegen ist es richtig, das Gerade diese Woche gab es ein super Urteil in Mün- Wohngeld zu stärken. Es musste verbessert und es muss chen. Der Mieterverein München – danke dafür – hatte regelmäßig angepasst werden. mit einer Musterfeststellungsklage Erfolg. Er hatte stell- vertretend für mehr als 130 Mieter einer Wohnanlage im (Beifall bei der FDP) Stadtteil Schwabing gegen eine drastische Mieterhöhung Wir Freie Demokraten sagen deshalb ganz klar: Die geklagt, die mit einer Modernisierung begründet wurde. Wohngeldreform geht in die richtige Richtung. Aber sie Konkret sollten die Mieten um 5 bis 13 Euro pro Quadrat- geht bei Weitem nicht weit genug. Wir finden gut, dass meter erhöht werden. Die Modernisierung wurde kurz vor mit der regelmäßigen Anpassung eine Kernforderung der dem Jahresende 2018 angekündigt, erst zwei Jahre später FDP umgesetzt wurde. (B) sollte sie umgesetzt werden. Zum Zeitpunkt der Ankün- (D) digung war es noch erlaubt, zeitlich unbegrenzt jährlich Die Erhöhung ist auch richtig, die Einführung der wei- 11 Prozent der Kosten dafür auf die Mieter umzulegen. teren Mietstufe auch. Aber was weiterhin schlecht, was Seit 2019 gilt zum Glück unser neues Recht, wonach nur weiterhin katastrophal ist: An den Schnittstellen zwi- noch ein geringerer Teil der Modernisierungskosten auf schen den verschiedenen Sozialleistungen wird es auch Mieter umgelegt werden darf. in Zukunft große Reibungsverluste geben. Da werden die Menschen oft im Jahrestakt hin- und hergereicht zwi- (Beifall bei der SPD) schen Wohngeld, Hartz IV, Hilfe zu den Kosten der Un- Nach Ansicht des Mietervereins ging es dem Immobilien- terkunft und Kinderzuschlag. Jedes Jahr neue Antrags- unternehmen darum, "gerade noch altes Recht abgreifen" bürokratie, jedes Jahr ein anderes Amt, das zuständig zu können. Dem wurde ein Riegel vorgeschoben. Die ist, und jedes Jahr um Unterstützung bitten. Hier schafft Spanne zwischen der Ankündigung der Modernisierung die Reform keine Verbesserung, keine Erleichterung, und und der tatsächlichen Durchführung sei zu lang, sagte der das ist wirklich schade. Vorsitzende Richter. Diese Entscheidung freut mich sehr, (Beifall bei der FDP) insbesondere weil ich Berichterstatterin für dieses Thema bin. Dabei gibt es gerade für dieses Problem gute Konzepte zur Vereinfachung, zum Beispiel vom ifo-Institut oder Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin jetzt sechs von der staatseigenen Agentur für Arbeit oder – wenn Jahre Mitglied des Deutschen Bundestages, und ich finde Sie es politisch wollen – von der FDP. Wir Liberale wol- es großartig, dass ich für eine Verbesserung der Lebens- len das „Liberale Bürgergeld“. Wir wollen eine einheit- situation der Menschen sorgen kann. Das macht mich liche und unbürokratische Grundsicherung und damit die stolz, das macht mich glücklich. Menschen unterstützen und entlasten. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Apropos Bürokratie: Wir wollen nicht nur den Sozial- der CDU/CSU) staat leistungsfähiger machen, nicht nur die Unterstüt- zung vereinfachen, sondern auch die Beantragung. Meine Steuererklärung kann ich mittlerweile digital machen. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Warum geht das nicht mit den Anträgen für Sozialleistun- Vielen Dank, Frau Kollegin Nissen. – Als nächster gen? Redner hat das Wort der Kollege Daniel Föst, FDP-Frak- tion. (Beifall bei der FDP) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14739

Daniel Föst (A) Ich kann verstehen, dass Herr Minister Seehofer Angst vorgelegt haben, viel zu kurz; sie ist halbherzig. Denn (C) vor dem Internet hat – da sind ja die bösen Gamer. Aber erstens ist das Wohngeld einfach nicht hoch genug. Das wir müssen endlich einmal anfangen, die Chancen der liegt schon allein daran, dass es das letzte Mal vor drei Digitalisierung zu nutzen. Jahren erhöht wurde. (Beifall bei der FDP) Das Zweite ist, dass die gesamte Berechnungsmethode Deshalb wollen wir Freie Demokraten mit dem „Libera- nicht hinreichend ist. Für die Berechnung des Wohngel- len Bürgergeld“ ein einfaches, intuitiv bedienbares digi- des werden eben nicht die realen Mieten, sondern nur tales Antragsportal einführen – weniger Bürokratie, Ent- bestimmte Mieten zur Grundlage genommen, und im Er- lastung der Verwaltung und das Allerwichtigste: gebnis kann das Wohngeld die reale Mietsteigerung nicht Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger. Dann ha- abbilden. Daran wird auch die vorliegende Reform nichts ben wir ein Smart Germany mit einem smarten „Libera- ändern, und das ist wirklich schade. len Bürgergeld“. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der FDP) Was ich aber wirklich das Schärfste finde, ist, dass mit Werte Kolleginnen und Kollegen, zwei Jahre hat die der vorliegenden Reform in sage und schreibe 164 Städten Regierung jetzt gebraucht, um hier das Gesetz zum und Gemeinden die Erhöhung des Wohngeldes ausblei- Wohngeld vorzulegen. Aber bereits im nächsten Jahr ben wird, weil sie durch die Systematik der Mietstufen müssen wir es wieder aufschnüren; denn dann kommen herabgestuft werden. Da muss ich schon sagen, dass ich die Beschlüsse zum Klimapaket. Frei nach Sepp Herber- es angesichts des Mietenwahnsinns wirklich absurd fin- ger: Nach der Wohngeldreform ist vor der Wohngeldre- de, eine Reform zu machen, in der für Haushalte das form. Wohngeld am Ende auch noch sinkt. Das kann man wirk- lich niemandem erklären. (Caren Lay [DIE LINKE]: Logisch!) Das Ganze wirkt einfach nur unkoordiniert, ineffizient (Beifall bei der LINKEN) und planlos, Ich finde es in der Tat falsch – das ist vorhin schon (Beifall bei der FDP) angesprochen worden –, dass hier eine Wohngeldsyste- matik oder eine Reform vorliegt, in der nach und nach der aber – sorry to say – das scheint das Arbeitsmotto dieser Kreis der Empfänger immer kleiner wird. Das kann an- Regierung zu sein. gesichts des Mietenwahnsinns in den Städten nicht der Es wäre mit der Wohngeldreform viel gegangen. Es richtige Weg sein. (B) wäre mit der Wohngeldreform viel mehr gegangen, um (D) die Bürger zu entlasten. Ich finde es sehr schade, dass wir (Beifall bei der LINKEN) diese Chancen nicht genutzt haben. Seit vielen Jahren kritisieren wir als Linke, dass die Vielen Dank. Heizkosten aus der Berechnung des Wohngeldes heraus- genommen wurden. Auch daran wird diese Reform leider (Beifall bei der FDP) nichts ändern. Wir finden, auch die Heizkosten müssen beim Wohngeld berücksichtigt werden. Das Wohngeld Vizepräsident Wolfgang Kubicki: muss sich endlich an den realen Wohnkosten orientieren. Vielen Dank, Herr Kollege Föst. – Als nächste Redne- rin hat das Wort die Kollegin Caren Lay, Fraktion Die (Beifall bei der LINKEN) Linke. Und völlig ausgeklammert wird das, was Umweltver- (Beifall bei der LINKEN) bände, was der Deutsche Mieterbund wirklich seit vielen Jahren fordern und was angesichts der Klimakrise auch Caren Lay (DIE LINKE): dringend notwendig wäre, nämlich eine Klimakompo- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Preise nente einzuführen. Wir wollen, dass sich auch Wohngeld- für Mietwohnungen in den Städten explodieren. Sie ha- bezieher eine sanierte Wohnung leisten können. Aber oh- ben sich völlig entkoppelt von der Entwicklung der Löh- ne eine solche Klimakomponente im bisherigen System ne, von der Entwicklung der Einkommen, und das ist das der Modernisierungsumlagen müssen ärmere Mieterin- eigentliche Problem. nen und Mieter entweder in den unsanierten Wohnungen wohnen, oder sie fliegen nach der Sanierung raus, weil (Beifall bei der LINKEN) die Miete zu hoch wird. Das findet tausendfach in unseren In der Folge müssen viele Menschen einen unzumutbar Städten statt, und das kann doch wirklich kein Mensch großen Anteil ihres Einkommens für die Miete ausgeben, wollen! und daran wird leider auch die vorliegende Wohngeldre- (Beifall bei der LINKEN) form nichts ändern. Deswegen muss ein modernes Wohngeld eben auch die (Beifall bei der LINKEN) Kosten für die energetische Sanierung berücksichtigen. Auch wir als Linke finden natürlich, dass die Anpas- Sie muss gefördert werden. Wir müssen die Verdrängung sung des Wohngeldes, eine Wohngeldreform, dringend durch diese Modernisierung verhindern, und deswegen nötig ist. Aber leider greift die Reform, die Sie heute brauchen wir eine Klimakomponente beim Wohngeld. 14740 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Caren Lay (A) (Beifall bei der LINKEN und dem Anspruch auf eine Sozialwohnung hat, der sollte doch (C) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wenigstens Anspruch auf Wohngeld haben. Das wäre ei- Meine Damen und Herren, das Wohngeld muss also ne wirklich soziale Reform des Wohngeldes. erstens deutlich ausgeweitet werden. Es muss zweitens Vielen Dank. jährlich angepasst werden. Es muss drittens die Heizkos- ten berücksichtigen und viertens eine Klimakomponente (Beifall bei der LINKEN) beinhalten. Aber das Wichtigste ist: Ein Wohngeld muss so konzipiert sein, dass es die extremen Belastungen Vizepräsident Wolfgang Kubicki: durch den Mietenwahnsinn verhindert. Es gibt den guten Vielen Dank, Frau Kollegin Lay. – Vielleicht zur In- Grundsatz, dass kein Haushalt mehr als 30 Prozent des formation des Hauses: Die CSU hat heute Parteitag. Einkommens für das Wohnen ausgeben müssen sollte. Dafür müsste ein soziales Wohngeld, dafür müsste eine Als nächster Redner spricht zu uns der Kollege soziale Wohnungspolitik sorgen. Christian Kühn, Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, ich möchte zum Abschluss noch ein paar grundsätzliche Dinge zum Instrument des Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE Wohngeldes sagen. Natürlich sagen wir als Linke: Solan- GRÜNEN): ge es nicht genug bezahlbare Wohnungen gibt, brauchen Sehr geehrter Herr Präsident Kubicki! Sehr geehrte wir das Wohngeld. – Aber ich sage auch, gerade weil das Kolleginnen und Kollegen! Heute entscheiden wir über auch von der FDP und der AfD als Mittel der Wahl dar- die Reform des Wohngeldes, und – einige Kolleginnen gestellt wird: Die sogenannte Subjektförderung ist es für und Kollegen haben es ja schon angesprochen – dabei uns als Linke nicht; denn erstens wird ja mit dem Wohn- geht es um die Wohnkostenbelastung der Menschen in geld – das muss man einfach sehen – faktisch die Rendite Deutschland. privater Großvermieter und Konzerne subventioniert. 2010 lag die Wohnkostenbelastung aller deutschen (Michael Theurer [FDP]: Hartz IV ist die Haushalte im Durchschnitt bei 22,5 Prozent. Heute liegt Rendite des Bäckers, des Metzgers!) sie bei 27,2 Prozent. Die Überlastungsgrenze eines Haus- Zweitens kann die Verdrängung aus den Innenstädten haltes durch die Kosten des Wohnens liegt bei 30 Prozent, durch das Instrument des Wohngeldes nicht verhindert sprich: Wir sind im Durchschnitt aller deutschen Haus- werden. halte mit den Wohnkosten nahe an der Überlastung. Ich (B) finde, das ist ein Alarmsignal. Wir befinden uns woh- (D) (Michael Theurer [FDP]: Das ist doch nungspolitisch angesichts dieser Zahlen in einer wirklich Quatsch!) prekären Situation. Deswegen kann ich nicht verstehen, Drittens sind die Kosten für Wohngeld und auch die Kos- dass Sie so tun, als ob nichts wäre, und als Große Koali- ten der Unterkunft seit der Abschaffung der Wohnge- tion einfach so weitermachen mit dieser Wohngeldre- meinnützigkeit explodiert. Das sind einfach die Fakten. form, die man vor 5, 10 oder 15 Jahren hätte machen können, aber nicht in einer so prekären Situation. (Michael Theurer [FDP]: Ja, weil die Men- schen Hilfe brauchen! Es ist doch gut, dass (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) der Staat Hilfe gewährt!) Das Wohngeld wird mit dieser Novelle nicht strukturell Und viertens – und das ist entscheidend –: Das Wohngeld gestärkt, es wird nicht strukturell modernisiert, es wird schafft keine einzige neue Wohnung. Das ist doch Ihr nicht an die Erfordernisse der Klimakrise angepasst, es Argument, das Sie immer gegen den Mietendeckel an- löst nicht die Schnittstellenprobleme bei den sozialen Si- führen. Das muss an dieser Stelle eben auch gelten. cherungssystemen. Das ist zwar eine Wohngeldnovelle – ja, Sie haben einen Gesetzentwurf vorgelegt –, aber Sie (Beifall bei der LINKEN) haben angesichts der Herausforderungen auf den Woh- Ein deutlich nachhaltigerer Ansatz sind mehr bezahl- nungsmärkten trotzdem eigentlich nicht geliefert. bare Wohnungen, sind mehr öffentlich geförderte Woh- nungen, sind mehr gemeinnützig bewirtschaftete Woh- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nungen. Aber was ist denn da Ihre Politik, die Politik Schauen wir uns doch einmal an, was Sie als Erfolg der Bundesregierung? Ich sehe Herrn Seehofer gar nicht vermelden: 660 000 Menschen werden nun Wohngeld bei dieser sehr wichtigen Debatte. Das finde ich wirklich erhalten. Das sind mehr als in der Vergangenheit – das schade, aber das ist ja auch nichts Neues. ist richtig –, aber 2010 hatten wir in Deutschland 1 Million (Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Der Wohngeldempfänger. Ich meine, das muss die Zielmarke Baustaatssekretär ist da!) sein. Wir müssen wieder mehr Menschen aus den anderen sozialen Sicherungssystemen in das vorgelagerte Siche- In den letzten Jahren sind jährlich über 40 000 Sozial- rungssystem des Wohngelds holen. wohnungen aus der Bindung herausgefallen; die Tendenz bei dem Bestand ist weiter sinkend. Millionen Menschen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – hätten einen Anspruch auf Sozialwohnungen, bekommen Ulli Nissen [SPD]: Das war kurz nach der Fi- aber keine. Deswegen sagen wir als Linke: Wer einen nanzkrise! Das war eine andere Situation!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14741

Christian Kühn (Tübingen) (A) Dass Sie das nicht machen und Sie, Herr Möring, mit dem Sie nicht die Kraft gehabt, und leider hat auch die SPD (C) Kopf schütteln, zeigt, dass Ihnen der politische Wille da- nicht die Kraft gehabt, das hier zu erstreiten. zu leider fehlt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie sagen, die Dynamisierung ist ein Fortschritt. Das ist Dass Sie die Probleme bei den ostfriesischen Inseln richtig. Aber warum wird die Anpassung nur alle zwei gelöst haben – das wurde schon angesprochen –, ist sehr Jahre vorgenommen? Bei den Kosten der Unterkunft wird gut. Wir begrüßen das. Wir Grüne haben das Thema in die Anpassung jedes Jahr vorgenommen. den Beratungen immer wieder eingebracht. Ich finde (Ulli Nissen [SPD]: Das ist der erste Schritt, aber, es hätte eine Selbstverständlichkeit sein müssen, lieber Kollege!) dass diese Bundesregierung sich dieses Problems schon im Gesetzentwurf annimmt, Dann ist das doch auch beim Wohngeld möglich. Auch hier fehlt Ihnen der politische Wille, um die Reform deut- (Ulli Nissen [SPD]: Jetzt mecker doch nicht! lich besser auszugestalten. Sei doch froh, dass wir es geschafft haben!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – aber sie brauchte die Kolleginnen und Kollegen der Koa- Ulli Nissen [SPD]: Lieber Christian, das ist der litionsfraktionen, um das hineinzuschreiben. erste Schritt!) Ulli Nissen, du meldest dich ja immer wieder mit Zwi- Ulli Nissen, die Gretchenfrage bei dieser Reform ist die schenrufen zu Wort. Die SPD hat in den letzten Wochen Frage: Wie berechnet sich eigentlich das Wohngeld in mit, so würde ich es mal sagen, allen Kanonen der sozia- Deutschland? Das Wohngeld in Deutschland – das muss len Gerechtigkeit auf die grüne Klimapolitik geschossen. man den Menschen da draußen auch mal sagen – wird (Daniel Föst [FDP]: Zu Recht!) berechnet, indem man alle Wohngeldhaushalte zusam- mennimmt und daraus die Wohngeldstufen errechnet. Wenn ich mir jetzt diese Sozialreform, die Wohngeldno- velle, anschaue, die die SPD hier vertritt, stelle ich fest, (Zuruf der Abg. Ulli Nissen [SPD]) dass eine Klimakomponente nicht enthalten ist. Sie ist Das bildet aber nicht das reale Marktgeschehen in Frank- nicht enthalten, weil euch der politische Wille fehlt, das furt, Stuttgart oder Berlin ab, sondern nur die Wohngel- durchzusetzen, dempfängerhaushalte in Frankfurt, Stuttgart oder Berlin. (Ulli Nissen [SPD]: Unfug!) Wir haben aber massive Wohnkostensteigerungen da draußen, und die werden eben hier nicht abgebildet. Des- und weil euch der politische Wille fehlt, Klima und so- (B) wegen springt man mit dieser Reform zu kurz. ziale Gerechtigkeit zusammenzudenken. (D) (Ulli Nissen [SPD]: Deshalb wollen wir eine (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Verbreiterung machen!) Ulli Nissen [SPD]: Unfug!) Hier braucht es dringend eine grundsätzlich andere Be- Die Tatsache, dass man erst Anfang dieses Jahres ein rechnung. Gutachten in Auftrag gegeben hat, ist doch wirklich hanebüchen. Wir reden schon jahrelang über die Klima- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) komponente. Die Große Koalition hat das in den Koali- Ich habe die Schnittstellenproblematik angesprochen. tionsvertrag geschrieben. Letztlich ist diese Wohngeldno- Es kann doch nicht sein, dass jemand, der in Hartz IV ist, velle beim Punkt Klimakomponente ein gebrochenes am Ende mehr Geld hat als jemand, der voll arbeitet und Versprechen der SPD und der Union – und nichts anderes. Wohngeld erhält. Das ist aber heute Realität. Das ist doch (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – ein riesiges soziales Problem. Es ist auch arbeitsmarktpo- Zuruf der Abg. Ulli Nissen [SPD]) litisch ein riesiges soziales Problem, dass wir Arbeit hier nicht wirklich fördern und die Arbeit nicht in den Vorder- Zum Schluss. Eines ist klar: Diese Novelle entbindet grund stellen. Deswegen sage ich: Wir müssen diese Sie nicht davon, weiter mehr Geld in den sozialen Woh- Schnittstellenprobleme lösen. nungsbau zu geben. Viele Wohngeldempfänger in Deutschland sind angewiesen auf eine Sozialwohnung In der Anhörung gab es einen ganz klaren Vorschlag in der Stadt. Ich habe vorhin die Zahlen genannt, die dazu: die Einführung eines Erwerbstätigenfreibetrages, die reale Belastung der Menschen durch die Kosten des den Caritas und andere gefordert haben. Das wäre eine Wohnens widerspiegeln. Diese Belastung spüren sie in Möglichkeit, 230 000 Haushalte aus Hartz IV ins Wohn- ihrem Geldbeutel. Die Tatsache, dass Sie im Haushalt geld zu holen, 460 000 Haushalten zum ersten Mal das nun die Mittel für den sozialen Wohnungsbau um eine Wohngeld zu ermöglichen. Damit wären wir bei über halbe Milliarde kürzen, ist wirklich nicht hinnehmbar. 1 Million Wohngeldbeziehern. Das wäre eine echte So- zialreform, eine wirkliche Stärkung des Sozialstaates (Bernhard Daldrup [SPD]: Das stimmt doch gar Deutschland, und das in einer Zeit, in der dieses Land nicht! Jetzt ist aber gut!) fragil ist, in der wir über die Gleichwertigkeit von Le- Das sagen Ihnen auch die eigenen Länder; das sagen bensverhältnissen sprechen, in der wir darüber sprechen, Ihnen auch die Bauminister der Länder. dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht und der prekäre Sektor immer größer (Bernhard Daldrup [SPD]: Das stimmt nicht! wird. Das wäre notwendig gewesen, aber dazu haben Das ist falsch, was Sie sagen!) 14742 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

(A) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: sen. Ich finde: Da es eine solche Dynamisierung bisher (C) Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss? noch nicht gegeben hat, ist das ein wirklich großer Fort- schritt. Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Deswegen sage ich es noch einmal: Erhöhen Sie im Haushalt die Mittel für den sozialen Wohnungsbau. Das Da wir das Ganze auch evaluieren wollen, können und ist dringend notwendig. Erst dann werden Sie Ihrer Ver- werden wir in wenigen Jahren darüber sprechen, ob der antwortung als sozialdemokratische Partei und als Union gewählte Zweijahreszeitraum richtig ist. Unserer Ansicht gerecht. nach ist er gut geeignet. Das hat natürlich auch etwas mit Danke schön. Bürokratie zu tun. Deswegen haben wir den Zeitraum von zwei Jahren gewählt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich möchte bei dieser Gelegenheit einen kleinen Ex- kurs machen – ich habe ja gesagt, dass ich das eine oder andere mit abräume –: Wenn wir über steigende, über Vizepräsident Wolfgang Kubicki: explodierende Mieten sprechen, dann sprechen wir vor Vielen Dank, Herr Kollege Kühn. – Nächster Redner allen Dingen immer wieder über Neuvermietungsmieten, ist der Herr Parlamentarische Staatssekretär Marco die aber nur etwa 5 Prozent des gesamten Mietmarktes in Wanderwitz für die Bundesregierung. unserem Land ausmachen. Das sage ich, um die Größ- (Beifall bei der CDU/CSU) enordnungen ein bisschen zurechtzurücken. Es ist eben so, dass die Bestandsmieten, also die Mieten der anderen Marco Wanderwitz , Parl. Staatssekretär beim Bun- 95 Prozent, in den letzten Jahren nicht so stark gestiegen desminister des Innern, für Bau und Heimat: sind – nämlich unterhalb des Niveaus der Preisentwick- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der lung. Das sind Fakten. Ich finde, die sollte man in einer Vorteil, wenn man nach Rednern der Opposition spricht, solchen Debatte auch mal erwähnen. ist, dass man das eine oder andere richtigstellen kann. Das Ferner möchte ich erwähnen, dass wir richtigerweise will ich gerne tun. gesagt haben: Wenn wir jetzt das ambitionierte Klima- Zunächst möchte ich aber darauf hinweisen, dass ich in schutzpaket verabschieden, bei dem wir insbesondere der Anhörung deutlich mehr Zustimmung als Kritik von den Gebäude- und den Wohnsektor erheblich in die (B) den Sachverständigen wahrgenommen habe. Pflicht nehmen, müssen wir berücksichtigen, dass die (D) kostenintensiven Sanierungen auf die Kaltmieten durch- (Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: schlagen. Deswegen haben wir gesagt, dass wir für dieje- Ja! – Niema Movassat [DIE LINKE]: Na gut, nigen Mieter, die sich das nicht leisten können, einen Sie benennen sie ja auch!) Aufschlag von 10 Prozent auf das Wohngeld brauchen. – Sie benennen ja auch Sachverständige. Jetzt hören Sie Das brauchen wir, wenn im Jahr 2021 die CO2-Beprei- mal zu. Sieben Minuten sind auszuhalten. sung kommt. Wir haben also noch ein ganzes Jahr Zeit, um dieses aus meiner Sicht relativ schmale Gesetz zu Wenn ich lese und höre, was die Journalistinnen und machen. Es besteht überhaupt keine Notwendigkeit, das Journalisten, die sich sehr intensiv mit dieser Branche und jetzt krampfhaft in diese Wohngeldnovelle hineinzupa- dieser politischen Thematik beschäftigen, in den Zeitun- cken. Auch deswegen haben wir uns entschieden, es ein- gen schreiben bzw. im Rundfunk und im Fernsehen sa- zeln zu machen. gen, dann stelle ich fest, dass wir für diese Wohngeldno- velle ziemlich viel Lob bekommen. Ich finde, zu Recht. Die Stärkung des Wohngeldes ist für uns ein ganz Wir können über vieles, was den Wohnungsmarkt in wichtiger Baustein im Rahmen unserer Gesamtstrategie Deutschland derzeit betrifft, trefflich streiten – das tun für bezahlbares Wohnen. Aber letztlich ist es – ähnlich wir auch –, aber mit der Wohngeldreform liefern wir jetzt, beispielsweise den Mietpreisbegrenzungen – nur eine wie ich glaube, etwas ziemlich Gutes. Operation, die insbesondere deshalb notwendig ist, weil Wir erhöhen die Förderkraft des Wohngelds erheblich. es eben nicht genügend bezahlbaren Wohnraum in der Führen wir uns einmal die Zahlen vor Augen: Wir, so- Fläche im Land gibt. Insofern ist das Thema „mehr Bau- wohl der Bund als auch die Länder, werden künftig land“ mindestens genauso wichtig. Die Baulandkommis- 1,2 Milliarden Euro für das Wohngeld zur Verfügung sion hat ihr Ergebnis vor der Sommerpause geliefert. Wir stellen. Damit werden künftig 660 000 und damit arbeiten aktuell an der sich daraus ergebenden Baugesetz- 180 000 Haushalte mehr als bisher in den Genuss des buchnovelle, die wir noch dieses Jahr vorlegen werden, Wohngeldes kommen. Außerdem heben wir die Höchst- um sie dann hoffentlich im ersten Quartal nächsten Jahres beträge gestaffelt an und führen die neue, schon erwähnte in diesem Hause beraten und verabschieden zu können. Stufe VII in den Wohnungsmärkten, in denen es beson- Diese Novelle soll insbesondere dazu dienen, mehr Bau- ders pressiert, ein. land im Innenbereich wie in moderater Weise in den angrenzenden Bereichen zur Verfügung zu stellen. Die Und wir führen eine Dynamisierung ein. Künftig wird Länder sind in der Tat intensiv mit dem Thema Bauord- das Wohngeld alle zwei Jahre angepasst, automatisch, nungsrecht beschäftigt, weil das unmittelbar damit zu- ohne dass wir das jedes Mal mühselig beschließen müs- sammenhängt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14743

Parl. Staatssekretär Marco Wanderwitz (A) Wir sind dabei, die insbesondere durch die Baukosten- (Beifall bei der FDP) (C) senkungskommission unterbreiteten Vorschläge abzuar- beiten. Da geht es insbesondere um Normung. Das ist Hagen Reinhold (FDP): ein dickes Brett. Das haben, glaube ich, alle, die sich Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da- damit befasst haben, schon gemerkt. Es geht beispiels- men und Herren! Ich will mit Zahlen zu den Empfänger- weise um das Thema serielles Bauen. Damit schließen haushalten beginnen. Da muss ich den Grünen leider wi- wir jetzt den Kreis beim Thema serielles Sanieren. Es dersprechen. Herr Kühn, die Zielmarke der Grünen mag geht natürlich auch um Fachkräfte; denn die Baubranche sein 1 Million Wohngeldempfänger. Die Zielmarke der ist weitestgehend ausgelastet, und deswegen ist der wei- FDP ist 0,0 Millionen Wohngeldempfänger. Das ist ein tere Kapazitätsaufbau insbesondere an einen Zuwachs Ziel, das man haben sollte. Ich möchte, dass in Deutsch- von Fachkräften gebunden. Ich erwähne hier das Fach- land jeder von seiner Arbeit und von dem Geld, das er kräfteeinwanderungsgesetz, aber auch die umfangreiche verdient, sich eine Wohnung leisten kann. Zusammenarbeit mit der Bauwirtschaft auf dem Gebiet der Gewinnung von neuen Fachkräften im Inland. Ich (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten erwähne den Mitarbeiterwohnungsbau; in diesem Be- der CDU/CSU) reich gehen wir als Bund über die BImA voran. Wir wol- Das ist ein langfristiges Ziel, wofür es sich zu streiten len für unsere eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lohnt. in dieser Legislaturperiode mehrere Tausend Wohnungen bauen. Wir werben auch dafür, dass andere Unternehmen (Caren Lay [DIE LINKE]: Das wollen wir diesem Beispiel folgen. Wir haben dafür erst jüngst auch!) steuerliche Regelungen angepasst, die das attraktiver ma- Darüber, dass wir für den Übergang noch Wohngeld chen. brauchen, müssen wir nicht reden; aber die Zielmarke und Der soziale Wohnungsbau ist angesprochen worden; wie wir sie erreichen, das muss definiert werden. Wie auch er ist ein wichtiges Thema. Wenn die 1 Milliarde schaffen wir das denn? Zuerst mit der weltbesten Bil- Euro Bundesgeld, die wir künftig zur Verfügung stellen, dung, einer guten digitalen Ausstattung an den Schulen, eins zu eins im sozialen Wohnungsbau ankommt, dann damit die Menschen für die Zukunft gut qualifiziert sind, wird dieses Geld deutlich mehr bewirken als die 1,5 Mil- mit guten Erfolgen bei der Weiterbildung. liarden Euro, die wir die letzten beiden Jahre den Ländern (Beifall bei der FDP) gegeben haben. All das ist wichtig. Wichtig sind auch eine starke Wirt- (Beifall des Abg. Bernhard Daldrup [SPD]) schaft und Betriebe, die gute Löhne zahlen müssen; das (B) Ein kleiner Exkurs an dieser Stelle. Wir als Bund waren gehört mit dazu. (D) früher mal zuständig für den sozialen Wohnungsbau. Warum setze ich das an den Anfang, und warum rede Dann gab es eine Föderalismusreform. Dann sind die ich darüber? Weil wir heute einige Elemente gar nicht Länder allein zuständig gewesen. In dieser Zeit hat sich besprechen. Es ist ja so – auch das ist von Ihnen, Frau die Zahl der vorhandenen Sozialwohnungen halbiert, Lay, Herr Kühn, gekommen; Sie haben es zu Recht dar- weil die Länder in Summe nicht genügend gemacht ha- gestellt –, dass die Mietbelastung in den letzten 20 Jahren ben. Einige wenige Länder, wie beispielsweise Hamburg, gerade mal um 4 Prozent gestiegen ist. Trotzdem ist das stechen heraus. Das Gros der Länder hat aber bei dieser ärgerlich. Warum ist das so, wo doch die Nettokaltmieten Aufgabe versagt. Deswegen haben wir gemeinsam eine in den letzten 20 Jahren um 35 Prozent, die Einkommen Grundgesetzänderung vorgenommen. Deswegen sind wir aber um 47 Prozent gestiegen sind? Das liegt unter ande- jetzt wieder mit zuständig. Deswegen geben wir jetzt rem daran – das dürfte auch Ihnen klar sein –, dass wir 1 Milliarde Euro Bundesgeld für den sozialen Wohnungs- mittlerweile viel zu viel Quadratmeter Wohnfläche pro bau. Ich glaube, das wird uns erheblich helfen. Person verbrauchen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Nun bin ich als Liberaler der Letzte, der irgendjeman- Die 1,5 Milliarden Euro, die in den letzten Jahren be- dem vorschreibt, in welcher Wohnung mit welcher Größe reitgestellt worden sind, sind nicht an der richtigen Stelle er zu leben hat. Aber wir müssen doch genauso in Angriff angekommen. Zwar haben die Länder sie für investive nehmen, dass wir in Deutschland zurzeit nicht in der Lage Zwecke verwendet, aber leider nicht für das, wofür sie sind, unseren Wohnungsbestand, der mittlerweile 50, eigentlich vorgesehen waren, nämlich für den sozialen 100, 150 Jahre alt ist, an den jetzigen Bedarf anzupassen. Wohnungsbau. Wir stellen sicher, dass der Bund künftig Wir haben nun mal nicht wie noch vor 50 Jahren Fami- Jahr für Jahr 1 Milliarde Euro in den sozialen Wohnungs- lien, die auf 60 Quadratmetern wohnen. Mittlerweile bau investiert, für den er mit zuständig ist. Ich glaube, wir wohnt der durchschnittliche Rentner in einer Mietwoh- sind auf einem guten Weg. nung auf 60 Quadratmetern. Auch dafür braucht es Lö- sungen, damit wir dieses Wohngeld in Deutschland lang- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) fristig gar nicht mehr brauchen. Punkt, Ende, aus! Darum kümmert sich hier zurzeit leider kaum einer. Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Ganz das Gegenteil ist der Fall; da sieht man wieder, in Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Als nächster welcher Gedankenwelt gerade hier agiert wird. In Berlin Redner hat das Wort der Kollege Hagen Reinhold, hat man zurzeit einen Flächenverbrauch von 39,3 Quad- FDP-Fraktion. ratmetern pro Person. Die Linken meinen wie auch die 14744 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Hagen Reinhold (A) Grünen und die SPD, wie im geplanten Mietendeckelge- Man kann über die Baufertigstellungen, die es in den (C) setz zum Ausdruck kommt, 50 Quadratmeter seien auch letzten Jahren gegeben hat, so reden – Vorsicht jetzt, noch angemessen. Stünden in Berlin 50 Quadratmeter Chris –: Das Niveau der Baufertigstellungen konnte Wohnfläche pro Person zur Verfügung, würde das zur 2017 auf 285 000 Wohnungen und damit um beachtliche Folge haben, dass 500 000 Menschen obdachlos wären. 80 Prozent im Vergleich zu 2009 – das war ja eben dein Dementsprechend ist Ihre Politik. Eine solche Politik Bezugsjahr – erhöht werden. Man kann es sich immer so treibt die Leute eher raus als rein. aussuchen, wie man es gerade braucht. Man kann es aber auch so darstellen: Wir wollen 1,5 Millionen bezahlbare Wir sollten uns, genauso wie um dynamisiertes Wohn- Wohnungen schaffen und brauchen dazu jedes Jahr geld und einen Zuschuss dazu, darum kümmern, dass wir 350 000 neue Wohnungen. sukzessive nicht mehr darüber reden müssen, welche Mietstufen es in Heidelberg, Weimar, Stuttgart, Berlin (Beifall bei Abgeordneten der SPD) oder wo auch immer gibt, sondern darüber, wie wir dieses Daran gemessen wird dieses Ziel verfehlt. Land so umgestaltet kriegen, dass jeder angemessenen Wohnraum findet, also den Wohnraum, den er braucht. Man könnte dann die Frage stellen: Wer baut denn da eigentlich? Man könnte sich mal den sozialen Wohnungs- Wir haben riesige Chancen beim Umbau unserer Städte bau in Baden-Württemberg oder von mir aus in Nord- und Gemeinden. Das müssen wir sowieso in nächster Zeit rhein-Westfalen angucken, wo es vor einiger Zeit einen anpacken, weil wir energetisch sanieren müssen, weil wir Regierungswechsel gab. Dann würde man sehen: Die eine Energiewende zu vollziehen haben. In diesem Zuge bauen da nicht so viel. Die könnten aber mehr machen. könnte man enorm viel machen, um jedem in Deutsch- land angemessenen Wohnraum zu verschaffen. Ich bitte (Beifall bei der SPD) Sie, auch mal darüber nachzudenken und nicht nur darü- Aber die haben alle ihren Finger nur auf uns gerichtet. ber zu reden, wie viele Empfängerhaushalte infrage kom- men. Für mich wäre es ein gutes Zeichen, wenn es in zehn Ich glaube, wir müssen uns zwei Dinge merken: Jahren deutlich weniger wären. Für mich wäre es ein noch Erstens. Wir dürfen nicht nur über Berlin – über Mie- besseres Zeichen, wenn es für die, die es sich wirklich tendeckel wie die Linken oder über Zuzugsbegrenzungen nicht leisten können, viel unbürokratischer zugehen wür- wie die CDU – reden, sondern wir müssen auch mal de. darüber nachdenken, ob die Lage etwas anders wäre, Ansonsten helfen Sie mit, dass sich in diesem Land wenn sich große Konzerne sozialer verhalten hätten, demnächst jeder den Wohnraum leisten kann, den er wenn sie sich beispielsweise an die Mietpreisbremse ge- halten hätten. Ich weiß ja, dass einige hier diese ganzen (B) braucht, und dafür braucht es deutlich mehr als nur das (D) Wohngeldstärkungsgesetz. Geschichten auch zur Feindbildpflege brauchen, Danke. (Daniel Föst [FDP]: Ja, die SPD) Herr Hemmelgarn, aus „Hemmelgarn“ wird dann immer (Beifall bei der FDP) wieder „Seemannsgarn“. (Ulli Nissen [SPD]: Herr Hemmelgarn ist gar Vizepräsident Wolfgang Kubicki: nicht mehr da!) Vielen Dank, Herr Kollege Reinhold. – Sie sind ja fast schneller als ich. Das ist ja schon hervorragend. Zweitens. Wohnungsbau ist kein Konjunkturpaket. Die Sinuskurve von Leerstand bis Knappheit sollte eigentlich Als nächster Redner hat der Kollege Bernhard in eine aufsteigende Gerade verwandelt werden. Dazu Daldrup, SPD-Fraktion, das Wort. sind kontinuierliche Investitionen nötig, damit wir eine konstante Auslastung der Bauindustrie haben. Heute wird (Beifall bei der SPD) massiv investiert. Vom kommunalen Investitionspro- gramm bis zum Klimapaket wird es massive weitere In- Bernhard Daldrup (SPD): vestitionen in Bau und Infrastruktur geben. Das wird so Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sein. beraten heute in zweiter und dritter Lesung den Entwurf Die Bauindustrie hat gute Rahmenbedingungen seitens des Wohngeldstärkungsgesetzes. Vielfach ist dazu schon des Staates. Sie wissen, dass ich hier schon öfter über Stellung genommen worden. Ferner liegen aber auch Bauüberhänge gesprochen habe. Das BMI hat mir auf noch zwei Anträge, einer der FDP und einer der Linken, Anfrage mitgeteilt: Ende 2018 gab es in Deutschland vor. Ich will zu Beginn ein paar Bemerkungen zum rund 700 000 bereits genehmigte, aber nicht fertiggestell- Wohngeld- und Mietenbericht 2018 machen. te Wohnungen. Der große Überhang liegt in diesem Fall nicht an fehlenden Grundstücken, nicht am Personal, Wir haben es hier mit deutschen Wohnungsmärkten zu nicht am Baurecht, nicht an fehlenden Mitarbeitern; die tun, die regional sehr unterschiedlich sind. Wir haben Bauwirtschaft kommt zum gegenwärtigen Zeitpunkt wachsende Städte und Regionen mit Zuwanderung und schlicht und ergreifend nicht nach. Spekulation ist übri- explodierenden Mieten. Wir haben andere Städte und gens bei dem Thema nicht ausgeschlossen. ländliche Regionen mit Leerständen, mit wirtschaftlichen Strukturproblemen; die Situation in ganz Deutschland ist Was tun wir eigentlich dagegen? Viele von Ihnen wis- sehr differenziert. sen das, deswegen kann ich das sozusagen auf ein paar Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14745

Bernhard Daldrup (A) Punkte reduzieren – auch der Staatssekretär hat das eben Wir evaluieren die Wohnungsbauprämie. Wir werden das (C) schon gesagt –: sozialer Wohnungsbau, Baukindergeld, Bau- und Bodenrecht novellieren – mit ganz unterschied- Wohngeld – das ist alles auf Rekordniveau –, die fortge- lichen Perspektiven, mit einem besseren Zugriff auf das führte Städtebauförderung; in der Summe 13 Milliarden Bodenrecht, weil das eine große soziale Frage ist, aber Euro. Das ist beachtlich viel Geld. auch mit Beschleunigungen in Genehmigungsverfahren. Mit anderen Worten: Es wird relativ viel getan, auch für Der Bund investiert 5 Milliarden Euro in den sozialen den sozialen Kontext des Bauens, beispielsweise mit der Wohnungsbau. Wir ändern das Grundgesetz mit der Fol- Städtebauförderung. ge, die eben beschrieben worden ist. Ursprünglich waren für 2020 noch 512 Millionen Euro vorgesehen. Wenn Ich habe jetzt noch gar nicht viel gesagt jetzt 1 Milliarde Euro zur Verfügung steht, dann ist das keine Kürzung, sondern eine Verdopplung des ursprün- (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ glichen Betrages – ein Betrag, den wir unmittelbar ein- DIE GRÜNEN]: Zum eigentlichen Thema!) setzen können; das muss man schlicht und ergreifend ein- zum Wohnungspaket, zum Wohngeld im Einzelnen, weil mal sehen. das schon viele andere getan haben. Für die Hinweise auf die Musterfeststellungsklage bin ich sehr dankbar. (Beifall bei der SPD – Christian Kühn [Tübin- gen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sieht Ich sage schlicht und ergreifend: Es ist ein gutes der Bauminister aber anders!) Gesetz. Es trägt eine sozialdemokratische Handschrift. Wir schaffen zusätzliche Bedingungen bei der Sonder- Es werden mehr Menschen mehr Wohngeld bekommen, AfA – das ist eben auch schon angesprochen worden –: und das ist gut. Es sind 660 000 Haushalte. Es wird eine über vier Jahre bis zu jährlich 5 Prozent der Bemessungs- Dynamisierung geben. Sie alle hätten es doch gar nicht grundlage; auch das wird helfen. für möglich gehalten, dass es so schnell kommt, setzen jetzt aber noch einen drauf mit der Forderung, dass die Beim Parlamentarischen Abend des Deutschen Mieter- Dynamisierung jährlich passieren müsse. bundes gestern ist die SPD für ihre Mietenpolitik, für ihre Vorstellungen und die Weiterentwicklung sehr gelobt Vizepräsidentin Claudia Roth: worden. Ich darf Sie an die Zeit erinnern. (Beifall bei der SPD – Ulli Nissen [SPD]: „Zu Recht, zu Recht“, kann man nur sagen!) Bernhard Daldrup (SPD): – Das meine ich auch, zu Recht; keine Frage. Ach, Entschuldigung. (B) (D) Ich glaube, die absurdeste Debatte, die man hier führen kann, ist die, die Grundsteuer und die Mietenexplosion in Vizepräsidentin Claudia Roth: einen kausalen Zusammenhang zu bringen. Das ist Ja, die Zeit ist schon lange um. schlicht und ergreifend nur Unsinn. Bernhard Daldrup (SPD): (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich habe es gar nicht gemerkt, Frau Präsidentin. Wir machen in der nächsten Zeit noch eine ganze Men- ge zum Schutz von Mieterinnen und Mietern, beispiels- Vizepräsidentin Claudia Roth: weise die Verlängerung des Betrachtungszeitraums für Sie haben es gar nicht gemerkt, schade. Aber ich er- die ortsübliche Vergleichsmiete beim Mietspiegel auf innere Sie gern. Kommen Sie zum Schluss. sechs Jahre, die Verlängerung der Geltungsdauer der Mietpreisbremse, die rückwirkende Rückzahlungspflicht bei Verstoß gegen die Mietpreisbremse, Bernhard Daldrup (SPD): Wir haben, glaube ich, ein ziemlich gutes Gesetz ge- (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ulli macht und uns sogar um Detailprobleme wie die Inseln Nissen [SPD]: Super! 30 Monate!) ohne Festlandanschluss gekümmert. Wir beschließen ein die Verschärfung des Umwandlungsverbots von Miet- gutes Gesetz für ein solidarisches Land, das wir wohnungen – die Umwandlung von Mietwohnungen in stabilisieren wollen. Ich hoffe, Sie machen mit. Eigentumswohnungen ist für Spekulanten ein Riesenge- Danke schön. schäft – und ähnliche Dinge mehr. Die Bundesregierung soll in Absprache mit den Bundesländern bis zum Ende (Beifall bei der SPD) des Jahres einen Gesetzentwurf vorlegen, der die Mög- lichkeiten zur Umwandlung von Mietwohnungen in Ei- Vizepräsidentin Claudia Roth: gentumswohnungen reduziert. Vielen Dank, Bernhard Daldrup. Wir erleichtern den Wohnungsneubau, auch den Eigen- tumserwerb. Es wird künftig für Käuferinnen und Käufer (Bernhard Daldrup [SPD]: Ich danke auch!) von Immobilien nur noch eine hälftige Beteiligung bei Ich grüße Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen. der Maklerprovision geben. Das ist auch positiv. Hören Sie auch so einen Hall? Ein Wahnsinnssound, (Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD]) oder? Das ist gottesdienstmäßig. Jetzt geht es in Würde 14746 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Vizepräsidentin Claudia Roth (A) weiter. – Das ist ja irre. Können Sie mal den Sound ein erübrigt sich dieser Mietzuschuss. Es ist allemal besser, (C) bisschen regeln? – Wow! wenn wir keinen Mietzuschuss zahlen müssen, weil die Menschen die Miete aus ihrem Lebensunterhalt bezahlen Letzter Redner in dieser hallenden Debatte: Volkmar können. Vogel für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Es ist mitnichten so, dass wir in den vergangenen Mo- naten nichts gemacht haben. Wir haben das Baukinder- Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU): geld auf den Weg gebracht. Wir haben eine Sonderab- Frau Präsidentin, wir grüßen Sie auch ganz herzlich. schreibungsmöglichkeit für den Mietwohnungsneubau Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Debatte der ver- geschaffen. Wir werden, wie im Koalitionsvertrag verein- gangenen Monate habe ich oft gehört: Wohnen, die so- bart, die Frage der Wohnungsbauprämie aufrufen. Das ziale Frage unserer Zeit. – Ich sage: Nein, das stimmt heißt unter dem Strich: Die Koalition stellt sich dieser nicht. Wohnen ist immer eine soziale Frage, nicht nur eine Aufgabe und wird auch weiter an ihr arbeiten. soziale Frage unserer Zeit, und davon haben wir uns als Union auch leiten lassen. Wir wollen mehr sozialen Wohnungsbau. Es ist Auf- gabe der Länder. Der Herr Staatssekretär hat das schon Was ist für den Menschen wichtiger als das berühmte deutlich zum Ausdruck gebracht. Wichtig ist, dass die Dach über dem Kopf oder, noch besser, sein Dach über von uns zur Verfügung gestellten Mittel durch die Länder dem Kopf, nämlich dass er in der eigenen Wohnung oder abgerufen und zweckentsprechend eingesetzt werden. In im eigenen Haus leben kann? Nicht alle können das, und diesem Fall, wenn das eintritt, werden die notwendigen nicht alle wollen das. Aber umso wichtiger ist, dass jeder Mittel an die Länder auch ausgezahlt. dieses Dach über dem Kopf hat. Wenn wir an die schweren Zeiten in Deutschland, besonders nach dem Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir hatten in Krieg, zurückdenken, stellen wir fest: Da war es nicht der Vergangenheit sehr stark die Metropolen im Blick. so; da fehlte vielen dieses Dach über dem Kopf. Wir haben die Baugesetzgebung diesbezüglich geändert, Das Problem, vor dem wir jetzt vor allen Dingen ste- die Baunutzungsverordnung überarbeitet, Wohnen und hen – das müssen wir auch mal sagen –, ist, dass jeder sein Arbeiten auch in städtischen Quartieren erleichtert, durch Dach über dem Kopf behalten kann, dass er seine Miete Abstandsregelungen Nachverdichtungen ermöglicht, da- zahlen kann, dass er seinen Verpflichtungen nachkom- mit Wohnungsneubau und Erweiterung möglich sind. men kann. Da sage ich: Das Wohngeldstärkungsgesetz ist ein gutes soziales Gesetz, an dem wir gemeinsam ge- Wir werfen unseren Blick natürlich auch in den länd- lichen Raum, in die kleinen Städte und die kleinen Ge- (B) arbeitet haben. Wir sind mit diesem Gesetz weiter auf (D) dem richtigen Weg. Es heißt ganz steril und anonym: Es meinden. Die Baulandkommission hat die wesentlichen ist eine Subjektförderung. – Wenn wir von „Subjektför- Entscheidungen getroffen, die in den nächsten Wochen derung“ reden, dann meinen wir letztendlich Menschen, und Monaten in Gesetze gekleidet werden. Wir wollen Familien, die ein Dach über dem Kopf haben und das auch in ländlichen Regionen Arbeiten und Wohnen besser auch behalten wollen. miteinander verzahnen. Wir wollen erleichtern, dass nicht mehr benötigte landwirtschaftliche Gebäude in ländli- Das Wohngeld nach dem Wohngeldstärkungsgesetz ist chen Räumen zu Wohnzwecken, aber auch zu gewerbli- sozial treffsicher, entspricht der individuellen Lebenssi- chen Zwecken umgenutzt werden können. Wir wollen tuation des Einzelnen und ist auch regional differenziert. Lückenbebauungen erleichtern, damit auch möglichst Antragsberechtigt sind Mieter – eine Vielzahl von Mie- viele junge Menschen entweder in ihre Heimat zurück- tern –, aber natürlich auch, soweit die Voraussetzungen kehren oder sie gar nicht verlassen müssen. zutreffen, Eigenheimbesitzer oder Besitzer einer Woh- nung, für den sogenannten Lastenzuschuss. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Bund und Länder stellen 2020 insgesamt 1,2 Milliarden Alles das hilft, die Metropolen zu entlasten und die Situa- Euro zur Verfügung. Das heißt, dass ein Zweipersonen- tion zu entspannen. haushalt, der bisher vielleicht im Durchschnitt 145 Euro bekommen hat, in Zukunft 190 Euro bekommt. Das hilft Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Debatte der Familienkasse, im Portemonnaie schon sehr. zum Wohngeldstärkungsgesetz – jedenfalls ist das mein Auch die Kommunen haben unter Umständen einen Resümee der jetzigen Debatte – hat gezeigt: Die Opposi- Vorteil, nämlich dann, wenn sie bei der Grundsicherung tion hat Kritik – das ist richtig –, aber kein grund- entlastet werden, weil die Zahlungsvoraussetzungen nicht sätzliches Nein zu dem, was wir hier auf den Weg brin- mehr vorliegen. Wir führen eine Dynamisierung ein, eine gen. Es ist richtig, und ich bitte, dass Sie dem zustimmen. Verstetigung der weiteren Erhöhungen. Es hilft, den sozialen Frieden in unserem Land zu erhal- ten, und es hilft vor allen Dingen, dass jeder sein Dach Aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen; damit ha- über dem Kopf behalten darf. ben wir das Problem auch noch nicht gelöst. Neben der Subjektförderung ist es wichtig, dass wir das Objekt, die Danke schön. Mietwohnung oder das Haus, weiter im Blick behalten. Da ist meiner Meinung nach das Wichtigste, dass es uns (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- gelingt, notwendigen Wohnraum zu schaffen, kosten- neten der SPD und der Abg. Corinna Rüffer günstig zu bauen, sodass es bezahlbare Mieten gibt. Dann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14747

(A) Vizepräsidentin Claudia Roth: Tagesordnungspunkt 8 c. Interfraktionell wird Über- (C) Vielen Dank, Volkmar Vogel. – Damit schließe ich die weisung der Vorlage auf Drucksache 19/11750 an die in Aussprache. der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla- gen. – Sie sind mit der Überweisung einverstanden; dann Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- verfahren wir so. desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Stärkung des Wohngeldes. Der Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadt- Zusatzpunkt 26. Abstimmung über den Antrag der entwicklung und Kommunen empfiehlt unter Buchstabe a Fraktion der FDP auf Drucksache 19/14060 mit dem Titel seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/14135, „Smart Germany – Liberales Bürgergeld einführen – Di- den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksa- gitales Antragsportal einrichten“. Wer stimmt für diesen chen 19/10816 und 19/11696 in der Ausschussfassung Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf Antrag ist abgelehnt. Zugestimmt hat die Fraktion der in der Ausschussfassung zustimmen wollen, jetzt um das FDP. Dagegengestimmt haben die Fraktionen Die Linke, Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU. Enthaltun- sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung gen gab es von der AfD. mit Zustimmung der SPD-, CDU/CSU- und AfD-Frak- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf: tion, mit keiner Gegenstimme und Enthaltung der Frak- tionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und FDP an- Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- genommen. gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Rege- lung des Sozialen Entschädigungsrechts Dritte Beratung Drucksache 19/13824 und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Überweisungsvorschlag: Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich jetzt zu erheben. – Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz- Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend entwurf ist angenommen. Zugestimmt haben die Fraktio- Ausschuss für Gesundheit nen der SPD, CDU/CSU und AfD. Enthalten haben sich Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die FDP. Aussprache 60 Minuten vorgesehen. – Dazu höre ich kei- Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/14146. Wer Ich warte noch, bis die Kolleginnen und Kollegen Platz (B) stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt genommen haben, bevor ich den ersten Redner aufrufe. (D) dagegen? – Es gibt keine Enthaltungen. Der Entschlie- ßungsantrag ist abgelehnt. Zugestimmt haben die Fraktio- Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundes- nen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Dagegenge- minister Hubertus Heil für die Bundesregierung. stimmt haben die SPD-, CDU/CSU-, FDP- und AfD- Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Uwe Schummer [CDU/CSU]) Wir setzen die Abstimmung zu der Beschlussempfeh- lung des Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtentwick- Hubertus Heil , Bundesminister für Arbeit und Sozia- lung und Kommunen auf Drucksache 19/14135 fort. Ta- les: gesordnungspunkt 8 b. Der Ausschuss empfiehlt unter Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung Damen und Herren! Wir alle wünschen uns eine Welt frei des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 19/ von Gewalt, von Terror und von Missbrauch. Wir wün- 11107 mit dem Titel „Bezahlbare Mieten sichern – Ziel- schen uns eine Welt ohne körperliche und seelische Miss- gerichtet unterstützen – Liberales Bürgergeld einführen“. handlungen, die oft die Schwächsten der Schwachen tref- Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer fen. Aber wir wissen auch, meine Damen und Herren, stimmt dagegen? – Enthaltungen gibt es keine. Die Be- dass es in unserer offenen Gesellschaft absolute Präven- schlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben tion und absolute Sicherheit nicht geben kann und nicht die Fraktionen der Linken, der SPD, der Grünen, der geben wird. CDU/CSU und der AfD. Die Gegenstimmen kamen von der FDP. Eine offene Gesellschaft ist leider immer auch ver- wundbar. Das haben wir im Dezember 2016 schmerzlich Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c erlebt bei dem furchtbaren islamistisch motivierten seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags Terroranschlag hier in Berlin auf dem Breitscheidplatz, der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/10752 mit dem und das mussten wir leider jüngst, vor einigen Tagen, Titel „Wohngeld ausweiten und die Belastung durch wieder erleben beim rechtsextrem motivierten Terroran- Wohnkosten begrenzen“. Wer stimmt für diese Beschlus- schlag am 9. Oktober in Halle. Was mich stört, meine sempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Die Beschlus- Damen und Herren, ist, dass nach Gewalttaten und nach sempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben die solchen Anschlägen in der öffentlichen Berichterstattung Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU/ und in allzu vielen Medien in unserem Land sehr, sehr CSU, FDP und AfD. Die Gegenstimmen kamen von der viel über die Täter berichtet wird, aber viel zu wenig über Fraktion Die Linken. die Opfer dieser Gewalttaten. 14748 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Bundesminister Hubertus Heil (A) (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, gänglich gemacht, ergänzt um ein individuelles Fallma- (C) der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE nagement. GRÜNEN) Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mir ist Die Opfer, die Leidtragenden, die müssen im Mittel- wichtig, dass wir mit diesem Gesetz auch die Opfer von punkt stehen. Mit diesem Gesetzentwurf zum neuen So- sexueller Gewalt in den Blick nehmen. In den letzten zialen Entschädigungsrecht stellen wir die Interessen der Jahrzehnten haben sich mehr Menschen geöffnet, und Opfer von Gewalttaten und von Kriminalität in den Mit- es gibt auch mehr öffentliche Berichterstattung über die- telpunkt. ses Thema. Das sind Menschen, die oft ein Leben lang mit seelischen und teilweise auch mit körperlichen Schäden Bislang war das Entschädigungsrecht auf die Opfer der zu kämpfen haben. Viele dieser Opfer können sich erst beiden Weltkriege konzentriert und auf deren Situation viele Jahre später öffnen und offen über das reden, was ausgerichtet. Die Regelungen für diesen Personenkreis ihnen passiert ist. Bisher war es nach geltendem Recht für ergeben sich aus dem Bundesversorgungsgesetz, das diese Frauen und Männer besonders schwierig, nachzu- aus den 1950er-Jahren stammt. Dem Ganzen liegt ein weisen, dass der Missbrauch Ursache für aktuelle und Kriegsfolgenentschädigungsgesetz aus den 50er-Jahren manchmal auch spätere psychische Erkrankungen ist. zugrunde. Das ist heute Gott sei Dank längst nicht mehr Diese Beweisführung wird mit dem Sozialen Entschädi- unsere Lebenswirklichkeit. Wir haben eine andere Le- gungsrecht künftig wesentlich einfacher. Es ist eine Frage benswirklichkeit, und genau darauf ist dieses neue Sozia- von Würde und Gerechtigkeit, dass wir Menschen, die le Entschädigungsrecht ausgerichtet. schweren Missbrauch erlebt haben, auch später noch hel- fen können und dass wir dafür sorgen, dass sie nicht Meine Damen und Herren, mit den Regelungen, die mühsam eine Beweiskette führen müssen, die sie dann wir zusammenfassen, schaffen wir im Übrigen ein neues vielleicht ein zweites Mal traumatisiert. Ich halte das Sozialgesetzbuch. Gleichzeitig ist mir aber wichtig, an für einen wesentlichen Schritt. dieser Stelle deutlich zu machen – das ist auch in den intensiven Gesprächen mit vielen Opferverbänden ein (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Thema gewesen –, dass mit dem neuen Sozialen Entschä- der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNIS- digungsrecht niemand, der nach dem bisherigen Recht SES 90/DIE GRÜNEN) Leistungen bezieht, schlechtergestellt wird. Das ist eine Es geht uns in diesem Gesetz beispielsweise auch um klare Botschaft des Vertrauensschutzes. die Frauen und Männer, die Opfer von schwerem Stalking geworden sind. Das ist ja bis vor einiger Zeit noch nicht (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie so im öffentlichen Bewusstsein gewesen. Wir haben erst bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE (B) langsam, Schritt für Schritt dafür gesorgt, dass zum Bei- (D) GRÜNEN) spiel im Strafgesetzbuch eine entsprechende Verschär- Was dieses Soziale Entschädigungsrecht allerdings fung der Regelung vorgenommen wurde. Aber auch leistet, ist, dass wir mehr Menschen erreichen und dass schweres Stalking hat für die betroffenen Menschen, für es mehr und bessere Leistungen gibt. Das ist eine wich- die Opfer, oft erhebliche psychische Folgen. Deshalb be- tige Nachricht für Menschen, die Schlimmes erlebt ha- kommen sie mit diesem Gesetzentwurf erstmals einen ben. Uns ist wichtig, dass die Opfer von Gewalttaten den gesetzlichen Anspruch auf Entschädigung. Weg zurückfinden ins Arbeitsleben, in einen geregelten Was man auch nicht vergessen darf und was uns vor Alltag und in die vollständige soziale Teilhabe am gesell- allen Dingen infolge des Berichts des früheren Opfer- schaftlichen Leben. Das ist für viele betroffene Men- beauftragten Kurt Beck nach dem furchtbaren Terroran- schen, die Opfer von Gewalttaten geworden sind, kein schlag am Breitscheidplatz beschäftigt hat, ist die Situa- einfacher Weg; das ist ein harter Weg. Aber wir sagen tion von Menschen, die zwar nicht selbst attackiert als Staat und Gesellschaft: Es darf kein einsamer Weg wurden, die aber miterleben mussten, wie andere atta- sein. Wir wollen den Menschen auf diesem Weg effektiv ckiert oder gar umgebracht wurden. Die Zeugen von Ge- helfen. Deshalb bauen wir ein Hilfesystem auf, bei dem walttaten, von Kriminalität und von Terroranschlägen mitfühlend und respektvoll mit den Opfern umgegangen sind oft auch Opfer geworden, weil sie schwer traumati- wird, das aber auch effektiv und zielgenau wirken soll. siert wurden – sie sind dem äußeren Anschein nach un- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Hermann versehrt, aber seelisch oft schwer verletzt. Auch sie wer- Gröhe [CDU/CSU]) den zukünftig einen Anspruch auf Leistungen haben, und zwar unabhängig von der bisherigen Restriktion aufgrund Deshalb ist es mir sehr wichtig, dass wir mit diesem ihrer persönlichen Vorgeschichte, aufgrund der emotiona- Gesetz beispielsweise die wertvolle Arbeit von Traum- len Nähe zu den Opfern, die körperlich attackiert wurden. aambulanzen stärken. Ich habe mir hier in Berlin ange- Auch das ist eine wesentliche Konsequenz, die Menschen guckt, was da geleistet wird. Wir können vielen Opfern helfen wird. von Gewalttaten helfen, auch die seelischen, die psychi- schen Folgen zu bewältigen, die aus Gewalttaten resul- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten tieren, indem wir sie frühzeitig an Traumaambulanzen der CDU/CSU) verweisen. Hier erhalten Opfer von Gewalttaten mit Eine weitere Lehre aus dem Anschlag auf dem Breit- psychischen und körperlichen Folgen frühzeitig Hilfe, scheidplatz ist übrigens, meine Damen und Herren, dass Beratung und Betreuung. Mit diesem Gesetz werden die künftig nicht mehr die Staatsangehörigkeit darüber ent- Leistungen der Traumaambulanzen flächendeckend zu- scheidet, welche Leistungen Menschen bekommen. Alle, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14749

Bundesminister Hubertus Heil (A) die hier in Deutschland Opfer von Gewalttaten werden, Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu (C) werden gleichbehandelt. achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staat- lichen Gewalt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE Der Staat hat also an allererster Stelle dafür zu sorgen, GRÜNEN) dass den Menschen die Würde nicht genommen wird. Seine vordringlichste Aufgabe ist, Menschen zu schützen Weil beim Anschlag auf dem Breitscheidplatz zum Bei- und Ursachen zu bekämpfen, die Menschen die Würde spiel Menschen israelischer Nationalität Opfer geworden nehmen. sind, hatten wir ganz schwierige Diskussionen über die Frage, wie es denn um deren Entschädigungsrecht und „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, so steht es das der Angehörigen bestellt ist. Das ist etwas, was mir im Grundgesetz. Die Würde ist nicht mit Geld kompen- wichtig ist: Unsere offene Gesellschaft versucht, alles zu sierbar. Und zur Würde des Menschen gehört auch, dass tun, um mit den Mitteln des Rechtsstaates, der Präven- jeder nach seinem freien Willen entscheiden darf. tion, der Polizei und der Justizbehörden Kriminalität und (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das gilt Gewalt, wo immer es geht, zu verhindern, bevor sie ent- aber für alle! – Beate Müller-Gemmeke stehen. Das ist die staatliche Verantwortung zum Schutz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das gilt für unseres Gemeinwesens. In einer offenen Gesellschaft ist alle!) dieser Schutz aber nicht immer möglich. Und wenn – wie beim Breitscheidplatz – die staatliche Schutzverantwor- Was Sie hier bei der Impfgesetzgebung machen, ist das tung eben nicht wahrgenommen werden kann, dann muss Gegenteil davon. Sie wollen auf der einen Seite eine die soziale Schutzverantwortung greifen, dann muss Op- Impfpflicht für Masern einführen, obwohl in vielen – fern, und zwar unabhängig von ihrer Nationalität, auf auch europäischen – Ländern mit Impfpflicht deutlich deutschem Boden Hilfe gewährt werden, meine Damen mehr Menschen an Masern erkranken als in Deutschland. und Herren. Auf der anderen Seite wollen Sie dann die Entschädigung für Leute verbessern, die von der Impfung Schäden da- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten vontragen. Das ist etwas, was wir von der Regierung im- der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE mer wieder sehen: Man ersetzt Freiwilligkeit durch GRÜNEN) Zwang, und für die auftretenden Schäden wird dann groß- zügig das hart verdiente Geld der Steuerzahler verteilt. Wer Opfer einer Gewalttat wird, der hat unsere Solida- rität und unser vollstes Mitgefühl verdient. Wir können Lassen Sie uns doch mal den Geist des Grundgesetzes, erlittenes Leid nicht rückgängig machen. Aber es ist un- den Geist der Würde des Menschen und der freiheitlich- (B) (D) sere Verantwortung, die Betroffenen auf ihrem demokratischen Grundordnung leben: Lassen wir jeden schwierigen Weg zu begleiten. Es geht um Licht, um frei entscheiden, ob er geimpft werden möchte oder nicht! Licht der Hoffnung da, wo es dunkel ist. Ich bitte Sie in (Dr. Matthias Bartke [SPD]: Das ist die falsche der anstehenden parlamentarischen Beratung für dieses Debatte!) wesentliche neue Recht, das neue Sozialgesetzbuch des Sozialen Entschädigungsrechts, ganz herzlich um Ihre Das wäre ein starkes Zeichen, dass der Staat die Würde Unterstützung. und Eigenverantwortung der Bürger respektiert. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Niema Movassat [DIE LINKE]: Sie sind beim falschen Thema! – Sven Lehmann [BÜND- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Die schränken Sie je- den Tag ein, die Würde des Menschen!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Aber zur Würde des Menschen gehört nicht nur die Vielen Dank, Minister Hubertus Heil. – Nächster freie Entscheidung, sondern auch die psychische wie phy- Redner: für die AfD-Fraktion Martin Sichert. sische Unversehrtheit. Und auch hier ergreifen Sie keine Maßnahmen zum Schutz der Bürger, sondern Sie kennen (Beifall bei der AfD) nur den Griff in den Geldbeutel der Steuerzahler. (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE Martin Sichert (AfD): GRÜNEN]: Ich brauche Schmerzensgeld für Meine Damen und Herren! Herr Minister Heil, Sie ha- die Rede! Wer gibt mir Schmerzensgeld für ben gerade wunderschön gesagt, dass Sie die Opfer nach diese Rede?) den Taten in den Mittelpunkt stellen. Das ist der große Terre des Femmes berichtet aktuell, dass in Deutschland Unterschied zu uns: Wir hingegen versuchen nämlich, über 70 000 Frauen genital verstümmelt sind und mehr als dafür zu sorgen, dass sie gar nicht erst zu Opfern werden. 17 600 Mädchen gefährdet sind, das gleiche Schicksal zu (Beifall bei der AfD – Sven Lehmann [BÜND- erleiden. NIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist wirklich abso- (Gabriele Katzmarek [SPD]: Jetzt kommt’s lut ekelhaft! – Peter Weiß [Emmendingen] wieder!) [CDU/CSU]: Dummes Geschwätz!) Seit Jahren steigen die Zahlen der Genitalverstümmelun- Artikel 1 des Grundgesetzes besagt: gen durch die Zuwanderung von Menschen aus archai- 14750 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Martin Sichert (A) schen Kulturkreisen. Warum schützen Sie denn diese Hören Sie auf, zu versuchen, Ihre Fehler mit dem Griff (C) Frauen nicht? Und was ist mit der Würde von Hundert- zum Scheckbuch zu vertuschen, sondern handeln Sie end- tausenden jungen Frauen in Deutschland, die nicht frei lich, um die Würde der Schwächsten in dieser Gesell- sind in der Wahl ihres Ehepartners, weil sie aus Kulturen schaft zu schützen! kommen, in denen sie zwangsverheiratet werden oder mit dem Tod bedroht werden, wenn sie jemanden aus einer (Beifall bei der AfD – Peter Weiß [Emmendin- anderen Kultur heiraten? gen] [CDU/CSU]: Das ist so dreckig, was Sie hier machen! So richtig dreckig! – Zuruf: Un- (Beifall bei der AfD – Dr. Matthias Bartke glaublich! – Weitere Zurufe von der CDU/ [SPD]: Das ist unglaublich! – Niema Movassat CSU, der SPD und der LINKEN) [DIE LINKE]: Erzählen Sie auch was zum The- Sie schreiben in Ihrem Gesetzentwurf – der Minister ma? – Weitere Zurufe von der SPD und der hat es ja auch angesprochen –, dass das Gesetz eine Folge LINKEN) der Auswirkungen des verheerenden Terroranschlags Das alles sind Opfer von sexueller Gewalt in Deutsch- vom Breitscheidplatz ist. Wir sind hier aber nicht im Na- land. Warum treten Sie denn Artikel 1 mit Füßen, wenn es hen Osten, wo man mit Blutgeld selbst Morde sühnen um die Würde dieser Mädchen und dieser jungen Frauen kann. in Deutschland geht? (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: (Beifall bei der AfD – Niema Movassat [DIE Frau Präsidentin, das verdient einen Ordnungs- LINKE]: Sie treten doch jeden Tag Artikel 1 ruf! – Zuruf des Abg. Sven Lehmann [BÜND- mit Füßen! – Weitere Zurufe von der SPD NIS 90/DIE GRÜNEN]) und der LINKEN) Den Angehörigen der Opfer im Nachhinein Geld und Nach zwei Jahren Bundestag weiß ich, warum Sie sich Unterstützung zukommen zu lassen, mag kurzfristig hier so aufregen manche besänftigen, macht die Taten aber nicht unge- schehen und löst auch keine Probleme. Wir brauchen hier (Dr. Matthias Bartke [SPD]: Ja, weil Sie wieder kein Blutgeldgesetz, sondern eine Bekämpfung von Ur- voll am Thema vorbeireden!) sachen! und warum Sie diese Mädchen und Frauen nicht (Beifall bei der AfD – Zurufe von der CDU/ schützen. Sie müssten nämlich zugeben, dass Multikulti CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜND- gescheitert ist; NIS 90/DIE GRÜNEN: Pfui! – Frank Heinrich (B) (Beifall bei der AfD – Niema Movassat [DIE [Chemnitz] [CDU/CSU]: Unerträglich! – Peter (D) LINKE]: Sie reden überhaupt nicht über das Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das müs- Thema! – Weitere Zurufe von der LINKEN sen wir uns nicht gefallen lassen! Das verdient und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) einen Ordnungsruf!) denn der einzige Weg, diese Frauen und Mädchen zu – Ja, ja, regen Sie sich alle nur auf. – Dieser Gesetzent- schützen, ist, dass eine gleichberechtigte freiheitliche wurf zeigt Ihre Hilflosigkeit und ist letztlich nichts ande- Leitkultur in unserem Land etabliert wird res als die Bankrotterklärung Ihrer Politik der inneren Sicherheit. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sie verhöhnen die Opfer von Gewalt!) (Beifall bei der AfD – Niema Movassat [DIE LINKE]: Sie sind doch bankrott im Kopf!) und sich nicht jeder Zugereiste aufführen kann wie in seinem Heimatland. Um die Ursachen des Terrors zu bekämpfen, bräuchten wir einen klaren Kampf gegen Extremismus jeder Art, (Beifall des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD]) aber darin versagen Sie kläglich. Aber statt dass Sie Verantwortung übernehmen, ma- (Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE chen Sie alles noch schlimmer: Sie schaffen einen wei- GRÜNEN]: Widerlich!) teren Anreiz, die Würde dieser Frauen mit Füßen zu tre- ten, SPD, Grüne und Linke suchen den Schulterschluss mit Rechtsextremisten, (Niema Movassat [DIE LINKE]: Indem Sie nicht über das Thema reden, verhöhnen Sie (Zurufe von der LINKEN: Was?) die Opfer! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LIN- solange die Rechtsextremisten nicht Deutsche, sondern KE]: Die Würde des Menschen ist unantast- Türken sind. bar!) (Niema Movassat [DIE LINKE]: Sie sind doch indem Sie mit Ihrem hier vorgelegten Gesetzentwurf die die Nazipartei hier im Bundestag! – Weiterer Genitalverstümmelung mit einem finanziellen Anreiz Zuruf von der LINKEN: Lügner!) von 400 Euro monatlich versehen. Am Tag der Deutschen Einheit waren Vertreter Ihrer (Zurufe von der LINKEN: Pfui! – Ute Vogt drei Parteien bei einer Veranstaltung, die nicht nur von [SPD]: Schämen Sie sich! – Niema Movassat einer, sondern gleich von vier nationalistisch-islamistisch [DIE LINKE]: Unerträglich!) gesinnten Organisationen, darunter der bekanntesten Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14751

Martin Sichert (A) rechtsextremen türkischen Gruppe, den Grauen Wölfen, Abg. Norbert Kleinwächter [AfD]: Ihre Politik (C) ausgerichtet wurde. Sie hofieren nicht nur Linksextremis- reicht langsam! Er hat doch recht! – Zuruf von ten, sondern auch Rechtsextremisten und Islamisten. der CDU/CSU: Ihre Rede ist eine Schande! – Weitere Zurufe von der AfD und vom BÜND- (Norbert Kleinwächter [AfD]: Pfui! – Sylvia NIS 90/DIE GRÜNEN) Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie lassen wir auch noch zu! – Zuruf von der Wissen Sie, was Linksextremisten, Rechtsextremisten, SPD: Sie sind Rechtsextremisten!) Islamisten und die Bundesregierung gemeinsam haben? Die Befeuerung des Antisemitismus und des Kampfes Und dann bezeichnen Sie sich immer wieder als demo- gegen Israel. Reden wir doch mal Klartext: Wenn Sie kratische Fraktionen. Was für ein Hohn, was für ein Witz. Antisemitismus nicht propagandistisch ausschlachten (Beifall bei der AfD) können, stören Sie sich doch überhaupt nicht daran. Ein Abgeordneter der Linken, Harald Weinberg, hat (Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- den Anschlag von Ansbach mit 15 Verletzten und einem NEN]: Wie lange können acht Minuten sein?) Toten mitermöglicht, Ganz im Gegenteil: Bei den Vereinten Nationen stimmen (Gabriele Katzmarek [SPD]: Jetzt aber!) Sie ständig der Verurteilung Israels zu indem er sich im Vorfeld tatkräftig dafür einsetzte, dass (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Zum der Attentäter im Land bleiben darf. Thema haben Sie nichts zu sagen!) Die Bundesregierung sorgt für ein Klima des Terrors und befeuern so auch den Antisemitismus in Deutsch- zwischen Kurden und Türken auf deutschen Straßen, in- land. dem sie sich gegen ein Waffenembargo einsetzt (Zurufe von der CDU/CSU) (Zurufe von der LINKEN) Erst vorgestern konnten wir wieder sehen, dass die Bun- und sich damit eindeutig auf die Seite des Islamisten desregierung im Gegensatz zu vielen anderen Staaten Erdogan schlägt. In DITIB-Moscheen in Deutschland nicht mal in der Lage ist, Jerusalem als Hauptstadt Israels predigt man für einen Sieg des Bündnisses aus türkischer anzuerkennen. Armee und Islamisten des IS, (Beifall bei der AfD) (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Kritisieren wir hier alle!) Stattdessen paktieren Sie ständig mit arabischen Staaten bei der UN gegen Israel, (B) und die Bundesregierung schaut tatenlos zu. (D) (Zurufe der Abg. Matthias W. Birkwald [DIE 74 Genozide gab es an den Jesiden. 74 Völkermorde. LINKE] – und Dr. Wolfgang Strengmann- Ähnlich wie die Juden sind sie eine quer durch die Ge- Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) schichte immer wieder massakrierte Bevölkerungsgrup- pe. Wissen Sie, wer die Einzigen waren, die versucht mit Staaten, die am liebsten heute statt morgen einen haben, erneuten Holocaust an den Juden vollbringen und Israel auslöschen würden. (Niema Movassat [DIE LINKE]: Sie wollen denen doch nicht mal helfen! Sie wollen doch (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nicht mal, dass die aufgenommen werden in NEN]: Was hat man Ihnen in den Tee getan! – Deutschland! Sie wehren sich doch! Sie wollen Zuruf von der CDU/CSU: Zum Thema!) die doch abschieben!) Statt Ihre Politik zu ändern, legen Sie hier einen Entwurf die Jesiden beim letzten Völkermord vor den Islamisten vor, mit dem Sie den Opfern von Gewalttaten, die durch zu schützen? Wissen Sie, wer es war? Das waren die von Ihre Politik verursacht werden, schneller Geld zukommen Erdogan bekämpften Kurden von YPG und PKK. lassen. (Ute Vogt [SPD]: Wie krank muss man sein, um (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Zum so was zu erzählen?) Thema!) Und Sie von der Bundesregierung stehen auf der Seite der Was Deutschland aber wirklich brauchen würde, ist ein Islamisten Erdogans und des „Islamischen Staates“. Wechsel in der Politik. (Niema Movassat [DIE LINKE]: Sie wollen die (Niema Movassat [DIE LINKE]: Ihre Partei Opfer von Erdogan abschieben! – Zuruf vom setzt doch antisemitische Tweets ab!) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt Jede Moschee, in der für einen Sieg Erdogans gebetet doch gar nicht!) wurde, gehört geschlossen, und jedem, der da gebetet hat, Sie sind die Unterstützer von Völkermördern! Schlimmer ein Freiflugschein in die Türkei geschenkt. Wir müssen kann man die deutsche Geschichte kaum mit Füßen tre- uns klar gegen den Antisemitismus und den Kampf gegen ten. Israel stellen; (Beifall bei der AfD – Zuruf von der CDU/ (Niema Movassat [DIE LINKE]: Ja, auch in CSU: Es reicht jetzt langsam! – Gegenruf des Ihrer Partei!) 14752 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Martin Sichert (A) denn das ist die Klammer, die alle Extremisten vereint. Vizepräsidentin Claudia Roth: (C) Hubertus Heil hat das Wort zu einer Kurzintervention. (Beifall bei der AfD – Zuruf von der CDU/ CSU: Schämen Sie sich! – Zuruf von der SPD: Schande!) Hubertus Heil (Peine) (SPD): Und dass Sie von der Linken hier deswegen so rum- Sehr geehrter Herr Kollege! Ich stelle fest, dass Sie schreien, zum Gesetzentwurf an sich, in dem es ja um die Frage (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- geht, wie wir Opfern von Gewalttaten besser helfen, NEN]: Sie schreien hier rum! – Niema nichts gesagt haben, dass Sie meiner Rede offensichtlich Movassat [DIE LINKE]: Weil Sie widerlich auch nicht zugehört haben, in der ich deutlich gemacht sind!) habe, dass es eine staatliche Verpflichtung ist, alles zu tun, wo immer es geht, um Menschen vor Gewalt und Krimi- zeigt, dass das wirklich die vereinende Klammer für alle nalität zu schützen. Ich habe auch darauf hingewiesen, Extremisten ist. dass es in einer offenen Gesellschaft, in einer nicht tota- Lassen Sie uns gemeinsam zu Israel bekennen, der ein- litären Gesellschaft keine absolute Sicherheit gibt. zigen funktionierenden Demokratie im Nahen Osten. Lassen Sie uns dieses Bekenntnis zu Israel ablegen, um Wenn Sie mal in Israel waren – ich weiß nicht, ob Sie je jedem Rechtsextremisten, jedem Islamisten und jedem im Leben in Israel waren – und dort mit staatlichen Stel- Linksextremisten die Zornesröte ins Gesicht zu treiben len geredet haben – es gibt einen großen Sicherheitsappa- und klarzumachen: Nie wieder Antisemitismus, keinen rat in dieser Demokratie; sie versuchen, sich gegen Ge- Rechtsextremismus, keinen Linksextremismus, walt und Terror zu wehren, sie mussten aber eben auch ein soziales Entschädigungsrecht entwickeln, weil Menschen (Zurufe von der LINKEN) auch in dieser Gesellschaft Opfer von Anschlägen gewor- keinen Islamismus auf deutschem Boden! den sind –, dann wissen Sie, wie wichtig das ist. (Beifall bei der AfD – Niema Movassat [DIE Aber eines will ich Ihnen ins Stammbuch schreiben: LINKE]: Faschismus!) Sie haben heute nichts zum Thema gesagt; Ihre Beispiele sind ja immer sehr einschlägig, zum Beispiel die Opfer Das ist die Politik im Sinne der Opfer. von rechtsextremistischem Terror, Frauen, die von Skin- (Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- heads geschlagen wurden und Ähnliches. Sie haben viel- NEN]: Pfui! Hetzer! – Weitere Zurufe vom mehr versucht, diese Debatte zu missbrauchen für Ihre (B) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Agitation. Dazu kann ich Ihnen nur ein Zitat von Kurt (D) Schumacher aus dem Jahre 1932 in diesem Haus nennen. Wissen Sie, wie er Nationalismus wie Ihre Reden genannt Vizepräsidentin Claudia Roth: hat? Die Mobilisierung des menschlichen Schweine- Die Redefreiheit in unserem Haus ist eine großartige hunds. – Ich finde, das haben Sie mit dem Begriff „Blut- Freiheit und Errungenschaft und von allergrößter Bedeu- geld“ zum Ausdruck gebracht. Sie sollten sich schämen tung in einer Demokratie. Aber diese Rede hat in hohem für diese Rede. Maße die Grenze des politischen Anstands überschritten. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) GRÜNEN – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Ekelhaft! – Peter Weiß [Emmendingen] Sie sollten sich dafür schämen, dass Sie kein Wort des [CDU/CSU]: Pfui! Ekelhaft!) Mitgefühls mit Menschen, die Opfer sind, gesagt haben. Ein Gesetz, das jetzt vorgelegt worden ist, über das sich Sie haben nicht gesagt, wie man Opfern hilft. Stattdessen vortrefflich der politische Streit darüber anbietet, wie haben Sie die Opfer von Gewalttaten für Ihre nationali- man es am besten gestalten kann, als „Blutgeldgesetz“ stische Hetze in diesem Haus missbraucht. Dafür sollten zu beschreiben, ist in hohem Maße – in hohem Maße! – Sie sich schämen und entschuldigen, mein Herr. Das zu rügen. wollte ich Ihnen sagen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) GRÜNEN) Deshalb bekommt jetzt Hubertus Heil das Wort zu ei- ner Kurzintervention. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Sichert, Sie können antworten. Hubertus Heil (Peine) (SPD): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Kollege! (Zuruf von der CDU/CSU: Besser nicht! – Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD] nimmt wieder (Zuruf von der CDU/CSU, an die AfD ge- Platz) wandt: Unfassbar sind Sie! – Gegenruf des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD]) – Er kann, wenn er will. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14753

(A) Martin Sichert (AfD): mehreren Identitäten den eigenen Aufenthalt zu ver- (C) Herr Heil, ich würde mich freuen, wenn Sie auch auf- schleiern, usw. stehen würden, um mir zuzuhören. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vizepräsidentin Claudia Roth: Die Zeit ist um, Herr Sichert. Bei einer Kurzintervention kann er entscheiden, ob er stehen bleibt oder nicht. Martin Sichert (AfD): Das wäre eine wirklich sinnvolle Politik - Martin Sichert (AfD): Gut. – Sie haben mir tatsächlich auch nicht richtig zu- Vizepräsidentin Claudia Roth: gehört; Die Zeit ist vorbei. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das war auch schwer zu ertragen!) Martin Sichert (AfD): denn ich habe diverse Problembereiche angesprochen, in – im Sinne der Opfer. denen Sie neue Problemfälle schaffen, beispielsweise bei (Beifall bei der AfD – Dr. Wolfgang den genitalverstümmelten Frauen, bei den Mädchen, die Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- in Deutschland von Genitalverstümmelungen bedroht NEN]: Widerlich! – Dr. Kirsten Tackmann sind. [DIE LINKE]: Sehr peinlich!) (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts verstanden! – Markus Vizepräsidentin Claudia Roth: Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts Wir kommen jetzt zur Debatte. Das Wort hat Peter kapiert!) Aumer für die CDU/CSU-Fraktion. Es ist nicht unsere vordringlichste Aufgabe, mit dem (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Geldbeutel rumzulaufen und Leuten Geld zu geben, die sowie des Abg. Dr. Matthias Bartke [SPD]) Opfer geworden sind. Natürlich gehört auch das zu einer staatlichen Aufgabe. Aber die vordringlichste Aufgabe Peter Aumer (CDU/CSU): des Staates ist, dafür zu sorgen, dass Menschen überhaupt nicht erst Opfer werden. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und (B) Kollegen! Eigentlich könnte man sich jetzt alles Aufge- (D) (Zurufe von der LINKEN) schriebene sparen; denn das, was wir gerade erlebt haben, war bar jeden Anstands. Das muss angegangen werden. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, (Beifall bei der AfD) der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE Das heißt, wir müssen uns klar positionieren. Wir müs- GRÜNEN) sen klar gegen Parallelgesellschaften einschreiten, in de- Herr Sichert und liebe Kolleginnen und Kollegen der nen Frauen zwangsverheiratet, vergewaltigt und geschla- AfD, gen werden. (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Die sind (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nicht lieb! Die sind widerlich!) NEN]: Und gegen nationalistische Hetze!) Sie haben weder das Opferentschädigungsgesetz verstan- Wir müssen uns klar positionieren; denn es sind Hundert- den noch das Grundgesetz. tausende Fälle von sexualisierter Gewalt in diesem Land. Wir müssen uns positionieren gegen Zehntausende Fälle (Zuruf von der CDU/CSU: Nichts haben die von Genitalverstümmelungen. verstanden!) (Zurufe von der LINKEN) Herr Sichert, wenn Sie die Worte „Würde des Menschen“ in den Mund nehmen und mit dieser Rede die Würde der Wir müssen uns auch positionieren gegen den Terror, der Opfer mit Füßen treten, dann ist das ein Akt in diesem Europa seit etlichen Jahren erfasst hat, und die Ursachen Hause, der den Menschen, die ihr Leben für unseren Staat dieses Terrors bekämpfen. gelassen haben, nicht gerecht wird. (Manfred Behrens [Börde] [CDU/CSU]: Es (Jan Ralf Nolte [AfD]: Billige Floskeln, wenn heißt Kurzintervention! Jetzt ist gut!) man Sie kritisiert! – Dr. Franziska Brantner Wenn man aus dem Anschlag am Breitscheidplatz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Jetzt lernt, dass man den Opfern schneller Leistungen zur Ver- halten Sie endlich den Mund da drüben! – Peter fügung stellen muss, dann ist das eine Konsequenz. Die Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Ekelhaft! – sinnvollere Konsequenz wäre aber, zu sagen: Wir wollen Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt zeigen dafür sorgen, dass es nicht mehr möglich ist, wie Anis Sie endlich Ihr wahres Gesicht! – Carsten Amri, als jemand, der ausreisepflichtig ist, monatelang in Schneider [Erfurt] [SPD]: Es ist so ekelhaft, Deutschland zu bleiben, dass es nicht möglich ist, mit was Sie machen!) 14754 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Peter Aumer (A) – Das war keine Kritik. Das war Ihr Umgang mit Men- setzentwurf vorzulegen, den wahrscheinlich nur die AfD (C) schen, die ihr Leben für unseren Staat gelassen haben. Sie in dieser Form kritisieren wird. als Polizist sollten wissen, wie es ist, wenn Menschen für den Staat ihr Leben lassen, Unsere Aufgabe wird es sein, dieses Gesetz in den nächsten Wochen noch ein klein wenig besser zu machen, (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Nicht nämlich in den Gesprächen mit den Bundesländern oder aufgepasst in der Ausbildung!) wenn es um das Thema des sexuellen Missbrauchs geht. Hier kann man die eine oder andere Regelung vielleicht wenn der Staat es nicht schützen konnte. Darüber reden noch ein klein wenig verstärken. Vielleicht schaffen wir wir. Mit diesem Gesetz sollen Menschen, die den Schutz es auch, das Gesetz schneller einzuführen, als das bisher des Staates nicht genießen konnten, eine Entschädigung geplant ist. bekommen. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Klar, unsere Aufgabe muss zuallererst sein, Anschläge Kolleginnen und Kollegen, der Grundgedanke ist der zu verhindern. Wenn uns das aber trotz aller Maßnahmen Respekt vor den Opfern, die eine Gewalttat erlitten ha- nicht gelingt, dann muss man den betroffenen Menschen ben. Sie müssen weiterhin vor allem das Vertrauen in und den Angehörigen von Opfern die notwendige staat- unseren Rechtsstaat behalten. Deswegen ist der Entwurf liche Unterstützung geben, damit sie weiterhin gut in un- dieses neuen Sozialgesetzbuches, den wir heute auf den serem Land leben können. Weg bringen und in den nächsten Wochen beraten wer- den, ein Meilenstein – ein Meilenstein, getragen von Ver- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) trauen und Respekt. Beides müssen wir, wie ich glaube, Dieser Aufgabe, meine sehr geehrten Damen und Herren, gemeinsam hier in diesem Hohen Hause stärken. ist die Bundesregierung mit der Vorlage dieses neuen An die AfD kann ich nur appellieren: Machen Sie so Sozialgesetzbuches vorbildlich nachgekommen. Ein sol- etwas nicht mehr. ches Sozialgesetzbuch gibt es so nirgendwo sonst in Eu- ropa. Wenn Sie das mit Ihrer Tirade an Hass überschüt- (Gabriele Katzmarek [SPD]: Das hilft nichts!) ten – ich weiß nicht, wie man das sonst bezeichnen kann –, dann ist das wirklich erbärmlich, und damit wer- Das ist nicht nur Populismus, das ist ein Zeichen von den Sie, wie gesagt, den Menschen auch nicht gerecht. Respektlosigkeit, von menschenverachtendem Vorgehen, Wir wollen eine optimale Entschädigung erreichen. (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE Betroffene Menschen haben uns gesagt, dass das bisher GRÜNEN]: Menschenverachtend!) nicht funktioniert. Es gibt einen offenen Brief der Opfer nicht nur, Herr Sichert, dass Sie das gesagt haben, auch (B) vom Breitscheidplatz an die Bundeskanzlerin, in dem sie dass Ihre Fraktion, lieber Herr Gauland, in dieser Inten- (D) darum bitten, dass ein besseres, ein optimiertes Gesetz sität geklatscht hat. Ich hoffe, Sie verstehen, was dieses erarbeitet wird. Wenn man nach Halle schaut, so muss Gesetz tut. Lesen Sie es einfach einmal durch, sprechen man feststellen, dass auch dort Menschen ihr Leben las- Sie mit den Opferverbänden, sprechen Sie mit den Op- sen mussten, dass es auch dort Opfer gab. Um sie und die fern. Dann wird eine nächste Debatte in dieser Art und Angehörigen müssen wir uns kümmern. Sie sprachen hier Weise nicht mehr funktionieren. von Genitalverstümmelung und sonstigen Dingen, das betrifft aber nur einen kleinen Ausschnitt dieses Gesetz- Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. entwurfes. Sie haben ihn, Herr Sichert, wahrscheinlich (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- nicht einmal gelesen. Das ist wirklich ein trauriger Part. neten der SPD, der FDP und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN) (Martin Sichert [AfD]: 80 000 Betroffene sind kein kleiner Part!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind auf Vielen Dank, Peter Aumer. – Nächster Redner: für die die Forderungen der Opfer vom Breitscheidplatz einge- FDP-Fraktion Jens Beeck. gangen. In diesem Gesetz wollen wir nicht nur Regelun- gen für die Opfer, sondern auch für die Hinterbliebenen (Beifall bei der FDP) finden. Die Opfer vom Breitscheidplatz haben ihren Brief mit dem Titel „Eine Frage des Respekts“ überschrieben. Jens Beeck (FDP): Ich glaube, dass wir mit dem neuen Sozialgesetzbuch den Hochverehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Opfern diesen Respekt entgegengebracht haben, Kollegen des Deutschen Bundestages, die sich an der Beratung dieses Gesetzentwurfes beteiligen! Man kann (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) das, was Sie gerade hier getan haben, Herr Sichert, ins- und zwar in vielerlei Ausgestaltung: mit besseren Ent- besondere dann, wenn man häufiger das zweifelhafte Pri- schädigungsleistungen, mit besseren Pflegeleistungen, vileg hat, nach Ihnen reden zu müssen, eigentlich kaum mit besseren Maßnahmen zur Schnellversorgung, mit fassen. Sie sprechen von der Gewalt gegen Menschen in Traumaambulanzen; der Minister hat das eben aufge- ganz unterschiedlichen Situationen. Wir befassen uns führt. All dies ist dem Respekt vor den Opfern geschuldet. heute mit einem Gesetz, das unsere Soldaten im Einsatz Wir haben es sehr schnell geschafft – es hätte natürlich für unser Land schützen soll, Kinder und Jugendliche, die schneller gehen können, aber das ist der einzige Kritik- sexuellen Missbrauch erlitten haben, Opfer von Terror punkt –, gemeinsam mit den Opferverbänden einen Ge- und anderem mehr. Sie nehmen das Wort „Würde“ in Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14755

Jens Beeck (A) den Mund und halten eine solche Rede in diesem Haus. auf die Synagoge in Halle verübt. Ein Neonazi tötete zwei (C) Sie begreifen gar nicht, dass das, was Sie hier machen, unschuldige Menschen. Und auch das zeigt: Es ist höchs- auch schon Gewalt ist. te Zeit, dass wir hier im Bundestag über ein besseres Entschädigungsrecht für die Opfer von Gewalt sprechen. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, Wir sollten gründlich, aber zügig beraten, damit wir wirk- der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE lich alle gemeinsam – bis auf die rechte Seite hier – Hilfe GRÜNEN) leisten können. In Ihrer Rede benutzen Sie die von der Präsidentin zu (Beifall bei der LINKEN) Recht gerügte Formulierung des „Blutgeldes“ und spre- chen danach von der Würde der Opfer. Es müsste selbst Apropos zügig: Schon im Koalitionsvertrag von 2013 Ihnen auffallen, wie erbärmlich das ist. stand, dass das Recht der Sozialen Entschädigung und der Opferentschädigung neu zu regeln sei. Sechs Jahre (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, Wartezeit, das ist eine lange Zeit für die Opfer, und wir der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE sollten sie nicht verlängern. GRÜNEN) Wir erleben hier leider ein weiteres Mal, dass Sie keine (Beifall bei der LINKEN) Idee davon haben, wie man Sozialpolitik eigentlich be- Die Bundesregierung sagt, seit 1990 seien 84 Men- treibt, wie man in der Sozialpolitik empathisch vorgeht schen von Rechtsextremen getötet worden. Die Ama- und wie man mit der Verantwortung, die jeder Abgeord- deu-Antonio-Stiftung allerdings sagt uns, dass 198 Men- nete dieses Hauses hoffentlich für sich empfindet, eigent- schen durch rechte Gewalt zu Tode gekommen sind. Ich lich umgeht. Sie paaren das mit einer moralischen Er- finde, diese Diskrepanz in den Zahlen zeigt: Bundesre- bärmlichkeit, und so bleibt nichts übrig als Hetze und gierung, Landesregierungen und Justiz dürfen nicht auf Hass. dem rechten Auge blind sein. Wenn wir wirklich effektiv rechten Terror bekämpfen wollen, dann müssen wir auch (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, rechtsradikale Strukturen bei Polizei, Bundeswehr und der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE Geheimdiensten aufdecken und endgültig auflösen. GRÜNEN) Ich kann Ihnen sagen, dass sich der ganze Rest des Hau- (Beifall bei der LINKEN) ses – Gott sei Dank – nicht beteiligt. Doch es geht in diesem Gesetzentwurf nicht nur um Opfer rechter Gewalt, es geht um alle Gewaltopfer. Wir Ich will meine Rede nun kurz halten und will Ihnen, wissen aus den Konsultationen mit den Ländern, dass die (B) Herr Bundesminister Heil, will Ihnen, Frau Staatssekretä- Zahl der Menschen, die sich überhaupt in den Behörden- (D) rin Griese, ausdrücklich anbieten, dass sich die Fraktion dschungel begeben, relativ klein ist. Ich bewundere auf- der Freien Demokraten konstruktiv bei den kommenden richtig die Menschen, die die Kraft und die Zähigkeit Anhörungen, bei den weiteren Beratungen zu diesem aufbringen, ihr Recht durchzusetzen; denn leider haben Gesetz beteiligt in dem Einvernehmen mit fast allen Frak- viele Gewaltopfer größte Schwierigkeiten, eine staatliche tionen in diesem Hause, um am Ende das zu erreichen, Entschädigung zu erhalten. Deswegen möchte ich einige was wir alle wollen, nämlich den Menschen, die aus die- Probleme aus dem vorgelegten Gesetzentwurf aufgreifen. sen unterschiedlichen Gründen massiv betroffen sind, das Wir können ja in den Ausschussberatungen alle gemein- Maximum an staatlicher Hilfe zu gewähren. Dass wir das sam an der Verbesserung arbeiten. sicherstellen, daran werden wir mitwirken. Insbesondere Menschen, die als Kinder und Jugend- Es gibt eine Reihe von Fragen, auf die jetzt noch ein- liche Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind, zugehen sich eigentlich nicht mehr anbietet. Diese Fragen scheitern oft an den hohen Anforderungen der Behörden. werden wir in den kommenden Debatten erörtern. An- In den Stellungnahmen zu diesem Gesetzentwurf gab es sonsten wünsche ich mir sehr, dass wir dabei den Erfolg im Vorfeld heftige Kritik am geplanten Umgang mit Op- haben, den sich andere offensichtlich nicht einmal wün- fern häuslicher Gewalt. So sollten Frauen, die bei ihren schen. gewalttätigen Partnern bleiben, nicht entschädigt werden. Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Aber wir wissen doch alle, wie kompliziert es für Be- troffene von häuslicher Gewalt aufgrund fortgesetzter (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, Demütigungen und körperlicher Angriffe häufig ist, wie der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE verunsichert sie in ihrem Selbstwertgefühl sind, welche GRÜNEN) Furcht sie haben, wie es ihnen an Selbstvertrauen man- gelt. Also müssen wir doch dazu beitragen, dass diese Vizepräsidentin Claudia Roth: Frauen, die außerstande sind, sich früh von dem Täter Vielen Dank, Jens Beeck. – Nächste Rednerin: für die zu trennen, von uns allen unterstützt werden. Fraktion Die Linke Dr. Gesine Lötzsch. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordne- (Beifall bei der LINKEN) ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) In dem vorliegenden Entwurf steht, dass auch Betroffene Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): von häuslicher Gewalt nicht mehr grundsätzlich von Leis- Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und tungen ausgeschlossen sein sollen, wenn sie sich nicht Herren! Vor einer Woche wurde ein brutaler Terrorangriff trennen. Auch die Pflicht zur Strafanzeige wurde gestri- 14756 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Dr. Gesine Lötzsch (A) chen. Das sollten wir unbedingt beibehalten. Denn das ist (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (C) eine Verbesserung. Sven Lehmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es gibt allerdings auch Verschlechterungen im Ver- Frau Präsidentin! Ich möchte allen Kolleginnen und gleich zum bisherigen Recht. In Kapitel zehn wurde, zu- Kollegen der demokratischen Fraktionen für ihre Reak- mindest im Entwurf, ein ganz erheblicher Eingriff vorge- tion auf die Rede von Herrn Sichert danken. Ich hoffe legt, und zwar sollen Gewaltopfer nur dann einen sehr, dass sehr, sehr viele Menschen diese Rede gehört Ausgleich für Einkommensverluste erhalten, wenn sie haben, damit sie sehen, wie egal Ihnen die Opfer von vorher bereits ein Einkommen erzielt haben. Das ist kom- Gewalt sind, wie sehr Sie die Opfer von Gewalt verhöh- pliziert, insbesondere für Betroffene von Menschenhan- nen und wie sehr Sie insgesamt Menschen verhöhnen. Sie del, von Zwangsarbeit oder Zwangsprostitution, aber sollten sich schämen. auch für Menschen, die aufgrund von Arbeitslosigkeit, wegen Erwerbsunfähigkeit, Behinderung oder wegen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, fehlender Arbeitserlaubnis vor der Tat kein angemessenes bei der CDU/CSU und der LINKEN sowie Einkommen erzielt haben. Wir wollen nicht, dass sie bei Abgeordneten der SPD und der FDP) schlechtergestellt werden. Wir wollen ihnen Chancen für den weiteren Lebensweg geben. Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, wir Grünen begrüßen es ausdrücklich, dass (Beifall bei der LINKEN) die Bundesregierung jetzt endlich eine Reform der Opfer- entschädigung auf den Weg bringt und die bisherigen Ich möchte einen weiteren Kritikpunkt aus den schon Einzelgesetze in einem neuen SGB XIV neu regelt. Dafür an uns eingesandten Stellungnahmen aufgreifen. Opfer vielen Dank. von Gewalt, die von Polizisten oder anderen Amtsträgern geschädigt worden sind, sollen – so sieht es der Entwurf In unserem Staatsverständnis ist die Opferentschädi- vor – schlechtergestellt werden als Berechtigte, die von gung absolut zentral. Wenn der Staat seiner Pflicht zum einer Privatperson geschädigt wurden. Ich finde, das ist Schutz der Bürgerinnen und Bürger nicht nachgekommen nicht hinnehmbar. ist, trägt er eine besondere Verantwortung für die Betrof- fenen. Er muss sich in angemessener Weise um die Opfer (Beifall bei der LINKEN) kümmern, eine bestmögliche Rehabilitierung und Heilbe- Diese Regelung hat gerade in Anbetracht des umfassen- handlung ermöglichen sowie die wirtschaftlichen und ge- den staatlichen Versagens bei der Aufklärung der Mords- sundheitlichen Folgen entschädigen. erie des sogenannten NSU einen mehr als bitteren Beige- Eine der dunkelsten Taten, die man sich überhaupt vor- (B) schmack. stellen kann, ist sexueller Missbrauch. Der Runde Tisch (D) „Sexueller Kindesmissbrauch“ forderte bereits im Jahr Von Vorrednern ist bereits erwähnt worden, dass der 2011 eine umfassende Reform der Opferentschädigung. Gesetzesentwurf mehrere Verbesserungen enthält, die Ich möchte an dieser Stelle von einem Fall berichten, der von Verbänden lange gefordert worden sind. Dazu gehö- uns, glaube ich, viel darüber sagt, was in der Opferent- ren die Einbeziehung psychischer Gewalt und die Etab- schädigung künftig anders und besser werden muss. lierung von Traumaambulanzen für schnelle psychothe- Georgia Schmidt-Lendner erzählte Anfang des Jahres rapeutische Unterstützung. Auch die deutlich erhöhten dem „Spiegel“ ihre Geschichte. Sie wurde als Kind und monatlichen Zahlungen für Geschädigte und die vollstän- Jugendliche missbraucht und versuchte als 14-Jährige, dige Gleichbehandlung von Deutschen und Ausländern sich das Leben zu nehmen. Jahrelang litt sie unter De- unabhängig vom Aufenthaltsrecht sind deutliche Verbes- pressionen. Bis heute kämpft sie mit den Folgen des Miss- serungen, die unbedingt gesichert werden müssen. brauchs. Ärzte, Therapeuten und amtliche Dokumente (Beifall bei der LINKEN) belegen ihre Aussagen als glaubhaft. Doch als sie 2003 eine Rente nach dem OEG beantragte, erhielt sie zwei Allerdings sollen die meisten Regelungen erst im Jahre Jahre später einen Ablehnungsbescheid. Auch der Wider- 2024 in Kraft treten. Taten, die zwischen 2020 und 2024 spruch wurde acht Monate später abgelehnt. In der Be- verübt werden, sollen noch nach dem alten Recht beurteilt gründung hieß es, dass ihr Grad der Schädigung zu gering werden. Das heißt, für viele Betroffene käme das Gesetz ausfiele und ihre Depressionen ebenso gut vom Verlust zu spät. Es braucht daher eine Regelung zu rückwirken- ihrer Tochter herrühren könnten. den Entschädigungsleistungen. Unser Ziel muss es sein, dass Fälle wie der von Georgia Entscheidend ist, dass wir die bürokratischen Hürden Schmidt-Lendner künftig einen anderen Ausgang neh- für die Opfer von Gewalt reduzieren. Es darf nicht der men. Eindruck entstehen, dass irgendetwas unternommen wird, um Ansprüche abzuwehren. Die Opfer brauchen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unsere Hilfe. Helfen wir. und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP) (Beifall bei der LINKEN) Keine betroffene Person sollte fast drei Jahre bis zu einem finalen Bescheid warten müssen. Wir müssen lange und Vizepräsidentin Claudia Roth: aufreibende Verfahren mit dem Risiko einer Retraumati- Vielen Dank, Gesine Lötzsch. – Nächster Redner: Sven sierung verhindern. Wenn Schädigungen wie im Fall die- Lehmann für Bündnis 90/Die Grünen. ser Frau von unterschiedlichen Stellen bestätigt werden, Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14757

Sven Lehmann (A) muss eine Entschädigung gewährt werden. Denn ein Ent- lichen richten und die gruppenspezifische Ausrichtung (C) schädigungsanspruch darf nicht daran scheitern, dass von Traumaambulanzen stärken. eventuell auch andere Faktoren zu Beeinträchtigungen beigetragen haben und die Schädigung im Zuge einer Ge- Drittens. Zu klären ist auch die Frage der administrati- walttat als zu klein eingestuft wird. Wir müssen erreichen, ven Zuständigkeiten. Der Bundesrat hat in seiner Stel- dass Opferentschädigung hürdenarm, schnell und einfach lungnahme bereits die „Leistungen aus einer Hand“ ge- gewährt wird. fordert und vor einer Leistungszersplitterung gewarnt. Hier muss sichergestellt sein, dass dies nicht zulasten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- des Leistungsumfangs geht. wie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD Viertens. Um schnelle und gute Verfahren zu ermögli- und der LINKEN) chen, müssen wir die Regelungen zur vorläufigen Ent- Dazu gehören alle notwendigen medizinischen Leistun- scheidung verbessern und sicherstellen, dass die zustän- gen und angemessene Entschädigungszahlungen. Betrof- digen Behörden mit ausreichend und qualifiziertem fene dürfen in diesen Verfahren nicht in die Rolle der Personal ausgestattet sind. Bittsteller gedrängt werden. Es ist der Staat, der in diesen An diesen Stellen muss der Bundestag nachbessern. Verfahren die Pflicht hat. Deswegen zum Abschluss noch ein Appell an die Koali- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tionsfraktionen: Das zukünftige SGB XIV wird die Op- ferentschädigung über Jahrzehnte prägen. Lassen Sie uns Das Sozialministerium hatte Ende letzten Jahres einen deshalb die parlamentarischen Beratungen mit der not- Gesetzentwurf vorgelegt, der diesem Anspruch noch wendigen Ernsthaftigkeit und Ruhe angehen. Ermögli- nicht gerecht wurde. Er sah unter anderem vor, den Aus- chen Sie bitte, dass der Gesetzentwurf nicht unmittelbar gleichsgedanken der Opferentschädigung deutlich stärker nach der Ausschussanhörung fertiggestellt wird, sondern in den Hintergrund zu rücken. Dabei ist das Ziel der Wie- dass wir gemeinsam und mit breiter Mehrheit das best- dereingliederung in den Arbeitsmarkt wichtig, aber es mögliche Gesetz zur Opferentschädigung beschließen. darf nicht zulasten der eigentlichen Entschädigungsleis- Diese Ernsthaftigkeit sind wir als Deutscher Bundestag tungen gehen. Es ist gut, dass die Bundesregierung auf die den Opfern schuldig. starke Kritik der Verbände eingegangen ist und den Re- ferentenentwurf deutlich nachgebessert hat. Dafür vielen Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Dank, ganz besonders an Staatssekretärin Kerstin Griese, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- die da sehr viel investiert hat. Vielen Dank dafür. wie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) (B) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- (D) wie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Der nun vorliegende Gesetzentwurf umfasst in der Tat Vielen Dank, Sven Lehmann. – Nächster Redner: für sehr viele Verbesserungen der Opferentschädigung. Die die SPD-Fraktion Dr. Matthias Bartke. Entschädigungszahlungen werden erhöht. Psychische (Beifall bei der SPD) Gewalttaten werden zukünftig entschädigt. Die schnellen Hilfen sind mit dem Zugang zu Traumaambulanzen ge- Dr. Matthias Bartke (SPD): währleistet. Auch die Folgen von Gewalttaten, die mit Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr einem Kraftfahrzeug verübt wurden, sollen entschädigt Sichert, zu Ihrer Rede nur einen einzigen Satz: Das war werden. Auch die Regelungen zu Beweiserleichterungen die schlimmste Rede, die hetzerischste Rede, die jemals und bestärkter Wahrscheinlichkeit sind in der Tat sehr ein Mitglied des Sozialausschusses im Deutschen Bun- positiv. Es ist zentral, dass im Gesetzentwurf nun der destag gehalten hat. Ausgleichsgedanke der Opferentschädigung erhalten bleibt. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP Aber es gibt auch Bereiche, bei denen wir Grünen noch und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Verbesserungsbedarf sehen. Ich will mein altes Leben zurück. Das ist meist der Erstens. Wir müssen sicherstellen, dass alle Straftaten sehnlichste Wunsch eines Menschen, der Opfer einer Ge- gegen die sexuelle Selbstbestimmung gemäß dem Grund- walttat wurde. Doch leider ist das meist kaum möglich. satz „Nein heißt Nein“ vom neuen SGB XIV erfasst wer- Die Tat hat Spuren hinterlassen, äußerliche und innerli- den und dass dies nicht erst ab 2024, sondern bereits zeit- che. Die Gewalttat kann nicht ungeschehen gemacht wer- nah Anwendung findet. den. Doch Opfer sagen auch oft: Ich kann lernen, mit den Folgen zu leben und umzugehen. Dabei wollen wir sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bestmöglich unterstützen. Deshalb reformieren wir das sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Soziale Entschädigungsrecht, meine Damen und Herren. Zweitens. Die Behandlung in Traumaambulanzen kann nur dann erfolgreich sein, wenn wir eine breite regionale (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Peter Abdeckung erreichen und diese auch über gut geschultes Aumer [CDU/CSU]) Personal verfügen. Ein besonderes Augenmerk müssen Die Wenigsten wissen: Das deutsche Opferentschädi- wir hier auf die Behandlung von Kindern und Jugend- gungsrecht ist das großzügigste auf der ganzen Welt. Es 14758 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Dr. Matthias Bartke (A) ist großzügig, aber leider überhaupt nicht mehr zeitge- Medikamentenrechnung reiche ich bei der Krankenkasse (C) mäß; denn es basiert auf dem alten Kriegsopferrecht ein, so viel ist noch klar. Aber wohin wende ich mich, von 1950. Heute gibt es glücklicherweise immer weniger wenn ich meine Wohnung umbauen lassen muss, weil ich Kriegsopfer. Heute geht es vor allem um Opfer von kri- zum Beispiel wegen einer Lähmung einen Treppenlift mineller Gewalt, von sexueller Gewalt, von psychischer brauche? Menschen, die Opfer einer Gewalttat wurden, Gewalt. Aber es geht auch um Opfer von Terroranschlä- befinden sich häufig in einer Ausnahmesituation. Mit den gen wie dem furchtbaren Anschlag von Halle in der ver- neuen Fallmanagern sorgen wir dafür, dass sie an die gangenen Woche. Hand genommen werden. Der Fallmanager klärt dann jeden Schritt mit dem Opfer. Er hilft bei allen weiteren Lassen Sie mich an dieser Stelle sagen, dass der Opfer- Antragstellungen, sei es bei der Pflegekasse für den bar- beauftragte der Bundesregierung, unser Kollege Dr. Edgar rierefreien Umbau der Wohnung oder bei der Unfallkasse Franke, viel Expertise zu diesem Gesetzentwurf beigetra- für eine neue Prothese. Der Fallmanager wird der An- gen hat. Er hätte heute auch gerne hier geredet. Aber er sprechpartner für das Opfer. muss heute einen wichtigen Termin bei den Opfern des Terroranschlags in Halle wahrnehmen. Das hat natürlich Meine Damen und Herren, Opfer benötigen jedoch Vorrang. nicht nur einen Behördenscout. Sie brauchen vor allem erst einmal finanzielle Sicherheit. Deshalb erhöhen wir (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten drittens auch die monatlichen Entschädigungszahlungen, der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜND- und zwar deutlich. Die monatlichen Renten sind wichtig, NISSES 90/DIE GRÜNEN) um den Opfern finanzielle Sicherheit zu geben, wenn das Dr. Franke hat mich gebeten, Ihnen mitzuteilen, dass er Leben ansonsten aus dem Takt geraten ist. Natürlich: Al- voll und ganz hinter dem Ihnen vorliegenden Gesetzent- les Geld der Welt kann die Tat nicht wiedergutmachen. wurf steht. Mit dem neuen SGB XIV haben mehr Men- Aber Geld kann helfen, die negativen Folgen zu mildern. schen Anspruch auf Leistungen. Künftig können auch So sorgen wir dafür, dass Opfer ins Leben zurückfinden Opfer psychischer Gewalt Unterstützung in Anspruch können. Wir bestärken sie auf ihrem Weg der psychischen nehmen. Das hilft zum Beispiel Opfern von schwerem Genesung. Wir unterstützen sie bei allen Anträgen nach Stalking oder von Menschenhandel. der Tat, und wir erhöhen ihre finanzielle Sicherheit. Meine Damen und Herren, drei wesentliche Elemente Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sozialminister Heil des neuen SGB XIV möchte ich Ihnen besonders ans hat bei der Erstellung des Gesetzentwurfs die Expertise Herz legen: der Opferverbände weitgehend mit einbezogen. Das gilt Das Erste ist die Einführung von Traumaambulanzen; insbesondere für den Weißen Ring. Ich habe mich deshalb (B) das wurde bereits gesagt. Opfer von Gewalttaten brau- sehr gefreut, dass der Weiße Ring eine Broschüre erstellt (D) chen Hilfen, damit die eine Tat nicht das ganze weitere hat, in der er unseren Gesetzentwurf sehr positiv kom- Leben bestimmt. Die eine Gewalttat erschüttert das Le- mentiert. Es heißt dort, es ben bis in die Grundfesten. Und aus der Traumaforschung ist jetzt ein Soziales Entschädigungsrecht auf den wissen wir: In solchen Situationen ist es entscheidend, Weg gebracht worden, das Opfern von Kriminalität schnell zu reagieren, damit sich das Trauma nicht chro- und ihren Angehörigen entscheidende Verbesserun- nifiziert. Die vielleicht wichtigste Neuerung ist daher die gen bringen wird. flächendeckende Einführung von Traumaambulanzen. Psychologen, Psychotherapeuten und Ärzte behandeln Dem ist kaum etwas hinzuzufügen. Meine Damen und dort Gewaltopfer. Sie helfen, die schreckliche Tat psy- Herren, das neue SGB XIV ist modern, unbürokratisch chisch zu verarbeiten. und großzügig. Damit setzen wir Maßstäbe im Opfer- schutz. Mit dem neuen Gesetzentwurf führen wir zum ersten Mal einen Rechtsanspruch auf Behandlung in einer Ich danke Ihnen. Traumaambulanz ein. Anspruch darauf haben auch Kin- der und Jugendliche und auch Angehörige von Gewalt- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) opfern, die ja selbst oft mit der Tat zu kämpfen haben. Das Beste und Wichtigste ist, dass ein Besuch in einer Traum- Vizepräsidentin Claudia Roth: aambulanz wirklich sehr schnell möglich ist. Opfer kön- Vielen Dank, Dr. Bartke. – Nächster Redner: für die nen dorthin gehen, auch wenn sie noch keinen Antrag auf CDU/CSU-Fraktion Peter Weiß. soziale Entschädigung gestellt haben. So sorgen wir da- für, dass Opfer ins Leben zurückfinden können, meine (Beifall bei der CDU/CSU) Damen und Herren. Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): (Beifall bei der SPD) Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zweitens werden wir mit dem SGB XIV künftig jedem Mit der Neuregelung des Sozialen Entschädigungsrechts Opfer einen Fallmanager oder eine Fallmanagerin zur schreiben wir, auch wenn es ein bisschen hochgestochen Seite stellen. Denn was brauchen Menschen, die Opfer klingen mag, ein Stück deutsche Sozialgeschichte, weil einer Gewalttat wurden? Sie brauchen zunächst jeman- wir zum ersten Mal für die Entschädigung von Opfern – den, der ihnen bei der Antragsstellung für ihre Entschädi- das hat angefangen 1950 mit der Kriegsopferentschädi- gungsleistung hilft, der ihnen wie ein Behördenscout ei- gung –, für die Entschädigung von Opfern von Gewalt- nen Weg durch das bürokratische Dickicht weist. Die taten, von Opfern von Terroranschlägen und von Opfern Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14759

Peter Weiß (Emmendingen) (A) von sexualisierter Gewalt, ein gemeinsames Gesetz tiert. Unsere Solidarität gilt uneingeschränkt den Men- (C) schaffen: das Sozialgesetzbuch XIV. Das ist eine große schen, die im Krieg Schlimmes erlebt haben, die für Aufgabe, die wir in der parlamentarischen Beratung jetzt verbrecherische Ziele in den Krieg gezogen sind, die noch weiter bearbeiten werden. Ich finde, wir können mit Verletzungen und Verwundungen nach Hause gekom- wirklich stolz sein, dass wir ein modernes, leistungsfähi- men sind. Keine Abstriche bei der Opferentschädigung ges Entschädigungsrecht in Deutschland schaffen, das für diejenigen, die in den Krieg gezogen sind! nicht mehr in verschiedenste Bestimmungen und Gesetze aufgesplittert ist, sondern in einem Sozialgesetzbuch zu- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) sammengefasst wird. Das ist ein großer Tag. Ein weiterer Punkt ist – darüber haben wir im Vorfeld lange diskutiert –: Für jemanden, der Opfer einer Gewalt- (Beifall bei der CDU/CSU) tat wird, ist ja vielleicht auch das, was er sich als beruf- Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Opferentschädi- liche Perspektive einmal vorgenommen hat, nicht mehr gung ist natürlich nicht mit Geld zu machen. Das erlittene möglich. Deswegen ist ein wichtiger Bestandteil des Op- Unrecht, das Leid, persönlich und auch für die Familie, ist ferentschädigungsgesetzes der Berufsschadensausgleich. nicht mit Geld gutzumachen. Aber das Entscheidende ist Ich bin sehr froh, dass wir bei diesem Berufsschadens- doch: Mit der Opferentschädigung geben wir, das Parla- ausgleich auch in Zukunft daran anknüpfen: „Welche ment, geben wir, der Staat, denen, die Schlimmes erlebt Prognose für die weitere berufliche Entwicklung hätte und erlitten haben, ein Stück ihrer Würde wieder zurück. bestanden, wenn der Betreffende nicht Opfer dieser Ge- Und vor allen Dingen: Wir zeigen uns solidarisch mit den walttat geworden wäre?“ und die Opferentschädigung da- Opfern und ihren Familien. Das ist der entscheidende nach bemessen. Ich freue mich sehr, dass wir eine klare Sinn von Opferentschädigung. Regelung zum Berufsschadensausgleich in dieses Gesetz hineingeschrieben haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei GRÜNEN und des Abg. Pascal Kober [FDP]) Abgeordneten der SPD) Deshalb ist es eine zusätzliche Grausamkeit und eine Ver- höhnung und Verachtung von Opfern, wenn man für Op- Vizepräsidentin Claudia Roth: ferentschädigung jenes Wort benutzt, das vorher in einer Herr Weiß, denken Sie bitte an Ihre Redezeit. Rede vorgetragen wurde. Ich will es hier nicht mehr wie- derholen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten, Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): auch in der Art und Weise, wie wir dieses Thema hier Frau Präsidentin, ich habe schon gemerkt, dass Sie (B) beraten, alle zusammen dafür sorgen, dass Menschen, die (D) mich zur Ordnung rufen, was die Redezeit anbelangt. Opfer einer Gewalttat geworden sind, wissen können: Ja, Deswegen will ich auch gerne zum Schluss kommen. diejenigen, die politische Verantwortung in diesem Land tragen, stehen zuallererst an ihrer Seite und wollen ihnen ihre Würde wieder zurückgeben und stehen an der Seite Vizepräsidentin Claudia Roth: ihrer Familien. Diese klare Botschaft sollten wir nach Nur, was die Redezeit anbelangt. außen senden. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): ordneten der LINKEN) Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich würde Dazu gehört auch etwas, was wir in diesem Gesetz mir wünschen, dass dieses Opferentschädigungsgesetz, ebenfalls regeln: der schnelle Zugang zu fachlich kompe- gerade weil es um die Würde der Opfer geht, mehr Auf- tenter Hilfe; es ist bereits von den Vorrednern erwähnt merksamkeit in der Öffentlichkeit finden würde und viel- worden. Die Traumaambulanzen sind zu nennen. Da will leicht auch unsere Medien breiter über das berichten wür- ich gerne unterstreichen, dass ich spezialisierte Traum- den, was wir hier in Gang setzen; denn ich glaube, das aambulanzen auch für Kinder und Jugendliche für not- Sozialgesetzbuch XIV ist ein großartiges Gesetz mit einer wendig halte. Mit diesen Hilfen schaffen wir die Voraus- großartigen Neubestimmung. Das kann sich wirklich – in setzung dafür, dass Opfer die Möglichkeit haben, das, der Tat auch international, Herr Kollege Bartke – sehen was sie erlitten haben, in einer angemessenen Art und lassen. Weise zu verarbeiten und eine neue Lebensperspektive für sich zu entwickeln. Opferentschädigung ist auch: eine Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. neue Lebensperspektive für Menschen, die Schlimmes (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- erlitten haben. neten der SPD – Michael Theurer [FDP]: Groß- Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, zum Op- artige Rede, Herr Kollege!) ferentschädigungsrecht gehört historisch zuallererst die Kriegsopferentschädigung. Auch wenn aufgrund des Al- Vizepräsidentin Claudia Roth: ters nur noch wenige Kriegsopfer unter uns leben, Vielen Dank, Peter Weiß. – Nächster Redner: für die schreiben wir mit diesem Gesetz klar und deutlich fest: FDP-Fraktion Pascal Kober. Das, was wir in der Kriegsopferentschädigung an Leis- tungen zugesagt haben, bleibt auch für die Zukunft garan- (Beifall bei der FDP) 14760 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

(A) Pascal Kober (FDP): Ich freue mich ganz ausdrücklich, dass die Bundesre- (C) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! gierung eine Initiative aus dem Parlament aufgegriffen Sehr geehrter Herr Bundesminister Heil! Es ist nur zu hat und die tiergestützte Traumatherapie für Soldatinnen begrüßen, dass es wirklich zu einer Neuordnung und einer und Soldaten – explizit die pferdegestützte Traumathe- Erweiterung der Versorgung von Menschen, die Opfer rapie – auf den Weg bringen möchte. von Gewalttaten geworden sind, kommen wird. Eine Ver- Vielen Dank. besserung unseres sozialen Entschädigungsrechts ist in greifbare Nähe gerückt, und wir als Freie Demokraten (Beifall bei der FDP) unterstützen dies ausdrücklich und freuen uns darüber sehr. Vizepräsidentin Claudia Roth: (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Vielen Dank, Pascal Kober. – Nächster Redner: Dr. Matthias Bartke [SPD]) Torbjörn Kartes für die CDU/CSU-Fraktion. Als Gesellschaft – Sie, Herr Bundesminister, haben es (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. gesagt, andere Rednerinnen und Redner auch – können Dr. Matthias Bartke [SPD]) wir nicht verhindern, dass Menschen Opfer von Gewalt- taten werden. Aber wir können natürlich unsere Solidari- Torbjörn Kartes (CDU/CSU): tät ganz konkret zum Ausdruck bringen, indem wir die Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin- entsprechenden Hilfsangebote auch wirklich zur Verfü- nen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Mit gung stellen. dem Sozialen Entschädigungsrecht tritt der Staat Men- schen zur Seite, denen Unrecht, Schmerz und Leid wider- Es ist unsere Absicht, hier zu einer Verbesserung zu fahren sind. Es geht darum, Menschen in unfassbar kommen. Wir als Freie Demokraten unterstützen dies belastenden Situationen beizustehen, ihnen bei der Be- ausdrücklich. Wir freuen uns, dass wir wirklich einen wältigung eines Traumas zu helfen und Schädigungs- Schritt vorankommen – mit Ihnen, der Bundesregierung, folgen so gering wie möglich zu halten. Entscheidend aber auch mit vielen Kolleginnen und Kollegen in diesem hierfür ist: Gewaltopfer müssen Leistungen deutlich Haus. Nach dieser Debatte muss man ausdrücklich sagen: schneller und zielgerichteter als bisher erhalten. bedauerlicherweise nicht mit allen. Dies ist eine wesentliche Folge auch der Auswirkungen In den anstehenden parlamentarischen Beratungen des verheerenden Terroranschlags auf dem Breitscheid- werden wir sicherlich an der einen oder anderen Stelle platz in Berlin; das ist heute schon mehrfach erwähnt (B) noch über Details diskutieren. Mir geht es da beispiels- worden. Dadurch ist noch einmal aufgezeigt worden, dass (D) weise ganz konkret um die Versorgung der im Dienst an unser Entschädigungsrecht – ich sage es mal so – durch- Körper und Seele verwundeten Soldatinnen und Solda- aus in die Jahre gekommen ist. Deshalb regeln wir unser ten. Da frage ich mich und mit mir meine Fraktion, ob es Entschädigungsrecht jetzt umfassend neu, und ich möch- wirklich notwendig ist, liebe Bundesregierung, an der te ganz deutlich sagen: Dieses Gesetz ist alles andere als Ungleichbehandlung oder Andersbehandlung der vor eine Kleinigkeit. Es zeigt vor allen Dingen: Wir sind 2011 verwundeten Soldatinnen und Soldaten und der handlungsfähig. Wir arbeiten mit aller Kraft an konkre- nach 2011 verwundeten Soldatinnen und Soldaten festzu- ten, spürbaren Verbesserungen für die Menschen in un- halten. serem Land. Sie kündigen eine deutliche Verbesserung für die Sol- Ich möchte auch sagen: Herr Sichert, es ist eine Schan- datinnen und Soldaten, die vor 2011 verwundet worden de, es ist ein parlamentarischer Tiefpunkt, wie ich finde, sind, an. Aber es wird anders geregelt als für die, die nach dass Sie diese Debatte heute für Ihre billige Propaganda 2011 verwundet wurden. Das irritiert Soldatinnen und genutzt haben. Soldaten. Ich glaube, wir haben hier gerade als Bundestag (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der eine ganz besondere Verantwortung; denn es geht um FDP sowie des Abg. Dr. Wolfgang Menschen, die für unsere politischen Einschätzungen, Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- für unsere politischen Entscheidungen ganz bewusst un- NEN]) ter Gefahr für ihr Leben und ihre Gesundheit in den Ein- satz gehen. Deshalb ist die Frage, ob wir hier nicht eine Mit diesem Gesetz möchten wir insbesondere denjeni- einfachere und besser nachvollziehbare Lösung finden gen besser helfen, die in ihrer Kindheit oder Jugend Opfer können. sexuellen Missbrauchs geworden sind. Den Opfern sol- cher Gewalttaten müssen wir vor allen Dingen schnell, (Beifall bei der FDP) unbürokratisch und umfassend zur Seite stehen. Deswe- gen hat meine Fraktion in ihrem Positionspapier schon Ein anderer Zusammenhang ist auch klar: Das beste sehr früh unter anderem die flächendeckende Einrichtung Recht ist nur so viel wert, wie entsprechende Versor- von Traumaambulanzen gefordert. Dort erhalten Betrof- gungsstrukturen vorhanden sind. Deshalb dürfen wir fene psychotherapeutische Akutversorgung. Wir wissen nicht nachlassen und müssen auch in Zukunft auf der aus Studien, dass Frühintervention Traumabelastung Versorgungsseite immer wieder nachbessern und erwei- ganz erheblich mindern kann. tern. Ganz entscheidend wird sein, dass die Menschen ihr Recht tatsächlich in Anspruch nehmen können, weil Ver- Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden die An- sorgungsstrukturen vorhanden sind. gebote von Traumaambulanzen nun zum ersten Mal ge- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14761

Torbjörn Kartes (A) setzlich verankert und sollen flächendeckend – das ist ein Signal an alle Betroffenen: Wer Hilfe braucht, der soll, (C) entscheidend – als möglichst niedrigschwelliges Angebot der muss sie auch bekommen. In diesem Sinne wünsche eingerichtet werden. ich uns gute Beratungen. Wer in meinem Wahlkreis – Ludwigshafen/Franken- Vielen Dank. thal – momentan Opfer einer Gewalttat wird, muss nach Kaiserslautern oder Mainz fahren, um Akuthilfe zu er- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) halten. Es ist, denke ich, allen klar, dass dieses schon räumlich gesehen viel zu weit und eine Hürde ist, die es Vizepräsidentin Claudia Roth: mit diesem Gesetz zu beseitigen gilt. Vielen Dank, Torbjörn Kartes. – Letzter Redner in der Es gibt eine weitere Hürde, die es zu überwinden gilt. Debatte: Frank Heinrich für die CDU/CSU-Fraktion. Viele Opfer sexuellen Missbrauchs sind bisher daran ge- scheitert, Entschädigungen zu erhalten, da die Kausalket- (Beifall bei der CDU/CSU) te zwischen schädigendem Ereignis, der Schädigung und der Schädigungsfolge nicht eindeutig nachgewiesen wer- Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU): den konnte. Deshalb führen wir eine weitreichende Ver- mutungsregelung ein. Zur Anerkennung einer Gesund- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und heitsstörung als Schädigungsfolge genügt nun die Kollegen! Selten kommt man in eine Debatte – zumindest Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. was das Thema angeht, und es gibt auch eine so große Das ist wichtig, gerade wenn es darum geht, schnelle Übereinstimmung –, wo ich so dankbar bin, was die Vor- und zielgerichtete Hilfe zu leisten, und weil wir eben schläge, die vom Ministerium kommen und von uns jetzt wissen, dass diese Sachverhalte oft nur sehr, sehr schwer bewertet werden, angeht. Das hat sich dann um 13.24 Uhr rechtssicher zu beweisen sind. Deshalb ist das für die schlagartig geändert, nicht dem Inhalt nach, sondern weil Opfer eine sehr, sehr wichtige Regelung, um überhaupt ich mich fragte, auf welchen Weg wir da in der Debatte Hilfe in Anspruch nehmen zu können. geführt wurden. – Ich bin aus zwei Gründen besonders dankbar: Wichtig ist auch, dass das neue Soziale Entschädi- gungsrecht als Opfer einer Gewalttat nunmehr auch sol- Sie, Minister Heil, haben am Anfang gesagt: Wir müs- che Personen anerkennt, die durch psychische Gewalt sen uns die Opfer vor Augen führen. – Ich bin ja Mitglied eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben. Dies ist im Ausschuss für Arbeit und Soziales wie auch im Men- wichtig, gerade weil wir wissen, dass sexualisierte Ge- schenrechtsausschuss. Als Menschenrechtler freue ich walt viele Formen und auch eben Folgen haben kann. mich besonders, dass das Thema Menschenhandel von (B) Auch erhebliche gegen die geschädigte Person gerichtete Ihnen und von einem anderen Kollegen angesprochen (D) Verhaltensweisen im Internet, also neue Formen von Ge- worden ist. Heute ist der Europäische Tag gegen Men- walt, werden hierfür ausreichend sein. Es ist wichtig, dass schenhandel, und ich habe einige Kollegen gesehen, die wir hierauf reagieren, weil wir immer wieder deutlich mit diesem Bändchen rumlaufen und ganz bewusst für machen müssen, dass gerade das Internet eben kein Freiheit auftreten. Ich freue mich darüber, dass das jetzt rechtsfreier Raum sein darf. den Grund und Boden abgibt und vielleicht auch den Grundwasserspiegel hebt, auch für andere als Vorbild. Ja, es ist wichtig, dass wir solche Straftaten konsequent verfolgen. Bislang war daher die Anzeigenerstattung Zum Zweiten freue ich mich als ehemaliger Sozialar- durch das Opfer Voraussetzung für eine Leistungserbrin- beiter. Da habe ich tatsächlich eine Person vor Augen: gung nach dem Gesetz. Dies muss im Regelfall – das Damaris – Name geändert, aus Absicht. In meiner Sozial- möchte ich auch sagen – weiter so sein, weil wir nur so arbeiterzeit hatte ich eine Tafel gegründet. Meine erste besser vor Wiederholungstätern schützen können. Wir er- Mitarbeiterin war diese Damaris. Ja, und sie war schusse- kennen gleichzeitig aber auch an, dass eine Anzeige un- lig. Das haben wir alles darauf geschoben, dass sie ein zumutbar sein kann, wenn eine enge verwandtschaftliche bisschen einfach gestrickt war. Und dann hatte sie eine oder eine eheliche Beziehung zur Täterin oder zum Täter Macke irgendwo am Kopf. Dafür gab es eine Erklärung: besteht. In diesen Fällen – das ist wichtig – führt eine Ich bin an der Kellertreppe hängen geblieben. – Und Ähn- fehlende Strafanzeige eben nicht zur Versagung von Leis- liches. Irgendwann mal besuchte ich ihren Mann im tungen; auch das ist eine wichtige Regelung, die wir heute Krankenhaus, weil er im Wald umgefallen war. Ich habe auf den Weg bringen. ihn gefragt, was denn los sei, wenn man ihn beim nächs- ten Mal nicht pünktlich fände, und Scherze gemacht. Am (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei nächsten Tag hat er sich selbst mit Unterschrift aus dem Abgeordneten der SPD) Krankenhaus entlassen. Die erste Tat war, zum Telefon zu Abschließend: Wichtig ist meiner Fraktion – das möch- gehen und seine Frau anzurufen, um Damaris anzukün- te ich noch sagen – die Fortführung des Fonds Sexueller digen: Du, da kommen nachher zwei Männer. Sei bitte zu Missbrauch. Das Bundesfamilienministerium hat rund Hause, die haben schon für dich bezahlt. – Da überschnei- 45 Millionen Euro im Haushalt 2020 dafür eingestellt. den sich die beiden Themen „Menschenhandel“ und „se- Aus diesem Fonds erhalten Menschen Unterstützung, de- xueller Missbrauch“. Sie ist sofort abgehauen. Das ist für ren Bedürfnisse nicht durch das bestehende sozialrecht- jeden von uns nachvollziehbar. Sie ist dann ein paar Tage liche Hilfesystem gedeckt werden und auch nicht durch später, als sie vermutet hat, dass er nicht zu Hause ist, in das neue Opferentschädigungsrecht. Der Fonds ist und die Wohnung, um irgendwas zu holen, und fand ihn tot in bleibt eine wichtige Ergänzung, auch in Zukunft. Er ist der Wohnung liegen. Dann konnte sie sich öffnen, und 14762 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Frank Heinrich (Chemnitz) (A) dann hat sie erzählt, was sie alles in ihrer Familie, in ihrer lung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung (C) Ehe, in ihrer Beziehung erlebt hat. von Kinderpornografie geschädigt worden sind und ge- schädigt werden – in unserem Land leider viel zu viel. Ich Dieses ganze Trauma, dieses ganze Schicksal dahinter wünschte mir, dass wir sogar über die Fälle nachdenken, müssen wir uns vor Augen führen, wenn wir verstehen wo die Schädigung von hier ausgeht, aber in einem ande- wollen, was Menschen begegnen kann. Dann konnte sie ren Land, durch die neue Mobilität, stattfindet, dass wir sich öffnen und mir als Leiter der Einrichtung auch erzäh- darüber nachdenken. len, dass sie am Heiligen Abend im Jahr zuvor den Fehler gemacht hatte, sich neben mich zu setzen – wir hatten eine Feier für Menschen am Rand der Gesellschaft ge- Vizepräsidentin Claudia Roth: macht –, und aus Eifersucht hatte sie von ihrem Mann die Herr Heinrich, jetzt aber wirklich. größten Prügel ihres Lebens dafür bekommen. Auf ein- mal ist man hautnah dran. Deshalb freue ich mich über das Leistungsspektrum bei der Reform für Opfer sexuel- Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU): ler Gewalt. Herr Kartes hat gerade den Fonds Sexueller Miss- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie brauch angesprochen; ich will das nicht wiederholen. bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und Ich freue mich, dass Herr Spahn vorgestern noch einen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Zusatz gebracht hat: Spurensicherung als Kassenleistung. Lassen Sie uns darüber nachdenken, ob es vielleicht nicht Ich freue mich über die gesetzliche Verpflichtung zur sogar sinnvoll ist, das noch hinzuzufügen. Einrichtung von Traumaambulanzen. Ich freue mich, dass dies nicht nur in Akutfällen, sondern auch zur Be- Ganz herzlichen Dank. wältigung wieder hochkommender, zum Teil sehr weit zurückliegender Erlebnisse möglich ist. Bei Damaris (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) war es so: Wenige Monate später hat sie sich einem ähn- lich gestrickten Mann an den Hals geworfen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Ich freue mich über die Einführung der Vermutungs- Vielen Dank, Frank Heinrich. – Damit schließe ich regelung. Bislang musste der Nachweis geführt werden, diese denkwürdige Aussprache. dass eine Kausalität zwischen der Gewalttat und den Schädigungsfolgen besteht. Dieser war sehr schwer zu Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs erbringen. Wenn man nicht nur den Fall von Damaris, auf Drucksache 19/13824 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Es gibt keine (B) sondern auch viele andere kennt, weiß man das. Diese (D) Reform enthält eine weitgehende Vermutungsregelung weiteren Überweisungsvorschläge. Dann verfahren wir zum Nachweis der Kausalität zugunsten von Opfern psy- wie vorgeschlagen. chischer Gewalt. Ich rufe – das mache ich langsam, damit die Plätze Es ist sehr gut, dass es in den meisten Fällen keine getauscht oder eingenommen werden können – den Ta- Anzeigepflicht gibt. Sie, Frau Lötzsch, haben das ange- gesordnungspunkt 33 auf: sprochen. Bislang war Anzeigeerstattung die Grund- voraussetzung. Wenn man Menschen ganz am Rand oder Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- ganz im Schatten und mit viel Scham kennt und vor Au- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umset- gen hat, dann weiß man: Das ist fast nicht möglich für zung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU- diese Menschen. Jetzt muss man keine Strafanzeige mehr Geldwäscherichtlinie stellen. Drucksache 19/13827 Ich freue mich über die Erleichterungen bei der An- tragstellung für die Traumaambulanz. Sie hatten das an- Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) gesprochen, Herr Heil. Ich bin dankbar, dass es keinen Ausschuss für Inneres und Heimat Anspruchs- und Leistungsausschluss mehr bei Rückkehr Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zum Täter gibt; denn das ist eine ambivalente Beziehung. Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen Bei dem, was in diesem geschlossenen System passiert, Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die ist oft die einzige Person, zu der man überhaupt gehen Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen kann, der, der auch der Gewalttäter war. Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Der Gewaltbegriff wird ausgeweitet. Sexualisierte Ge- walt äußert sich eben nicht nur durch körperliche Angrif- Könnten die Kollegen Beeck und Müller-Gemmeke fe, sondern auch in anderen Formen, die nötigend auf die und wie sie alle heißen bitte Platz nehmen, damit wir Willensentscheidung der Betroffenen einwirken. Daher mit der Aussprache beginnen können? sind die Leistungen und die soziale Entschädigung nicht nur für Opfer körperlicher, sondern auch für die Opfer Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Parla- psychischer Gewalt möglich. mentarische Staatssekretärin Sarah Ryglewski für die Bundesregierung. – Frau Staatssekretärin. Es freut mich unter anderem auch als Menschenrecht- ler – damit komme ich zum Schluss –, dass es auch Leis- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten tungen für Betroffene geben wird, die durch die Herstel- der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14763

(A) Sarah Ryglewski , Parl. Staatssekretärin beim Bun- Zum Thema Immobiliensektor möchte ich insbesonde- (C) desminister der Finanzen: re ansprechen, dass an Immobilientransaktionen Beteilig- Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten te wie Notare, Rechtsanwälte oder Steuerberater in Abgeordnetenkollegen! Meine sehr verehrten Damen und Zukunft stärker in der Pflicht sind, Verdächtiges aufzu- Herren! 100 Milliarden Euro jährlich beträgt der ge- nehmen. Wir sorgen aber auch dafür, dass diese mehr schätzte Schaden durch Geldwäsche. Ich glaube, diese Rechtssicherheit haben, indem wir die Sachverhalte kon- Zahl vermittelt Ihnen ein Gefühl für die Dimension des kretisieren. Problems, insbesondere wenn Sie sich noch mal vor Au- Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, der uns sehr gen führen, dass Geldwäsche zwar selber eine Straftat ist, wichtig ist. Wir haben mit der Financial Intelligence Unit aber eben vor allem dazu dient, schwere und schwerste ein sehr gutes Instrument, um Geldwäscheverdachtsfälle andere Straftaten wie beispielsweise Menschenhandel, aufzugreifen und sichtbar zu machen. Das Problem ist Waffenhandel, Drogenschmuggel oder Steuerhinterzie- leider – ich habe es eingangs geschildert –: Geldwäsche hung zu verschleiern. Verhinderung und Bekämpfung ist eine Straftat, die in der Regel andere Straftaten und von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ist der damit zusammenhängende Gewinne verschleiert. Deswe- Bundesregierung daher ein wichtiges Anliegen. gen brauchen wir eine gute Zusammenarbeit der einzel- Mit dem hier jetzt vorliegenden Gesetzentwurf gehen nen Behörden. Wir schaffen hier die Möglichkeit, dass wir auf eine Reihe von Veränderungen und neuen Heraus- die FIU weiß, dass ein Verdachtsfall besteht, wenn in forderungen, die sich in der Vergangenheit ergeben einem anderen Kontext ermittelt wird. Es geht nicht da- haben, ein und passen die Bekämpfungsinstrumente ent- rum, dass sensible Daten freigegeben werden. Die FIU sprechend an. Wir setzen hier zum einen die Änderungs- soll nur wissen: Hier liegt etwas vor. Da wollen wir ran. – richtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie um, zum Dafür schaffen wir die Grundlagen. Wir müssen diese anderen beziehen wir aber auch Erkenntnisse aus der Na- Institution vernünftig stärken, damit wir wirksam vorge- tionalen Risikoanalyse, NRA, im Bereich Geldwäsche hen können. und Terrorismusfinanzierung ein, die vom Bundesminis- Ich komme zum Schluss und weise noch einmal darauf terium der Finanzen durchgeführt wurde. Der Abschluss- hin, dass unsere Bestrebungen, die wir hier angegangen bericht wird allen Abgeordneten ab nächster Woche zur sind, im nächsten Jahr von der FATF überprüft werden. Es Verfügung stehen. Ich glaube, er wird uns bei der Bera- steht eine Deutschlandprüfung an. Wir sind verpflichtet, tung des Gesetzentwurfs gute Dienste leisten. hier etwas Vernünftiges vorzulegen. In meinen Augen sind wir mit diesem Gesetzentwurf gut gerüstet, um auf Identifiziert worden sind verschiedene Hauptrisikofel- den neuesten Stand zu kommen. In diesem Sinne sage ich: der. Insbesondere sind das anonyme Transaktionen wie (B) Lassen Sie uns gemeinsam an diesem Gesetzentwurf ar- (D) beispielsweise hohe Bargeldzahlungen im Edelmetall- beiten und mehr Licht ins Dunkel der Hundertmilliarden oder Immobilienbereich, verschachtelte Gesellschaftsfor- bringen, um Geldwäsche wirksam zu bekämpfen und in men, die den wirtschaftlich Berechtigten nur sehr schwer Zukunft zu verhindern. erkennen lassen, oder auch Finanztransfers mit Transak- tionen in Kryptowährungen. Vielen Dank.

Was liegt konkret an? Wir werden neue Berufsgruppen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten in den Kreis der geldwäscherechtlich Verpflichteten auf- der CDU/CSU) nehmen. Diese werden erstmalig ein geldwäscherechtli- ches Risikomanagement vornehmen, Sorgfaltspflichten Vizepräsidentin Claudia Roth: einhalten – dazu gehören beispielsweise Identifizierungs- Vielen Dank, Sarah Ryglewski. – Nächster Redner: für pflichten bei Käufern von Edelmetallen – und bei Vor- die AfD-Fraktion Jörn König. liegen entsprechender Tatsachen gegebenenfalls eine Verdachtsmeldung abgeben müssen. (Beifall bei der AfD)

Im Finanzsektor nehmen wir die Kryptowährungen Jörn König (AfD): auf. Ich glaube, auf diesen Bereich werden wir in Zukunft Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! genau schauen; denn er ist relativ neu. Wenn es um die Liebe Zuschauer auf den Tribünen und an den Fernseh- Verschleierung von Straftaten geht – das wissen wir alle –, bildschirmen! Uns allen liegt heute der Entwurf eines sind die Täter oft sehr kreativ. Und wir wollen nicht, dass Gesetzes vor, das eine Geldwäscherichtlinie der EU in dieser grundsätzlich hoffnungsvolle Bereich dafür ausge- ein deutsches Gesetz gießen soll. Es ist ein ansprechendes nutzt wird. Bürokratiemonster geworden, mit immerhin 155 Seiten. Es ist auch nicht die erste oder zweite, auch nicht die Das schon bestehende Transparenzregister, in dem dritte Geldwäscherichtlinie; es ist schon die vierte Richt- wirtschaftlich Berechtigte eines Unternehmens erfasst linie zum Thema. sind, wird künftig der Öffentlichkeit zugänglich sein. Na- türlich werden die personenbezogenen Daten geschützt. Wir haben in Deutschland eine sehr dezentrale und damit stabile Bankenstruktur mit etwa 1 200 Sparkassen Zum Thema Edelmetallhandel. Hier wird in Zukunft und Volksbanken. Diese im Vergleich eher sehr kleinen schon ab 2 000 Euro genau geprüft werden, wer kauft, Banken trifft der Bürokratieaufwand, der mit dieser Geld- damit keine größeren Summen verschleiert werden kön- wäscherichtlinie einhergeht, deutlich mehr als die Groß- nen. banken. Fast alles, was die EZB oder die EU machen oder 14764 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Jörn König (A) eben nicht machen, trifft bemerkenswerterweise die deut- (Beifall bei der AfD) (C) schen Banken. Kein Wunder, dass Deutschland bei der Bankenstabilität inzwischen mit Platz 64 nur noch im Damit wir uns richtig verstehen: Geldwäsche ist sicher Mittelfeld ist. Es ist einfach nur beschämend, wie ein Thema mit zunehmender Relevanz. Die Zielgruppe Deutschland unter dieser Regierung überall ins Mittel- sind Kriminelle und Korrupte. Aber die stetige Gänge- maßnirwana abrutscht. lung und Bespitzelung trifft immer mehr ehrliche Leute wie eben Bankkaufleute, Steuerberater und nun sogar (Beifall bei der AfD) Kunsthändler. Wie sind denn eigentlich die bisherigen Erfahrungen? (Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Bundestagsab- Es gibt eine neue Behörde, die Financial Intelligence geordnete der AfD! Transaktionen aus der Unit, an die Verdachtsfälle gemeldet werden müssen. Je- Schweiz!) de Bank hat zwangsweise einen Geldwäschebeauftragten, der verdächtige Transaktionen melden muss. Thorsten Sie sollten nicht die Symptome mit unangemessenem Höche, Chefjustiziar beim Bundesverband deutscher Aufwand bekämpfen, sondern die Kriminellen direkt. Banken, sagt dazu: Warum werden dann in den Städten Drogenszenen, Ge- waltkriminalität, Zuhälterei und Schutzgelderpressung Mit Blick auf die Rechtslage ziehen es die Beauf- akzeptiert und geduldet, siehe den Görlitzer Park in Ber- tragten vor, auffällige Transaktionen schnell zu mel- lin? den anstatt zu warten. Aus Angst und um nicht aufzufallen, melden einige Be- (Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- auftragte auch nur irgendwelche Fälle, damit es im NEN]: Was hat das denn miteinander zu tun? Durchschnitt passt. So ein Quatsch!) Wie sieht das Ergebnis dieses Riesenaufwandes aus? Das ist ähnlich wie in der Einwanderungspolitik: Offene Im Jahr 2018 waren von den 77 000 gemeldeten Ver- Grenzen, aber jedes Volksfest und jeder Weihnachtsmarkt dachtsfällen nur ganze 275 Fälle relevant für die Justiz. braucht Merkelpoller und Polizeischutz. Das sind 0,36 Prozent. Der Berg kreißte und gebar eine Maus. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben doch heute schon genug rumgehetzt! Aber wie das mit Bürokratien so ist: Nachdem wir das Es ist Schluss jetzt! – Grinsen Sie mich nicht Ziel endgültig aus den Augen verloren hatten, verdoppel- auch noch an! Das verbitte ich mir!) ten wir unsere Anstrengungen. Mit der vierten und fünf- Im Zusammenhang mit diesem Gesetz ist auch eine (B) ten Geldwäscherichtlinie wird der Kreis der Verpflichte- (D) ten – wir haben es gerade gehört – nochmals deutlich Regelung vorgesehen, dass Banken und Sparkassen keine erweitert. Neben Kreditinstituten, Zahlungsinstituten, Le- Bitcoins oder andere digitale Währungen verwahren oder bensversicherern, Wertpapierfirmen, Investmentfonds, damit handeln dürfen. Dieses innovative Geschäftsfeld Versicherungsvermittlern, Abschlussprüfern, sollte aus Sicht der AfD auch für etablierte Banken offen sein, da wir für Freiheit in diesem Hochtechnologiebe- (Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Goldhändlern!) reich stehen. Der Staat sollte in diesem Bereich die neu externen Buchprüfern, Steuerberatern, Notaren, Rechts- entstandenen Produkte und Dienstleistungen einfach nur anwälten, Dienstleistern für Trusts oder Gesellschaften, juristisch einordnen, damit Rechtssicherheit herrscht. Be- schränkungen sind hier der falsche Weg. Für etablierte, (Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Gibt es den aber innovative Institute ist dies ein Weg, um unsere viel- AfD-Goldshop eigentlich noch?) fältige Bankenlandschaft durch Erschließung neuer Ge- Immobilienmaklern, Händlern gibt es neue Verpflichtete schäftsfelder dauerhaft zu erhalten. wie Plattformen zum Umtausch virtueller Währungen, Insgesamt sollten wir Geldwäsche effizient bekämp- also die Bitcoins dieser Welt, Mietmakler, Güterhändler fen. Wir bestätigen somit die Zielrichtung des Gesetzes. und Kunsthändler. Zum Verpflichtetenkreis gehört nun Den aus unserer Sicht zu hohen Aufwand für die Mit- jede Person, die als wesentliche geschäftliche oder ge- glieder ehrbarer Berufe halten wir für nicht gerechtfertigt. werbliche Tätigkeit materielle Hilfe, Unterstützung oder Eher sollten die Kriminellen und deren Geldquellen di- Beratung im Hinblick auf Steuerangelegenheiten leistet. rekt bekämpft werden. So unterliegen zukünftig auch – man höre und staune – Lohnsteuerhilfevereine den Vorgaben des Geldwäschege- (Beifall bei der AfD) setzes. Lohnsteuerhilfevereine sind also potenzielle Hel- fer bei der Geldwäsche. Freie Berufe wie Immobilien- Vizepräsidentin Claudia Roth: makler, Edelmetallhändler Denken Sie an Ihre Redezeit. (Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Aha!) und Kunsthändler sind verpflichtet, eine Risikoanalyse Jörn König (AfD): durchzuführen und auch ein Risikomanagement aufzu- Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Frau Merkel bauen, selbst wenn dieser Betrag über 10 000 Euro unbar, wegen ihrer Messertoten als Kanzlerin zurücktreten also über Konten, transferiert wird. Die betroffenen ehr- muss. baren Berufe danken für diesen Sonderaufwand schon einmal herzlich im Voraus. Vielen Dank. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14765

Jörn König (A) (Beifall bei der AfD – Steffi Lemke [BÜND- Verdachtsmeldung eingeführt. Hiermit sammelt die Ein- (C) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Hetzerei! Widerlich! heit alle Meldungen, wertet sie aus und beurteilt sie. Sie Das reicht jetzt wirklich! Ekelhaft!) entscheidet durch ihre Experten, ob es sich tatsächlich um Geldwäsche handelt oder nicht. Wir haben auch ein zent- Vizepräsidentin Claudia Roth: rales elektronisches Transparenzregister eingeführt. Der Bußgeldrahmen für schwerwiegende, wiederholte und Danke schön, Herr König. – Nächster Redner: Sepp systematische Verstöße wurde deutlich angehoben. Sie Müller für die CDU/CSU-Fraktion. sehen: Wir handeln. (Beifall bei der CDU/CSU) Aber wenn schon alles erledigt ist, warum müssen wir jetzt noch etwas tun? Weil wir als Große Koalition Typen Sepp Müller (CDU/CSU): wie Max keinen Zentimeter mehr lassen wollen; wir wol- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten len ihm das Leben schwer machen. Wir als Union – und Damen und Herren! Kommen wir zurück zum Thema. ich spreche hier auch für die SPD – sind fest entschlossen, Unter Geldwäsche verstehen wir nicht die paar Euro, jedes Schlupfloch, welches sich in den letzten Jahren auf- die in der Waschmaschine in der Hosentasche mitgewa- getan hat, zu schließen. schen werden. Nein, unter Geldwäsche verstehen wir Geld, welches unrechtmäßig erworben, in den Wirt- (Beifall des Abg. Bernhard Daldrup [SPD]) schaftskreislauf gebracht und somit faktisch legalisiert wurde. Erstens. Wir werden mit dem Gesetz die Befugnisse der Experten stärken. Sie werden zukünftig schneller Ein Beispiel zum besseren Verständnis: Der Drogen- und auf mehr Informationen der Strafverfolgungsbehör- dealer Max treibt im Monat 20 000 Euro ein. Max ist den zugreifen können. Es ist doch regelrecht schizophren, clever und zahlt es nicht bei der Sparkasse ein. Warum? dass gerade aus den Datenbeständen, unter deren Verwen- Ab 10 000 Euro muss er sich erklären und sagen, woher dung Ermittlungen gegen Terrorverdächtige laufen, kaum das Geld kommt. Verweigert er dies, so veranlasst der Informationen an die Experten im Geldwäschebereich ge- Geldwäschebeauftragte der Sparkasse eine Verdachts- gangen sind. Wir lassen es nicht zu, dass sich Terroristen meldung. Deswegen bunkert Max sein Geld zu Hause. in Deutschland finanzieren. Wir trocknen die Finanzströ- Nach drei Jahren ist sein Kopfkissen so voll, dass Max me für linke, rechte und religiöse Extremisten aus. schon fast im Stehen schlafen muss. Max ist clever. Er nimmt sein Geld und kauft davon ein Wohnungspaket in Zweitens. Wir begegnen neuen Bewegungen am Fi- Berlin. Warum? Hier fragt niemand, woher das Geld nanzmarkt. Wir werden Kryptowährungen mit in den Fo- kommt; denn Max hat seinen Geldkoffer dabei und be- kus nehmen. Egal ob in Euro, Dollar, Bitcoin oder Libra, (B) (D) zahlt in bar. Monatlich erhält Max nun 4 500 Euro Miet- wir sagen: keine Handbreit den Geldwäschern. einnahmen, die er ordnungsgemäß bei der Steuererklä- rung angibt. Diese wird für richtig befunden. Er zahlt (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei korrekt seine Steuern. Da Max pfiffig ist, macht er das Abgeordneten der SPD) Geschäft nicht nur einmal, sondern zwei-, drei-, viermal. Drittens. Wir erweitern den Kreis der Verpflichteten. Warum? Weil er es kann. Unter anderem werden jetzt die Mietmakler und Auto- Was sich vielleicht spaßig anhört, ist leider tierischer händler mit erfasst. Ernst. Das passiert im Übrigen bei Immobiliengeschäf- Viertens. Wir kommen den europäischen Vorgaben ten. Der Spaß hört auch deswegen auf, weil der Terrorat- nach und werden das Transparenzregister für die gesamte tentäter vom Breitscheidplatz, Anis Amri, und arabische Öffentlichkeit zugänglich machen. Clanmitglieder dieses Geschäftsmodell angewendet ha- ben. Zuletzt wurden in Berlin 70 Immobilien beschlag- Heute erfolgte durch die Parlamentarische Staatssekre- nahmt. Das ist aber erst die Spitze des Eisbergs. Auf tärin Ryglewski der erste Aufschlag im Parlament zu die- diesem Wege – ich denke, ich spreche im Namen des sem Gesetz. Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion wol- gesamten Hauses – möchte ich mich bei allen Beteiligten len im parlamentarischen Verfahren den Entwurf zum für diesen Ermittlungserfolg bedanken. Geldwäschebekämpfungsgesetz der Regierung noch besser machen. Dazu nur elf Punkte: (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP) (Heiterkeit bei der CDU/CSU, der SPD und der Damit diese Erfolge in den nächsten Jahren weiter zu- FDP) nehmen, sagen wir als Große Koalition der Geldwäsche Erstens. Anders als andere halten wir als Union am den Kampf an. Bargeld fest. Was haben wir bisher unternommen? Geldwäsche fin- det über Ländergrenzen hinweg statt. Wir haben mit der (Beifall des Abg. Michael Theurer [FDP]) FIU, mit der Financial Intelligence Unit, eine Experten- Jeder hat bis jetzt, kann aktuell und wird zukünftig wei- einheit geschaffen, die mittlerweile mit 475 Experten in- terhin seine Brötchen beim Bäcker mit Bargeld bezahlen nerhalb des Zolls ausgestattet ist; anfänglich waren es dürfen. 26 Mitarbeiter beim Bundeskriminalamt. Diese Geldwä- schebekämpfungseinheit hat schnelleren Zugriff auf Da- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der ten aus anderen Staaten. Wir haben das Instrument der FDP) 14766 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Sepp Müller (A) Zweitens. Zusätzliche bürokratische Hürden im vo- Deswegen setzen wir uns für ein Transparenzregister mit (C) rauseilenden Gehorsam lehnen wir ab. Wir schauen uns Maß und Mitte ein. Die berechtigten Ziele sollen beibe- nationale Sondersituationen ganz besonders an. Dazu ge- halten werden. Gleichzeitig müssen Firmeninhaber ge- hört insbesondere die Berufsgruppe der Syndikusrecht- schützt werden. sanwälte. Diese gibt es in der Form in kaum einem ande- ren EU-Land. Wir dulden keine Fälle wie das letzte unsägliche Bei- spiel einer Familie aus Berlin. Sie waren und sind mit Drittens. Internationale Betreiber von digitalen Platt- ihrem Unternehmen sehr erfolgreich, und seit 2017 findet formen verweigern deutschen Zahlungsdienstleistern in man diese Familie auch im Transparenzregister. Seitdem vielen Fällen den Zugang zu ihren Plattformen, beispiels- werden die Kinder von Bodyguards beschützt. Mittler- weise Apple Pay. Das ist auch für den Bereich der Geld- weile wurde einer der Aufpasser angegriffen, schwer ver- wäsche- und Betrugsprävention relevant. Ob und inwie- letzt und ist nun querschnittsgelähmt. Ob es einen unmit- weit die Zahlungsauslösung durch Betrüger erfolgt, kann telbaren Zusammenhang mit dem Register gibt, konnte von dem dahinterstehenden Kreditinstitut damit nicht nicht ausgeschlossen werden. Klar ist, wer wie die Grü- nachvollzogen werden. Die Verhinderung der Giganten nen und die Linken die Unternehmer immer an den Pran- wie Apple im Hinblick auf den Zugang zu deren Platt- ger stellt, nimmt sehenden Auges in Kauf, dass solche formen verstärkt diesen Trend sehr stark. Die Geldwä- Taten nicht ausgeschlossen sind. scheprävention wird erschwert. Es ist in unseren Augen an der Zeit, hier zu handeln! Achtens. Ja, wir setzen uns für mehr Transparenz zur Bekämpfung von Geldwäsche ein. Das gilt für beide Sei- Viertens. Für uns ist denklogisch, dass Aufsichtsbehör- ten der Medaille, für die, die eingetragen sind, die Unter- den im Nichtfinanzbereich auch gleichzeitig die Bußgeld- nehmer, und die anderen, die anfragen, beispielsweise die behörden sind. Warum dies im Entwurf beispielsweise Nichtregierungsorganisationen. Transparency Internatio- bei den Steuerberater- und Rechtsanwaltskammern nicht nal, das Netzwerk Steuergerechtigkeit oder die Bürger- der Fall ist, werden wir nicht nur hinterfragen; wir wollen initiative Finanzwende, die sich selbst für grenzenlose das auch ändern. Transparenz einsetzen, müssen sich genauso erklären. In der Vergangenheit gab es bei Organisationen wie Fünftens. Klar ist, dass jede Geldwäscheverdachtsmel- Transparency International die eine oder andere Unge- dung gleichzeitig eine strafbefreiende Wirkung haben reimtheit bei den Finanzströmen. Woher kommen zum muss. Es ist unverständlich, dass aktuell eine Doppelmel- Beispiel ihre Spenden? Wer sind die Entscheider und dung, sowohl an die Experten als auch an die Strafver- wer nur die Geldgeber? Deswegen setzen wir uns als folgungsbehörden, zu erfolgen hat. Wir stehen für Büro- Union für Transparenz auf beiden Seiten ein. Hierzu hat kratieabbau. Mit einer Bündelung schaffen wir den (B) unser Kollege, Herr Professor Heribert Hirte, einen sehr (D) dringend notwendigen Abbau von Bürokratie. Wir fokus- guten Vorschlag vorgelegt. Diesen werden wir aufgreifen. sieren uns auf das Wesentliche und straffen die Ermittlun- gen. (Beifall bei der CDU/CSU) Sechstens; das ist gerade für die Ehrenamtlichen so Neuntens. Der Geldwäschebeauftragte einer Volks- wichtig. 500 000 eingetragene Vereine, darunter Sport- bank, Sparkasse oder privaten Bank ist aktuell persönlich vereine, Kulturvereine oder auch der Männergesangsver- haftend für seine Tätigkeit. Wir wollen, dass der Vorstand ein Nuttlar, erhielten in den letzten Wochen Post vom eines Kreditinstituts – wie bei allen anderen Handlungen Bundesanzeiger. Hier wurde ihnen die Gebühr für den seines Institutes auch – dafür haftet und geradesteht. Wir Eintrag im Transparenzregister mitgeteilt. Liebe Kolle- als Union stehen für den Schutz von Arbeitnehmerinnen gen, auch der SPD: Es gilt für uns der Koalitionsvertrag. und Arbeitnehmern in diesem Land. Wir wollen und werden das Ehrenamt unterstützen. Für uns als Union ist klar: Hier sollen den Worten auch Taten Zehntens. Den vielbeschworenen einheitlichen europä- folgen. Deswegen setzen wir uns für die Abschaffung der ischen Kapitalmarkt erreichen wir nur dann, wenn wir in Gebühren für gemeinnützige Vereine ein. Deutschland keine Sonderrolle spielen. Beispielsweise ist es nicht nachzuvollziehen, dass wir in Deutschland ma- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) ximal 100-Euro-Geldkarten an Tankstellen erwerben können, aber in unseren europäischen Nachbarländern Siebtens. Wir nehmen das Transparenzregister noch 150-Euro-Geldkarten. Hier setzen wir uns als Union für einmal genau unter die Lupe. Durchsichtigkeit bei Geld- eine Vereinheitlichung ein. wäsche ist richtig. Sie darf aber nicht dazu führen, dass datenschutzrechtliche Gesichtspunkte ausgehebelt wer- Elftens. Zum Schluss werden wir sehr kritisch prüfen – den. Es verbietet sich, Unternehmer unter Generalver- sehr geehrte Frau Ryglewski, da haben Sie unsere volle dacht zu stellen. Dass gerade die Grünen und die Linken Unterstützung –, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen im das fordern, ist fast schon symptomatisch. Die einen be- Immobilienbereich ausreichen. Wir werden in den nächs- gründen es aus der Ideologie der Verbote heraus, die an- ten Wochen mit den Experten sprechen und gegebenen- deren aus der Kritik an der sozialen Marktwirtschaft. Wir falls Anpassungen vornehmen. als Union werden es nicht durchgehen lassen, dass das Rückgrat unserer Volkswirtschaft durch diese ständigen Lieber Max, du siehst also: Geldwäsche in Deutsch- Frontalangriffe von Bündnis 90/Die Grünen und den Lin- land wird sich zukünftig nicht mehr lohnen. Aber wir als ken kaputtgemacht wird. Große Koalition bieten dir eine Alternative. Wir suchen dich als Arbeitskraft in der deutschen Wirtschaft. Knapp (Beifall bei der CDU/CSU) 790 000 freie Arbeitsplätze warten auf dich. Dafür haben Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14767

Sepp Müller (A) wir die Rahmenbedingungen geschaffen. Deswegen Es gibt immer wieder neue Regeln. Dabei sollten wir (C) kannst du schon morgen anfangen, mit ehrlicher Arbeit zunächst die bereits vorhandenen Möglichkeiten und be- dein Geld zu verdienen. Das Leben als Geldwäscher ma- stehenden Gesetze ausschöpfen. chen wir dir von Tag zu Tag schwerer. (Beifall bei der FDP – Bettina Stark-Watzinger Herzlichen Dank. [FDP]: Ja, ganz richtig!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Ich will Ihnen Beispiele nennen. In der Abgabenord- Bernhard Daldrup [SPD]) nung gibt es die Verpflichtung für Finanzämter, Hinweise Mein Geld nehme ich mit, ja? auf Geldwäsche und Korruption mitzuteilen. Das ist in der Praxis allerdings so gut wie nie der Fall. Ähnlich ist es bei der Steuerfahndung. Sie ist nach dem Geldwäsche- Vizepräsidentin Claudia Roth: gesetz ebenfalls verpflichtet, ihre Informationen mit an- Und ich dachte, Sie lassen das Geld für uns da. – Vielen deren Behörden zu teilen. Ganz selten geschieht dies in Dank, Sepp Müller. der Praxis. Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Markus Schon die Umsetzung der letzten Geldwäscherichtlinie Herbrand. hat bei uns kaum zu spürbaren Besserungen geführt, und dieses Schicksal prophezeie ich Ihrem Vorschlag zur Um- (Beifall bei der FDP) setzung dieser Richtlinie auch. Anstatt die wirklichen Probleme, zum Beispiel auch im Nichtfinanzsektor, anzu- Markus Herbrand (FDP): gehen, verschärfen Sie die Regel zum Transparenzregis- Es kommt auch eher selten vor, dass das Pult gesenkt ter auf Kosten unverhältnismäßiger Eingriffe in den Da- werden muss, wenn ich spreche. tenschutz. Bei aller Wichtigkeit, die wir der Bekämpfung (Heiterkeit bei der FDP sowie bei von Geldwäsche und Terrorfinanzierung einräumen müs- Abgeordneten der CDU/CSU) sen, darf man die Grundsätze des Datenschutzes nicht leichtfertig über Bord werfen. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegin- nen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf der (Beifall bei der FDP) Bundesregierung ist ja zunächst einmal eine Anklage ge- Außerdem erweitern Sie den Kreis derjenigen, die Mel- gen sich selbst. Die Bundesregierung musste sich einge- dungen nach dem GWG abzugeben haben. Den wirt- stehen, dass in Deutschland rund 100 Milliarden Euro schaftlich Berechtigten ausfindig zu machen, verursacht jährlich gewaschen werden – ein Eldorado für Geldwä- aber bei vielen kleinen und mittelständischen Unterneh- (B) scher –, und das ist eher eine konservative Schätzung der (D) men einen sehr hohen, für sie nicht nachvollziehbaren Bundesregierung. Nächstes Jahr – das wurde schon ge- Aufwand. sagt – wird Deutschland hinsichtlich seiner Bemühungen, die Geldwäsche zu bekämpfen, von der FATF, einem der Meine Damen und Herren, keiner hier im Hause be- OECD angegliederten Gremium, geprüft. Die Bundesre- zweifelt, dass wir bei der Bekämpfung von Geldwäsche gierung zittert schon vor Angst, weil der Zustand der und Terrorfinanzierung deutlich besser werden müssen. Geldwäschebekämpfung in Deutschland so schlecht ist, Wir verschließen dabei auch nicht die Augen vor neuen dass wir aufpassen müssen, nicht mit Ländern wie dem Herausforderungen. Dazu gehört etwa der genauere Blick Irak oder Afghanistan auf eine Stufe gestellt zu werden. auf virtuelle Währungen, die potenziell für kriminelle und Dass Deutschland bis zum Hals im Geldwäschechaos terroristische Zwecke missbraucht werden können. Diese steckt, ist aber – das muss auch gesagt werden – nicht nur neuen Herausforderungen brauchen auch neue Antwor- ein Versagen des Bundes. Auch die Länder leisten hierzu ten; das ist klar. Dennoch müssen Mittel und Zweck im- ihren unrühmlichen Beitrag. Ich will als Beispiel das mer im Einklang stehen. Darauf werden wir im Gesetz- Land Thüringen nennen. Dort gibt es nicht einmal vier gebungsverfahren achten. Personen, die für alle Schmuckhändler, Autoverkäufer, Herzlichen Dank. Spielhallen und Immobilienmakler im gesamten Bundes- land Thüringen zuständig sind. Das ist ein schlechter (Beifall bei der FDP) Scherz. (Beifall bei der FDP – Michael Theurer [FDP]: Vizepräsidentin Claudia Roth: Das musst du Max mal erklären!) Vielen Dank, Markus Herbrand. – Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Fabio De Masi. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen das deut- sche Geldwäscheproblem sachlich und überlegt angehen. (Beifall bei der LINKEN) Mit dem vorliegenden Entwurf der Bundesregierung tun wir das leider nicht. Hier wird eher auf Aktionismus ge- setzt. Für die Praxis geschieht wenig Sinnvolles. Wieder Fabio De Masi (DIE LINKE): einmal schießen Sie über die EU-Vorgaben hinaus, ganz Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! nach dem Motto „Viel hilft viel“. Herr Kollege Müller, es freut mich, dass Sie Max auf die Finger schauen wollen, aber ich möchte den Kollegen (Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Eben waren wir Straubinger gegen diese unhaltbaren Anschuldigungen noch zu schlecht!) ausdrücklich in Schutz nehmen. 14768 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Fabio De Masi (A) (Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN, der Fünftens ist das Problem bei der Financial Intelligence (C) CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜND- Unit des Zolls bei uns immer noch nicht gelöst. Es gab NIS 90/DIE GRÜNEN) einige Fälle, Verdachtsmeldungen mit Bezug zur Terro- rismusfinanzierung, in denen die Gelder nicht mehr ein- Deutschland ist ein Paradies für Geldwäsche. Der Anti- gefroren werden konnten, weil die Verdachtsmeldungen Mafia-Staatsanwalt von Palermo, Roberto Scarpinato, zu spät bearbeitet wurden. sagt: Wäre er Mafioso, würde er in Deutschland investie- ren. – Wir haben eine Party mit Betongold; insbesondere Sechstens müssen wir die Strafverfolgung in Deutsch- im Immobiliensektor herrschen große Probleme. Es geht land eben auch dadurch stärken, dass Landeskriminaläm- um hässliche Dinge. Es geht um Korruption, Steuerflucht, ter von Anfang an wieder in die Erstbewertung dieser Menschen-, Drogen- und Waffenhandel sowie die Finan- Verdachtsmeldungen einbezogen sind. zierung von Terrorismus. Das Bundesministerium der Fi- nanzen schätzt den Umfang der Geldwäsche in Deutsch- Siebtens sollten wir – auf elf Punkte komme ich wegen land auf 100 Milliarden Euro jährlich. meiner Redezeit wahrscheinlich leider nicht – auch die schwere Steuerhinterziehung zur Vortat der Geldwäsche Die EU verpflichtet den Finanzminister, ein neues definieren. Nur dann können Staatsanwälte wegen Geld- Geldwäschegesetz vorzulegen. Einige Maßnahmen be- wäsche ermitteln. grüßen wir. Achtens braucht Deutschland eine Bundesfinanzpoli- Erstens. Das Transparenzregister, das über die wahren zei wie Italien und ein Unternehmensstrafrecht. Banken, Eigentümer von Firmen aufklärt, soll öffentlich werden. die wiederholt Beihilfe zur Geldwäsche leisten, ist die Das ist allerdings keine Heldentat von Olaf Scholz, son- Lizenz zu entziehen. dern eine Vorgabe der EU. Und Kryptogeschäfte sollen besser reguliert werden. Das ist auch bitter nötig, weil mit Neuntens brauchen wir die beherzte Nutzung des In- Libra und Co ein Darknet der Finanzen droht. Es ist aber struments der Vermögensabschöpfung. Wer über den Ku'- nicht entscheidend, dass das Register öffentlich ist. Ent- damm mit seinem Ferrari rast und sich dem Verdacht scheidend ist, dass wahre Angaben drinstehen. Wir haben aussetzt, in Geldwäsche involviert zu sein, der soll nach- Meldeschwellen, nach denen man erst ab einem Anteil weisen, dass er dieses Auto mit legalen Mitteln erworben von 25 Prozent einer Firma darin auftaucht. Das heißt, hat. Wenn er das nicht kann, muss man ihm das Spielzeug man kann das Register mit Rocco und vier Brüdern aus- wegnehmen. tricksen. Wir haben also noch viel zu tun. Zweitens steigt im Immobiliensektor eine Party mit Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (B) Betongold. Das treibt auch die Mieten. Ich bin kein An- (D) hänger der Abschaffung des Bargeldes; aber es ist absurd, (Beifall bei der LINKEN) dass man in Deutschland ganze Wohnblöcke mit einem argentinischen Rindslederkoffer voller Geldscheine kau- Vizepräsidentin Claudia Roth: fen kann. Vielen herzlichen Dank, Fabio De Masi. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort gebe, möch- Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- te ich ganz herzlich auf der Tribüne Vertreter des irischen NIS 90/DIE GRÜNEN]) Supreme Court begrüßen. – A warm welcome to you of Drittens brauchen wir ein Immobilienregister, in dem the Supreme Court of Ireland in our house! die wahren Eigentümer der Immobilien stehen. Und wir (Beifall) sollten Immobilienkäufe wieder über Notaranderkonten abwickeln, damit die Notare sehen, wohin das Geld fließt. I hope you enjoy it! Das Problem ist, dass die wahren Eigentümer eben nicht Nächste Rednerin: Dr. Irene Mihalic für Bündnis 90/ in den Grundbüchern stehen. Daher sollten Firmen dazu Die Grünen. verpflichtet werden, den wahren Eigentümer von Immo- bilien gegenüber den Behörden offenzulegen. Ansonsten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) können Immobilien eben auch beschlagnahmt werden. Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Beifall bei der LINKEN) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Viertens haben wir ein erhebliches Problem im Nicht- Kollegen! Ja, Deutschland ist ein attraktiver Ort für in- finanzsektor, bei Notaren, Autohändlern oder Kunsthänd- ternationale Investitionen, für die legalen, aber leider lern. Dort sind die Bundesländer für die Aufsicht zustän- auch für die illegalen. Darum ist es selbstverständlich dig, von Standesbeamten bis zu Gerichtspräsidenten. Ich höchste Zeit, dass wir hier über Geldwäsche reden. habe es hier schon einmal in einer Debatte gesagt: Ich habe keine Zweifel; Standesbeamte können toll Ehen Expertinnen und Experten schätzen, dass sich das schließen. Aber sie sind die falsche Adresse für die Geld- Geldwäschevolumen in Deutschland – das ist vorhin wäschebekämpfung. – 2018 kamen nur 0,8 Prozent aller schon einmal gesagt worden – auf bis zu 100 Milliarden Verdachtsmeldungen aus dem Nichtfinanzsektor. Wir Euro jährlich beläuft. Auch die von der Bundesregierung brauchen dringend strengere Kontrollen und Bußgelder. in Auftrag gegebene Studie kommt zu einem ähnlich er- schütternden Ergebnis. Vor allem die Aufsicht im Nicht- (Beifall bei der LINKEN) finanzsektor scheint von eklatanten Defiziten geprägt zu Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14769

Dr. Irene Mihalic (A) sein. Hierzu zählt zum Beispiel die Immobilienbranche, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (C) aber auch der Handel mit hochwertigen Wirtschaftsgü- sowie bei Abgeordneten der FDP) tern, die einen hohen Wiederverkaufswert haben. Die Folgen für die Kriminalitäts- und Terrorismusbe- Meine Damen und Herren, diese Erkenntnisse sind kämpfung sind kaum absehbar. Stellen Sie sicher, dass die FIU ihre Aufgabe erfüllt und vor allen Dingen mit nicht neu. Auch die Warnungen der Wissenschaft und qualifiziertem Personal ausgestattet wird, welches auch der Strafverfolgungsbehörden sind nicht neu. Kollege in der Lage ist, fundierte Analysen zu erstellen. Stellen De Masi hat eben Roberto Scarpinato zitiert, den Ober- Sie sicher, dass die zuständigen Polizeibehörden die In- staatsanwalt aus Sizilien, der ebenfalls vor unglaublichen formationen über Verdachtsfälle zeitnah erhalten, damit Geldströmen von Italien nach Deutschland warnt. sie Ermittlungen einleiten können, bevor Spuren ver- Ein entschiedenes Vorgehen der Bundesregierung ist wischt sind. Sorgen Sie für eine effektive Geldwäschebe- bisher allerdings nicht erkennbar. Vielmehr ist ihr Han- kämpfung, ohne dabei rechtsstaatliche Grundsätze zu deln von Ideenlosigkeit geprägt, und das ist nicht gut, schleifen. Und vor allen Dingen: Nehmen Sie das Thema liebe Kolleginnen und Kollegen. Geldwäschebekämpfung endlich wirklich ernst. In Ihrem Gesetzentwurf ist dazu noch ein bisschen Luft nach oben! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ganz herzlichen Dank. sowie bei Abgeordneten der FDP) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ohne die Vorgaben der Europäischen Union bzw. ohne sowie bei Abgeordneten der FDP) die umzusetzende Geldwäscherichtlinie würden wir wahrscheinlich gar nicht über das Thema sprechen. Dabei ist die Geldwäschebekämpfung vielleicht das schärfste Vizepräsidentin Petra Pau: Schwert, das wir zur Bekämpfung bandenmäßiger und Das Wort hat der Kollege Dr. Jens Zimmermann für die organisierter Kriminalität haben; denn ohne den Grund- SPD-Fraktion. satz „follow the money“ könnten viele Straftaten über- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten haupt nicht aufgeklärt werden, angefangen beim systema- der CDU/CSU) tischen Steuerbetrug bis hin zum internationalen Drogen- oder sogar Menschenhandel. Meine Damen und Herren, Dr. Jens Zimmermann (SPD): das sind alles keine Kavaliersdelikte, sondern ganz Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn schwere und vor allen Dingen auch gemeinschädliche man sich die Situation in Berlin zurzeit anschaut, dann Straftaten. Das müssen wir dringend zur Kenntnis neh- muss man sagen, dass wir beim Kampf gegen Geldwä- (B) men. sche einen großen Erfolg zu verzeichnen haben. Zum (D) ersten Mal sind 70 Immobilien beschlagnahmt worden, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die im Bereich der bandenmäßigen Kriminalität eine Rol- Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung le gespielt haben. Das ist ein großer Erfolg. Dieser Erfolg zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU- ist auf die Einführung der Vermögensabschöpfung zu- Geldwäscherichtlinie enthält einige gute Ansätze – das rückzuführen, die wir hier im Hohen Haus auf den Weg will ich hier überhaupt nicht bestreiten –; aber er greift gebracht haben. in einigen Punkten wirklich zu kurz. Insbesondere die Wir müssen dafür sorgen, dass die Ermittlerinnen und Maßnahmen im Immobiliensektor, einem Hochrisikobe- Ermittler in diesem Bereich die nötigen Instrumente an reich, sind nicht ausreichend. Wir Grüne haben erst kürz- die Hand bekommen, um diesen schwierigen Kampf aus- lich genau zu diesem Thema einen Antrag mit einigen fechten zu können. Dafür wollen wir mit der Umsetzung Vorschlägen vorgelegt. Ich weiß nicht, ob wir auf elf der Geldwäscherichtlinie sorgen. Punkte kommen oder auf acht, aber es sind sicherlich einige vernünftige Punkte dabei. Beispielsweise könnten (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Barzahlungen bei Immobiliengeschäften ab einem gewis- der CDU/CSU) sen Schwellenbetrag generell untersagt werden. Oder No- Es ist wichtig, dass wir gerade im Immobiliensektor tare könnten dazu verpflichtet werden, Beurkundungen schauen, wie wir dafür sorgen können, dass, wenn ein gar nicht erst vorzunehmen, wenn Zweifel an der Her- Verdacht besteht, auch die entsprechenden Meldungen kunft des Geldes bestehen. gemacht werden. Da sind viele involviert, zum Beispiel Makler und Notare. Wir wollen im Zuge der Umsetzung Die notwendigen regulatorischen Anpassungen wer- der Geldwäscherichtlinie dafür sorgen, dass ganz klar ge- den aber allesamt ins Leere laufen, wenn die Financial regelt ist: Wer einen Verdacht hat, der muss diesen mel- Investigation Unit nach ihrem desaströsen Fehlstart nicht den, er soll am Ende aber nicht dafür haftbar gemacht endlich vom Kopf auf die Füße gestellt wird. werden können, dass er diese Meldung abgegeben hat. – (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich glaube, das ist eine ganz wichtige Verbesserung, die sowie bei Abgeordneten der FDP) wir auf den Weg bringen, meine Damen und Herren. Meine Damen und Herren der Bundesregierung, dieses (Beifall bei der SPD) Chaos bei der FIU hat die Geldwäschebekämpfung für Da die Financial Intelligence Unit schon mehrfach an- einen ganz erheblichen Zeitraum praktisch lahmgelegt, gesprochen worden ist, ist es mir wichtig, zu sagen: Wir und das geht voll auf Ihr Konto. haben diese Financial Intelligence Unit nach OECD-Vor- 14770 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Dr. Jens Zimmermann (A) bild gebildet; wer an der FIU Kritik äußert, der sollte sie aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es weitere (C) auch an die FATF richten. Diese Intelligence-Einheit ist Überweisungsvorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann im Aufbau. Da ist nicht alles glatt gelaufen. Aber wer jetzt verfahren wir wie vorgeschlagen. hier kritisiert, dass die FIU nicht gut arbeiten kann, der muss sich auch anschauen, was dazu im Regierungsent- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 32 auf: wurf steht. Wir sagen nämlich: Wenn in den Datenbanken der Länder ein Treffer erzielt wird, erhält die Financial Erste Beratung des von den Abgeordneten Intelligence Unit eine werthaltige Meldung. Das wird in Dr. Gottfried Curio, Marc Bernhard, Peter Boehringer, weiteren Abgeordneten und der den Datenbanken der Länder zur organisierten Krimina- lität geprüft. – Und was ist der aktuelle Stand? Die Finan- Fraktion der AfD eingebrachten Entwurfs eines cial Intelligence Unit bekommt keine Rückmeldung. Das Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgeset- wollen wir mit diesem Gesetz ändern. zes (Aufenthaltsänderungsgesetz – Aufent- hÄndG) Jetzt komme ich zu den Kolleginnen und Kollegen der Grünen und auch zu den Kolleginnen und Kollegen der Drucksache 19/14067 Linken. Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Inneres und Heimat (f) (Zuruf der Abg. Dr. Irene Mihalic Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die – Die Grünen sind in neun Landesregierungen dabei, Frau Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Kollegin. Der Bundesrat hat die Bundesregierung in sei- Widerspruch. Dann ist so beschlossen. ner Stellungnahme aufgefordert, das wieder zu streichen. Der Bundesrat möchte, dass wir einen weiteren Rück- Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abge- schritt beim Kampf gegen Geldwäschebekämpfung ma- ordnete Dr. Gottfried Curio für die AfD-Fraktion. chen. Dafür tragen Sie eine Mitverantwortung, Frau Kol- legin. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Dr. Gottfried Curio (AfD): Es geht natürlich auch um das Thema Kryptowerte. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- Das ist ein zweites wichtiges Thema. Am 5. September ren! Mit der Niederlassungserlaubnis erhält ein Auslän- sind 95 000 Bitcoins überwiesen worden. Das hört sich der einen dauerhaften Aufenthaltstitel, das Schlüsselrecht erst einmal nicht ganz so viel an. 95 000 ist zwar eine (B) für viele weitere Rechte – ein streng zu schützendes Gut, (D) hohe Summe, das entspricht aber ungefähr 1 Milliarde das nur nach klaren Regeln sorgsam und gerecht zu hand- Dollar. 1 Milliarde Dollar wurde transferiert, niemand haben ist. weiß, von wem an wen. Deswegen ist es wichtig, dass wir in diesem Bereich die gleichen geldwäscherechtli- An dieser Klarheit und Gerechtigkeit mangelt es. Die chen Vorkehrungen treffen wie im sonstigen Finanzbe- gegenwärtigen Bestimmungen bevorteilen Asylanten, reich. Ich glaube, die Strategie, dass die Sparkassen und Genfer-Konvention-Flüchtlinge, Resettlement-Flüchtlin- Volksbanken sich jetzt durch Dienstleistungen im Bereich ge im Vergleich zu sonstigen Ausländern. Also: Problem Bitcoins sanieren sollen, ist, glaube ich, eine sehr wacke- Ungleichbehandlung. Da hat man abgeschwächte Voraus- lige Strategie. Es ist ganz klar: Wer das machen möchte, setzungen, was speziell diese Gruppe stark begünstigt. So muss die gleichen Sorgfaltspflichten erfüllen wie alle an- reicht für die Vorzugsausländer beim Sprachniveau der deren Finanzinstitute auch. deutschen Sprache schon weniger als „ausreichende Be- herrschung“ und statt fünf Jahren Einzahlung in die ge- (Beifall bei der SPD) setzliche Rentenversicherung schon null Jahre, und statt Ich glaube, in der Anhörung werden wir eine spannen- vollständiger eigener Sicherung des Lebensunterhalts de Diskussion über dieses Thema haben. Wir haben koa- reicht schon die Hälfte, und bei Sicherung zu drei Vierteln litionsseitig einige weitere Themen eingebracht. Der Kol- und Beherrschung der deutschen Sprache winkt der An- lege Müller hat einiges davon schon erwähnt. Ich würde spruch auf die Niederlassungserlaubnis schon nach drei mich sehr freuen, wenn wir es schaffen würden, seitens Jahren. Das, meine Damen und Herren, ist in Wahrheit des Bundes eine klare Position gegenüber den Ländern nichts anderes als ein Ansiedlungsprogramm. einzunehmen und dafür zu sorgen, dass diejenigen, die den Kampf gegen Geldwäsche für uns führen, die not- (Beifall bei der AfD) wendigen Instrumente an die Hand bekommen. Problem falsche Logik. Diese Bevorteilung entbehrt Herzlichen Dank. jeder logischen Begründung. Diese Personen kommen ja meist als Schutzbedürftige lediglich aufgrund der je- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) weils aktuellen Zustände in ihrem Heimatland. Sie sind auch mit einem befristeten Aufenthaltstitel in Sicherheit Vizepräsidentin Petra Pau: und voll versorgt. Also: geringerer Einwanderungsstatus, Ich schließe die Aussprache. aber dafür mehr Privilegien? Ein doppelter Unsinn – weg damit! Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 19/13827 an die in der Tagesordnung (Beifall bei der AfD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14771

Dr. Gottfried Curio (A) Problem Wählertäuschung. Schutzgründe bestehen nur Fehlender Grenzschutz, Bruch von Dublin III – das heißt: (C) so lange wie der Fluchtgrund im Heimatland. Kanzlerin Zuständigkeit des Erstzutrittsstaats – runden das Bild ab. Merkel sagte 2016: Und jetzt Herrn Seehofers Zusage: Jeden Vierten neh- … das ist ein temporärer Aufenthaltsstatus. Und wir men wir, bitte. – Warum nicht ein Foto, wie er abzählt! erwarten, dass, wenn wieder Frieden in Syrien ist, … Das wäre eine würdige Fortsetzung von weiland Frau ihr … wieder in eure Heimat zurückgeht. Merkels Selfie-Reisewerbung. Stattdessen jetzt eine dauernde Aufenthaltsregelung? Da (Beifall bei der AfD) darf der Bürger sich fragen, ob er wiederum, wie im Sep- tember 2015, in seinen Erwartungen an Recht und Gesetz Und jetzt die jedes Maß sprengende Kriminalisierung getäuscht werden soll. der AfD. Herr Laschet will uns „bis aufs Messer“ be- kämpfen – offenbar in Migrantenbrauchtum schon gut (Beifall bei der AfD – Helin Evrim Sommer integriert. [DIE LINKE]: Wie viel Frieden haben wir denn in Syrien?]) (Peter Beyer [CDU/CSU]: Schämen Sie sich! Problem Kosten. Bei Erteilung dauerhafter Aufent- Rechtsausleger!) haltstitel mit gegebenenfalls jahrzehntelangem Bezug Sie soll davon ablenken, dass die Regierung permanent von Sozialleistungen ist höchste Wachsamkeit geboten. aus Illegalität Legalität machen will und so Illegalität Die forcierte massenhafte Migration in unsere Sozialsys- fördert. teme muss beendet werden. Meine Damen und Herren, die Niederlassungserlaub- Problem falsche Anreize. Zu den schon weltweit ein- nis ist meist der entscheidende Schritt zum Erwerb der malig attraktiven Aufnahmebedingungen Deutschlands Staatsbürgerschaft, wo dann ohne Not und massenhaft kommt diese Privilegierung noch hinzu. Auch wegen die- kulturfremde und oft nicht integrationswillige Ausländer ser Verstärkung des Magneten ist ihre Abschaffung ge- zu Wahlberechtigten gemacht werden. Deshalb Schluss boten. mit so einer inländerfeindlichen Politik, die zunehmend (Beifall bei der AfD) auch die Souveränität der deutschen Bürger hierzulande aushebelt. Problem Sekundärmigration. Solche Privilegierung er- zeugt erst die Binnenmigration des Asyltourismus inner- (Beifall bei der AfD – Helin Evrim Sommer halb Europas. In 2018 gab es in Deutschland fast 50 000 [DIE LINKE]: Das ist ja widerlich!) Asylgesuche mehr, als Migranten in ganz Europa einge- (B) reist waren. Diese Leute wissen nur zu gut, weshalb sie Alle Abgeordneten des gesunden Menschenverstands (D) weiter nach Deutschland wollen. Dem Irrsinn dieser spe- müssen gemeinsam eine schadenstiftende Regierung ziell deutschen Anreize muss ein Riegel vorgeschoben aus dem Sattel heben, und das bald. werden. (Beifall bei der AfD – Helin Evrim Sommer (Beifall bei der AfD) [DIE LINKE]: Wo leben Sie denn? – Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Sie sind eine Schande Problem ideologische Politik. Diese Verstetigung des für ihr humanistisches Gymnasium!) Aufenthalts der sogenannten Flüchtlinge um jeden Preis ordnet sich ein in eine eklatante ideologische Linie von ähnlich sachfremden Gesetzen: - Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Abgeordnete Alexander Throm für (Benjamin Strasser [FDP]: Sie reden von die CDU/CSU-Fraktion. Ideologie? Das ist ja bezeichnend!) (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Herr Curio, ich habe die Redezeit angehalten. Gestat- Alexander Throm (CDU/CSU): ten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung aus der Grü- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und nenfraktion? Kollegen! Wieder einmal ein Antrag der AfD zum Auf- enthaltsgesetz. Diesmal hat die AfD eine himmels- Dr. Gottfried Curio (AfD): chreiende Ungerechtigkeit bei der Erteilung von Nieder- Nein. – Fachkräftezuwanderungsgesetz, das jeden Zu- lassungserlaubnissen entdeckt. Ich zitiere aus dem wanderungswilligen bevorzugt, völlig unabhängig da- Gesetzentwurf: Das schafft „Ausländer erster und zweiter von, ob er benötigt wird: Wegfall der Vorrangprüfung, Klasse“. der Beschränkung auf Mangelberufe, der Voraussetzung (Benjamin Strasser [FDP]: Auch einer Arbeitsplatzzusage, oder Ausbildungsduldungsge- bemerkenswert!) setz, das jeden abgelehnten Asylbewerber, der Deutsch- land in der Regel betrogen und finanziell geschädigt hat, Hoppla! Was ist da denn los bei der AfD? Man reibt sich mittels Spurwechsel doch noch an den deutschen Boden verwundert die Augen. Will die AfD jetzt den Ausländern heften will – ein weiterer Migrationsanreiz. Die Absicht, zweiter Klasse helfen? Nein, ganz im Gegenteil: Sie will hiermit die künftige Wählerdemografie zu eigenen Guns- mit diesem Gesetzentwurf alle Ausländer zu Ausländern ten zu verschieben, darf der Regierung unterstellt werden. zweiter Klasse machen. 14772 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Alexander Throm (A) (Jörn König [AfD]: Sie haben doch Klassen Es geht um diejenigen, die persönlich verfolgt sind. (C) eingeführt!) Darüber hinaus müssen wir auch Integrationsbemü- Und dann diese Vorführung hier heute von Ihnen, Herr hungen fördern, und wir sollen dazu auch motivieren. Curio. Sie bleiben damit der Linie der AfD treu. Ich will Genau dies tun wir, indem wir hier eine klare Abstufung durchaus zugestehen, dass der Gesetzentwurf, wie Sie ihn vorgenommen haben. Deswegen halten wir auch an die- formuliert und begründet haben, zwar falsche und ser Regel fest. schlechte Argumente beinhaltet; aber sachlich. Das, was Sie heute hier betreiben, ist Hetze, Angstmache und das (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Da ist Verdrehen von Tatsachen, und das ist Ihre Masche. doch noch Krieg, Mensch!) (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, Nochmals: Wir haben es mit Personen zu tun, die per- der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE sönlich verfolgt sind. GRÜNEN) (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: In Jetzt zum Thema zurück. In der Tat, wir haben mit dem welcher Welt leben Sie denn?) Integrationsgesetz 2016 eine saubere Differenzierung und Abstufung für die Erteilung von Niederlassungser- Deswegen wäre es eigentlich gut, wenn auch Sie einmal laubnissen vorgenommen. eine Differenzierung vornehmen würden. Dann können wir Ihnen hier nämlich die Sorge vor einer großen Unge- (Dr. Bernd Baumann [AfD]: Die ist doch nicht rechtigkeit nehmen. Wir nehmen diese Differenzierung sauber!) vor. Ich würde vorschlagen, dass Sie das in Zukunft auch tun Damals wurde nämlich die Erfüllung der Voraussetzun- gen, als Asylbewerber anerkannt zu werden oder nach der (Dr. Bernd Baumann [AfD]: Sie haben es Genfer Flüchtlingskonvention Schutz zu erhalten, deut- überhaupt nicht verstanden!) lich verschärft. Bis dahin, 2016, konnte die Niederlas- sungserlaubnis nämlich bereits nach drei Jahren ohne – Sie haben es, glaube ich, nicht verstanden –, die Erfüllung weiterer Voraussetzungen erreicht werden, (Dr. Bernd Baumann [AfD]: Nein, Sie!) quasi durch Absitzen der Zeit. Das war nicht zielführend. und diese unerträgliche Hetze, die Sie hier in diesem Deswegen haben wir hier klare Kriterien eingeführt: Hohen Hause immer wieder vollführen, einfach unterlas- etwa Vorhandensein von ausreichendem Wohnraum, hin- sen. reichende Deutschkenntnisse und überwiegende Siche- (B) rung des Lebensunterhalts. Wenn das gegeben ist, dann (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LIN- (D) kann man nach fünf Jahren die Niederlassungserlaubnis KEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) erhalten. Wenn man ganz besondere Integrationsanstren- gungen vorgenommen hat, dann kann man sie schon nach drei Jahren erhalten, nämlich dann, wenn man seinen Vizepräsidentin Petra Pau: Lebensunterhalt weit überwiegend sichern kann. Das sind Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Benjamin nach Ihrer Definition die Ausländer erster Klasse. Strasser das Wort. Die Ausländer zweiter Klasse sind alle anderen, ein- (Beifall bei der FDP) schließlich der subsidiär Schutzberechtigten. Benjamin Strasser (FDP): (Jörn König [AfD]: Noch mal: Klassen von Ausländern haben Sie definiert!) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Und täglich grüßt das Murmeltier“ wäre ei- An die stellen wir in der Tat höhere Anforderungen: eine gentlich der bessere Titel für diese Debatte: einmal wie- volle Lebensunterhaltssicherung und bessere Deutsch- der völlig überraschend ein Gesetzentwurf aus der rech- kenntnisse und die Erfüllung weiterer Voraussetzungen. ten Ecke zum Thema Flüchtlinge. Diesmal geht es um das Warum – das hätten Sie sich doch einmal überlegen sol- Aufenthaltsgesetz. Alles nicht unbekannt, möchte man len – gibt es da eine Differenzierung? Ganz einfach: weil meinen; doch zwei Dinge sind komplett neu in Ihrem diejenigen, die asylberechtigt oder anerkannter Flüchtling Papier. nach der Genfer Flüchtlingskonvention sind, in ihrer Per- son direkt verfolgt sind. Diese Menschen genießen gerade Erstens. Kollege Throm, mir ist auch aufgefallen, dass vor dem Hintergrund unseres Mottos „Humanität und die AfD in ihrer Gesetzesbegründung von Ausländern Härte“ zunächst unseren Schutz und unsere Fürsorge. erster und zweiter Klasse spricht. Ich dachte, für die AfD gibt es gar keine Ausländer erster Klasse. Das ist Da diese Menschen persönlich verfolgt sind, werden schon einmal bemerkenswert. sie in ihrer weit überwiegenden Zahl in Deutschland blei- ben. Das müssen wir mit aller Ehrlichkeit sagen. Es ge- Zweitens. Vielleicht ist es Ihnen aufgefallen, liebe Kol- hört dazu, dass auch Sie das Ihren Wählerinnen und Wäh- leginnen und Kollegen: An keiner einzigen Stelle hat der lern sagen. Kollege Curio eine konkrete Zahl genannt, und das ist sehr ungewöhnlich, weil Sie von der AfD bei Flüchtlings- (Jörn König [AfD]: Aber doch nicht bei Kriegs- debatten mit Millionen nur so um sich werfen. flüchtlingen! 2016 hat die Kanzlerin gesagt: Wenn der Krieg vorbei ist, sollen sie zurück!) (Zuruf des Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD]) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14773

Benjamin Strasser (A) Sie können das Problem nicht in Zahlen beziffern; denn (Beifall bei der FDP) (C) Sie wissen ganz genau, dass Ihre These, die Niederlas- sungserlaubnis würde von Schutzsuchenden geradezu Vizepräsidentin Petra Pau: ausgenutzt, den Zahlen gar nicht standhält – ganz nach Das Wort hat Dr. Lars Castellucci für die SPD-Frak- dem Motto: Verwirre mich nicht mit Fakten; meine Mei- tion. nung steht fest. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Lars Castellucci (SPD): Aber ich will vor der Öffentlichkeit und im Plenum Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten einmal die Fakten darlegen, die Sie wahrscheinlich wis- Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im sentlich verschweigen. Ein Blick in das Ausländerzent- vorliegenden Gesetzentwurf geht es darum, wer unter ralregister macht deutlich, dass seit dem Integrationsge- welchen Bedingungen einen sicheren Aufenthaltsstatus setz 2016 – das benennen Sie auch – die Zahl der in unserem Land erhalten soll. Für uns Sozialdemokratin- Schutzsuchenden mit unbefristetem Aufenthaltsstatus nen und Sozialdemokraten ist klar: Wir arbeiten dafür, von 268 265 am Ende des Jahres 2016 auf 265 465 Perso- dass alle Menschen einen sicheren Aufenthalt, einen nen am Ende des Jahres 2018 zurückgegangen ist. Wenn sicheren Stand im Leben haben. Es gehört für uns zur Sie also von einem Pull-Faktor sprechen, dann ist das eine Würde des Menschen, ihn nicht dauerhaft in der Unsi- Sogwirkung nach unten und nicht nach oben, wie Sie in cherheit zu lassen. Freiheit ist unser erster Grundwert, Ihrer Gesetzesbegründung behaupten. aber Freiheit braucht auch ein Maß an Sicherheit. Diese Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit habe ich mich zu erhalten und zu stärken, bei uns, aber auch in inter- eigentlich genug mit diesem Gesetzentwurf einer Frak- nationaler Zusammenarbeit, das ist unser fortgesetztes tion beschäftigt, die Zuwanderung nicht nur rundherum Streben. ablehnt, sondern sie auch mit kruden Definitionen wie (Beifall bei der SPD) „Umvolkung“ und anderen Begriffen „verschönert“. Wo- hin das führt, das haben wir ja letzte Woche erlebt. Unser Aufenthaltsgesetz regelt, wer unter welchen Be- dingungen hier im Land bleiben kann. Diese Regelungen Deswegen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sind wichtig; denn Freiheit bedeutet natürlich nicht, dass ein kurzes Wort an die Regierungsfraktionen. Mit Ihrem jeder machen kann, was er will. Freiheit trifft immer auch Klein-Klein in der Einwanderungspolitik machen Sie es auf die des anderen. Im Aufenthaltsgesetz ist geregelt, gerade diesen Leuten viel zu leicht. Ihr Stückwerk beim wie man unser Land rechtmäßig betritt, und auch, wie (B) Fachkräfteeinwanderungsgesetz löst viele Fragen nicht. man es wieder zu verlassen hat, wenn man sich unrecht- (D) Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz aus einem Guss. mäßig aufhält. Diese Regeln müssen eingehalten werden, Solange Sie das nicht schaffen, werden Sie solche Reden und daran arbeitet diese Koalition mit großem Nach- hier nicht verhindern können. druck. (Beifall bei der FDP) (Norbert Kleinwächter [AfD]: Aber ohne Wir Freie Demokraten haben einen Vorschlag für ein Erfolg!) Einwanderungsgesetzbuch eingebracht, das alles regelt: Dabei liegen durchaus auch noch Aufgaben vor uns; die Einwanderung nach Deutschland, den Schutz von das ist unbestreitbar. Noch immer leben viele Menschen Schutzbedürftigen, aber auch die Themen „Abschiebung“ mit ungesichertem Aufenthalt unter uns. Über Jahre han- und „Ausreise“. geln sie sich von Duldung zu Duldung. Das ist für nie- Zum letzten Thema, Abschiebung, möchte ich schon manden gut. Sie können nicht mehr zurück, aber sie kön- noch einmal ein Wort sagen. Wahr bleibt: Sie schieben die nen bei uns auch nicht richtig ankommen. Diese Falschen ab in diesem Land. Sie schieben die Menschen sogenannten Kettenduldungen müssen wir überwinden. ab, die sich integriert haben. Sie schieben die Menschen (Beifall bei der SPD) ab, die einen Arbeitsplatz haben, Insgesamt – Herr Strasser, da gebe ich Ihnen durchaus (Zuruf von der CDU/CSU: Quatsch!) recht – ist unser Aufenthaltsrecht zu kompliziert und zu die bei Handwerkern, bei Unternehmen an der Werkbank unübersichtlich. Wir sind ein Einwanderungsland. Es ist arbeiten und einen Beitrag für unser Gemeinwesen leis- eine historische Leistung dieser Koalition und insbeson- ten. Auf der anderen Seite sind Sie nicht in der Lage, die dere der SPD-Bundestagsfraktion, die das durchgesetzt wirklich gefährlichen Personen außer Landes zu bringen. hat, dass wir ein Einwanderungsgesetz haben. Der Fall Sami A. hat es gezeigt. Innenminister Seehofer (Benjamin Strasser [FDP]: Schön, wenn es hat groß angekündigt, den Fall zur Chefsache zu machen. eines wäre!) Das Land NRW hat er damit alleingelassen. Integrations- minister Stamp musste handeln. Herr Seehofer hat nur Aber wir sind damit noch nicht am Ende. Auch wir wol- geredet. Deswegen der Appell an Sie: Sorgen Sie für eine len ein Einwanderungsrecht aus einem Guss, stimmig und geregelte Einwanderung nach Deutschland, damit Fach- in sich kohärent. Das werden wir in dieser Legislaturpe- kräfte auch die Chance haben, auf unserem Arbeitsmarkt riode nicht mehr erreichen, aber es bleibt unser Vorhaben, Fuß zu fassen! an dem wir festhalten. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) 14774 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Dr. Lars Castellucci (A) Nun zum vorliegenden Gesetzentwurf. Es geht darin Ich behandele diesen Gesetzentwurf bislang als eine (C) darum, dass Flüchtlinge im Vergleich zu Migrantinnen Sachfrage, aber wir wissen natürlich alle: Es ist gar keine. und Migranten unter erleichterten Bedingungen einen Wir haben die Begrifflichkeit wieder gehört: „Vorzugs- dauerhaften Aufenthalt in unserem Land, eine Niederlas- ausländer“, von einem „Ansiedlungsprogramm“ war die sungserlaubnis erreichen können. Es wird in diesem Rede. Es geht Ihnen einmal mehr darum, Geflüchtete so Gesetzentwurf behauptet, das Rechtsempfinden der Bür- darzustellen, als würden sie bevorzugt behandelt, als wür- gerinnen und Bürger sei gestört, und es ist von Privilegie- de ihnen etwas gegeben und anderen nicht. Sie schüren rungen die Rede. Offensichtlich soll es nach Auffassung damit ausgerechnet den Neid auf eine der schwächsten der AfD beim Rechtsempfinden der Bürgerinnen und Gruppen im Land, auf Menschen, die Schlimmes erlebt Bürger so sein: Nur dann, wenn man alles gleichbehandle, haben, die ihre Heimat verlassen mussten, die um ihre sei alles gut. – Das ist aber, glaube ich, nicht der Fall. Angehörigen bangen. Und es ist so: Mit dieser Art von Hetze schüren Sie und sind Sie mitverantwortlich für ein Stellen wir uns einmal vor: Sollen in Deutschland alle Klima, das in diesem Land am Ende zu Attentaten und zu die gleichen Steuern bezahlen? Nein. Wir sagen: Starke Übergriffen, wie wir sie am Wochenende gesehen haben, Schultern sollen mehr tragen als schwache Schultern. Es führt. ist richtig, große Vermögen stärker heranzuziehen. Man kann nicht gleichmachen, was nicht gleich ist. Es ist gut, (Thomas Seitz [AfD]: Sie sind der Hetzer!) dass wir hier Ungleiches auch ungleich behandeln. Das ist die Wahrheit, und mit dieser Verantwortung müs- Oder sollen wir Rentnerinnen und Rentner, die an der sen Sie leben. Theaterkasse oder beim Eintritt in den Zoo eine Ermäßi- gung bekommen, gleichbehandeln? Nein. Wir sagen: Die (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie Ungleichbehandlung ist gut. Wer sein Leben lang hier bei Abgeordneten der CDU/CSU und des gearbeitet hat, der hat, wenn er dann in den verdienten BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Ruhestand geht und nicht mehr das Gehalt bezieht, das er Abg. Benjamin Strasser [FDP]) oder sie vorher hatte, ein Anrecht darauf, dass wir ihm In dem Antrag sprechen Sie sich auch für eine einheit- entgegenkommen. Das ist auch eine Wertschätzung ge- liche, gerechte und moderne Migrationspolitik aus. Zum genüber diesen Gruppen. Glück führen Sie die nicht aus. Ich möchte Ihnen aber Gerecht ist nicht, einfach alle gleichzubehandeln. Es ist sagen, wofür wir als Sozialdemokraten arbeiten. Wir ha- gerecht, auch einmal Gleiches gleichzubehandeln und ben ein Einwanderungsgesetz geschaffen, und wir treten Ungleiches ungleich zu behandeln. Man kann Äpfel und dafür ein, dass es klare und vernünftige europäische Re- Birnen, liebe AfD-Fraktion, miteinander vergleichen, geln zur Einwanderung gibt, die uns helfen, die Migration (B) (D) aber man sollte dann nicht zu dem Schluss kommen, dass zu steuern und zu ordnen. Wir wollen ein entschlossenes Äpfel und Birnen das Gleiche sind; Handeln, um das Sterben im Mittelmeer zu beenden, und wir setzen uns ein für globale Gerechtigkeit, damit Men- (Beifall bei der SPD) schen, egal wo sie geboren sind oder wo sie leben, eine faire Perspektive haben. Das sind die Aufgaben, die vor sonst offenbart man einmal mehr, dass man etwas an den uns liegen. Sie verdienen unseren vollen Einsatz, und sie Augen hat. Es ist so: Gerade wenn es um Menschen in haben den vollen Einsatz der SPD-Bundestagsfraktion. Not geht, um Geflüchtete, schauen Sie nicht hin, sondern sind ideologisch verblendet, und dann kommen auch sol- (Beifall bei der SPD) che Vorlagen dabei heraus. Noch einmal: Aufenthaltsrecht – das klingt vielleicht Es gibt eine gute Begründung für die Ungleichbehand- erst mal abstrakt; aber es geht um Grundlegendes. Es geht lung von Geflüchteten und Migrantinnen und Migranten, darum, dass Menschen einen sicheren Stand im Leben was den Zugang zur Niederlassungserlaubnis angeht. brauchen. Dazu gehört, dass man nach einem arbeitsrei- Stellen Sie sich vor: Es ist irgendwo Krieg. Dann kann chen Leben in diesem Land in Würde alt werden kann. niemand anfangen, noch schnell einen Deutschkurs zu Deswegen kämpfen wir für eine Grundrente. Dazu ge- machen, um die Voraussetzungen zu haben, die wir hier hört, dass wir handeln, wenn Arbeitsplätze wegzufallen von den Menschen verlangen, sondern dann muss man drohen. Deswegen Investitionen auf einem Rekordni- sich in Sicherheit bringen. Die Startvoraussetzungen sind veau, deswegen unsere Forderung nach einem Rechtsan- unterschiedlich. Deswegen ist es auch richtig, dass wir spruch auf Weiterbildung. diese beiden Gruppen unterschiedlich behandeln. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Benjamin Die einen haben es schwerer; die anderen haben es Strasser [FDP]: Gern!) leichter. Interessant ist – das ist auch schon hervorgeho- ben worden –, dass Ihr Verbesserungsvorschlag nun darin Dazu gehört auch, dass Menschen, die wegen politischer liegt, es für alle gleich schwer zu machen. Ich finde, das Verfolgung oder Bürgerkrieg in ihren Heimatländern kann man bei AfD-Politik grundsätzlich als Überschrift auch absehbar keine Bleibe haben können, bei uns an- wählen. Immer dann, wenn Sie etwas vorschlagen, wird kommen können, dass sie Hilfe finden, Schutz finden es hinterher schlechter – für alle. Auch das kommt in und Unterstützung dabei, dass sie als unsere Mitbürgerin- diesem Gesetzentwurf einmal mehr zum Ausdruck. nen und Mitbürger zum Erfolg dieses Landes beitragen können. Für diese Politik, die unser Land zusammenführt (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten und stark macht, bitte ich das ganze Haus um Unterstüt- der CDU/CSU) zung. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14775

Dr. Lars Castellucci (A) Vielen Dank. Schlimmer als dieser Gesetzentwurf der AfD, von der (C) man ja nichts anderes erwarten kann, ist, dass auch die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Große Koalition mit dem sogenannten Integrationsgesetz der CDU/CSU) die Voraussetzung für die Aufenthaltsverfestigung bei an- erkannten Flüchtlingen verschärft hat. Durch diese Ver- Vizepräsidentin Petra Pau: schärfungen sollen im Grunde genommen Flüchtlinge Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, teile ich Ihnen nicht wirklich ankommen, sie sollen „abschiebbar“ ge- mit, dass ich mir das Vorabprotokoll dieser Debatte hier- halten werden. Auch nach jahrelangem Aufenthalt und her bestellt habe. Ich meine, wahrgenommen zu haben, trotz Arbeit und guter Integration sollen sie nach wie dass es aus der Fraktion der AfD eben eine Beleidigung vor mit einer Abschiebung rechnen müssen. gegeben hat. Ich prüfe das natürlich und behalte mir aus- Die Betroffenen stecken oftmals jahrelang in einem drücklich vor, wenn das so stattgefunden hat, das nach- Teufelskreis. Sie haben keine sichere Aufenthaltsper- träglich auch entsprechend zu sanktionieren. spektive und deshalb kaum Chancen auf dem Arbeits- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der oder Ausbildungsmarkt. Ohne Sicherung des Lebensun- LINKEN und des Abg. Benjamin Strasser terhaltes bekommen sie aber keinen gesicherten Aufent- [FDP]) haltsstatus. Dennoch haben laut den aktuellen Zahlen des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung knapp Das Wort hat die Abgeordnete Gökay Akbulut aus der 40 Prozent der Geflüchteten inzwischen einen Arbeits- Fraktion Die Linke. oder Ausbildungsplatz. (Beifall bei der LINKEN) Außerdem bereichern sie auch unsere Gesellschaft kul- turell im Gegensatz zu der AfD. Gökay Akbulut (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Kollegen! Die AfD versucht mit diesem Gesetzentwurf NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes, den rechtlichen ten der SPD – Lachen bei der AfD) Rahmen wieder einmal zu verschieben – und zwar ganz So ging der Deutsche Buchpreis diese Woche an Sascha weit nach rechts außerhalb des rechtlichen Rahmens. Das Stanisic. Ein junger Mensch, der als Kriegsflüchtling aus ist aber mit uns nicht zu machen. Bosnien nach Deutschland kam, bereichert nun die deut- (Beifall bei der LINKEN) sche Literatur, und das ist auch gut so. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem (B) Nach Ihrem Wunsch sollen Flüchtlinge für den Erhalt (D) einer Niederlassungserlaubnis die gleichen Anforderun- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gen erfüllen müssen wie alle anderen Drittstaats- Diese Beispiele sollten unsere Perspektive sein: die angehörige. Menschen hier ankommen lassen, ihnen aufenthaltsrecht- (Thomas Seitz [AfD]: Aber liche Sicherheiten geben, sie bei der Integration unterstüt- selbstverständlich!) zen und ihnen die gleichen Rechte einräumen. Menschen fliehen vor Krieg und Verfolgung, verlieren ihre Woh- Die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 ist das Er- nung, Perspektive, Freunde und Familienmitglieder. Der gebnis der Schreckensherrschaft zur Zeit des Zweiten einzige Weg aus diesem Elend ist nun mal die Flucht – so Weltkriegs. Der völkerrechtlich verbindliche Vertrag re- wie aktuell aus Syrien, Jemen und vielen anderen Kriegs- gelt das Grundrecht auf Asyl. Sie sprechen in Ihrem Ge- und Krisenherden, die Sie ja nicht sehen wollen oder setzentwurf von einer nicht gerechtfertigten „Privilegie- können. rung von … Flüchtlingen“. Das ist schlichtweg falsch. Wenn Sie wirklich etwas gegen die wahren Privilegierten Man möchte niemandem wünschen, in der Haut der in unserer Gesellschaft unternehmen möchten, dann soll- Menschen zu stecken, die diesen Schritt wagen müssen. ten Sie sich vielleicht für die Erbschaft- oder Vermögen- Mit diesem Gesetzentwurf machen Sie deutlich, dass Sie steuer aussprechen. sich von dem Grundsatz, dass Geflüchteten Schutz und eine Perspektive geboten werden muss, distanzieren. Da- (Beifall bei der LINKEN) bei stellt unter anderem die Genfer Flüchtlingskommis- Nach Artikel 34 der Genfer Flüchtlingskonvention gilt sion das Gegenstück zum Naziregime dar. Sie ist ein der Grundsatz, die „Eingliederung und Einbürgerung der Mahnmal für uns und für unsere Gesellschaft. Wir müs- Flüchtlinge zu erleichtern“. Und natürlich gibt es gute sen diesen wichtigen Grundsatz verteidigen. Dafür steht Gründe dafür, dass Menschen, die als Geflüchtete hier- Die Linke. herkommen, anders zu behandeln sind als beispielsweise Vielen Dank. Fachkräfte, die hier für ein Unternehmen arbeiten. Men- schen, die flüchten, haben häufig nicht die Möglichkei- (Beifall bei der LINKEN) ten, die solche Fachkräfte oder andere Gruppen haben; denn sie können die ökonomischen Anforderungen meis- Vizepräsidentin Petra Pau: tens nicht bereits nach wenigen Jahren erfüllen. Unter Das Wort hat Luise Amtsberg für die Fraktion Bünd- Berücksichtigung dieser Tatsachen hat man gerade Arti- nis 90/Die Grünen. kel 34 der Genfer Flüchtlingskonvention geschaffen. Das ist auch gut so. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 14776 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

(A) Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deshalb überrascht dieser Gesetzentwurf auch nicht. (C) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mal wieder einer dieser klassischen Initiativen der Aber dass Sie dann auch noch die Genfer Flüchtlings- AfD, frei der Logik folgend: Was kann man eigentlich kommission und das europäische Recht, das Ihnen bei noch alles unternehmen, um geflüchteten Menschen in dieser Frage doch sonst piepegal ist, bemühen, um die Deutschland das Ankommen und das Leben so schwer Standards in Deutschland abzusenken, wenn es um den wie möglich zu machen. Anrechnungszeitraum des Aufenthaltes in Deutschland geht, ist so etwas von dreist, wirklich dreist. Dabei arbeitet dieser Gesetzentwurf mit den klassi- schen Methoden, die wir von der AfD nur zu gut kennen. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Er spielt wieder einmal verschiedene Gruppen, die unter- Keine Prinzipien!) schiedlicher nicht sein könnten, gegeneinander aus. Er ignoriert die schwierigen Lebensumstände von Geflüch- Das europäische Recht und die Genfer Flüchtlings- teten und packt Menschen in eine wirklich unerträgliche kommission formulieren eine Mindestanforderung. Wa- Verwertungslogik. rum? Das verstehen Sie nicht; das weiß ich. Flüchtlinge sollen geschützt werden vor einem Race to the Bottom, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN damit Brüder im Geiste wie zum Beispiel Orban in Un- und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten garn nicht auch noch an solche Rechte die Axt anlegen – der SPD) und das ist auch richtig so. Man fragt sich: Was muss eigentlich bei einem falsch (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, laufen, wenn man behauptet, dass es gerechter zugeht, bei der SPD und der LINKEN) wenn man anerkannte Flüchtlinge mit Zuwanderern gleichstellt? Wie kann man allen Ernstes gesetzlich ma- Es wird Sie also nicht überraschen, dass wir diesen Ge- nifestieren wollen, dass ein Mensch, der zum Schutze setzentwurf ablehnen. Ich freue mich auch, wenn das hier seines Lebens vor Krieg geflohen ist, häufig alles verlo- im Hause unter den Demokraten Konsens ist. ren hat – Heimat, Arbeit, Besitz, Familie, Zukunft –, die gleichen Anforderungen für eine Niederlassung erfüllen Ich wünsche mir wirklich, dass wir endlich die Ärmel muss, die jemand zu erfüllen hat, der in seinem Heimat- hochkrempeln, dass wir beherzt die Aufgaben angehen, land einen Bildungsabschluss erworben hat, sich vorbe- die die Integration von Menschen mit sich bringt – das ist reiten konnte, schon ein bisschen Deutsch gelernt hat und nicht immer leicht –, und dass wir aufhören, ständig zu freiwillig nach Deutschland kommt, um hier zu arbeiten? begrenzen, und stattdessen Menschen von Anfang an in (B) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- die Lage versetzen, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen, (D) wie bei Abgeordneten der SPD – Norbert sich in Deutschland eine Zukunft aufzubauen. Kleinwächter [AfD]: Genau! Der Qualifizierte Dass ausgerechnet ein CSU-Innenminister nun zu der sollte eher kommen!) späten Einsicht gelangt ist, dass es europäische Lösungen Das hat doch nichts mit Gleichstellung zu tun. Nein, die- statt nationaler Alleingänge braucht, ist – das kann man ser Gesetzentwurf hat ein einziges Ziel: Er soll einfach auch mal sagen – sehr überraschend für uns Grüne. Umso nur die Perspektive zerstören, dauerhaft in Deutschland mehr bestürzt und irritiert es uns, zu erleben, wie viel bleiben zu können. Gegenwind Horst Seehofer für diese Initiative jetzt ge- rade aus den eigenen Reihen bekommt. Ich kann nur sa- Ich gebe zu: Zu der Erkenntnis, dass gerade anerkannte gen: Wir Grüne stehen an seiner Seite in dem Bemühen, Flüchtlinge diese Perspektive, diese Sicherheit brauchen, Menschen, die in der EU Schutz suchen, solidarisch auf um sich zu integrieren, gerade wenn sie bereits seit Jahren die Mitgliedstaaten zu verteilen und ein faires Asylver- in unserem Land leben, dass sie diese Sicherheit brau- fahren in allen Ländern zu gewährleisten. chen, um überhaupt die Chance zu haben, auf dem Ar- beitsmarkt außerhalb des Niedriglohnsektors anzukom- Wenn am Ende eines Verfahrens ein Schutzanspruch men, zu dieser Erkenntnis braucht es Empathie und die bescheinigt wird, dann ist es unsere Aufgabe, diesen Bereitschaft, sich in die Lebenslage von geflüchteten Menschen hier eine Perspektive zu bieten, ihnen dabei Menschen hineinzuversetzen. Und wenn man mal ehrlich zu helfen, sich zu integrieren, und sie hier wirklich an- ist: Aufgabe humanitärer Politik, das, was Politikerinnen kommen zu lassen; denn – das muss man auch sagen – und Politiker zu leisten haben, ist, genau das im Auge zu gerade das Beispiel Syrien zeigt, wie langwierig und ver- behalten. Aber Augenmaß, Herz, Anstand in Ihren Rei- trackt manche Konflikte verlaufen können. Wer hier ge- hen zu finden, wenn es um Geflüchtete geht, das ist Zeit- gen die sichere Bleibeperspektive der Betroffenen Stim- verschwendung. mung macht, der gefährdet unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt, unseren Frieden und verspielt eben auch (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: die Chance einer guten Integrationspolitik. Auch sonst!) So viel habe ich in den vergangenen Jahren gelernt. Herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten KEN) der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14777

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: mussten, um überhaupt eine Aufenthaltsgenehmigung (C) Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Abgeordnete zu erlangen, handelt es sich bei der zweiten Gruppe um Michael Kuffer das Wort. Menschen, die einen Aufenthaltstitel aus ganz anderen Gründen, nämlich aus humanitären Gründen, haben. Sie (Beifall bei der CDU/CSU) können diese beiden Gruppen nicht gleichsetzen. Das meine ich gar nicht in erster Linie moralisch – das auch –, Michael Kuffer (CDU/CSU): sondern vor allem schlicht rechtstechnisch. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Aufenthaltsgesetz ist eines der zentralen Instrumente Einfach ausgedrückt: Bei der einen Gruppe, nämlich unserer Ausländerpolitik, und selbstverständlich stehen der Gruppe der Ausländer ohne humanitäre Aufenthalts- wir als CSU zu unserem Versprechen an die Bürger für gründe, ist die Integration Voraussetzung für das Bleibe- eine Politik der dauerhaften Steuerung und Begrenzung recht, bei der anderen Gruppe, der Gruppe der Ausländer der Zuwanderung. Wir wissen, wir handeln dabei mit dem mit humanitären Aufenthaltsgründen, ist die Integration Mandat der Mehrheit unserer Bevölkerung, liebe Kolle- die notwendige Konsequenz aus dem Bleiberecht, das aus ginnen und Kollegen. anderen Gründen besteht. Humanität und Ordnung – diesen Zweiklang haben wir (Zurufe von der AfD) immer wieder betont, und er ist auch für die hiesige De- Oder noch einfacher gesagt: Im einen Fall folgt das Blei- batte wichtig. Wir wollen die Reaktion auf internationale berecht der Integration, im anderen Fall die Integration Krisen und die Humanität in Einklang bringen mit den dem Bleiberecht. innenpolitischen Interessen und der Aufnahme- und In- tegrationsfähigkeit Deutschlands. Ich will noch einmal darauf hinweisen: Mit der von uns im Zuge des Integrationsgesetzes initiierten Gesetzesver- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) schärfung im Jahr 2016 haben wir die Hürden für die Als CSU haben wir uns dabei wahrlich nie dem Verdacht Erteilung einer Niederlassungserlaubnis bereits erheblich ausgesetzt, nicht bis zuletzt hart in der Sache und, wenn es erhöht und damit ein vernünftiges und stimmiges Maß sein muss, um jedes einzelne Detail verhandelt und ge- erreicht. Insofern gibt es keinen Änderungsbedarf. So kämpft zu haben. Dabei mussten wir – das wissen Sie – wie es ist, ist es gut, und so wie es ist, soll es auch bleiben. auch manches Mal die Schmerzgrenzen in Fraktion und Deshalb werden wir Ihren Gesetzentwurf, der schlicht- Koalition ausreizen. Wir handeln dabei aber aus Über- weg sinnlos ist, ablehnen. zeugung und werden es jederzeit wieder tun, wenn es sein Vielen Dank. muss. Und das hat sich auch ausgezahlt, liebe Kollegin- (B) nen und Kollegen. Das gilt gerade mit Blick auf die (Beifall bei der CDU/CSU) (D) weitreichenden Gesetzesverschärfungen der letzten Jah- re, sei es die massive Senkung der Asylantragszahlen, die Vizepräsidentin Petra Pau: wir damit erreicht haben, die Aussetzung des Familien- Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Detlef nachzugs für subsidiär Schutzberechtigte oder die Stär- Seif für die CDU/CSU-Fraktion. kung und Ordnung im Bereich der Rückführung. Die CSU hat jeweils geliefert. (Beifall bei der CDU/CSU) Aus diesem Grund, liebe Kollegen von der AfD, lassen Detlef Seif (CDU/CSU): wir uns auch von Ihnen heute keinen Sand in die Augen streuen, wenn Sie wieder einmal versuchen, mit Ihrem Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Gesetzentwurf den Eindruck zu erwecken, hier dringend Kollegen! Meine Damen und Herren! Die von der AfD notwendige und angeblich längst überfällige Änderungen vorgeschlagene Gesetzesänderung würde der besonderen auf den Weg bringen zu müssen. Das ist nämlich schlicht Lage der betroffenen Personen nicht gerecht werden. Es nicht der Fall. Ich will Ihnen auch erklären, warum es hier handelt sich einerseits um anerkannte Flüchtlinge und überhaupt keinen Handlungsbedarf gibt. Asylberechtigte, andererseits aber auch um Resettle- ment-Flüchtlinge. Das sind besonders betroffene Perso- Die von Ihnen angemahnten Unterschiede in den Vo- nen, zum Beispiel Überlebende von Folter und Gewalt raussetzungen zur Erteilung einer Niederlassungserlaub- und besonders gefährdete Frauen oder Mädchen. nis nach § 9 Absatz 2 Aufenthaltsgesetz und einer solchen nach § 26 Absatz 3 Aufenthaltsgesetz betreffen eben Meine Damen und Herren von der AfD, Herr Curio, nicht, anders als von Ihnen behauptet, zwei vollkommen Sie haben heute einmal mehr gezeigt, dass Sie eigentlich vergleichbare Personengruppen; vielmehr unterscheiden die Timm-Thaler-Partei sind, die Partei, die ihr Herz ver- sie sich wesentlich. Der wesentliche Unterschied an die- kauft hat. Der AfD-Gesetzentwurf ist kaltherzig. Was Sie ser Stelle besteht in einem unterschiedlichen Grund und vorgetragen haben, ist zynisch. Keinerlei Empathie ist einem gänzlich unterschiedlichen Aufbau für die Aufent- vorhanden und erkennbar. Natürlich können Sie bei die- haltserteilung in Deutschland. ser Grundeinstellung nicht nachvollziehen, dass wir die- sen besonders betroffenen, gefährdeten Personenkreis Wohingegen Personen, die für die Erteilung einer Nie- auch schützen. Aber ich sage Ihnen eins: Alle anderen derlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 3 zu bewerten Personen in diesem Hause werden ihrer Verantwortung sind, vor Beginn ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik gerecht, haben das Herz an der richtigen Stelle und wer- beispielsweise aus privaten Gründen oder auch, um hier den auch zukünftig diesen besonderen Personenkreis zu arbeiten, die geforderten Kriterien bereits erbringen schützen. 14778 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Detlef Seif (A) (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem Vizepräsidentin Petra Pau: (C) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- Ich schließe die Aussprache. ordneten der FDP und der LINKEN) Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs Um eins klarzustellen: Für alle anderen Antragsteller, auf Drucksache 19/14067 an die in der Tagesordnung diejenigen, deren Anträge abgelehnt wurden, zum Bei- aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es weitere spiel in den Fällen eines Verbots der Abschiebung oder Überweisungsvorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann in Fällen, in denen eine Abschiebung aus sonstigen recht- verfahren wir, wie vorgeschlagen. lichen Gründen nicht möglich ist, gelten selbstverständ- lich die höheren Voraussetzungen des § 9 Aufenthaltsge- Ich rufe die Tagesordnungspunkte 34 a und 34 b sowie setz, den Zusatzpunkt 27 auf: 34 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung (Zuruf von der AfD: Leider nicht!) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes für genauso wie für den großen Kreis der subsidiär den Schutz vor Masern und zur Stärkung Schutzberechtigten. Sie bauschen ein Problem auf, das der Impfprävention (Masernschutzgesetz) keins ist; denn in § 26 werden überwiegende Lebensun- Drucksachen 19/13452, 19/13826 terhaltssicherung und hinreichende Sprachkenntnisse vo- rausgesetzt. Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit (Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE b) Beratung des Antrags der Abgeordneten GRÜNEN]: Das ist schon schwer genug!) Katja Dörner, Katrin Göring-Eckardt, Kordula Schulz-Asche, weiterer Abgeordne- Das sind bereits Voraussetzungen, die für viele Flücht- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE linge unüberwindbar sind, die sie nie erfüllen werden. Die GRÜNEN Regelung fordert nämlich, dass sie ihren Lebensunterhalt zu mindestens 50 Prozent sicherstellen. Das bedeutet für Masern und andere Infektionskrankhei- eine mehrköpfige Familie ein Einkommen von 1 000 Euro ten jetzt eliminieren – Solidarität und Ver- netto oder auch weitaus mehr. Das Sprachniveau A2 – nunft fördern, Impfquoten nachhaltig stei- darüber lachen wir vielleicht – werden viele Flüchtlinge gern nie erreichen. Deshalb wird das auch in der Zukunft theo- Drucksache 19/9960 retischer Natur bleiben und kein Massenproblem sein. Überweisungsvorschlag: (B) (Zurufe von der AfD) Ausschuss für Gesundheit (f) (D) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Aber es gibt etwas viel Gravierenderes – ich habe, Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuss direkt gesagt, den Gesetzentwurf nicht gelesen; da ist sicher wieder irgendein rechtlicher Fehler drin oder ir- ZP 27 Beratung des Antrags der Abgeordneten gendetwas dogmatisch falsch –: Die Bundeskanzlerin Dr. Andrew Ullmann, Michael Theurer, Renata hat gesagt, man müsse den Menschen aber auch sagen, Alt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der dass es sich um einen vorübergehenden Aufenthaltsstatus FDP handelt. Daraus leiten Sie jetzt ab, die Ansicht der Bun- Impfquoten wirksam erhöhen – Infektions- desregierung – so behaupten Sie – stehe im eklatanten krankheiten ausrotten Widerspruch zur privilegierten Niederlassungserlaubnis. Das ist falsch und entspricht nicht der Rechtslage. Natür- Drucksache 19/14061 lich haben wir im Wege eines zweistufigen Verwaltungs- Überweisungsvorschlag: verfahrens – ob das gewünscht ist oder nicht, ist eine Ausschuss für Gesundheit andere Frage – rein rechtlich die Möglichkeit, über das BAMF den Status als Asylberechtigter, den Status als Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Flüchtling zu entziehen, wenn in der Heimat keine Ver- Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen folgung mehr droht. Und wenn dieser erste Schritt in dem Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. zweistufigen Verfahren getan ist, dann kann die Auslän- Sobald alle Kolleginnen und Kollegen ihren Platz ge- derbehörde natürlich im zweiten Schritt auch die Aufent- funden haben, können wir fortfahren. haltserlaubnis, hier die Niederlassungserlaubnis, wider- rufen. Das haben Sie nicht gesehen und behaupten hier Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Parla- Falsches. mentarische Staatssekretär Dr. Thomas Gebhart. Der AfD-Antrag ist abzulehnen. Er gehört in den (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Bundestagsschredder. Ich wünsche Ihnen ein schönes Abgeordneten der SPD) Wochenende. Dr. Thomas Gebhart , Parl. Staatssekretär beim Bun- Vielen Dank. desminister für Gesundheit: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Herren! Die Masern gehören zu den ansteckendsten In- neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE fektionskrankheiten des Menschen. Sie sind alles andere GRÜNEN) als eine harmlose Kinderkrankheit. Masern können mit Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14779

Parl. Staatssekretär Dr. Thomas Gebhart (A) schweren Komplikationen und Folgeerkrankungen ein- Meine Damen und Herren, im 70. Jahr des Bestehens (C) hergehen. In seltenen Fällen enden sie sogar tödlich. des Grundgesetzes haben wir natürlich im Blick, dass unsere Verfassung insbesondere das Grundrecht auf kör- Eine große Zahl von Kindern, von Jugendlichen und perliche Unversehrtheit garantiert. Daraus folgt aber von Erwachsenen ist heute nicht geimpft. So kommt es, nicht nur ein Abwehrrecht der Bürgerinnen und Bürger, dass allein in diesem Jahr deutschlandweit mehr als sondern daraus folgt eben auch eine Pflicht, und zwar die 490 Masernfälle gemeldet worden sind. Das ist die ak- Pflicht des Staates, die Gesundheit insbesondere der tuelle Situation. Schwächsten in dieser Gesellschaft aktiv zu schützen. Was ist unser Ziel, und wo wollen wir hin? Wir wollen Ich denke dabei zum Beispiel an Menschen mit einem die Masern ausrotten. Ich will, dass kein Kind mehr an geschwächten Immunsystem. Ich denke insbesondere an Masern erkrankt, und ich will, dass niemand mehr an den Säuglinge. Folgen dieser Krankheit stirbt. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung zwar (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der keine allgemeine Impfpflicht vorgesehen. Vielmehr ha- LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP) ben wir die Regelungen zu einem verpflichtenden Ma- Die Ausbreitung von Masern kann unterbunden wer- sernschutz so zugeschnitten, dass insbesondere die Perso- den. Dazu ist es erforderlich, dass mindestens 95 Prozent nen geschützt werden, die in Einrichtungen regelmäßig der Bevölkerung gegen Masern immun sind. Dann ent- mit anderen Personen in Kontakt kommen. steht ein Gemeinschaftsschutz, von dem auch diejenigen Unser Gesetz sieht auch vor, dass die Bevölkerung profitieren, die sich selbst gar nicht impfen lassen kön- besser über das Thema Impfen zu informieren ist. Aber nen. Den besten Schutz vor Masern bieten Impfungen. Es ich sage: Informieren alleine reicht nicht. Deswegen ge- ist doch eine Errungenschaft der Zivilisation und ein Er- hen wir mit diesem Gesetz nun einen Schritt weiter. Wir folg des medizinischen Fortschritts, dass wir heute hoch- haben nämlich nicht nur eine Verantwortung für das, was wirksame und verträgliche Impfstoffe zur Verfügung ha- wir tun, sondern wir haben auch eine Verantwortung für ben. das, was wir nicht tun. Deswegen: Handeln wir konse- (Beifall bei der CDU/CSU) quent. Für unsere Kinder! Wahr ist auch: Die Rahmenbedingungen für die Impfprä- Herzlichen Dank. vention sind in den letzten Jahren verbessert worden. Aber obwohl die Rahmenbedingungen verbessert worden (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) sind, gibt es heute noch Impflücken, insbesondere beim (B) Masernschutz. Auch das gehört zur aktuellen Lage dazu. Vizepräsidentin Petra Pau: (D) Mit einem Gesetz wollen wir nun weitere Maßnahmen Das Wort hat der Abgeordnete Ulrich Oehme für die ergreifen. Der Schutz vor Masern wird verbessert, und die AfD-Fraktion. Prävention durch Schutzimpfungen wird weiter gestärkt. (Beifall bei der AfD) Was sieht dieser Gesetzentwurf nun vor? Kinder und die- jenigen, die in die Schule und in die Kitas kommen, müs- sen einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder Ulrich Oehme (AfD): aber eine Immunität gegen Masern aufweisen. Dies gilt Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen auch für Personen, die zum Beispiel in Asylbewerberun- und Herren! Liebe Zuschauer! Dem Gesetzentwurf, wie terkünften untergebracht werden sollen. Gleiches soll für er jetzt vorliegt, können wir als AfD nicht zustimmen. Er diejenigen gelten, die in solchen Einrichtungen oder auch ist der wiederholte und gezielte Angriff auf die Freiheits- in medizinischen Einrichtungen tätig sind. Ich sage: Das rechte unserer Bürger. Anstatt die Bürger in dieser wich- ist konsequent. tigen Frage mitzunehmen, werden wieder Zwang und Sanktionen bei Verstößen angedroht. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Lassen Sie mich unsere Hauptkritikpunkte noch mal Entsprechende Nachweise über den Masernimpfschutz zusammenfassen. oder die -immunität müssen grundsätzlich gegenüber der Leitung der jeweiligen Einrichtungen erbracht werden. Erstens. Das Gesetz betrifft hauptsächlich die Impfung Wer einen entsprechenden Nachweis nicht erbringen von Kindern, obwohl deren Durchimpfungsrate mit kann, darf in den genannten Einrichtungen grundsätzlich 97,1 Prozent bei Erstimpfung über den 95 Prozent, der nicht aufgenommen oder tätig werden. Dies gilt im Üb- Vorgabe der WHO, liegt. rigen nicht für schulpflichtige Kinder und Jugendliche, weil klar ist: Die Schulpflicht hat Vorrang. (Tino Sorge [CDU/CSU]: Es geht ja auch um die zweite Impfung! Es gibt zwei! Die zweite Aber das ist noch nicht alles. Zusätzlich sehen wir ist besonders wichtig!) weitere wesentliche Schritte vor, um die Impfprävention in unserem Land zu stärken. So soll zum Beispiel die Das zeigt uns doch, dass die Eltern sehr verantwortungs- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung die Be- voll handeln. Die eigentliche Impflücke bei den Erwach- völkerung verstärkt zielgruppenspezifisch informieren. senen im Alter zwischen 20 und 50 wird damit nicht ge- Fachärzte sollen unabhängig von Fachgebietsgrenzen schlossen. Nicht zuletzt würden circa 88 Prozent der impfen dürfen. Und: Die Impfdokumentation soll künftig Kinder sinnlos ein zweites Mal zwangsgeimpft. Cui bo- auch elektronisch erfolgen. no? Wem nützt das? 14780 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Ulrich Oehme (A) (Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Nicht sinnlos! – (Beifall bei der AfD) (C) Zuruf von der CDU/CSU: Das ist nicht sinnlos! Das ist mit Sinn!) In einem darf man Grünen und FDP aber zustimmen: Niedrigschwellige Angebote und Aufklärung würden in Zweitens. Frankreich und Tschechien beispielsweise der Tat dabei helfen, auch bei diesem Thema das Vertrau- weisen trotz Impfpflicht eine höhere Rate an Maserner- en und die Zustimmung der Bevölkerung wieder zu erhö- krankungen als Deutschland auf. Zwang führt zu Wider- hen, stand, auch bei denen, die sich freiwillig impfen lassen. (Tino Sorge [CDU/CSU]: Das hatten wir doch (Peter Beyer [CDU/CSU]: Du siehst ja, was da in den letzten Jahren! Das hat zu nichts ge- rauskommt!) führt!) Menschen holen sich ihre Freiheit auf anderen Wegen wieder. aber nur dadurch und nicht durch Zwang. Deshalb begrü- ßen wir höhere Aufwendungen für die Bundeszentrale für (Zuruf von der FDP: Nämlich?) gesundheitliche Aufklärung. Wollen Sie den Zwang dann noch mehr erhöhen? Einen Allerdings verstehen wir nicht, warum jetzt das Thema Vorgeschmack bieten Ihre Fraktionskollegen in Thürin- Masern überhaupt so in den Vordergrund gerückt wird. gen. Dort will man bezüglich aller Empfehlungen der Ständigen Impfkommission pflichtimpfen. Wem nützt (Karin Maag [CDU/CSU]: Das denke ich mir! – es? Tino Sorge [CDU/CSU]: Wenn Sie öfter im Gesundheitsausschuss wären, würden Sie das (Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Den Kindern!) verstehen! Dort sieht man Sie nie!) Drittens. Im Gesetzentwurf zur Masernimpfung ver- birgt sich auch, dass, wenn Mehrfachimpfstoffe zur Ver- Die Zahlen des Robert-Koch-Instituts der letzten 20 Jahre fügung stehen, diese verwendet werden müssen. Damit beweisen, dass die Zahl der Erkrankungen ständig wird die Mitimpfung gegen andere Erreger legitimiert. schwankt. So gab es 2001 6 139 Erkrankungen und 2018 nur 543. (Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Richtig so!) (Sabine Dittmar [SPD]: Nur?) Es wird derzeit kaum ausschließlich gegen Masern, son- dern hauptsächlich gegen Masern, Mumps und Röteln 6 139 Erkrankungen: Das sind gerade einmal 0,007 Pro- geimpft. zent der Bevölkerung. Gibt es nicht wichtigere Probleme in diesem Land? (B) (Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Und Varizellen!) (D) Und wer bestimmt zukünftig, welche anderen Stoffe noch (Rudolf Henke [CDU/CSU]: Ja, sicher gibt es mitgeimpft werden? Die Industrie? die!) (Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Die STIKO! Wie sieht die Bundesregierung das Thema Krankenhaus- Kennen Sie die STIKO?) hygiene und Schutz vor multiresistenten Keimen? Warum dann nicht noch Tetanus, Diphtherie, Pneumo- (Beifall bei der AfD) kokken in den Impfstoff packen? Den 56 Maserntoten zwischen 2007 und 2017 stehen rund Viertens. Weiterhin wird ganz bewusst vergessen, dass 2 400 Tote allein im Jahr 2015 entgegen. Das sind sechs sowohl Bund als auch Länder bereits über Instrumente Tote pro Tag. Reaktion der Bundesregierung: keine. zur Epidemiebekämpfung verfügen. Die Voraussetzung für die Klassifizierung von Masern als Epidemie, die eine (Rudolf Henke [CDU/CSU]: Das ist doch gar Impfpflicht nach § 20 Absatz 6 bzw. Absatz 7 Infektions- nicht wahr!) schutzgesetz legitimieren würde, besteht nach Aussage Wir müssen wieder das herstellen, was die Menschen des Robert-Koch-Institutes derzeit überhaupt nicht. in diesem Land verloren haben: Vertrauen in die Institu- (Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP]) tionen und in die Gerechtigkeit des Staates. Nicht zuletzt möchte ich anmerken, dass der Gesetz- (Beifall bei der AfD) entwurf ein Verstoß gegen mehrere im Grundgesetz ver- ankerte Grundrechte ist, beispielsweise das Recht auf Beenden wir diese Farce und geben den Menschen das körperliche Unversehrtheit, zurück, was man ihnen immer wieder nehmen möchte: die freiwillige, informierte, selbstbestimmte Entschei- (Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Das werden wir dung über ihre eigene Gesundheit. Wem nützt es? Den ja sehen!) Bürgern, uns, unserem Land. das Elternrecht und das Gleichheitsrecht im Verhältnis Liebe Kollegen, ich freue mich schon auf die öffent- zwischen Kind und Eltern. liche Anhörung am Mittwoch und wünsche Ihnen ein (Otto Fricke [FDP]: Was ist mit den Rechten schönes Wochenende. der Kinder?) Glück auf! Wir möchten nicht, dass der Staat die Aufgaben der Eltern übernimmt. (Beifall bei der AfD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14781

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: Und genau darum geht es im Masernschutzgesetz: (C) Das Wort hat die Abgeordnete Sabine Dittmar für die Durch die Erhöhung der Impfquote wollen wir die Her- SPD-Fraktion. denimmunität erreichen. Wir wollen vulnerable Perso- nengruppen besser schützen, also Personen, die zum Bei- (Beifall bei der SPD) spiel aufgrund einer Erkrankung nicht geimpft werden dürfen, und insbesondere Kinder unter neun Monaten. Sabine Dittmar (SPD): Deshalb halte ich es für vertretbar, notwendig und ver- Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Wenn hältnismäßig, den Nachweis eines ausreichenden Impf- man dem Herrn Oehme so zuhört, meint man, die Welt schutzes für Kinder, die in Gemeinschaftseinrichtungen sei voller Impfgegner und -skeptiker. Glücklicherweise betreut werden, und für Personen, die dort arbeiten, zu haben Ihre Kollegen im Brandenburger Landtag da eine verlangen. andere Position. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Tatsache ist doch, Kolleginnen und Kollegen, dass eine der CDU/CSU) breite Mehrheit der Bevölkerung sehr wohl weiß, dass Mit dieser Forderung befinde ich mich in guter Gesell- Impfungen ein medizinischer Segen sind. Impfungen schaft. Nicht nur der Deutsche Ärztetag und der Berufs- schützen nicht nur die eigene Gesundheit, sie schützen verband der Kinder- und Jugendärzte, sondern laut Um- auch das Umfeld. Wenn es aber eine so große Impfbereit- fragen auch die Mehrheit der Bevölkerung stehen hinter schaft gibt: Warum verfehlen wir dann Jahr für Jahr er- dieser sogenannten Impfpflicht. Die Impfung ist ein neut das erklärte Ziel, Masern zu eliminieren? leichter und zeitlich begrenzter Eingriff in die persönliche Seit über 40 Jahren stehen hierfür wirksame und auch Freiheit – das hat der Staatssekretär dargestellt –, der aber sehr gut verträgliche Impfstoffe zur Verfügung. Die Bun- von einem großen gesellschaftlichen Nutzen ist. Ich mei- deszentrale für gesundheitliche Aufklärung initiierte ne, die individuelle Entscheidungsfreiheit endet dort, wo mehrere Aufklärungskampagnen. Die Überprüfung des die Gesundheit und sogar das Leben anderer wissentlich Impfstatus ist Gegenstand von diversen Vorsorge- und gefährdet werden. Gesundheitsuntersuchungen. Mittlerweile ist vor jedem (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Kitabesuch der Nachweis einer Impfberatung zu erbrin- der CDU/CSU und des Abg. Ralph Lenkert gen. Trotz all dieser Bemühungen und Regelungen haben [DIE LINKE]) wir weiterhin nicht tolerierbare Impflücken. Sehr geehrte Damen und Herren, Impfungen schützen Wir benötigen bei der Masernzweitimpfung eine Impf- uns wirksam vor Erkrankungen. Ich möchte Sie daher (B) quote von 95 Prozent, um die Herdenimmunität zu errei- direkt an die Grippeschutzimpfung erinnern. Jetzt, bei (D) chen. Davon sind wir weit, weit entfernt. Für dieses Jahr diesem herbstlichen Schmuddelwetter, ist die richtige sind beim Robert-Koch-Institut schon wieder fast Zeit dafür. Damit Sie es in Zukunft auch noch leichter 500 Masernfälle erfasst. 95-prozentige Herdenimmunität haben und es niedrigschwelliger ist, sich gegen Grippe bedeutet, dass es in Deutschland nicht mehr als 80 Ma- impfen zu lassen, haben wir gleich auch noch einen Än- sernfälle im Jahr geben darf. derungsantrag eingebracht, der es Apotheken zukünftig Liebe Kolleginnen und Kollegen, Masern sind keines- im Rahmen eines Modellversuchs ermöglichen wird, die wegs eine harmlose Kinderkrankheit. Impfung durchzuführen. (Karin Maag [CDU/CSU]: So ist es!) Ich danke für die Aufmerksamkeit und wünsche ein schönes Wochenende. Masern sind eine der ansteckendsten Erkrankungen welt- weit. Wenn Sie als ungeschützte Person Kontakt mit ei- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten nem Maserkranken haben, erkranken Sie zu fast 100 Pro- der CDU/CSU) zent an Masern. Masern sind nicht nur hochvirulent. Sie sind auch hochgefährlich. Bei etwa jedem zehnten Be- Vizepräsidentin Petra Pau: troffenen treten Komplikationen auf: von der Lungenent- Das Wort hat der Kollege Dr. Ullmann für die FDP- zündung bis hin zur Hirnhautentzündung. Aber besonders Fraktion. dramatisch sind die Spätfolgen, die oftmals erst Jahre nach der Infektion auftreten. Ich spreche hier von der (Beifall bei der FDP) subakut sklerosierenden Panenzephalitis, SSPE: Masern- viren zerstören die Nervenzellen im Gehirn und führen letztendlich zum Tod. Dr. Andrew Ullmann (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Warum erzähle ich das so ausführlich? Masern und ein Kollegen! Meine Damen und Herren! Noch nie in der an SSPE erkrankter Patient waren Thema meiner ersten Geschichte der Menschheit hatten wir eine so hohe Le- ärztlichen Prüfung. Diese dramatische Krankengeschich- benserwartung. Warum ist das so? Dank des medizin- te hat meine Einstellung zum Thema Impfen tief geprägt. ischen Fortschrittes, dank der medizinischen Forschung Der Junge infizierte sich im ersten Lebensjahr mit Ma- und dank der Möglichkeiten der Impfung gegen viele sern, also zu einem Zeitpunkt, als der Nestschutz nach- Infektionskrankheiten! Erst seit Kurzem gibt es sogar ei- ließ, die Impfung aber noch nicht durchgeführt werden nen Ebola-Impfstoff auf dieser Welt. Das ist etwas Gutes, konnte. und dafür kämpfen wir auch in der Politik hier in Berlin. 14782 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Dr. Andrew Ullmann (A) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten heute, im 21. Jahrhundert, an impfpräventablen Infektio- (C) der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNIS- nen erkranken, leiden oder gar sterben, dann verstehen SES 90/DIE GRÜNEN) wir, dann verstehe ich als Arzt keinen Spaß mehr. Da Wer heutzutage noch Masernpartys feiert, seine Kinder besteht ganz klar politischer Handlungsbedarf. zu Masernpartys schickt, begeht für mich ganz klar Kör- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten perverletzung. Das muss aufhören, und wir werden uns der CDU/CSU und der SPD) hier im Bundestag dafür einsetzen, dass das nicht mehr weitergeht. Die liberale Lebensphilosophie beinhaltet Verantwor- tung, auch und gerade für unsere Gesellschaft. Jeder kann (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der eigenverantwortlich die von uns jetzt vorgeschlagenen SPD) niederschwelligen Impfangebote annehmen. Als Gesell- Impfungen sind nämlich effektiv und auch sicher, liebe schaft haben wir natürlich Verantwortung für alle Kinder. AfD. Impfungen verhindern Leid, Impfungen verhindern Wenn Eltern ihre Kinder nicht adäquat schützen, muss der den Tod. Wer das leugnet, gehört zu den Verschwörungs- Start ähnlich wie bei der Schulpflicht oder einer Kindes- theoretikern, die meinen, dass HIV eine Erfindung der wohlgefährdung eingreifen. Wir Freie Demokraten sind CIA ist. bereit, diese Verantwortung mitzutragen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Warum sind die Impfraten so niedrig? Wir haben das ja gerade schon andiskutiert. Unser Land ist sicherlich nicht Das bedeutet in letzter Konsequenz die Impfpflicht. voller Impfgegner. Es ist eher ein Problem des Vergessens Deshalb machen Sie – Herr Dr. Gebhart kann es dem und des Nichtwissens. Deswegen frage ich mich: Warum Minister gerne ausrichten – Gebrauch von der Serviceop- fokussiert sich der Gesetzentwurf nur auf Masern und position. Wir bieten Ihnen an, das Masernschutzgesetz zu nicht auch auf andere Erkrankungen wie zum Beispiel verbessern und ein gutes Impfgesetz zu entwickeln. Dafür Hepatitis oder HPV? Dazu ist im Gesetzentwurf leider stehen wir bereit. Auch ich freue mich auf die Auseinan- nichts zu finden. dersetzung und die Diskussion im Ausschuss. Was ist mit den Erwachsenen, die außerhalb der Kitas Herzlichen Dank. beruflich mit gefährdeten Kindern zu tun haben, zum Bei- spiel in Krankenhäusern? Ich denke hier auch nicht nur an (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten die klassischen Kinderkrankheiten, sondern auch an an- der CDU/CSU) (B) dere Infektionskrankheiten, die existieren. Frau Dittmar (D) hat gerade die Grippeschutzimpfung erwähnt. Wir kön- Vizepräsidentin Petra Pau: nen empfehlen: Auch hier im Bundestag gibt es diese Das Wort hat die Kollegin Susanne Ferschl für die Impfung. Fraktion Die Linke. Niedrige Impfraten sind ein Indikativ für fehlendes Impfwissen. Ich frage Sie auch hier im Plenum – schauen (Beifall bei der LINKEN) Sie in Ihren Impfausweisen nach –: Wer von Ihnen kennt den Impfstatus bei Keuchhusten? – Nachdem Sie 18 Jahre Susanne Ferschl (DIE LINKE): alt geworden sind, sollten Sie mindestens einmal geimpft Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin- worden sein. Wenn nicht: Unsere Bundestagsärztin steht nen und Kollegen! Masern sind eine hochansteckende Ihnen sicherlich zur Verfügung, um das nachzuholen. und gefährliche Krankheit. In Europa gab es über Jahr- hunderte hinweg Krankheiten, Seuchen und Epidemien, Machen wir uns doch ehrlich: Wenn Eltern bzw. ihren die Millionen Menschen das Leben gekostet haben. Imp- Kindern Impfungen niederschwellig angeboten werden oder automatisierte digitale Systeme sie daran erinnern fungen haben diesen Zustand beendet. Im 21. Jahrhundert sollte nun wirklich niemand mehr Schaden durch ver- würden, dann wären unsere Impfraten besser. meidbare Krankheiten nehmen. (Beifall der Abg. Christine Aschenberg- Dugnus [FDP]) (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sabine Dittmar [SPD]) Wir würden so – wissenschaftlich fundiert – die WHO- Impfquote von 95 Prozent erreichen. Das geht freiwillig, Vor allem Menschen, die aufgrund ihres Alters oder eigenverantwortlich und ohne Zwang. chronischer Krankheiten nicht oder noch nicht geimpft werden können, brauchen ganz dringend den Schutz der Als Oppositionspartei bieten wir der Regierung Hilfe- geimpften Mehrheit, den sogenannten Herdenschutz. stellung an. In unseren Anträgen haben wir das Thema „Niedrigschwellige Angebote“ angesprochen. Wir haben (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordne- heute gehört, dass Gesundheitskompetenz durchaus et- ten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des was Wichtiges ist – auch hier im Bundestag. Dafür sollte BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) man früh sorgen – auch bei Kindern. Das ist eine Genera- Es geht also nicht allein um eine individuelle Entschei- tionenaufgabe. dung, sondern auch um Verantwortung gegenüber der Wir Freie Demokraten setzen auf Eigenverantwortung Gesellschaft. Aus all diesen Gründen befürworten wir und Stärkung des Einzelnen. Doch wenn Kinder noch das Ziel des Gesetzentwurfes. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14783

Susanne Ferschl (A) In diesem Gesetzentwurf heißt es einleitend, dass das evaluieren und erst danach gegebenenfalls eine Impf- (C) Impfen vernachlässigt wurde und es deshalb jetzt Impflü- pflicht einzuführen, oder man kürzt den Weg ab und setzt cken gibt. Das stimmt. Der Staat hat sich aus der Verant- parallel gleich auf eine Impfpflicht. Dabei ist in jedem wortung zum Schutz der Bevölkerung vor Epidemien Fall das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit mit über die letzten Jahre immer weiter zurückgezogen. Des- dem Gemeinwohlinteresse sorgfältig abzuwägen. Diese wegen gibt es heute kaum noch aufsuchende Impfaktio- Entscheidung müssen wir jetzt treffen. Das müssen wir – nen, zum Beispiel in Schulen und Kitas. Das war früher in da bin ich ehrlich – auch in meiner Fraktion. Im Ziel sind Ost und West gang und gäbe. Ich kann mich da noch gut wir uns aber einig: Wir brauchen dringend höhere Impf- an meine eigene Kindheit erinnern; da war dies üblich. quoten. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Vielen Dank. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Stephan Pilsinger [CDU/CSU]) Es gibt auch keine flächendeckenden Angebote in Be- trieben, Jobcentern, Vereinen, Obdachlosenunterkünften usw. Das ist auch gar nicht möglich; denn durch die neo- Vizepräsidentin Petra Pau: liberale Politik ist der öffentliche Gesundheitsdienst ka- Das Wort hat Kordula Schulz-Asche für die Fraktion puttgespart worden. Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Aha! In Berlin Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- auch?) NEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte Das sind doch die Gründe für die Impflücken und nicht sehr viele Jahre beruflich mit Infektionskrankheiten zu die Impfmüdigkeit der Bevölkerung. Wer hat das zu ver- tun. Ich kann Ihnen sagen, ich habe Kinder gesehen, die antworten? Fragen Sie sich doch einmal, wer in den letz- aufgrund einer Masernerkrankung an Meningitis gestor- ten Jahren den Gesundheitsminister gestellt hat, meine ben sind. Daher ist für mich – das gilt auch für meine Damen und Herren von der CDU. Fraktion – klar: Sich impfen zu lassen, ist nicht nur Man muss Menschen niedrigschwellige, kostenlose Selbstschutz, sondern auch ein Akt gesellschaftlicher So- und lebensnahe Angebote machen. Ärzte müssen stärker lidarität. über Impfschutz informieren und den Impfstatus der Pa- (B) tienten kontrollieren; das vorgeschlagene digitale Impfre- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, (D) gister ist hier vielleicht ein sinnvoller Weg. Dies gilt ins- bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Ab- besondere für erwachsene Patienten. Denn bei denen gibt geordneten der FDP und der LINKEN) es die größten Impflücken. Diese werden von dem ge- Ich weiß auch: Nötig sind starke Institutionen, glaub- planten Gesetz gar nicht erfasst. hafte Institutionen, die regelmäßig wissenschaftlich fun- dierte Empfehlungen zur Impfung der Bevölkerung ge- Ich persönlich bin der Meinung, dass diese Maßnah- ben. Glücklicherweise haben wir in Deutschland solche men hätten ergriffen werden müssen, bevor man auf eine Institutionen. Ich nenne hier für viele andere das Robert- Impfpflicht setzt, die man in letzter Konsequenz mit ei- Koch-Institut und die unabhängige Ständige Impfkom- nem Bußgeld durchsetzen will. Machen wir uns doch mission. Ich möchte an dieser Stelle besonders diesen nichts vor: Die zahlungskräftigen Impfskeptiker werden beiden Institutionen unseren Dank aussprechen. sich freikaufen, und gerade diejenigen, die Unterstützung brauchen und vielleicht nur aus Unwissen nicht impfen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden zur Kasse gebeten. und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten Statt die Weichen in der Vergangenheit richtig zu stel- der SPD und der FDP) len, spart man die öffentliche Daseinsvorsorge kaputt, Wir haben in Deutschland regional sehr unterschied- stellt dann erstaunt fest, dass es Impflücken gibt, und sieht liche Impfquoten. Hier müssen wir – das wurde gerade sich dann gezwungen, ad hoc zu reagieren. Ich würde gesagt; recht herzlichen Dank dafür – endlich die öffent- endlich von Bundesregierungen eine vorausschauende lichen Gesundheitsämter in den Kreisen und Städten wie- Politik erwarten. der stärken. Sie machen die Arbeit vor Ort, vernetzt mit dem Robert-Koch-Institut und vernetzt mit der Weltge- (Beifall bei der LINKEN) sundheitsorganisation. Sie sind der Schlüssel für eine wir- Dass staatlicher Zwang polarisiert, ist doch klar. Das kungsvolle Bekämpfung aller Infektionskrankheiten. heißt, die emotionale Debatte, die jetzt geführt wird, ha- ben Sie letztlich mit zu verantworten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Für Masern empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (Beifall bei Abgeordneten des eine flächendeckende Impfquote von 95 Prozent in der BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Bevölkerung. Für den vollen Impfschutz sind zwei Imp- Wir haben jetzt sachlich darüber zu diskutieren, wie man fungen notwendig. Kinder in Deutschland sind mit der einen wirksamen Herdenschutz herstellt. Entweder setzt Erstimpfung zu 97 Prozent geimpft, allerdings – auch man zuerst auf Aufklärung und Impfanreize, um dann zu das muss man beachten – sind es bei der zweiten Impfung 14784 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Kordula Schulz-Asche (A) nur noch 93 Prozent. Deshalb setzt unser Antrag gerade Als Gesundheitspolitiker und vor allem auch als Arzt (C) hier an: bei den Kindertagesstätten. Denn wir wollen, warne ich aber ausdrücklich davor, die Masern zu unter- dass alle Kinder diese Bildungseinrichtungen besuchen schätzen. Masern gehören zu den ansteckendsten Infek- können, gerade auch die Kinder, die aus gesundheitlichen tionskrankheiten, die wir kennen. Zudem werden Ma- Gründen nicht selbst geimpft werden können. Das ist für sernviren ausschließlich von Mensch zu Mensch uns ein ganz wesentlicher Punkt. Deswegen haben wir übertragen. Das ist ein wichtiger Punkt; denn das heißt, unseren Antrag dazu eingebracht. dass wir dieses Virus durch lückenlose Impfungen aus- rotten können. Das ist nicht nur seit über 35 Jahren das Das größte Problem mit dem Schutz vor Masern haben Ziel der Weltgesundheitsorganisation, sondern sollte wir jedoch bei den jungen Erwachsenen. Bei diesen liegt auch das Ziel des Deutschen Bundestages sein. die Impfquote bei unter 50 Prozent. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Im Gesetzentwurf der Bundesregie- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) rung wird diese Gruppe überhaupt nicht erwähnt. Sie re- Leider scheinen wir uns aktuell von diesem Ziel eher den von Impfschutz. Jede Familienfeier wird zur Gefahr, zu entfernen: Alleine bis Mai dieses Jahres wurden dem weil die jungen Erwachsenen dort genauso hingehen wie Robert-Koch-Institut bereits 420 Fälle von Masern ge- die ungeimpften Kinder oder die Säuglinge, die noch meldet. Im Jahr 2018 waren es über das gesamte Jahr nicht geimpft werden können. Das ist ein großes Loch gesehen nur etwa 540 Fälle. in Ihrem Gesetzentwurf. Das zeigt, dass die Bundesregie- rung keine umfassende Impfstrategie vorlegen kann. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viele davon waren Erwachse- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ne?) sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das können wir in einem Land mit einem solch fort- Was gehört zu einer solchen Impfstrategie? Dazu ge- schrittlichen Gesundheitssystem einfach nicht akzeptie- hört, dass zielgruppen- und regional angepasste Aufklä- ren. rung stattfindet, dass die Impfangebote leicht zugänglich sind und sich in den Alltag der Menschen integrieren (Beifall bei der CDU/CSU) lassen, damit man nicht einen halben Tag Urlaub nehmen Ich möchte Ihnen in drei Punkten gerne erläutern, wa- muss, um sein Kind impfen zu lassen. Natürlich brauchen rum ich Impfungen gegen Masern grundsätzlich für sinn- wir endlich einen digitalen Impfpass mit Erinnerungs- voll und auch für obligatorisch halte: funktion, der bitte schön auch international kompatibel ist. Erstens und ganz grundsätzlich. Masern sind keine harmlose Kinderkrankheit, sondern eine hochanstecken- (B) (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) de Infektionskrankheit mit teilweise sehr schwerwie- genden Verläufen und Spätfolgen. Dabei können wir Wir sehen die Bedeutung eines solchen Impfpasses bei das verhindern; denn uns stehen gut verträgliche Impfun- den Tetanusimpfungen. In Deutschland wird jeder gen zur Verfügung. Das Risiko einer Impfung ist deutlich Mensch, der einen Unfall hat, gegen Tetanus geimpft, geringer als das Risiko von Komplikationen bei einer Er- weil man nicht feststellen kann, ob er bereits geimpft ist krankung. oder nicht. Das zeigt doch, wie wichtig es ist, moderne Techniken einzusetzen, um zu wissen, wer einen aus- Zweitens. Die Impfungen sind wirksam. Mithilfe der reichenden Impfschutz hat und wer nicht. uns zur Verfügung stehenden Impfstoffe erreichen wir eine Immunität einfach und nebenwirkungsarm. Die Vi- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ruszirkulation ist gestoppt, wenn mindestens 95 Prozent Impfungen sind Selbstschutz und Solidarität. Das geht der Bevölkerung einen vollständigen Impfschutz aufwei- nur mit einer umfassenden Impfstrategie. Leider ist der sen. Das können wir erreichen. Vermehrte Krankheitsaus- Gesetzentwurf der Großen Koalition davon weit entfernt. brüche in der jüngeren Vergangenheit zeigen uns jedoch: Hier bestehen noch immer Impflücken, und die sind wirk- Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. lich gefährlich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Denn – drittens – bestimmte Personen können nicht gegen Masern geimpft werden. Dazu zählen sehr junge Kinder, aber auch Menschen, die aufgrund einer Vizepräsidentin Petra Pau: schweren Erkrankung die Impfung nicht vertragen wür- Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Abgeordnete den. Zudem gibt es Fälle, in denen Menschen überhaupt Stephan Pilsinger das Wort. nicht oder nur vermindert auf eine Impfung ansprechen. All diese Gruppen müssen vor einer Ansteckung durch (Beifall bei der CDU/CSU) nicht geimpfte Personen geschützt werden. Hier gilt für mich ganz klar der Grundsatz: Die Freiheit des Einzelnen Stephan Pilsinger (CDU/CSU): endet da, wo die Freiheit des anderen eingeschränkt wird. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den vergangenen Wochen haben mich zahlreiche Zuschriften (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und von engagierten Bürgerinnen und Bürgern erreicht, die der SPD) ihre Bedenken zur verpflichtenden Masernimpfung ge- Wir können nicht zulassen, dass diese besonders äußert haben. Dieses Engagement respektiere ich sehr. schutzbedürftigen Gruppen durch einen nicht ausreich- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14785

Stephan Pilsinger (A) enden Gemeinschaftsschutz gefährdet werden. Der vor- wachsenen. Ja, ich gehöre noch zu einer Generation, die (C) liegende Entwurf zum Masernschutzgesetz sieht daher in Kita und Schule geimpft wurde, die noch Pockennar- eine verpflichtende Impfung für bestimmte Gruppen ben am Arm hat vor. Das Impfen selbst bleibt dabei grundsätzlich freiwil- lig. Stattdessen müssen die betroffenen Personen entwe- (Stephan Pilsinger [CDU/CSU]: Wirklich? – der einen ausreichenden Impfschutz oder alternativ eine Tino Sorge [CDU/CSU]: Zeigen!) Immunität gegen Masern nachweisen, wenn sie eine ent- und für die es ganz normal war, in der Schule geimpft zu sprechende Einrichtung besuchen oder dort arbeiten wol- werden. Wir müssen uns aber heute eingestehen, dass alle len; eine Impfung kann und wird nicht durch unmittelba- bisherigen Bemühungen, um die Durchimpfungsraten zu ren Zwang durchgesetzt werden. Das halte ich für erreichen, nicht gegriffen haben. Gleichzeitig spricht umsetzbar und sinnvoll. Daran ändern auch mögliche auch die Zahl der Erkrankten eine deutliche Sprache. Je- Manipulationsversuche nichts. der Fall ist einer zu viel. Mir ist zugetragen worden, dass eine solche verpflich- Es ist deshalb richtig und notwendig, dass sich der tende Impfung auch umgangen werden kann, indem Ein- Bundestag mit diesem Thema beschäftigt. Wir müssen träge in Impfausweisen – vornehmlich im Ausland – ge- uns letztlich die Frage stellen, wie wir die Impflücken, fälscht werden. Hier werden wir eine Regelung finden, die in einigen Bereichen wirklich sehr minimal sind, die das verhindert und die Beteiligten scharf sanktioniert. schließen können und welche Maßnahmen hierfür geeig- Aus diesem Grund sollten wir bei Impfungen im Ausland net und verhältnismäßig sind. Der Minister hat einen Ge- überlegen, grundsätzlich einen Impftiter als Nachweis zu setzentwurf vorgelegt und einen Lösungsansatz präsen- verlangen, also einen Bluttest, mit dem wir die Immunität tiert, dessen zentrales Element die Verpflichtung zur einschätzen können. Masernimpfung ist. Meine Damen und Herren, Masern sind eine gefähr- Es ist unumstritten, dass die Pflicht zur Impfung einen liche Krankheit. Sie besitzen eine hohe Ansteckungsfä- Eingriff in verschiedene Grundrechte der Bürger darstellt. higkeit. Eine Impfung schützt nicht nur diejenigen, die sie Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Maßnahme bekommen, sondern vor allem auch die Menschen, die gibt es geteilte Meinungen. Der aktuelle Gesetzentwurf aus bestimmten Gründen nicht geimpft werden können enthält viele Maßnahmen, auch solche zur Schließung der oder auf eine solche Impfung nicht ansprechen. Impflücken bei den über 30-jährigen Erwachsenen. Ich denke, dieses Maß an Solidarität sollte man von den Ich denke, es gibt in dem ganzen Verfahren noch viel Bürgerinnen und Bürgern durchaus einfordern dürfen. zu diskutieren. Ich möchte auch, dass wir wieder darüber Und dort, wo es gefährlich wird, fordern wir sie jetzt auch nachdenken, wie wir Recall-Systeme bei den Hausärzten (B) (D) ein. verankern. Ich hoffe, dass wir auch durch diese Diskus- sion dazu anregen können, dass jeder einmal in seinen Vielen Dank. Impfpass schaut. Denn – der Kollege hat es angespro- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei chen – es liegt nicht an der mangelnden Bereitschaft der Abgeordneten der SPD) Erwachsenen, sich impfen zu lassen. Das wissen wir aus allen Umfragen. Vizepräsidentin Petra Pau: Ich glaube, dass wir uns bei diesem Thema, über das Das Wort hat die Abgeordnete Martina Stamm-Fibich sicherlich eine sehr emotionale Diskussion geführt wird für die SPD-Fraktion. und bei dem man natürlich immer wieder Dinge hört, die einem zu denken geben, auch angefeuert von den Medien, (Beifall bei der SPD) immer wieder daran erinnern sollten: Wir sitzen alle im selben Boot. Ich denke, dass die Erhöhung der Impfquo- Martina Stamm-Fibich (SPD): ten das Gebot der Stunde ist. Wir müssen über alle Mittel, Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegin- die wir zur Verfügung haben, fair und sachlich miteinan- nen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir der diskutieren. Ich freue mich auf die Anhörung, und ich beraten heute ein Thema, das meiner Fraktion wie auch hoffe, dass wir dann ein wirklich gutes Gesetz für die mir sehr am Herzen liegt. Die Prävention von vermeidba- Sicherheit der Menschen im Land schaffen. ren Infektionskrankheiten und insbesondere der Masern Herzlichen Dank. ist eine große Aufgabe. Wir haben uns in Deutschland bereits 2011 zum Ziel gesetzt, die Masern bis zum (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Jahr 2015 auszurotten. Heute, vier Jahre später, müssen wir leider feststellen, dass wir von der Eliminierung der Masern nach wie vor sehr weit entfernt sind. Als Voraus- Vizepräsidentin Petra Pau: setzung für die Eliminierung der Masern – wir haben es Das Wort hat der Kollege Rudolf Henke für die CDU/ gehört – gilt nach Angaben der WHO die Immunität von CSU-Fraktion. mehr als 95 Prozent der Bevölkerung; auch hiervon sind (Beifall bei der CDU/CSU) wir wirklich weit entfernt. Der Geburtsjahrgang 2015 hat für die zweite Impfung Rudolf Henke (CDU/CSU): eine Impfquote von 92,8 Prozent. Hinzu kommen die Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Liebe eklatanten Impflücken bei den nach 1970 geborenen Er- Kolleginnen und Kollegen! Impfungen gegen gefährliche 14786 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Rudolf Henke (A) Infektionskrankheiten zählen zu den größten Errungen- (Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Steht im (C) schaften in der Geschichte der Medizin. Infektionskrank- Lehrbuch!) heiten galten sehr lange zu Recht als Geißeln der Mensch- heit. Die globalen Erfolge gegen die ausgerotteten ich sage lieber „Gemeinschaftsschutz“. Pocken und gegen die Kinderlähmung zeigen: Schutzimpfungen sind ein wirkungsvolles und kosten- Vizepräsidentin Petra Pau: günstiges Mittel, um sich und andere vorbeugend vor Kollege Henke, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten vermeidbaren Ansteckungen zu schützen. Sie eine Frage oder Bemerkung aus der FDP-Fraktion? (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Rudolf Henke (CDU/CSU): Der Entwurf des Masernschutzgesetzes greift den Ja. Handlungsbedarf auf und setzt Schritte der Vorjahre kon- sequent fort. Ich will auch darauf aufmerksam machen, dass wir ja nicht am Anfang aller Bemühungen stehen. Dr. Wieland Schinnenburg (FDP): Vielmehr haben wir 2015 mit dem Präventionsgesetz den Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Frage zulas- Impfschutz schon einmal gestärkt. Seitdem müssen Ärz- sen. – Ihr Kollege Pilsinger hat sich gerade dahin gehend tinnen und Ärzte bei allen Untersuchungen für alle Al- geäußert, dass es seiner Meinung nach sogar sinnvoll tersgruppen den Impfschutz überprüfen und auf Mängel wäre, eine Pflicht zur Titerbestimmung einzuführen. hinweisen. Die Kitaaufnahme ist seither an eine ärztliche Was halten Sie davon? Es sind ja erhebliche Kosten damit Impfberatung geknüpft. Der „Nationale Aktions- verbunden, und es ist ein weiterer Eingriff; denn für eine plan 2015 – 2020 zur Elimination von Masern und Röteln Titerbestimmung muss Blut abgenommen werden. Was in Deutschland“ ergänzt diese Maßnahmen in allen Al- halten Sie von einer Pflicht zur Titerbestimmung? tersgruppen. Deswegen ist der Vorwurf, man würde sich sonst um nichts kümmern, ja nicht richtig. Rudolf Henke (CDU/CSU): (Beifall bei der CDU/CSU) Ich glaube, es ging Herrn Pilsinger bei der Pflicht zur Titerbestimmung um die Frage, ob es möglich ist, die Ob wir jetzt tatsächlich eine Impfpflicht einführen oder Impfnachweispflicht durch Fehlbescheinigungen zu um- ob das eine Impfnachweispflicht ist, muss man auch vor gehen. Ärztinnen und Ärzte müssen in Deutschland auf- dem Hintergrund des Verfassungsrechts natürlich noch grund der starken Berufsüberwachung, die wir haben, mit (B) mal genau überlegen. Sanktionen bis hin zum Ausschluss von der Ausübung (D) des Berufes rechnen. Wenn eine Fehldokumentation er- (Beifall bei Abgeordneten des folgt, ist das eine Falschbeurkundung. Eine solche BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Falschbeurkundung hat strafrechtliche Konsequenzen in Meine Assoziation zur Impfpflicht ist folgende Situation: Deutschland, und sie hat berufsrechtliche Konsequenzen Ich denke an ein Kind, dessen Eltern sich weigern, es in Deutschland. impfen zu lassen. Die Eltern bekommen Besuch von der Polizei. Das Kind wird ihnen entzogen und in ein Ge- Das können wir bei im Ausland durchgeführten Imp- sundheitsamt gebracht. Dort wird eine Pflichtimpfung fungen nicht sicherstellen. Ich glaube, seine Frage geht in durchgeführt. Das ist nirgendwo in diesem Gesetzentwurf die Richtung, ob man darüber diskutieren muss, dass eine vorgesehen. Genauso wenig ist vorgesehen, dass die Pflicht zur Titerbestimmung in solchen Fällen hinzuneh- Weigerung, ein Kind impfen zu lassen, dazu führt, dass men sei; darum ging es. Eine Titerbestimmung ist in der man die Schulpflicht außer Kraft setzen kann. Tat mit einer weiteren Maßnahme, nämlich mit der Blut- abnahme, und mit Kosten verbunden. Deswegen muss Was allerdings vorgesehen ist, ist, dass jeder, der sich, das abgewogen werden. Wir werden darüber in der Anhö- ohne eine Maserninfektion gehabt zu haben, in eine Kin- rung in der nächsten Woche sehr sorgfältig diskutieren dertagesstätte begeben will – ob als Kind oder als dort können. Es ist also gut, dass diese Themen jetzt ange- Beschäftigter –, nachweisen muss, dass die Impfung er- sprochen werden. – Vielen Dank. Ich bin mit der Beant- folgt ist. Das gilt auch für Schulen – ohne die Konse- wortung Ihrer Frage fertig. quenz, dass man die Schule nicht mehr besuchen kann, aber mit der Konsequenz, dass ein Bußgeld zahlen muss, Lassen Sie mich noch einmal auf den für mich zent- wer nicht geimpft ist. In der Abwägung der Eingriffstiefe ralen Punkt zurückkommen: Die Impfung ist eine kleine halte ich das für verfassungsrechtlich vertretbar. Belästigung, die einen großen Vorteil für die Menschen darstellt, die selbst nicht geimpft werden dürfen und einer (Beifall bei der CDU/CSU) Infektion, die sie das Leben kosten kann, schutzlos aus- gesetzt wären. Ich glaube, in dieser Abwägung sind die Ich glaube, es ist auch angesichts der Tatsache geboten, Intention und auch der Ansatz, den der Minister gewählt dass man sonst – und die milderen Mittel sind schon alle hat, richtig. Wir werden uns natürlich darüber unterhalten versucht worden in Deutschland – ein Risiko für diejeni- müssen, ob über die Berufsausübenden, die geimpft wer- gen darstellt, die aus medizinischen Gründen nicht den müssen, hinaus – das sind 20-, 30- bis 50-Jährige – geimpft werden dürfen. Ob der Terminus „Herdenschutz“ weitere Maßnahmen möglich sind, die die übrigen 20- bis schön ist, weiß ich nicht; 50-Jährigen erreichen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14787

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin (C) Kollege Henke, können Sie das bitte auf die Anhörung Martina Renner für die Fraktion Die Linke. und die Ausschussbefassung verschieben und einen (Beifall bei der LINKEN) Punkt setzen? Martina Renner (DIE LINKE): Rudolf Henke (CDU/CSU): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Ich bin sicher, dass wir nach der Anhörung zu einem Herren! Ich bin es leid, jedes Mal, wenn ein Neonazi ge- guten und für eine breite Mehrheit zustimmungsfähigen mordet hat, immer wieder hören zu müssen, solche Taten Gesetzentwurf kommen. seien neu oder überraschend. Wer schon einmal eine Sy- nagoge besucht hat, mit Betroffenen rassistischer Gewalt Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. gesprochen hat oder die Recherchen von Antifa-Gruppen (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) zur Kenntnis nimmt, weiß: Rechter Terror hat Tradition. In dieser Tradition stehen die Morde des NSU, die Vizepräsidentin Petra Pau: Attentate des Anders Breivik, der Anschlag im Einkaufs- Ich schließe die Aussprache. zentrum nahe des Münchener Olympiastadions, der Mord an Walter Lübcke und der Anschlag in Halle. Diese Tra- Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf dition reicht weit zurück in die Geschichte der Bundes- den Drucksachen 19/13452, 19/13826, 19/9960 und 19/ republik Deutschland. Diese Tradition kann nur gebro- 14061 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus- chen werden, wenn sie richtig verstanden wird und die schüsse vorgeschlagen. Sind Sie mit diesen Überwei- richtigen Maßnahmen ergriffen werden. Aber genau das sungsvorschlägen einverstanden? – Das ist der Fall. Dann geschieht nicht. verfahren wir so. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordne- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 35 sowie die Zusatz- ten der FDP – Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: punkte 28 und 29 auf: Falsch!) 35 Beratung des Antrags der Abgeordneten Martina Was steht einer konsequenten Bekämpfung der droh- Renner, Petra Pau, Dr. André Hahn, weiterer Ab- enden Gefahr des Rechtsterrors eigentlich im Weg? Ich geordneter und der Fraktion DIE LINKE nenne einige Punkte: Es ist das Ausbleiben spürbarer Sanktionen. Wie viele Unterstützer und Unterstützerin- Rechten Terror stoppen – Opfer schützen nen des NSU laufen immer noch frei herum, werden nicht (B) Drucksache 19/10750 angeklagt und nicht verurteilt? Es ist der mangelnde po- (D) litische Wille. Netzwerke werden nicht konsequent aus- Überweisungsvorschlag: gehoben – auch und gerade dort nicht, wo sie bis in Po- Ausschuss für Inneres und Heimat (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz lizei und Bundeswehr reichen. ZP 28 Beratung des Antrags der Abgeordneten Es ist die Weigerung, die V-Leute der Inlandsgeheim- Benjamin Strasser, Konstantin Kuhle, Stephan dienste abzuschalten und den Schutz der rechtsextremen Thomae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Strukturen damit zu beenden. Wer gestern die Meldungen der FDP verfolgt hat, weiß: Das Beispiel Andreas Temme und Stephan Ernst ist weiterer Beleg für diese Forderung. Es Terror von rechts nicht unterschätzen – Ge- ist das Unvermögen oder der Unwille – ich weiß es waltbereiten Rechtsextremismus entschlossen nicht –, die Verbindung zwischen alltäglichem Rassis- bekämpfen mus, alltäglichem Antisemitismus und rechtem Terror Drucksache 19/14062 zu erkennen. Rechter Terror ist nämlich nicht ohne rechte Normalität zu verstehen und erst recht nicht zu bekämp- Überweisungsvorschlag: fen. Ausschuss für Inneres und Heimat Wir brauchen natürlich mehr Kontrolle über Waffen. ZP 29 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Irene Wir brauchen einen demokratischen, personellen und Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, Monika Lazar, auch politischen Wechsel in den zuständigen Behörden. weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- Wir brauchen entschlossenere und systematischere Er- NIS 90/DIE GRÜNEN mittlungen. Aber wir brauchen vor allem eine politische Rechtsextremen Netzwerken entschlossen ent- Offensive gegen den Rechtsruck, eine neue Kultur des gegentreten Antifaschismus – auch in diesem Haus. Drucksache 19/14091 (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann Überweisungsvorschlag: [AfD]: Aber nicht mit Antifa!) Ausschuss für Inneres und Heimat (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Wir können viel lernen, wenn wir den Betroffenen von Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Rechtsterror zuhören. Der Zentralrat der Juden und über Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die 40 weitere jüdische Organisationen fanden in einer ge- Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen meinsamen Erklärung im Oktober 2018 klare Worte – ich Widerspruch. Dann ist so beschlossen. zitiere –: 14788 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Martina Renner (A) Die AfD ist eine Partei, in der Judenhass und die vention für das BKA und das BfV zur Verfügung gestellt. (C) Relativierung bis zur Leugnung der Schoa ein Zu- Wir diskutieren über eine Novelle des Bundesverfas- hause haben. sungsschutzgesetzes, auf die ich später noch eingehen will. Ihre Partei ist übrigens vehement dagegen. Wir ha- (Beatrix von Storch [AfD]: Und Sie wollen die ben eine Novelle des Telekommunikationsgesetzes vor- Hisbollah unterstützen!) bereitet. Die AfD ist antidemokratisch, menschenverachtend (Benjamin Strasser [FDP]: Das nennt man Bür- und in weiten Teilen rechtsradikal. gerrechtsabbau! Das ist kein taugliches Instru- Rechter Terror entsteht nicht in einer Parallelwelt. ment! Das sind die alten Forderungen der Wenn man manchmal das Gegenteil hört, dann ist das Union!) komplett falsch. Rechter Terror entsteht in unserem All- Wir haben rechtsextreme Internetplattformen wie die tag, und dort müssen wir ihn stoppen, auch in diesem Weisse Wölfe Terrorcrew und Altermedia verboten, und Haus. wir haben auch den Bereich der Prävention nicht aus den Vielen Dank. Augen verloren, meine Damen und Herren. Die Bundes- zentrale für politische Bildung hat in den letzten Jahren (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem ihr Budget fast verdoppelt. Trotzdem, das muss man sa- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. gen, ist es uns nicht gelungen, diesen furchtbaren An- Antje Lezius [CDU/CSU]) schlag zu verhindern. Ich sage hier: Wir müssen auch vorsichtig sein, den Vizepräsidentin Petra Pau: Eindruck zu erwecken, dass es jemals einen Schutz geben Das Wort hat der Kollege Christoph Bernstiel für die wird vor solchen radikalen, wahnsinnigen Einzeltätern. CDU/CSU-Fraktion. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Beifall bei der CDU/CSU) Es ist kein Einzeltäter! – Benjamin Strasser [FDP]: Kein Einzeltäter! Mein Gott! Sie müs- Christoph Bernstiel (CDU/CSU): sen sich schon ein bisschen mit dem Problem Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und beschäftigen, wenn Sie eine Rede halten!) Kollegen! Liebe Besucher aus dem Saalekreis und aus Minister Heil hat vorhin gesagt: In einer freien Gesell- Halle auf der Besuchertribüne! Der gegebene Anlass in schaft wird es nie absolute Sicherheit geben. – Es gehört dieser Woche sollte uns alle dazu bewegen – und das sage auch zu unserer Verantwortung, keine falschen Erwartun- (B) ich mit Blick zur AfD, die ja heute auch noch spricht –, gen zu wecken. Dennoch gibt es Handlungsfelder, auf (D) von Vergleichen mit anderen terroristischen Anschlägen denen wir sehr wohl noch etwas unternehmen können. in diesem Land abzusehen. Ich danke der FDP explizit mit Blick auf das Waffen- (Beatrix von Storch [AfD]: Und wie war das recht. Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass es keinen Ge- mit der Instrumentalisierung der Jüdischen Ge- neralverdacht gegen bzw. keine Kriminalisierung aller meinde?) legalen Waffenbesitzer in unserem Land geben darf. In dieser Woche – Frau Storch – geht es explizit um die Schauen wir nach Halle. Nach allem, was wir wissen, Frage des Rechtsextremismus und auch um die Frage, wie hat der Täter sich seine Waffen aus dem Internet besorgt. wir diesem entgegentreten können. Linke und FDP haben Er hat dort illegale Foren aufgesucht, er hat Bauanleitun- dazu einen Antrag gestellt. In beiden Anträgen stehen gen runtergeladen, mit deren Hilfe es möglich war, ganz tatsächlich gute Dinge drin, über die wir reden können normale Dinge aus dem Alltag zu Waffen umzufunktio- und die auch richtig sind. Wo ich Ihnen allerdings nicht nieren. folgen kann, ist – und das, Frau Renner, haben Sie ja Wenn wir darüber reden, dass wir da ansetzen wollen selber auch schon wieder deutlich gemacht –, dass es und das in Zukunft nicht mehr möglich machen wollen, angeblich eine Mentalität des Nichtstuns gibt, dass die dann müssen wir natürlich auch über Behörden sprechen. Behörden nicht hinschauen, dass das rechte Auge angeb- lich blind sein soll. (Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD]) – Nein, wir reden nicht über eine Verschärfung des Waf- (Benjamin Strasser [FDP]: Sagen Sie mal dazu fenrechts, Frau Storch, was!) Das alles stimmt so nicht. Ich möchte Ihnen das gerne (Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE auch mit Fakten begründen. GRÜNEN]: Das wollen wir aber!) sondern wir reden darüber, wie wir es schaffen, dass Wir hatten den NSU-Untersuchungsausschuss. Dieser Rechtsextremisten gar nicht erst in die Lage versetzt wer- hat 47 Handlungsempfehlungen abgegeben, von denen den, legal Waffen zu kaufen. Da reden wir über eine Re- die meisten größtenteils schon erfüllt wurden. Wir haben gelabfrage beim Verfassungsschutz. das Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehr- zentrum gegründet, explizit für den Rechtsextremismus. Worüber ich reden möchte, ist, dass wir unseren Si- Wir haben, noch bevor dieser furchtbare Anschlag in cherheitsbehörden die Möglichkeit geben, passwortge- meiner Heimatstadt passiert ist, in den Haushaltsverhand- schützte Foren kontrollieren zu können, dass wir in der lungen 700 neue Stellen für die Rechtsextremismusprä- Lage sind, Onlinedurchsuchungen durchzuführen, dass Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14789

Christoph Bernstiel (A) wir die Vorratsdatenspeicherung haben, gegen die sich müssen, die dringend notwendig sind. Wir nehmen Sie (C) einige in diesem Haus nach wie vor vehement wehren. beim Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Herzlichen Dank. Benjamin Strasser [FDP]: Sie können es doch (Beifall bei der CDU/CSU – Gökay Akbulut vorlegen! Sie regieren doch!) [DIE LINKE]: Wir Sie auch!) Und wir müssen auch darüber reden, dass wir Spei- cherfristen für Informationen über einmal straffällig ge- Vizepräsidentin Petra Pau: wordene Rechtsextremisten erhöhen. Wir hatten das im Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Christian Wirth für Fall Lübcke. Wir hatten Glück. Nach zehn Jahren müssen die AfD-Fraktion. diese Akten gelöscht werden. Wir wollen diese Frist er- höhen auf 15 Jahre. Rechtsextremisten dürfen sich in die- (Beifall bei der AfD) sem Land nicht verstecken, auch nicht im Internet. Dr. Christian Wirth (AfD): (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Rechtsterror stop- Abgeordneten der SPD) pen, Opfer schützen. Natürlich! In einer aufgeklärten, Ich möchte noch etwas sagen zum Kampf gegen humanistischen Welt ist kein Platz für irgendwelchen Rechtsextremismus und dazu, was mir letzte Woche in Extremismus, irgendwelche Gewalt, irgendwelchen Ter- Halle aufgefallen ist. Wir müssen aufpassen, dass der ror, egal ob von rechts, von links oder religiös motiviert. Kampf gegen Rechtsextremismus nicht anderen Extre- Hierzu bietet die AfD jede Zusammenarbeit an. men in die Karten spielt und dass das nicht missbraucht wird. Ich möchte Ihnen etwas berichten, was ich vor der (Beifall bei der AfD) Synagoge in Halle persönlich erlebt habe und was mich Aus diesem Grunde wollten wir nicht nur Ihren theo- zutiefst schockiert hat. Am Donnerstag, als ein großer retischen Antrag heute besprechen. Wir haben einen prak- Medienauflauf dort war, kamen alle möglichen politi- tischen Antrag zustellen wollen, nämlich Combat 18 zu schen Parteien, um ihr Beileid zu bekunden. Das schätze verbieten. ich sehr. Es kam auch die Linkspartei, Ihre Kollegin. Doch die kam nicht allein. Sie kam mit der Antifa. (Benjamin Strasser [FDP]: Sie spenden doch an die!) (Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ui!) Dass Sie von den Linken das verhindert haben, entlarvt Das können Sie jetzt erst mal bewerten, wie Sie möchten. zweierlei: Erstens. In Fragen der Demokratie haben Sie (B) (D) Aber wenn ich dann dort Mitglieder der Antifa sehe, die noch nicht einmal den sprichwörtlichen Status der Kin- vor der Synagoge einen Pullover tragen, auf dem steht: derschuhe erreicht. Zweitens. Hier handelt es sich wieder „Hass auf alles“, und sehe, dass ein weiteres Mitglied der einmal um einen Schaufensterantrag, um sich am bürger- Antifa mit Antifa-Pullover dort eine Armeehose trägt, wo lichen, konservativen Teil der deutschen Bevölkerung Leute erschossen wurden, und ein weiteres Mitglied Ihrer abzuarbeiten. Partei sich auf der Friedhofsmauer der Synagoge eine Zigarette dreht, drei Meter von der Blutlache weg, dann (Beifall bei der AfD) müssen Sie sich wirklich fragen, wo Ihr moralischer Unser Mitgefühl gilt den Opfern von Halle wie auch Kompass gerade hinzeigt. dem schwerverletzten Opfer des Attentats von Limburg. Unser Mitgefühl gilt aber auch denen, die in der Synago- (Beifall bei der CDU/CSU und der AfD – ge in Halle, aber auch in Berlin Todesangst erleiden muss- Gökay Akbulut [DIE LINKE]: Das ist reine ten, die ihren Schutz allein einer stabilen Tür bzw. ihrem Diffamierung! Unverschämtheit!) Sicherheitsdienst zu verdanken hatten. Wo war die Poli- – Ich kann das alles belegen. Empören Sie sich über Ihr zei in Halle vor der Synagoge? Umso bedauerlicher ist es, Verhalten und nicht über das, was die Realität ist. dass auf dem Rücken der Toten und Betroffenen sofort eine Instrumentalisierung aller Parteien dahin gehend er- Meine Damen und Herren, dieses Land ist schon oft folgt ist: Die AfD hat an der Tat die Schuld. Opfer von verschiedenen terroristischen Anschlägen ge- worden. Bis jetzt ist es uns immer wieder gelungen, gegen (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: alle Widerstände vorzugehen und freiheitlich weiter- Wahrheit tut manchmal weh!) zuleben. Das wird uns auch im Kampf gegen Rechtsext- Das war der Tenor der gesamten Woche. Frau Kramp- remismus gelingen, aber nur, wenn wir unsere Behörden Karrenbauer sieht uns als politischen Arm des Rechts- und Sicherheitsämter mit den nötigen Mitteln und auch radikalismus, den rechtlichen Befugnissen ausstatten. Wir sind auf dem besten Weg dahin. (Zuruf: Stimmt doch!) (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Staatsminister Roth sogar als parlamentarischen Sie wollten doch über Rechtsextremismus re- Arm – warten Sie – des Rechtsterrorismus, und der den! Das hatten sie versprochen!) CDU-Ministerpräsident von NRW, Laschet, will uns so- gar bis aufs Messer bekämpfen. Als ob nicht 3 000 Mes- Ihr Kollege Dietmar Bartsch hat gesagt, er wird uns serattacken in NRW dieses Jahr genug sind! Welche An- nicht behindern, wenn wir jetzt Anpassungen vornehmen regungen wollen Sie der Antifa bitte noch geben? 14790 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Dr. Christian Wirth (A) (Beifall bei der AfD) darüber hinaus die Gewalt der Antifa feiern wie in der (C) letzten Plenarwoche, haben Sie nicht das Recht, den mo- Aber betrachten wir doch mal die Nazikeule, die von ralischen Finger zu erheben. der Bevölkerung längst entlarvt ist. Es ist an der Zeit, gerade den jüngeren Zuschauern und Wählern wieder (Beifall bei der AfD) ein paar Fakten ins Gedächtnis zu rufen. An die bürgerlichen Parteien: Hören Sie auf, Steuer- (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: gelder zu verschleudern in einem angeblichen Kampf ge- Fangen Sie bei 33 an!) gen rechts, der nur links-grüne Projekte zur Instrumenta- lisierung unserer Kinder und die Destabilisierung unserer Dieses deutsche Parlament, das Parlament nach dem Bevölkerung fördert. furchtbaren Weltkrieg und dem noch furchtbareren Holo- caust, hatte nicht immer ein nachvollziehbares Verhältnis (Zurufe von der LINKEN und vom BÜND- zum Rechtsextremismus; denn die hier anwesenden Par- NIS 90/DIE GRÜNEN – Benjamin Strasser teien haben den Bundestag ohne Not pragmatisch und [FDP]: Jetzt kommt die Wahrheit ans Licht!) zynisch bis Ende der 80er-Jahre mit NSDAP-Mitgliedern – Herr Strasser, genau. – Stecken Sie das Geld in unsere bestückt. totgesparten Sicherheitsbehörden, die den Rechtsterroris- (Dr. Bernd Baumann [AfD]: Genau!) mus bekämpfen, und nicht in ehemalige Stasispitzel und ihre dubiosen Vereine. So hat die CDU 35 ehemalige NSDAP-Mitglieder, die FDP 25, die SPD 12 und die CSU ebenfalls 12 und die (Zuruf der Abg. Gökay Akbulut [DIE LINKE]) Grünen immerhin ein ehemaliges NSDAP-Mitglied in Gleiches gilt für den Antisemitismus. Solange den Bundestag entsandt. Deutschland den Revolutionsgarden im Iran zur Revolu- tion gratuliert und in unserer Hauptstadt Berlin der Al- (Benjamin Strasser [FDP]: Und wie viele hat Quds-Tag mit Umzügen der Hisbollah toleriert wird mit die AfD heute? – Dr. Bernd Baumann [AfD]: all seinen hässlichen Parolen gegen die Juden und Israel, Richtige Nazis!) Demgegenüber hat heute nur die AfD einen Unverein- (Gökay Akbulut [DIE LINKE]: Sie haben barkeitsbeschluss zur NPD, um nur eine Organisation auf Wahrnehmungsstörungen!) dieser Liste zu nennen. Aber gerade Die Linke als An- so lange muss man sich nicht wundern, wenn im Zuge tragsteller schlägt alle Parteien bei Weitem. Wie wir wis- dieser Demonstrationen rechte und linke Antisemiten sen, hat sich Die Linke 2009 höchstrichterlich erstritten, Oberwasser bekommen. (B) die Nachfolgepartei der SED zu sein. Bereits 1946 hat die (D) SED in einem ersten Schritt und dann 1952 (Beifall bei der AfD) Lassen Sie uns gemeinsam den faulen Zahn des Anti- (Gökay Akbulut [DIE LINKE]: Da war ich semitismus ausreißen. noch nicht auf der Welt!) alle Unvereinbarkeitsbeschlüsse zu ehemaligen Partei- (Zurufe der Abg. Gökay Akbulut [DIE LINKE] mitgliedern der NSDAP und der Waffen-SS ohne Bedin- und Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gungen aufgehoben. Auch wenn in der Außendarstellung NEN]) der SED gerne über dieses Thema geschwiegen wurde, Dies gelingt aber nicht, wenn Sie nur die rechte Wurzel war sich die Führung der SED intern – ich zitiere – „des entfernen, aber die linke und die islamische Wurzel ste- Wertes der ehemaligen Nationalsozialisten beim Aufbau hen lassen. der angestrebten Gesellschaft durchaus bewusst“. Vielen Dank. (Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sie lenken doch nur von sich selber (Beifall bei der AfD – Steffi Lemke [BÜND- ab! Das ist so durchsichtig, dass Sie ablenken!) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit dem Mist kom- men Sie nicht durch! Keine Chance!) So die Historiker Malycha und Winters in einer Studie über die SED. Vizepräsidentin Petra Pau: (Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Das Wort hat der Kollege Dr. Lars Castellucci für die NEN]: Sagen Sie mal was zum Rechtsextremis- SPD-Fraktion. mus!) (Beifall bei der SPD) Auf Deutsch: Hier wuchs zusammen, was zusammenge- hört: der Sozialismus Stalins und der Sozialismus Hitlers. Dr. Lars Castellucci (SPD): Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine (Beifall bei der AfD) sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen Und solange Sie nicht Ihre Vergangenheit aufarbeiten und Kollegen! Wenn ich hier heute als Sozialdemokrat und sich nicht um die Opfer Ihres Unrechtregimes küm- stehe, um zum rechten Terror in Deutschland Stellung zu mern, nehmen – besser gesagt: heute im Lichte dessen, was in der letzten Woche passiert ist, Stellung nehmen zu müs- (Zurufe von der LINKEN) sen –, dann denke ich an diejenigen von uns, die sich unter Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14791

Dr. Lars Castellucci (A) Gefährdung von Leib und Leben rechtem Terror entge- von Umvolkung, von Vorteilsmigranten oder Ähnlichem (C) gengestellt haben und selbst dem rechten Terror zum Op- sprechen. Ich rufe Sie zur Distanzierung von denen auf, fer gefallen sind. Ihr Andenken muss uns heute immer die hier einen offenen Nazijargon pflegen. noch Verpflichtung sein. Dass es der Menschheit offen- sichtlich nicht gelingt, sich von den niedrigsten Instink- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der LIN- ten – von Hass, von Niedertracht, von Missgunst – zu KEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN befreien, ist unsagbar traurig und uns allen wieder auf sowie bei Abgeordneten der FDP) schreckliche Weise vor Augen geführt worden. Aber für Was ich allerdings nicht ertrage, ist das, was ich von den Sieg des Bösen reicht es, wenn die Guten nichts tun. Mittwoch bis heute hier erleben musste. Am Mittwoch Also nehmen wir diesen Kampf erneut auf, engagierter hatten wir den Sankt-Michaels-Empfang der katholischen als bisher! Das ist der einzige Auftrag, der sich in dieser Kirche, bei dem unter anderem Ihr Kirchenbeauftragter Situation für uns ergibt. anwesend war. Als Kardinal Marx in seiner bemerkens- werten Rede davon gesprochen hat, dass diese Gewalt, (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem die wir gesehen haben, im Kleinen beginnt – in der Ab- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wertung, in den Worten, in den fiesen, zynischen Bemer- Es hat sich etwas verändert in unserem Land. Abwer- kungen, die auch in diesem Parlament stattfinden –, da hat tung, Ausgrenzung, Verschwörungstheorien sind Alltag Ihr Kirchenbeauftragter geklatscht und hat die Rede von geworden. Man muss sich ja nur nach rechts in diesem Kardinal Marx unterstützt. Als Herr Dr. Curio vorhin ge- Haus wenden, dann sieht man die parlamentarischen sprochen hat, hat er ebenfalls geklatscht. Wegbereiter dieses Klimas, in dem Übergriffe in Worten und Taten bis hin zu offenem Terror möglich werden. (Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD]) Ich sage Ihnen: Solche Leute hießen in der Bibel Phari- Demokratie muss wehrhaft sein, und Antidemokraten, säer, ich nenne es heute Heuchelei. wie sie nun auch in diesem Parlament sitzen, verdienen nur eins: unseren Widerstand. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem GRÜNEN) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der Innenminister hat zwischenzeitlich den Rechtsext- Und Antidemokraten nenne ich Sie von der AfD-Frak- remismus als eine schwere Gefährdung unseres Staates tion; denn Demokratie gründet im gleichen Respekt für anerkannt. Diese Einsicht aus dem Innenministerium jeden Menschen. Da verbietet es sich, fortgesetzt in Re- kommt spät, aber sie ist gut, sie ist richtig. Jetzt kommt den hier in diesem Parlament Menschen abzuwerten, (B) es darauf an, entsprechend zu handeln. Wir haben Jahre (D) Gruppen zu diffamieren und Menschen zu Sündenböcken damit verloren, dass immer alles relativiert wurde. Es ist zu machen. bis in unsere Städte und Gemeinden so gewesen. Wollte (Dr. Bernd Baumann [AfD]: Diffamieren Sie man irgendwo ein Bündnis gegen rechts gründen, schon uns doch nicht! Sie diffamieren doch gerade!) hieß es: Nein, es muss auch eins gegen links und gegen alles Mögliche sein. – Solche Haltungen vor Ort und – Sie müssen sich die Wahrheit hier schon anhören. solche Nickeligkeiten vor Ort haben lange bewirkt, dass Der Innenminister hat es gestern nicht einmal ge- wir nicht die richtige Antwort gefunden haben. Ich hoffe, schafft, die ersten beiden Sätze seiner Rede zu sagen; dass dieser Schulterschluss, der jetzt hier deutlich wird, schon haben Sie, als es um den antisemitischen Anschlag auch auf alle Ebenen in unserem Land abstrahlt und dass ging, gleich wieder das Wort „Islam“ in den Raum ge- wir nun gemeinsam und geschlossen auf allen Ebenen rufen. unseres Landes handeln werden. (Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das gehört doch (Beifall bei der SPD und der LINKEN) dazu!) Gestern wurde ein Sofortprogramm der Regierung vor- Das zeigt doch, was Ihre Agenda ist. Sie wollen aus die- gestellt: Jüdische Einrichtungen müssen geschützt wer- sen Anschlägen auch noch politisches Kapital schlagen. den. Der Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt müssen organisatorisch und personell gestärkt werden. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem Wir brauchen eine Meldepflicht für Anbieter im Internet BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- bezüglich Hassparolen. Wir brauchen Vereinsverbote von ordneten der CDU/CSU) rechtsextremistischen Vereinen. Wir müssen an das Waf- fen- und Sprengstoffrecht herangehen. Und wir brauchen Sie missbrauchen die Opfer. Es ist eine Schande, was wir mehr Prävention. Dieses Sofortprogramm findet die Un- uns in diesem Parlament anhören müssen. terstützung der SPD-Bundestagsfraktion. Wir danken Es sind manche unter Ihnen, die jetzt gerade wieder ausdrücklich dafür. etwas lauter sind, aber manche sind auch etwas leiser Ich möchte aber noch auf drei Bereiche eingehen. und vielleicht nicht mit den üblen Reden aufgefallen. Aber sie stützen die anderen in Ihren Reihen, die sich Erstens. Demokratie vererbt sich nicht. Demokratie offen rassistisch und nationalistisch äußern. Es steht je- muss aber auch nicht immer wieder neu erfunden werden, dem von Ihnen frei, Regeln des Anstands einzuhalten und sondern Demokratie verlangt steten Einsatz. Deswegen sich loszusagen von denen unter Ihnen, die vom „Vogel- macht es keinen Sinn, diese wichtige Arbeit, die wir in schiss in der Geschichte“, vom „Mahnmal der Schande“, diesem Land haben und die von dem Programm „Demo- 14792 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Dr. Lars Castellucci (A) kratie leben!“ gefördert wird, immer wieder abzubrechen diesem Land nicht obsiegen können, weil die Guten alles (C) und von den Leuten neue innovative Ansätze und Bewer- dagegen tun. bungen zu verlangen. Wir müssen die Arbeit der Demo- kratinnen und Demokraten in diesem Land auf eine ver- Vielen Dank. lässliche Grundlage stellen. Deswegen trete ich an dieser (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Stelle noch einmal mit allem Nachdruck dafür ein, dass DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der wir endlich ein Demokratiefördergesetz bekommen. CDU/CSU und der LINKEN – Zuruf von der (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ AfD: Machen wir!) DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Ein zweiter Punkt ist die politische Bildung. Ja, Herr Kollege Bernstiel, Sie haben recht: Wir haben bei der Das Wort hat der Kollege Benjamin Strasser für die Bundeszentrale viel getan. Ich muss auch sagen: Wenn FDP Fraktion. ich mit Erzieherinnen spreche und sie mir beispielsweise (Beifall bei der FDP) davon berichten, dass sie schon mit den Kleinsten Demo- kratiekonferenzen abhalten, dann denke ich, dass das ein Benjamin Strasser (FDP): wichtiger, grundlegender Beitrag zur Stärkung der Demo- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und kratie in unserem Land ist, für den ich sehr dankbar bin. Kollegen! Jana L., Kevin S., Dr. Walter Lübcke – inner- Aber wenn ich mit Schülerinnen und Schülern spreche, halb von wenigen Monaten haben Rechtsterroristen in dann höre ich ganz oft: Nun ja, Politik oder Gemein- diesem Land drei Menschen getötet. Sie reihen sich ein schaftskunde ist gerade in irgendeiner Fächerkombina- in eine Liste von 170 Namen, Menschen, die von Rechts- tion untergegangen. In diesem Halbjahr haben wir es radikalen, Neonazis und Rechtsterroristen seit dem Jahr gar nicht. Oder: Bis zur Zeit des Nationalsozialismus sind 1990 in Deutschland ermordet worden sind. Es ist von wir noch gar nicht durchgedrungen. – Ich glaube, wir Glück zu sprechen, dass der Attentäter von Halle nicht in haben auch den Auftrag, auf die Fragen von politischer die Synagoge eingedrungen ist und ein Blutbad unter Bildung in diesem Land einen neuen Blick zu werfen. Das deutschen Jüdinnen und Juden angerichtet hat. Wer ange- halte ich für eine Lehre in dieser Zeit. sichts der Zahl von 170 Menschen ernsthaft noch von „Alarmsignalen“ redet, wer im Innenausschuss mindes- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ tens zehnmal von „Zäsur“ spricht, der muss sich entge- DIE GRÜNEN) genhalten lassen, dass er die Dimension des Rechtsterro- rismus in unserem Land offensichtlich nicht begriffen hat. (B) Ich danke jetzt den Kolleginnen und Kollegen von Lin- (D) ken, Grünen und FDP, die Anträge vorgelegt haben. Wir (Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem sind sicherlich nicht bei allem der gleichen Meinung, was BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- die einzelnen Maßnahmen angeht. Aber wir wissen Sie ordneten der SPD) beim Kampf gegen rechts an unserer Seite. Dafür danke ich Ihnen ausdrücklich. Dabei ist das Problem klar. Das Bundesamt für Ver- fassungsschutz hat bereits im Jahr 2014 in Deutschland (Beifall des Abg. Konstantin Kuhle [FDP]) 21 000 Rechtsextremisten gezählt. Im Jahr 2018 waren es Auch der Bundesvorstand der CDU hat am Wochenende schon 24 100, davon die Hälfte gewaltbereit. Und nein, eine programmatische Äußerung veröffentlicht. Ich den- Herr Kollege Bernstiel, diese Täter waren keine Einzel- ke, der Schulterschluss der Demokratinnen und Demo- täter. Diese Täter haben sich auch nicht allein im Internet kraten, der auch heute wieder in diesem Raum deutlich radikalisiert, sondern die Taten basierten auf einem ge- wird, tut gut. sellschaftlichen Resonanzboden, auf dem die Täter ihre Taten legitimieren konnten. Ich möchte die Frage stellen, ob wir nicht dahin kom- men können, dass wir alle unsere Vorschläge gemeinsam (Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Ich habe auf einen Tisch legen. nichts Gegenteiliges behauptet! – Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Genau so ist es!) (Helin Evrim Sommer [DIE LINKE]: Das wäre Darum müssen sich alle hier in diesem Haus fragen: Wer gut!) ernsthaft von „Umvolkung“ redet, wer vom „drohenden Wir sollten in dieser Zeit das Zeichen setzen, dass wir Volkstod“ redet und nicht begreift, dass das die Motive Demokratinnen und Demokraten nach entsprechender waren, die laut Aussage des Generalbundesanwalts den Analyse in der Lage sind, eine gemeinsame Strategie zu Attentäter von Halle zu seiner Tat getrieben haben, verfolgen. Vielleicht können Sie das in Ihren Fraktionen beraten. Unsere Fraktion ist bereit, den Kampf gegen den (Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD]) rechten Terror gemeinsam als Demokratinnen und Demo- dem ist wirklich nicht mehr zu helfen. kraten zu führen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Beatrix von Storch [AfD]: Demokratinnen und der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des Demokraten! Jetzt hören Sie mal auf!) BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) In jedem Fall: Wir Demokratinnen und Demokraten Liebe Kolleginnen und Kollegen, beenden wir doch sind mehr, wir sind stärker. Der rechte Terror wird in einfach das Klima des Hasses hier, beenden wir die an- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14793

Benjamin Strasser (A) dauernden Debatten darüber, welcher Extremismus (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (C) schlimmer ist, welcher Antisemitismus schlimmer ist. Je- der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE der Extremismus und Antisemitismus ist schlimm. Ich GRÜNEN – Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: würde mich freuen, wenn Sie sich dazu durchringen Das Meiste ist doch schon realisiert!) könnten, beides ernsthaft zu verurteilen. (Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜND- Vizepräsidentin Petra Pau: NIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christian Wirth Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun [AfD]: Haben Sie zugehört?) Dr. Irene Mihalic das Wort. Der Hass im Internet ist völlig entgrenzt und entgleist. Da (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hilft auch kein Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Vielmehr brauchen wir einen Auskunftsanspruch der Opfer im Fall Dr. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): der Beleidigung, ähnlich wie beim Urheberrecht nach Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- richterlicher Anordnung. Es ist nicht verständlich, warum ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der antisemitische man das bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht und rassistische Anschlag in Halle macht uns tief betrof- durchsetzen kann. fen. Und wieder einmal wird davon gesprochen, dass dieser rechtsterroristische Akt eine Zäsur darstellt. Aber Herr Kollege Bernstiel, was war die Konsequenz der ist es nicht so, dass wir in den letzten Jahren schon mehre- Bundesregierung? Gab es Verfolgungsdruck auf die rech- re solcher Zäsuren erlebt haben? Sie wurden schon ge- te Szene? Jahrelang hat Ihre Bundesregierung verneint, nannt: der Anschlag von Anders Breivik, der NSU, dass es Combat-18-Strukturen in Deutschland gibt. Christchurch, das OEZ-Attentat, der Mord an Walter Lübcke. Es gab bereits vor dem Anschlag in Halle zahl- (Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE reiche rechtsterroristische Taten, die man alle als Zäsur GRÜNEN]: So ist es!) bezeichnen kann. Nach dem Mord an Walter Lübcke gibt es sie plötzlich. Das Problem ist aber, dass es im Handeln der Bundes- Sie sollen nun verboten werden. Ich hätte mir mehr Kon- regierung und der Sicherheitsbehörden keine Zäsur gab. sequenz von dieser Bundesregierung gewünscht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Und, liebe AfD, einen Satz zu Ihnen: bei der FDP und der LINKEN) (Dr. Bernd Baumann [AfD]: Wir haben einen Die Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden hat sich nicht Antrag zu Combat 18 gestellt!) grundlegend verändert, die erforderliche Analysefähig- (B) (D) Sie wollen Combat 18 verbieten lassen. Ich bin gespannt, keit wurde nicht hergestellt, und auch das Waffenrecht ob Sie auch an unserer Seite sind, wenn wir die Identitäre wurde nicht nennenswert verschärft. Stattdessen werfen Bewegung verbieten. Das müssen wir als Nächstes prü- Sie mit Nebelkerzen nach dem Motto „Jetzt müssen wir fen. Wir warten noch auf die Ergebnisse des Bundesamtes uns mal die Gamerszene ein bisschen genauer anschauen“ für Verfassungsschutz. oder ziehen alte Kamellen wie die Vorratsdatenspeiche- rung aus der Schublade. (Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem (Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Illegale BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- Waffen, Frau Mihalic! Illegale Waffen!) ordneten der SPD – Konstantin Kuhle [FDP]: Dann müssen sie ihre Mitarbeiter rausschmei- Herr Bernstiel, ich sage Ihnen: Der Europäische Gerichts- ßen! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- hof hat Recht gesprochen. Und selbst wenn wir alle im NEN) Haus einer Meinung wären und Ja zur Vorratsdatenspei- cherung sagen würden: Sie wird nicht kommen. Hören Wir haben einen Antrag vorgelegt, der viele Maßnah- Sie endlich auf, Nebelkerzen zu schmeißen. men enthält: Entwaffnung der rechtsextremen Szene, Ver- besserungen im Bereich des GETZ, Änderung von Ge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, setzen auch im Bereich des Föderalismus. bei der FDP und der LINKEN sowie bei Abge- ordneten der SPD – Axel Müller [CDU/CSU]: Nur an einer Stelle verstehe ich Sie nicht, liebe Bun- Wieso kommt die nicht?) desregierung: Wo bleibt Ihre europäische Initiative zur Bekämpfung des Rechtsextremismus, sodass wir Konzer- Wo bleibt die Zäsur in ihrem Handeln angesichts der te von Blood & Honour in Ungarn und Schießtrainings in Kontinuität von rechtsextremem Terror, meine Damen Tschechien und in den Niederlanden unterbinden kön- und Herren? Tun Sie endlich, was getan werden muss. nen? Das wäre eine konkrete Maßnahme, die ich mir Unser Antrag dazu liegt Ihnen vor. Zuallererst brau- wünschen würde. chen wir eine Taskforce „Rechtsextremismus“ im Bun- Jetzt gilt es, nicht nur ernsthafte Gesichter zu machen, desinnenministerium. Diese Taskforce soll die Prüfung sondern ernsthaft zu handeln. Sie haben uns als Freie von Informationsmöglichkeiten zentral koordinieren Demokraten an Ihrer Seite. Wir haben einen 13-Punkte- und vor allem einen erleichterten Zugang zu Beratungs- Plan vorgelegt. Wir hoffen, dass Sie ihn abschreiben wer- und Hilfsangeboten für diejenigen garantieren, die von den. Rechtsextremisten bedroht werden. Ganz entscheidend ist außerdem, dass die Analysefähigkeit im Bereich Vielen herzlichen Dank. Rechtsextremismus massiv erhöht wird. Denn wie kann 14794 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Dr. Irene Mihalic (A) es sein, dass bei 12 700 gewaltbereiten Rechtsextremen hingeben. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Zie- (C) gerade einmal 44 Personen als Gefährder eingestuft wer- hen Sie Konsequenzen und leiten Sie endlich die Zäsur in den? Es fehlt in den Sicherheitsbehörden an Expertise, Ihrem Handeln ein. (Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Und an Ganz herzlichen Dank. technischen Möglichkeiten!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN um vor allem den virtuell vernetzten Rechtsterrorismus und bei der LINKEN) auch nur ansatzweise zu verstehen. Herr Bernstiel, im virtuellen und im nicht virtuellen Vizepräsidentin Petra Pau: Kontext ist es außerdem entscheidend, endlich von der Das Wort hat der Kollege Marc Henrichmann für die Einzeltäterfokussierung wegzukommen und die rechts- CDU/CSU-Fraktion. extremen Vernetzungen zu erkennen und richtig einzu- ordnen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Marc Henrichmann (CDU/CSU): und bei der LINKEN – Christoph Bernstiel Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! [CDU/CSU]: Und genau dafür brauchen wir Am Ende der Debatte bleibt festzuhalten, dass wir in die technischen Möglichkeiten!) vielen Teilen im Ziel einig sind, aber sehr über Begriff- Der Täter von Halle war eingebettet in Online-Commu- lichkeiten streiten. Wir reden über Feinheiten. nities, (Benjamin Strasser [FDP]: Feinheiten? Was (Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: In die wir sind hier Feinheiten? Es sind immer wieder nicht reingucken dürfen!) dieselben Phrasen! Walter Lübcke war auch ei- ne Zäsur! Jetzt haben wir wieder eine Zäsur!) in denen antisemitische und rassistische Positionen Nor- malität sind und rechtsterroristische Anschläge wie in Festzuhalten ist doch: Wir haben nach den NSU-Morden Christchurch live übertragen werden, Communities, in einen Untersuchungsausschuss gehabt. Der hat einen denen ein Austausch über Waffenbau und Anschläge Plan mit 47 Punkten aufgelegt. Ja, und die Länder und stattfindet und die dringend durch die Sicherheitsbehör- auch die beteiligten demokratischen Parteien dieses Hau- den durchleuchtet werden müssen. Ja, es ist richtig: Dafür ses waren meines Wissens darin eingebunden. brauchen sie Expertise und nicht die Vorratsdatenspeiche- Und ich habe in den letzten Monaten keine Länderre- rung. (B) gierung gehabt, keine Partei in diesem Haus, die gesagt (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, hat: Ihr müsst mal gucken. Es gibt in Teilen – ich sage bei der FDP und der LINKEN) bewusst: in Teilen – der Gamerszene rechtsextreme Aus- fälle. Was wir aber auch mehr denn je brauchen, ist eine nachhaltige Stärkung und Förderung zivilgesellschaftli- (Benjamin Strasser [FDP]: Wir, die FDP-Bun- cher Organisationen, die sich gegen Antisemitismus und destagsfraktion, haben eine Anfrage gestellt!) Rassismus einsetzen. Lieber Lars Castellucci, wenn Lars Insofern stellen wir doch einmal fest – und vielleicht sind Klingbeil kritisiert, dass die „Stimmen von zivilgesell- wir uns da wenigstens einig –, dass wir Verschiebungen in schaftlichen Organisationen, Künstlern und auch aus einem Phänomen haben, das – ja – Rechtsextremismus der SPD, die in den letzten Jahren gewarnt haben, dass heißt, und wir in Teilen auch schauen müssen, dass wir sich am rechten Rand etwas zusammenbraut“ nicht gehört diesen Verschiebungen gerecht werden. wurden, kann ich nur sagen: Es ist schon die eigenen Partei, die hier gerade die Axt anlegt. Es war ein SPD- (Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- geführtes Ministerium, das das Bundesprogramm „De- NEN]: Die Nazis gehen halt auch mit der Zeit!) mokratie leben!“ um 8 Millionen Euro kürzen wollte; Deswegen ist es richtig, dass der Bundesinnenminister eine Forderung die am Tag des Anschlags von Halle noch 700 Stellen für die Bekämpfung des Rechtsextremismus schnell zurückgezogen wurde. Auch die Zukunft des anmeldet. Wir müssen auch die Sicherheitsbehörden in Aussteigerprogramms Exit war bis gestern ungewiss. die Lage versetzen, auf eigene Erkenntnisse – und nicht Aber die eigentliche Frage ist doch: Wie kann es sein, nur auf Erkenntnisse befreundeter Dienste – zurückgrei- dass im aktuellen politischen Klima die Kürzung von fen zu können, wenn es um die Bekämpfung geht. Fördermitteln überhaupt in Betracht gezogen wird? (Beifall bei der CDU/CSU – Canan Bayram (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Bundes- und bei der LINKEN) tag muss beschließen, dass die sich die Gamer- Wir brauchen eine verlässliche Förderung der Arbeit zur szene anschauen, damit die sich die Gamersze- Demokratiebildung gegen Rechtsextremismus und Anti- ne anschauen?) semitismus, und – da sind wir ganz bei Ihnen – es braucht Der Hinweis auf das Waffenrecht ist auch in Teilen ein Demokratiefördergesetz. fadenscheinig. Nehmen wir beispielsweise die Frage Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist natürlich rich- mit den Magazinen. Wenn wir uns leidenschaftlich darü- tig, nach dem Anschlag in Halle nicht in Aktionismus zu ber streiten, ob Magazine das große Problem dieser Welt verfallen, aber wir dürfen uns auch nicht der Schockstarre sind, aber feststellen, dass ein Täter in Halle diese Dinger Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14795

Marc Henrichmann (A) mit einem 3-D-Drucker produziert, dann stoßen wir doch mal schauen, wie wir da noch besser werden könnten; (C) damit die Jäger, die Sportschützen vor den Kopf, die wir auch da gibt es Nachholbedarf. genau für diesen Konsens brauchen, Wenn die Mutter des Attentäters in Halle sagt, der Sohn (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: habe ja gar keinen schlechten Eindruck gemacht, er habe Es geht aber nicht nur um den Täter von Halle! nichts gegen Juden gehabt, nur gegen das Großkapital Es geht um ein Netzwerk!) habe er gewettert, dann fehlt es vielleicht auch in der Bevölkerung an Feingespür, hier und da zu erkennen, dafür, einvernehmlich ein Waffenrecht zu schaffen. wann sich jemand radikalisiert, und auch da besteht Wir sollten nicht den Konsens der Gesellschaft aufs Spiel Handlungsbedarf. setzen und eine weitere Spaltung riskieren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- der FDP) NEN]: Sie haben es noch immer nicht verstan- den, oder?) Ich glaube, wir brauchen einen gesellschaftlichen Kon- sens, der da heißt: „Respektvoller Umgang miteinander“ Es geht hier auch nicht um Begrifflichkeiten wie Vor- und einen Rechtsstaat. Wer auf dem Boden des Grund- ratsdatenspeicherung, an der Sie sich alle hochziehen, gesetzes steht und Straftaten verurteilt, der wirkt gegen Extremismus. (Lachen bei der FDP) Und ich finde es schräg – Schlussbemerkung –, wenn sondern es geht auch um Fragen wie Speicherfristen, On- ich in der letzten Sitzungswoche hier das Abfeiern der linedurchsuchung, Quellen-TKÜ. Antifa sehe. Eine große Tageszeitung hat es schön auf (Benjamin Strasser [FDP]: Was hätte das den Punkt gebracht: gebracht?) Der Kampf gegen Rechtsextremismus ist einer der Und da sage ich auch: Es geht ja dabei nicht nur um das wichtigsten, den Deutschland führen … muss. Mit Problem Extremismus von rechts, sondern auch um Kin- der Antifa, die als Trojanisches Pferd ihre linksext- derpornographie, Pädophile. Auch da müssen wir doch zu reme Agenda in die Mitte der Gesellschaft schmug- Potte kommen. Auch da haben wir Handlungsbedarf. gelt, wird das nicht gelingen. (Beifall des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU] – Es gibt keine gute Gewalt. Es gibt keinen Zweck, der Benjamin Strasser [FDP]: Ach, das ist das Gewalt rechtfertigt. Feuer bekämpft man nicht mit Feuer. Problem!) Kämpfen wir zusammen gegen jede Form von Extremis- (B) mus, Islamismus und Gewalt! (D) Ich möchte auch nicht, dass dieses Land zur Bedenken- republik wird und wir uns jetzt wegen Begrifflichkeiten Herzlichen Dank. den Weg verbauen. Wenn als Erstes, wenn wir über Kom- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei petenzen reden, Datenschutzbedenken geltend gemacht Abgeordneten der FDP) werden – und Datenschutz ist ein hohes Gut; gut, dass wir ihn in dieser Form haben – bzw. die dicke Keule ausgepackt wird, bevor der erste Plan auf dem Tisch liegt, Vizepräsidentin Petra Pau: bevor die Diskussion in Fahrt kommt, dann schaden wir Das Wort hat Axel Müller für die CDU/CSU-Fraktion der guten gemeinsamen Sache. als letzter Redner in dieser Debatte. Ich halte auch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz eben (Beifall bei der CDU/CSU) nicht für einen Rohrkrepierer, sondern halte es für wich- tig, dass wir auch da herangehen. Hasssprache – Hate Axel Müller (CDU/CSU): Speech – ist doch ein Problem dieser Zeit. Und was all Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und diese Begrifflichkeiten angeht: Ja, da unterscheiden wir Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als letzter uns wahrscheinlich in der Tat von den Kollegen hier auf Redner dieser Sitzungswoche zum Thema „Rechten Ter- Rechtsaußen. Wer „Lügenpresse“, „Verräter“, „Mahnmal ror stoppen – Opfer schützen“ möchte ich zum Schluss der Schande“ und „Vogelschiss“ in sein Vokabular auf- die Perspektive doch noch etwas weiten. nimmt, der muss sich halt nicht wundern, wenn sich Men- schen in diesen Echokammern daran aufgeilen und zu Wir haben in dieser Woche im Deutschen Bundestag Tätern werden. Das ist ganz klar eine Form von Mit- hier in Berlin im Plenum wie auch in den zuständigen schuld. Ausschüssen ausführlich, fundiert, überwiegend auch un- aufgeregt über die brennenden Themen Extremismus und (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Terror gesprochen, Ansatzpunkte diskutiert, wie wir hier neten der SPD, der FDP und der LINKEN) etwas verbessern können und erste Veränderungen auf den Weg gebracht. Hinterfragen müssen wir auch, ob wir das Richtige tun. Die politische Bildung ist angeklungen. 82 Millionen, Dazu von mir noch ein paar ganz grundsätzliche Ge- glaube ich, waren es, die den Wahl-O-Maten der Bundes- danken: Terror, seien es der der RAF der 70er- und 80er- zentrale für politische Bildung besuchten. Ich glaube, es Jahre, der Neonazi-Terror der 80er-, 90er- und 2000er- gibt kein Programm gegen Extremismus, Islamismus, das Jahre oder die jüngsten Morde in Kassel und Halle, for- eine ähnliche Konjunktur hat. Vielleicht müssen wir ein- dert unseren demokratischen Rechtsstaat auf das Schärf- 14796 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

Axel Müller (A) ste heraus. Er rüttelt an den Fundamenten des Staates, Damit gefährdet man zuweilen auch die Ermittlungser- (C) weil er das Vertrauen der Menschen in die Wehrhaftigkeit folge der Polizeibehörden, der Sicherheitsbehörden. des Staates erschüttert. Der Glaube und das Vertrauen der Man gewinnt Vertrauen auch nicht, indem man Polizei- Menschen in den Staat werden maßgeblich davon getra- beauftragte als Oberaufsicht der Ermittlungsbehörden gen, dass der Staat unter Beweis stellt, dass er Leib und fordert. Vielmehr braucht der Staat Organe und unsere Leben der Menschen schützen kann. Terror ist die härtes- Unterstützung; und jedes Mitglied dieses Hohen Hauses te Bewährungsprobe für den Rechtsstaat. kann das unter Beweis stellen, indem es sich an den Ab- Ein ehemaliges Mitglied dieses Hauses, der ehemalige stimmungen über die Gesetzesvorhaben, die den Rechts- RAF-Verteidiger Hans-Christian Ströbele, hat in einer staat stützen, konstruktiv beteiligt. Diskussion im Jahre 2018 mit dem ehemaligen RAF-An- (Benjamin Strasser [FDP]: Ja, allerdings! – kläger Klaus Pflieger folgende These aufgestellt – ich Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zitiere –: Einiges dazu ist gesagt worden, ich will es nicht wieder- Ich bin heute noch der Meinung, dass sich der holen. Ich will nur noch einmal mit Blick auf die Redezeit Rechtsstaat BRD nicht bewährt hat. auf einiges hinweisen: Verlängerung der Speicherfristen von DNA, Verschärfung im Strafgesetzbuch gegen Hass- Meine Damen und Herren, ich bin grundsätzlich anderer reden im Netz, Auffassung. Ich denke auch, dass der Diskussionspartner, Generalstaatsanwalt a. D. Klaus Pflieger, meine Meinung (Benjamin Strasser [FDP]: Ach, die ganz alte teilen würde; denn die Geschichte der Bundesrepublik Kiste! Die kann man überall anwenden! Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte des demokrati- Schützen wir den Staat!) schen Rechtsstaats. Quellen-TKÜ und nicht zuletzt eine verbesserte Ausstat- Rechtsstaat und Demokratie sind untrennbar miteinan- tung der Organe von Polizei, Sicherheitsbehörden und der verbunden. Ein schwindendes Vertrauen in den Justiz. Und wenn Sie da, Herr Kollege Strasser, einmal Rechtsstaat, wie wir es in den letzten Jahren immer wie- konstruktiv mitwirken würden, nicht gegen alles wären, der feststellen – so hat es auch Generalbundesanwalt (Benjamin Strasser [FDP]: Ja, ja! Wo sind denn Dr. Peter Frank in einem Interview mit der „Zeit“ gesagt –, Ihre Vorschläge?) ist auch ein Vertrauensverlust unserer Demokratie. Dazu bestünde unterm Strich nach meiner Einschätzung über- nicht ständig widersprechen würden, haupt kein Anlass. Keine Regierung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat jemals beispielsweise (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (B) ein Gerichtsurteil ignoriert oder ihm nicht Folge geleistet. Das definieren nicht Sie, was konstruktiv ist!) (D) dann, glaube ich, wäre der Rechtsstaat erfolgreich. Er Die heutige Debatte um die Änderung des Grund- könnte besser arbeiten, wie wir es uns hier alle, aber auch gesetzes zur Reform der Grundsteuer zeigt doch, dass die Menschen in unserem Land, wünschen. die Bundesregierung, aber auch wir, das Parlament, ei- nem Entscheid des obersten Gerichts gehorchen. Vertrau- (Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE en gewinnt der demokratische Rechtsstaat aber nicht zu- GRÜNEN]: Sie regieren seit 14 Jahren!) rück, wenn man ihm mit Misstrauen begegnet, indem Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und wün- man wie die Antragssteller – wie auch viele andere, die sche ein schönes Wochenende. heute hier gesprochen haben – aus einem gewissen Grundmisstrauen gegen die Organe des Rechtsstaats eine (Beifall bei der CDU/CSU) immer weiter gehende, nicht enden wollende Ausdeh- nung der parlamentarischen Befugnisse gegen die Sicher- Vizepräsidentin Petra Pau: heitsbehörden fordert. Ich schließe die Aussprache. (Benjamin Strasser [FDP]: Ganz schlimm, dass Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf das Parlament die Sicherheitsbehörden kontrol- den Drucksachen 19/10750, 19/14062 und 19/14091 an liert! Sehr schlimm! Das ist unser Job! – Canan die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge- Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dür- schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der fen wir keine Anträge mehr stellen, oder was?) Fall. Dann verfahren wir so. Dazu gehört auch, dass man nicht jede Einschätzung der Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Ermittlungsbehörden, was die Einbindung eines Täters in Schluss unserer heutigen Tagesordnung. ein vermutetes Netzwerk anbelangt, von vorneherein in Zweifel zieht, Herr Kollege Strasser, und überall Ver- Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- schwörungen wittert. tages auf Mittwoch, den 23. Oktober 2019, 13 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen bis (Benjamin Strasser [FDP]: Das sind keine Ver- dahin alles Gute. schwörungen! Sie müssen sich mit den Gege- benheiten noch einmal beschäftigen!) (Schluss: 17.20 Uhr) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14797

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1

Entschuldigte Abgeordnete

Abgeordnete(r) Abgeordnete(r)

Altenkamp, Norbert Maria CDU/CSU Özdemir, Cem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Paus, Lisa BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Annen, Niels SPD Petry, Christian SPD Baerbock, Annalena BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Petry, Dr. Frauke fraktionslos De Ridder, Dr. Daniela SPD Rabanus, Martin SPD Färber, Hermann CDU/CSU Röttgen, Dr. Norbert CDU/CSU Freihold, Brigitte DIE LINKE Schulz, Jimmy FDP Gabriel, Sigmar SPD Schwartze, Stefan SPD Gerdes, Michael SPD Steffel, Frank CDU/CSU Gerster, Martin SPD Suding, Katja FDP Gottberg, Wilhelm von AfD Thews, Michael SPD Hartmann, Sebastian SPD Vaatz, Arnold CDU/CSU (B) (D) Hoppenstedt, Dr. Hendrik CDU/CSU Wagenknecht, Dr. Sahra DIE LINKE Janecek, Dieter BÜNDNIS 90/ Weber, Gabi SPD DIE GRÜNEN Weiss (Wesel I), Sabine CDU/CSU Jensen, Gyde* FDP *aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes Kamann, Uwe fraktionslos Kemmerich, Thomas L. FDP Anlage 2 Krings, Dr. Günter CDU/CSU Martens, Dr. Jürgen FDP Erklärung nach § 31 GO Marwitz, Hans-Georg von CDU/CSU der Abgeordneten Dr. Michael von Abercron, der Dieter Stier und Hans-Jürgen Thies (alle CDU/ CSU) zu der Abstimmung über den Merkel, Dr. Angela CDU/CSU – von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD Meyer, Christoph FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Än- derung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisie- Mieruch, Mario fraktionslos rung von baureifen Grundstücken für die Be- Nahles, Andrea SPD bauung Nestle, Dr. Ingrid BÜNDNIS 90/ und DIE GRÜNEN – den von der Bundesregierung eingebrachten Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/ Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des DIE GRÜNEN Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung Nüßlein, Dr. Georg CDU/CSU (Tagesordnungspunkt 27 c) 14798 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019

(A) Hiermit erklären wir, dass wir nur mit Einschränkun- häufig aber auch rechtlich, zum Beispiel bei eingetrage- (C) gen dem von den Fraktionen CDU/CSU und SPD auf nen Rückauflassungsvormerkungen, entgegen. Eine Las- Drucksache 19/11086 und von der Bundesregierung auf tenfreimachung, die Voraussetzung für die Veräußerbar- Drucksache 19/13456 eingebrachten Entwurf eines „Ge- keit eines baureifen Grundstückes wäre, ist dem setzes zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobi- Grundstückseigentümer nur mit Zustimmung des Berech- lisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung“ tigten möglich, die häufig aber nicht zu erlangen ist. zustimmen, da die Einführung einer Grundsteuer C zu einer starken grundsteuerlichen Mehrbelastung für viele Weitere Beschränkungen der Verfügbarkeit baureifer land- und forstwirtschaftliche Betriebe führen wird. Da- Grundstücke können sich für den Eigentümer aus er- rüber hinaus ergeben sich hierdurch für uns verfassungs- brechtlichen und steuerrechtlichen Regelungen, zum Bei- rechtliche Bedenken. spiel Nachabfindungsansprüchen weichender Erben, Aufdeckung stiller Reserven aus Betriebsvermögen etc., Ziel der Einführung einer Grundsteuer C bzw. eines ergeben. Gesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken In derartigen Fällen zivilrechtlicher Beschränkungen für die Bebauung ist es, die Kosten für unbebaute Grund- versagt die vom Gesetzgeber mit der Einführung der stücke zu erhöhen, um Grundstücksspekulationen entge- Grundsteuer C beabsichtigte Lenkungswirkung. Stattdes- genzuwirken. sen entfaltet die Grundsteuer C in derartigen Fällen für Land- und forstwirtschaftliche Flächen in direkter den Steuerpflichtigen eine erdrosselnde Wirkung, der er Ortslage oder in Ortsrandlagen – innerhalb der im Zusam- sich allenfalls durch Eigentumsaufgabe bzw. -verzicht menhang bebauten Ortsteile, § 34 BauGB – könnten entziehen kann. Da das Gesetz zur Einführung einer durch kommunale Grundsteuersatzung der Grundsteuer Grundsteuer C für derartige Fallkonstellationen keine C unterfallen. Etliche Betriebe wären durch eine erhöhte steuerbefreienden Ausnahmetatbestände zulässt, verstößt Grundsteuer belastet, obwohl die betroffenen Flächen dieses Gesetz gegen Artikel 14 GG und ist mithin ver- land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden, unter Um- fassungswidrig. ständen zivilrechtlichen Veräußerungsbeschränkungen (zum Beispiel Altenteilslasten, erbrechtlichen Hindernis- sen) unterliegen und keine Grundstücksspekulation dar- stellen. Anlage 3 Trotz unserer mehrfach geäußerten Bedenken wurde Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung im Gesetzgebungsverfahren nicht sichergestellt, dass land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen, auch (B) Der Bundesrat hat in seiner 981. Sitzung am 11. Okto- (D) wenn sie im bebaubaren Innenbereich liegen oder ein ber 2019 beschlossen, zu dem nachstehenden Gesetz Bebauungsplan für diese Flächen vorliegt, von einer er- einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grund- höhten Grundsteuer C ausgenommen sind. Gleiches gilt, gesetzes nicht zu stellen: für unsere Auffassung, dass landwirtschaftlich genutzte Grundstücke, sofern diese sich im Betriebsvermögen ei- – Achtes Gesetz zur Änderung des Hochschulrah- nes landwirtschaftlichen Betriebes befinden, gleichsam mengesetzes per se nicht von einer Grundsteuer C erfasst werden soll- Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie ten. gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von Unbeschadet dessen haben wir aber auch durchgreifen- einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen de verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einführung absehen: der Grundsteuer C, soweit diese unabhängig von der zi- Finanzausschuss vilrechtlichen Verfügbarkeit eines Grundstückes erhoben werden können soll. Keine verfassungsrechtlichen Pro- – Unterrichtung durch die Bundesregierung bleme sehen wir darin, dass mit der Grundsteuer C eine Sechster Bericht des Ausschusses für Finanzstabi- bau- und wohnungspolitische Lenkungswirkung erzielt lität zur Finanzstabilität in Deutschland und die Eigentümer baureifer Grundstücke zu einem be- stimmten „Tun oder Unterlassen“ durch eine spürbare Drucksachen 19/10688, 19/11247 Nr. 3 steuerliche Mehrbelastung veranlasst werden sollen. Ein Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und solcher gesetzgeberischer Lenkungswille setzt aber auf Entwicklung Seiten der Adressaten die Fähigkeit zu einem vom Ge- setzgeber gewünschten Verhalten voraus. – Unterrichtung durch die Bundesregierung Eine solche Fähigkeit ist jedoch bei Eigentümern von Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Grundstücken, die nicht verkehrsfähig sind, gar nicht vor- Ergebnisse der Londoner Konferenz zu Syrien handen. Nicht wenige Grundstücke sind mit zivilrecht- und der Region 2016 lichen Belastungen und Beschränkungen, die zumeist Drucksachen 19/7300, 19/7803 Nr. 3 auch in Abteilung II des Grundbuches eingetragen sind, beschwert. Derartige Grundstücksbelastungen, zum Bei- Ausschuss für Tourismus spiel Altenteils- oder Nießbrauchsrechte, Wege- oder Lei- – Unterrichtung durch die Bundesregierung tungsrechte, aber auch Baulasten etc. stehen einer markt- gerechten Veräußerbarkeit solcher Grundstücke faktisch, Eckpunkte für eine nationale Tourismusstrategie Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 119. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Oktober 2019 14799

(A) Drucksache 19/9810 Ratsdokument 9991/19 (C) Drucksache 19/11257 Nr. A.9 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Ratsdokument 9996/19 Union Ausschuss für Wirtschaft und Energie – Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 19/9385 Nr. A.6 Ratsdokument 7565/19 Bericht über die Vorbereitungen der Bundesregie- Drucksache 19/13202 Nr. A.23 rung auf den Austritt des Vereinigten Königreichs ERH 8/2019 Drucksache 19/13202 Nr. A.27 aus der Europäischen Union Ratsdokument 10400/19 Drucksache 19/13202 Nr. A.28 Drucksachen 19/7240, 19/7803 Nr. 2 Ratsdokument 10972/19 Drucksache 19/13202 Nr. A.29 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- Ratsdokument 11414/19 geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdo- kumente zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit tung abgesehen hat. Drucksache 19/8458 Nr. A.11 Ratsdokument 5953/19 Drucksache 19/10072 Nr. A.18 Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz EP P8_TA-PROV(2019)0317 Drucksache 19/910 Nr. A.23 Drucksache 19/10784 Nr. A.12 Ratsdokument 10940/17 EP P8_TA-PROV(2019)0441 Drucksache 19/910 Nr. A.28 Drucksache 19/13202 Nr. A.33 Ratsdokument 13927/17 Ratsdokument 10705/19 Drucksache 19/1252 Nr. C.10 Drucksache 19/13202 Nr. A.34 Ratsdokument 5438/16 Ratsdokument 11041/19 Drucksache 19/1252 Nr. C.21 Ratsdokument 15251/15 Drucksache 19/7158 Nr. A.10 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ratsdokument 15677/18 Drucksache 19/10784 Nr. A.16 Ratsdokument 9199/19 Finanzausschuss Drucksache 19/10784 Nr. A.5 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union EU-Dok 161/2019 Drucksache 19/1252 Nr. A.7 Drucksache 19/13202 Nr. A.5 EP P8_TA-PROV(2018)0029 ERH 10/2019 Drucksache 19/4344 Nr. A.44 Drucksache 19/13202 Nr. A.6 ERH 16/2018 ERH 12/2019 Drucksache 19/5999 Nr. A.19 Drucksache 19/13202 Nr. A.7 Ratsdokument 13542/18 EU-Dok 238/2019 Drucksache 19/7505 Nr. A.33 (B) Ratsdokument 15775/18 (D) Haushaltsausschuss Drucksache 19/7505 Nr. A.35 Drucksache 19/10784 Nr. A.7 Ratsdokument 15847/18 Ratsdokument 8647/19 Drucksache 19/7991 Nr. A.6 Drucksache 19/10784 Nr. A.8 Ratsdokument 5927/19 Ratsdokument 8961/19 Drucksache 19/8458 Nr. A.16 Drucksache 19/11257 Nr. A.3 EP P8_TA-PROV(2019)0076 Ratsdokument EG9/19 Drucksache 19/8458 Nr. A.18 Drucksache 19/11257 Nr. A.4 EP P8_TA-PROV(2019)0078 Ratsdokument 9335/19 Drucksache 19/8679 Nr. A.4 Drucksache 19/11257 Nr. A.5 Ratsdokument 6865/19 Ratsdokument 9983/19 Drucksache 19/9106 Nr. A.11 Drucksache 19/11257 Nr. A.6 K(2019)1115 endg. Ratsdokument 9986/19 Drucksache 19/10072 Nr. A.24 Drucksache 19/11257 Nr. A.7 Ratsdokument EUCO XT20013/19 Ratsdokument 9988/19 Drucksache 19/10329 Nr. A.8 Drucksache 19/11257 Nr. A.8 Ratsdokument 8476/19 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333