gift 01/2012 zeitschrift für freies theater Euro 5,- (2,50 erm.) P.b.b. Verlagspostamt 1060 Wien Zul. Nr. 09Z038334M

Postmigrantische Diskussionen: Bist du Schauspieler oder bist du Türke?

politik diskurs theater & politik

War da was? Needcompany goes Politisch Theater machen Abrechnung mit der Theaterreform This door is too small (for a bear)? Ein Buch, ein Diskurs, neue Praxen?

Pimp my postmigrantisches Theater Bettina Frenzel Belarus isn't sexy! Sprechtheater als migrantische Wüste Sichtweise einer Fotografin Notruf aus einer Diktatur Inhalt Premieren

3 editorial

aktuell 18.01. 26.01. 09.02. 26.02. Elmar Drexel: Augustin Jagg: Im Herbst Mezzanin Theater: Das Prinzip werkraum theater: 4 Dietmar „Didi“ Jäger 1962–2011 Wir schlafen nicht Bregenz Stuwwelpeter Lady Monkey – Der Affenkönig Innsbrucker Kellertheater, 05574/44034 Theater am Lend Graz werkraum studio Graz 5 1. Februar 2012 – 1. Europäischer Theatertag der Toleranz 0512/580743 0316/846094 0676/9400383 6 Das war die Europäische Theaternacht 2011 26.01. 18.01. Johannes Maile: das maß der 09.02. 01.03 new space company: dinge Liquid Loft: Mush Room Philippe Riéra: politik Verrücktes Blut Theater Phönix Tanzquartier Wien / Halle G I Love Garage X Wien 01/535320011 0732/666500 01/5813591 Tanzquartier Wien / Halle G 8 War da was? Eine Abrechnung mit der Wiener Theaterreform Von Uwe Mattheiß 01/5813591 18.01. 26.01. 10.02. 11 Pimp my postmigrantisches Theater Von Jürgen Bauer Saskia Hölbling u. Laurent Nina C. Gabriel: Radowan III Oper Unterwegs: Der Rote Löffel 08.03. 14 Bist du Schauspieler oder bist du Türke? Von Gamze Ongan und Vida Bakondy Goldring: body in a metal neue buehne villach Dschungel Wien, 01/522072020 Elisabeth Augustin: 15 Umgang mit den Richt­gagen. Ein pragmatisches Modell. Von Claudia Seigmann und Markus Zett structure 04242/287164 Sehr geehrter Zuschauerraum WUK Wien, www.wuk.at 10.02. KosmosTheater Wien 16 Welches Problem kann gelöst werden? IMAGs, KSVF und die Ministerin Von Clemens Christl 28.01. Theater Montagnes Russes: I 01/5231226 18 25 Programme, 3 Fonds, 3 Ziele, 1 Politik EU-Geld für Kunst, Kultur und die Kreativwirtschaft Von Xenia Kopf 18.01. Stefan Raab: Klamms Krieg wanna be (made) Elisabeth Gabriel: Theater praesent Innsbruck Dschungel Wien, 01/522072020 15.03. Fledermaus returns! 0650/6436036 2nd Nature: diskurs TAG Wien, 01/5865222 14.02. Wenn die Kinder Steine 31.01. t'eig: DNA ins Wasser werfen 20 Fokus Koproduktion II: Needcompany goes Burgtheater Interview mit Ellen Grace Barkey und Lot Lemm 18.01. Cordula Nossek & Frank Theater am Ortweinplatz Graz von Xaver Bayer theater ångstrøm: Panhans: Faust. Wie viel Böses 0316/846094 23 Fokus Koproduktion III: Momo – Ein Gesamtkunstwerk? Interview mit Sara Ostertag Entkörperung.Zwei.Null braucht ein Mensch? 01/317010118 25 Bei Namensnennung Abdruck des Fotos honorarfrei Sichtweise einer Fotografin Von Bettina Frenzel KosmosTheater Wien Dschungel Wien, 01/522072020 21.02. 30 Kaleidoskop im Rückspiegel Zehn Jahre walk.tanztheater.com Von Daniela Egger 01/5231226 Rüdiger Hentzschel: Die Falle 22.03. 02.02 Theater Scala Wien Alexander Kratzer: 33 Publikum ist alles! Eine Insider Reportage zu Mimamusch 2011 Von Valerie Kattenfeld 20.01. ENSEMBLE08: Hamlet 01/5442070 Bossnapping Peter Pausz: Homo faber Off Theater Wien, 01/5231729 Theater Phönix Linz Theater Spielraum Wien thema: theater & politik 22.02. 0732/666500 01/713046060 03.02. Ali M. Abdullah: Was geschah, Doris Stelzer: lasst uns träumen nachdem Nora ihren Mann 28.03. 35 Politisch Theater machen Von Jan Deck 20.01. Tanzquartier Wien / Studios verlassen hatte Vater, Mutter, Geisterbahn 44 Free at last? By Ahmed El Attar Holger Schober: 01/5813591 Garage X Wien 01/535320011 Theater Oberzeiring Odysseus am Sand 0664/8347407 46 Free Belarus Dschungel Wien 04.02. 22.02. 47 Belarus isn't sexy! By Natalia Kaliada 01/522072020 Kathrin Diwiaks: Kollaborateure: system collapse 30.03. 48 Theatre In Kosovo – The Challenges In The New State By Jeton Neziraj Schneewittchen und die sieben now / I’m part of a strange Nomad LABfactory / KkuK: 25.01. Zwerge Company Unter Gang Art Ákos Hargitay / Company Two Theaterzentrum Deutschlands- Tanzquartier Wien / Studios TQW / Halle G In One: Home Parkour berg, 03462/6934 01/5813591 01/5813591 Dschungel Wien, 01/522072020 08.02. 23.02. 31.03. service kurzrubriken 25.01. die : Du spinnst Theater ohne Furcht und Tadel: Manfred Lukas-Luderer: Der Onkel Wanja doch! Verwirrungen junge Hitler 52 Intern 27 sandkasten Thomas Maurer Theater Oberzeiring Kleines theater Alte Schieberkammer Wien, neue buehne villach 0664/8347407 0662/872154 Meiselstr. 20, 0676/425 09 85 04242/287164 Aus der Szene 29 bilderrahmen Bettina Frenzel, Theaterfotografin Ausschreibungen 53 Festivals 54 impressum 55 premieren Weitere Programm-Infos online auf www.theaterspielplan.at Titelbild: Anne Frütel, Jan Tabaka, Susanna Tabaka-Pillhofer, Anne Wiederhold in sowie für Wiener Produktionen im Printformat spielplan wien Untergrund Theater Tanto, Regie und musikalische Leitung: Susanna Tabaka-Pillhofer. KUNSTHALLE videolounge, MuseumsQuartier Wien, 2006 © Bettina Frenzel editorial

Liebe Leser_innen,

Neues Jahr, neue gift … und das betrifft nicht nur ein eventu- Abdruckgenehmigung für seinen kulturpolitische Bewegung elles Stolpern über den gegenderten Unterstrich … auslösenden Beitrag nicht weniger als über den späten Beginn Wir haben uns an einen Layout Relaunch getraut, gra- einer externen Evaluation – nun endlich auch in Wien. fisch vielfältiger, endlich mit Bildwerten – Xenia Kopf hat es Fokus Koproduktion wirft in zwei Interviews mit der möglich gemacht. Auch inhaltlich hat sich einiges – klein Needcompany aus Belgien und mit der jungen Wiener Regis- aber fein – an der gift verändert. Zu den bisherigen Rubriken seurin Sara Ostertag weitere Seitenblicke auf die Bedingungen sind neue Formate gekommen: das Kurzinterview sandkasten für Koproduktionen in Österreich. Im Diskurs fragt Jan Deck, – hier und heute ‚spielt‘ Thomas Maurer – und das Porträt Herausgeber des gleichnamigen Buches, wie man/frau Poli- jeweils eines/einer Theaterfotograf_in. Das Titelfoto und drei tisch Theater machen kann? – eine Frage , die die IG übers Fotos im Innenbereich dieser Nummer kommen von Bettina Jahr auch als Diskursformat in einer Reihe von Veranstal- Frenzel. Sie selbst wird im Format bilderrahmen porträtiert tungen beschäftigen wird. Richtig politisch ist‘s schon am und eröffnet die Serie inhaltlich mit einem kritischen Artikel Anfang mit Markus Kupferblums Aufruf zu einem Theatertag zur Situation freier Theaterfotografie. Aus Lust am neuen For- der Toleranz am 1. Februar anlässlich der Situation in Ungarn mat dokumentieren wir dazu die erstmalige österreichische und wird’s am Ende: Ahmed El Attar reflektiert die Rolle des Beteiligung an der Europäischen Theaternacht auf einer freien Theaters im politischen Umbruch in Ägypten, Natalia Foto-Doppelseite. Ebenfalls neu im Format ist die Beilage Kaliada ruft mit ihrem dramatischen Text Belarus isn‘t sexy zu diesem Heft mit Berichten aus den Bundesländern, in de- auf: Free Belarus – und Jeton Neziraj, der seinen Job als nen neben Fakten, Zahlen und Ereignissen von der freien Direktor des Nationaltheaters aus politischen Gründen im Szene als ‚Mistelzweige in den Baumkronen der Volkskul- letzten Sommer verlor, beschreibt die Verfassung des Theaters tur' und vielem mehr die Rede ist. Im Politikbereich liegt im Kosovo in einem grundlegenden Essay. ein Schwerpunkt auf der aktuellen Wiener Diskussion um Bitte unbedingt das Memorandum umsetzen und die postmigrantisches Theater, die im Frühjahr mit einer zweiten Petition zeichnen bzw. Natalia Kaliadas weltweit wahrgenom- Sequenz der Furore machenden Reihe mit dem unsäglichen mene Initiative mit Wort, Tat und Budget unterstützen! Titel Pimp My Integration fortgesetzt werden soll. Wir verfol- Was bleibt ist ein trauriger Schluss in allem Engagement: gen die Diskussion um die Notwendigkeit oder symbolische Völlig unerwartet ist unser Bundeslandsprecher Didi Jäger im Alibifunktion eines eigenen ‚postmigrantischen Theaterhauses‘ Dezember verstorben. Barbara Stüwe-Eßl und Andrea Wälzl mit Spannung. Uwe Mattheiß kritisierte im Falter den Still- verabschieden ihn in einem Nachruf. stand der Wiener Theaterreform – wir freuen uns über die Er fehlt. Sabine Kock

editorial 1 aktuell

Dietmar „Didi“ Jäger, 1962-2011 Ein Nachruf von Barbara Stüwe-Eßl und Andrea Wälzl

Der Schauspieler, Produzent und Kulturmanager Didi Jäger ist am 2. Dezember 2011 völlig unerwartet verstorben. Didi Jäger gehörte seit den Anfängen der IG Freie Theaterarbeit zu den engsten Weggefährten und war bis zu seinem Tod als Bundeslandsprecher der IGFT für Niederösterreich ehrenamtlich tätig.

In seinem Engagement für die freie Kul- des Landes Niederösterreich erhielt. turszene in Österreich – speziell in Nie- Ebenfalls ab dem Jahr 1994 war er am derösterreich – war er unermüdlich. Le- Aufbau des professionellen Gehörlosen- gendär waren schon in den 90er Jahren theaters ARBOS mitbeteiligt. seine mindestens drei Mobiltelefone, Im Laufe der Zeit hat sich Didi Jäger mit denen er seine diversen Jobs koordi- immer mehr von der Bühne entfernt und niere. Es gelang ihm scheinbar spielend, hin zum Kulturmanagement entwickelt. bei den unterschiedlichsten Initiativen Auf diesem Gebiet war er mit großem im Kulturbereich mitzuarbeiten, diese Know-How in verschiedensten Arbeits- zu vernetzen und seine Impulse und feldern tätig. Er war Mitbegründer, Ob- Ideen einzubringen. mann und Vorstandsmitglied der NÖ Didi Jäger war ein vielseitiger, für Kulturvernetzung. Publizistisch arbeitete viele verschiedene Dinge begabter er von 2000 bis 2005 als Redaktionslei- Mensch. Nach Abschluss seines Schau- ter von live in Niederösterreich und von spielstudiums in Wien war er als freier 2003 bis 2004 als Chefredakteur von k2 Schauspieler u. a. im Schauspielhaus kultur. Magazin für Wien und Niede- Graz, bei den Salzburger Festspielen rösterreich. Seit 2004 war er Mitglied im und beim NÖ Donaufestival tätig. Vorstand von radioYpsilon sowie Kul- Als Mitorganisator von Theatertagen turverantwortlicher des Senders. in Bad Radkersburg und St. Lambrecht, 2003 wurde er mit dem Bundesehren- © Andreas Heske als Leiter des Kultursommers Gossam zeichen der Republik Österreich ausge- und des Theaters Westliches Weinvier- zeichnet. Von 2005 bis 2009 war er Ge- tel (TWW) hatte er schon einiges an schäftsführer von Land um Hollabrunn, Erfahrung gesammelt, als er 1994 die ab April 2009 im Veranstaltungsmanage- freie Theatergruppe ACCUS Theater- ment der Volkskultur Niederösterreich Musik-Live Kultur gründete, für die er tätig. Bis zuletzt war er auch Mitglied im Jahr 1999 den Anerkennungspreis des NÖ Kultursenats.

2 gift 01/2012 1. Februar 2012 – 1. Europäischer Das größte Geschenk machte Didi Jä- Theatertag der Toleranz ger der IG Freie Theaterarbeit und den involvierten Künstler_innen mit seiner Am 1.2.2012 wird das Neue Theater Budapest an zwei Intendanten übergeben, Idee, ein europaweites Künstler_innen- die bekannte ungarische Rechtsradikale sind. Einer von ihnen war Gründer Treffen in Niederösterreich zu veran- einer rechtsextremen Partei und betreibt heute noch eine Zeitschrift, in der er stalten. Diese Idee führte 2005 zu einem antisemitische, antiziganistische und rassistische Hetzschriften veröffentlicht. ersten großen Vernetzungstreffen in St. Da es sich um ein subventioniertes Theater einer europäischen Hauptstadt Pölten und wurde zum Ausgangspunkt handelt und der Oberbürgermeister im Alleingang diese Entscheidung gefällt einer mittlerweile weit über Europa hin­ hat, findet ein Tabubruch statt, den eine Gruppe um den Theatermacher Markus ausgehenden Vernetzungsplattform, Kupferblum so nicht hinnehmen will: gemeinsam mit einer Reihe von Theaterma- dem European Off Network. cher_innen und Schauspieler_innen hat er eine Initiative gestartet, die sich gegen Im Rahmen der Diskussions- und In- die schleichende Akzeptanz von Faschist_innen im öffentlichen Leben richtet. formationstour professionell prekär?, Ungarn ist nicht das einzige Land Europas mit starken rechtsextremen Par- die die IG Freie Theaterarbeit 2010 teien. Deshalb möchten die Initiator_innen dieses Ereignis zum Anlass nehmen, durch sämtliche Bundesländer führte, vor der jeweiligen Vorstellung möglichst vieler Theater in ganz Europa folgendes realisierte Didi Jäger die Entwicklung Memorandum durch einen Schauspieler oder eine Schauspielerin verlesen zu und Umsetzung der Diskussionsveran- lassen. Als Symbol des Zugangs zum Herzen der Menschen sollen diese Personen staltung Theaterland Niederösterreich während der Verlesung einen Schlüssel in der Hand halten. – Nahversorger_innen, Selbstausbeu- ter_innen und Tourist_innen. Memorandum Stets am äußersten Limit seiner Zeitressourcen schaffte er es Jahr für Jahr Ich verlese ein Memorandum, das heute in den meisten Theatern Europas im allerletzten Moment vor Redaktions- vor der Vorstellung in der jeweiligen Landessprache verlesen wird: schluss noch seinen Bericht für den IG- Heute ist der 1. Februar 2012. An diesem Tag wurde in Budapest eines Jahresrückblick abzuliefern. Seinen Bei- der bedeutendsten Theater der Stadt an zwei neue Intendanten übergeben, trag für 2011 konnte er nicht mehr fertig die seit vielen Jahren öffentlich rechtsradikales Gedankengut vertreten. Sie stellen. Er verstarb am 2. Dezember. publizieren antisemitische, antiziganistische und rassistische Hetzschriften Didi war dem Team und den Vor- und leiten ab heute ein subventioniertes Theater einer europäischen Haupt- standsmitgliedern der IGFT stets ein stadt. wichtiger Begleiter. Wir trauern um Das ist ein Tabubruch. einen engagierten und liebenswerten Wir wollen das nicht zum Anlass nehmen, Steine nach Budapest zu Kollegen. Unser Mitgefühl gilt seinen werfen, sondern uns in unserem eigenen Land und in unserer unmittelbaren Eltern, seiner Lebensgefährtin Sabine Umgebung für Toleranz, Vielfalt und Solidarität für die Schwächeren einzu- und seinem Sohn Julian. || setzen. Wir sind bestürzt darüber, dass in vielen Europäischen Ländern poli- tische Kräfte wirken, die Hass, Verachtung und Neid zwischen den Menschen schüren. Wir wollen mit unserer Theaterarbeit das Trennende in der Gesell- schaft überwinden, Neugierde erwecken und die Sinne für gesellschaftliche Kurzmeldung: Hilferuf aus dem OFF Wahrheiten schärfen – für das gemeinsame Wohl aller Menschen, den Frieden

Die unabhängigen Theater in Ungarn fürch- und die Freiheit in Europa. Sind wir Menschen doch alle frei und gleich an ten um ihre Existenz. Informationen: Würde und Rechten geboren, sind wir doch alle Bürger einer Welt. www.pesterlloyd.net/2010_47/47offtheater/ Heute ist der 1. Februar 2012. Begehen wir heute gemeinsam den 1. 47offtheater.html „Europäischen Theatertag der Toleranz“.

Petition zur Unterstützung der Unabhängigen Theater in Ungarn: Bitte leiten Sie diesen Text an möglichst viele Intendant_innen und Drama­ www.petitions24.com/hatoskategoria turg_innen weiter. Onlineversion auf www.freietheater.at. ||

aktuell 3 Das war die Europäische Theaternacht 2011

Am 19. November 2011 haben sich zahlreiche Theater, Gruppen und Künstler_innen in Österreich erstmals bei der Europäischen Theaternacht beteiligt; und für das kaum finanzierte Pilotprojekt der IG Kultur Österreich lief es famos. Abgesehen davon, dass der Eventcharakter, die Möglichkeit da- durch neues Publikum ins Theater zu bringen und der Europäische Gedanke schon in der Planung auf großes In- teresse seitens der Theater gestoßen waren, kamen nach dem großen Pu- blikumsandrang und der erfolgreichen Pressearbeit sehr schöne Feedbacks zurück.k. Am 17. November findet die Eu- ropäische Theaternacht 2012 statt!

www.europaeische-theaternacht.at

4 gift 01/2012 Linke Seite: Medea; Theater Spielraum Rechte Seite, oben: Klangpassage; Brunnenpassage Wien Mitte links: Freuds Neurosen; 3raum-Anatomietheater Mitte rechts: Workshop; Vienna English Theatre (alle: © Barbara Palffy) Unten links: Voilà; Odeon (© etn)

aktuell 5 politik

War da was?

Acht Jahre danach: Einer der theoretischen Vordenker der Wiener Theaterreform rechnet ab Von Uwe Mattheiß

Seit einiger Zeit geht das Gerücht um, das Kulturamt wolle Hat das, was sich in den 80er- und 90er-Jahren mit allem Stolz seine Theaterreform „evaluieren“. Die Bundestheater sind es „Freies Theater“ nannte, eine Zukunft, und wenn ja, worin schon, und im Gegensatz zu jenen bestehen bei der Wiener liegt sie? Kann eine Gesellschaft aus der Praxis zeitgenös- Theaterreform gute Chancen, dass dieser Prozess auch unter sischer Kunst noch etwas über sich und ihr Dasein erfahren den Augen der Öffentlichkeit stattfindet. – und wie weit ist sie überhaupt noch bereit dazu? Ist Theater Im akademischen Betrieb, aus dem der schöne Evalu- spielen, performen, tanzen, inszenieren, choreografieren, Büh- ationsbrauch stammt, sind solche Verfahren längst geläufig. nen bauen, Bilder, Töne, Kostüme entwerfen, Geld aufstellen Jeder Student weiß, den Seminarschein kriegt nur, wer auch und verwalten, Gastspiele managen und Produktionen leiten den Evaluationsbogen ausfüllt. Manchmal wird das Folgese- ein Beruf oder lediglich das Privileg einer privaten Selbstver- minar sogar besser. Im Feld der Kunst ist das nicht so einfach. wirklichung, zu dem die öffentliche Hand freundlicherweise Welche Methoden erschließen nach welchen Regeln welche etwas Fördergeld beisteuert? Tatsachen? Und was davon wäre einer mit Sachverstand ge- Wenn’s denn ein Beruf ist, wovon die meisten nach führten öffentlichen Diskussion nicht zugänglich? Die offene wie vor ausgehen, wäre weiter zu fragen: Wie viele sollen in Debatte informierter Teilnehmer ist seit jeher das Erkenntnis- einer Stadt davon leben können und vor allem wie – inklu- verfahren der politischen Sphäre. sive biografischer Gegebenheiten wie älter werden, Kinder Die Fragestellung darin wäre von den Bundestheatern haben, auch mal krank sein dürfen? An Fragen mangelt es bis zur freien Gruppe im Grunde identisch: Wie sieht die einem Evaluationsprojekt nicht. Sie stehen seit acht Jahren Zukunft des Theaters aus, was kostet sie und wie vermittelt im Raum, vielleicht kommen sie im neunten Jahr ihrer über- man einer Gesellschaft, dass diese Kosten es wert sind, getra- fälligen Beantwortung einen Schritt näher. gen zu werden? Doch dann würde, oh Schreck, Kulturpolitik Das Erstaunlichste an dieser Zeitspanne aber ist die plötzlich wieder politisch. fortdauernde Karriere, die zentrale Begriffe aus der Studie Für den Bereich, den die Begriffsklammer Theaterre- zur Theaterreform im sonst so schnelllebigen Politikgeschäft form einmal umschrieben hat, gehen die offenen Fragen je- gemacht haben. Wobei die Namen die Inhalte, die sie bezeich- denfalls nicht aus, heute genauso wenig wie im Jahr 2003, nen, zumeist überdauert haben. Das Branding zur Theaterre- als das Unternehmen Theaterreform mit großen Hoffnungen form und ihrer Untermarken „Koproduktionshaus“, „Nach- und erfrischendem Gegenwind in einer meinungsfreudigen wuchsförderung“, „Ganz oder gar nicht“ statt „Gießkanne“ Öffentlichkeit startete. etc. war unter Verkaufsaspekten offenbar sehr erfolgreich.

6 gift 01/2012 Aus einem anfänglichen Bewegungsmoment in der Kulturpolitik ist unmerklich eine Metapher für Stillstand geworden.

Es vergeht bis in die jüngste Zeit kaum eine kulturpolitische seit der Reform: das Tanzquartier in der Ausrichtung seiner Verlautbarung, Förderentscheidung oder Postenernennung, Gründungsintendantin Sigrid Gareis. Ansonsten agiert eine die nicht einen obligatorischen Satz aus der Studie zitiert, Reihe von Kleinunternehmen auf der Szene, die – weil an der um sich des Einklangs mit der Theaterreform zu versichern Zahl zu viele – alle mehr oder weniger unterdotiert sind und oder die zumindest symbolische Abgeltung ihrer Forderungen in Ermangelung operativer Budgets gar nicht anders können zu betonen. Selbst wenn das exakte Gegenteil gemeint wird, als zu versuchen, die Projektfördertöpfe zu kannibalisieren ist die äußere Übereinstimmung mit den Buchstaben irgend- oder als Einkäufer den Preis zu drücken. wie Pflicht. Immer wieder gab es Erklärungen, nicht ohne Die einstmals freien Künstlerinnen und Künstler sind ein Quäntchen Pathos, dass die Reform nun erfolgreich auf doppelte Weise die Dummen: de facto so abhängig wie abgeschlossen sei. Sich offen von der Theaterreform zu di- am konventionellen Theater, aber ohne kollektivvertraglichen stanzieren, hat bislang noch kein relevant Handelnder ver- Schutz und die dort möglichen arbeitsrechtlichen Verfesti- sucht. gungen. Darüber ist verlorengegangen, was Wien seit den Dafür sind die Begriffe in den Schleudergang der Di- 80er-Jahren, einzigartig zumindest im deutschsprachigen alektik geraten. Theaterreform bedeutete irgendwann alles, Raum, ausgezeichnet hat: die Möglichkeit, künstlerische Ma- Theaterreform und zugleich ihr Gegenteil. Selbst die Rück- nifestationen in einem wahrnehmbaren Ausmaß auch abseits nahme von Positionen, die unter ihrem Zeichen erobert wur- der etablierten Institutionen zu setzen. den, findet sich – naturgemäß – im Einklang mit der The- Die Theaterreform war auch der Versuch, diese Qualität aterreform. Aus einem anfänglichen Bewegungsmoment in wiederzugewinnen. Die Aussicht, gebundene Budgetmittel der Kulturpolitik ist unmerklich eine Metapher für Stillstand wieder freizuschaufeln, war zu Beginn des Reformprozesses geworden. ein durchaus attraktives Gestaltungsangebot an die Politik. Was darüber fast gänzlich verlorenging, ist die einst so Sie hat es sehr bald wieder aufgegeben. Im Grunde war der vehemente Teilhabe der Künstlerinnen und Künstler an der Zug schon mit der ersten Jury-Entscheidung zur Vierjahres- politischen Debatte über ihr Geschick. Nur noch das leise förderung 2005 bis 2009 abgefahren, als es nicht gelungen Murmeln individueller Klage unterlegt das weise Walten war, eine nennenswerte Verschiebung von gebundenen zu städtischer Büros mit einem Hintergrundrauschen. Die ver- freien Fördermitteln, von Häusern zu Gruppen, zu bewerk- gangenen Jahre können als Schulbeispiel für die Umkehrung stelligen. Das Zeitfenster, in dem es möglich war, Budget- und des Meinungsklimas in einem Teilbereich der Politik gelten. Bedeutungshierarchien zu verändern, war geschlossen. Das „Koproduktionshaus“ vervielfältigte sich geradezu Das ist kein Plädoyer gegen kleine Theater und ihre inflationär. Jeder, der Zuschauern über eine gewisse Dauer Spezialitäten. Das Schauspielhaus gibt zeitgenössischen Au- Sessel hinstellt, ist mittlerweile ein solches. Vor der Reform toren eine anständige Bühne und bewahrt sie davor, wie so nannte man sie schlicht Mittelbühnen. Mit den Modellen, oft an großen Häusern, am Rande des Repertoirebetriebs auf an denen die Studie Maß genommen hat – vorwiegend in der Hintertreppe uraufgeführt zu werden. Im Brut tummeln Flandern und den Niederlanden – hat das alles wenig zu sich die Postmodernen in der Franchiseversion eines Berliner tun. Dort standen einander seriös dotierte „Theatergesell- Modells der 90er-Jahre. schaften“ und eine Reihe von „Kunstenzentren“ in vielfäl- Der Verfasser lacht persönlich lieber im Rabenhof, wo tigen Kooperationsmodellen gegenüber. Sie ermöglichen, noch etwas von der plebejischen Ursuppe vorhanden scheint, was Wiener Gruppen bis heute strukturbedingt abgeht: die aus der das Wiener Theater einst herausgetreten ist, als in all Chance, durch Spielpraxis ihre Arbeiten über die Premiere den faden Kabaretts, die sich neuerdings an den Subventi- hinaus weiterzuentwickeln. Daran gemessen gibt es bis heu- onstöpfen anstellen. Und den Bannerträgerinnen eines klas- te nur ein Koproduktionshaus in Wien – und das nicht erst sischen Feminismus in der Drachengasse könnte man nach all

politik 7 den Jahren einmal einen tatsächlich brauchbaren Raum wün- unternimmt, noch erwarten, dass deutliche Abschläge bei den schen. Neue Unternehmungen werden hinzukommen, etwa Gagen hingenommen werden, so wird das bald fraglich. im migrantischen Bereich, hier ist es mit einer Festivalpro- Summen in der jüngeren Projektförderung, die sich der grammierung allein wohl nicht getan. Aber da ist nichts, was Tendenz nach dem Status quo ante vor der Theaterreform nicht irgendwann einmal auch wieder obsolet sein könnte. annähern (im Schnitt 16.000 Euro pro Produktion), werfen So sehr die aktuelle Förderung eine Vielzahl von zum einen eine systemische Frage auf – inwieweit ist pro- kleineren Theaterbetrieben stützt, so sehr steht sie einer Kon- fessionelle künstlerische Arbeit zu diesen Konditionen noch solidierung auf der Ebene der Freien entgegen. Kontinuier- leistbar? –, zum anderen eine moralische: Darf man Förde- liche Arbeitsperspektiven für Gruppen ohne Haus scheinen rung überhaupt annehmen, wenn sie zu diesen Konditionen mittlerweile außerhalb der Zielbestimmung. Man kann sich angeboten wird? Ist es lauter, die punktuelle Bereitschaft von des Eindrucks schlecht erwehren, dass die Förderung von Ter- Künstlerinnen und Künstlern, es billiger zu geben, wenn sie min zu Termin die Kriterien wechselt wie die Postkutsche die von einem Projekt besonders überzeugt sind, zum Regelfall Pferde. Das führt dann schon einmal dazu, dass es Künstler, werden zu lassen? Zumal die Stadt in dieser Stadt der haupt- die gerade einen Lauf haben, volley aus der Bahn wirft, wie sächliche Anbieter von Theaterfinanzierungen ist. etwa die Choreografin Milli Bitterli oder die Performerinnen Kulturpolitik ist nicht Sozialpolitik, war ein Schlagwort Barbara Kraus und Miki Malör. Die Namen verraten, dass in der Auseinandersetzung um die Theaterreform. Dieser Satz hier, wiewohl sicher nicht beabsichtigt, einmal mehr die Ge- ist so richtig, wie er falsch ist. Einerseits ist in der derzei- nderfalle zuschnappt. Es scheint so zu sein wie damals auf tigen Wirtschaftsverfassung eine Künstleralimentation per dem Schulhof: Burschen denken territorial und bekommen se schwer denkbar, andererseits sind freie Künstler nur eine ein Haus, Mädchen denken sachorientiert und schauen durch Vorhut im allgemeinen Wandel des Arbeitsbegriffs. die Finger. Das Reich jenseits des Normalarbeitsverhältnisses ver- Wenn Milli Bitterli, eine der profilierten Choreogra- spricht Autonomie und Selbstverwirklichung, aber auch bis- finnen dieser Stadt, sich deshalb entschließt, Volksschullehre- lang ungeahnte Risiken. Kunst könnte hier wieder Avantgarde rin zu werden, ist das ein Glücksfall für Hundertschaften von sein, weitgehend öffentlich finanziert und frei vom Konkur- Kindern, aber auch das Indiz für einen Webfehler im Förder- renzdruck einer „Globalisierung“ ließe sich ausprobieren, wie system. Es müsste doch eigentlich die besten Köpfe, Stimmen man neue Formen von Arbeit jenseits einer zwangsläufigen und Körper für eine Praxis in der zeitgenössischen darstel- Verelendung aushandeln kann. Im Feld der Kunst ließen sich lenden Kunst gewinnen wollen, anstatt sie abzuschrecken. erste Elemente eines neuen Gesellschaftsvertrags entwickeln Es müsste eine solche Entscheidung als Verlust wahrnehmen und erproben. und nicht nur als eine weniger, die man fördern muss. Mittlerweile ist der Nachwuchs ein beliebter Förderge- Einer Stadt, die derart im Wohlstand lebt und eine solch kunst- genstand. Man kann dabei eigentlich nichts falsch machen. affine Geschichte birgt, stünde ein Anfang gut an. Stattdessen Er steht für Fortschritt, kostet nicht viel und verlangt noch importiert man für die freie Szene eine Prekariatsökonomie keine Rücksichtnahme auf biografische Gegebenheiten. Nur Berliner Provenienz, wahrscheinlich, weil sie so schick und was geschieht, wenn der Nachwuchs erwachsen ist, die be- urban ist. Doch wenn sich Wien im Feld der Kunst das arme ruflichen Perspektiven in der freien Szene aber nicht mit- Leiberl überstreift, wird mancher zwar arm dabei, aber die wachsen? Kann man bei den ersten Versuchen, die jemand Stadt noch lange nicht sexy. ||

Uwe Mattheiß

war Feuilletonkorrespondent der Süddeutschen Zeitung in Wien und verfasste 2003 gemeinsam mit Anna Thier und Günter Lackenbucher die Studie Freies Theater in Wien, die zur Grundlage für die Theaterreform wurde. Er lebt als Dramaturg und Reisejournalist in Wien. Erstabdruck dieses Artikels in Falter Nr. 43/11 vom 27.10.2011.

8 gift 01/2012 Pimp my postmigrantisches Theater

Von Jürgen Bauer

Hurensohn und Motherfucker. Wenn solche Worte bei einer Podiumsdiskussion fallen, muss das Thema ein beson- ders emotionales sein. Organisiert von Garage X und daskunst versucht sich die Projektreihe Pimp My Integration mit Lesungen, Aufführungen und Diskussionen an einer Standortbestimmung von postmigrantischem Theater. Es wäre dabei nur all zu leicht, sich über dieses Modewort lustig zu machen, das momentan die Theaterszene in helle Aufregung versetzt. Innerhalb kurzer Zeit wurde postmigrantisches Theater zum Fetisch einer Szene, die zusehends um ihre Legi- timation kämpft. Kürzungen öffentlicher Zuwendungen und der Kampf um Publikum verschärfen die Krise der Büh- nenkunst, doch am meisten schmerzt der Verlust von Aufmerksamkeit. Die Auseinandersetzungen auf den Brettern, die doch die Welt bedeuten wollen, sind aus dem Zentrum der öffentlichen Diskussion verdrängt worden.

Ausweitung des Konsumentenkreises geschichten, die Europa seit Jahrzehnten prägen. Gerade das In dieser Situation entdecken Politik und Praxis zusehends Theater findet im Erzählen von Geschichten seine Kernkom- Migrantinnen und Migranten als bisher vernachlässigte Sphä- petenz. Mit Katzelmacher lieferte Rainer Werner Fassbinder re der Kulturproduktion. Natürlich lässt dieses Wort sofort schon 1969 ein frühes Nachkriegsstück zum Thema Migrati- an Ökonomie denken. Vermehrt verlagerte sich in den letz- on. Und doch wurden und werden diese Geschichten meist ten Jahren die Diskussion vom Bereich der Ästhetik in den aus dem Blickwinkel der Mehrheitsgesellschaft erzählt. Es Bereich des Geldes. Kultur wurde zu einem Konsumgut. bleibt so ein Reden über Menschen, keine Neuerzählung der Verschleiert die Diskussion über postmigrantisches Theater „Betroffenen“ selbst. also nur ein ökonomisches Interesse an der Ausweitung des Konsumentenkreises? Oder geht es um eine inhaltliche Aus- einandersetzung mit sich verändernden gesellschaftlichen Sprechtheater als migrantische Wüste Gegebenheiten? Wenn die Supermärkte wirklich die Kirchen unserer Zeit sind, kann man den Bereich der Kultur schwer Dabei hat gerade jener Bereich des Theaters ein besonderes von ökonomischen Überlegungen freihalten. Und doch kann Problem mit den gesellschaftlichen Realitäten, der sich am es nicht nur darum gehen, eine neue Zuschauer_innenschicht stärksten dem Neuerzählen von Geschichten widmet: das für Theater zu finden, das im Kern veränderungsresistent Sprechtheater. Die Zusammensetzung von Tanz- und Opern- bleibt. Neuer Wein in alten Schläuchen oder neues Publikum ensembles sieht weit vielfältiger aus, wobei im Bereich der vor alten Stücken wird die beschriebene Legitimationskrise Opern natürlich der Marktwert der Stars zählt, nicht deren nicht lösen. Geschichten. Gerade Tanzgruppen nutzen aber die Vielfalt ihrer Ensembles zur inhaltlichen Auseinandersetzung. Der marokkanisch-belgische Choreograf Sidi Larbi Cherkaoui Das Neuerzählen von Geschichten etwa widmet sich in seinen Werken dem Aufeinandertreffen der Kulturen und der Möglichkeit von Interaktion. Auch die Ein neuer Zugang versteckte sich in der Diskussion zum The- Musikszene wird von einer jungen Generation als Ausdrucks- ma Wer ist Wir, die im Rahmen von Pimp My Integration form genutzt. Die Berliner DJane Ipek Ipekçioglu meinte in am österreichischen Nationalfeiertag stattfand. Hier kochten einem Spiegel-Artikel, sie sei als Türkin, Berlinerin, Künstle- nicht nur kurz die Emotionen hoch, der Migrationsforscher rin und Lesbe zwar eine Provokation für die Deutschen, wäre Erol Yildiz lieferte auch eine Definition vonpostmigrantisch , im Ausland aber mittlerweile „das neue Gesicht Deutsch- die für das Theater besonders spannend ist. Für ihn bezeich- lands“. Warum bleiben diese neuen Gesichter im Bereich des net postmigrantisch das Neuerzählen der vielen Migrations- Sprechtheaters aus?

politik 9 Sozialprojekte im Hochkulturtempel Ein eigenes Haus für die Szene

Migrantinnen und Migranten wären auf den Bühnen ja Im Februar steht mit Schnee ein Gastspiel des Ballhaus Nau- willkommen, sprächen sie gut genug Deutsch, ist ein oft ge- nynstraße auf dem Programm von Pimp My Integration. Die hörtes Argument. Abgesehen von den Vorurteilen mangeln- Berliner Bühne ist so etwas wie das Aushängeschild postmi- der Sprachkenntnisse ignoriert diese Aussage die Vielfalt grantischen Theaters. Eine Einladung zum prestigeträchtigen von Sprachen als ästhetische und inhaltliche Chance. Das Theatertreffen machte das Haus über den kleinen Kreis In- Burgtheaterdeutsch gilt weiterhin als Normsprache. Während teressierter hinaus bekannt. Braucht auch Wien ein solches aber im Haus am Ring über eine bundesdeutsche Aussprache Haus für die Szene? Eine Studie zur „transkulturellen Thea- geklagt wird, vergisst man, dass das geliebte österreichische teroffensive“ musste noch 2009 feststellen, dass die Theater- Idiom längst vielfältiger geworden ist. So bleiben meist nur landschaft Wiens großteils ethnisiert und streng nach Spra- einzelne Sonderveranstaltungen. Stadtteilprojekte wie Home- chen und Nationalitäten getrennt ist. Ein Haus nach Berliner stories in Essen oder Bunnyhill in München erarbeiten mit Vorbild könnte hier Energien bündeln und Treffpunkt über Jugendlichen in sogenannten „Problembezirken“ Theatera- diese Grenzen hinaus werden. Dabei gilt es jedoch, eine bende zu deren ganz alltäglichen Geschichten. So gelungen „Ghettobildung“ zu verhindern. Für die Künstlerinnen und diese Reihen sein mögen, sie bleiben meist kurzfristige So- Künstler besteht die Gefahr, dass ein solches Haus prekäre zialprojekte im Hochkulturtempel, der Kern des Repertoires Arbeitssituationen festschreibt und gleichzeitig als Feigenblatt bleibt unberührt. für die restliche Theaterszene benutzt wird. Ziel muss es sein, die komplette Theaterszene Wiens für postmigrantische The- men zu sensibilisieren. Die großen Repertoirehäuser müssen Pimp My Integration! die Vielfalt dieser Stadt in Spielplan und Ensemblezusam- menstellung widerspiegeln, wollen sie ihrer gesellschaftlichen Postmigrantisches Theater ist weiterhin großteils Teil der Funktion nachkommen. Gerade ein postmigrantisches Haus freien Szene. Das bedeutet jedoch nichts anderes als wenig könnte als Ort der Professionalisierung auch Kaderschmiede Geld, schlechte Infrastruktur und hohe Fluktuation. Den- für die großen Theatertanker sein. noch gelingen hier oft Aufführungen auf hohem Niveau. Die Also: Pimp my postmigrantisches Theater! || Reihe Pimp My Integration liefert neben einer theoretischen Auseinandersetzung auch eine „Leistungsschau“ dieser Sze- ne und zeigt, welche Geschichten darauf warten, erzählt zu werden. Bisher zeigte etwa der Heimathafen Neukölln mit Arabboy ein Stück über Aufstieg und Fall eines Jugendlichen in Neukölln. Das Kinderstück Es war einmal das Kind… verdichtete die Erzählungen von Straßenkindern zum Stück über familiäre Probleme. Wiederaufnahmen von Unfun der Garage X oder Wiener Blut von daskunst ergänzen das Pro- Jürgen Bauer gramm. Niveau und Anspruch der einzelnen Aufführungen variieren erwartungsgemäß, doch die Projektreihe selbst ist Theaterwissenschafter, Forschungsschwerpunkt und Veröffentli- spannend und anspruchsvoll programmiert. Lange Zeit wurde chungen zum Thema Jüdisches Theater; No Escape: Aspekte des migrantisches Theater ja eher in der Sozialarbeit verortet und Jüdischen im Theater von Barrie Kosky, Edition Steinbauer; seit 2004 im Marketing der Volksoper Wien tätig. aus den entsprechenden Töpfen gefördert, was eine Profes- sionalisierung oft verhinderte. Doch wie kann eine solche Erstabdruck dieses Artikels in Malmoe, Ausgabe 57/2011. Professionalisierung weiter vorangetrieben werden?

10 gift 01/2012 © Bettina Frenzel: Leopold Selinger in Der brave Soldat Schwejk Theater zum Fürchten, Inszenierung: Bruno Max Theater Scala / Wien, 2011

politik 11 Bist du Schauspieler oder bist du Türke? Von Gamze Ongan und Vida Bakondy

Ist die Sprache ein Hindernis für den Zugang von Migrant_innen zu institutionalisierten Bühnen in Deutschland und Österreich? Kann der konstatierten Unterrepräsentanz durch die Einführung von Quoten entgegen gearbeitet werden? Oder kommt es letztlich auf den persönlichen Kampf und die Begabung des/der Einzelnen an, um als Schauspieler_in unabhängig von der Herkunft Er- folg zu haben? Äußerst kontroversiell diskutiert wurde das Thema Migrant_innen spielen auf den Sprechbühnen keine Rolle in der zweiten Diskussionsrunde der Projektreihe Pimp my Integration am 23.11. in der Garage X von den Schauspieler_innen Leila Abdullah, Zeynep Burac und David Wurawa, der Theaterwissenschafterin Azadeh Sharifi sowie Thomas Birkmeir (Theater der Jugend) und Hubertus Petroll (Max Reinhardt-Seminar).

Vor dem Hintergrund der gesellschafts- Schauspieler_innen in dieser Gruppe rung von Quoten im kulturellen Bereich politischen Brisanz des Themas Spra- gäbe, zweitens, dass es an Rollen für sie – vor allem in Hinblick auf den Zugang che, die seit mehreren Jahren den ein- fehle und drittens, dass das Publikum zu Machtpositionen – unumgänglich, seitig geführten, hegemonialen Diskurs es nicht wollen würde. Gerade letzteres um den institutionalisierten Rassismus über Migration (Stichwort: Schlüssel Argument verkennt jedoch die Tatsache, wirksam zu bekämpfen. Denn wie sollen zur erfolgreichen Integration) charak- dass sich das Publikum heutzutage zur sonst strukturell Veränderungen entste- terisiert, überrascht es daher kaum, Hälfte aus Menschen mit Migrations- hen, wenn der Diskurs nur von einer dass (vermeintlich) fehlende Deutsch- hintergrund zusammensetzt. Theater Gruppe – die Sharifi als „weiß, deutsch, sprachkenntnisse auch als erster Er- im Sinne Shakespeares, verstanden männlich“ identifiziert – geführt, wird? klärungsversuch für die Unterreprä- als Spiegel der Gesellschaft, hinkt in Als ein weiterer Grund für die Unter- sentanz herhalten mussten. Das liege Deutschland und Österreich der ge- repräsentanz der Gruppe mit Migrations- „in der Natur der Sache“, so Thomas sellschaftlichen Realität nach. Erpulat hintergrund wurde auf die ökonomische Birkmeir, Intendant am Theater der Ju- fordert eine Normalisierung auch auf Prekarität des Berufs „Schauspieler_in“ gend in Wien. Dem wurde von einigen den Bühnen, die jedoch erkämpft wer- hingewiesen, wodurch schon im Vorfeld Diskussionsteilnehmer_innen – selber den müsse. Denn ohne Kämpfe keine wenige eine künstlerische Ausbildung auf die eine oder andere Art mit Migra- gesellschaftlichen Veränderungen: „Wir anstreben würden. Hubertus Petroll, tionsbiografien – jedoch entschieden können nicht der Gesellschaft hinter- Leiter des Max Reinhardt Seminars, widersprochen, u.a. mit dem Argument, herlaufen. Im Gegenteil. Das Theater sieht hier auch eine Verantwortung dass Theater weit mehr sei als Sprache. kann die Gesellschaft voranbringen“, auszubildender Institutionen, sich nach „Man muss nicht akzentfrei sein, auch so Erpulat. der Ausbildung um Arbeitsplätze bzw. nicht als Schauspieler“, so der türkische Die Schauspielerin Leila Abdul- Engagements der angehenden Schau- Regisseur und Autor Nurkan Erpulat. lah konstatierte, dass noch viel Arbeit spieler_innen zu kümmern. Neben der Sprache identifiziert Erpulat notwendig sei, bis es sich normalisiert, Im Laufe der Veranstaltung wurde drei weitere, immer wieder vorgebrachte räumt gleichzeitig jedoch ein, dass „im- immer wieder auf institutionalisierte Erklärungsversuche für die fehlende mer ein paar Erbsen durchkommen, Bühnen wie das Wiener Burgtheater Präsenz von Migrant_innen auf den aber zu wenige.“ Für die Theaterwissen- oder das Theater in der Josefstadt ver- Bühnen: Erstens, dass es keine guten schaftlerin Azadeh Sharifi ist die Einfüh- wiesen, sowie auf Stücke von Schil-

12 gift 01/2012 Umgang mit den Richt­ gagen. Ein pragmatisches Modell.

Von Claudia Seigmann und Markus Zett, theaternyx

Bei der Vorstellung der Richtgagenbroschüre der IG Freie Theater im Herbst 2010 hat sich gezeigt, dass sich die betroffenen Künstler_innen in der Mehrzahl emotional dazu in Beziehung setzen. Die Reaktionen reichen von: „Dann sind wir auf Ewigkeiten auf diese in Wirklichkeit zu niedrigen Honorare festgelegt!“ bis zu: „Diese Zahlen sind völlig utopisch, so viel Geld bekommen wir nie!“. ler oder Hauptmann. Nicht diskutiert Sie zeigen zwar die Ambivalenz eines solchen Instrumen- wurde jedoch, ob es denn heute wirklich tariums, übersehen aber, dass es zunächst um Bewusst- noch so begehrenswert ist, auf diesen seinsbildung bei Förderstellen und Politik geht. Bühnen die Klassiker zu spielen, und Ein pragmatisches Modell könnte davon ausgehen, das tatsächlich spannende Theater nicht dass die Richtgagenbroschüre die bisher beste Argumen- ganz woanders stattfindet. || tationshilfe ist, die wir haben. theaternyx hat begonnen, seine Budgets auf deren Grundlage zu erstellen. In För- deransuchen und Gesprächen mit den zuständigen Ver- Die Autorinnen waltungsebenen weisen wir darauf hin, dass es sich um

Vida Bakondy: Historikerin reale Kalkulationen handelt, d.h. dass diese Honorare Gamze Ongan: Theaterwissenschaftlerin, wenigstens ansatzweise ermöglichen würden, von künst- Chefredakteurin der STIMME lerischer Arbeit zu leben. Wenn in unseren Budgets ausgabenseitig mit den Richtsätzen operiert wird, muss dem einnahmenseitig Pimp My Integration etwas gegenüberstehen, was die Differenz zu den real erwartbaren Einspielergebnissen und Förderungen aus- Projektreihe gleicht. Diese Diskrepanz weisen wir als Eigenleistungs- Postmigrantischer Positionen II betrag aus. So wird einerseits sichtbar, wie weit die För- Kuratiert von Garage X und daskunst derungen hinter den existenziellen Notwendigkeiten 18. Januar – 10. Februar 2012 zurückbleiben. Andererseits wird die hohe unbezahlte Wertschöpfung, die durch freischaffendes künstlerisches Von Verrücktes Blut bis zu Mark Terkessi- Arbeiten generiert wird, hier auch als Zahl ausgewiesen. dis – Theater, Filme, Stand Up Comedies, Diskussionsrunden Diese Zahl ist in unseren Budgets erschreckend hoch. Darüber sprechen wir mit den Fördergeber_innen, die www.garage-x.at sich – das zeigen erste Erfahrungen – leichter zu einer www.daskunst.at derartigen Kalkulation in Beziehung setzen (auch in Re- lation zu ihrem eigenen Einkommen), als zu emotionalen Statements über unsere prekäre Situation. Welche praktischen Erfahrungen mit der Richtgagen- broschüre gibt es noch? Über weitere Berichte würden wir uns freuen!

politik 13 Es scheint, die Akteur_innen im institutionellen Aushand- Welches Problem kann lungsprozess um Verbesserungen der sozialen Lage der Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden hätten sich einen gelöst werden? ausgiebigen Sommerschlaf gegönnt. Näher kommt wohl die These, dass die Sammlung zu lösender Probleme – nicht zu- Interministerieller Arbeitsprozess, KSVF und die letzt gesammelt in den interministeriellen Arbeitsgruppen Ministerin. zur Verbesserung der sozialen Lage der Kreativen (IMAG) Von Clemens Christl – derart unübersichtlich geworden ist, dass auf einzelne Ver- änderungen zu fokussieren einen größeren Kraftakt erfordert. Es sei gesagt: Weniger auf Seiten der Proponent_innen der Interessenvertreter_innen: Wir können auf Knopfdruck end- lose Kaskaden kleinerer und größerer Problemlagen (inkl. Lösungsvorschlägen) herunterrattern …

IMAG 2011: Hauptsache überlebt?

Aber der Reihe nach: Die IMAGs haben das Jahr 2011 über- lebt, und ein Sterbenlassen ist nicht vorgesehen. Vordergrün- dig hielten sich die nach außen (also bei Interessenvertre- ter_innen) sichtbaren Aktivitäten in Grenzen. Außer einer großen Resümee-Runde (zu allen acht Themen) im März, die im Wesentlichen das gleiche beinhaltete wie eine ähnlich angelegte „Groß“-IMAG im Mai 2010, gab es noch Plena zum Urheber_innenvertragsrecht sowie zur Sozialversiche- gift abonnieren rungssitutation (die unzweifelhaft aktivste Arbeitsgruppe). Bestellen Sie ein gift-Abo Ergebnisse im Sinne von konkreten Verbesserungen blieben - 20 Euro für 4 Ausgaben pro Jahr aber rar und im Wesentlichen im Bereich Informationsauf- - 10 Euro für Studierende bereitung verhaftet. - 25 Euro Auslandsabo Im Bereich Sozialversicherung war das Hauptthema die begleitende Evaluierung des Künstler_innensozialversiche- Oder werden Sie IGFT-Mitglied rungs-Strukturgesetzes (KSVSG, seit 1.1.2011 in Kraft). Ziel- im Mitgliedsbeitrag von 35 Euro ist führende Erweiterungen des Gesetzes wie beispielsweise die das gift-Abo enthalten Einführung einer Ruhendmelde-Möglichkeit für alle Neuen Selbstständigen liegen aber derzeit außer Reichweite – was [email protected] den Sinn des KSVSG deutlich schmälert. Im Gegenteil ist es www.freietheater.at in einem Jahr nicht gelungen, das AMS davon zu überzeugen, 01 / 403 87 94 zumindest Informationen zur Ruhendmelde-Möglichkeit für künstlerische selbstständige Tätigkeiten aufzulegen. Soweit

14 gift 01/2012 so schlecht. Besser sieht es aus, wenn Interessenvertreter_in- unter den Versicherungsgrenzen erwirtschaften, ist es Politi- nen abseits davon Themen auf die politische Agenda setzen. ker_innen der Koalition nicht klarzumachen, dass es heute Im Folgenden soll das anhand von zwei Beispielen erläutert in Österreich viele Personen gibt, die – nicht nur im Bereich werden. Kunst – mit Mini-Einkommen leben müssen. Klar ist: Sobald der Prozess einer Novelle ansteht, kann sich etwas verbessern – gleichermaßen ist genau dies die Fra- KSVF: Novellierung notwendig! ge: Kriegen wir eine Novelle?

Zuletzt rückte der Kulturrat Österreich im Zuge einer Tagung die notwendige Novellierung des Künstler_innensozialversi- Dialog mit der Ministerin: endlich doch noch! cherungs-Fonds (KSVF) in den Fokus. Alleine das Sofortmaß- nahmenpaket ist sechs Jahre alt und hat sogar eine Novelle Das andere Beispiel, von dem hier die Rede ist, ist der jah- ohne Lücken überstanden. Die Ausgangssituation ist also relange Versuch, etwas wie einen Dialog mit der Ministerin denkbar schlecht. Dennoch trägt die Arbeit Früchte: Silvia herzustellen. Nach fünf Jahren Schweigen fand die IG Kultur Fuhrmann (ÖVP) und Renate Csörgits (SPÖ) verkünden beim Österreich (IGKÖ) einen Weg zu einem Beginn: Nach einer abschließenden Podium zwei Veränderungen als nun vor- wochenlangen Text-Kampagne unter dem Titel Alternativen stellbar: die Erweiterung des Künstler_innen-Begriffs und die zum Verlust der Kulturpolitik gab es mehrere Termine. Nach Streichung der erst seit der Novelle geltenden Pensionsklausel zwei Vorstellungsrunden, die an sich natürlich nach Amtsan- (wer Leistungen aus der Pensionsversicherung bezieht oder tritt stattfinden hätten müssen – einmal mit der IGKÖ alleine, jedenfalls einen Anspruch hat – und sei es eine Teilinvaliden- dann mit diversen IGs im Kunst-, Kultur- und Medienbereich pension –, ist vom Zuschuss ausgeschlossen). –, gab es zuletzt tatsächlich ein erstes Arbeitsgespräch zwi- Insbesondere Ersteres hat potentiell weitreichende Kon- schen dem Kulturrat Österreich und Ministerin Schmied. Ein sequenzen – nicht nur für die mögliche Anzahl an Bezie- Ergebnis ist, dass der IMAG-Prozess nicht gestorben werden her_innen des Zuschusses zu Sozialversicherungsbeiträgen lassen soll. Im Gegenteil soll nach einer Phase der „Inventur“ aus dem Fonds, sondern auch für die Zahl jener, die das In- im bmukk im ersten Quartal 2012 ein Arbeitsplan für die strument Ruhendmelden vernünftigerweise nutzen könnten restliche Legislaturperiode erstellt werden, und ein zweiter im (bisher nutzen es rund 150). Damit steht aber durchaus auch Hinblick auf etwaige Regierungsverhandlungen nach 2013 – ein Bruch mit der bisherigen Verwaltung des Fonds-Über- unter Einbeziehung der Interessenvertreter_innen (jedenfalls schusses zur Diskussion: statt die Zuschüsse je Person weiter aber unter deren Beiziehung). zu erhöhen, die Anzahl der Bezieher_innen endlich auszuwei- Was bleibt, sind Versprechungen. Aber solche, deren ten. Die wichtigste Frage, nämlich nach der Abschaffung der Einlösen auch realistisch einzufordern ist. Damit Verbesse- Einkommensuntergrenze als Zuschussvoraussetzung, sorgte rungen nicht Peanuts bleiben, braucht es aber auch Bewegung dagegen für Irritationen am Podium: Auch wenn wesentlich von unten: Interessen aktiv selbst zu vertreten befördert die mehr als ein Drittel aller Neuen Selbstständigen Einkommen Ergebnisse! ||

Clemens Christl

hat am IMAG-Prozess teilgenommen und arbeitet für den Kulturrat Österreich.

politik 15 25 Programme, 3 Fonds, 3 Ziele, 1 Politik ...

... und etliche EU-Millionen für Kunst, Kultur und die Kreativwirtschaft

Im November 2011 wurde die Studie Der Kreativ-Motor für regionale Entwicklung. Kunst- und Kulturprojekte und die EU-Strukturförderung in Österreich publiziert. Xenia Kopf, eine der drei Autorinnen (neben Veronika Ratzenböck und Anja Lungstraß), zu den Hintergründen und den zentralen Ergebnissen der Studie.

Haben Sie schon einmal von den Strukturfonds gehört? Ja? Regionalentwicklung fordert viel Geduld, Engagement und Wunderbar, dann kennen Sie sich mit dem Themenfeld „EU- vor allem einen langen Atem. Warum es dennoch wichtig ist, Struktur- und Regionalpolitik“ zumindest ansatzweise aus. sich damit auseinanderzusetzen, lässt sich auf eine einfache Sie wissen womöglich Bescheid über die Ziele der Regional- Tatsache zurückführen: Sie verfügt über viel Geld. Für die politik wie „Konvergenz“, „Regionale Wettbewerbsfähigkeit“ regionale Entwicklung stehen in der Förderperiode 2007 bis und „Europäische Territoriale Zusammenarbeit,“ die Abkür- 2013 über 347 Mrd Euro zur Verfügung, gebunden in den zungen EFRE, ESF und ELER sagen Ihnen etwas und Sie ha- Strukturfonds. Dazu kommen noch 96 Mrd Euro speziell für ben auch eine Ahnung davon, wofür jene 25 operationellen die Entwicklung des ländlichen Raums, gebunden im Eu- Programme gut sind, die in Österreich laufen oder an denen ropäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des Österreich beteiligt ist (zur Vertiefung siehe Glossar). ländlichen Raumes ELER. Damit ist die Regionalentwicklung All jenen, die hier vielleicht noch nicht ganz sattelfest einer der am höchsten dotierten Politikbereiche der EU. Und sind, sei gesagt: Die Beschäftigung mit der EU-geförderten langsam, aber doch, setzt sich die Erkenntnis durch, dass Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft einen fundamentalen Beitrag zu dieser Entwicklung leisten können1. Aus diesem Grund wurde die österreichische kulturdo- Die Studie & weitere Infos kumentation. internationales archiv für kulturanalysen vom Der Kreativ-Motor für regionale Entwicklung. Kunst- bmukk mit einer Studie zum Thema beauftragt: Der Kreativ- und Kulturprojekte und die EU-Strukturförderung in Motor für regionale Entwicklung. Kunst- und Kulturpro- Österreich jekte und die EU-Strukturförderung in Österreich wurde im Herausgegeben von der österreichischen kulturdokumentation. November 2011 nach mehr als einem Jahr intensivster Arbeit internationales archiv für kulturanalysen publiziert. Sie stellt dar, welchen Stellenwert Kunst, Kultur Autorinnen: Veronika Ratzenböck, Anja Lungstraß, und die Kreativwirtschaft in der Konzeption der EU-Politik Xenia Kopf überhaupt haben, in welchem Ausmaß sie in Österreich be- Statistische Datenauswertung: Elisabeth Ponocny-Seliger reits jetzt von den EU-Geldern der Regionalentwicklung pro- Im Auftrag des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst fitieren und wo noch unerschlossene Potentiale liegen. Basis und Kultur dafür sind eine Untersuchung der grundlegenden Dokumente Wien 2011, ISBN 978-3-901360-14-5 (EU-Verordnungen und Leitlinien, Österreichs strategischer Rahmenplan STRAT.AT, Programmdokumente) und eine um- Bestellung & Download der Studie: fassende Erhebung von genehmigten Projekten. www.kulturdokumentation.org Das Fazit fällt zunächst ernüchternd aus: in den Doku- menten gibt es nur wenige Ansatzpunkte, die Kultur prinzipi- Informationen zu EU-Förderungen für Kultur: ell in die Strategien der regionalen Entwicklung einbeziehen. Cultural Contact Point , www.ccp-austria.at/ Unter den Programmen gibt es zwar einige mit starkem Kul- Informationsplattform „Europa fördert Kultur“, turbezug (hauptsächlich die grenzüberschreitenden), andere www.europa-foerdert-kultur.info/ weisen dagegen gar keinen auf. Eine kohärente Strategie zur Berücksichtigung von Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft ist

16 gift 01/2012 also in den aktuellen Dokumenten der EU-geförderten Regi- Glossar onalentwicklung nicht auszumachen, was annehmen lässt, dass der Zugang von Projekten aus diesen drei Bereichen Hier sollen die wichtigsten Begriffe für ‚EU-Einsteiger_innen’ mög- lichst kurz und einfach erklärt werden. Achtung: kein Anspruch nicht unbedingt einfach ist. Umso überraschender das Er- auf Vollständigkeit! gebnis der Projekterhebung: 534 Projekte wurden zwischen 2007 und 2010 in den verschiedenen Programmen genehmigt. Ihre Gesamtprojektbudgets belaufen sich auf 139 Mio Euro, Förderperiode: Der Haushalt der EU wird (derzeit) im 7-Jahresrhyth- mus beschlossen. An diesem Rhythmus orientieren sich → Ziele davon stammen 78,8 Mio aus den EU-Fonds. Das sind alle- und → (operationelle) Programme (wie z. B. Media, Kultur, Europa samt erstaunlich hohe Zahlen; sie belegen eindeutig, dass die für Bürgerinnen und Bürger, etc.). Aktuelle Periode: 2007 bis 2013. EU-Gelder der Regionalentwicklung für Kunst, Kultur und Die folgende Förderperiode 2014 bis 2020 wird derzeit diskutiert Kreativwirtschaft ebenso zuständig sind wie für Wirtschaft, und entworfen. Transport, Umwelt, Gesundheitswesen etc. Die Divergenz Operationelles Programm: Programme zur Umsetzung der Regional- zwischen „Theorie“ (Grundlagendokumente) und „Praxis“ förderungen; in verschiedenen Größenordnungen, von europäischen (genehmigte Projekte) weist aber darauf hin, dass die Kultur Netzwerken und großen geographischen Räumen (z. B. South East im Rahmen der Regionalförderungen noch zu wenig wahrge- Europe) bis hin zu regionalen Programmen. Legen Schwerpunkte nommen wird und ihr Potential für die Regionen daher noch fest und bestimmen damit, welche Projekte gefördert werden kön- nen. Fallen jeweils unter eines der → Ziele und werden aus einem nicht zur Gänze genutzt wird. der → Strukturfonds gefördert. Konkrete Projekte müssen in einem Welche Programme genau es in Österreich gibt, wie sie dieser Programme beantragt und genehmigt werden. mit Kunst und Kultur umgehen, wie Kulturerbe, Zeitgenös- sisches und die Kreativwirtschaft aufgestellt sind und was Regionalpolitik: Politikbereich der EU, zur Förderung von Wirt- ein Landwirtschaftsfonds mit Kunst zu tun haben könnte, schaft, Arbeitsplätzen und Wettbewerbsfähigkeit. Instrumente sind die → Strukturfonds. Weitere Infos: http://ec.europa.eu/regi- würde wohl den Rahmen eines gift-Artikels sprengen. All das onal_policy/index_de.cfm lässt sich aber in allen Details in der Studie nachlesen. Das erfordert zwar Zeit und Geduld, kann aber einen Beitrag dazu STRAT.AT: Nationaler Strategischer Rahmenplan Österreichs für die leisten, die Kulturszene und die Regionalpolitik füreinander → Förderperiode 2007 bis 2013. Legt die regionalpolitische Strategie Österreichs fest und bestimmt so die einzelnen → operationellen zu sensiblisieren – und diese Sensibilisierung braucht es, da- Programme mit. mit beide in Zukunft (noch besser) voneinander profitieren können. || Strukturfonds: Finanzierungsinstrumente der Regionalpolitik. Kohäsionsfonds: fördert das → Ziel „Konvergenz“; für Mitglieds- staaten mit einem Pro-Kopf-BIP von unter 90 % des EU-Durch- schnittes, schüttet daher in Österreich keine Mittel aus. ESF: Eu- 1 Das zeigen unter anderem die Studie Study on the contribution of cul- ropäischer Sozialfonds, fördert Qualifizierung und Beschäftigung. ture to local and regional development, CSES/ERICarts 2010 (http:// EFRE: Europäischer Fonds für regionale Entwicklung, fördert Unter- ec.europa.eu/culture/key-documents/contribution-of-culture-to-local- nehmen, Infrastrukturen und die Zusammenarbeit zwischen Städten and-regional-development_de.htm) und die Schlussfolgerungen des und Regionen. Des weiteren gibt es noch den ELER: Europäischer Rates vom 10. Mai 2010 über den Beitrag der Kultur zur lokalen und Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums, regionalen Entwicklung (http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexU- gehört formal jedoch nicht zur Regionalpolitik, sondern wird aus riServ.do?uri=OJ:C:2010:135:0015:01:DE:HTML) der Agrarpolitik finanziert.

Ziele: werden für jede → Förderperiode neu definiert und sind handlungsleitend für die gesamte Regionalpolitik. Aktuelle Ziele: Xenia Kopf „Konvergenz“ (Verringerung regionaler Unterschiede), „Regionale ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der österreichischen kulturdoku- Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ (RWB) und „Europäische mentation, redaktionelle Mitarbeiterin der gift und Graphikerin. territoriale Zusammenarbeit“ (ETZ).

diskurs 17 diskurs

Fokus Koproduktion II: Needcompany goes Burgtheater This door is too small (for a bear) Grace Ellen Barkey and Lot Lemm in interview with Sabine Kock

Work methods and coproduction possibilities in Belgium are quite different (and in some ways sounding utopic) from the production and coproduction conditions in Austria. The Needcompany managed a rare mix of the Burgtheater uni- verse and the independent theater scene: an invitation for a coproduction series.

gift: Let’s start with a short glimpse into the history and work came in as a costume designer. Over the years Jan and me of the Needcompany... began putting together an ensemble. Since 10 years were are Grace Ellen Barkey: Needcompany celebrates today its able to offer our dancers a yearly contract. The advantage of twenty-fifth anniversary. The company was founded by the rehearsal/work space and the ensemble is that we can Jan Lauwers, who is the artistic director, writer and ‚ove- make small and big theater productions, but also installations, rall artist‘. I happened to be the only professional dancer in exhibitions or performances in museums, movies. We can also Needcompany’s first production and so I was asked immedi- afford to give part of the ensemble time to do their own work. ately to be a choreographer. We have the freedom to develop. Lot and I produce one piece It all began step by step. We made the first production in three years. In the mean time, I’m performing in Jan’s work, Need to Know in 1987 and then we began touring internatio- Lot is making costumes for other artists in Needcompany, nally with it, also in the States. After about sixty performances etc. Lot and me also made a label together: Lemm&Barkey. we started of thinking to develop a new performance, and Right now we are preparing a big exposition in the Belgian then we decided to continue. Museum MoMu. In 1992 I had the opportunity at Theater Am Turm in Frankfurt to make my own work. They financed three of my gift: What is your role in the company, Lot? productions, and so we decided to expand Needcompany by Lot Lemm: I came in as a costume designer for the work of Jan supporting Jan’s work and my work. Then we applied for a Lauwers. Very soon this elaborated to different levels within structural subsidy, and looked for a house, a manager, … the company. It was not planned, but it was a kind of ‚natural development‘, very ‚organic‘ in a way. When I work for Jan it is gift: … a house just to work in or also to perform in? mostly costume design but my work in total is very diverse. Grace: It’s a management and work structure for artists, only Grace: When Lot was asked to work for someone else we for production and rehearsals. We don’t have our own stage. decided that it wouldn’t be right – we need her specific ‚si- We opened it eighteen years ago, which was also when Lot gnature‘.

18 gift 01/2012 Needcompany: This door is too small (for a bear), 2011 © Phile Deprez

diskurs 19 Lot: You see, Needcompany is a very strong brand and so we gift: Can you tell me a bit about the concrete co-production wanted to make this more specific. mode with the Burgtheater for your current production This door is too small (for a bear)? gift: Could you describe the general working conditions of Grace: What was special about this co-production was that your company? Burgtheater and ImPulsTanz collaborated. Both supported Grace: We have a fully employed group of 18 people and a this show. It was not integrated into the ImPulsTanz Festi- structural subsidy from the Flemish government, which is re- val – we played ‘outside’ the festival context and ‘inside’ the ally necessary but absolutely not enough to pay for structure, Burgtheater context. This meant a different audience. for staff and to produce. So we always need to find coproduc- The collaboration with Burgtheater is new for us. We tion partners for our productions. At the moment the money try to build a ‘story’… It is an evolutionary development: the in cultural sector is actually being really, drastically cut. Burgtheater audience is not used to our kind of work and we offer them a new perspective – that’s one of the main reasons gift: During the last thirty years there has been a strong artistic why Matthias Hartmann wanted us to work there… recognition of the Flemish performing arts scene in Belgium … Grace: Of course there was strong innovation and a specific gift: What was unique in this co-production with the Burg- kind of avant-garde in the Flemish performance scene. Need- theater, what did you enjoy, what was an unexpected expe- company was part of it. They call it the Flemish Wave. To tour rience? internationally was in the eighties very unusual. We worked Grace: You come into a big machine, you can’t even turn the together with Kaaitheater where Hugo De Greef played an lights on or off. (laughs) important role in bringing the work internationally. Lot: We are a small company – everyone is involved in dif- ferent levels. Burgtheater is a big house and for us it is in- gift: Different coproduction modes being the focus of this in- teresting to be inside of that machine, to see how it works terview series, I would like to know, how it works for you on – and to learn its mechanism. a regional, national, as well as on the international level? Grace: It’s a completely different way of working. We are Grace: We have a lot of big coproduction partners among always multitasking. For example Elke Janssens, does the festivals, like the Festival of Avignon or Salzburger Festspiele. communication, is the dramaturge, plays violin, so she is eve- Next to it, we also have our co-producers like for instance rywhere– and I could describe the next person in the same Burgtheater or Théâtre de la Ville which has supported the way. We are small and want to keep it small, so that we retain company for over twenty years. our freedom ... || gift: What are the conditions of your co-productions? Grace: That’s different for every partner. Some support us with budgets and others – like Kaaitheater for instance – they give us their space and logistics as support. Lot: Another point is the prestige of having the opening night. Grace Ellen Barkey & Lot Lemm In these cases it is important that the theatre/venue can show Grace Ellen Barkey, born in Surabaya in Indonesia, studied dance the premiere before the performance goes abroad. But that expression and modern dance at the theatre school in Amsterdam really depends on the coproduction partner. and afterwards worked as an actress and dancer. She choreographed Grace: Some of the early co-production partners like Das several productions before co-founding Needcompany in 1986 and TAT (Frankfurt) were very important for the development of becoming its full-time choreographer. Needcompany; we owe them a lot. It changes all the time, but Lot Lemm has worked at Needcompany since 1993. She initially mostly, collaborations with Needcompany take place over a started as costume designer on various productions, she also defines long period of time. the stage setting, together with Grace Ellen Barkey. Today, the relationship between the houses and Need- company is always very personal, like now with Matthias In 2004, as a result of their close artistic collaboration, Grace Ellen Barkey & Lot Lemm set up the Lemm&Barkey label. Hartmann & Burgtheater. In Vienna we have had different partners. ImPulsTanz is a very important partner since years, www.needcompany.org and before we performed a lot in the Wiener Festwochen.

20 gift 01/2012 Fokus Koproduktion III: Momo – ein Gesamtkunstwerk?

Regisseurin Sara Ostertag im Dialog mit Sabine Kock

gift: Wie ist die aktuelle Momo Produktion zustande gekom- men? Hattet ihr von vornherein Partner_innen? Sara Ostertag: Es begann damit, dass vor zwei Jahren meine Kollegin Katja Göhler, mit der ich gemeinsam an der Schau- spielschule in Zürich war, meinte: Ich will Momo spielen. Ich habe Momo erst da gelesen und den Stoff dann als Idee mit mir herumgetragen. Christian Schlechter und ich hatten nach der Produktion Weihnachtsgeschichten vom Franz Lust auf eine Produktion mit noch mehr und ‚größerer‘ zeitgenös- sischer Komposition und Livemusik. Wir wollten jemanden dabei haben, der schrägen Klang erzeugen kann und auch Momo oder Die Legende vom Jetzt fähig ist, mit Stimme und Liedformen umzugehen. Bei einem makemakeproduktionen & Dschungel Wien & Wien Modern, 2011 Konzert des Ensemble Platypus hat Christian unseren Kom- © Christa Bauer ponisten Hannes Nachname Dufek kennen gelernt. Danach gift: Hat sich die Größe des Projekts – und eventuell auch der ist alles sehr schnell gegangen. Wir haben dem Dschungel Koproduktionsmodus – auf den Probenprozess ausgewirkt? Wien Momo als Musiktheaterprojekt vorgeschlagen. Vom Ostertag: Auf jeden Fall. Die Größe des Projektes hat uns Dschungel kam die Idee, das Format Dschungel Wien Modern alle sehr an die Grenzen getrieben. Der Dschungel hat keine als Plattform zu benützen. Wien Modern Intendant Matthi- Proberäume – das führte dazu, dass wir zunächst in einem as Losek war zunächst mäßig begeistert vom Stoff, hat sich nicht heizbaren Mini-Probenraum arbeiten mussten. Das ist dann aber trotzdem auf uns eingelassen. Und so kam es zu aber nur ein Detail. Wir waren ein zwanzigköpfiges Team. einer Einreichung als Koproduktion von Dschungel Wien Es war ein riesiger Logistik-Aufwand, alle Leute auf die Modern und makemakeproduktionen – unserer neu gegrün- Bühne zu bringen, die zum Teil aus Berlin, der Schweiz und deten Gruppe. Serbien eingeflogen kamen. Außerdem mussten wir die drei Musikerinnen und die Sängerin mit dem Schauspielpart ko- gift: Wie kam die Idee ins Spiel, Momo als Musiktheater zu ordinieren. Wir haben während des Prozesses zwei Mal den inszenieren? Proberaum gewechselt und mussten alle Dinge umsiedeln und Ostertag: Momo ist ein populärer Stoff, daher war unsere neu installieren. Musikproben fanden im Wohnzimmer des Überlegung, dass man damit eventuell Schulklassen in ein Komponisten statt, Sitzungen in meiner Küche. Zum Glück zeitgenössisches Musiktheaterstück bekommt. Das ist sonst gab es eine Produktionsleitung, was bei dieser Größe des Pro- eher schwer, wenn es sich nicht gerade um die kleine Zau- jektes unumgänglich war. Leider kann man sich das oft nicht berflöte oder Schneewittchen handelt. leisten. So eine Oper in der freien Szenen hinzustellen ist ein echtes Bootcamp und ich denke das macht man nicht oft. gift: Was konkret hat diese Koproduktion an Produktionsbe- dingungen für euch bedeutet? gift: Wie ist es dir damit gegangen? Ostertag: Geld, einen Rahmen, Werbung und hohen quali- Ostertag: Ich fand die Arbeit großartig, ich habe viel gelernt. tativen Anspruch! Ich finde es im Nachhinein echt toll, dass Aber es war extrem anstrengend. Ich habe noch nie in einem wir mit Wien Modern so einen präsenten Träger hatten, das solchen Ausmaß mit einem Komponisten gearbeitet. Hannes machte werbetechnisch einen riesigen Unterschied und brach- und ich mussten erst mal herausfinden, wie wir gegenseitig te uns definitiv eine große – für die freie Szene und Theater für unsere Vorstellungen von Szene und Musik umsetzen, bzw. junges Publikum oft unübliche – mediale Aufmerksamkeit. wie wir überhaupt eine Sprache füreinander finden. Es war

diskurs 21 Theater bedeutet für uns, einen Dialograum zu schaffen in dem Fragen entstehen dürfen. uns beiden total wichtig, dass das Stück ohne Musik nicht gift: Hat die Frage der Rechte Auswirkungen auf eure Arbeit funktionierten darf. Das klingt seltsam, aber die Musik musste gehabt? für uns in dem Stück eine unentbehrliche Rolle bekommen. Ostertag: Der Verlag, bei dem Michael Ende bzw. seine Er- Es war im Probenprozess eine echte Herausforderung, sze- ben vertreten sind, ist sehr kooperativ, dennoch müssen die nisches Material zu generieren, ohne teilweise irgend etwas Interessen der Erben vertreten werden. Das bedeutet, es wird von der Musik zu kennen, was daran lag, dass wir uns die ständig hinterfragt, ob ein Detail im „Geist der originalen Ge- Musikerinnen nur für einen sehr beschränkten Zeitraum lei- schichte“ ist. Fremdtext muss sich ganz klar abheben von Mi- sten konnten und sie erst sehr spät dazu kamen. Daher war chael Endes Originaltext. Wir hatten acht Songs, die Fremd- die Arbeit oft sehr anstrengend und ist durch das Fehlen der text waren. Wir haben sehr klassische Liedformen gewählt, um Musik und die mühsamen Proberaumzustände sehr oft in den Text abzuheben. Faktisch hat das dazu geführt, dass der „... das wäre jetzt dann so, wir stellen uns das erst mal vor ... Gesang formal in diesen Liedformen stecken geblieben ist. Ich –Zuständen“ gehangen. fände es interessant, wenn der Gesang ein ständig präsentes Element ist, das nicht klar in Liedformen gebündelt ist. gift: Wie habt ihr konkret zusammengearbeitet? Diese Frage nach den Rechten führt aber noch weiter. Ostertag: Ich habe bisher immer in Gruppen gearbeitet und Es ist ja grundsätzlich im Musiktheater für junges Publikum ich liebe das. Ich liebe es auch, wenn das ‚Ding’ aus den ein Problem mit Stoffen. Es gibt quasi kein musikalisches Köpfen von allen wächst. Das Tolle dabei ist: niemand ist Repertoir bzw. das, was es gibt, ist veraltet. Musiktheater ist sich zu schade für irgend etwas, alle arbeiten gemeinsam und immer teuer und ein Risiko. Experimente sind hier ein großes niemand sagt „das geht mich nichts an, das ist nicht mein Be- Wagnis, auf das sich wenige einlassen. Daher wählt man gerne reich“. Theater bedeutet für uns, einen Dialograum zu schaf- ‚große’ Stoffe, weil man weiß, damit bekommt man die Schul- fen in dem Fragen entstehen dürfen. Ich weiß nicht ob man klassen. Es bräuchte gutes Repertoir, um die Wahrnehmung das für immer so betreiben kann, aber erst mal ist es für mich der Sparte zu entstauben. ganz großartig, mit Freunden zu arbeiten. Das ist dann nicht einfach Arbeit, sondern ein Teil von geteilter Lebenszeit; und gift: Welches Thema stand inhaltlich im Zentrum der Insze- damit sind wir wieder beim Thema von Momo. nierung? Ostertag: Uns ging es sehr um die Frage, wie will ich meine gift: Wie war es, mit so einer ‚großen’ Erzählung umzugehen? Zeit eigentlich verbringen? Die ist für alle immer relevant. Es Ostertag: Natürlich gibt es bei Momo eine extreme Erwar- war uns wichtig, diese Frage für Kids genauso relevant aufzu- tungshaltung. Ich habe das Buch als Kind nie gelesen, daher arbeiten wie für Erwachsene. Warum geraten wir in Stress? war ich nicht ‚vorbelastet’. Wien Modern war anfangs dem Ist Stress immer nur negativ? Passiert uns das oder kann das Stück gegenüber sehr skeptisch. Wir waren uns selber nicht auch total bewusst sein? Ein Aufhänger war auch das The- sicher, ob es gut ist, diesen Stoff zu wählen, weil die Pathosfal- ma Freundschaft. Das kommt aus der Konstellation, aus der le und der Kulturpessimismus in dieser Erzählung groß sind. heraus wir arbeiten. Wir sind Freunde und Theater machen / Aber es steckt hohe Erzählkunst drin. Das fasziniert mich Geschichten erzählen bedeutet Zeit teilen und das hatte ganz – denn ich kann so etwas nicht. Und ich liebe es, Dinge zu ursprünglich sehr viel mit uns zu tun. Wir hatten Panik, dass machen die ich nicht kann. Ich würde aber bei einer nächsten das nicht funktioniert, dass wir scheitern, dass einzelne nicht Musiktheaterproduktion tatsächlich einen ‚schmaleren’ Stoff genug Platz haben, dass keine Zeit mehr da ist, miteinander benützen, eine offenere Geschichte mit mehr Assoziations- wirklich zu reden – Fragen aus unserem Arbeitsprozess, die räumen. So dass die Musik öfter zum handlungsbedingenden aber auch genau die Fragen der Figuren sind. Element werden kann bzw. dass die Musik die Handlung vo- rantreibt. Bei Momo ist man halt schnell in einem Erzähl- gift: Was ist das Spezifische dieser Inszenierung für dich, das zwang, weil die Geschichte an sich im Zentrum steht. Einzigartige, das Besondere?

22 gift 01/2012 Bei Namensnennung Ostertag: Ich liebe die Bühne von Birgit Kellner und Chri- Abdruck des Fotos stian Schlechter. Man sieht immer, wie die Sachen gemacht sind und hergestellt werden, alles ist Handarbeit, alle Effekte honorar­frei werden durch simple Dinge erzeugt. Das hat für mich ganz viel mit Theater zu tun. Ich will wissen, wie Dinge funktionie- Sichtweise einer Fotografin ren und das bekommt man da mit. Und ich habe das Gefühl, Von Bettina Frenzel die Kids werden intellektuell und ästhetisch herausgefordert. Es gibt da was zum Nachdenken, wir nehmen sie sehr ernst Schon beim Titel spüre ich ein Unbehagen in mir aufkom- und darum nehmen sie auch uns ernst – und das ist wichtig. men. Erinnerungen an sehr Unerfreuliches werden wach, Außerdem finde ich die sechs Performer_innen groß- und ich überlege schon, gleich wieder zu schweigen. artig. Das sind Energiebomben und echt gute, unglaublich Ich bin Fotografin, und als solche in der wunderbaren intelligente junge Spieler_innen. Ich finde es toll, dass man freien Szene gelandet. Im Gegensatz zu großen Häusern die Qualität der Einzelnen sieht und sie doch extrem zusam- kann es sich kein kleines Theater, keine freie Gruppe lei- menspielen. Dieses Stück lebt von der Wandelbarkeit, der sten, den Fotograf_innen eine Pauschale für den (eventu- Energie und Leidenschaft dieser Menschen. Genauso ist es ellen) Abdruck von Fotos in Zeitungen zu bezahlen. In bei den drei Musikerinnen. großen Häusern ist nicht nur das Budget höher, natürlich kann dort auch davon ausgegangen werden, dass über Pre- gift: Die Spielserie für Momo im Dschungel Wien war relativ mieren berichtet wird, was in der freien Szene nicht auto- kurz – gerade vor dem Hintergrund, dass es ein so zentraler matisch der Fall ist. Stoff und auch ein innerhalb der freien Szene großes Projekt Bei der Pressearbeit für freie Gruppen werden diese ist. Gibt es Perspektiven für eine Wiederaufnahme, für Gast- unterschiedlichen Ausgangspositionen meist ignoriert – spiele, für weitere Koproduktionen? immer wieder finde ich meine Fotos mit dem Zusatz „bei Ostertag: Das ist immer eine finanzielle Frage. Klar wollen Namensnennung honorarfrei!“ versehen auf Webseiten zum wir wieder aufnehmen – und werden das auch tun – konkret Download angeboten. Dies sei so üblich und notwendig, im Juni 2012 in Villach. Aber es ist eine große Produktion um Zeitungen zum Abdrucken zu bewegen. und so eine Wiederaufnahme kann man sich nicht mal so Bei Standard, Kurier und Kronenzeitung hat das Auf- eben leisten. Dazu muss ich auch sagen – wir haben uns finden eines Fotos und ein Anruf genügt („Schön, dass Sie während des Produzierens wenig Gedanken gemacht, ob al- anrufen, wir hatten keine Kontonummer!“), seitdem be- les gut zu transportieren und wiederaufzunehmen ist. Wir zahlen sie ein Abdruckhonorar, wenn sie ein Foto verwen- dachten mehr: Jetzt haben wir mal Geld, jetzt machen wir den. Presse und Falter weigern sich, darüber überhaupt zu „was Fettes“! Es ist eben auch echt selten, dass man so viel diskutieren: Die Theater müssten froh sein, wenn über sie finanzielle Mittel in der freien Szene für eine Produktion für berichtet wird, und erst recht, wenn dann auch noch ein junges Publikum hat. || Foto dazu abgedruckt wird. Ich drehe diesen Satz gerne um: Die Zeitungen müs- sen froh sein, wenn sie an gute Fotos kommen, und damit ihre Texte bebildern können! So einfach ist das! Sara Ostertag Letztlich geht dieser Umgang auch an der gesetzlichen Realität vorbei: Es gibt ein Urheber_innenrecht und eine hat an der HDK Zürich Regie studiert, inszeniert in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Momo ist ihre dritte Inszenierung Werknutzungsbewilligung. Dass die Namensnennung kein im Dschungel Wien. „Entgegenkommen“ sondern eine einklagbare Verpflichtung ist, sollte jeder Redaktion klar sein. Dass Fotograf_innen makemakeproduktionen.wordpress.com

diskurs 23 letztlich auch von bezahlten Werknutzungsbewilligungen le- ersticken drohte: Der Eigentümer des Verlages ist eine nie- ben müssen, sollte auch endlich ins Denken einfließen. derösterreichsche Zeitung, der Autor des Buches, ein Kultur- Aber die Diskussion hierzulande wird abgedreht. Die Posi- journalist dieser Zeitung, gab zwar unumwunden zu, dass er tion der Fotograf_innen ist eine schwierige: Für die Theater rechtlich gesehen unrecht habe, aber moralisch fühle er sich werden sie nutzlos, wenn die Zeitungen drohen, die Bilder im Recht: Immerhin habe er meine Fotos schon jahrelang in nicht abzudrucken. Also schaufeln sie ihr eigenes Grab, wenn seiner Zeitung honorarfrei verwenden dürfen (? – aha!) und sie für Abdruckhonorare eintreten. da habe er sich gedacht, im Buch könne er das nun auch tun. Ich kann diesbezüglich schon sehr viel aus meinem Und: Sollte ich bei meiner Forderung bleiben, könne er nicht Fotografinnendasein berichten, und ich hoffe immer wieder, versprechen, dass über „meine“ Theater in seiner Zeitung damit zumindest die Diskussion, die mir so oft verweigert weiterhin berichtet würde. wurde, darüber einzuleiten. Erzählen möchte ich noch zwei Während ich damit beschäftigt war, diesen plumpen Er- Erlebnisse, die über die Zeitungsproblematik hinausgehen pressungsversuch des Journalisten zu verdauen, kam schon und den allgemeinen Umgang mit Copyrights in diesem Lande ein Anruf aus dem Theater ... widerspiegeln: Auch in einem Fall wie diesem sitzen die Fotograf_in- 2007 hat es ein Pressefoto von mir zum einzigen Plakat- nen am kürzeren Ast – und bleiben dort auch ziemlich allein bild und Imagefoto eines renommierten Wiener Tanzfestivals sitzen. Die rechtlichen Voraussetzungen, die ja geschaffen geschafft. Unter der gleichen Voraussetzung: „Bezahlt wird wurden, spielen dabei praktisch keine Rolle. dafür nichts – wir haben genug andere Fotos, die gerne das In Zeiten, wo der Wert einer Fotografie ohnehin einem Sujet dieses Festivals wären.“ Hätte ich mich geweigert, hätte großen Wandel unterliegt, finde ich es besonders wichtig, ich der Gruppe geschadet, für die ich das Foto gemacht hatte. auch darüber reden zu dürfen. Texte ohne Bilder verkaufen Als ich es in über 100 m2 Größe auf Volkstheater und Muse- sich schlechter, zumindest lässt die zunehmende Bebilderung umsquartiereingang sowie auf vielen, vielen kleinen Plakaten auch von Qualitätsmedien diesen Schluss zu. Fotos, die nicht und Citylights in ganz Wien gedruckt sah, hab ich mich zwar aus dem Theater kommen, müssen bei Bildagenturen gekauft auch gefreut, gleichzeitig aber finde ich es bis heute völlig oder bei angestellten Fotograf_innen bestellt werden, also in unverständlich, dass ein renommiertes Festival nicht mal ein jedem Fall muss für den Abdruck ein Honorar bezahlt werden. symbolisches Werknutzungshonorar bezahlen will. Ja, „will“, Warum soll das im Falle von Theater-, Tanz- und Performan- denn (nicht nur) in diesem Fall geht es ums Wollen, nicht cefotos anders sein? In Zeiten, wo viele der kleinen Theater ums Können! und freien Gruppen gar keine Fotohonorare mehr aufbringen Im gleichen Jahr ist bei einem großen österreichischen können, leben die dort tätigen Fotograf_innen ausnahmslos Verlag ein Buch über Sommertheater erschienen, vollge- von diesen Abdruckhonoraren. Dementsprechend können pflastert mit Fotos aus diversen Produktionen. Zu meiner nur entweder Fotos von solchen Fotograf_innen verwendet Überraschung fand ich auch eine große Anzahl von meinen werden, die nicht vom Fotografieren leben müssen, oder es Fotos wieder (die Hälfte übrigens ohne Namensnennung), müssen Fotograf_innen auf die Suche nach quasi Sponsor_in- auch die Rückfrage bei den jeweiligen Theatergruppen er- nen, also Extra-Arbeitgeber_innen gehen, die ihnen ermögli- gab, dass keine Anfrage von Seiten des Autors oder des Ver- chen, ihrem Beruf nachzugehen. Was pervers anmutet, aber lags eingegangen war. Also rief ich beim Verlag an, bat um teilweise schon gemacht wird. ein Belegexemplar und schickte eine Rechnung. Womit ich Ja, oder? Oder ich werde mich immer wieder beschwe- eine kleine Lawine ins Rollen brachte, die mich letztlich zu ren! ||

24 gift 01/2012 sandkasten

Thomas Maurer ist Kabarettist in Wien und derzeit gemeinsam mit Florian Scheuba und Robert Palfrader in Wir Staatskünstler, einem alle 14 Tage aktualisierten Satire-Programm zur Lage der Nation, noch bis 1. April 2012 im Rabenhof zu sehen. gift: Wann war dir klar, dass „lustig sein“ dein Beruf wird? gift: Darf über alles gelacht werden bzw. darf man über alles Thomas Maurer: Eigentlich erst, nachdem es bereits mein Be- Witze machen oder gibt es für dich Grenzen des Humors? ruf war. Davor dachte ich eigentlich eher sowas wie: „Scheiß Maurer: Ich antworte auf diese Frage gerne: „Man kann über an, ausprobieren kann man alles.“ alles Witze machen, wenn man's kann.“ gift: Wie sieht dein perfekter freier Tag aus? gift: Aktueller Lieblingsspruch von der Straße? Maurer: Ausschlafen, Sport, Kochen/Essen, Lesen, Beischlaf, Maurer: Eine Unterhaltung zweier biertrinkender Herren, die das übliche halt. allen Gestaltungskriterien von Deix-Pülcher entsprochen ha- ben und die sich im Wirtshaus über den Fall Grasser unter- gift: Was war dein peinlichstes Erlebnis auf der Bühne? hielten: Maurer: Ein Anruf vom Kollegen Scheuba „No, wos glaubst, wird sein?“ mitten in meiner Vorstellung, weil ich Do- „No, wos soll sein. Der Meischi wird neh- del mit aufgedrehtem Handy auf die Bühne men zwa Joah ...“ gegangen bin. gift: Nach der Eröffnung des Stadtsaales in gift: Womit verbringst du die meiste Zeit der Mariahilfer Straße ist es nun möglich, am Tag? große Publikumszahlen in einer Vorstellung Maurer: Kommt drauf an. Wenn ich schrei- zu bedienen. Was sind die Vor- und Nach- be, damit, nichts zu schreiben und statt- teile im Vergleich zu Kleinbühnen? dessen düster auf meinen Bildschirm oder Maurer: Der Stadtsaal war, abgesehen da- mein Heft zu starren. Wenn ich auf Tour von dass es ein besonders schönes Lokal bin, geht viel Zeit mit Zugfahren drauf. geworden ist, bereits dringend notwen- © Katharina Ganser dig, weil sich nach Ende des Vindobona gift: Welche Theaterproduktion hat dich in letzter Zeit absolut ein Spielstättenengpass ergeben hat und es teilweise nicht vom Hocker gehaut? einmal mehr möglich war, sehr gut laufende Produktionen im Maurer: Zuletzt Mission bei den Wiener Festwochen. Ich komm Umfang der Nachfrage zu spielen. Nachteil ist, dass der Saal, aber aufgrund meiner Arbeitszeiten viel weniger ins Theater wenn einmal weniger als 200 Leute kommen, schnell ein biss- als ich eigentlich gern würde. chen leer wirkt. gift: Welches Buch hast du zuletzt nicht zu Ende gelesen? gift: Lieblingsserie als Kind? Maurer: Harold von einem Autor mit dem Pseudonym „Einzl- Maurer: Hm. Raumschiff Enterprise? kind“. Ein teilweise hoch gelobter, tatsächlich aber gnadenlos zwangsoriginell überwürzter Versuch, ein sogenanntes Kult- gift: Mohnnudeln oder Schweinsbraten? buch zu schreiben. Maurer: Süßes als Hauptspeise geht gar nicht. Schweinsbraten aber eigentlich auch nur, wenn ich sicher bin, dass es sich um gift: Kostet es dich Überwindung in deinen Programmen auf ein kinderbuchkompatibel gehaltenes und umsichtig totge- der Bühne zu singen? streicheltes Tier handelt. || Maurer: Das hängt von der Tagesverfassung ab. Mut erfordert es zumindest in meinem Fall immer. Interview: Katharina Ganser

diskurs 25 © Bettina Frenzel: Monika Pallua in Penthesilea Ariadne-Theater, Regie: Evelyn Fuchs KosmosTheater / Wien, 2010

26 gift 01/2012 bilderrahmen Bettina Frenzel Theaterfotografin

Butohtanz von Min Tanaka hat mich 1995 zur Theater- und Konzentration auf scheinbar Nebensächliches lenken darf. Tanzfotografie gebracht. Damals saß ich in der Premiere im Nur im Auge behalten sollte, dass die Fotos das sein werden, Wiener Odeon mit meiner Kamera am Stativ und sollte für den was letztlich (neben eventuellem Videomaterial) als einziges japanischen Veranstalter möglichst unauffällig und brauchbar visuelles Anschauungsmaterial von oft monatelangen Vorberei- abbilden, was im Scheinwerferlicht auf der Bühne passierte. tungen und Auftritten für die Nachwelt übrig bleiben wird. Eine große Herausforderung, und plötzlich wusste ich, was ich Für mich immer wieder eine große und wunderschöne fortan immer tun wollte. Aufgabe! Das Kribbeln vor jeder Fotoprobe ist das gleiche geblie- ben. Würde es fehlen, wäre das Ergebnis vermutlich schlech- ter: Die fröhliche Aufgeregtheit verhilft mir zu schneller Re- aktionsfähigkeit, um – wie Bruno Max, Gründer des Theaters Biografisches: zum Fürchten einmal schrieb – „Momente einzufangen, mit- zuatmen, Licht, Stimmungen, Pausen, Visionen abzulichten, geb. 1965 in Turnhout/Belgien. zum Partner zu werden“. 1987-1989 Kolleg für Fotografie an der „Graphischen“ in Ich bin mir des Glückes bewusst, als Fotografin Künstler_ Wien. innen als Gegenüber zu haben, ohne die meine Fotos nicht das 1989-1993 Assistentin in verschiedenen Fotostudios sein könnten, was sie sind. Wenn Licht, Bühne, Inszenierung, 1993 Eröffnung eines eigenen Ateliers Schauspiel und Tanz fehlen würden, gäbe es meine Fotos in Lebt und arbeitet in Wien. dieser Form nicht. Je besser die Inszenierung in allen Einzel- teilen, umso besser können auch die Aufnahmen werden. Theater- und Tanzfotografie für: Theater zum Fürchten, Kos- Trotzdem ist es oft ein fast zwangsläufig scheitern müs- mosTheater, editta braun company, Theater des Augenblicks, sendes Unterfangen, die bewegte und sprechende Welt des Ariadne Theater, Theater Tanto, Theater am Spittelberg, Forum Theaters und Tanzes in einem stummen und unbewegten Foto Theater Schwechat, doris stelzer, SPACES, u.a. abzubilden. Die Fotografie schwingt oft weit weg, erlaubt mir einen anderen Blickwinkel, weil ich Teile weglassen kann, die www.frenzel.at

diskurs 27 Kaleidoskop im Rückspiegel

Zehn Jahre walk.tanztheater.com Von Daniela Egger Ich brauche nicht ein Gesamtkunstwerk, ich brauche Spannungsfelder. Brigitte Walk

Brigitte Walk ist Schauspielerin, Theaterpädagogin und Regisseurin. Mit walk-tanztheater.com gründete sie vor zehn Jahren eine Companie, die in wechselnden Netzwerken arbeitet, ungewöhnliche Orte bespielt und intermediale Stücke inszeniert.

Merkmale dieser Theaterarbeit sind die Auseinandersetzung mit Tanz und Theater als wechselnde, einander bedingende Medien im Stück, die Einbeziehung von unterschiedlichsten © Markus Altmann sozialen Gruppen in den Prozess, oftmals ein forschendes Herangehen an Themen statt an dramatische Texte und grenz- überschreitende Kooperationen.

Forschungsarbeit und Reduktion

walk-tanztheater.com hat kein Haus, nur ein winziges Büro, aber ein weitverzweigtes, gut gepflegtes und geknüpftes Netz- werk aus Künstler_innen, Technik und Organisation in Eu- ropa, der Schweiz und Liechtenstein. Dabei entsteht in dem

Prinzessinnendramen, walk.tanztheater.com, 2011 engagierten Netzwerk mit wechselnder Besetzung aufsehener- regende Arbeit. Ungewöhnliche Orte mutieren zu Spielstätten, Es ist mehr als zwanzig Jahre her, dass Brigitte Walk begann, Laien werden mit Schauspieler_innen zusammengespannt, auch in Vorarlberg künstlerisch tätig zu werden. Begonnen das Publikum befindet sich oft mitten im Geschehen. Raum wurde mit inszenierten Lesungen mit ausgezeichneten Mu- und die Beziehung zwischen Zusehenden und Akteur_innen siker_innen vor Ort und aus der Schweiz mit ausgedehnten werden zu grundlegenden Fragestellungen, denen mit chore- Tourneen, es folgten kleinere Stücke, theaterpädagogische ografischen Mitteln begegnet wird. Selbst wenn Stücke ohne Projekte und ein fast zehn Jahre dauerndes Engagement am Tanz inszeniert werden, ist die Beantwortung von Fragen des Vorarlberger Landestheater. Brigitte Walk hat dort die The- Raumes eine choreografische. aterpädagogik etabliert und aufgebaut und als Theaterpäda- Die Sprache der Inszenierungen ist bildhaft, wobei sich gogin, Schauspielerin und Regisseurin grundlegende Impulse derzeit die Suche nach neuen Ausdrucksformen intensiviert. gesetzt. Die freie Arbeit wurde zusätzlich weiterverfolgt, erste Üppige Bildwelten und bis zur Karikierung überhöhte Projek- Stücke mit Hanspeter Horner und Ursula Müller umgesetzt, tionsbearbeitungen haben künstlerische Antworten auf Fra- walk-tanztheater.com gegründet und 2009 machte sie sich gen gegeben über lange Zeit. Ob sich diese Ästhetik halten wieder selbständig. Seit zehn Jahren produziert walk-tanz- will und soll, wird sich in den nächsten Produktionen zeigen, theater.com jährlich ein bis zwei Stücke, das Jubiläum wurde die ohne den großen Support einer technischen Ausstattungs- mit der Inszenierung der Prinzessinnendramen von Elfriede firma auskommen müssen und derzeit auch von einer Lust Jelinek gefeiert – mitten im Wald des ehemaligen Feldkircher an schmalerer, kratziger und weniger überhöhten Bildsprache Jesuitenkollegs Stella Matutina. geleitet werden.

28 gift 01/2012 „Das multimediale Arbeiten eröffnet Fragen, die man sich sonst in einem Theater in der Form nicht stellt. Es gibt Diffe- Factbox renzen, nicht nur Kongruenzen, wir streiten auch in diesem Entstehungsprozess. Wir versuchen die verschiedenen Medien Team und Netzwerk zusammenzubringen, sie müssen sich aber gegenseitig nicht Hanspeter Horner / Barbara Herold / Stephan Kasimir / Da- unbedingt dienen“, sagt Brigitte Walk über die Herausforde- niela Egger / Maria Fliri / Johanna Tomek / Rüdiger Pape / rungen dieser unbequemen Konstellation. Auseinanderset- Peter Bocek / Helga Pedross / Elisabeth Pedross / Caro Stark zung passiert nicht nur mit dem Stoff, sondern auch mit den / Martin Beck / Ursula N. Müller / Marc Altmann / Karin Epp- unterschiedlichen Disziplinen – am Ergebnis erkennt man die ler / Markus Gsell / Klaus Schöch † / Anne Thaeter / Brigitte Intensität dieses Engagements. Jagg / Angelika Ächter / Yukie Koji / Reinier Matheu Powell / Bruno Catalano / Carsten Clemens / Jacqueline Beck / Olena Nechay u.v.a. Wo die Sprache hingehört

„In meiner Arbeit versuche ich eine Form dafür zu finden, wo Spielplan 2012 Sprache hingehört, wo Tanz hingehört, also das Darstellende Macht | Schule | Theater nicht nur über ein Medium zu führen, sondern über miteinan- Sichtbar/unsichtbar – Ein Theaterstück mit Schülern und der korrespondierende zu zeigen.“ Schülerinnen aus Lustenau im Auftrag des bmukk; Premiere Dass dabei die Zusammenstellung der jeweiligen Netz- 20.04.2012 werke eine prägende Rolle spielt, ist klar. Musiker_innen, Innenleben – Ein Community-arts-Theaterprojekt über Ge- Grafiker_innen, Flüchtlinge, Techniker_innen, Tänzer_innen, heimes und Öffentliches in privaten Häusern in einer Ge- Kulturinstitutionen, sie alle wirken grenzüberschreitend an meinde. dem ganzen Bild. Wenn Flüchtlinge eine Rolle in einem Stück Gefangen sein – Ein Theaterprojekt über Schuld, Sühne, spielen, dann agieren sie nicht in ihrer Identität als Flücht- Verbrechen und Gefängnis, ausgehend von Interviews mit linge oder mutieren zu Schauspieler_innen, sondern werden (ehemaligen) strafgefangenen Frauen. gemeinsam mit anderen Amateur_innen Bestandteil eines Stückes, als Chorist_innen, Tänzer_innen, Bildersteller_in- nen oder Bewegungschöre. Produktionen 2002-2011 Die Arbeit mit gemischten Ensembles bringt viele He- Die Stadt der Blinden von Jose Saramago (2002); Medea rausforderungen zutage, aber auch reiche Ernte. Grenzüber- nach Euripides (2003); Von Stille keine Rede von Marie schreitungen passieren auf vielen Ebenen, auch ganz pragma- Luise Kaschnitz (2004); Wir töten Stella von Marlen Haus- tische: Seit einiger Zeit inszeniert Brigitte Walk regelmäßig in hofer (2005); Peter Bichsel. Geschichten (2006); Franz Kaf- der benachbarten Ostschweiz, wo sie ebenfalls mit gemischten ka. Der Process (2007); Mädchen mit Schwefelhölzern von Ensembles von Amateur_innen und professionellen Schau- H.C.Andersen (2008); Marleni von Thea Dorn (2009); Split- spieler_innen Stücke erarbeitet und dabei durchaus auf neue ter (2009); Fremdenzimmer (2010); Next Level (2010); Utopia Autor_innen stößt. Hier hat sie die letzten drei Jahre Texte (2011); Prinzessinnendramen von Elfriede Jelinek (2011) von Robert Walser, Guy Krneta oder etwa Tim Krohn insze- niert. www.walk-tanztheater.com

Theater macht Schule die Mission, um sie genau dadurch auf breiter Ebene zu erfül- len: Jugendliche als Akteur_innen einzusetzen, verlangt nach Brigitte Walk unterrichtet Lehrer_innen an der Pädago- einem künstlerisch ansprechenden Stück, der pädagogische gischen Hochschule Feldkirch und an der Uni Innsbruck. Aspekt verschwindet hinter der Aufführung. Die Jugendlichen Theaterprojekte an Schulen zu betreuen, gehört zu einem werden dabei so gefordert, dass sie mit Freude auch über ihrer Standbeine. Als Theaterpädagogin verzichtet sie oft auf persönliche Grenzen gehen, sich auf Befremdlichkeiten und

diskurs 29 Zumutungen einlassen und diesem Prozess etwas abgewin- „Sich auf ein Abenteuer mit nicht vorhersehbarem Ergebnis nen. Dass gerade sie mit dem intermedialen Ansatz gut an einzulassen, ist eine große Herausforderung für Jugendliche, Theater herangeführt werden können und ihre Stücke damit sie durchlaufen dabei mit uns verschiedenste Phasen von auch funktionieren, beweist walk-tanztheater seit drei Jahren Neugier und Inspiration über Fadesse und Übungsekel bis mit dem vom Bundesministerium für Bildung und Kunst aus- zum Moment, an dem sich ein Bogen erst erfüllt, wenn näm- geschriebenen Projektauftrag Macht | Schule | Theater. Die lich ein Publikum widerspiegelt, was auf der Bühne passiert“, Arbeit mit Jugendlichen, die unter professioneller Leitung ein sagt die Regisseurin. eigenes Stück schreiben und spielen, dient der Gewaltpräven- Kernteam dieser Arbeit mit Jugendlichen sind die tion an Schulen. Dass sie dabei wesentliche Kompetenzen Schriftstellerin Daniela Egger, die Choreografin Anne Thae- entwickeln und eigene Grenzen überschreiten, liegt in der ter und die Regisseurin Brigitte Walk. Die Themenstellungen Natur des Theaterspiels. Dass aber bei walk-tanztheater jedes werden in Schreiben, Spielen, Tanzen umgesetzt, die Ergeb- Jahr aufs Neue die unterschiedlichen Schultypen miteinander nisse gemeinsam besprochen und in die Inszenierung einge- gemeinsam an dem Stück arbeiten – das gehört zur unerschro- bracht. ckenen Grundhaltung dieser Companie. Man könnte es sich auch einfacher machen. Bis Schüler_innen aus der Polytech- nischen Schule mit Gymnasiast_innen und HAK-Schüler_in- Zukunft nen gemeinsam an einem Strang ziehen bedarf – und das zeigt wieder einmal deutlich die ausschließlich soziale Trennung Im Projekt 2012 wird ein spezifischer Ort in der Textilge- des selektiven, österreichischen Schulsystems – einer inten- meinde Lustenau gesucht, eine stillgelegte Stickerei oder siven Arbeit. ähnliches, der ein beredter Hintergrund für ein zeitgemäßes Vertrauensbildung, Gespräche, intensive Betreuung, viel Theaterprojekt sein wird. positive Bestärkung, überraschende Rollenspiele und nicht Die Auseinandersetzung mit verschiedensten Ästhetiken zuletzt Spaß beanspruchen eine lange Vorlaufzeit, bevor über- wird intensiviert werden, neue Ausdrucksformen gesucht, haupt inhaltlich gearbeitet werden kann. Trotzdem (oder eben neue Kooperationen und vor allem die Beschäftigung mit deswegen) sind diese Stücke extrem erfolgreich, erregen nicht unterschiedlichsten sozialen Kontexten. nur mediale Aufmerksamkeit und Anerkennung durch die Damit unter dem Druck der Verhältnisse die Kunst nicht Auftraggeber_innen, sondern – und das ist viel wichtiger – in- zur Dekoration verkommt. || spirieren viele der Jugendlichen dazu, sich danach auf eigene Initiative mit Theater, Tanz oder Rap zu beschäftigen. Mit derselben Konsequenz fordert Brigitte Walk als Re- gisseurin von den Jugendlichen, dem Team und von sich selbst Daniela Egger hohe Kreativität und das Beschreiten ungewöhnlicher Wege. Geboren 1967 in Hohenems, Österreich. Schreibt Drehbücher, Thea- In einem langen Prozess wird am Tanz, am Schauspiel, an den terstücke, Hörspiele und Erzählungen. Seit drei Jahren Schreibwork- Bildern und an der Sprache herumprobiert, gefeilt, bis alles shops für das Theaterprojekt Macht | Schule | Theater. Beim Verlag in einem gesamten Bild seinen passenden Platz gefunden hat. unartproduktion erschienen: Der Steward hätte die Tür nicht öffnen Ob dabei Gewalt vorkommt, ist vorerst nebensächlich – im dürfen, 2011. Ein Samurai am Kriegerhorn, 2010. Leben der Jugendlichen findet sie sich irgendwann doch ein www.daniela-egger.at und erhält, wie alles andere, einen ihr zugewiesenen Platz.

30 gift 01/2012 Publikum ist alles!

Eine Insider Reportage zum skurrilen Strategietheater Mimamusch im Oktober 2011 Von Valerie Kattenfeld

Mimamusch ist ein Bordell. Aufreißen und Abschleppen so lange du kannst. Manche haben ihr Separée gleich im ersten Stock des Ragnarhofes, andere wandern mit ihren Zuschauer_innen die Grundsteingasse entlang in eine nahe liegende Galerie und spielen dort. Überall Schauspieler_innen, überall Zuseher_innen, viele davon ein wenig orientierungslos. Das Chaos ist Teil des Konzepts. Es wuselt und kreucht und fleucht, dazwischen gibt’s Konzerte und zu Trinken. Viel zu Trinken ...

Für alle, die jetzt ein bisschen verwirrt entwickelt, bei dem sich sowohl Quanti- Foundation, der als alteingesessener sind: Mimamusch ist ein – um nicht tät als auch Qualität der künstlerischen Brunnenviertler die Leute beobachtet zu sagen das Theaterfestival der frei- Arbeiten jährlich steigern. und dann ganz von selbst mit einer Fe- en Szene in Wien und wurde 2006 von Aber wie fühlt sich so ein Festival stivalanalyse beginnt. „Manche wissen Donald Padel gegründet. Das „skurrile an? Die Autorin ist seit 2009 treue Be- genau, wie der Hase läuft. Wie man das Strategietheater“ funktioniert folgen- sucherin von Mimamusch; dieses Jahr Publikum kriegt und wie man sich den dermaßen: es gibt ein Thema zu dem war sie erstmals als Darstellerin dabei Raum mit wenigen Mitteln nett einrich- freie Theatergruppen ihre Konzepte und möchte Ihnen, verehrte Leser_in- tet. Die Neuen schwimmen da oft, die einreichen und dann zu etwa 15- bis nen, einen Blick hinter die Kulissen müssen sich von den Profis mitziehen 45-minütigen Kurzstücken ausarbei- gewähren. lassen.“ ten. Von Objekttheater bis Tanz, Perfor- Ziemliche Hardcore Profis sind die mance oder Schauspiel ist dabei alles flotten Bienen, die in Flo Staffelmayrs erlaubt. Die Stücke werden gleichzeitig Wenn die Nacht noch jung ist ... Stück spielen – am ersten Abend gleich und mehrmals pro Abend im Ragnarhof „sechs oder sieben“ Mal. Biene Maja und in nahe gelegenen Locations auf- Wir beginnen am Anfang. Die Nacht be- Jessyca R. Hauser weiß es nicht mehr geführt. Der Clue dabei: das Publikum ginnt um 20 Uhr und es ist noch nichts so genau. Die schwarz-gelben Kostüme müssen sich die Darsteller_innen selbst los. Man kommt zu seinem Spielort mit Bommelfühlern und der Flachbild- erwerben, was Mimamusch eben seinen und entfernt dort etwaige Reste der schirm in der Auslage sind treffsichere Bordell-artigen Charakter verleiht. Man vergangenen Nacht, richtet seine Re- Publikumsteaser, von denen sich wohl reißt sich jemanden auf, nimmt ihn für quisiten her, zieht sich um. Stellt sich manch einer gern ein Scheibchen ab- eine halbe Stunde mit in sein Kämmer- psychisch darauf ein, dass die Schlacht schneiden würde. lein und dann sucht man sich den oder ums Publikum in wenigen Minuten be- Da geht das Team von Sandy Shoe- die nächsten. ginnt und rekapituliert die wirksamsten shine Rhapsody um Stefan Reiser schon Dieses Jahr gab es an fünf Wochen- Werbesprüche. gemütlicher an die Sache heran. Um enden 30 Stücke auf 15 Bühnen zum 20:30 Uhr: Das Separée ist spielfertig, Mitternacht treffe ich Stella Reinhold Thema Das Glück, das Schöne und mal runterschauen was im Erdgeschoss, bereits wieder in ihren Privatklamot- die Liebe. Während der Prototyp Mima- wo sich die Bar und die Konzertbüh- ten in der Küche. „Wir spielen unsere musch 2006 noch im Zuge von Soho in ne befinden, so los ist. Die Menschen zwei Vorstellungen, dann essen wir was, Ottakring mit nur drei Separées statt- trudeln allmählich ein, für eine Vorstel- schauen uns noch was an und genießen fand, hat es sich seither zu einem ausge- lung reicht es noch nicht. Also setze ich den Rest des Abends.“ Das klingt harm- wachsenen und beliebten Theaterevent mich zu Roland Schütz von der Masc los, bedeutet de facto aber ein Feiern bis

diskurs 31 in die Morgenstunden. Auch ich bin bis- onyme Masse, die nur durch gelegent- immer nicht kennen gelernt hat, schon lang frühestens um vier ins Bett gekom- liches Räuspern oder Auflachen ein wieder die urleckere Suppe gekocht men. Spitzenzeit halb acht. Aber ob ich wenig Charakter bekommt. Nicht so haben. Man redet mit den anderen und das noch bis Monatsende durchhalte? bei Mimamusch: hier bekommt man als stellt fest, dass es ihnen genauso geht. Akteur_in jede (Nicht-)Reaktion, jedes Ein kleiner Wettbewerb, wer heute das Getuschel, jede hochgezogene Augen- gestörteste Publikum hatte, man grinst Publikum auf Augenhöhe braue mit. Auch wenn man nachher er- sich verschwörerisch an und macht sich fährt, dass man den einen oder anderen wieder ans Werk. Am dritten Wochenende gehen es mein Gesichtsausdruck falsch interpretiert Und dann sind plötzlich fünfzehn aus dem Universum bestellter Traumpart- hat – die Verunsicherung während des Leute auf einmal da und sie wollen alle ner Roger-Marcel (der eigentlich Florian Spielens lässt sich trotzdem nicht rück- rein und danach stellen sie alle mög- Schober bzw. als Singer-Songwriter Nils gängig machen. lichen Fragen und versuchen, Plastik- heißt) langsamer an. Wir beschließen, Ja, genau: Verunsicherung. Klar brombeeren mit Schlagobers zu essen dem Stress der Eigen-Publikumsakquisi- strotzen wir alle vor Selbstbewusstsein, und sagen, wie begeistert sie sind. Und tion zu entsagen und suchen statt dessen schließlich verkaufen wir unser Herz dann ist die Welt wieder in Ordnung. Leute für ein Stück, das wir uns selbst und Blut für bares Geld! Klar sind wir Und dann spielt man mit aufgeladener gerne anschauen möchten. Nachdem sexy, wenn wir unser Publikum anbag- Batterie gleich noch mal. Und noch mal. dieses zwei überzeugende Argumente gern. Und klar geben wir immer unser Und noch mal ... bis es dann schon wie- hat – Sex und Wein – sitzen wir schnell Bestes, egal, ob nachher 10 oder 50 Euro der viel zu spät geworden ist! || zu sechst im Separée und wissen end- im Hut liegen. Aber dazwischen gibt es lich, was (bzw. wie es) unsere Nach- schon auch die Momente, in denen man bar_innen so treiben. gerade nicht mehr kann. Wenn man zum Das Theater Spielen im ersten Stock achten Mal hintereinander von einem ist für alle eine akustische Herausfor- Gast gesagt bekommt, dass er sich schon derung. Die Wände zwischen den acht was anderes anschaut, dass er kein Geld Separées sind provisorisch und aus Pla- mehr hat, dass er jetzt lieber das Konzert stik. Gegen die anderen anspielen geht hören will oder dass er doch selber mit- eigentlich nicht; empfehlenswert ist spielt! Wenn man schon vier Leute an Valerie Kattenfeld dafür: aufgreifen, kommentieren, im- Bord hatte, die restlichen drei gesucht provisieren. Sonst kann es schon mal hat, nicht findet, und die vier von vor- arbeitet als freie Regisseurin in Wien passieren, dass ein Zuschauer während her dann verschwunden – weil zu einem und ist Gründerin des Theaterkollektivs kunst)spiel. Nach der Performance Spiel's der Vorstellung in den Nebenraum hi- anderen Stück gegangen – sind. Mo- nochmal, Roger-Marcel! und dem Ju- nüberschlüpft. mente, in denen man wahrscheinlich in gendstück Ein Gespenst namens Zukunft Ach ja, die Zuschauer_innen. Sonst die Küche geht, wo man feststellt, dass (18./19.2. im Dschungel Wien) ist für Herbst kennen wir das ja so: hier die Bühne. diese urnetten mysteriösen Menschen, 2012 das Tanztheaterstück Fleisch in Pla- Und da drüben der dunkle Saal, die an- die man nach drei Wochenenden noch nung.

32 gift 01/2012 thema

Theater & Politik

Der folgende Beitrag ist die gekürzte Version von Jan Decks Einleitung zum Sammelband Politisch Theater machen, in dem „konkrete Strategien dargestellt werden, Situationen des Politischen zu inszenieren.“ Der Fokus verschiebt sich von politischen Themen hin zum Modus der Kunstproduktion. Die Langversion des Artikels mit vielen konkreten Inszenierungsbeispielen ist im Buch nachzulesen. Mit einer Veranstaltung zum Thema Theater & Politik wollen wir im Frühjahr 2012 auch eine Diskurs- und Dis- kussionsreihe zur Neupositionierung des freien Theaters eröffnen.

Politisch Theater machen

Von Jan Deck

I . Einleitung herkömmlichen Theatermitteln arbeiten: Das Erzählen von Geschichten, die Repräsentation von Rollen durch Schau- Unter Journalisten und Theatermachern der älteren Genera- spieler, die Reduktion gesellschaftlicher Themen auf einen tion wird ein Vorwurf an die Darstellenden Künste ständig dramatischen Konflikt, die Trennung von Zuschauern und wiederholt: Das Theater, vor allem das freie, sei heutzutage Akteuren und die überkommene Arbeitsteilung zwischen unpolitisch geworden. Man drehe sich per Selbstreflexion Autor, Regisseur und Schauspielern. So werden Stücke um- immer im Kreis, statt sich kritisch mit gesellschaftlichen gesetzt von Schriftstellern, die als politisch gelten, wie Peter Zusammenhängen zu beschäftigen. Aus solchen Positionen Turrini, Dario Fo, Thomas Bernhard oder Falk Richter. Poli- spricht eine Sehnsucht nach verständlicher, offensichtlicher, tisches Theater heißt in diesem Zusammenhang das theatrale linker Gesellschaftskritik, die vor allem das freie Theater seit Aufarbeiten politischer Themen. Die Form des Theaters wird seinen Anfängen für sich in Anspruch genommen hat. Die jedoch nur marginal thematisiert. theatrale Umsetzung dieser Gesellschaftskritik mit den Mit- Ein erster Ausgangspunkt ist, dass dieses Modell poli- teln des klassischen Theaters rüttelt kaum an den Grundfe- tischen Theaters in seiner Wirkung immer schon überschätzt sten des Theaters selbst. Zumeist geht es um die Reprodukti- wurde. Zumindest hat es seine gesellschaftskritische Kraft on von kritischen Theaterstücken, die überwiegend mit den verloren. Das hat verschiedene Gründe, die auch in der Ver-

thema 33 änderung von Gesellschaft und Ökonomie in den letzten Jahr- Und seine wichtigsten Waffen – Radikalität und Moralisierung zehnten liegen. So sind Zweifel am traditionellen Verständnis – sind ihm entwendet worden. Gegen die Radikalität neoli- von Politischem Theater durchaus angebracht. Hier sollen beraler Modernisierer wirkt der kritische Intellektuelle wie zunächst einige skizziert werden. ein konservativer Besitzstandswahrer. Und die Moralisierung Ein erster Zweifel korrespondiert mit einer Verände- von Politik ist das Metier der Boulevardpresse geworden, die rung der Funktion des Künstlers selbst. Was die Kritiker des mit persönlichmoralischen Verfehlungen von Personen des vermeintlichen Verlustes des Politischen beklagen, ist der öffentlichen Lebens ihre Auflagen steigert. Niedergang eines bestimmten Künstlertypus: Der engagier- Der zweite Zweifel trifft die Fähigkeit von Kunst, poli- te, kritische Intellektuelle, der im Wissen um die Falschheit tisch im Sinne von politischer „Aufklärung“ zu sein. Erreicht der bestehenden Verhältnisse diese mithilfe künstlerischer solches Theater nicht letztendlich nur diejenigen, die ohnehin Mittel anprangert. Als Symbolfigur des Widerstands macht schon Teil der Community sind? Dient es nicht ausschließlich er Kunst zum Forum dieser Verhandlung über aktuelle Ent- der Selbstvergewisserung, hat es nicht ausschließlich identi- wicklungen. tätspolitische Bedeutung? Dass Vorstellungen, man könnte Im Theater bedeutete dies, entweder kritische Stücke zu Menschen mittels Kunst „aufklären“, ein eher naiver Sub- schreiben oder zu inszenieren, indem die wichtigen Themen jektbegriff zugrundeliegt, muss hier nicht ausgeführt werden. Gegenstand der erzählten Geschichte waren. Nicht selten Aber selbst wenn diese Form des Theaters eine Funktion darin hieß das auch, Klassiker neu zu lesen und Inszenierungen auf hätte, das Selbstverständnis einer Gruppe zu prägen, so ist aktuelle politische Situationen zu beziehen. Die Zuschauer die Frage berechtigt, von welcher Community man eigent- sollten dadurch über die gesellschaftlichen Verhältnisse auf- lich spricht. War in den Anfängen der freien Theaterszene geklärt werden und mit verändertem Bewusstsein aus dem noch ein überwiegend politisch engagiertes Publikum zuge- Theater in ihre eigene Wirklichkeit zurückkehren. Zudem gen, besteht dieses heute weitgehend aus liberal eingestelltem hoffte man auf die Funktionsweise des Skandals: Radikale Bürgertum. Flirts mit politischer Kritik – und radikale Posen politische Positionen und Inszenierungsweisen, welche die sind als Kunst genießbar, solange sich weder etwas konkret Öffentlichkeit aufwühlen und ihr Themen aufzwingt. ändert, noch Logiken und Vereinbarungen des Theaters in Diese Art Engagement im Theater wird sicher auch heu- Frage gestellt werden. te noch praktiziert. Doch sie hat ihre Brisanz verloren, The- Ein dritter Zweifel betrifft die Frage, warum man sich aterskandale bleiben aus. Das hat möglicherweise damit zu überhaupt noch konkret mit Politik auseinandersetzen soll. tun, dass der Künstler als engagierter Intellektueller eine Figur Wenn (Regierungs-)Politik zur bloßen Verwaltung des Beste- war, die mit einer bestimmten historischen Epoche verbunden henden wird, verliert sie ihre Funktion als Ort von Utopie. war: Im Zeitalter der abgeschlossenen Nationalstaaten mit Deshalb wird die politische Aufladung von kleinsten und un- klar umrissenen Nationalökonomien galt nationale Politik als wichtigsten Verwaltungsakten zu einer wichtigen Tätigkeit. Akteur der eigenen Belange und die nationale Öffentlichkeit Parteien, Regierungen, Presse und Kunst sind Arenen einer als Forum der politischen Auseinandersetzung. Diese Grund- gigantischen Sinnproduktionsmaschine. Das kritische „Poli- lagen haben sich im Zeitalter der neoliberalen Globalisierung tisieren“ im Theater, das selten mehr als ein halbinformiertes grundlegend verändert. und emotionales Nachplappern von Klischees ist, verstärkt Zum einen behaupten Regierungen die Erosion ihrer diese Entwicklung. Sich dem zu verweigern und eine solche Gestaltungsmacht aufgrund globaler Sachzwänge. Zum an- Logik von Politik als Sinnproduktion mit der Produktion des deren werden durch die Privatisierung öffentlicher Güter und Sinnlichen zu beantworten, ist die Antwort zeitgenössischer Zuständigkeiten die Räume von Öffentlichkeit und politischer Darstellender Künstler auf diese Situation. Auseinandersetzung immer kleiner. (Regierungs-)Politik wird Ein vierter Zweifel betrifft die Künste und ihre eigene auf die Verhandlungen von Verwaltungsakten reduziert. Der Ökonomie. Die Künste sind auch aus anderen Gründen selbst engagierte Intellektuelle hat sein diskursives Feld verloren. ungewollt Teil der derzeitigen Verhältnisse geworden. Gera-

34 gift 01/2012 Gerade die selbstausbeuterischen Arbeitsverhältnisse von freien Kulturschaffenden wurden zum Modell für die neoliberale Umgestaltung. Die freien Künstler sind die Avantgarde des Prekariats.

de die selbstausbeuterischen Arbeitsverhältnisse von freien den, andere Zuschauer- und Schauanordnungen inszenieren Kulturschaffenden wurden zum Modell für die neoliberale und Raum und Zeit zum Thema machen. Umgestaltung. Die freien Künstler sind die Avantgarde des Solche Ansätze sind nicht per se politisch. Aber sie bie- Prekariats und ihre Arbeitsweisen, die als Gegenmodell zur ten die Chance, das Politische im Theater dort aufzuspüren, formierten Gesellschaft der fordistischen Wirtschaftsordnung wo die Leerstelle politischen Theaters ist: In der Situation entstanden waren, sind in der Mitte des ökonomischen Main- des Theatermachens selbst, in seiner Produktion, Inszenie- streams angekommen. Aus der erhofften Freiheit ist Freiset- rung und Rezeption. Theater ist eine soziale Situation, in der zung geworden, gepaart mit Unsicherheiten und Zukunftsäng- Menschen für eine bestimmte Zeit an einem bestimmten Ort sten. Stücke gegen kapitalistische Ausbeutung zu inszenieren, zusammenkommen. Dieses zufällig entstandene Kollektiv bie- während man diese Verhältnisse tagtäglich mit seiner eigenen tet die Möglichkeit, andere Formen von Gemeinschaft, neue Arbeit selbst reproduziert, scheint in diesem Zusammenhang Sichtweisen und alternative Praktiken zu erproben. Und da- reichlich absurd. bei nicht nur kognitiv, sondern über sinnliche Erfahrung zu Dennoch gibt es keinen Grund dafür, zeitgenössischen funktionieren. Das gilt sowohl für die Kollaboration im Ent- Arbeitsweisen vorzuwerfen, sie seien unpolitisch. Ihre Stra- stehungsprozess von Stücken, als auch für die Live-Situation, tegien und Taktiken, das Politische in den Blick zu nehmen, die gemeinsam geteilte Zeit im Zeitraum der Aufführung. sind vielmehr weniger offensichtlich und funktionieren we- niger auf der inhaltlich-textlichen Ebene. 1. Recherchen Damit ist nicht gesagt, dass sie sich nicht mehr mit po- Bei der Beschäftigung mit gesellschaftlichen oder historischen litischen Thematiken beschäftigen. Trotzdem liegt der Fokus Themen ist besonders wichtig, wie das Material generiert und verstärkt auf der Art der Kunstproduktion selbst. Dem poli- präsentiert wird. Wer nicht auf Stücktexte zurückgreift, muss tischen Theater wird eine andere Strategie entgegengesetzt: eine andere Strategie verfolgen, sich Themen zu nähern. Um- Politisch Theater machen. fassende Recherche ist notwendig, sei es mittels Interviews, Reisen oder Materialauswertung. Auf politische Weise zu ar- beiten bedeutet jedoch, das recherchierte Material so aufzu- II . Künstlerische Strategien arbeiten, dass sein Recherchecharakter noch offensichtlich bleibt. Es bleibt in seiner Ambivalenz erhalten. Die Stücke Unter zeitgenössischen Theatermodellen wird die Diversität zeigen das Material, ohne direkt und unmittelbar inhaltlich von Modellen der Darstellenden Kunst verstanden, die jen- Position zu beziehen. Das Ziel ist dabei, die Zuschauer nicht seits des klassischen Dramas angesiedelt sind. Weitestgehend zu belehren, sondern ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre deckt sich das mit Arbeitsweisen, die Hans-Thies Lehmann eigene Sichtweise zu entwickeln. Dennoch bleiben sie von als Postdramatisches Theater bezeichnet hat1. Gemeint sind der politischen Sprengkraft der Themen nicht verschont. Ansätze der Darstellenden Künste, die auf die Reproduktion von Theatertexten, auf die psychologische Repräsentation 2. Kollaboration und Kollektive von Theaterrollen durch Schauspieler oder auf das stringente In ihrem Manifest beschreibt die Gruppe andcompany&Co Erzählen von fiktiven Geschichten verzichten, vielmehr die ihre Methode unter anderem als freie Assoziation durchs klassische Arbeitsteilung bei der Stückproduktion überwin- System driftender autonomer Produzenten in Konflikt mit

thema 35 © Bettina Frenzel: Min Tanaka & Company in I was born out of earth Odeon / Wien, 1995

36 gift 01/2012 dem bestehenden Produktions- und Kommunikationsregime Reality-Fetischismus von Dokuformaten im Fernsehen zu tun. auf der Suche nach kooperativen Strukturen und kollektiven Sie sind eingebunden in komplexe Erzählungen und theatrale Formen für ihre Arbeit.2 Situationen, was aufzeigt, dass jede Behauptung von Realität Viele Protagonisten der postdramatischen Performance- eine Inszenierung ist. Szene arbeiten auf ähnliche Weise. Ensembles wie SheShePop Auch das Inszenieren von Körpern, die nicht den gän- oder Gob Squad bestehen aus einem großen Pool von Per- gigen Vorstellungen von Schönheit und Fitness entsprechen, formern, die nicht alle bei jedem Projekt dabei sein müssen. ist in diesem Zusammenhang eine künstlerische Strategie. Die Auch hier sind nicht-hierarchische Strukturen prägend, was Choreografin Doris Uhlich hat ihr Stück und … mit älteren zeigt, dass die Arbeit ohne festen Regisseur durchaus effektiv Menschen zwischen 59 und 88 produziert, die verfremdete sein kann. Gleichzeitig geht es in diesen Kollektiven nicht und choreografierte Alltagsbewegungen vollziehen. Das Ge- um eine Homogenisierung der unterschiedlichen Persönlich- hen zeigt ebenso die Spuren des Alters wie der nackte Kör- keiten und künstlerischen Positionen. Jeder bringt sich und per einer Frau, die sich immer wieder an- und auszieht, ohne seine Kompetenzen in den gemeinsamen Prozess ein. Und die dabei ausgestellt zu erscheinen. Das selbstverständliche und Rollen können von Projekt zu Projekt verschieden sein. Wenn selbstbewusste Inszenieren eines Körpers, der nicht den gesell- bei Gob Squad sieben Personen ein Stück erarbeiten, das nur schaftlichen Normen von Jugendlichkeit entspricht, lässt die vier Performer spielen, übernehmen die übrigen einfach den Zuschauer ihren eigenen Voyeurismus spüren: Darf man hin- „Außenblick“.3 schauen? Muss man hinschauen? Fühlt man sich unbehaglich, Kollektive Arbeitsformen und „Kollaboration“ mit pro- während die Performerin sich offensichtlich wohlfühlt? jektbezogenen Partnern ermöglicht den Ensembles zum ei- Die Frage von Voyeurismus ist ohnehin ein Thema, das nen größtmögliche Unabhängigkeit. Zum anderen ist es eine die Theatersituation selbst immer wieder aufwirft. In Perfor- Praxis selbstbestimmten und gemeinschaftlichen Arbeitens, mances von Forced Entertainent gibt es häufig Situationen, in der jeder nicht nur Mitproduzent, sondern auch gleich- bei denen das Zuschauen nur schwer zu ertragen ist. Wenn berechtigter Teilhaber des Produktes ist. Das Ergebnis wird beispielsweise eine Perfomerin die Zuschauer fragt, ob je- keinem „genialen“ Künstlersubjekt zugeschrieben, denn alle mand heute mit ihr die Nacht verbringen möchte und das sind Autoren und Regisseure. Kollektive Produktionsprozesse Schweigen im Publikum zu einem langen Monolog über die stellen aber nicht nur eine Überwindung tradierter Theaterhi- eigene Unzulänglichkeit führt, gibt es keine „unschuldige“ erarchien dar. Sie sind gleichzeitig auch ein Statement gegen Zuschauerposition. Niemand würde es wagen, sich vor den die vielbeschworenen flachen Hierarchien der neuen Arbeits- anderen Zuschauern als potenzieller Liebhaber ins Gespräch welt. Deren teamorientierte Produktionsweisen sind meist zu bringen. Das Schweigen jedoch treibt die Situation immer nur der Deckmantel über einem alten Prinzip: Das Produkt weiter ins Unangenehme. Der Zuschauer ist schlechter, weil gehört dem, der damit Profit macht. überforderter Zeuge und gleichzeitig schlechter, weil genie- ßender Voyeur, wie Florian Malzacher treffend zusammen- 3. Performer und Zuschauer fasst. Malzacher sieht solche Situationen als Paradebeispiel Mit der kollektiven Praxis verändert sich die Rolle des Perfor- für Möglichkeiten, Theater auf politische Weise zu machen: mers. Er ist kein weisungsgebundener verlängerter Arm eines „Ein Theater, das den Zuschauer als Zeuge, Voyeur, Mitspieler Regisseurs, und er ist nicht mehr an die Psychologien von ‚das Gewicht der Dinge’ und seine Präsenz ‚auf eine grundle- Figuren aus dramatischen Texten gebunden, sondern thema- gend ethische Weise’ fühlen lässt, das ihm zeigt, dass er eine tisiert Subjektivität als Experiment, nicht selten als Selbstex- Haltung beziehen muss – und ihm diese Möglichkeit im sel- periment. Die Performerinnen von SheShePop beispielsweise ben Augenblick verweigert. Durch Verunsicherung, Irritation, kreieren für ihre Stücke Spiel-Identitäten, die ausgehend von Unterbrechung schafft es einen Möglichkeitsraum und erzeugt der eigenen Biografie Authentizität behaupten. so einen ‚Haltungsdruck’, ohne selbst als konkretes Objekt Eine weitere Strategie ist das Arbeiten mit nicht-pro- dieser Haltung oder gar eines Handelns zu taugen.“3 fessionellen Darstellern, Experten und Spezialisten, die auf Komplett offene Situationen erzeugten die öffentlichen die Bühne gestellt werden, weil sie zu bestimmten Themen Aktionen von Christoph Schlingensief: Bitte liebt Österreich, persönliche Geschichten erzählen können. Auch hier sollte wobei die Zuschauer im Big-Brother-Stil per Internet Asyl- man nicht dem Irrtum verfallen, es gehe um eine besondere bewerber in einem Container aus dem Land herauswählen „Authentizität“. Die LKW-Fahrer, Call-Center-Arbeiter oder konnten, oder sein Internationaler Pfahlsitzwettbewerb im Vietnamveteranen von Rimini Protokoll haben nichts mit dem Kontext seiner Church of Fear. Diese Aktionen erzeugten

thema 37 Situationen im öffentlichen Raum, deren Dynamiken sich Raum zu beschäftigen ist immer wieder eine Methode von erst im Laufe des Projektes entwickelten. Es gab festgelegte Theater, den klassischen Aufführungsraum zu verlassen. Aber Settings und Rahmenbedingungen, dennoch änderte sich der Theater im öffentlichen Raum trägt nicht per se Züge des Poli- Charakter der Situation mit den Zuschauern, die dort meist tischen. Es reicht dafür nicht aus, Theater für alle zu machen, zufällig hingelangten. Schlingensief denn oft erschöpft sich ein solches war selbst Protagonist. Aber über Ortsspezifisches Arbeiten unter- Spiel dann im Populistischen und weite Strecken der Aktionen hatte Spektakulär-Dekorativen. Im öf- er viel mehr die Rolle des Modera- sucht den Ort in seiner Geschicht- fentlichen Raum ist Theater des Po- tors, weil er die Passanten zu Wort lichkeit und mit seinen eingeschrie- litischen entweder ein Regelverstoß kommen ließ und viele Situationen benen Verhaltensregeln, aber auch oder ortsspezifische Studie. In der ermöglichte, ohne sie zu kontrol- Unterwanderung und Umwertung lieren. Als eine Gruppe linker De- in Verweis auf mögliche Praxen. von vorgeschriebenen Verhaltens- monstranten den Container in Wien weisen, in der Schaffung temporärer stürmte, ließ er sie die Asylbewerber befreien. Sein Konzept autonomer Zonen, in der Produktion von Gegenbildern liegt war es, eine Situation herzustellen, die sich von alleine wei- die Möglichkeit, die Logik herrschender Regeln zu stören und terentwickeln sollte. Die Beteiligten seiner Aktionen waren praktisch auszusetzen. Ein solches Theater folgt der Strategie überwiegend keine Schauspieler. Zuschauer und Performer der Unterbrechung. Und verweist auf andere Möglichkeiten bewegten sich gemeinsam in einem ungesteuerten Prozess. des Sozialen. Ortsspezifisches Arbeiten untersucht den Ort in seiner 4. Raum und Zeit Geschichtlichkeit und mit seinen eingeschriebenen Verhal- Schlingensiefs Internationaler Pfahlsitzwettbewerb auf der tensregeln, aber auch in Verweis auf mögliche Praxen. Die Hauptwache in Frankfurt/Main zeigte den Charakter des Hotels und U-Bahnstationen in den Performances von Gob Politischen vor allem in der Schaffung eines temporären öf- Squad sind nicht einfach nur ungewöhnliche Orte, sie ver- fentlichen Diskursraumes. Während der öffentliche Raum in weisen auf ihre Funktion als Transit-Orte. Projekte außerhalb Städten immer mehr privatisiert und durch Konsumräume mit der Theaterräume können das Politische nur in den Blick kontrollierten Eingangsbarrieren ersetzt wird, öffnete Schlin- nehmen, indem sie die Konventionen theatraler Schauanord- gensief einen temporären Gegenraum. Menschen, die sonst nungen zum Thema machen. Bei vielen Stücken im Öffent- durch jedes Kontrollraster fallen würden, wie Obdachlose lichen Raum gibt es zwei Arten von Zuschauern: Die Theater- oder Punks, verweilten dort genauso wie Kunstinteressierte, besucher, die „eingeweiht“ sind, und zufällig hinzustoßende Touristen, Banker oder Menschen, die gerade einkaufen wa- Passanten. Erstere gehören zum Stück; alle Verhaltensweisen ren. Ebenso wenig kontrolliert war der Diskursraum. Schlin- sind Teil der Bilder und Situationen, die in der Öffentlichkeit gensief hatte gerade die Church of Fear gegründet, die sich entstehen. Das ermöglicht Gegenbilder zu den gewohnten. in Bezugnahme auf die Terroranschläge des 11. September Bei ortsspezifischen Arbeiten liegt das Interessante dort, 2001 auf ironische Weise mit der Funktionalisierung durch wo Lehmann den „heterogenen Raum“ identifiziert, „den Politik und Ökonomie beschäftigte. Auf seine provokativen Alltagsraum, das weite Feld, das sich zwischen gerahmtem Statements folgten viele Reaktionen. Hunderte von Menschen Theater und „ungerahmter“ Alltagswirklichkeit auftut, sobald diskutierten miteinander mitten in der Innenstadt. Auch gab Teile des letzteren eine irgend geartete szenische Auszeich- er Passanten das Mikrofon, damit sie zu den Menschen spre- nung, Akzentuierung, Verfremdung, Neubesetzung erfahren“5. chen konnten. Vielleicht liegt das Politische genau in diesem Zwischenraum, Schlingensiefs Aktion war eine temporäre Wiederaneig- wo der bespielte Ort einem theatralen Blick unterworfen wird nung des öffentlichen Raumes, eine Durchbrechung seiner und das theatrale Zuschauen selbst dadurch eine neue Per- Regeln, eine Art Ausnahmezustand. Sich mit dem öffentlichen spektive einnimmt.

38 gift 01/2012 Auch im Theaterraum kann eine solche Neubewertung des selbstgefällige Wortspielerei, sondern um eine grundlegende gerahmten Blickes erfolgen. Sich verändernde Raumkonstel- Bestimmung dessen, was Gegenstand der künstlerischen Aus- lationen, außergewöhnliche Zuschaueranordnungen oder einandersetzung in zeitgenössischen Theaterformen ist. In komplett offene Settings ermöglichen veränderte Sichtweisen. aktuellen Debatten der Gesellschaftstheorie6 bezieht sich der Das ist jedoch mehr als eine ästhetische Spielerei, denn so Begriff Politik auf konkrete Praktiken der Lösung gesellschaft- wird der theatrale Raum selbst thematisiert, als Ort von Aus- licher Herausforderungen sowie ihrer diskursiven Themati- schließung und Grenzziehung demaskiert. Offene Raumkon- sierung. Politik meint hier das Denken in Regierungslogiken stellationen machen Theater zum Forum, in dem die Rollen und Problemlösungsstrategien, aber auch die Praxis der Kritik zwar nicht komplett aufgehoben, aber angetastet werden. Die an staatlichen Maßnahmen. Wie bereits oben beschrieben, Grenzen werden verschoben, es entsteht eine Gemeinschaft, werden politische Ideen und Konzepte nicht mehr mit uto- in der die Plätze aller in den Blick geraten. pischen Zukunftsentwürfen zusammengedacht. Es gilt der Ähnliche Effekte lassen sich auch durch die Themati- Zwang, bei Kritik erst mal einen besseren Vorschlag machen sierung von Zeit im Theater erzielen. Duration Performances, zu müssen. Und das bedeutet, bestimmte Sichtweisen auf die sich über 6, 8 oder 12 Stunden ziehen und bei der die gesellschaftliche Entwicklungen per se aus dem politischen Zuschauer ständig kommen und gehen können, sind dafür Diskurs auszuschließen. ein Beispiel. Einige Stücke von Forced Entertainment funk- Das Politische ist das, was sich dieser Festlegung und tionieren nach diesem Prinzip, zum Beispiel Quizoola!, bei Reduktion auf pragmatische Selbstbeschränkung entzieht. Es dem sich Performer gegenseitig befragen oder And on the ist das Widerständige, das von der Politik nicht als relevant Thousandth Night, wo über längere Zeit Geschichten erzählt anerkannt wird. In diesem Zusammenhang scheint mir die werden. In beiden Performances, die über sechs Stunden dau- Definition von Jacques Rancière hilfreich, der das Politische ern, kann der Zuschauer wählen, wie viel Zeit er den Darbie- nicht als Ausübung von Macht begreift7. Für ihn ist es „die tungen widmet. Zeit wird bewusst und erfahrbar gemacht und Gestaltung eines spezifischen Raumes, die Abtrennung ei- wird zum Entscheidungskriterium angesichts eines Alltags, in ner besonderen Sphäre der Erfahrung, von Objekten, die als dem sie durch die Verschmelzung von Arbeitszeit und Freizeit gemeinsam und einer gemeinsamen Entscheidung bedür- immer mehr als Faktor verschwindet. fend angesehen werden, von Subjekten, die für fähig aner- kannt werden, diese Objekte zu bestimmen und darüber zu argumentieren.“8 Der Konflikt über diese Räume und Objekte III . Das Politische des Gemeinsamen sowie über die Personen, die entschei- dungsberechtigt sind, die als „Politische Subjekte“ anerkannt Dieser kurze Überblick zu Möglichkeiten, Theater auf poli- werden, macht in seiner Definition den politischen Diskurs tische Weise zu machen, erhebt keinesfalls den Anspruch auf aus. Politik ist in seiner Theorie gekennzeichnet durch das Vollständigkeit. Tatsächlich stellt sich anhand dieser Auffüh- „Unvernehmen“ dessen, was in diesem Zusammenhang aus- rungen die Frage, warum die Art und Weise, Theater zu ma- geschlossen wird, ein „Nichtverstehen, auch ein Nichtverste- chen, bei solchen Stücken wichtiger ist als die verhandelten hen-Wollen oder -Können.“9 Inhalte. Möglicherweise erklärt sich das Beharren darauf mit Zeitgenössische Ansätze der Darstellenden Kunst schei- einem Blick auf die zeitgenössische politische Philosophie. nen bei diesem Verständnis von Politik auf ganz andere Weise Hier gibt es seit längerem ähnliche Entwicklungen. Die ein Ort des Politischen zu sein. Hier werden Konventionen dritte Grundannahme ist, dass eine zeitgenössische Art, The- und Regelwerke gebrochen, und zwar Vereinbarungen darü- ater bzw. Kunst auf politische Weise zu machen, eine Antwort ber, wer agiert und wer zuschaut und darüber, dass es sich ist auf die zeitgenössische Art, das Politische zu denken. Ein um einen geschützten, artifiziellen Raum handelt. Im klas- erster Ansatz dazu betrifft die Unterscheidung zwischen Poli- sischen Theatermodell gibt es also ebenfalls ein „Unverneh- tik und dem Politischen. Dabei handelt es sich nicht um eine men“ gegenüber dem, was diesen Konventionen widerspricht.

thema 39 Statt sich auf das Spiel divergierender Positionen einzulassen, die letztendlich nur herrschende Politiken legitimieren, ist das Aussetzen, Unterwandern oder Dekonstruieren von Politik eine Chance für künstlerische Herangehensweisen.

Nur ausgebildete Stimmen und Körper, die nach festgelegten liche Rollen repräsentieren, stellen die Performer in zeitgenös- Mustern agieren können; bestimmte Raumkonstellationen sischen Theaterformen niemanden dar und haben sich damit sind nicht denkbar und Zuschauer und Akteure sind strikt von einem Theatermodell verabschiedet, dass noch in der getrennt. monarchistischen Körpersymbolik gefangen ist. Stattdessen Wer das Politische in der Erfahrung des Unvernom- thematisiert postdramatisches Theater den „Ort der Macht“, menen sucht, antwortet zweitens auch auf einen Diskurs über in dem es das Verhältnis von Darstellern und Zuschauern Repräsentation. In der gesellschaftstheoretischen Auseinan- in den Blick nimmt. Wenn die Arbeiten in ihrer politischen dersetzung mit Demokratie gibt es seit längerem eine Tendenz, Positionierung unfertig, unentschieden oder harmlos wirken, die Frage von Repräsentation in den Blick zu nehmen. Bis liegt die Chance des Politischen in ihrer Offenheit. Sie verwei- zum Zeitalter des Absolutismus war der Körper des Königs gern sich dem Zwang zum Konsens, der der Funktionsweise gleichzeitig Repräsentant und Symbol des Staates und damit von Politik zugrundeliegt. Und sie kreieren einen Raum des Garant seiner Einheit. In diesem Zusammenhang spricht man Politischen, indem sie Dissenz inszenieren. von den „zwei Körpern des Königs“, dem irdischen, sterb- Es geht deshalb drittens immer wieder um die Unterbre- lichen Körper und dem unsterblichen, symbolisch-kollektiven chung von Politik und ihrer logischen Funktionsweise. Statt Körper. Jeder Angriff auf den König war gleichzeitig ein An- sich auf das Spiel divergierender Positionen einzulassen, die griff auf die Nation in ihrer Gesamtheit. Im Zuge der demo- letztendlich nur herrschende Politiken legitimieren, ist das kratischen Revolution wird diese Einheit aufgelöst, symbo- Aussetzen, Unterwandern oder Dekonstruieren von Politik lisch bei der Guillotinierung von Louis XVI. im Kontext der eine Chance für künstlerische Herangehensweisen. Denn nur Französischen Revolution. In diesem Zusammenhang spricht in der Kunst lassen sich Logiken suspendieren, ohne einem Claude Lefort davon, dass in der Demokratie der Ort der Irrationalismusvorwurf ausgesetzt zu sein. In diesem Zusam- Macht leer sei.10 menhang gibt es eine Verwandtschaft zwischen zeitgenös- Während Diktaturen versuchen, diesen Ort wieder sischen Theateransätzen und politischem Aktivismus: Beiden symbolisch zu füllen, ist ein wichtiges Charakteristikum von genügt nicht, politische Missstände anzuklagen und sich im Demokratie, diese Leere als Chance zu betrachten. Ernesto diskursiven Feld zu bewegen. Vielmehr versuchen sie, mithil- Laclau und Chantal Mouffe propagieren die Notwendigkeit fe konkreter Aktionen physisch und symbolisch in die realen „radikaler Demokratie“.11 Gesellschaften sind ihrer Ansicht Verhältnisse zu intervenieren. Die Intervention von Theater nach notwendigerweise antagonistisch und konfliktuös. Um und Performance ist jedoch zuallererst eine ästhetische. Es diese legitimen widerstreitenden Interessen nicht einfach zu geht mehr um eine veränderte Wahrnehmung, was auf Sinne ignorieren und mit einem Konsens einzuebnen, ist es nach und Körper der Zuschauer zielt. Die Selbstverständlichkeit ihrer Ansicht notwendig, institutionelle Rahmenbedingungen bestimmter gesellschaftlicher Funktionsweisen wird untergra- zu finden, die eine ständige Aushandlung ermöglichen und ben, ebenso die Polizei und Regierung im eigenen Kopf. die Koexistenz der verschiedenen Interessen gewährleisten. Politisch Theater zu machen bewegt sich jenseits der Pole Notwendig dafür wären sich ständig wandelnde Institutionen engagierter Kunst und „L’art pour l’art“, indem der künstle- und flexible Prozeduren, was mehr ist, als die liberale Partei- rische Prozess selbst zum politischen Akt gemacht und das endemokratie leisten kann. Darstellende Kunst in ihrer zeit- Ziel verfolgt wird, im gemeinsamen Raum und in der geteilten genössischen Variante ist radikaldemokratisch. Im Gegensatz Zeit im Sinne von Rancière „Räume und Beziehungen zu zum klassischen Theatermodell hat sie sich vom Repräsentati- schaffen, um materiell und symbolisch das Territorium des onsmodell verabschiedet. Während bei der Reproduktion von Gemeinsamen neu zu gestalten.“12 Das Politische zeigt sich Theatertexten noch überwiegend Schauspieler gesellschaft- in der künstlerischen Haltung zum eigenen Material. Also in

40 gift 01/2012 einer klaren Positionierung, warum man in einer bestimmten Jan Deck Situation zu einem bestimmten Thema ein bestimmtes Ma- terial auf eine bestimmte Weise generiert hat. Der Begriff ist Politikwissenschaftler und arbeitet als freier Regisseur, Dra- der Haltung meint dabei weder eine propagierte politische maturg, Kurator für Produktionen, Festivals und Diskursveranstal- tungen an verschiedenen Orten. Mit seinem Ensemble Profi Kollek- Sichtweise noch eine subjektive Handschrift oder Markierung tion erarbeitet er gemeinsam mit Katja Kämmerer Projekte an den auf dem Kunstmarkt. Sondern eine Passage zwischen dem Schnittstellen verschiedener Medien und künstlerischen Disziplinen. subjektiven, künstlerischen Blick auf das Politische und dem Er ist Geschäftsführer des Landesverbandes Professionelles Freies vorgefundenen gesellschaftlichen Diskurs. Dabei wird beides Theater Hessen (laPROF) und leitet mit Natalie Driemeyer das Fo- zum Thema gemacht und seine gegenseitige Bedingtheit in rum Diskurs Dramaturgie, eine Arbeitsgemeinschaft der Dramatur- gischen Gesellschaft. den Blick genommen. Politisch Theater zu machen heißt also nicht, dass man keine politische Haltung einnehmen will, sondern sich dieser moralischen Positionierung bewusst zu verweigern, um die Funktionsweise von Politik zu thematisie- ren. Moralische politische Kritik greift dagegen immer zu kurz, sie operiert an der Oberfläche und bleibt in der Systematik Das Buch eines landläufigen Politikbegriffs gefangen. || Jan Deck, Angelika Sieburg (Hg.) Politisch Theater machen Neue Artikulationsformen des Politischen in den darstellenden Künsten. Transcript 2011 ISBN 978-3-8376-1409-1

1 Vgl. Hans-Thies Lehmann: Postdramatisches Theater, Frankfurt/M. 2005 (2. Auflage). 2 Vgl. http://andco.de/index.php?context=page_about§ion=manifesto 3 Zu Strategien des Kollektiven Arbeitens, aber auch zum Spiel mit Authentizität und Selbst-Inszenierung vgl. Annemarie M. Matzke: Testen Spielen Tricksen Scheitern. Formen szenischer Selbstinszenierung im zeitgenössischen Theater, Hildesheim 2005. 4 Vgl. Florian Malzacher: There is a word for people like you: Audience, in: Jan Deck / Angelika Sieburg (Hg.): Paradoxien des Zuschauens. Die Rolle des Publikums im zeitgenössischen Theater, Bielefeld 2008, S. 51. 5 Vgl. Hans-Thies Lehmann, a.a.O., S. 308. 6 Die gesellschaftstheoretische Diskussion über diese Begrifflichkeiten reflektieren u.a. Thomas Bedorf / Kurt Röttgers (Hg.):Das Politische und die Politik, Frankfurt/M. 2010 und Ulrich Bröckling / Robert Feustel (Hg.): Das Politische Denken, Bielefeld 2010. 7 Rancière unterscheidet nicht zwischen „dem Politischen“ und „Politik“, sondern zwischen „Politik“ und „Polizei“, dennoch wird die hier eingeführte Unterscheidung beibehalten, um Begriffsverwirrungen zu vermeiden. 8 Vgl. Jacques Rancière: Das Unbehagen in der Ästhetik, Wien 2007, S. 34. Zu Rancière vgl. im Band ausführlicher den Text von Patrick Primave- si. 9 Vgl. Susanne Krasmann: Jacques Rancière: Polizei und Politik im Unternehmen, in: Bröckling/Feustel: a.a.O., S. 78 f. 10 Vgl. Oliver Machart: Claude Lefort: Demokratie und die doppelte Teilung der Gesellschaft, in: Bröckling/Feustel: a.a.O. S. 19 ff. 11 Vgl. Ernesto Laclau / Chantal Mouffe: Hegemonie und radikale Demokratie, Wien 2006 (3.Auflage). 12 Vgl. Rancière: a.a.O., S. 32.

thema 41 Free at last? and to try as much as we could to help others to have a voice of their own. The question that was imposing itself after the The role of independent theatre within the political revolution was how could we continue doing what we’d been changes in Egypt doing when the entire environment and premise upon which we’d based our work had completely changed? By Ahmed El Attar After many early mornings and late nights, hundreds of smo- ked cigarettes and tens of conversations exchanged with loved ones, friends and family, I was able to see clearly. Two scenes have haunted me since Mobarak left power on The two scenes are directly connected, not only because the 11th of February 2011 and the roller coaster of contra- Hassan Khan and I are the common denominators in both dicting emotions, including anger, fear, joy and hope, eased scenes, but mainly because they are engaged in a subtle cause their grip on my senses. and effect relationship. The fact that myself and many others in my generation and the generation before me, who had al- ways dreamt of a revolution that would change the political, Scene I social and economic reality in Egypt, never saw the revolution coming or believed it would happen, only shows the chroni- On the 25th of January 2011 I was in Paris visiting my eleven cally deep state of depression and pessimism we had been in year old son. I met with my life-long friend, the visual artists over the previous years. This state was pointed out to me by Hassan Khan, who was there preparing for a large solo exhi- my friend, Mokhtar Kokache, in a meeting we had a month bition. As usual, our conversations revolved around politics, after the revolution. He explained to me that for the first time sex, freedom, frustrations, religion, women, Egypt, corrupti- in a couple of years I sounded optimistic and that the fatality on, love, revolution and death squads; in other words, eve- I had been voicing about the situation in Egypt every time rything. we met was gone. That day the demonstrations in Egypt were on the Our desire to reflect, dissect and portray the state of our agenda. I remember telling Hassan that having seen how the society through our artistic work obliged us to delve deeper demonstrations in Egypt over the past few years had never into the realities that were surrounding us. We had to fully brought together more than a few hundred people at the most, absorb the dynamics of oppression and injustice to be able I did not think that what had happened in Tunisia would to portray it and present it. Year after year and project after happen in Egypt for another 10 years. project we got deeper into what we were doing, to the point I returned to Cairo the next evening and went down that we stopped seeing the change our work was generating. to join the revolution on Friday, 28th of January. I kept going Our work became the only light we saw in the tunnel but the down almost every day until Mobarak was pushed out of po- constant marginalization, the lack of recognition, the lack of wer on the 11th of February and I still go down almost every concrete signs of change in addition to the deterioration of the Friday until now. situation around us, made us lose sight of the change that was taking place and the fact that we were an integral part of it. The reactions of our supporters, whether they were fun- Scene II ding institutions or co-producers, did not help. With the ex- ception of a few people who work closely with us and under- One week after the fall of Mobarak, like many Egyptians, stand the environment we are working in and the hardships I was trying to make sense of my new life. Questions were we go through to do our work, our supporters bombarded us ringing in my head. Again I called Hassan Khan, to share my with questions that only reflected their own insecurities about thoughts with him. As independent artists and cultural ope- our work, its value and its importance. The main question we rators the main drive behind our artistic and cultural work were facing when applying for funds to produce our work was over the past two decades, since we left college, was to try how can you justify the need to support art and culture when and present, dissect and expose the oppressive situation that this same money could go into education, health or political we, and the whole country, were subject to on a daily basis. awareness programs in a society that is in deep need of sup- Our main focus was to have a voice in a voiceless society port on all these levels?

42 gift 01/2012 We wrote lengthy proposals and complicated matrixes ex- volution liberated in the entire country and throughout the plaining how a quality artistic project that subtly carries the different classes and composing elements of Egyptian society, values of freedom and self worth and shows a small example we also are filled with the satisfaction of knowing that our of an alternative view and independent way of thinking is years of work did not go down the drain, that they were for a as valuable, if not more, than a direct approach that tries to purpose, and a clear one for that matter. motivate people politically or tries to teach them how to take We are confident that we were part of the cultural deve- care of their environment and their health etc. lopment that led to the change; that the awareness the youn- We always felt that we were on the defensive. We had to ger generations have of their rights to express themselves, constantly defend the concept that art and culture, which is to dream of a better future and to see reality as it is and not not directed towards clear social and political development as it was presented by the old regime through its incredible, agendas, was something that needed to exist even if it did not infernal media machine, was directly connected to the change carry the pre-established ideas about development. We always in the culture of this generation. felt threatened that the grants and production support we Their culture of independent thinking, free expression use to communicate with hundreds, sometimes thousands, and faith in the power of the individual to change is directly of people from different generations and backgrounds would related to their access to forms of expression, both cultural be stopped for the benefit of a more concrete development and artistic, and to pockets of freedom within the now gone plan, one which could quantify, in a clearer way, PROPER oppressive regime, which allowed them to form their own development results like how many people in some village visions and to sharpen their determination. can now brush their teeth or how many children can now go Today, the question “what do we do next?” seems to to school wearing new shoes. answer itself. We need to reconfirm our beliefs in the role Even when we created institutions that allowed for of art and culture in accomplishing what other forms of de- others to engage in artistic activities like making theatre or velopment cannot accomplish on their own. We also need music or dance on an amateur, professional or semi professi- our supporters to reassure themselves, to stop questioning onal level or that allowed others to develop their artistic skills the necessity of their and our actions and to stop trying to of acting or lighting design with local, regional and internatio- quantifying these actions with only numbers, figures and sta- nal expertise, we still had to explain why it is important. Why tistics. are our institutions as important as the human rights or the The revolution was only the beginning of a long and women’s rights or the children’s rights institutions? rough road in which an entire society needs to replace its Year after year we had to sit in groups for hours talking culture of fear, apathy, oppression, lack of civil responsibility, and arguing, trying to formulate what was so obvious to us corruption, lack of democratic process, lack of political life, and what we hoped our supporters could see. We started to inequality, lack of social justice and many more negative in- doubt our own beliefs, our own worth and the worth of our gredients that have been deeply engraved in its soul with new actions. The support that we were supposed to receive actu- values of freedom, equality and social justice. ally sank us deeper into the depression and pessimism that For us the role of art and culture in this configuration is had controlled us for the last few years and had stopped us even more important then ever before because what needs to from seeing the revolution coming. Luckily we still had the change today is not just the institutions, the government and intelligence and instinct to recognize the revolution when it the political system but also the culture that will create the happened, which allowed us to immediately join it. new institutions to come. So we will continue doing what we Today, it is as if we are reborn again. Not only are we do with even more determination and might, hoping that this completely motivated by the incredible energy that the re- time, it will be clear that we have proven our point. ||

Ahmed El Attar

is Independent Theater director and playwright, founder and general manager of Studio Emad Eddin Foundation in Cairo.

This text, written in Paris at 12.03.2011, is dedicated to all the independent artists and cultural institutions working in Egypt and the Arab world.

thema 43 Free Belarus

During the European Culture Forum taking place in Brussels in October 2011, Natalia Kaliada from the Belarus Free Theater held a moving speech about repression, persecution, arrestments of actors and audience of the Belarus Free Theater, kidnapping and even torture. There is a worldwide campaign to support the Belarus Free Theater, which was founded in 2005 in Europe's last surviving dictatorship.

lana Sugako. Young actors and play- awarded the most prestigious Ameri- wrights join the company even today can Off-Broadway OBIE Award in 2011. under severe political circumstances. Belarus Free Theatre is one of the most Performances take place in selected outspoken critics of Belarus’s repressive private venues around Minsk with au- regime.

© Belarus Free Theatre diences alerted to their existence by text On www.sponsume.com/project/ message or e-mail. belarus-free-theatre, you have the pos- The theatre group was founded in March Although forced to operate underco- sibility to support the Belarus Free The- 2005 by human rights activists Nikolai ver within Belarus, the theatre has tra- atre via crowdfunding. Khalezin, playwright and journalist, and velled widely and has gained a growing The following text – Belarus Isn’t Natalia Kaliada, a theatre producer and international reputation with support Sexy – is a drama text by Natalia Ka- Khalezin's wife, and joined by director from a diverse group of legends such as liada, written among 10 other plays Vladimir Scherban. The members have Tom Stoppard, Harold Pinter, Václav especially for the performance Minsk suffered every form of intimidation and Havel, Kevin Spacey, Jude Law, Sam 2011: A Reply to Kathy Acker directed harassment. Despite having lost their West and many other outstanding ar- by Vladimir Shcherban, produced by official jobs in Belarus’s state theatres, tists. What is perhaps most astonishing Nicolai Khalezin and Natalia Kaliada the BFT team has consisted of the same is the ability of the Belarus Free Thea- and the Fuel. actors and managers for the last seven tre to create great theatre under nearly The performance received the Fringe years, including Oleg Sidorchyk, Yana impossible conditions; its international First Award 2011 by Edinburg Festival Rusakevich, Maryna Yurevich, Denis performances regularly receive rave for outstanding and innovative new wri- Tarasenko, Pavel Gorodnitski and Svet- reviews by theatre critics and it was ting.

44 gift 01/2012 Belarus isn't sexy! By Natalia Kaliada

Sexy countries have oil, and gas, a coast And then, after that, sitting in front of the And then they print you. A little roller, and mountains. TV with a scotch, one European politician dipped slowly into black ink, as they roll Belarus is the only European country turns to another and says, “Well, it's hap- up their sleeves as if they're getting ready with no coast or mountains. pened. Time to do something.” to do not just your fingers but all of you. Belarus is flat. Then they go into the UN Security Taking each finger in turn. Taking each Nobody fancies Belarus. Not even the Council and they vote to revive the coun- tiny area of your phalanges, your palms. closest neighbours. Even if we assume try like they were giving a teenage girl the Pressing your fingers down with their two that parts of it could be beautiful ... it's kiss of life. To help her recover so they can sweaty hands. It's enough to make you definitely not sexy. get a fuck in gratitude – part of her terri- non-stop gag. The closest thing to a sea is the man- tory or something she has. They do this After that you can't wash it off. You're made reservoir near Minsk. We've got two because they've been dead themselves for properly printed then. ski resorts. They had to dig into the ground years, and they need the pure flesh like an There's nothing you can do. They just so the slopes were big enough. The highest oxygen mask, to give them a new lease of slap their thighs, and express regret. There point in Minsk is three hundred metres. life for a while. was nobody to protect you. You're sexless. The only way the country can get at- The only resource Belarus has is its You've nothing to give. Only your teenage tention is to get its kit off in front of the people. But people are an unpopular com- body. Only that. whole world. modity. Unattractive. If you put them in a That girl grows up. Her body will get I suppose another idea would be to have cage, people kill each other, they create a wise and realize that you don't sell just a massacre or two, like in Rwanda, Iraq, Li- tornado of sexual violence. The ones who beautiful breasts, long legs, plump red bya, Tibet. It attracts attention when a man hold society's power crush the weak and lips. In a sex, you sell your creativity. When kills his kids by slicing them up, roasts the defenceless ones. you know how to do something the others pieces and forces his wife to eat them just A dark mass ... thousands upon thou- can't. And if she's got used to violence, a after she's given birth. And when she re- sands ... clawing, growling, screaming, sadomasochistic sophisticate will be born fuses, he bursts her caesarian scar open, banging their sticks on their shields ... that'll make the world tremble. dumps the pieces of the kids back into her black leather gloves with metal plates in Hear the whip crack, and start to under- womb and sews it up again. them, boots laced high, patent leather stand. That girl. She's grown up. || Is this what the world's waiting for? I helmets ... Jumping on a body to hear it think so. crunch ... Splitting skulls like watermelons But what Rwanda taught us is that ... Screaming bitch or whore or animal or even if that happens, the world takes at pussy at you ... “I'll show you what you can Natalia Kaliada least three months to react and to stop the use a chair leg for”... “I'll make you think violence. It's much easier to watch it like the Nazis were just playing”... “Get down, is co-artistic director of the Belarus Free a thriller that might have an exciting, un- bitch”... “I'll take you into the forest and Theatre and executive producer of all BFT’s performances. predictable ending. we'll see what happens then” ...

thema 45 The following article is the middle part of a longer essay about the history and current situation of the Theatre in Kosovo. The long version of the essay – soon available at our website www. freietheater.at /service/gift – includes a first part giving a glimpse on the history of the Kosovo theatre as well as the example of an internationally recognized harsh debate around a play per- formed at the State Theatre and directed by a Roma theater director. The author of the essay, Jeton Neziraj, a successful Kososvo playwright, has been director of the Kosovo State Theatre TTK till he got removed from this position for political reasons in summer 2011. His play Yue Madeleine Yue will be performed in Vienna at Volkstheater/Hundsturm on February 24th and 25th, 2012.

Theatre In Kosovo – © Privat The Challenges In The New State

By Jeton Neziraj

The theatre in a new state

As a new state, Kosovo has regulated theatre activities by law. ging it with presenting to Kosovar audiences high-quality pro- This law very generally defines the role and the functioning ductions of plays from the national and international reper- of the National Theatre of Kosovo (Teatri Kombëtar i Kosovë toire. Just what this means, however, is undergoing a process – TKK) as the leading theatre institution in the country, char- of slow clarification, particularly in respect of the national

46 gift 01/2012 drama and the TKK’s relationship to the state. The new state Director resigned a few months later, unable to face the politi- finances TKK because it is considered as one of the ‘national cal pressure and the increasing bureaucracy within MYCS. It institutions’ that identify Kosovo. A nation should have a was under such pressure that TKK took refuge in a ‘politically ‘National’ Theatre. But beyond this ‘national-mania’, the state correct’ repertoire policy. In other words, it became a theatre does not show much informed interest in the theatre and its that did not ‘bother’ the state, but, on the contrary, contri- development. In effect, and primarily through its bureaucratic buted in the idea of ‘statebuilding’ through the promotion structure, the state tries to keep the theatre in its pocket. But of ‘national values’. Basically, this theatre has had no power this is not a politically motivated control nor one that aims whatsoever to create or provoke an opinion. Because of the to censor the content of theatre productions. Primarily, the continuous audience crisis, its role in society was marginal, control is exercised in terms of physical resources: the use of but (ironically) it was this ‘opportunistic’ programming that the auditorium and other spaces within TKK. The main state was one of the factors that deterred audiences from attending institutions (Government and Presidency) continue to use the TKK performances. TKK auditorium for meetings, most often for the purpose of The circumstances created after the declaration of in- paying public homage to heroes from earlier history as well dependence of Kosovo provoked another debate: what are as to those of the latest war. the parameters of a ‘national’ drama? The broad concept of The hierarchy of power (not the official one) over TKK Albanian drama (including the whole creative output of Alba- is effectively led by the Minister of Culture, Youth and Sports nian playwrights) is being narrowed down to ‘Kosovar drama’, – MYCS (often under pressure from above, from the Prime and this reduction receives primary support from playwrights Minister’s and President’s Office) and descends through the interested in the quantitative reduction of the market. The Secretary, the Director of the Culture Department, the Per- smaller the market, the bigger the opportunities. forming Arts Offices, and only then, to the TKK management. It is in these new political circumstances that TKK faces This unofficial chain of command over TKK is above all con- the most essential questions: What is, in fact, a National The- ditioned by the fact that TKK is financed by public funds. Eve- atre? Which plays in the national repertoire should be staged ry effort to disconnect from this chain brings consequences in its National Theatre? Which are the ‘big national topics’ that could lead to pressures for resignation (or dismissal), that National Theatre should give preference to? Do natio- the cancelling/delays of funds, blackmail and bureaucratic nal plays make a National Theatre more national? Does a pressure respectively. National Theatre ‘denationalise’ when plays by Shakespeare, One morning, just after the declaration of independence Molière and other classic or contemporary European authors for Kosovo, state officials posted a sign at the entrance to are staged? Such major questions proliferate. the theatre: ‘Republic of Kosovo’ (in big letters), ‘Ministry The repertoire of TKK over the past two years has fea- of Culture, Youth and Sports’ (in smaller letters) and only tured about four ‘international’ plays to every two ‘national’ then ‘The National Theatre of Kosovo’ (in very small letters). plays, and it is this proportion that continues to be the most The sign was removed after a little media pressure and has hotly debated theatrical issue. The critics argue that, since not reappeared, but it represents the reality of hierarchy and this is a national theatre, the repertoire should be composed the limited autonomy of TKK. When, in 2009, the TKK ma- mainly of national plays. The point can be made that local nagement rejected a formal request from the Prime Minister’s authors are aware of the problems of Kosovar society and Office, for the use of the auditorium for a memorial meeting, it that, if the theatre is to be a mirror which reflects society’s sparked off a media and political scandal that almost resulted problems, a preference for national drama makes good sense. in the dismissal of the General Director. In fact, the General There is nothing wrong with this argument, but there is cause

thema 47 Do national plays make a National Theatre more national?

for concern in the way in which Albanian playwrights have What amounts to an identity crisis for the theatre in Kosovo, depicted their society. In general, there is a lack of critical and for TKK in particular, is very difficult to resolve. What sense and of the courage to deal with many problems and are ‘national values’ and is it the theatre’s responsibility to taboos. The past is dealt with selectively and schematically, affirm or challenge such values? If the state (out of national and the scheme either excludes reference to weaknesses, er- self-interest) promotes the coexistence of Serbs and Alba- rors and faults within Albanian society or projects them as the nians, must the theatre do the same? Or should the theatre result of outside forces, imposed by our enemies. How has this give voice to the widespread resistance to this ‘value’? The scheme been created and why does it continue to influence state’s promotion of coexistence is contested, but challenging theatre-makers? The main assumption is, of course, linked it might imply support for a nationalism that jeopardizes the to the political and social circumstances in which Albanians future of the new state. An opportunistic compromise would have historically lived. As an oppressed, politically unconso- be to avoid the topic altogether, but such opportunism cannot lidated nation, it was entirely understandable that the main be good for the theatre. goal was freedom. Plays that did not contribute to this shared What, then, are the important national topics in Kosovo ideal, but dealt with other (‘marginal’) problems, were usually today? The pseudo-artistic claim is that these topics must considered dangerous, or as influential in slowing down the derive from history and address the idea of the formation of achievement of this ideal. There was a fear that any exposure the new state. The National Theatre, according to the logic of of internal problems would send out negative messages to the its proponents, must be a stronghold of such history if it is to world around us – voices from a society that did not deserve justify its name. But this is to ignore the conventionally biased freedom. In these plays, it is inconceivable that any Albanian approach to history, which allows no questioning of ‘facts’ mother could also be a whore, and no fighter for the national and no confrontation with the ‘dark’ side of historical events. cause could ever be transformed into a traitor. As for the Any such approach has been quickly labelled ‘anti-national’ Serbs, they were almost all drunken soldiers or cold-blooded thus forcing theatre to echo the ‘official’ history books by killers. These characteristics of a national drama during years transmitting a history without blood. of oppression linger into the present. Perhaps, then, it is not I offer an example to illustrate the complex debates on surprising that Albanian theatre directors are uneasy about the role of the theatre in Kosovo and the expectations that directing Albanian plays. Since their interests in theatre-ma- different groups – critics, theatre community, audience – re- king are often narrower than the interest of the theatre as an present. institution, they generally prefer to stage a recognized play My example is a personal one. Not long after the end from world drama, rather than one from the national reper- of the war in Kosovo, I wrote a play that was staged at Teatri toire. The few who have been prepared to work on national i Qytetit të Gjilanit (The City Theatre of Gjilan). The Well plays generally rely on accepted theatrical codes, guaranteed Near the House tells of a woman whose husband disappeared to conjure up for the audience images of Albanian history, during the war. In the course of her attempts to find her lost culture, tradition or nationhood. For the majority, conscious husband, she falls in love with a foreigner who works in an of the limitations of the national repertoire, foreign plays are office for missing persons. The play ends with the foreigner a safer bet. Understandably perhaps, they place the success being shot by a local inhabitant motivated by jealousy. It of an individual production above the long-term ambition to also becomes obvious that the killer of the foreigner was the create a stronger national repertoire. person who murdered her late husband. The first difficulties

48 gift 01/2012 arose with the actors. For some of them, it was unacceptable such a treatment would be endless …! But such a treatment that one Albanian had shot another Albanian during the war, would provide us with an alternative perspective (however because of love conflicts. In addition, according to them, it imaginary) on an event in history that has been cordoned off made no sense not to have a Serb antagonist in a war play. by taboo. History in these Balkan territories has often, as we During rehearsals, then, the foreigner ‘became’ a Serb, and know, been ‘constructed’ to accord with nationalist myths. was portrayed in such an evil way so as to be despised by In conclusion, let us say that the Kosovar theatre should the audience, whereas the woman was portrayed as a local be autonomous, a theatre which articulates the demands and heroine who would not give herself away to a foreigner. The the needs of Kosovar audiences, a theatre which reflects cri- stage directions, in which I had indicated the embraces and tically the past and the present, a theatre which affirms its kisses of the woman and the foreigner, were transformed into place in world culture and at the same time brings to Kosovo something else: the dignified refusal of the woman. And the plays from the rest of the world, a theatre which recognizes its audience liked that. Every time the woman resisted the close- aesthetic and emancipating role, a theatre which is open and ness of the foreigner, the audience applauded. These revisions ready to see beyond ‘national’ themes, a theatre that becomes were sufficient to transform a play about love into a ‘national the voice of the weak and of the oppressed. drama’, even though the events were taking place after the Kosovo Theatre should be a free theatre! || war, and even though the characters were all victims of the war. In the new format, the Albanian woman was a ‘victim’ and ‘virtuous’, whereas the foreigner (alias the missing Serb character) was a black-hearted hypocrite, exploiting the Al- banian woman’s misfortune.

A new theatre Jeton Neziraj

The Well Near the House at The City Theatre of Gjilan, de- is a playwright and the former Artistic Director of the National The- monstrates the need for theatre in Kosovo to liberate itself atre of Kosovo. His plays have been published and translated into from national clichés, tired formats and (self-)censorship. several languages, and there have been productions in the USA and in various European countries. Liza po fle (Liza is sleeping) was The new political climate after Kosovo’s declaration of inde- awarded first prize in a national drama competition. Neziraj has pendence invites a release of the theatre from the cramping contributed essays on theatre to journals and newspapers at home hold of the ‘big national topics’ and an orientation towards and abroad, and his books include one on the Kosovar actor Faruk the real problems of society today. This does not imply the Begolli. He is the founder and leader of the theatre company Multi- negation of the past; on the contrary, it implies its treatment in media Center, whose special interest is in contemporary theatre. a new light, without the barriers that have existed to date. The Some sections of this article were presented during the Internatio- assassination of Esat Pashë Toptani by Avni Rrustemi conti- nal Conference on Theatre In Place of War – IPOW, held 25-27 June nues to be treated by as a high political act in history. What if 2010, in the National Theatre of Kosovo. Some sections were also theatre, for example, were to treat this action of Avni Rruste- used in a broader thematic paper for the organization forumZFD Kosovo – www.forumzfd.de. mi as a terrorist act? Arguments and counterarguments for

thema 49 service

Intern Ausschreibungen Wir begrüßen unsere neuen dreas Mailath-Pokorny das Goldene Traineestipendien des bmukk Mitglieder Verdienstzeichen des Landes Wien ver- Einsendeschluss: 31.01.2012 liehen. Veronika Schwarz (Konzertvereinigung In seiner Ansprache würdigte der Das bmukk schreibt für den Zeitraum Zusammenklänge), Wien; Leonie Hu- Stadtrat, dass ein wesentlicher Teil der 2012/13 Trainee-Stipendien zur „Inter- mitsch, Wien; Sabina Kellner, Wolfurt; Karriere von De Keersmaeker mit Wien nationalen Qualifizierung von Mitarbei- Petr Ochvat, Wien; Agnes Hausmann, verknüpft ist und sie in dieser Stadt be- ter_innen im Kunst- und Kulturbereich“ Wien; Eva Chariatte (Trigger Track Coll- reits frühzeitig wichtige Spuren hinter- aus. 12 internationale Trainee-Plätze ste- ective), Wien; Stefanie Wieser, Wien; lassen hat. ImPulsTanz-Intendant Karl hen zur Verfügung, u. a. in Deutschland, Sara Ostertag (makemakeproduction), Regensburger ging in seiner Laudatio der Türkei, Uganda und den USA. Be- Wien; Susanne Foisner (Rosidant), Wien; auf ihr choreografisches Werk als „Risi- werben können sich Kulturarbeiter_in- Violeta Stevanovic (Narrenschloss), ko der Schönheit“ ein: „In Anne Teresas nen, mit Arbeits- und Lebensmittelpunkt Wien; Martina Reiter, Zipf; Dietmar Fi- Choreografien und in ihrer Vorstellung in Österreich, die eine einschlägige Aus- scher, Wien; Felix Krauss, Graz; Tobias von Tanz liegt eine seltene Schönheit, bildung und/oder Berufserfahrung im Kerschbaumer, Graz. die uns gleichzeitig als Erinnerung an Kulturbereich haben. ein Glück und als eine Aussicht auf eine vielleicht glückhafte Zukunft be- Details zur Ausschreibung: gegnet.“ www.bmukk.gv.at/kunst/service/ausschrei- bungen.xml Anne Teresa De Keersmaeker hat mit ihrer 1983 gegründeten Compagnie Ro- Aus der Szene sas den zeitgenössischen Tanz seit den ------80er Jahren geprägt. Ihr Oeuvre umfasst Retzhofer Dramapreis 2013 Die Stadt Wien ehrt Anne Teresa De an die 50 Choreografien. Seit 1994 ist Einsendeschluss: 15.02.2012 Keersmaeker sie regelmäßiger Gast des Festivals Im- „Dance is the way I can best relate to PulsTanz, bei dem sie insgesamt bereits Der Retzhofer Dramapreis ist ein Nach- the world – 26 ihrer Produktionen zur Aufführung wuchspreis für szenisches Schreiben, bei 30 years of work, and I like it more brachte. Daneben war sie mit ihren dem die Bewerber_innen bei der Arbeit than ever.“ Werke u. a. im Wiener Odeon, bei den an ihrem Beitrag von Expert_innen für Anne Teresa De Keersmaeker Wiener Festwochen, der szene salzburg Drama und Film (Regisseur_innen, Dra- oder am wieder- maturg_innen, Schauspieler_innen und Die belgische Choreografin Anne Te- holt zu Gast; der diesjährige Steirische Autor_innen) kostenlos beraten und resa De Keersmaeker erhielt am 14. Herbst in Graz eröffnete mit ihrem neu- unterstützt werden. Ende Mai/Anfang Dezember 2011 von Kulturstadtrat An- esten Werk Cesena. Juni 2012 starten vier geblockte Work-

50 gift 01/2012 shops für ausgewählte Bewerber_innen. Leonhard-Frank-Preis 2012 halle, im Theater Salz+Pfeffer, im Thea- Die Preisverleihung erfolgt Ende April/ Einsendeschluss: 24.02.2012 ter Rootslöffel und in der Villa Leon elf Anfang Mai 2013; Preisgeld: 4.000 Euro. Inszenierungen aus sieben europäischen Die Bewerbung erfolgt mit einem Stück- Unter dem Motto Macht Spiele! vergibt Ländern sowie erstmalig elf bayerische entwurf und zwei ausgeschriebenen das Theater Würzburg zum 6. Mal den Produktionen präsentiert. Szenen (max. 11 Seiten). Das Stück darf mit 4.000 Euro dotierten Preis für jun- Ein besonderes Augenmerk richtet bisher noch nicht veröffentlicht worden ge Dramatiker_innen. Gesucht werden das Festival diesmal auf das spannende sein und von keinem Verlag vertreten Theatertexte von Autor_innen, die in Feld des Tanztheaters für Kinder: Gleich werden. Teilnahmeberechtigt sind Au- ihrem Text eine deutlich benannte und vier Tanztheaterproduktionen sind im tor_innen, die nicht älter als 40 Jahre erkennbare formale Einschränkung europäischen Programm zu Gast. Der sind. verwenden. Das inhaltliche Machtspiel 9. Februar wird ganz im Zeichen dieses ihrer Figuren findet sich auch in dem Themas stehen: mit einer international Kontakt und weitere Infos: formalen Machtspiel des Textes des/der besetzten Gesprächsrunde und mit der uniT – Verein für Kultur an der Karl Franzens Autor_in wieder. Was für ein Machtge- Gründung der AG Tanz für junges Pu- Universität [email protected] füge entsteht daraus? Wo befindet sich blikum innerhalb des Kinder- und Ju- www.dramaforum.at/retzhofer-dramapreis der/die Autor_in in diesem Gleichnis gendtheaterverbandes ASSITEJ e.V. und welche Macht besitzt er oder sie in diesem Spiel? Von Performance Art www.festival-panoptikum.de ------bis hin zu einem geschriebenen The- clownin 2012 aterstück ist alles erwünscht. Die Au- Bewerbungsfrist: 02.04.2012 tor_innen sollten bei Einsendeschluss ------nicht älter als 35 Jahre sein. Die Texte 15. SZENE BUNTE WÄHNE Tanzfe- Das biennale Clownfrauenfestival clow- müssen zur Uraufführung noch frei sein stival für junges Publikum nin findet von 30.11. bis 8.12.2012 im und das Stück sollte mit maximal fünf 23.02.-02.03.2012, Wien KosmosTheater Wien zum 4. Mal statt. Darsteller_innen auf der Bühne reali- An neun Tagen werden Stücke öster- sierbar sein. Manuskripte in fünffacher Insgesamt dreizehn Produktionen für reichischer und internationaler Clown- Ausfertigung mit einem kurzen Expose Kinder und Jugendliche präsentiert das frauen gezeigt; außerdem umfasst das an: Mainfranken Theater Würzburg, Le- 15. SZENE BUNTE WÄHNE Tanzfe- Programm einen theoretischen Diskurs onhard-Frank-Preis 2012, Theaterstraße stival 2012 seinem Publikum. Auf den mit internationalem Podium und Clown- 21, 97070 Würzburg. Bühnen der drei Kooperationshäuser – Workshops. Gesucht werden Clown- DSCHUNGEL WIEN, brut im Künstler- theaterstücke und -performances für Weitere Infos: haus und Tanzquartier Wien – werden Erwachsene (!), die ausschließlich bzw. www.theaterwuerzburg.de/start.php?cnt=2 ausgewählte zeitgenössische Tanzpro- &sub=15&play=625 vorwiegend von weiblichen Clowns und bei der Marketing-Abteilung des Würz- duktionen und Performances aus ganz umgesetzt werden. Ausgeschlossen burger Theaters: [email protected] Europa gezeigt. sind rein artistische Darbietungen und erzburg.de Das SZENE BUNTE WÄHNE Tanz- Kinderstücke. Es werden ca. 12 abend- festival steht für generationenübergrei- füllende Stücke ausgewählt sowie meh- fende Kunst für ein ebensolches Publi- rere Kurzstücke (Kurznummern-Abend kum. Das Progamm spannt einen weiten und Eröffnung). Kuratiert wird clownin Bogen von Produktionen für Klein- 2012 von den Festivalleiterinnen Pame- Festivals kinder ab einem Jahr bis zu Stücken für la Schartner und Gaby Pflügl sowie von panoptikum Jugendliche und junge Erwachsene, in KosmosTheater-Intendantin Barbara 07.-12.02.2012, Nürnberg denen es um bewegende Themen wie Klein. „die schönste Sache der Welt“, „Schein- Zum siebten Mal seit der Gründung des realitäten“ und „Entdeckungslust auf Kontakt, weitere Infos: [email protected]; Festivals panoptikum im Jahre 2000 Ursprünglichkeit“ geht. Anmeldeformular auf www.clownin.at/clow- werden im Theater Mummpitz im Ka- nin_anmeldeformular.pdf chelbau, im Theater Pfütze, in der Tafel- www.sbw.at

service 51 Impressum: gift – zeitschrift für freies theater ISSN 1992-2973

Preis: Euro 5,- (2,50 ermäßigt)

Herausgeberin, Verlegerin, Medieninhaberin: Interessengemeinschaft Freie Theaterarbeit / IGFT Gumpendorferstraße 63B, A-1060 Wien

Tel.: +43 (0)1/403 87 94 Mail: [email protected] www.freietheater.at

Redaktion: Katharina Ganser, Sabine Kock, Xenia Kopf, Carolin Vikoler, Andrea Wälzl (Koordination) Layout: Xenia Kopf

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung der IG Freie Theaterarbeit wieder.

52 gift 01/2012 Inhalt Premieren

3 editorial

aktuell 18.01. 26.01. 09.02. 26.02. Elmar Drexel: Augustin Jagg: Im Herbst Mezzanin Theater: Das Prinzip werkraum theater: 4 Dietmar „Didi“ Jäger 1962–2011 Wir schlafen nicht Theater Kosmos Bregenz Stuwwelpeter Lady Monkey – Der Affenkönig Innsbrucker Kellertheater, 05574/44034 Theater am Lend Graz werkraum studio Graz 5 1. Februar 2012 – 1. Europäischer Theatertag der Toleranz 0512/580743 0316/846094 0676/9400383 6 Das war die Europäische Theaternacht 2011 26.01. 18.01. Johannes Maile: das maß der 09.02. 01.03 new space company: dinge Liquid Loft: Mush Room Philippe Riéra: politik Verrücktes Blut Theater Phönix Linz Tanzquartier Wien / Halle G I Love Vienna Garage X Wien 01/535320011 0732/666500 01/5813591 Tanzquartier Wien / Halle G 8 War da was? Eine Abrechnung mit der Wiener Theaterreform Von Uwe Mattheiß 01/5813591 18.01. 26.01. 10.02. 11 Pimp my postmigrantisches Theater Von Jürgen Bauer Saskia Hölbling u. Laurent Nina C. Gabriel: Radowan III Oper Unterwegs: Der Rote Löffel 08.03. 14 Bist du Schauspieler oder bist du Türke? Von Gamze Ongan und Vida Bakondy Goldring: body in a metal neue buehne villach Dschungel Wien, 01/522072020 Elisabeth Augustin: 15 Umgang mit den Richt­gagen. Ein pragmatisches Modell. Von Claudia Seigmann und Markus Zett structure 04242/287164 Sehr geehrter Zuschauerraum WUK Wien, www.wuk.at 10.02. KosmosTheater Wien 16 Welches Problem kann gelöst werden? IMAGs, KSVF und die Ministerin Von Clemens Christl 28.01. Theater Montagnes Russes: I 01/5231226 18 25 Programme, 3 Fonds, 3 Ziele, 1 Politik EU-Geld für Kunst, Kultur und die Kreativwirtschaft Von Xenia Kopf 18.01. Stefan Raab: Klamms Krieg wanna be (made) Elisabeth Gabriel: Theater praesent Innsbruck Dschungel Wien, 01/522072020 15.03. Fledermaus returns! 0650/6436036 2nd Nature: diskurs TAG Wien, 01/5865222 14.02. Wenn die Kinder Steine 31.01. t'eig: DNA ins Wasser werfen 20 Fokus Koproduktion II: Needcompany goes Burgtheater Interview mit Ellen Grace Barkey und Lot Lemm 18.01. Cordula Nossek & Frank Theater am Ortweinplatz Graz von Xaver Bayer theater ångstrøm: Panhans: Faust. Wie viel Böses 0316/846094 Schauspielhaus Wien 23 Fokus Koproduktion III: Momo – Ein Gesamtkunstwerk? Interview mit Sara Ostertag Entkörperung.Zwei.Null braucht ein Mensch? 01/317010118 25 Bei Namensnennung Abdruck des Fotos honorarfrei Sichtweise einer Fotografin Von Bettina Frenzel KosmosTheater Wien Dschungel Wien, 01/522072020 21.02. 30 Kaleidoskop im Rückspiegel Zehn Jahre walk.tanztheater.com Von Daniela Egger 01/5231226 Rüdiger Hentzschel: Die Falle 22.03. 02.02 Theater Scala Wien Alexander Kratzer: 33 Publikum ist alles! Eine Insider Reportage zu Mimamusch 2011 Von Valerie Kattenfeld 20.01. ENSEMBLE08: Hamlet 01/5442070 Bossnapping Peter Pausz: Homo faber Off Theater Wien, 01/5231729 Theater Phönix Linz Theater Spielraum Wien thema: theater & politik 22.02. 0732/666500 01/713046060 03.02. Ali M. Abdullah: Was geschah, Doris Stelzer: lasst uns träumen nachdem Nora ihren Mann 28.03. 35 Politisch Theater machen Von Jan Deck 20.01. Tanzquartier Wien / Studios verlassen hatte Vater, Mutter, Geisterbahn 44 Free at last? By Ahmed El Attar Holger Schober: 01/5813591 Garage X Wien 01/535320011 Theater Oberzeiring Odysseus am Sand 0664/8347407 46 Free Belarus Dschungel Wien 04.02. 22.02. 47 Belarus isn't sexy! By Natalia Kaliada 01/522072020 Kathrin Diwiaks: Kollaborateure: system collapse 30.03. 48 Theatre In Kosovo – The Challenges In The New State By Jeton Neziraj Schneewittchen und die sieben now / I’m part of a strange Nomad LABfactory / KkuK: 25.01. Zwerge Company Unter Gang Art Ákos Hargitay / Company Two Theaterzentrum Deutschlands- Tanzquartier Wien / Studios TQW / Halle G In One: Home Parkour berg, 03462/6934 01/5813591 01/5813591 Dschungel Wien, 01/522072020 08.02. 23.02. 31.03. service kurzrubriken 25.01. die theaterachse: Du spinnst Theater ohne Furcht und Tadel: Manfred Lukas-Luderer: Der Onkel Wanja doch! Verwirrungen junge Hitler 52 Intern 27 sandkasten Thomas Maurer Theater Oberzeiring Kleines theater salzburg Alte Schieberkammer Wien, neue buehne villach 0664/8347407 0662/872154 Meiselstr. 20, 0676/425 09 85 04242/287164 Aus der Szene 29 bilderrahmen Bettina Frenzel, Theaterfotografin Ausschreibungen 53 Festivals 54 impressum 55 premieren Weitere Programm-Infos online auf www.theaterspielplan.at Titelbild: Anne Frütel, Jan Tabaka, Susanna Tabaka-Pillhofer, Anne Wiederhold in sowie für Wiener Produktionen im Printformat spielplan wien Untergrund Theater Tanto, Regie und musikalische Leitung: Susanna Tabaka-Pillhofer. KUNSTHALLE videolounge, MuseumsQuartier Wien, 2006 © Bettina Frenzel gift 01/2012 zeitschrift für freies theater Euro 5,- (2,50 erm.) P.b.b. Verlagspostamt 1060 Wien Zul. Nr. 09Z038334M

Postmigrantische Diskussionen: Bist du Schauspieler oder bist du Türke?

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War da was? Needcompany goes Burgtheater Politisch Theater machen Abrechnung mit der Theaterreform This door is too small (for a bear)? Ein Buch, ein Diskurs, neue Praxen?

Pimp my postmigrantisches Theater Bettina Frenzel Belarus isn't sexy! Sprechtheater als migrantische Wüste Sichtweise einer Fotografin Notruf aus einer Diktatur