gift 02/2012 zeitschrift für freies theater Rumänisches Theater Transformation & Neubestimmung Euro 5,- / 2,50 ermäßigt für Studierende P.b.b. Verlagspostamt 1060 Wien Zul. Nr. 09Z038334M

politik diskurs

Spotlight BUND Vadaismus Aus den Niederungen einer grundlegenden Stagnation Plotmontage im kleinsten Theater der Welt

Verschlossene Türen Theater als politischer Verhandlungsort Steiermark: Abschaff ung des Landeskulturbeirats Politische Praxis im öff entlichen Konfl iktraum aktuell 5 Premieren Inhalt 03.04. 20.04. 05.05. 24.05. 1 editorial Nigel Charnock: Bodhi Project Joanna Godwin-Seidl: Hautnah Armes Theater Wien: Trilogie der Volker Schmidt: Rosenkriege republic , 0662/624635 OFF Theater Wien Sommerfrische Theater Phönix Linz 0660/4946989 Novomatic Forum Wien 0732/666500 aktuell 04.04. 0699/81639394 Gabi Seeleitner & Sonja Brow- 24.04. 24.05. 2 Politisch Theater machen ne: Anderwelt / Danse Brute / Gerhard Werdeker: Schuld und 08.05. oenm: Utopien Charly k.o. Sühne Michael Köhlmeier/Anselm ARGE Kultur Salzburg 3 Erster Europäischer Theatertag für Toleranz: Ein Tag danach Von Markus Kupferblum Tanz_house Studio/ARGE Kultur Theater Spielraum Wien Lipgens: Sunrise 0662/848784 Salzburg 01/713046060 neuebuehnevillach, 0662/848784 04242/287164 25.05. 26.04. Stefanie Wilhelm/Charlotta politik 11.04. Doris Jungbauer & Tanja Brand- 09.05. Ruth: LUMEN.inversion Susanne Draxler: ARGE Mord- mayr: Personality Tracks Jessy Servenay: zeit auf-nehmen Tanzquartier Wien, 01/5813591 Posthof Linz TTZ Graz 6 Wien ist anders – Schildbürgerstreiche in der Kulturabteilung der Stadt Wien? Von Sabine Kock lust KosmosTheater Wien 0732/781800 0676/5930823 29.05. 9 Off ene Plattform Tanz Theater Performance Zu aktuellen Prozessen der Wiener Kulturpolitik 01/523 12 26 Christina Lederhaas & Thomas 10 Spotlight BUND: Bericht aus den Niederungen einer grundlegenden Stagnation Von Sabine Kock 26.04. 09.05. Rottleuthner: Consequence of 12 ASSITEJ kämpft um Bundesfi nanzierung Von Christoph Thoma 13.04. Clemens Lukas Luderer: Briefe Theater Malaria: Experiment Simplicities Petra Fasching/Peter Eisner: ans Leben Leben. Winklergasse 43 TTZ Graz, 0676/5930823 15 Vernetzungsinitiative der Wiener Musiktheater Luft anhalten neuebuehnevillach, 04242/287164 Posthof Linz 17 Verschlossene Türen Abschaff ung des Landeskulturbeirats in der Steiermark Von Caroline Oswald-Fleck Theater im Kürbis Wies 0732/781800 31.05. 26.04. 18 Freies Theater Innsbruck Ein neuer Ort für kreative Theaterarbeit entsteht Von Florian Eisner 03465 / 7038 Andreas Staudinger: Frei Raum seitenbühne: Claus Peymann 10.05. ke – klagenfurter ensemble 20 WIDERAUFBAU Ein kräftiges Lebenszeichen der freien Kulturszene in Kärnten Von Brigitte Strasser 14.04. kauft sich eine Hose und geht Barbara Herold: Von Hollywood 0463/310300 Sven Kaschte: VLAD mit mir essen nach Uganda TAG Wien, 01/5865222 TTZ Graz, 0676/5930823 KosmosTheater Wien 06.06 01/523 12 26 Institutet/Nya Rampen/Markus diskurs 16.04. 26.04. Öhrn: Conte d’amour l*art pour l*art/Leila Müller: der Michael O‘Connor & Brandon 11.05. Wiener Festwochen in der Garage X Wien, 01/535320011 22 Vadaismus Distanzlose Plotmontage im kleinsten Theater der Welt Von Felix Strasser und Yulia Izmaylova himmel ist weiss Gonzalez: A General Theory of playground: too sexy to fail Theater Drachengasse Love Palais Kabelwerk Wien 28 Fokus Koproduktion IV: brut Wien Drahtseilakt zwischen lokaler Projektförderung & internationaler Vernetzung 01/5131444 WUK Wien, www.wuk.at 01/9431279 05.06. Interview mit Thomas Frank, Bettina Kogler und Haiko Pfost Barbara-David Brüesch: Maku- 33 Fokus Koproduktion V: God‘s Entertainment Politische Interventionen und keine transzendentale Instanz 17.04. 27.04. 12.05. latur Caroline Richards: Theater ohne Boden: John & Joe Stephan Kasimir: Von Wolf Lamsa Eine Minute Sargfabrik Wien, 0699/12085701 Verrücktes Blut 01/317010118 36 Theater als politischer Verhandlungsort und politische Praxis im öff entlichen Konfl iktraum Von Gin Müller Kleines Theater Salzburg Theater Kosmos Bregenz 40 Transformation und Neubestimmung im Theateruniversum Rumänien Das rumänische Theater nach 1989 0662/872154 02.05. 05574/44034 13.06. Manfred Weissensteiner: Weg! Tanztheater Tangram: Toten Von Wolf Lamsa 19.04. Theater am Ortweinplatz Graz 16.05. Mythen Lebens Tanz 44 Interferencias Von Aline Kristin Mohl und Regina Picker Theater im Bahnhof: Graz Ale- 0316/846094 Werner Halbedl: Winter TTZ Graz xanderplatz Theater Oberzeiring 0676/5930823 Dom im Berg, 0316/763620 02.05. 0664/8347407 Wiener Wortstätten/Sandra 13.06. service kurzrubriken 18.04. Selimovic: It’s my life – Çaba, die 21.05. Guerilla Gorillas: Zigeuner- Anna Hein: Die Schwimmerin Chance Karl Wozek: House of Vampires Boxer ke – klagenfurter ensemble Dschungel Wien, 01/522072020 Dschungel Wien Dschungel Wien, 01/522072020 46 Aus der Szene 16 zeitfenster Grete Wiesenthal 0463/310300 01/522072020 48 Intern 19 sandkasten Maria Hofstätter 04.05. 29.06. Ausschreibungen 27 bilderrahmen Armin Bardel 20.04.2012 Theater Waltzwerk: Im sitzen 21.05. theater im hof enns: Was ihr Michikazu Matsune/Paul Wen- läuft es sich besser davon Pistoletta Productions Wien: wollt 50 Festivals ninger: Villareal ke – klagenfurter ensemble Bentley fahren K&K Reithalle Enns 51 Veranstaltungen Tanzquartier Wien, 01/5813591 0463/310300 TAG Wien, 01/5865222 0699/14470001 52 impressum 53 premieren Weitere Programm-Infos online auf www.theaterspielplan.at Titelbild: The Knot Garden sowie für Wiener Produktionen im Printformat spielplan wien Neue Oper Wien, sujet, 2008, © Armin Bardel editorial

Liebe Leser_innen,

bereits vor seinem Erscheinen hat das von vier selbst ernann- ment der IGFT). Die Stadt Wien versäumt in ihrer aktuellen ten Kulturrichtern gemeinsam verfasste Buch Kulturinfarkt Evaluation gerade die Chance, valide Zahlen für eine perspek- eine vehemente Diskussion und diverse Kommentare auch tivische Umverteilung zu erheben; der Bund hat die Debatte in Österreich provoziert. Wiens Kulturstadtrat Mailath- im Prozess interministerieller Arbeitsgruppen (IMAG) trotzig Pokorny fordert im Profil spontan eine Verdoppelung statt verschlafen. Politisch ermutigend hingegen sind die Reakti- der kolportierten Halbierung des Kulturbudgets – wir sind onen auf Markus Kupferblums Initiative zu einem Theatertag dabei, Herr Stadtrat! Thomas Trenkler mutmaßt hingegen der Toleranz und auf neue Art produktiv beginnt gerade eine hoffnungsvoll im Standard: Ihnen geht es um eine Umver- Vernetzung freier Tanz-, Theater-, Performanceschaffender teilung (19.03.2012). Das scheint im Gegensatz zur retro- in Wien, die am 24. April zum Weiterdenken einlädt. Auch elitären Geste Kultur für alle hat ausgedient der interessante die Musiktheater haben sich vernetzt. In der Steiermark pro- Aspekt der Argumentation. However: Die Aufregung wird testiert der Sektor gegen die Auflösung des Kulturbeirats. In der Auflage nicht abträglich sein, die Lektüre quasi obligat Kärnten gibt es nicht nur Wider-belebungsversuche der freien für den Sektor, so wirkt die von den Autoren propagierte Szene gegen die Lähmung der Kulturpolitik, sondern auch Hinwendung zur Kulturindustrie gleichsam paradigmatisch VADA im kleinsten Theater der Welt, dessen Konzept Felix im eigenen Interesse. Strasser vadaistisch beschreibt. Umverteilung fordert auch die Berliner freie Szene in Und sonst: Viel!! Wolf Lamsa startet das neue gift-For- einem offenen Brief an den Senat – und da schließen wir uns mat zeitfenster mit einem Porträt der Tänzerin Grete Wie- an: Auch wenn in Wien, respektive in Österreich, das Sparpa- senthal und wagt zudem einen fulminanten Parforceritt durch ket noch nicht auf die Kultur zurückgeschlagen ist, steht eine die rumänische Theaterlandschaft. Im Fokus Koproduktion öffentliche Grundsatzdebatte und Neuverhandlung öffent- stehen diesmal das Leitungsteam vom Wiener Koprodukti- licher Zuwendungen himmelschreiend an. Der gesamte freie onshaus brut und God's Entertainment. Armin Bardel wird Sektor, innovative Kunst, Szenen wie Tanz und Performance, als Theaterfotograf porträtiert und Katharina Ganser hat in denen Interkulturalität so selbstverständlich gelebt wird wie diesmal die Schauspielerin Maria Hofstätter ins Kurzinter- die kulturelle Diversität der Besucher_innen im freien Theater viewformat sandkasten gebeten … und das ist noch längst für junges Publikum tägliche Praxis ist – müssen endlich bud- nicht alles …. getär angemessen aufgewertet werden. Künstlerische Arbeit Viel Spaß beim engagierten Blättern bzw. Seele baumeln soll ENDLICH unter den Bedingungen sozialer, materieller lassen in der Osterpause und rechtlicher Sicherheit erfolgen (aus dem Mission State- Sabine Kock

editorial 1 aktuell

Politisch Theater machen

Offenes Diskussionformat im Mai

Seit vier Ausgaben zieht sich die Frage des politischen gesichts gesellschaftlicher Dissoziationsprozesse, in wel- Theaters durch die gift. Yosi Wanunu, Claudia Bosse, Jan chem Verhältnis das Theater sich positioniert oder real Deck und Gin Müller haben zu dieser für sie konzeptio- steht zu realen politischen Prozessen bis hin zu Adornos nellen wie existentiellen Frage bereits schriftlich Stellung Frage, ob es Möglichkeiten gibt und gäbe, dass Theater bezogen. Politisch Theater machen berührt im Kern die wieder gesellschaftliche Produktivkraft wird. Frage, was Theater gegenwärtig gesellschaftlich noch/ wieder sein kann, ob und inwiefern im Theater politische Wir laden alle Interessierten ein, hierüber einen Dialog zu Handlungsspielräume auszumachen sind, was Theater als beginnen. Als dessen Anfangspunkt planen wir am 9. Mai Institution in seiner gesellschaftlichen Verortung über- 2012 ein offenes Gesprächs-/Diskussions-/Podiumsformat haupt leisten kann, inwieweit überhaupt (noch) von einer mit den Autor_innen der bisherigen in der gift erschienenen kritischen Öffentlichkeit ausgegangen werden kann an- Texte sowie mit Prof. Brigitte Marschall, Universität Wien.

Programm

Mittwoch, 9. Mai 2012 Raum der IG Architektur, Gumpendorferstraße 63B, 1060 Wien

13 Uhr: Eröffnung des Gesprächs im Rahmen eines gemeinsamen Mittagessens (Teilnahme nur nach Voranmeldung!)

14:30 – 17 Uhr: Weiterführendes Arbeits-/Diskussionsformat zum Thema mit Claudia Bosse, Jan Deck, Brigitte Marschall, Gin Müller und Yosi Wanunu (um Anmeldung wird gebeten: [email protected])

18 Uhr: Präsentation des Buches Politisch Theater machen, mit Jan Deck

ca. ab 18:30 Uhr: Podiumsdiskussion Politisch Theater machen mit Claudia Bosse, Jan Deck, Brigitte Marschall, Gin Müller und Yosi Wanunu; Moderation: Sabine Kock

2 gift 02/2012 Erster Europäischer Das Arbeits-/Diskursformat, die Buchpräsentation und die Theatertag für Toleranz: Podiumsdiskussion finden im Raum der IG Architektur, Gumpendorferstraße 63B, 1060 Wien statt. Ein Tag danach

Verwendete Sprachen: Englisch und Deutsch. Von Markus Kupferblum

Grundlage des Gesprächs sind folgende Texte: Bei jeder Initiative, die sich lautstark für einen guten Zweck Bosse, Claudia: wenn wir was tun wollen müssen wir wissen und ein hehres Ziel einsetzt, muss man sich – spätestens wie – wenn wir was tun wollen müssen wir wissen wozu am Tag danach – sehr ehrlich fragen, ob sie sinnvoll war, ob – was also tun? In: IG Freie Theaterarbeit (Hg.): gift – zeit- sie eine Wirkung erzielt hat, oder ob sie bloß ein Sturm im schrift für freies theater, 04/2011, Seite 10-13 Wasserglas war, den man angefacht hat, um sein Gewissen www.freietheater.at /service/gift zu beruhigen. Hat man der Sache gedient, oder nur sein Müt- chen gekühlt? Besonders gilt das natürlich für Theaterleute Deck, Jan/Sieburg, Angelika (Hg.): Politisch Theater ma- und Künstler_innen, die an sich selbst wohl zu Recht im Gei- chen. Neue Artikulationsformen des Politischen in den dar- ste Schillers einen besonders hohen moralischen Anspruch stellenden Künsten. stellen. Transcript Verlag, 2011, ISBN 978-3-8376-1409-1 Die gekürzte Einleitung zu diesem Sammelband in IG Freie Theaterarbeit (Hg.): gift – zeitschrift für freies theater, Als im Oktober eine Gruppe Schauspielstudent_innen vom 01/2012, Seite 33-41 Max Reinhardt Seminar und vom Konservatorium der Stadt www.freietheater.at /service/gift Wien mit dem Ansinnen zu mir kam, gegen die Bestellung zweier „Nazi-Intendanten“ in Budapest zu protestieren, war Marschall, Brigitte: Politisches Theater nach 1950. meine erste Reaktion eher ablehnend. Ich sagte ihnen, es Böhlau Verlag, 2010, ISBN 978-3-8252-2403-4 sei logisch, dass ein rechtsradikaler Bürgermeister rechtsra- dikale Intendanten bestellt und wir Theaterleute sollten uns Müller, Gini: Possen des Performativen. Theater, Aktivismus nicht zu wichtig nehmen – viel schlimmer sei die demontierte und queere Politiken. Pressefreiheit und die politische Gerichtsbarkeit in Ungarn, Verlag Turia und Kant, 2008, ISBN 978-3-85132-496-9 weil diese wesentlich größeren Schaden für die Gesellschaft sowie: Theater als politischer Verhandlungsort und poli- anrichten, als ein schlechtes Theater es jemals könnte. tische Praxis im öffentlichen Konfliktraum, Seite 36-38 die- Dann las ich ein Interview mit dem jüdischen Litera- ser gift-Ausgabe turnobelpreisträger Imre Kertesz, der darin erzählte, er er- hielte Morddrohungen, falls er aus seinem Exil in Berlin nach Wanunu, Yosi: 9 Notes on the Making of a Political Cycle. Budapest zu reisen gedenke. Auch führen Taxis in Budapest, In: IG Freie Theaterarbeit (Hg.): gift – zeitschrift für freies die einer Firma gehörten, die ein Naheverhältnis zur rechts- theater, 03/2011, Seite 47–51 extremen Jobbik-Partei hat und keine Juden und Jüdinnen www.freietheater.at /service/gift befördern.

aktuell 3 Allzu oft erschleicht einen doch ein Ohnmachtsgefühl im Angesicht der politischen Entwicklung in Europa!

Daraufhin sprach ich mit Ariel Muszikant, dem damaligen und wirtschaftlichen Schaden, es gibt aber immer noch die Präsidenten der Jüdischen Kultusgemeinde, der erzählte, dass demokratische Möglichkeit, diese Regierung abzuwählen. Die die ungarischen Juden und Jüdinnen seine längst angebotene Intendantenbestellung selbst ist am ehesten damit zu verglei- Hilfe nicht annahmen, weil sie lieber so leise wie möglich chen, als wenn etwa Andreas Mölzer das Wiener Schauspiel- die rechtsradikale Regierung überdauern wollen. Mich erin- haus übernähme. nerte das in fataler Weise sehr stark an die Einstellung vieler Ich schlug vor, ein Memorandum zu verfassen, das am deutscher und österreichischer Juden und Jüdinnen in den Tag der Übergabe des Neuen Theaters in möglichst vielen 30er Jahren. Europäischen Theatern verlesen werden soll, um auf die Als ich dann Gaby Welker, eine Schauspielerin und Pro- rechtsextremen Strömungen, die es in fast allen Europäischen fessorin am Konservatorium der Stadt Wien, traf, erzählte Ländern gibt, hinzuweisen. Ich wollte auf keinen Fall, dass sie mir von einigen Ideen, die sie mit ihren Student_innen der Eindruck entstünde, der Rechtsextremismus sei ein rein entwickelte, um in Budapest zu protestieren. Eine ihrer Stu- ungarisches Problem. Als am Mittwoch vor Weihnachten dentinnen, Adrienne Lejko, stammt aus Budapest und kennt mein Memorandum bei einer Pressekonferenz in Budapest die Theaterszene dort sehr gut. Ich schlug daraufhin vor, in vorgestellt wurde, kam bereits am Tag danach die umgehende Budapest ein politisches Straßentheater zu veranstalten, um Reaktion von Oberbürgermeister Tálos, der den „Neo-Inten- mit unserem Protest auch gerade die Menschen zu erreichen, danten“ Csurka wieder abberief. Es war ein erster, kleiner die nie in ein Theater gehen würden. Erfolg. Csurka blieb aber „Berater“ des 2. designierten Inten- Gaby Welker stellte den Kontakt zu C. Bernd Sucher danten Dörner, der immer noch im Boot war. her, dessen Einschätzung mir sehr wichtig erschien. Wir be- Also betrieben wir die Verbreitung des Memorandums. fragten den Journalisten Bernhard Odehnal, einen Experten Wir kontaktierten Theaterorganisationen und Intendant_in- der rechtsradikalen Szene in Osteuropa und Adrienne Lejko nen, gründeten eine facebook-Seite und schickten das Me- arrangierte ein Treffen mit István Márta, dem Intendanten des morandum an Journalist_innen. Neuen Theaters Budapest, der abgelöst werden sollte. Am 1.2.2012 wurde es dann an unzähligen Theatern C. Bernd Sucher, Adrienne Lejko und ich fuhren nach in Europa verlesen. Es beteiligten sich das , wo Budapest, um uns vor Ort ein realistisches Bild zu machen. es nach der Aufführung von Immer noch Sturm besonders Wir trafen István Márta und den Fernsehdirektor Ferenc Tol- großen Anklang fand, das und das Theater valy. Unsere Einschätzung war übereinstimmend, dass diese in der Josefstadt, wo Herbert Föttinger es persönlich verlas. Intendanten-Bestellung skandalös ist, es in Budapest selbst Ebenso im Schauspielhaus, im Volkstheater, im Stadttheater aber trotz allem starke demokratische Strukturen gibt, die im Klagenfurt, im Linzer Landestheater, im Linzer U-Hof, im Stande sind, aus eigener Kraft Proteste gegen diese Bestellung Maxim Gorki Theater Berlin und in den Münchner Kammer- zu initiieren. Würden wir als Ausländer_innen nach Budapest spielen lasen es die Intendanten persönlich. Der Spielraum kommen, um dort Straßentheater zu spielen, würden wir nur setzte extra dazu eine Vorstellung eines jüdischen Stückes aus die Meinung der Regierung bestärken, die unverhohlen be- New York an, und es beteiligten sich so ziemlich alle Mittel- hauptet, in Ungarn sei alles in bester Ordnung, es seien nur und Kleinbühnen Wiens. Als der Intendant des Stadtthea- die „jüdische Weltverschwörung“ und „linke ausländische ters Bregenz am Nachmittag des 1.2. plötzlich verlautete, er Kräfte“, die das arme Land in Verruf brächten. Nicht nur würde das Memorandum doch nicht verlesen lassen wollen, in diesem Sinne ist die Orban-Regierung durchaus mit der verteilten die entsetzten Schauspieler_innen des Ensembles Schüssel-Haider-Regierung in Österreich zu vergleichen. Es das Memorandum auf Flugblättern vor der Vorstellung an die ist wirklich schlimm, das Land nimmt großen moralischen Zuschauer_innen.

4 gift 02/2012 Auch wichtige Ausbildungsinstitutionen beteiligten sich: Das Max Reinhardt Seminar, das Konservatorium der Stadt Wien, die Bayrische Theaterakademie August Everding, die Hoch- gift abonnieren schule für Film und Fernsehen München, die Université de Bestellen Sie ein gift-Abo Nanterre in Paris, die Columbia University in New York. »» 20 Euro für 4 Ausgaben pro Jahr In London schlossen sich 68 Theater dieser Initiative »» 10 Euro für Studierende an, in Paris etwa das Théâtre de Rond-Point und viele andere. »» 25 Euro Auslandsabo Die Pariser Zeitungen berichteten dann über den „Appel d’un Clown“ und druckten das Memorandum in voller Länge, was Oder werden Sie IGFT-Mitglied mich besonders freute. Das Théâtre National de Bruxelles im Mitgliedsbeitrag von 35 Euro ist war ebenso dabei wie andere Theater in Belgien, Luxemburg, das gift-Abo enthalten Spanien, Chile, Griechenland, Holland, Schweden, Polen, Tschechien, Finnland, Slowenien und natürlich Ungarn. Das [email protected] ungarische Fernsehen berichtete darüber, ich bekam viele www.freietheater.at ermutigende Rückmeldungen über meine Homepage und 01 / 403 87 94 facebook-Seite.

Und was hat es gebracht?

Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich überwältigt war von dieser un- glaublichen Anzahl an Theatern und Institutionen, die sich an dieser Initiative beteiligt haben, und dass ich meinen Studentinnen und Studenten dankbar bin, auch besonders Gaby Welker, C.Bernd Sucher, Bernhard Odehnal und allen Mitstreiter_innen, es zumindest probiert zu haben, etwas zu bewegen und das Bewusstsein der Menschen wenigstens für einige Augenblicke für die Vorgänge in unserer Gesellschaft Markus Kupferblum zu schärfen. Es war wichtig zu zeigen, dass sich eine solche geb. 1964 in Wien, ist Opern- und Theaterregisseur, Autor und Clown. Initiative auszahlt und man auch bloß mit einem einzigen Er ist Gründer des Totalen Theaters in Wien und Experte für Comme- Laptop viel in Bewegung setzen kann. Allzu oft erschleicht ei- dia dell'arte und Maskentheater. Bekannt ist er für seine spartenüber- nen doch ein Ohnmachtsgefühl im Angesicht der politischen greifende Arbeit zwischen Oper, Zirkus, Theater und Film. Bisherige Inszenierungen in Frankreich, Österreich, Deutschland, England, Entwicklung in Europa! Spanien, Belgien, USA, Korea, Libanon, Israel, Russland, Litauen, Die Director’s Leage in London, die Theater in Paris Luxemburg, Schweiz und Italien. Beim Festival von Avignon wurde und Brüssel und einige Theater in Wien drängen schon auf die er 1993 mit dem "1. Prix de l'Humour" ausgezeichnet, 2007 erhielt er Vorbereitung zum 2. Europäischen Theatertag für Toleranz, den „Nestroy Preis“ der Stadt Wien für die beste Off-Produktion. der wohl am 1.2.2013 stattfinden wird. Machen wir weiter! Ihr [email protected] seid alle herzlich eingeladen, diesen Tag mitzugestalten! ||

aktuell 5 politik

Wien ist anders Schildbürgerstreiche in der Kulturabteilung?

Von Sabine Kock

Konzeptförderungen von Michael Stolhofers Tätigkeit nicht aufgehoben und es schmilzt faktisch nicht nur der konzeptionelle wie budgetäre Die Kulturabteilung der Stadt Wien schreibt in diesem Jahr Rahmen des ursprünglich zentralen Förder- und Controlling wieder mehrjährige Konzeptförderungen im Bereich Dar- Instruments der Wiener Theaterreform auf die Hälfte der ur- stellende Kunst ab 2014 aus – es geht um eine Anzahl Häu- sprünglichen Summe zusammen, sondern es wird damit die ser, auch Festivals und freie Gruppen. Das Ganze dient der Konzeptjury als Instrument der MA7 ad absurdum geführt: Transparenz des Vergabeverfahrens unter der Federführung dann würden dort nämlich mit ImPulsTanz, Schauspielhaus, einer unabhängigen Fachjury. Die hat die Stadt bereits be- TQW, brut und Dschungel Wien die zentralen Häuser der stellt – und mit Amelie Deuflhard, Angela Heide, Elke Hesse, freien Szene nicht mehr verhandelt. Dabei ging es doch ur- Thomas Licek und Michael Stolhofer eine profunde Runde sprünglich genau darum, dass periodisch eine von außen zusammengestellt, deren einziger Wermutstropfen bis heute kommende Fachjury einen professionellen Blick über das ge- schien, dass trotz Leitbild, rot-grünem Wiener Regierungspro- samte Feld der ehemaligen Theaterform wirft und hierzu eine gramm und der bereits zweiten erfolgreichen Staffel von pimp Empfehlung abgibt, als Votum zu einzelnen Vorhaben und my integration kein Mensch mit migrantischem Hintergrund Häusern, aber auch als Kontrollinstanz und Zusammenschau nominiert wurde. Erst im Nachhinein stellte sich heraus, dass der Gesamtentwicklung, ihrer Schwerpunkte ebenso wie un- einer der Juroren, der ehemalige Leiter der Szene Salzburg, geplanten Effekte und Fehlentwicklungen in der vorangegan- Michael Stolhofer, gleichzeitig mit seiner Jurytätigkeit beim genen Vierjahres-Periode zu bemerken und benennen. ImPulsTanz Festival tätig sein wird, einem der Player im Feld Ganz grundsätzlich hat die Theaterreform einen grund- der mehrjährigen Förderungen im Feld der Darstellenden legenden Struktureffekt bewirkt, der im Gegensatz zu einem Kunst – und bis 2008 Gegenstand der Konzeptförderung. ihrer zentralen formulierten Ziele steht: einer signifikanten Mittlerweile wird kolportiert, dass überlegt wird, Im- Freisetzung von Produktiv-/Produktionsmitteln. PulsTanz aus der Konzeptförderung zu nehmen, ebenso das Statt dessen fließen seit Beginn der Reform elf Millionen TQW und brut. Gleich „mitumgetopft“ werden soll dazu noch Euro (!) mehr Mittel in Strukturen, anstatt dass im entspre- das Odeon, wird weiters kolportiert, wo seit vielen Jahren chenden Zeitraum in irgend einer Form mehr direkte Pro- der Intendant den zähen Kampf um Erhalt des Territoriums duktionsmittel für Künstler_innen freigesetzt werden konn- mit der Stadt Wien führt. Damit wird die Unvereinbarkeit ten. Wenn der gesamte Bereich zentraler Player im Feld der

6 gift 02/2012 Darstellenden Kunst dem von der MA7 intern entschiedenen ten. Zentrale Fragen (etwa: wie setzen sich die Förderungen Standortförderungstopf zugewiesen wird, wird das Feld rück- der Gruppen zusammen?) könnten nur von den Gruppen wärtsgewandt erneuter Intransparenz überantwortet. selbst beantwortet werden, die in den Häusern spielen. Dann müssten aber zumindest alle projektgeförderten Gruppen in die Befragung miteinbezogen werden. Evaluation Politisch sind zwei Dinge besonders schmerzlich: dass nun doch nicht die großen Institutionen in die Erhebung einbezo- Doch damit ist es nicht genug. Momentan tobt zur gleichen gen werden (bei ihnen wäre im übrigen die Datenlage bestens Zeit hinter den Kulissen ein zäher Kampf um die von der dokumentiert) und dass die einbezogenen Häuser aufgrund MA7 spät angezettelte Evaluation, der vorläufig nur von allen der Sorge um eventuelle Rückforderungen der Gebietskran- Seiten verloren werden kann: kenkasse keine Angaben zu den Arbeitsverhältnissen von Seit Beginn der Reform fordert die IGFT eine beglei- Künstler_innen machen mögen. Die (Projekt-)Fördernehmer_ tende Evaluation als Instrument – die bei sachgemäßer Auf- innen könnten sehr wohl nach ihren Arbeitsverhältnissen bereitung der Daten leicht möglich gewesen wäre. Doch die befragt werden. In der Studie zur sozialen Lage der Künst- Datenlage in der MA7 nach sieben Jahren Reform ist trotz ler_innen geben sie unbefangen, präzise und umfassend zu aufwändiger Erhebungsbögen für alle Fördernehmer_innen Umfang, Dauer, Häufigkeit und Entlohnung von angestellten desolat. Die auf ausgedruckten Excel-Tabellen von den Grup- und selbstständigen Arbeitsverhältnissen Auskunft. pen und Häusern abzugebenden Daten sind umfassender und So bleibt einmal mehr die gesamte Problematik um das weitaus differenzierter als die nun erfolgende Analyse, nur prekäre Feld der Arbeitsverhältnisse im freien performativen wurden sie bislang zum großen Teil nur manuell gesammelt Bereich ausgespart. und nicht in eine Datenbank eingespeist, so dass die vorhan- Die beauftragte Evaluation kann so trotz engagiertem denen Daten nicht statistisch aufbereitet sind und kaum für Einsatz faktisch weder politisch noch wissenschaftlich nach- die gegenwärtige Analyse genutzt werden können. Es wäre haltig werden. Zudem ist der Ansatz der aktuellen Erhebung vermutlich billiger und effizienter gewesen, diesen Schritt auch methodisch zu hinterfragen: nachzuholen, als die gegenwärtige Turbo-Erhebung anzu- zetteln. Statt dessen werden konzeptgeförderte Häuser und Ansatz Gruppen – und nur diese – per Fragebogen noch mal zur Be- standsaufnahme ihrer schon der MA7 schriftlich überantwor- Die im Evaluationsbogen aufgeführten drei Grundfragen ... teten Daten von 2004, 2007 und 2010 gebeten. Dabei erfolgt 1. Wurden die (kulturpolitischen) Ziele der Wiener Thea- die aktuelle Bestandsaufnahme eingeschränkt auf den Bereich terreform erreicht? der Konzeptförderungen und wird durch strukturelle Schwie- 2. Wirkt sich die Umstellung des Fördersystems hilfreich, rigkeiten ebenso in einer möglichen Aussagekraft erschwert im Sinne der angestrebten Ziele der Wiener Theaterre- wie durch angefragte Schätzwerte für Daten, die von diesem form, aus? Sample nicht erhoben werden können. Zentrale Häuser ha- 3. Wie entwickelten sich wesentliche (ökonomische) ben entweder hausintern andere Datenerhebungsmasken als Kennzahlen ausgehend vom Jahr 2004, dem Jahr vor die angefragten und können einen Teil der Daten nicht be- der Reform, in den letzten Jahren? antworten, oder leiten erst seit kurzem ein Haus und können ... haben inhaltlich wenig Bezug zu den im Fragebogen ge- nicht für vorangegangenen Jahre die Datenlage beantwor- stellten Fragen.

politik 7 Ziele der Reform wurden weder hier, noch sonst im Vorfeld »» An die Evaluation genannte erste Bestandsaufnahme muss der Evaluation definiert bzw. abgefragt. Die Förderinstru- eine Evaluation anschließen, die diesen Namen verdient mente werden im Fragebogen nicht auf eine Veränderung hin hat. abgefragt – und haben sich zudem grundlegend nicht so sehr »» Und es muss dafür die Stadt Wien endlich ihre Daten so- verändert – auch vorher gab es Projektförderungen, Mehrjah- weit und fortlaufend aufbereiten, dass dies möglich und resförderungen, Häuserförderungen, verändert haben sich die für die Zukunft nachhaltig wird. || zuständigen Gremien, Einreichungszeiträume etc.

Zeitraum Der Beginn der Reform und direkte Auswirkungen werden bereits Ende 2003 auch förderrelevant (Projektförderungen). Die Zeitschnitte von 2004, 2007 und 2010 sind von daher nicht so angelegt, dass methodisch damit eindeutig ein Status vor der Reform den Fokus bildet – so entsteht keine wirklich aussagekräftige Vergleichbarkeit eines vorher und nachher.

Qualitative Erhebung Aus Gründen der Zeitknappheit werden in etwa 25 Einzelin- terviews geführt, dabei jedoch grundsätzlich nur ein bis drei Proponent_innen pro Zielgruppe (also nicht alle Häuser oder Gruppen, sondern nur eine exemplarische Zahl von 1 bis 3) Dadurch kann methodisch dieser qualitative Teil nur eine er- gänzende und vertiefende Funktion für die Evaluation haben, nicht jedoch als deren Grundlage bestimmt werden. Das gesamte Instrumentarium der aktuellen Evaluation steht so auf tönernen Füßen – und man muss Sorge haben vor der politischen Verwertung von derart zustande gekommenen Resultaten.

Wir fordern Transparenz und zukunftsweisende Entschei- dungen: »» Es muss endlich eine signifikante Erhöhung der Produkti- onsmittel (Projektförderung und mehrjährige Förderungen für freie Gruppen ) geben. »» Die Konzeptförderung muss auch in Zukunft als Gesamt- feld das Instrument einer externen Jury bleiben. »» Michael Stolhofers Arbeit bei ImPulsTanz ist unvereinbar mit der Jurytätigkeit – hier muss die Stadt eine transparente demokratiepolitische Entscheidung fällen.

8 gift 02/2012 Offene Plattform Tanz Theater Performance

Zu aktuellen Prozessen der Wiener Kulturpolitik · Nächstes Treffen: 24. April von 11 bis 16 Uhr

Derzeit werden in Wien viele, die dar- und zwar im Rahmen einer autonomen Diskussion auch die Kommunikation stellende Kunst betreffende, Weichen offenen Plattform. und Vernetzung der Szene in der Praxis neu gestellt. Die Konzeptförderungen Der nächste Termin wird am 24. April neu zu begründen – und dabei Diversität 2014-2017 sind ausgeschrieben, die von 11–16 Uhr stattfinden (Raum der von vornherein mit zu denken. begutachtenden Jurymitglieder bestellt, IG Architektur, Gumpendorferstr. 63b, Die Plattform lädt interessierte freie eine Evaluierung der Konzeptförde- 1060 Wien). Dort wird es inhaltlich auf Tanz- , Theater und Performanceschaf- rungen ist in Gang. jeden Fall um eine Positionierung zum fende herzlich ein, sich an dem Prozess Am 15. März kamen auf Einladung aktuellen Prozess der Konzeptförderung zu beteiligen. der IG Freie Theaterarbeit ca. 30 Thea- gehen. ter-, Tanz- und Performance-Schaffende Als Brennpunkte für das kommende zu einem offenen Diskursformat zusam- Treffen kristallisierten sich heraus: Weitere Initiativen men, um sich über die aktuell in Wien laufenden Prozesse auszutauschen, auf »» Stagnation des jährlichen Gesamt- Im Mai (der Termin steht noch nicht der einen Seite, um Fragen, Kritik und förderbetrags für Projektförderungen fest) möchte Daniel Aschwanden einen Forderungen an die Wiener Stadtpoli- und Produktionsmittel im freien ganztägigen Open Space in den neuen tik zu (re-)formulieren und aktualisie- Bereich überhaupt. Die Projektför- Kulturraum in Aspern initiieren – ver- ren, zum anderen, um sich über aktuelle derung beträgt – wie zu Beginn der netzt mit der Plattform. Prozesse in der Szene und mögliche Vi- Wiener Theaterreform – in Summe Und schließlich kündigte Chri- sionen zu verständigen. jährlich 2,5 Millionen Euro (Infla- stopher Widauer (Referent von Stadt- Ziemlich schnell stellte sich he- tionssteigerungen gibt es in diesem rat Mailath Pokorny), der ebenso wie raus, das die anberaumten drei Stunden Bereich nicht). Daniela Birk (Referentin von Klaus viel zu kurz waren, um allen Themen ge- »» Zunehmende Ausklammerung von Werner-Lobo, Grüne) partiell das Tref- nügend Raum zu geben – und dass auch Theaterinstitutionen aus der Kon- fen am 15. März besuchte, einen von der Selbstverständigungsprozess an sich zeptförderung und damit einherge- der Stadt Wien für noch vor dem Som- Raum braucht. hender Transparenzverlust in der mer geplanten Open Space im Odeon Inhaltlich konzentrierte sich das Förderung Darstellender Kunst. an, bei dem unter anderem die Förder- erste Treffen daher auf die laufende »» Diskussion und Umgang mit dem säulen und die Beratungsinstanzen der Evaluation. Hierzu wird kurzfristig ge- Leitbild zur Wiener Theaterreform1 Stadt Wien generell diskutiert werden meinsam ein Forderungspapier erstellt, sollten. || das bei Erscheinen der vorliegenden gift Aber die Treffen sind thematisch of- sicher schon veröffentlicht ist. fen und jeder/jede kann Anliegen und Das wichtigste Ergebnis aber ist: Themen einbringen. Außerdem geht es 1 www.wien.gv.at/kultur/abteilung/pdf/leit- es soll unbedingt weitere Treffen geben, darum, gleichzeitig mit der inhaltlichen bild-theaterreform.pdf

politik 9 Spotlight BUND: Bericht aus den Niederungen einer grundlegenden Stagnation

Von Sabine Kock

„One Stop Shop“ für Kunstförderung? Sparpakets zeitlich anderwärtig gebunden, im bm:ukk fehlt Andrea Ecker mit dem Weggang von Günter Lackenbucher Große Irritation ging durch die Kultur- und Kunstszenen, und insgesamt knappen Personalressourcen die zentrale den als im Zuge der Veröffentlichung des Sparpakets verlautbart Prozess koordinierende Stelle. Nun haben beide Ministerien wurde, es werde keine Doppelförderungen mehr geben, ein nach einer internen Zusammenschau zu einer Steuerungs- „One Stop Shop“ solle künftig in Österreich die Förderungen gruppe eingeladen, mit dem Ziel, noch mögliche politische aller Körperschaften in einem Schritt erledigen. Pakete für die bestehende Legislaturperiode zu formulieren Der Vorschlag kommt nicht spezifisch aus der Kunst, und weiteres in das Programm für die kommende Legislatur- zielt viel mehr primär auf andere gesellschaftliche Bereiche periode einzubringen. mit weitaus größerem Gesamtbudget, würde aber nicht nur Die Ergebnisse des Termins waren ernüchternd ange- weitreichende Veränderungen der Förderlandschaft nach sich sichts des insgesamt groß angelegten Prozesses und der bis- ziehen, sondern faktisch die Grundprinzipien der verzahnten lang investierten Vorarbeiten: (subsidiären) Kunst- und Kulturförderung von Gemeinden Ländern und Bund umwerfen. Mobilität Ganz abgesehen davon, dass hinter vielen Förderungen Im Bereich der Mobilität soll nun endlich der bereits für das prozessuale Entscheidungen von Gremien stehen, war und vergangene Jahr angekündigte Mobility Guide erscheinen, ein bleibt eine akute Sorge, dass hier das gesamte Kunstförder- Versuch, die restriktive Visa Politik der Republik zumindest wesen aus Spargründen perspektivisch auf den Kopf gestellt in der faktischen Umsetzung mit Empfehlungen zu versehen, werden könnte, bevor überhaupt ein Reflexionsprozess einer die das Beantragen von Visa für Künstler_innen nicht noch sinnvollen Agendenaufteilung zwischen Bund, Ländern und zusätzlich erschweren. Trotz der Notwendigkeit und dem Gemeinden begonnen hat, wie ihn die Schweiz vor einigen mit diesem Instrument gezeigten guten Willen: Politisch hat Jahren führte – in vehementen Debatten und mit dem nicht sich damit auf der Ebene der Gesetzgebung und Realpolitik unumstrittenen Ergebnis einer Neudefinition der Aufgaben nichts zum Besseren verändert – im Gegenteil sind im ver- der Pro Helvetia und ihrem Zusammenspiel mit Bund und gangenen Jahr erneut Verschärfungen des Asyl- und Aufent- Kantonen. haltsgesetzes von der Regierungskoalition mit den Stimmen Das Ministerium selbst beruft sich auf eine Reihe be- der SPÖ beschlossen worden, die der Arbeit der interministe- stehender Sondergesetze und fordert in einer Stellungnah- riellen Arbeitsgruppe ebenso diametral entgegenstehen wie me zum Gesetzesentwurf, dass auch künftig das Kunst- und der UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt. Kulturbudget von der Neuregelung ausgenommen wird – die endgültige Entscheidung fällt im April. Steuern Im Bereich Steuern hat hinter den Kulissen eine Gruppe in- terner Expert_innen mittlerweile vier Infopapiere zusammen- Prozess interministerieller Arbeitsgruppen (IMAG) gestellt, die Künstler_innen über absetzbare Sachkosten, die Ausnahmebestimmungen für Stipendien sowie Sponsoring- Seit letztem Herbst war der Prozess interministerieller Ar- bestimmungen informieren. Die Infoblätter sind z. T. schon beitsgruppen mehr oder weniger weiter auf Eis gelegt. Im jetzt, z. T. demnächst online auf der Homepage des Finanz- bm:ask war Walter Pöltner durch die Verhandlungen des ministeriums (www.bmf.gv.at) zu finden.

10 gift 02/2012 Der groß angelegte Prozess steht nach insgesamt über sechzig Sitzungen und einigen tausend Seiten Lektüre im Wesentlichen still.

Urheberrecht Darüber hinaus wird seit Jahr und Tag ein ominöses Projekt- Da sich auf der nationalen Ebene auch im IMAG-Prozess vorhaben im Zusammenhang mit dem AMS kolportiert, über keine Bewegung abzeichnete, haben sich Österreichs Film- dessen Inhalte und Realisierungszeitraum nun endlich im Mai schaffende an den Europäischen Gerichtshof gewandt, um eine öffentliche Aufklärung erfolgen soll. die historische cessio legis zum Fallen zu bringen, ein singu- läres Gesetz, nach dem in Österreich alle Filmrechte von den Kunstförderung Urheber_innen an die Produzent_innen abgegeben werden Die Kunstförderpraxis konnte durch den IMAG-Prozess lei- müssen. Am 9. Februar 2012 ist hier ein richtungsweisendes der nicht grundlegend verändert werden (vgl. zuletzt Thomas Urteil ergangen – positive konkrete Folgen für die Filmschaf- Trenkler im Standard vom 9. März 2012), eventuell gibt es fenden müssen jedoch nun erst in Österreich ausgehandelt Hoffnung, dass kurz- oder mittelfristig zumindest der enge werden. Seit über einem Jahrzehnt kämpfen Künstler_innen Kunstbegriff im KSVF-Gesetz gelockert wird und die Pen- um ein Urhebervertragsrecht, auch diese Baustelle ist trotz sionsklausel nach § 17 fällt, nach der Künstler_innen keine vehementer Forderung der Künstler_innenvertretungen im Zuschüsse aus dem Fonds erhalten können, wenn sie in ir- gegenwärtigen IMAG-Prozess offen geblieben, soll aber zu- gendeiner Form aufrechte Pensionsansprüche haben. mindest für das kommende Regierungsprogramm dringlich vorgeschlagen werden. Last but not least Obwohl der IMAG-Termin am 8. März stattfand, stand das Sozialversicherung achte Thema Frauen in der Kunst bezeichnenderweise nicht Im Februar und März tourte der Kulturrat Österreich gemein- auf der Tagesordnung und kam auch nicht zur Sprache. sam mit einer Vertreterin des Künstler-Sozialversicherungs- fonds und lokalen Vertreter_innen von SVA und AMS mit Infoveranstaltungen über die gesetzlichen Neuerungen durch Soll's das gewesen sein? das Land. Seit Herbst ist jedoch auch in dieser Arbeitsgruppe Stillstand. Im Mai soll es ein Treffen geben, auf dem noch mög- Der groß angelegte Prozess steht nach insgesamt über sechzig liche Vorhaben für das kommende Jahr akkordiert werden. Sitzungen und einigen tausend Seiten Lektüre im Wesent- lichen still, in mehreren Bereichen überdecken serviceorien- Arbeitsmarkt tierte Infobroschüren, dass politisch keine Verbesserungen Diese Arbeitsgruppe ist gleich zu Beginn des IMAG-Prozesses durchsetzbar waren. Dann wäre die Arbeit von insgesamt gut eingeschlafen, weil es keine politische Perspektive für Verän- siebzig internen und externen Beteiligten – davon ein Großteil derungen gab. Der Kulturrat Österreich hat die Broschüre An- Arbeit der Interessenvertretungen – weitgehend vergebens in- gestellt, Selbstständig Erwerbslos aktuell in ihrer 3. Fassung vestiert. Die soziale Lage der Kunstschaffenden hat sich seit herausgegeben (online unter www.kulturrat.at). Die Broschü- Beginn des IMAG-Prozesses strukturell nicht verbessert – im re enthält Informationen zu allen Gesetzesneuerungen. Sie Gegenteil sind die Arbeits- und Existenzverhältnisse noch wendet sich an Künstler_innen als auch an Betreuer_innen im prekärer geworden. AMS, um zumindest die Praxis des Umgangs mit arbeitslosen Der IMAG Prozess darf nicht sterben gelassen werden. Künstler_innen zu verbessern, bei der nach wie vor innerhalb Soweit der Stand der Dinge aus den Niederungen der Real- des AMS viel Unkenntnis und Aufklärungsbedarf besteht. politik. ||

politik 11 ASSITEJ Austria kämpft um Bundesfinanzierung

Von Christoph Thoma © Grazer Spielstätten

Die ASSITEJ Austria, der Dachverband onellen darstellenden Kunst für junges und Bludenz hervorragend unterstützt. für darstellende Kunst für junges Publi- Publikum, ist 2012 budgetär abgesichert. Mit dieser Bündelung an Kräften kann kum in Österreich, kämpft erneut um Dank der Weitsicht und dem wertvollen ein umfangreiches, breites und transpa- eine sinnvolle Finanzierung seitens des Impuls des neuen Vorarlberger Lan- rentes Bild auf die österreichische The- Bundes. Das Bundesministerium für deshauptmannes Markus Wallner und aterszene geworfen werden. Seit 2007 Unterricht, Kunst und Kultur ignoriert insbesonders der Vorarlberger Kultur- gibt es den STELLA, den Theaterpreis die essentiellen Impulse der ASSITEJ, landesrätin Andrea Kaufmann kann der für darstellende Kunst für ein junges die neben dem STELLA.Darstellender. STELLA erstmals als ein dezentrales Publikum in Österreich. Preise fokus- Kunst.Preis für junges Publikum auch Festival in Vorarlberg realisiert werden. sieren aktuelle Entwicklungen, stärken zahlreiche Weiterbildungen, Diskurse Das Land Vorarlberg übernimmt natio- die künstlerische Arbeit der Theatersze- und internationale Vernetzungen als nale Kompetenz, ein Vorbild, das mehr ne für junges Publikum und die öffent- österreichweit agierender Dachverband als politische Weitsicht darstellt und das liche Wahrnehmung von Theater und organisiert. Folglich sind wichtige kul- dem Genre der darstellenden Kunst für Tanz für junges Publikum. turpolitische Signale nur bedingt um- junges Publikum wichtige Räume zur Nun gut, in Österreich wird der Föde- setzbar und professionelle Kunstpro- Positionierung öffnet. Neben dem Land ralismus groß geschrieben, und es liegt duktion für junges Publikum weiterhin Vorarlberg und dem Vorarlberger Lan- mir fern, die schwierige budgetäre Situa- eine Randerscheinung. destheater wird der STELLA auch vom tion des Bundes zu kommentieren. Doch Der STELLA12, der einzige natio- Fürstentum Liechtenstein sowie den bleiben Fragen im Raum, die nach einer nale Preis zur Förderung der professi- Städten Bregenz, Dornbirn, Feldkirch kulturpolitischen Strategie suchen.

12 gift 02/2012 das TAK Theater Liechtenstein zum Szene, was ein direkter Nutzen Austausch motiviert und so Visionen, Für die ASSITEJ für eine Weiterentwicklung der Konzeptionen und Reformen anstoßen, Austria gilt: Gesellschaft bedeutet, da jun- um Strukturen für die junge Kunst zu ge Menschen mit der höchsten ermöglichen. 1. Die ASSITEJ ist die einzige ös- künstlerischen Qualität erreicht Als gewählter Vorsitzender der AS- terreichweite Plattform, die seit werden müssen. Und diese Su- SITEJ suche ich keinen Konflikt, son- mehr als 20 Jahren darstellende che nach Qualitätskriterien kön- dern erwarte mir Gespräche auf Augen- Kunst für junges Publikum the- nen Netzwerke stützen. höhe mit der Bundespolitik – im Sinne matisiert und aktiv positioniert. der Kunst und im Sinne einer sich im Wandel befindlichen Gesellschaft. Und 2. Der Bund fördert einzelne Produk- das betrifft prekäre Arbeitsverhältnisse tionen, was es auch weiterhin zu Spot on Vorarlberg – Eine Plattform, von Künstlerinnen und Künstlern sowie forcieren gilt. Doch um sinnvoll sich zu vernetzen die Problematik, dass die darstellende produzieren zu können, werden Kunst für junges Publikum wesentlich Rahmenbedingungen benötigt, Dank dem Engagement durch die an Bedeutung gewinnen muss. Aber die im darstellenden Kunstbe- Vorarlberger und die erwähnte städ- eines ist gewiss: reich für junges Publikum einzig tische Kulturpolitik kann beim STEL- Wir werden nicht umhinkommen, und allein von der ASSITEJ ge- LA12 erstmals ein regionaler Impuls uns permanent zu hinterfragen, in un- legt wurden und werden. gesetzt werden. Vorarlberg ist mit neun serem Tun, in unserer Vision und mit Produktionen neben dem eigentlichen unseren Zielen! || 3. Die ASSITEJ bildet eine Schnitt- Wettbewerb im Programm. Produkti- stelle unter den professionellen onen stellen sich dem nationalen und Kunstschaffenden selbst, sowie internationalen Diskurs, können auf zwischen Produzierenden, ihrem deren Qualität hinweisen, können sich Publikum, Veranstaltern, Kultur- aber auch der offenen Kritik von Fach- politiker_innen und den verschie- leuten stellen, um so wichtige Impulse densten Medien. und Optimierungen für weitere Kunst- prozesse zu gewinnen. 4. Die ASSITEJ ist Impulsgeberin Ein klassischer Gewinn für alle, Christoph Thoma zur Verbesserung der Situation auch im Sinne dieser breit angelegten und der Qualität der professio- Kooperationsplattform, die neben den ist seit 2008 geschäftsführender Intendant nellen darstellenden Kunst für Kulturförderungen des Landes, des Für- der Grazer Spielstätten, war davor bei der Jeunesse Österreich in Wien, Geschäfts- Kinder und Jugendliche in ganz stentums Liechtenstein, der Städte Bre- führer von Bludenz Kultur und Fachbeirat Österreich. genz, Dornbirn, Feldkirch und Bludenz beim netzwerk junge ohren in Berlin. Er ist auch das Vorarlberger Landestheater, seit 2011 Vorsitzender der ASSITEJ Austria, 5. Preise wie der STELLA dienen den Spielboden Dornbirn, das Thea- Mitglied des Steirischen Landeskulturbei- rats und Jurymitglied des junge ohren preis der Professionalisierung der ter am Saumarkt und das Pförtnerhaus in Berlin. in Feldkirch, die Remise Bludenz und

politik 13 14 gift 02/2012 Vernetzungsinitiative der Wiener Musiktheater

Seit Sommer 2011 gibt es eine Vernetzungsinitiative der frei- en Musiktheatergruppen in Wien als offene Plattform, um auf der gemeinsamen Website www.musiktheater-wien.at ihre Projekte und Premierentermine in einem Spielplan zu präsentieren und damit die Aufmerksamkeit auf das Neue Musiktheater in Wien zu fokussieren. Vor allem durch die überraschenden Vorgänge um die Übernahme der Wiener Kammeroper beschleunigte sich der Austausch untereinander. Denn das Kulturamt der Stadt stell- te über die Presse eine fertige Lösung vor. Die Neue Oper Wien, die zusammen mit dem Theater an der Wien das Haus im Verhältnis 1:2 leiten soll und in der Presse als „Vertreter der freie Szene“ in der Neubesetzung des Vereins Kammero- per bezeichnet wurde, musste erst klarstellen, dass das nicht intendiert war – die Berücksichtigung der freien Szene bleibt weiterhin unklar. Doch seither hat sich die Absicht, sich weiter gemeinsam zu koordinieren, konkretisiert. Die von der Stadt Wien geför- derten Musiktheatergruppen, die bei naturgemäß größerem Platzbedarf im Gegensatz zum Sprechtheaterbereich und Tanz weder über ein Koproduktionshaus (keine der Klein- und Mit- telbühnen der Stadt Wien ist explizit dem Musiktheater oder sogar dem Neuen Musiktheater programmatisch gewidmet), noch über vergleichbare Strukturen verfügen, planen, durch Vernetzung und Austausch Synergien entstehen zu lassen, wie die gemeinsame Verwendung vorhandener Ressourcen, mehr Informationsaustausch, verbesserte Bewerbung, effizientere Nutzung von geeigneten Räumen für Proben/Lager/Admini- stration und gegebenenfalls auch Aufführungen. Aufeinander abgestimmte Spielpläne, Sponsorensuche, mögliche künstlerische Zusammenarbeiten und Diskurse könnten so Qualitätssicherung ermöglichen und eine echte „Szene“ möglich machen. Bei erwartbaren gleich bleibenden Förderbeträgen bedeutet das: mehr Geld für die Kunst! || (td,gst,kt,je)

Derzeit sind an der Plattform beteiligt:

Musikwerkstatt Wien, MuPATh, netzzeit, Neues Wiener Musikthe- ater, Oper Unterwegs, PHACE – Contemporary Music, progetto se- miserio, sirene Operntheater, Teatro Barocco, Wiener Taschenoper, © Armin Bardel: ZOON Musiktheater. kabinetttheater ensemble Stückwerk. Neueste bewegte Sachen Kontakt: [email protected] kabinetttheater, Mai 2011

politik 15 zeitfenster Grete Wiesenthal Die freie Tanzszene im Jugendstil

Von Wolf Lamsa

1901, als Grete Wiesenthal knapp sechzehn Jahre alt ist, tingstar der freien Tanzszene. Sie tanzt in einer öffentlichen beendet sie ihre Ausbildung und tritt als Tänzerin in das Parkanlage in Wien anlässlich eines Künstlerfestes, organi- Hofopernballett ein. Sie ist dort eine von vielen Tänzerinnen, siert von Gustav Klimt, Kolo Moser und anderen Jugendstil- trotzdem erlangt sie mit ihrem besonderen Stil bald die Auf- künstler_innen. merksamkeit des Operndirektors Gustav Mahler. Seine Ver- 1908 tritt sie wieder mit ihren Schwestern im vom Ju- suche, die junge Tänzerin zu fördern, indem er sie in der Titel- gendstil-Architekten Josef Hoffmann gestalteten Cabarett rolle eines modernen Balletts besetzt, Fledermaus auf. Das ist der Durch- scheitern kläglich. Die Besetzungen bruch, Grete Wiesenthal bekommt im Ballett mussten damals vom Ver- endlich die Anerkennung, auf die sie waltungsbeamten des Hofes, dem so lange vergeblich gewartet hat. Was Oberhofmeister, genehmigt werden. danach passiert sprengt alle vorstell- Dieser, der fast siebzigjährige Graf baren Dimensionen von Erfolg. Max Montenouvo, hat kein Verständnis Reinhardt lädt sie nach Berlin ein, dort für zeitgenössischen Tanz und so wird ist sie nicht nur als moderne Tänzerin, Grete Wiesenthal zur Spielfigur in den sondern auch als Pantomimin zu se- Intrigen und Kriegen, mit denen ein hen. Die weiteren Stationen sind St. Hofoperndirektor damals zu kämpfen Petersburg, Budapest, Prag, Frankfurt, hatte. Ihre Chancen, dort zu ihrem Ta- Wiesbaden, Mannheim, Köln, Dresden lent entsprechenden Rollen zu kom- und Hannover. Zurück in Wien tanzt men, sind verschwindend gering. sie die Hauptrolle in der von Franz Abseits der Oper tanzt sie mit Schreker komponierten Ballettsuite ihren Schwestern zur Musik von Ed- Der Geburtstag der Infantin. ward Grieg, einem damals noch eher In den nächsten Jahren ist sie in unbekannten Komponisten. Veran- ganz Europa unterwegs, in Wien tritt staltet werden diese Abende von sie im Raimund-Theater, im Apollo dem Verein für Literatur und Kunst. (dem heutigen Kino), den Sofiensälen Sie tritt überall auf, wo sich eine Ge- und anderen Orten auf. Sie arbeitet legenheit bietet, und so wird sie bei mit Hugo von Hoffmansthal und ist einer Soloperformance im Atelier eines Bekannten von dem in der Erstaufführung derAriadne auf Naxos von Strauss zu Opern-Bühnenbildner Alfred Roller entdeckt. sehen. Auch seine Versuche, Grete Wiesenthal und ihre jün- 1913 dreht sie ihren ersten Film in Schweden. Um ein gere Schwester für moderne Tanzstücke zu besetzen, blei- Haar wäre sie mit der Titanic nach New York gefahren, es ben letztlich erfolglos. In ihrer Autobiographie erinnert sie kam zum Glück anders. 1919 eröffnet sie eine Tanzschule in sich: „Die Oper, an der wir zehn Jahre studiert und getanzt Döbling und wird zu einer gefeierten Lehrerin. Grete Wie- hatten, war nicht der Ort für das, was wir zeigen wollten.“ senthal hat sich in ihrer ganzen Karriere als Solotänzerin nie 1907 verlässt sie mit zweiundzwanzig Jahren das Ballett der an eine/n Regisseur_in oder ein Haus gebunden, sie war Oper, macht sich selbstständig und wird somit der Shoo- immer frei.

16 gift 02/2012 Verschlossene Türen

Abschaffung des Landeskulturbeirats in der Steiermark

Von Caroline Oswald-Fleck

Die „Reformzwillinge“ Voves und pe unter der Leitung von Heimo Steps Jahres, bei Auslaufen der alten Verträge, Schützenhöfer brillieren in der Steier- verfasst wurde. Eine Neuordnung der deutlich werden. mark in ihrer Vorreiterrolle für Öster- Beiratsstruktur des Kulturressorts soll Um keine Chance des Protests zu reich. Dabei geht es schon seit längerem enthalten sein. Beim Landeskulturbei- verpassen, werden wir gegen den scheib- nicht mehr ums Sparen, sondern um rat wird „nur das Wort abgeschafft“, ins- chenweisen Sozial- und Demokratieab- Effizienz um jeden Preis, sei es in der gesamt werden der Landeskulturbeirat, bau demonstrieren. Die Plattform 25, Gemeinde- oder Schulverwaltung oder der Förderbeirat und die Fachbeiräte der sich auch der Kulturbereich letztes bei der Zusammenlegung von Abtei- aus Spargründen in eine einzige neue Jahr mit vielen Kulturinitiativen ange- lungen der Landesverwaltung. Im Rah- Beiratsform fließen (vgl. Kleine Zeitung, schlossen hat, ruft zu Aktionen und men des „Dienstleistungsunternehmens 06.03.2012). Demonstration auf. Auf ihrer Website Steiermark1“ wurde die Kulturabteilung Die Reformgeschwindigkeit kann findet sich eine Petition an die Steier- aufgelöst, um nun gemeinsam mit jener kaum noch überboten werden: Ver- märkische Landesregierung für eine für Europa und für Außenbeziehungen gangene Woche wurde die Novellierung umsichtige und nachhaltige steirische vom ehemaligen Büroleiter des Landes- des Gesetzes öffentlich und bereits sie- Kulturpolitik. || rates geführt zu werden. Laut offizieller ben Tage später im Ausschuss beschlos- Sprachregelung stellt diese Zusammen- sen. Das Zeitfenster für Diskurs wird legung eine besonders wichtige Neue- nicht einmal gekippt, geschweige denn rung dar: Man wolle der Kultur damit geöffnet. Bereits in 13 Tagen wird das mehr Türen nach außen öffnen und In- neue Gesetz im Landtag beschlossen Weitere Infos unter: ternationalität herstellen. sein, aber eben ohne die Paragraphen, www.plattform25.at Bereits letzte Woche wurde die in denen der Landeskulturbeirat enthal- http://igkultur.mur.at nächste Strukturveränderung im Kul- ten war. turressort öffentlich: Der Landeskul- Gewaltig, mit welcher Wucht Tü- 1 www.verwaltung.steiermark.at/cms/ turbeirat, der als Schnittstelle zwischen ren geschlossen werden bzw. was das dokumente/11184526_47148566/ea9221e1/ Kulturschaffenden und Kulturreferent_ Motto „wir machen alles neu“ mit sich 12.02.15%20Dienstleistungsunterneh- men%20Steiermark.pdf innen galt und als Beratungsgremium bringt. Kaum, dass der Landeskultur- für die Landesregierung zu kulturpoli- beirat von Landesrat Buchmann mit der tischen Fragestellungen im Land Stei- Schaffung von Kriterien für die neuen ermark eingesetzt werden konnte, wird Förderverträge betraut wurde, wird er Caroline Oswald-Fleck abgeschafft. Zu diesem Zweck novel- von der Landesregierung aufgelöst! lierte Landesrat Christian Buchmann Fraglich ist auch, was der neue „Open IG Kultur Steiermark, freie Theaterschaf- fende in Karenz (Theater drahtseilakt, Das das Kunst- und Kulturfördergesetz, das Call“ für die Kulturinitiativen zu be- andere Theater) erst 2005 von einer Expert_innengrup- deuten hat, das wird aber bis Ende des

politik 17 Freies Theater Innsbruck Ein neuer Ort für kreative Theaterarbeit entsteht

Von Florian Eisner

Die „Alpenhauptstadt“ Innsbruck hat sich in den vergangenen strukturierten Trägerorganisation gliedert sich in einen Vor- Jahren zu einer lebendigen Theatermetropole entwickelt. stand und einen Beirat, wobei der Beirat aus Vertreter_in- Durch die kontinuierliche Arbeit von professionellen, frei- nen der unterschiedlichsten Kunstsparten wie Architektur, en Theaterbühnen wie dem Innsbrucker Kellertheater, dem Tanz, Performance, Film, etc. besteht und die Aufgabe hat, Westbahntheater oder Theater praesent, aber auch durch das die Struktur offen zu halten und durch Vernetzungen nach seit 2008 alle zwei Jahre stattfindende Freie Theaterfestival außen hin zu bereichern, während der Vorstand auch das Feld Theater trifft und zahlreiche weitere Theaterinitiativen ist ein der Theaterschaffenden im konkreteren Sinn abdeckt. Durch breites, lebendiges Feld künstlerischer Betätigung entstanden, eine Aufteilung der verfügbaren Zeit in Zeitmodule, über die das die althergebrachte Arbeit des Tiroler Landestheaters mit Vorstand und Beirat jeweils nach einem bestimmten Schlüssel neuen Impulsen ergänzt, die kulturelle Vielfalt der Stadt in verfügen können, ist gewährleistet, dass sich verschiedene den Bergen bereichert und immer neue Kreativschaffende aus und vielfältige Arbeitsweisen und künstlerische Positionen verschiedenen Kunstsparten dazu motiviert, sich im Theater- im Freien Theater Innsbruck wiederfinden können. bereich zu engagieren. Viele dieser Initiativen waren bislang Der Beirat ist bestellt, der Vorstand gewählt, derzeit wird gezwungen, ohne festen Raum und daher ohne klares Zen- an der inhaltlichen Definition der konkreten Vorhaben für trum oft unter schwierigsten Bedingungen zu arbeiten – eine 2013 gearbeitet, während die große Baustelle am Innsbrucker Situation, wie man sie auch aus zahlreichen anderen Städten Landhausplatz planmäßige Fortschritte vermelden kann. Dort innerhalb und außerhalb Österreichs kennt. entsteht nicht nur der rund 6 Meter hohe Theatersaal, der Doch Innsbruck ist anders! Das engagierte Team der variabel bestuhlbar sein und zwischen 120 und 170 Zuschau- Kulturabteilung der Stadt hat den wiederholten Input der er_innen fassen wird, sondern auch das von dem weltweit freien Theaterschaffenden aufgegriffen und mit dem „Freien agierenden Hörimplantate-Konzern MED-EL projektierte, Theater Innsbruck“, das im Dezember 2012 eröffnet wird, kreativ-spannende Museum rund ums Hören. Kurz: Ein Ort, eine räumliche Basis für freie Theaterarbeit in Innsbruck der innovative Synergien, künstlerische Kooperationen und geschaffen. Das Theater versteht sich als Infrastrukturmaß- kreative Theaterarbeiten fördert! || nahme, hat also kein eigenes Produktionsbudget und wird daher von Initiativen, Gruppen und Vereinen der freien Szene bespielt und genützt werden. Dabei ist aber nicht nur an eine Florian Eisner reine zusätzliche Spielstätte gedacht, um die akute Raum- freier Regisseur und Schauspieler in Wien, Innsbruck, Kärnten, der not zu mindern. Vielmehr soll das Freie Theater Innsbruck Schweiz und Italien. 2006 Gründung von Theater praesent in Inns- nach einem ausgeklügelten Modus auch ein eigenständiges bruck, seitdem dessen künstlerischer Leiter. Arbeiten für Film und künstlerisches Profil erhalten. Die Leitung der als Verein Fernsehen.

18 gift 02/2012 sandkasten Maria Hofstätter geb. 1964 in Linz, ist Schauspielerin in Wien und gemeinsam mit Dietmar Nigsch Leiterin des Projekttheaters Vorarlberg. Ab Herbst ist sie in der achtteiligen Serie Braunschlag von David Schalko im ORF zu sehen. gift: Wann war dir klar, dass Schauspielen dein Beruf wird? gift: Was rätst du Menschen, die Schauspieler_in werden Maria Hofstätter: Nachdem ich während meines Geschichte- wollen? Studiums fünf Jahre Kabarett gespielt habe. Aus dem „ne- Hofstätter: Ich weiß keine Rezepte! Am besten machen, benbei“ ist sukzessive ein „hauptsächlich“ geworden. wozu man Lust hat! gift: Wie wichtig ist dir deine Theaterarbeit in der freien Sze- gift: Hattest du schon einmal ein komplettes Blackout auf ne im Verhältnis zu Film- und Fernsehproduktionen? der Bühne? Wie bist du damit umgegangen? Hofstätter: Die freie Theaterarbeit ist mein Standbein, alles Hofstätter: Ja, das ist mir bis jetzt zwei mal passiert. Es ist andere mein Spielbein. Ich schätze, wie der Name schon sagt, grauenhaft! Meine Kolleg_innen haben mich gerettet. die Freiheit am meisten. Ich bin aber sehr froh, dass ich freie Theaterarbeit, Film und Fernsehen kombinieren darf. So gift: Satire und Tragisch-Komisches scheinen dein Element schön freie Theaterarbeit ist, so anstren- zu sein, wird eine Rolle für dich erst in- gend ist sie auch. Ein beträchtlicher Teil teressant, wenn sie einen „schwierigen“ der Arbeit besteht ja darin, die Rahmen- Charakter hat? bedingungen für die künstlerische Arbeit Hofstätter: Für mich gibt es ja gar kei- zu schaffen! Insgesamt lohnt sich der Auf- ne „unschwierigen“ Charaktere. Jeder wand meistens – nicht unbedingt finanzi- Mensch ist unglaublich vielschichtig. Im ell, aber künstlerisch. Man liefert nicht nur besten Fall gelingt es dem Schauspieler einfach seine Rolle, sondern übernimmt – egal in welcher Rolle – diese Mehrdi- Verantwortung für das Ganze. mensionalität spürbar zu machen. gift: Dein Statement zur SVA? gift: Hältst du es für wichtig, dass öster- Hofstätter: Das Wort SVA löst bei mir un- reichische Dialekte einen Platz auf der gefähr dasselbe aus wie das Wort AMS © Katharina Ganser Bühne und vor der Kamera haben? oder Finanzamt – man möchte möglichst wenig damit zu Hofstätter: Ja klar, der Dialekt ist unsere wirkliche Mutterspra- tun haben. Man spürt eine Art Schuld, ohne genau zu wis- che, und in der kann man sich viel genauer ausdrücken. sen, was man eigentlich verbrochen hat. gift: Lieblingsserie als Kind? gift: Gibt es für dich Grenzen auf der Bühne? Hofstätter: Flipper. Hofstätter: Ja sicher! Aber ich ziehe sie nicht selbst, sondern stoße dran. gift: Wie sieht dein perfekter freier Tag aus? Hofstätter: Dass ich genau nicht weiß, wie er aussieht, gift: Was war das ausgefallenste Erlebnis, dass dir für die sprich frei ist. Vorbereitung einer Rolle widerfahren ist? Hofstätter: Mir bleiben eher Zeiträume und Themen im Ge- gift: Top 3 der Dinge/Tätigkeiten, die du gar nicht gerne dächtnis, zum Beispiel alle Recherearbeiten im Zuge von machst, aber nun mal machen musst? Ulrich Seidl Filmen: Behinderten-WGs (oh ich glaub, so darf Hofstätter: Steuererklärung, Klo putzen, Schuhe putzen (fast man das nicht mehr sagen, eher WGs für Menschen mit be- wollte ich schon sagen: Interviews geben!). sonderen Fähigkeiten), die Geriatrie in Lainz und viele Be- gegnungen mit extrem religiösen Menschen. Interview: Katharina Ganser

politik 19 WIDERAUFBAU

Ein kräftiges Lebenszeichen der freien Kulturszene in Kärnten

Von Brigitte Strasser

Aus Kärnten stammen international anerkannte zeitgenös- gegen rechts sowie Rainer Zendron, Vizerektor an der Kunst- sische Künstlerinnen und Künstler aller Sparten. Allein in den universität Linz, Künstler und langjähriger Kulturarbeiter, der Bereichen Bildende Kunst, Literatur, Musik, Theater und Film das Symposium sinnigerweise mit Nachrichten aus der Vor- sind große Persönlichkeiten sowohl aus der slowenisch- wie hölle einleitete und so für das warm-up sorgte. auch deutschsprachigen Volksgruppe vertreten. Sie alle zu Die Impulsreferate waren derart anregend, dass von nennen ergäbe eine lange Liste, die sich sehen lassen kann. den ursprünglich geplanten, durchstrukturierten Workshops Kärntens freie Kulturszene hingegen fristet seit Jahren zu Gunsten von moderierten offenen Diskussionen mit den ein kümmerliches Dasein. Viele Kulturinitiativen mussten Referent_innen Abstand genommen wurde. Das Feedback trotz hohem (meist ehrenamtlichem) Einsatz der Mitarbei- war durchwegs positiv, einzig kritisiert wurde, dass die Zeit ter_innen ihre Tätigkeit einstellen, einige wanderten in an- zu knapp bemessen war. Mehrfach wurde das Interesse an dere Bundesländer ab. Dabei könnte mit vergleichsweise einer Fortführung des Diskurses in regelmäßig stattfindenden bescheidenen Mitteln die Minimalstruktur dieser Initiativen Symposien dieser Art geäußert. Deutlich wurde bei den Teil- und eine vernetzte Zusammenarbeit gewährleistet werden. nehmer_innen auch der Wunsch nach einem verstärkten Statt dessen fließen die Kulturgelder, wie den Kulturberich- Netzwerk, das Interessenvertretung, aber auch Ideenpool sein ten des Landes zu entnehmen ist, nach wie vor übermäßig soll. Eine Plattform mit Basisinformationen über die einzel- in Folklore und fragwürdige Megaevents bzw. kommerzielle nen Initiativen solle eingerichtet werden, so dass Allianzen Veranstaltungen, die sich selbst finanzieren könnten und vor- bei Projekten erleichtert werden, was vor allem auch für neue nehmlich dem Tourismus und der Unterhaltung dienen. Die Initiativen hilfreich wäre. freie Kulturszene und das vorhandene Publikumsinteresse Aber nicht nur administrativ-organisatorische, sondern werden ignoriert. auch inhaltliche Vernetzung wurde diskutiert. Über gemein- Die Ignoranz der Landeskulturabteilung ihrerseits igno- same Aktivitäten sollen die Kulturinitiativen eine bessere rierend, haben sich einige Kulturinitiativen zur ARGE FREIE Wahrnehmung in der Kärntner Öffentlichkeit erlangen. Aus KULTURARBEIT1 zusammengeschlossen, um einen aktuellen diesen Anregungen heraus hat Mitte Februar ein erstes Ver- kulturpolitischen Diskurs einzuleiten. Wie autonome Kul- netzungstreffen stattgefunden, an dem Symposiumsteilneh- turinitiativen unter widrigen Rahmenbedingungen nicht nur mer_innen aus rund 15 Initiativen teilgenommen haben. Es überleben, sondern sich auch weiterentwickeln und neue wird an einem großen gemeinsamen Projekt für 2014 gear- Freiräume erobern können, war das Thema des zweitägigen beitet, an dem möglichst viele Kärntner Kulturschaffende aus Symposiums WIDERAUFBAU. Kulturpolitische Perspekti- allen Sparten teilnehmen sollen. Fortsetzung folgt! || ven für Kärnten/ Koroška mit dem Ziel, gemeinsam Hand- lungsmöglichkeiten zu entwickeln, die längerfristig zur För- derung und vermehrten Präsenz freier Kulturarbeit in Kärnten 1 ARGE FREIE KULTURARBEIT wird repräsentiert durch AGORA, Kla- beitragen sollen. Unterstützt wurden die teilnehmenden Ver- genfurter Ensemble, Kulturhof Keller, Musikforum Viktring, UNIKUM, treter_innen aus etwa 25 Kulturinitiativen aller Kunstsparten VADA, Verein Humorfestival und Verein Innenhofkultur. (auch einige wenige Interessierte aus Politik und Verwaltung fanden sich ein) dabei von „Entwicklungshelfer_innen“ wie Brigitte Strasser Marion Walter vom Gängeviertel Hamburg, Barbara Larcher und Thomas Duschlbauer von Social Impact, Martina Reuter ist Vorstandsmitglied der IG KIKK und war Projektleiterin des Sym- posiums WIDERAUFBAU von der Wochenklausur, Tina Leisch von der Kulturkarawane

20 gift 02/2012 © Armin Bardel: Stefan Novak in Zu MoZart schmelzen Theater Mowetz Höllenfahrt, k/haus 2006

politik 21 diskurs

Vadaismus: Distanzlose VADA warum? Plotmontage im kleinsten Die Gründung von VADA fußt auf jahrelangen regelmäßigen Theater der Welt Theaterbesuchen und großer Frustration – darüber wie volks- fremd das Theater noch immer ist und wie verhältnismäßig Von Felix Strasser und Yulia Izmaylova wenig sich die künstlerischen Bühnenverfahren seit der griechischen Tragödie verwandelt haben. Selbst die innova- tivsten Inszenierungen an den großen Häuasern stellen nur ein Sammelsurium aus Kompromissen dar, eine Aneinander- reihung von verschiedentlichen optischen und akustischen Krücken, die in einer riesigen Distanz zwischen Schauspiel und Publikum resultieren, teilweise unüberbrückbarer als im Fernsehen. In der Off-Szene gab und gibt es viele Überwindungsver- suche, jedoch meist nur in einzelnen Ausnahmeprojekten und selten als nachhaltiges Entwicklungskonzept. Diese künstle- rische „Marktlücke“ versucht VADA seit 2004 zu stopfen so gut es geht. Der Vadaismus ist keine neue Lehre, sondern eine Weiterführung von vielen bereits angestellten, heute gesell- schaftlich und politisch wieder hochaktuellen Ansätzen und Konzepten, die von den Weltkriegen weitgehend vernichtet wurden. VADA greift die Vorgaben der russischen Futuristen, der Dadaisten, der russischen Absurde (OBERIU), von Ein- zelpersonen wie Paul Scheerbart, Karl Valentin, Kazimir Ma- levitsch, Antonin Artaud und anderen dramatischen Giganten auf – kombiniert sie mit Einflüssen moderner Vorbilder wie Adolfo Assor (Garn Theater Berlin) oder Ljudmila Rosch- kovan (Teatr-studija Tschelovek) – und generiert daraus den Weg des Theaters ins dritte Jahrtausend. Die nachfolgenden Prinzipien unseres Theaterschaffens wurden 2005 im Vadais- tischen Manifest „Theater der letzten Seite“ verankert. Seine Verkündung war jahrelang Teil unserer Inszenierungen – Ende

© VADA 2012 wird es im Taschenbibelformat publiziert.

22 gift 02/2012 VADA was? VADA wie?

VADA will in erster Linie verblüffende und anregende Li- Schlichtweg grotesk ist die Idee, zur Konsumierung von teratur verbreiten. Um das Gehirn durch unaufhörliche As- Kunst bei hohem Eintrittsentgelt in Vorauskasse (ohne soziationsketten auf Trab zu halten, greift VADA dabei auf Rückerstattung bei Langeweile), beizeiten unter Berücksich- die Technik der „Plotmontage“ zurück – ein seit den 1920er tigung von Dress Codes, in einen samtgepolsterten Tempel Jahren angewandtes Verfahren der Kompilation von Kurzzi- pilgern zu müssen. Theater muss für jedermann leistbar und taten, das hauptsächlich auf Alexandr Rodtschenko, Raoul frei zugänglich sein. Daher geschehen alle Veranstaltungen Hausmann und Erwin Piscator zurückgeht, und eng mit der von VADA bei freiem Eintritt. Freiwillige Spenden werden Entwicklung der Photomontage verbunden ist. gerne entgegengenommen, allerdings prinzipiell erst nach Die Hauptarbeit der vadaistischen „Plotmonteure“ liegt der erbrachten Leistung, also am Schluss der Darbietung, in der Literaturrecherche und -auswahl. Wichtigstes Kriterium was eine gewisse „Leistungskontrolle“ mit sich bringt. Zur ist die dramatische Wirkung des Materials – egal ob es aus „Qualitätskontrolle“ sucht VADA nach jeder Veranstaltung Dostojevskijs Schuld und Sühne oder aus dem Schnittbogen die Diskussion mit dem Publikum, die direkt in die kommen- für den Sommerrock der Burda stammt. Ein gewisser Schwer- den Arbeiten einfließt. punkt liegt aber zweifelsohne auf selten gespielten Autoren VADA nimmt Abstand von allem, was unnötige Distanz der russischen Literatur und der Avantgarde des beginnenden zum Publikum bewirkt – von Podesten, Bühnengräben, auf- 20. Jahrhunderts. wändigen Kulissenspäßen und Großveranstaltungen. Es gilt Ziel ist es, ein Skript herzustellen, das bereits lediglich die Physik: Je kleiner der Raum, desto größer die Nähe zum vorgelesen eine Wirkung beim Publikum erreicht – die An- Publikum. Diese kann noch durch behutsame Lichtkonzepte regung des dramatischen Appetits, d.h. Lust auf noch mehr unterstützt werden, die nicht die Gesichter der Akteur_innen VADA, noch mehr saftige Literatur, noch mehr Gedanken- ausbleichen und die Zuseher_innen im Dunkel verschwinden spiel macht. lassen. Dann erst wird der direkte Blickkontakt mit dem Publi- Was ist ein Plot? – Ein imaginäres Loch in der Wand. In der kum ermöglicht, der absolut notwendig ist, wenn man seinem Seele, im Gedächtnis. Durch dieses Loch sieht, hört, kommt Gegenüber eine Geschichte erzählen will! Ein enger Rahmen man. [...] die Plotmonteure montieren diese Durchsichten erlaubt außerdem den gänzlichen Verzicht auf akustische zu Plottürmen, Gebäuden, zu geistigen Wohnungen, zu Verstärkungsmaschinerie und begünstigt den Einsatz eines Licht-, Kraft-, Vergnügungs- und Spiegelhäusern. [...] sie vielfältigeren und subtileren Arsenals an Stimmvariationen sind Montanisten, Höhenstürmer, verdrehen, verspiegeln, – Flüstern, Säuseln, Schmatz- und Klicklaute oder Experi- vergrößern, verfärben die Löcher um Nuancen, um Schatten mente mit der so genannten „Kamelsrhetorik“ – dem Spre- oder Lichter. [...] Und machen ohne Bühne die Welt zur chen mit von Essen vollem Munde. Die Nahrungsaufnahme Bühne. Mit erstaunlichem Inhalt. (Gösta Maier) der Akteur_innen gemeinsam mit dem Publikum ist auch ein wesentlicher Bestandteil einer Vadaistischen Inszenierung. Ihre Fähigkeit der Verschmelzung der realen Welt mit der Sie verstärkt ebenfalls das Gefühl, sich auf einer Ebene mit Phantasie- und Traumwelt lässt uns als vor unlösbare rhe- den Akteur_innen zu bewegen. torische Rätsel gestellte Betrachter in geistreich ausgezehr- ter Erwartung zurück. (Zdravko Haderlap) VADA wo? Allein die Botschaft bleibt immer die eine: ein Plädoyer für Menschlichkeit und bedingungslose Demokratie sowohl im VADA bespielt vorzugsweise nicht Theater, sondern Wirts- Schaffensprozess als auch im Umgang mit dem Publikum häuser, Cafés, Klubs. Mit dem Angebot Theater für den Herr- [...] (Gerhard Lehner) gottswinkel sucht VADA auf Bestellung auch Privathaushalte

diskurs 23 Nach jeder einzelnen Vorstellung spüren wir, dass der Bedarf nach Vadaistischem Theater schier unerschöpflich ist und ebenso sein Potential.

auf, spielt in der Küche oder im Wohnzimmer vor dem abge- Als Antwort auf die anfänglichen wiederholten Förderungs- deckten Fernseher. (Übrigens genauso zum Spenden-Tarif.) absagen durch das Land Kärnten mit der Begründung, Seit 2008 experimentiert VADA mit Theater auf allerengstem was VADA macht sei vollkommen unrentabel und unwirt- Raum. Unter der Bezeichnung Intimes Volkstheater spielen schaftlich, möchten wir an dieser Stelle nachreichen, dass die Akteur_innen für eine/einen bis zehn Zuseher_innen in das Kremlhoftheater Villach mit seiner durchschnittlichen Speisekammern, Toiletten, Starkstromverteilern, Krankabinen Publikums-Auslastung von über 100 Prozent in relativen und treten ihnen dabei fast auf die Füße. Diese Theatersitu- Werten gesehen aus betriebswirtschaftlicher Sicht bedeutend ation bewirkt äußerst besser dasteht als das intensive Emotionen Burgtheater oder die und unvergessliche Staatsoper. Im Febru- prägende Erlebnisse ar 2012 ging mit dem für alle Beteiligten. Jugendstil­theater Kla- Aufgrund der durch- genfurt (kurz JUST) wegs positiven Re- das zweite VADA- aktionen hat VADA Theater ans Netz. beschlossen, diese Diesmal im 1913 Situation zu institu- nach Plänen von tionalisieren: 2009 Franz Baumgartner eröffnete VADA in errichteten Pissoir Zusammenarbeit mit des Klagenfurter der Kulturinitiative Künstlerhauses. Auf kärnöl das Kreml- 10 m2 sind ein Foyer, hoftheater Villach. eine Garderobe und

Die für den Thea- © Smoliner ein Zuschauersaal terbetrieb modifizierte Gartenlaube im Vorgarten des Kul- mit 10 Sitzplätzen eingerichtet. Das JUST funktioniert im turzentrums Im Kreml (Schütte-Lihotzky-Haus) fasst acht Wesentlichen wie das Kremlhoftheater. Zuseher_innen und hat einen Bühnenraum von 1,30 x 1,30 Ein besonderer Höhepunkt für die beiden Kleinsttheater Metern. Das Kremlhoftheater zeigt Eigenproduktionen sowie ist die Beherbergung des Monodramenfestivals Mono Bene, Gastspiele – uns beehrten Wolfram Berger, Kurt Palm, The- das erstmals im September 2012 mit internationalen Gästen ater WalTzwerk, Vladimir Tolstoj, Peter Raab, Nikita Izmay- und der Verleihung des Kremlhofordens erster Klasse für das lov u.v.a. – und bietet als Mehrspartenhaus Sprechtheater, beste Monodrama ausgerichtet wird. Autor_innen-Lesungen, Kabarett, literarisch-musikalische Abende, Ballett, Artistik und (ab Sommer 2012) Theater für junges Publikum. Neben den angekündigten Terminen kön- VADA wo noch? nen Vorstellungen auch individuell gebucht werden. 2011 bestätigte GuinnessWorldRecordsTM das Kreml- Ein grundsätzliches Anliegen von VADA ist es, besonders hoftheater offiziell als kleinstes Theater der Welt. Nicht zu- kulturell unterversorgte Gebiete mit anspruchsvollem Theater letzt ist dieser Umstand angesichts der Kärntner Subven- zu versorgen. Das heißt, künftig vermehrt in den ländlichen tionspolitik auch ein kulturpolitisches Statement. Raum zu expandieren. Ein Bewohner oder eine Bewohnerin

24 gift 02/2012 des Kärntner Lesachtals zum Beispiel muss über 100 Kilome- ter mit dem Auto zurücklegen, um ins nächstgelegene Theater VADA nach Villach zu gelangen – eine Zumutung. Das Kremlhof- theater Villach und das Jugendstiltheater Klagenfurt dienen Verein zur An­regung des VADA nicht zuletzt als Bewährungsprobe, als Modellprojekte für das Regionaltheaterkonzept theflädeck – Theater flächen- dramatischen Appetits deckend. theflädeck sieht die Installation eines Netzes von »» Im ständigen Ensemble: Daniel Herzig (Linz), Yulia Kleinstbühnen über ganz Kärnten vor. In der Endphase soll Izmaylova (Moskva), Boris Randzio (Düsseldorf), Felix jede/r Einwohner_in des selbsternannten „Kulturlandes“ im Strasser (Hermagor) Umkreis von 30 Kilometern von seinem/ihrem Wohnort ein »» Hat seit 2004 in über 20 Eigen- und Koproduktionen regelmäßig bespieltes Theater vorfinden können. Der Betrieb mit mehr als 200 Vorstellungen rund 6000 Zuseher_in- eines Kleinsttheaters ist für eine Gemeinde ungleich attrak- nen erreicht tiver als die Führung eines Kultursaales o. ä. Die Kosten sind »» Auftragsarbeiten für UNIKUM, Gemmakunstschaun, niedrig und die Gemeinde verfügt über ein eigenes Theater- klagenfurter ensemble u.a. haus mit regelmäßigem und abwechslungsreichem Programm »» Gastspiele in Österreich, Deutschland, Italien, der inklusive nationalen und internationalen Gastspielen, das Schweiz, der Russischen Föderation und der Republik auch für lokale Gruppen als Experimentierfeld offen steht. Kyrgyzstan Dabei sind auch „Franchise-Modelle“ vorstellbar ... »» Zwei feste Häuser – das Kremlhoftheater Villach (kremlhof.vada.cc) und das Jugendstiltheater Klagen- furt (just.vada.cc) VADA wie lange noch? »» Auszeichnung der Republik Kyrgyzstan für internati- onalen Kulturaustausch, Kärntner Landeskulturförde- Nach jeder einzelnen Vorstellung spüren wir, dass der Bedarf rungspreis, Prämie des bm:ukk für Nein Naus nach Vadaistischem Theater schier unerschöpflich ist und ebenso sein Potential. Wir werden uns voraussichtlich bis an Tel.: 0680 / 246 11 52 unser Lebensende für und mit dem Vadaismus beschäftigen E-Mail: [email protected] müssen und hoffen, immer wieder neue Mitstreiter_innen in unserem Boot begrüßen zu können, die den Vadaismus auf www.vada.cc ihre Weise mitprägen wollen. ||

Die Autor_innen

Yulia Izmaylova geb. in Moskau/RF, mit Poijonglage & Fiery Arts zahlreiche Straßen- und Festivalauftritte in Russland, Ukraine, Indien; 2004-07 Schauspielerin im Ensemble von Kirill Ganin, seit 2006 Arbeit mit VADA, lebt jetzt in Hermagor, Co-Intendantin von Kremlhoftheater Villach und Jugendstiltheater Klagenfurt

Felix Strasser Regisseur und Darsteller, seit 2009 Intendant des Kremlhoftheaters Villach, Chef-Plotmonteur bei VADA – Verein zur Anregung des drama- tischen Appetits

diskurs 25 © Armin Bardel: Birgit Krammer in Warum? Theater Drachengasse 2004

26 gift 02/2012 bilderrahmen Armin Bardel fast genau wie bei meiner vorgängerin im bilderrahmen, Bet- äußerst faszinierend finde ich zudem – wie so oft in der tina Frenzl, begann es damit, dass ich mitte der 90er jahre photographie – die konfrontation & (nach möglichkeit auch) im Odeon – aus der letzten reihe & alles andere als offiziell auseinandersetzung mit einer vielfalt von immer neuen the- – einige photos machte. diese bilder von der legendären Billy men, stoffen & stücken, mit unterschiedlichsten inszenie- Budd-produktion der Neuen Oper Wien sollten fünf jahre rungen und allen daran beteiligten. die camera ist dabei später der schlüssel zum einstieg in's metier sein. (fast) unbeteiligter voyeur zwischen bühne und publikum, erste weitere theaterphotographische schritte folgten gelegentlich auch hinter den kulissen. im idealfall selbst wie dann zur jahrtausendwende am International Theatre und unsichtbar, entdeckt sie ansichten & momente, die sonst oft am Burgtheater, sowie bei der Theaterbörse der IG Freie zwangsläufig verborgen bleiben. beizeiten ergibt sich sogar Theaterarbeit in Salzburg im jahr 2002. nunmehr bin ich die wunderbare möglichkeit, an einer produktion selbst mit- über ein jahrzehnt 'haus- & hofphotograph' bei der Neuen zuarbeiten und so einen zusätzlichen bescheidenen beitrag Oper und am Theater an der Wien, sowie bei den Wiener zu leisten. Festwochen. ganz wesentlich & bereichernd war von be- jedes stück lebt von & während seiner aufführung. ginn an die arbeit für die freie szene (mit Birte Brudermann, allein, wenn diese vorbei ist, bleiben – neben der erinnerung Carpa, dans.kias, ensemble adhoc, Irrwisch & Theater Mo- im kopf – wie immer nur die bilder. wetz, kabinetttheater, Miki Malör, Portraittheater, tanzthe- ater homunculus, ...). theaterphotographie fungiert für mich quasi als brü- cke zwischen den kunstformen: die darstellende kunst fin- geboren 1965 in Wolfsberg/Kärnten. studium der Landwirt- det bereits vor der ab-bildenden camera statt. das stück schaft, Philosophie & Sozialwissenschaften in Wien, sowie gilt es einzufangen, so zu erfassen, dass die bilder dessen Photographie in den USA. besuch diverser photoworkshops charakter bestmöglich wiedergeben. doch bloß bereits vor- in Österreich und Tschechien. freie künstlerische arbeiten handenes abzubilden, nur spiegel zu sein, wäre wenig be- seit 1983. tätigkeit im bereich Neue Medien. seit 2000 frei- friedigend, insbesondere angesichts eigener künstlerischer schaffender photograph mit schwerpunkt bühne. ambitionen unterschiedlichster natur. so ist darüber hinaus die große herausforderung, den bildern eine eigene note zu geben, ikonen zu schaffen, ohne dass dabei das stück www.arminbardel.at verloren geht. [email protected]

diskurs 27 Fokus Koproduktion IV: brut Wien

Drahtseilakte zwischen lokaler Projektförderung und internationaler Vernetzung

Das brut wird gelabelt als das zentrale Koproduktionshaus der freien Szene in Wien. Thomas Frank, Bettina Kogler und Haiko Pfost sprachen mit Sabine Kock über ihr „Kerngeschäft“ Koproduktion, über budgetäre wie zeitliche Engpässe im Umgang mit der lokalen Projektförderung und Entwicklungsarbeit in der internationalen Vernetzung.

Frank Kogler Pfost

© Peter Mayr

gift: brut ist das Koproduktionshaus der freien Szene – wel- geldwerte Leistungen an die Gruppen, und die Künstler_in- chen Stellenwert haben Koproduktionen in eurem Pro- nen bringen ihre Projektmittelförderung ein. Dabei sind die gramm? Bedürfnisse und Aushandlungsprozesse mit den einzelnen Thomas Frank: Nicht alles, was wir hier machen, ist Kopro- Gruppen sehr verschieden. duktion, aber Koproduktionen sind unser Kerngeschäft. Eine Koproduktion beschreibt formal ein Geschäftsverhältnis zwi- gift: Nicht alle Projekte, die ihr euch wünschen würdet, be- schen freier Gruppe und Haus. Es gibt eine Mischkalkulation. kommen Förderung von der Stadt Wien – wie wird das im Aus unserem Budget fließen sowohl Geldleistungen als auch Einzelnen verhandelt?

28 gift 02/2012 Es ist gut, dass die Künstler_innen über eigene Projektmittel verfügen. Haiko Pfost

Haiko Pfost: Es gibt ein gewachsenes Potential an Künst- gift: Wie viel finanzielle Mittel bringen die Gruppen ins brut ler_innen, mit denen wir regelmäßig zusammenarbeiten. mit? Grundsätzlich ist es mit denen, die langjährige Förderungen Haiko Pfost: Es ist schwierig auszuweisen, wie viel die Grup- bekommen, leichter, in Austausch zu stehen und daraus eine pen im Einzelnen für ein Projekt bei uns ausgeben. Generell Programmierung zu entwickeln. Wir versuchen aber, eine Zu- kann ich sagen, dass die eingebrachten Projektmittel zurück- sammenarbeit nicht davon abhängig zu machen, wie jemand gegangen sind. Pro Jahr werden in Summe etwa zwischen gefördert wird. 150.000 und 200.000 Euro über die Projektmittelförderung hier im Haus umgesetzt. gift: Habt ihr Mittel, um Projekte, die nicht gefördert werden, Thomas Frank: Aus der Stadt Wien! Es kommt aber durchaus selbst zu produzieren? vor, dass wir hier im Haus Projekte umsetzen, die aus anderen Haiko Pfost: Nein. Wir finden es aber grundsätzlich auch europäischen Städten Förderung bekommen. richtig, an einem Dualsystem festzuhalten. Es ist gut, dass Haiko Pfost: God's Entertainment beispielsweise haben vom die Künstler_innen über eigene Projektmittel verfügen und Hauptstadtkulturfonds in Berlin 50.000 Euro für eine Produk- sich dann an ein Haus wenden, wo sie ihr Projekt am be- tion bekommen, die sie am HAU realisieren und die wir auch sten realisiert sehen, so dass ein stimmiges Profil zwischen koproduzieren – und hier haben sie eine Jahresförderung von Künstler_innen und Haus zustande kommt. Gleichzeitig muss 30.000 Euro! Andererseits funktioniert in Berlin das Modell ein Haus, das nicht reines Produktionshaus, sondern auch Sophiensaele bis heute so, dass das Haus selbst fast keine Präsentationshaus sein soll, über Mittel verfügen, um eine Mittel hat, um frei zu entscheiden, was sie produzieren. Auch attraktive Programmierung zu ermöglichen. bei Gastspielen müssen sie immer einen Zusatzantrag einrei- chen oder ein größeres Projekt entwickeln, um internationale gift: Euer Budget beträgt etwa die Hälfte des TQW, ihr seid Gastspiele oder Koproduktionen realisieren zu können. Also aber das spartenübergreifende Haus der freien Szene – könnt die Sophiensaele sind – unter dem offiziellen Titel „Produkti- ihr so arbeiten, wie ihr wollt oder wie wären eure Wunsch- onshaus“ – streng genommen nur ein „warmes Haus“. bedingungen? Haiko Pfost: Es wäre schon ein großer Wunsch, dass die gift: Wie sind bei euch die einzelnen Koproduktionsmodi? Projektmittel entsprechend steigen, dass die Summen, die Wie schauen konkret Koproduktionen bei euch aus? in der Theaterreform angedacht waren, endlich umgesetzt Bettina Kogler: Sehr spezifisch. Wir bieten Dinge an, die werden. Das heißt für die gegenwärtige Situation umgekehrt wirklich benötigt werden, das ist unterschiedlich. Schon aber auch, dass aufgrund der eingeschränkten Projektmittel bei der Antragstellung schauen wir uns gemeinsam mit den weniger Gruppen Geld bekommen. Es gibt zudem in Wien Künstler_innen das Projekt an. Wenn die Projektmittel von viele andere Häuser in der freien Szene, die noch schlechter Stadt und Bund feststehen, diskutieren wir die realen Mög- ausgerüstet sind als wir, sich aber auch Koproduktionshaus lichkeiten – wie viel Budget ist da, was können wir finanziell nennen. ergänzen. Davor schon beginnen wir mit der Koprodukti- Das ist im doppelten Sinn keine gute Ausgangssituation onspartnersuche im internationalen Raum. Gerade bei unbe- für die künstlerischen Produktionsbedingungen. International kannteren Partner_innen ist es leichter, wenn eine Institution hat man ganz andere Möglichkeiten, auf Projektmittel zuzu- anruft statt eines/einer noch unbekannten Künstlers/Künstle- greifen, auch als Haus. In Berlin reden wir von 50.000 bis rin. Wir können unseren internationalen Partner_innen Pro- 100.000 Euro Projektmitteln pro Produktion – davon können jekte vorschlagen und wissen, wo wir im spezifischen Fall auf wir hier nur träumen. ähnliche Interessen treffen – auch ob Residencies, Previews

diskurs 29 oder Touring generell möglich wären. Im eigenen Haus bie- Fördermitteln zu bekommen. Und dann stellt sich die Fra- ten wir interne Produktionsleitung, Proberaumzeiten in der ge, wie sehr bin ich in einem Netzwerk gefangen und muss Zieglergasse und dramaturgische Betreuung durch uns drei. schauen, dass es funktioniert? Wie viel Eigensinn kann ich Wir sitzen in den Proben bis hin zur Generalprobe, aber nur, beibehalten und mit lokalen Interessen eine gewisse Flexibi- wenn es gewünscht wird. lität in dieses vernetzte Arbeiten einbringen? Wir haben ja Haiko Pfost: Das sind flexible Modelle. Es gibt auch Grup- mehrere EU-Projekte am Start. pen wie toxic dreams, die völlig autonom agieren. Aber das Haiko Pfost: Als wir hier ankamen war für uns der wich- ist eher die Ausnahme, da wir kein Abspielhaus sind. Mit tigste Schritt, in die Vermittlung nach außen zu investieren, vielen Gruppen und Einzelkünster_innen erarbeiten wir den damit die Sachen, die hier laufen, nicht nur dreimal spielen gesamten Weg der Produktion gemeinsam. Wir versuchen und dann verschwinden. Wir hatten beispielsweise gerade grundsätzlich nach der Premiere die Produktionen auch in- die vierzigste Aufführung von Spitze von Doris Uhlich, die ternational zu vermarkten. auf der ganzen Welt tourte. Voraussetzung dafür sind gute Produktionen, man kann nichts verkaufen, was Schrott wäre. gift: So ein Netzwerk ist ja nicht einfach da – teils habt ihr Das ist das Glück, dass es durchaus im Vorfeld eine sehr vitale eure Netzwerke schon mitgebracht, aber das wächst ja mit Szene gab, die sich gerade auch in den Jahren 2000 bis 2007 der Arbeit, ihr habt euch z. B. an das Freischwimmer-Format gebildet hat ... angeschlossen ... Bettina Kogler: … und die für den internationalen Kontext Thomas Frank: Es gibt fixe Austauschprogramme wie Frei- bereit war – auf einer ästhetischen und professionellen Ebene schwimmer, die immer im gleichen Verbund laufen, und es dort mithalten kann, sonst macht das keinen Sinn. gibt die viel dynamischeren Koproduktionen für einzelne Pro- Thomas Frank: Ich finde es wichtig, dass das Haus als ko- jekte, wo der Künstler, die Künstlerin im Mittelpunkt steht, produzierende Einheit mit den Künstler_innen funktioniert. und die Inhalte der Produktion, auf die man sich mit anderen Man hätte sich ja beispielsweise auch entscheiden können, Partner_innen verständigt. Die Netzwerke lösen sich nach mit einem größeren Koproduktionsbeitrag in die Projekte dem Projekt wieder auf, sind wenig institutionalisiert und er- reinzugehen, und dafür hier im Haus nichts mehr anzubieten. fordern einen erheblichen Kommunikationsprozess. Da muss Das finden wir aber nicht sinnvoll. Im brut arbeiten alle Ab- man ein Gespür dafür entwickeln: wer arbeitet gerade zu wel- teilungen des Hauses koproduzierend mit den Künstler_innen chem Thema oder an – vom Verfassen von welchem Format und Ich möchte Neues im Festival haben, aber schon Texten, Erarbeitung von wie können wir da technischen Lösungen, auch längerfristig denken. Bettina Kogler sinnvoll mit dem, was im Management und wir produzieren, an- der Produktionsleitung. knüpfen. Oder auch andersrum – was brauchen wir gerade Uns ist es wichtig, nicht einfach nur ein Abspielen hier zu für unseren Spielplan, in Relation zu dem, was wir in Wien ermöglichen, sondern Entwicklungsarbeit zu leisten, und ich mit den lokalen Künstler_innen entwickeln. glaube, das zahlt sich sehr aus, weil es Qualität sichert. Mit Netzwerkarbeit ist auch immer wieder ein entschei- versierten Kolleg_innen an den Inhalten und der Realisier- dender Punkt bei EU-Projekten, für die erst mal Netzwerke barkeit von experimentellen und innovativen Projekten zu gebildet werden müssen, um überhaupt den Zugang zu den arbeiten, das ist Koproduktion für uns.

30 gift 02/2012 Mit versierten Kolleg_innen an den Inhalten und der Realisierbarkeit von experimentellen und innovativen Projekten zu arbeiten, das ist Koproduktion für uns. Thomas Frank

Haiko Pfost: Zentral wichtig ist uns Nachwuchsarbeit. Wir wir über unsere Netzwerke gewinnen könnten, vorbei. haben uns bewusst dafür entschieden, ein breites Spektrum Haiko Pfost: Gleichzeitig hat es den Vorteil, dass man spon- von Künstler_innen anzusprechen, obwohl es einfacher wäre, tan reagieren kann. Deswegen gehören etabliertere Künst- man nimmt die erfolgreichen und produziert nur die. Wir ler_innen in eine Ein-, Zwei- oder Vierjahres-Förderung, weil sind auch das Risiko eingegangen, mit unerfahreneren Künst- sie selber und auch wir dann ganz anders planen können. ler_innen zu arbeiten. gift: Bettina, wie hat sich deine Arbeit als Kuratorin bei Bettina Kogler: Für die Juni-Einreichung 2012 müsste ich imagetanz verändert, seit es das brut gibt? wissen, welche Projekte ich im März 2013 bei imagetanz Bettina Kogler: Koproduzieren war zu Zeiten des dietheater habe, das ist für den Nachwuchs unrealistisch. Da bräuchte schwierig, ich habe derart Experimente gemacht, dass ich für ich einen Einreichtermin im Herbst, was aber dem längeren jede Produktion im Festival einen internationalen Partner Vorlauf widersprechen würde. Das ist ein wirklich schwer gesucht habe, um mein eigenes Budget zu erhöhen, das ist aufzulösender Knoten – ist das jetzt zu früh oder zu spät. mir fast zu 90 % gelungen, war aber natürlich sehr aufwändig. Mit brut kann ich viel bessere Bedingungen anbieten, die gift: Ihr versucht, Leute rauszuschicken und international Arbeit mit den Künstler_innen ist dabei das zentrale The- professionell zu machen, ladet aber auch ein – in welchem ma. Ich möchte Neues im Festival haben, aber schon auch Verhältnis? längerfristig denken, auch wenn etwas weniger gut gelingt, Thomas Frank: Im Koproduktionsgeschäft arbeiten wir fast oder es eine schwierige Arbeitsbeziehung gibt. Gerade bei ausschließlich mit lokalen Künstler_innen – wir koproduzie- Nachwuchsfestivals ist das wichtig. ren wenig international mit nicht in Österreich arbeitenden Künstler_innen, weil wir dafür nicht das Budget haben und gift: Wie sind bei euch die Vorläufe für die Programmie- darin auch nicht unseren Auftrag sehen. rung? Einladungen funktionieren inhaltlich eher in Bezug Thomas Frank: Ungefähr ein Jahr, mit dem Unsicherheits- auf unsere Produktionen – das ist die kuratorische Arbeit. faktor Projektförderung. Jetzt werden die Einreichungen für Das kann auch schon mal eine Koproduktion sein – was die zweite Jahreshälfte 2012 entschieden. Wir haben unseren bei einem internationalen Künstler meist nicht mehr ist als Spielplan für dieses Jahr fertig und müssen ihn umwerfen, eine im Vorfeld ausgesprochene Gastspieleinladung, die dem wenn die Projekte keine Förderung bekommen. Damit sind Künstler aber möglicherweise hilft, lokale Produktionsmittel wir im Vergleich zu unseren europäischen Partnern sehr, sehr zu erhalten, weil es die Produktion aufwertet, wenn es schon spontan in unserer Projektplanung. ein internationales Commitment dazu gibt. Bettina Kogler: Um nicht zu sagen – zu spät. Aber das hängt Haiko Pfost: Bei bestimmten Antragsformen braucht man mit der Dynamik der Stadt zusammen. im internationalen Kontext eine bestimmte Zahl an interna- Thomas Frank: Wir erfahren ja eigentlich erst im April/Mai, tionalen Koproduzenten, um wiederum an Projektmittel zu welche Projektentscheidungen für die zweite Jahreshälfte kommen. 2012 getroffen sind und erst dann wissen wir, ob das, was Thomas Frank: Der deutsche Hauptstadtkulturfonds bei- wir geplant haben, auch realisiert werden kann – völlig irre. spielsweise mag es sehr gerne, wenn man ein bis zwei inter- So kurzfristig findet man auch keine Koproduzenten. Damit nationale Koproduktionspartner hat, damit ist man schon mal läuft Wien an den internationalen Koproduktionsmitteln, die einen Schritt weiter. Das hat sich natürlich verändert – in den

diskurs 31 1980/90er Jahren gab es wenige Koproduktionshäuser, die Thomas Frank haben eine Produktion gemeinsam aus den eigenen Mitteln finanziert, die in allen Häusern tourte. Bettina Kogler: Manche haben auch nur das Geld für die (*1972), Studium der Theaterwissenschaft und Kommunikations- und Medienwissenschaft. 2000-2004 Assistent der künstlerischen Leitung, Produktion gegeben, ohne die Produktion dort zu zeigen. Dramaturg und Kurator am Künstlerhaus Mousonturm Frankfurt a.M., 2005-2007 leitender Programmdramaturg an den sophiensælen Ber- gift: Wo sind eure Grenzen bzw. welche strukturellen Verbes- lin. Seit 2007 gemeinsam mit Haiko Pfost künstlerische Leitung und serungen wünscht ihr euch? Geschäftsführung von brut – Koproduktionshaus Wien GmbH. Thomas Frank: Es gibt hier eine sehr ausdifferenzierte Häu- serlandschaften, aber die Arbeitsweisen der Häuser müssen geklärt werden, da passieren zu viele Dinge zufällig und das schadet dem Profil, und zwar nachhaltig. In den letzten zwei Bettina Kogler bis drei Jahren sind ein paar Häuser dazu gekommen, die versehentlich „Koproduktionshäuser“ geworden sind, ohne (*1974), Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft das das jemand beabsichtigt hat. Das schadet auch den Künst- mit Schwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit im kulturellen Bereich. PR-Tä- ler_innen, weil es eine Mitursache dafür ist, dass die Projekt- tigkeit im Bereich Musik von 1996-1998. Ab 1998 Produktionsleitung förderungen real knapper geworden sind. Es sind tatsächlich für freie zeitgenössische Tanzformationen. 2003-2007 verantwortlich mit den gleich bleibenden Projektmitteln mehr Spielpläne für imagetanz und Tanzprojekte in dietheater Wien. 2007 Kuratorische Mitarbeit an der CCLounge im ChoreographicCenterLinz. 2007-2009 zu befüllen. Geschäftsführung des Internetmagazins corpus (www.corpusweb. Wir würden auch gerne höhere Koproduktionsbeiträge net), 2008 Ko-Kuratorin bei der sommerszene salzburg. Boardmember zur Verfügung stellen können, aber als ersten Schritt fände ich und Programmdramaturgin der choreographic platform austria 09. es wichtig, dass die Künstler_innen mehr bekommen. Seit August 2007 Kuratorin bei brut – Koproduktionshaus Koproduk- tionshaus Wien GmbH. Haiko Pfost: Eigentlich ist es egal, wo das Geld herkommt. Es kommt auf die Gesamtsumme an. Wir wünschen uns schon lange, Produktionsleitungen hier ins Haus integrieren zu kön- nen – eine Art Produktionsbüro, eine factory ... Thomas Frank: … mit dem Ziel, die Qualität zu steigern. Das Haiko Pfost von uns vorgelegte Konzept hat die zuständige Jury sehr posi- tiv evaluiert, aber es kam eben nicht zur Realisierung. Es zielte (*1972), Studium der Theaterwissenschaft, Religions- und Kulturwis- auf eine klarere Unterscheidung des Präsentationsortes hier senschaft sowie Psychologie. 2001-2002 Assistent des Intendanten am Karlsplatz, und einem Werkstatttheater ab, wo gearbeitet am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, 2003-2004 Assistent werden kann mit angemessenen Probenmöglichkeiten, Büro- der künstlerischen Leitung und Dramaturg des Festivals Theater- strukturen, wo sich freie Initiativen flexibel andocken können, formen in Braunschweig und Hannover, 2004 Kurator und Leiter der Eröffnungsveranstaltung des Projektes Volkspalast in Berlin, 2006 ohne allzu viel eigene Struktur entwickeln zu müssen. Realisierung von Projekten für den steirischen herbst in Graz sowie Im Bereich Produktion gibt es durchaus Entwicklungs- zur Eröffnung des Tanzkongress Deutschland. Seit 2007 gemeinsam bedarf, und man könnte einiges bewirken, wenn man da inve- mit Thomas Frank künstlerische Leitung und Geschäftsführung von stieren würde. Aber angesichts der realen Entwicklungen ist es brut – Koproduktionshaus Wien GmbH. 2010/11 Programmjury des das erste Ziel, dass die Künstler_innen zu mehr Geld kommen, Festivals Politik im Freien Theater. um ihre Produktionen selbst aufstellen zu können. ||

32 gift 02/2012 Fokus Ko­produktion V: God's Entertainment

Politische Interventionen und kei- ne transzendentale Instanz

© God's Entertainment

God's Entertainment ist eine Wiener Künstler_innengruppe, die sich der zeitgenössischen Performance verschrieben hat. Über ihre guten und weniger guten Erfahrungen mit Koproduktionen, die wesentliche Rolle von Produktionslei- tungen und den Spaßfaktor in ihrer Arbeitsweise sprachen der Performer und Philosoph Boris Ceko und sein Kollege Simon Steinhauser mit Wolf Lamsa.

Zum Begriff Koproduktion

Für Boris Ceko sind Koproduktionen der fast ideale Rahmen, nicht die Netzwerke und Möglichkeiten, um eine Produktion um Projekte umzusetzen. Da bei Koproduktionen mehrere optimal umzusetzen. Da sind dann die Kolleg_innen vor Ort Institutionen, Projektpartner_innen, Künstler_innen und unsere wichtigsten Ansprechpartner_innen. Aber auch hier Gruppen zusammenarbeiten, werden einerseits Synergien in Wien, wenn wir zum Beispiel mit den Festwochen arbeiten, freigesetzt und andererseits lassen sich erhebliche Kosten ein- werden wir sehr gut betreut, von Kolleg_innen, die für jedes sparen. Doch auch in künstlerischer Hinsicht können Kopro- noch so kleine Problem sicher eine Lösung finden. Das ist oft duktionen für alle Beteiligten eine intensive und künstlerisch sehr anregend, unter solchen Umständen zu arbeiten. Auf der wertvolle Erfahrung werden. Dabei müssen nur einige Dinge anderen Seite hast du dann immer wieder Koproduzenten die beachtet werden, am wichtigsten ist für Boris Ceko dabei, dass versuchen, brutal die Gage zu drücken und im Arbeitsprozess Künstler_innen von ihren Kooperationspartner_innen geför- wirst du von denen auch nicht wirklich unterstützt, aber da dert und unterstützt werden. „Oft arbeiten wir ja in Hamburg, sitzt du als Performancekollektiv dann einfach am kürzeren Berlin, Prag oder sonst wo fern von Wien, und dort haben wir Hebel.“

diskurs 33 Die erfolgreiche Koproduktion

„Wirklich gut sind unsere Erfahrungen in Berlin, beim HAU, Für Boris Ceko sind diese Konfliktpunkte einerseits Motor dort ist es in der Vergangenheit immer optimal gelaufen“, im kreativen Prozess, aber wenn das Verständnis füreinander meint Ceko. Die Strukturen dort sind exemplarisch. Das fehlt, entwickeln sich die Probleme rasch zum Flächenbrand. wichtigste ist für God's Entertainment die künstlerische „Dann ist negative Energie auf der Bühne und alle sind an- Freiheit. „Wir wollen unsere Vorstellungen kompromisslos gepisst, arbeiten nur noch vor sich hin, also gegeneinander, umsetzen, ohne Probleme, nur so ist unser Erfolg garantiert. haben keinen Bock mehr auf die Produktion, und du kannst Und das ist am HAU in Berlin sehr gut möglich. Das Budget es vergessen, weil dann ist alles verloren.“ hält, was ausgemacht wurde, ist Fakt, da wird nicht noch mal neu oder nachverhandelt. Dann unterstützt uns das HAU auch personell sehr stark, durch Techniker_innen und Die missglückte Koproduktion Beleuchter_innen, die mit den Gegebenheiten des Raumes bestens vertraut sind und die sich völlig auf uns einstellen. God's Entertainment arbeitet für gewöhnlich ortsbezogen, er- Wir wiederum haben ja nicht so eine hierarchische Struktur, läutert Ceko. „Wir versuchen in unseren Arbeiten die Hand- das macht es für die Leute dort nicht immer einfach sofort zu lungen, das aktuelle politische Bild des jeweiligen Landes, wo sehen, was jetzt Sache ist. Da kommen dann die Produktions- wir gerade arbeiten, sowie den historischen Moment in sich leiter_innen ins Spiel, bei denen laufen alle Fäden zusammen widerzuspiegeln. So haben wir 2008 in der Slowakei versucht, und die sind im Entwicklungsprozess bis zur Premiere die mit dem Zentrum für Zeithistorische Forschung (Potsdam), wichtigsten Menschen für uns. Sie koordinieren alles – den Kampnagel (Hamburg), sophiensaele (Berlin), Theater Gans Probenplan, die Beschaffung der Requisiten und Kostüme, die an der Schnur (Brünn), Archa Theater (Prag) und der Kul- Pizzabestellungen, Interviewtermine mit der Pressabteilung, turstation (Zilina) ein Projekt zu machen und sind kläglich sie beschaffen Fahrkarten oder Medikamente, falls jemand gescheitert. Unser Plan war, die Situation der ungarischen Halsweh bekommt, – all diese Dinge, die du selbst nicht auf Minderheit zu reflektieren und das politische Leben in der die Reihe kriegst, weil du dort ja völlig fremd bist, im Haus, Slowakei verfälscht darzustellen. Wir wollten den Koproduk- in der Stadt und überhaupt. Die Produktionsleitung ist ein tionsort, die Kulturstation Stanica in Zilina, symbolisch an Teil von God's Entertainment, da besteht kein Unterschied die dortige ungarische Minderheit übergeben, als Symbol für mehr, und das ist dann eine gute Koproduktion. Das setzt eine moderne Demokratie und einen Akt der Völkerverstän- wohl eine nahezu übermenschliche soziale Kompetenz voraus digung in der heutigen Slowakei. Dazu wollten wir Gäste und ist das Erfolgsgeheimnis. Es darf keine Kompromisse aus Ungarn einladen und eine Rede auf Ungarisch halten, und keinen Streit geben, nur Lösungen. Im Laufe der künst- die ungarische Hymne spielen, die ungarische Flagge hissen lerischen Arbeit können so viele Konflikte entstehen, das ist und später ungarische Wurst austeilen, während ungarische unvorstellbar.“ Volksmusik dazu gespielt wird. Unser Koproduktionspartner

34 gift 02/2012 Zum einen kommen unsere Mitglieder ursprünglich aus verschiedenen Ost- und West- ländern, so dass wir die Poetik des Ost- und Westtheaters besser (er)kennen. Dann erfüllen wir die ästhetischen Ansprüche aller Partner bestmöglich durch die Ästhetik unserer eigenen experimentellen Arbeit. Boris Ceko

vor Ort lehnte diesen Plan mit der Begründung ab: ‚Wenn Sie Aspekt, doch im Prinzip bringen alle Menschen – Akteur_in- darauf insistieren, werden wir nicht mitmachen. Wir werden nen wie Zuschauer_innen – einen unterschiedlichen Back- nicht Stanicas Reputation auf dem Altar einer dummen, poli- ground mit, und so ist der Findungsmechanismus für den tischen, nationalistischen Agenda opfern.’ Leider wurde auch nächsten Plot oft kompliziert. Selbst bei einer Gruppe mit unser Alternativvorschlag – die Wiedervereinigung von Tsche- dem Namen God's Entertainment ist das, auch in religiöser chien und der Slowakei zu inszenieren – rundweg abgelehnt. Hinsicht, so. Mit dem Titel ist keine definierte transzendentale Als Kompromiss entstand ein Projekt, das wiederum unsere Instanz gemeint. Allerdings haben God's Entertainment auch Partner in Brünn verärgerte, dadurch wurden wir dort nicht den Formenkatalog religiöser Performances im Instrumen- beworben und das hat dann wieder für Verwicklungen mit tarium. Während einer performativen Messe wurden an das unseren Koproduzenten in Hamburg und Berlin gesorgt ...“ Publikum Kerzen verteilt und dann haben einhundertfünfzig Leute von selbst angefangen das Vater Unser zu beten, ganz Simon Steinhauser von God's Entertainment möchte in Zu- ernsthaft. So verlief eine von vielen erfolgreichen Koproduk- kunft mehr biographisch arbeiten, allerdings ist ihm der As- tionen, das war aber die Ausnahme, die Arbeit der Gruppe pekt des Politischen extrem wichtig. Weitere Faktoren sind wurde auch schon einmal mit dem Slogan beschrieben: The- für ihn eine gerechte Bezahlung und der Spaß an der Arbeit. ater bis der Arzt kommt ... || Entscheidend sind jedoch die Auseinandersetzungen mit den anderen Mitgliedern von God's Entertainment, den Freunden. Für Steinhauser sind sie der Motor der künstlerischen Arbeit, Nach einem Interview mit Boris Ceko und Simon Steinhauser vom der gemeinsame Prozess, die Ansichten und Meinungen am 17.02.12 und unter Verwendung von Material aus der deutschen Ausgabe Ende zu teilen. „Durch die intensive Zusammenarbeit haben der Prager Kulturzeitung Umelec 1-2011, Jg. 15 wir untereinander eine eigene Sprache, abseits der gemein- samen künstlerischen Formensprache, entwickelt. Diese Bei den Wiener Festwochen ist im Mai und Juni 2012 die Uraufführung Sprache besteht sehr stark aus Humor und besitzt eine hohe der Performance Österreicher integriert euch! zu sehen. Nähere Infor- mationen ab Ende April 2012 auf www.festwochen.at Skurrilität, die wir wiederum genau untersuchen ...“ Zu sehr ins Detail möchte er nicht gehen, aber er gibt zu bedenken, dass diese Gruppendynamik offen und integrativ ist, das muss www.gods-entertainment.org sie auch sein, God's Entertainment arbeitet durchwegs mit Leuten aus so genannten Randgruppen. Wolf Lamsa

Bei einer Performance sind die Mitgestaltungsmöglich- ist Kulturarbeiter und Dramaturg, lebt und arbeitet in Wien. keiten des Publikums ein möglicher oder auch ein zentraler

diskurs 35 Theater als politischer Verhandlungsort und politische Praxis im öffentlichen Konfliktraum

Von Gin Müller

Soll das Theater in Zeiten von Neoliberalismus und Globalisierung wieder zu einer moralischen Anstalt werden? Oder soll es experimentierfreudig andere Zusammenhänge suchen, „transversale“ Bündnisse eingehen, wieder politisches Tun thematisieren und Neudefinitionen seiner selbst kreieren? Wofür lohnt es sich heute noch zu kämpfen und wie erhalte ich meine Passion dafür aufrecht, braucht es mehr melodramatische Anrufungen in der Politik oder herzhafte Politik im Melodrama? Ist es heute in den inszenierten Welten der Medien sinnvoller passionierter Hacker oder militanter Aktivist zu sein? Und welcher Mediengewalt und Staatsmacht sehe ich dann ins Auge? Alles Theater oder Politik?

Zum einen geht es bei diesen Fragen wesentlich um die Kon- men. Der Emanzipationsgedanke besteht dabei weniger in textualisierung eines erweiterten Theaterbegriffs; bzw. darum einem ‚Hypertheater’, das abstrakte Präsenz gegen die Re- das Theater auch als bestimmte Interventions-Möglichkeit im präsentation setzt, sondern darin, neue Konflikträume zu öffentlichen Raum zu sehen. Zum Anderen, Theater/Perfor- schaffen und Aktionsfelder zu öffnen. Wenn Theater im Feld mance als Prozess des Lernens (mitunter auch im brechtschen des Politischen wirksam werden will, muss die Leere des Sinne der Lehrstücke, aber darüber hinaus) und der Erpro- Performativs gefüllt werden. Schau-Spielen wird ‚bewaffnet’: bung performativer Handlungsmacht zu bestimmen, konkret zum performativen ‚Acting’ als Spielen, Handeln und Tun in als Vermittlungsebene im Prozess kollektiver Selbstermäch- öffentlichen Konflikträumen tritt eine antagonistische Hand- tigungsprozesse: Theater als unmittelbare Praxis situativen lungsmacht. Lernens. Der Anspruch liegt dabei neben einem ‚performativ’ erweiterten Theaterbegriff wesentlich im kritischen künstle- rischen und politischen Tun und Agieren als solchem bzw. „Tactical frivolity“ und Erprobung per- der Suche danach. formativer Handlungsmacht Zwischen Theater und Politik wird, trotz aller Bezie- hungen und Überschneidungen, stets versucht, eine Grenzli- Klar, dass die theatrale Praxis gesellschaftliche Strukturen und nie zu ziehen. Dies scheint insofern evident, als das ‚Tun-als- Zugänge reproduziert, sie ist aber auch ein spielerisches Akti- ob’ im klassischen Theaterrahmen dem Performativ außerhalb onslaboratorium und vermag damit im dramatischen oder post- des Theaters diametral entgegengesetzt ist. Das Sprechhan- dramatischen Sinne Wahrnehmungswelten zu erschüttern. deln der Schau-Spieler_in bleibt im Normalfall nur auf der Hans Thies Lehmann beschwor das Theater in seinem Bühne des Theaters, darüber hinaus ist es ‚leer’, wie John L. postdramatischen Theaterbuch (1999) als affektives Medium, Austin (1962, How to do things with words) für die Sprach- das in einem diffusen Zwischenbereich, quasi in der „Lücke wissenschaft und auch Paolo Virno für die postoperaistische des Politischen“ Wahrnehmungswelten zu irritieren vermag, politische Theorie herausgearbeitet haben (Virno 2005, Eine denn in der Postmoderne stehe vieles auf dem Spiel (von performative Bewegung). Genderpolitik erzählt er nicht sehr viel ...). Ähnlich spricht Die heutige Medienwelt der westlichen Welt beherrscht der französische Philosoph Jacques Ranciere davon, dass die Inszenierungsmechanismen perfekt, das Theater scheint sich Aufteilung des Sinnlichen die Ästhetik der Politik definiert. im populären Niedergang zur Nischensparte vermehrt perfor- Die Verteilung des Sinnlichen setzt Verhältnisse von Tun, mativen Fragen zuzuwenden. Die Grenzverläufe zwischen Sein, Sehen neu zusammen. Kunst ist in diesem Sinn keine Theater, Performance und Politik, zwischen leerem Schein Ausnahme gegenüber anderen Praktiken, aber sie wirkt vor und Realität, werden mitunter verschoben und verschwim- allem dadurch politisch, dass sie ein Sensorium schafft (indem

36 gift 02/2012 © VolxTheaterKarawane sie Veränderungen von Beziehungen und Aufteilungen vor- an subversiven performativen Konzepten von Geschlechter- nimmt) und Dissens herstellt (Ranciere 2006, Die Aufteilung rollen, die in neue öffentliche und politische Strategien und des Sinnlichen). Aktionsformen mündeten: Regenbogenparaden, Christopher Wenn das Theater heute nicht mehr nur sich selbst Street Day, Trauermärsche, Kiss- und Die-Inns, Dyke-March genügen und sich als „Afformance Art“ nicht nur „virtuell“ usw. Sie rücken die Randpositionen einer Identitätspolitik politisch begreifen will (obwohl das ja auch sehr schön sein in den Vordergrund, artikulieren mitunter eine Politik der kann), dann geht es darum, gezielte festgefahrene Blickräume melodramatischen Lust, aber auch der Wut: Queer, manch- zu erweitern und dem gesellschaftspolitischen Umfeld sen- mal auch als „Regenbogenkoalition“ charakterisiert, wurde sibler zu begegnen („Minoritär Werden“ wie Gilles Deleuze zu einer neuen Form der Bündnispolitk von sehr unterschied- es formuliert), sich nicht vor Dilettantismus zu scheuen, auf lichen gesellschaftlichen Außenseiter_innen. Experimente einzulassen, Körper, Sprache, Zeit und Raum Sowohl das Thema Gender als auch die theatrale Praxis am Theater nach eindimensionalen und zum Teil beliebig (und darunter verstehe ich einen weiten Theaterbegriff von gesetzten repräsentativen Codierungen zu hinterfragen, um institutionellem Theater über Performance und gewisse ge- „Schau-Spielen“, aber auch politisches Handeln für eine „an- sellschaftliche Ereignisse) sind weite Felder und stehen mit dere Globalisierung von unten“ zu erproben: ... „Paradoxe gesellschaftlichen und politischen diskursiven Prozessen in Interventionen?“ ... „Performative Subversion?“ ... „Lokal Zusammenhang. Theater und Politik sind nach Michel Fou- spezifisches Widerstandstheater?“ cault Machtfelder von Disziplinierungskräften, zugleich aber Wie besonders Judith Butler und andere Queer-The- auch aktuelle und virtuelle Spielfelder für subversiv-performa- oretiker_innen betonen, orientierte sich die Frauen-, Bi-, tive Handlungen. Ein weiter Begriff des Theaters aktualisiert Lesben- und Schwulenbewegung in diesen Jahren verstärkt und simuliert Körpererfahrung im Verhältnis zu Anderen, die

diskurs 37 nicht nur als Zuschauer_innen, sondern auch als Akteur_in- nen und agonistische Spieler_innen im politischen Konflikt- raum verstanden werden können. Melodrom: Melodrama, „Ernsthafte“ politische Diskussionen und öffentliche Telenovela, Rebellion Reden sind machtbesetzt, leidenschaftlich und in ihrer Per- formance oft zutiefst melodramatisch. Die Politik (und damit (Gin Müller/Tom Waibel) auch emanzipative Genderpolitik) von Theater und Perfor- mance liegt dabei mitunter in der Macht der Erfindung und brut_Workshop in Kooperation mit der Lehrveran- Herstellung performativer Akte (und damit z. B. auch in Art staltung von Dr. Gin Müller am Institut für TFM des Humors, der Klanglichkeit, der Stimme, der Stimmung ...). Fragestellungen eröffnen in diesem Sinn Interpretationen und Melodrom ist der Titel eines internationalen Theater-/ Konstruktionen von spielerisch-politischen Räumen (als sozi- Performance-/Medienprojekts, das im Laufe des Jahres ale Konstruktion) für performative Setzungsmöglichkeiten. 2012/13 in Wien (brut Theater) und Mexiko realisiert Die mittlerweile globalisierten und transnationalen wird. Die Frage nach „Melodrama, Telenovela und Re- Konzepte queerer Theorien und Praktiken produzierten eine bellion“ im Kontext inszenierter globaler Medienwelten Vielfalt von Genderspielen, um das hegemoniale Geschlech- bewegt sich im Spannungsfeld von Affektbildern, Gen- tertheater mit radikaler Geste ad absurdum zu führen. The- derperformances, leidenschaftlichen Dialogen, aber auch atralität und radikal-demokratisches Handeln sind queerer politischen Kampf um Anerkennung. Nach dem Litera- Widerstandspolitik unmittelbar inhärent. turwissenschaftler Peter Brooks ist das Melodrama das Performative Subversion entspricht einer ‚verqueerten’ wesentliche künstlerische Genre der Revolution im Frank- Möglichkeit, Repräsentationen und Machtbeziehungen zu reich des 18. Jahrhunderts, einer Zeit, in der die revolutio- kritisieren, ihre Kontexte zu verschieben und durch das ei- näre öffentliche Rede „bereits melodramatisch“ ist. gene queere Tun Anspruch zu erheben, zu fordern. Die Frage Doch wofür lohnt es sich heute noch zu kämpfen nach dem Vermögen von politischem Theateraktivismus und und wie erhalte ich meine Passion dafür aufrecht, braucht seiner performativen Macht zu stellen, heißt aber auch we- es mehr melodramatische Anrufungen in der Politik oder sentlich auf ein angemessenes konfliktives Miteinander zu herzhafte Politik im Melodrama? Welche leidenschaft- achten, sich mit Betroffenen von Repression wie Migrant_in- lichen Widerstands-Performances gibt es, wie nütze ich nen oder Transgender auszutauschen und verstärkt zusammen „anonyme“ Netz-Identitäten und inszeniere mich subver- zu arbeiten und dabei eben nicht nur im herkömmlichen Sinn siv in globalen Netzwerken oder in öffentlichen Räumen? Theater zu spielen. Alles Theater oder Politik? Diese und weitere Fragestellungen sind Ausgangs- z.t. Auszüge aus: Gini Müller: Possen des Performativen, Theater, Akti- punkte für eine künstlerisch-wissenschaftliche Auseinan- vismus und queere Politiken, Wien: Turia+Kant, 2008. dersetzung, die begleitend zum Jahresprojekt stattfindet. In diesem transnationalen Prozess wird eine Serie von „Performance Novelas“ erarbeitet, in der politische Kon- Gin/i Müller flikte meldodramatisch inszeniert und genderpolitisch Dramaturg_in, Theaterwissenschafter_in, Performer_in, Ar/ctivist. verqueert werden. Dr.phil., Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft sowie Die Teilnehmer_innen haben mit Diskussion und Philosophie und Musikwissenschaft in Wien. Seit 2004/05 Lektor_in (melodramatischen) Performance-Lectures (abschließend an der Universität Wien (Theater-, Film-, Medienwissenschaft, Ger- im brut) die Möglichkeit aktiv am „Work in Progress“ teil- manistik) und an der Akademie der Bildenden Künste (2003/04- 06/07). Mitarbeiter_in bei dem Sparkling Science-Projekt: (Un)doing zunehmen. Gender: Sprache, Performanz und Politik, www.univie.ac.at/gender (2008/09) Anmeldung und weitere Infos: Buchveröffentlichung: Gini Müller, Possen des Performativen. The- www.brut-wien.at ater, Aktivismus und queere Politiken, republicart 7, Wien: Turia+ Beginn 15.05.2012; weiters 10./14./15./30.06.2012 Kant, 2008.

38 gift 02/2012 © Armin Bardel: Don Juan kommt aus dem Krieg Neue Oper Wien sujet, Kainergasse 2008

diskurs 39 Transformation und Neubestimmung im Theateruniversum Rumänien

Das rumänische Theater nach 1989

Von Wolf Lamsa

Hierzulande ist das rumänische Theater – fast genau so wie pekten des Theaterlebens in Bukarest, Hermanstadt/Sibiu, der rumänische Film – ein Gesprächsthema für Freaks, ledig- Klausenburg/Cluj und Temeswar/Timisoara sowie allen an- lich der bildgewaltige Filmemacher und wortkarge Schauspie- deren Städten Rumäniens und Österreichs. Sie schreibt über ler Christi Puiu ist nach seinen Geniestreichen Der Tod des alles, Festivals, Künstler_innen, und sie ist vertraut mit der Herrn Lazarescu und vor allem durch Aurora ein Begriff. überaus traditionsreichen älteren wie auch der modernen The- Aurora ist ein dreistündiges Psychogram eines brutalen Mör- aterkultur Rumäniens. Irina Wolf lebt in Wien, wo sie noch ders, das sich unerträglich spannend, nahezu zäh und lang- einem Brotberuf nachgeht, um ihre Leidenschaft finanzieren sam auf der Leinwand entfaltet. Christi Puius Bildsprache ist zu können. Sie verbringt jede freie Minute im Theater und episch, die Dramaturgie praktisch reziprok. Hier wird nichts sie ist ständig auf Achse – Wien, Graz, Linz sind die näheren verdichtet, zugespitzt und vereinfacht – die Handlung entblät- Destinationen, oft aber muss sie für einen Theater- oder Fe- tert sich in Schichten. Es wird das Leben eines verzweifelten, stivalbesuch auch weit über siebenhundert Kilometer reisen. einsamen, unter Zurückweisung und seiner Scheidung lei- Ihre Aufzeichnungen, Reflexionen, Interviews und Artikel denden Mannes gezeigt, der seine Ex-Frau, deren Familie und bildeten die Basis für die Publikation Das rumänische The- vor allem seine Kinder bespitzelt. Dabei dauert es Stunden, ater nach 1989. Seine Beziehung zum deutschsprachigen bis das Publikum versteht was hier eigentlich gespielt wird. Raum, das in einem wissenschaftlichen Verlag erschienen Erst in den letzten 20 Minuten ergeben die Bilder einen ver- ist. Irina Wolf ist Mitherausgeberin und hat neun der über meintlichen Sinn, die Handlung erschließt sich, die Motive vierzig im Buch enthaltenen Artikel geschrieben. Das Buch werden fassbarer. vereinigt führende Kritiker_innen und Theatermacher_innen, Was ist das für ein Land, in dem Geschichten im Stile und es gibt einen detaillierten Überblick über zwanzig Jahre des italienischen Neorealismus erzählt werden, was ist das Veränderungen und Suche des rumänischen Theaters nach für ein Publikum, mit dem diese experimentelle Methode einer zeitgenössischen Form. Es beschreibt die Neuerfindung entwickelt wurde? des Theaters nach dem Ende des Kommunismus. Das heutige Rumänien hat 19 Millionen Einwohner_in- George Banu, Professor für Theaterstudien, lehrt an nen. Das Theater hat nach wie vor einen hohen Stellenwert, der Sorbonne Nouvelle in Paris und in Hermannstadt/Si- für Rumänen und die in Rumänien lebenden Minderheiten, biu. Er analysiert die Lage der Theater nach 1989 besonders es gibt ungarische und deutsche Nationaltheater. Auf der an- kritisch, beschreibt eindrücklich die institutionelle Starre deren Seite sind rumänischsprachige Theatermacher_innen, der ersten Jahre nach 1989 und untersucht dann die künst- allen voran Nicoleta Esinencu, in der Republik Moldawien lerische Dynamik, die die ganze Szene total verändert hat. maßgeblich. Ihre sozialkritischen Arbeiten sind über Europa Er beschreibt eine neu entstandene Theaterlandschaft, der hinaus wichtige Statements zur Lage in Rumänien und Mol- er unzählige punktuelle, episodenhafte lokale Neuanfänge dawien, doch nicht selten ist Europa das zentrale Thema. bescheinigt. „Das Gespenst des ‚Absurden’ geht um in der rumänischen Theaterlandschaft“, bemerkt Banu augenzwin- kernd und er lobt die Neudeutung der klassischen Theater- Irina Wolf, die unermüdliche Chronistin der Szene von texte. Er beschreibt exemplarisch, wie der Regisseur Mihai Wien bis zum Schwarzen Meer Maniutiu klassische Dramentexte und literarisches Material, Gedichte, Tagebücher, Tanz, Text und Musik verbindet und Die Kulturjournalistin Irina Wolf beschäftigt sich in ihrer so bis hinunter zu Ovid vieles in die heutige Zeit übersetzt Arbeit sehr stark mit dem rumänischen Theater, seiner zeit- hat. Dabei betont Banu: „Das rumänische Theater hat nicht genössischen Theaterszene, den vielfältigen Themen und As- vor der Vorliebe für Trash kapituliert, die in Deutschland auf

40 gift 02/2012 furiose Weise kultiviert wird. Es entging der Falle, diesen Stil drückt es so aus: „Die dramAcum Mitglieder sind auch als als expliziten Beweis für das Alltägliche und die Hoffnungs- Einzelkünstler erfolgreich.“ Sie muss es wissen, in den letz- losigkeit zu assimilieren. Hier erzeugt die Verwirrung des In- ten Jahren hat sie das nationale Theaterfestival in Bukarest dividuums nicht unbedingt Abscheu und konstituiert auch geleitet. nicht eine Bildergalerie des ‚Akademismus des Hässlichen’, Eine weltweit tätige dramAcum Mitbegründerin ist die der oft zur prioritären Methode erhoben wird, um Leid aus- Autorin und Regisseurin Gianina Carbunariu, ihre Arbeiten zudrücken und Aktualität zu beweisen.“ waren auch schon in Wien zu sehen. Ihre szenische Formen- sprache ist erzählerisch, ihre Dramaturgie linear. Hinter den schlüssig aufgelösten Geschichten verbirgt sich eine spezielle Die Erneuerer_innen des Theaters, der Szene und ihre Methode des Dramaturgischen Theaters. Gianina Carbuna- Bühnen: dramAcum (Drama Jetzt) – Zeitgenössische riu recherchiert akribisch und interviewt für eine Produkti- Dramatik on schon einmal vierzig Personen, deren Erzählungen und Schicksale sie dann zu Rollen und Figuren verdichtet. Ihr Eine Gruppe, die die Dramatik und Dramaturgie der Theater- Interesse richtet sie auf das, was in ihrer unmittelbaren Nähe welt des Donaustaates nachhaltig gestaltet und verändert hat, passiert: das Zusammenleben von Volksgruppen, Exil- und ist dramAcum (Drama Jetzt). Die Kritikerin und Theoretikerin Gastarbeitserfahrungen, Existenzprobleme, Umweltschutz, Cristina Modreanu beschreibt die Neuerfindung wie folgt: akute Fragen, die sich aus der jüngeren Zeitgeschichte erge- „Es war eine ähnliche Situation wie in anderen Ländern, in ben. In ihrer Arbeit liegt der Schwerpunkt auf dem Text, dem denen es eine politische Wende gab: das Theater machte eine dialogischen, der sparsame Einsatz szenischer Mittel sorgt für akute Krise durch. Zwei bis drei Jahre nach der Revolution eine einfache Umsetzung. Sie erweitert die Handlung im vir- 1989 ließ die Verwirrung nach.“ Künstler_innen aus dem Exil tuellen Raum, Bildschirme, Beamer und Projektionen ergeben kamen zurück und gaben die notwendigen Impulse für einen weit mehr als ein Bühnenbild, sie geben dem Bühnenraum Neuanfang, für Cristina Modreanu war dann das Wichtigste eine neue Dimension. Ihr Lightdesign ist einzigartig, bei der die Veränderung innerhalb der Spache. „Mit dem Fall des Produktion Stop the Tempo wurden lediglich Ausschnitte Kommunismus verschwand die Kommunikationsbasis zwi- der kleinen Bühne und des Zuschauerraumes im Keller des schen den Theaterleuten und ihrem treuen Publikum. Das Jazzclubs Bar Green Hours mit einer Handlampe dem Hand- Publikum war kultiviert und gewohnt, zwischen den Zeilen lungsverlauf entsprechend erleuchtet. zu lesen.“ Mit einer Shakespeare- oder Molière-Inszenierung Das Green Hours ist ein Club im Zentrum von Bukarest, verhandelten Theatermacher_innen und Publikum die alltäg- hier hat sich auf der kleinen Bühne eine weitere Institution liche Situation im Land unter dem Diktator Ceausescu. Nach begründet, das Teatrul Luni (Montagstheater). Längst hat es einigen Jahren der Orientierungslosigkeit entwickelte das Pu- sich in den Betrieb des Jazzclubs integriert, Musik und The- blikum neue Bedürfnisse und so erfand sich das Theater – wie ater teilen den Club nicht mehr zu geregelten Wochentagen, in allen postkommuni- es passiert wie es eben stischen Staaten – neu. Was ist das für ein Land, in dem Geschichten im kommt, und es gibt je- Laut Cristina Modre- den Tag Programm. anu sind diese Dinge Stile des italienischen Neorealismus erzählt werden, Das ACT Theater im Posttotalitären aber was ist das für ein Publikum, mit dem diese experi- wurde 1995 in Bukarest komplizierter, natürlich mentelle Methode entwickelt wurde? vom Schauspieler Mar- braucht das ältere Publi- cel Iures gegründet, ei- kum das Theater weiter- nige Jahre später bezog hin als Vermittler, aber jüngere Zuschauer_innen haben ganz es einen Keller in der Innenstadt und verfügt über einhundert andere Ansprüche, und so entstand die Generation 2000 Plus Sitzplätze. Mittlerweile ist es eine Institution, bei seiner Grün- – und ein Generationenkonflikt. dung war es das erste freie Theater. Die ACT Bilanz kann sich Eine Gruppe Studierender an der Regieabteilung der sehen lassen, hier regiert das Monodrama. Mit sparsamsten Universität für Theater und Film in Bukarest veranstaltete ökonomischen Mitteln, ganz im Stil des Off-Broadway, wird im Jahr 2002 einen Wettbewerb mit dem Namen dramAcum. maximaler Erfolg erzielt. Für die Proponent_innen von dram- Aus dem Wettbewerb entstand ein Künstler_innenkollektiv Acum war das ACT die erste Bühne, doch vor allem ist das und daraus im weiteren eine Bewegung. Cristina Modreanu ACT Theater die erste Adresse für moderne internationale

diskurs 41 Das kollektive Gedächtnis wurde jahr- zehntelang durch Propaganda verfälscht.

Andreea Dumitru

Gegenwartsdramatik. Der Theatermacher von Thomas Bern- Dina, David Schwartz, Vera Ion und Ioana Paun. Wie keine hard erlebte hier über 250 Aufführungen. andere Gruppe arbeitet tangaProject im öffentlichen Raum DramAcum Mitbegründerin Andreea Valean schreibt und versucht dabei, soziale Probleme aufzuzeigen. Stadtteil- auch Drehbücher, die realisierten Filme werden dann schon projekte auf der Basis einer partizipativen Dramaturgie, exakt mal bei der Berlinale oder in Cannes ausgezeichnet oder für recherchierte Geschichten, die aus dem schwierigen Alltag einen Oscar nominiert. Soziales Engagement mit Gegen- des Aufführungsortes in einem nachvollziehbaren Prozess wartstheater verbindet Radu Apostol, seine Themen: HIV, destilliert werden. Dabei suchen die Protagonist_innen von Prostitution, Drogenabhängigkeit, Homophobie und die tangaProject immer nach den Bruchlinien, den Konfliktpo- Schicksale seiner Darsteller_innen. Das sind Waisenkinder, tentialen und den darin verborgenen Lösungen. Die Theater- Straßenkinder und Obdachlose. Seine Fragestellungen stoßen kritikerin Mihaela Michailov sagt: „Die Künstler agieren als häufig auf Ablehnung. So hat er eine Geschichte recherchiert, Detektoren von kommunitären Problemen, die sie dokumen- die er bisher nicht umsetzen konnte: Geschätzte zweihun- tieren, um sie dann zu hinterfragen.“ Ein konkretes Fallbei- derttausend Kinder in Rumänien wurden von ihren Eltern spiel ist der Rahova Park, hier wurden für eine Wahlkampfre- verlassen, weil diese ausgewandert sind. Radu Apostol konnte de des Bukarester Bürgermeisters 2005 kurzerhand sämtliche kein/e Geldgeber_innen finden, um wenigstens mit einigen Bäume gefällt. Ein Jahr später pflanzten die Künstler_innen dieser Kinder zu arbeiten, aus politischen Gründen. Aber di- mit Leuten aus dem Viertel hier wieder Walnussbäume, sie ese Form des Scheiterns ist eher unüblich. Die dramAcum räumten den Müll weg, kultivierten den Park aufs Neue und Generation 2000 Plus hat nicht nur eine tiefgreifende Ände- begannen, in einem mehrjährigen Projekt über die Gentrifi- rung in der Auswahl des Repertoires bewirkt. Wo früher fast zierung der Plattenbausiedlung die Nachbarschaft für diese nur Klassiker gespielt wurden, ist jetzt das Interesse für die Fragen zu sensibilisieren, und sie spielten mit den Kindern weltweite Gegenwartsdramatik geweckt. Manche Kritiker_in- und Jugendlichen dort Theater. nen werfen ihnen vor, dass sie sprachliche Gewalt und Ta- buthemen bevorzugen und damit nur die üblichen Schemata der Gegenwartsdramatik kopieren, statt spezifische Stücke Radu Afrim, der Imaginator des Himmlischen zu kreieren. Heute wird dramAcum selbstverständlich international als Der Regisseur Radu Afrim ist schwer fassbar, seine Inszenie- Dramatiker_innenwettbewerb wahrgenommen, die erfolg- rungen sind Kult, Szenen aus Traumbildern und Ästhetik. reichen Teilnehmer_innen werden in London, Berlin, Paris, Seine Figuren erscheinen, als wären sie quasi abgerüstete auf Festivals weltweit, bis weit hinein in die europäische Dragqueens. Sie verkörpern Sehnsucht, sie sind Gescheiterte, Provinz gespielt. Das Motto der Wettbewerbe: „Hast du eine Ausgestoßene, Einsame, Kranke. Vordergründig sind sie sehr Idee? Wir verwirklichen sie! Überschreite die Grenze! Schreib komisch, dadurch kaschieren sie eine übermenschliche Vul- was du siehst! Inszeniere dich, wenn wir dich inszenieren nerabilität. Es scheint als wäre die Unform der Kostüme genau sollen!“ berechnet, um die Schauspieler_innen mit Bühnenbild und Licht zu absurden Collagen verschwimmen zu lassen. Radu Afrim bricht vorhersehbare Vorstellungen, er zerfetzt Texte Das tangaProject – Sozialkritisches Theater im öffent- in Schlagern von großem Pathos, konterkariert durch kleine lichen Raum Gesten. Pantomime und Sound erzählen, die Darsteller_innen stammeln wortreich nichts. Seit 2005 macht ein weiteres Theaterkollektiv von sich reden: Die Bühne kann eine detailverliebte Kunstwelt oder das tangaProject, begründet von Bogdan Georgescu, Miruna ein kahler Raum sein, der Effekt ist erstaunlich, diese Ta-

42 gift 02/2012 bleaux könnten Kitsch sein und sind doch einfach nur Ima- Ostalgie und Vergangenheitsbewältigung ginationen des Himmlischen. Mittlerweile inszeniert er an wichtigen Häusern in Europa, begonnen hat er in der ru- Die wohl schwierigste Debatte ist die über die kommunistische mänischen Provinz, schon seine ersten Inszenierungen dort Vergangenheit. Dazu schreibt die Dramaturgin Andreea wurden legendär. Stücke sind für ihn lediglich Textvorlagen, Dumitru in einem sehr konzentrierten Aufsatz zum Thema die er dekonstruiert, radikal kürzt er Figuren, als würde er Ostalgie: „Das kollektive Gedächtnis wurde jahrzehntelang nicht mehr benötigtes Personal entlassen. Er stellt neues durch Propaganda verfälscht. Ganze Abschnitte der Geschich- ein, erfindet Figuren und gestattet sich so eine großzügigere, te wurden immer wieder nach neuen ideologischen Rastern reichhaltigere Ausdeutung der Stoffe. Berühmt wurde er mit umgeschrieben. Es ist nicht verwunderlich, dass einem die Tschechow, allerdings macht der arbeitswütige Radu Afrim oft Vergangenheit jetzt wie eine ‚untergegangene Welt’ oder wie bis zu sechs Produktionen im Jahr, und so ist es unmöglich ein ‚fremdes Land’ erscheint.“ einen Überblick zu geben. Die Beiträge im Buch über das rumänische Theater nach 1989 befassen sich nicht mit einem fremden Land, sie reflektieren und beschreiben ein sehr aufregendes Stück der europäischen Die rumänische Theaterkritik und die Kontroversen Theaterlandschaft, leider fehlt hier der Platz, um wirklich auf alles Wesentliche einzugehen. Die Texte machen neugierig Das Buch Das rumänische Theater nach 1989. Seine Bezie- und sie zeigen wieder einmal, wie schade es ist, dass es immer hung zum deutschsprachigen Raum, herausgegeben von Ma- noch keinen Raketenlinienverkehr zwischen den Theatern zilu/Weident/Wolf, gibt einen breiten Überblick. In den letzten dieser Welt gibt. || zwanzig Jahren hat sich in der rumänischen Theaterlandschaft alles verändert und erneuert. Bemerkenswert sind die Arti- kel von Iulia Popovici. Sie arbeitet für Theater-, Kultur-, und Tageszeitungen. Neben einem Doktortitel in Kunstwissen- schaften hat sie dramatisches Schreiben studiert. Sie ist die Herausgeberin einer Anthologie von rumänischer Gegenwarts- dramatik im Verlag Cartea Romaneasca und Autorin mehrerer Bücher zum Thema. In diesem Zusammenhang ist es teilweise unverständlich, wenn der Regisseur Radu Alexandru Nica da- Wolf Lamsa von spricht, das es keine echte rumänische Theaterkritik gäbe. Er sieht das Theater in einer Krise und führt das auf das Versa- ist Kulturarbeiter und Dramaturg, gen der Kritik zurück. Radu Alexandru Nica ist künstlerischer lebt und arbeitet Leiter am deutschen Nationaltheater in Temeswar/Timisoara in Wien. und unterrichtet in Hermannstadt/Sibiu Schauspielkunst an der Universität. Er kritisiert die Qualität der Ausbildungen für Theaterberufe generell, da der Staat zu wenig Geld dafür zur Verfügung stellt. Er spricht von einer neuen Hermannstädter Schule, die absolute Qualität anstrebt und ein elitäres Selbst- Das Buch verständnis hat. Zur Gegenwartsdramatik äußert er sich wie folgt: „Ich verabscheue die soziale Funktion des Theaters, die Das rumänische Theater nach 1989. Seine Beziehungen Idee, die jetzt Mode ist, dass Theater aus sozialer Perspektive zum deutschsprachigen Raum helfen kann, finde ich nicht nur naiv, sondern sie stößt mich Herausgegeben von Alina Mazilu, Medana Weident und ab.“ Ein kontroversieller und klarer Standpunkt, das Theater Irina Wolf in der Reihe Forum Rumänien. Frank & Timme, in Rumänien ist vielfältig und seine Extreme liegen sehr weit Berlin 2011 auseinander, es ist spannend und interessant, diese Debatten 440 Seiten. ISBN: 978-3-86596-290-4 Preis: 39,80 zu verfolgen.

diskurs 43 Interferencias

Von Aline Kristin Mohl und Regina Picker

Interferencias ist eine Plattform, die 2010 ins Leben gerufen wurde und derzeit von 26 jungen zeitgenössischen Tän- zer_innen und Choreograf_innen, Performer_innen, Theoretiker_innen, Techniker_innen und Musiker_innen aus 12 ver- schiedenen Ländern, verstreut über 4 Kontinente (siehe Grafik) getragen wird. Diese Gruppe aus Kunstschaffenden sucht spezifische Orte, an denen ein Interagieren mit der Umgebung und den lokalen Künstler_innen organisiert wird.

Im Vordergrund steht ein theoretisches und praktisches For- »» Can art go beyond its cultural context? schen und Dokumentieren von sich etablierenden Systemen »» Does the knowledge of who your audience is influence the der Zusammenarbeit im interkulturellen, künstlerischen way you work? Dialog, welche auf kollektiven Arbeitsmethoden aufbauen, »» How do your economic circumstances effect your work? im Tun entwickelt, getestet und der lokalen Öffentlichkeit »» What is your relationship with the modes of production in präsentiert werden. which you develop your work? »» What are the implications of nomadism? »» In which art field do you position your work? Interferencias 2010, erste Edition »» How does art influence a broader context?

Der erste Ort der Interferenz war das Centro de las Artes in Diese Fragen sind Grundlage für eine Buchpublikation sowie San Luis Potosi, Mexiko, ein Kulturzentrum eingerichtet in für Interferencias zweite Edition 2012. einem ehemaligen Gefängnis, gefolgt von Teatro de la Danza, Ergebnisse der ersten Zusammenkunft waren eine kol- Centro Cultural del Bosque in Mexico City. Im Arbeitszeit- lektive Präsentation des Arbeitsprozesses, welcher in einer raum von drei Wochen arbeitete die Gruppe an Themen und künstlerischen Performance in Mexico City mündete, sowie Methoden, welche Räumen zugeordnet waren. Dies ermögli- einer Buchpublikation. Die Publikation wird nun im Rah- chte den Teilnehmer_innen, sich frei nach Interesse bewegen men von Interferencias 2012, zweite Edition, international und forschen zu können. Ohne das Konzept von „Leader- präsentiert. ship“ abzulehnen, wurde der Rahmen für ein kollektives Ar- Weiters beinhaltete das Format der ersten Edition Per- beiten erschaffen. Das Arbeitskonzept ermöglichte es, sowohl formances und Workshops der einzelnen teilnehmenden individuell an Themen zu forschen, als sich vor allem in der Künstler_innen. Gruppe damit auseinanderzusetzen, welche Interessen sich überschneiden, welche Fragen sich aufdrängen. Ein paar der aufgetauchten Fragen werden hier angeführt: Interferencias 2012, zweite Edition

»» How does space (architecture and social context) influence Interferencias hat sich zum Ziel gesetzt auf Reisen zu gehen, your work? um die Erkenntnisse der ersten Edition zu überprüfen, weiter »» When does work become political? zu erforschen und möglichst viele Menschen und Sektoren

44 gift 02/2012 von Kunstschaffenden zu erreichen. Zusammenkünfte und Austausch mit lokalen Künstler_innen und Kulturen stehen im Vordergrund der zweiten Edition von Interferencias.

Teilnehmende Künstler_innen

Wenn es mit den angesuchten Förderungen für Interferencias Austria nach Plan verläuft, wird es in Vorarlberg und in Wien einen Open Call für lokale Künstler_innen und Theoretiker_ innen aus dem Bereich zeitgenössische darstellende Kunst und Musik geben. Es werden jeweils 26 Kunstschaffende aus- gewählt, um ein Gleichgewicht der nomadischen und lokalen Gruppe anzustreben, welche in dieser Woche ein temporäres © Interferencias Riesenkollektiv bilden. Geplant sind gemeinsame Researches sowie gemein- Stationen 2012 same Aktionen im öffentlichen Raum. Die Gruppe von noma- dischen und lokalen Künstler_innen wird jeweils für eine Wo- »» Portugal (Faro und Lissabon): 15. bis 27. Juli »» Österreich (Vorarlberg und Wien): 27. Juli bis 13. August che zu Fixzeiten sich treffen und arbeiten. In Vorarlberg wird »» Mexiko (San Luis Potosi und Mexico City): es eine Kooperation mit Netzwerk Tanz Vorarlberg geben, in 13. August bis 1. September Wien stellt die ttp/WUK Arbeitsräume zur Verfügung. »» Brasilien (Manaus und Belo Horizonte): 1. bis 15. September Die gemeinsame Arbeit wird so angelegt sein, dass es Organisiert wird Interferencias Austria 2012 von Aline Kristin Mohl Raum zum Kennenlernen gibt und dann gemeinsam Arbeits- und Regina Picker. weisen und Fragen diskutiert werden, nach welchen sich dann die Researchwoche ausrichtet. ||

Die Autor_innen

Aline Kristin Mohl ist seit Herbst 2007 international als freischaffende Sängerin, Tänzerin, Performerin und Pädagogin tätig. Nach ihrem künstlerischen Start an unterschiedlichen Häusern in Belgien und Holland begann sie im selben Jahr eigene Stücke zu kreieren, welche bereits international gezeigt wurden. (BE, NL, DE, MEX, BR). 2009 gründete sie gemeinsam mit dem Musik- und Filmproduzenten Jelle Warendorff das Musikkollektiv Beat of Wings (www.beatofwings.com) und die Fleisch & Blut Art Foundation (www.alineandart.com)

Regina Picker arbeitet künstlerisch mit Körper, Stimme, Fotografie und Video. Eigene Arbeiten zeigte sie neben Wien in Budapest, Sofia, Amsterdam, Istanbul, Turin, London und Santa Barbara/CA. War in Arbeiten von Christine Gaigg, Jennifer Lacy, Claudia Wagner u.a. zu sehen. 2010 war sie Teil der Organisation von Kiosk59 tanztheaterperformance Festival, präsentierte gemeinsam mit Helene Salomon eine Arbeit bei Stückwerk im TQW und hatte das DanceWeb Stipendium, 2011 TURBO Residency bei ImPulsTanz.

diskurs 45 service

Aus der Szene

30 Jahre Theater Trittbrettl

Zwei Leitern und ein Brett gaben der Künsten wie Schauspiel, Live Musik Der Anspruch, künstlerisch anspruch- Theatergruppe, die der studierte Chemi- und bildende Kunst, ist typisch für das volles Theater zu machen und dabei ker und Umweltanalytiker Heini Bross- Theater Trittbrettl, das sich mit seinen auch politisch zu sein ist bis heute ein mann gemeinsam mit Freunden im Jahr Produktionen sowohl an Kinder als zentrales Anliegen geblieben. (aw) 1982 gründete, den Namen: Theater auch an Erwachsene richtet. Über die Trittbrettl. Von Anfang an als „fahren- Jahre sind aus der Zusammenarbeit www.trittbrettl.at des Theater“ konzipiert, ist die Gruppe mit dem Theater Trittbrettl in der Folge seit damals mit seiner mobilen Bühne an andere Gruppen entstanden, zum Bei- vielen Orten zu Gast gewesen. spiel das Theatro Piccolo, das von Picco ------Brossmann, der schon vor der Grün- Kellner und Robby Lederer – beide zeit- dung des Theater Trittbrettl künstlerisch weilige Begleiter des Theater Trittbrettl – Die Wiederbelebung des aktiv war (u. a. 1978 im Anti-AKW- gegründet wurde. Weitere Weggefährten, Gschwandner als Synthese von Theater anlässlich der Volksabstim- mit denen Brossmann in all den Jahren Neuem und Altem mung über die Inbetriebnahme des auf der Bühne gestanden ist, sind Klaus Atomkraftwerkes Zwentendorf oder Haberl, Richard Weihs, Hubertus Zorell Das Gschwandner kann auf eine be- – gemeinsam mit Traude Kossatz – als und viele andere. wegte Vergangenheit zurückblicken: sei- Mitbegründer des ebenfalls bis heute Das Theater Trittbrettl nahm an etwa ne Anfänge reichen bis in die Biedermei- erfolgreichen Puppentheater Lilarum in 40 internationalen Festivals teil, ausge- erzeit zurück, als der Weinbauer Johann Wien) leistete Pionierarbeit im Bereich dehnte Tourneen führten nach Mexi- Gschwandner in der heutigen Hernalser des österreichischen Figurentheaters. So ko, Taiwan, in die Ukraine, nach Ita- Hauptstraße 41 einen Weinbaubetrieb entwickelte er für Österreich erstmalig lien, Deutschland, Ungarn, Polen und mit einem Heurigen eröffnete. Un- die aus Russland kommende „offene viele andere Länder. Es erhielt Prämien ter seinen Söhnen Georg und Johann Spielweise“ im Figurentheater, die ihre von MA 7 und Bund und gewann den Gschwandner erfolgten zahlreiche Ad- Wurzeln in der Commedia del arte hat. Theaterpreis Best OFF NÖ. 2007 wur- aptionen, Um- und Neubauten, und so Tischfiguren, Marionetten, Mas- de Heini Brossmann mit dem silbernen wurde aus dem Heurigen sukzessive das ken, Schattenspiel, Puppen – dieser Rathausmann der Stadt Wien und dem „Grand Etablissement Gschwandner“, Mix aus verschiedenen Stilmitteln niederösterreichischen Landespreis für das als eine der lebendigsten Wiener und das Zusammenspiel mit anderen darstellende Kunst ausgezeichnet. Vergnügungsstätten in die Geschichte

46 gift 02/2012 der Wiener Vorstadt einging. Gesellige angrenzenden Gebäudeteile werden den Zielgruppe adressiert, die sich aus Weinabenden mit Musik und Tanz, Bälle behördlichen und betrieblichen Anfor- Bewohner_innen des Viertels aller Al- und Tanz-Soireen, Konzertabende und derungen entsprechend revitalisiert, um- tersgruppen, aber auch einem kulturaf- Kinoveranstaltungen, aber auch sport- gebaut, erweitert und neu gestaltet und finen Publikum aus ganz Wien zusam- liche Veranstaltungen und Wettkämpfe sollen in Verbindung mit den beiden mensetzt. Angedachte Kooperationen standen auf dem Programm. Ab dem Hauptsälen die zukünftige Identität des mit lokalen Schulen und interkulturellen Jahr 1960 verfiel der Ort zusehends in Gschwandner neu definieren. Rückgrat Vereinen streben einen niederschwel- einen Dornröschenschlaf und wurde der Wiederbelebung des Gschwandner ligen Zugang zu Kunst und Kultur an. schließlich nur mehr als Lager- bzw. soll ein öffentlicher Durchgang werden, Der architektonisch neu geschaffene öf- Depotraum genutzt. der eine direkte Durchgangsmöglichkeit fentliche Durchgang, konsumfreie Räu- Das soll sich jetzt ändern. Den Im- von der Hernalser Hauptstraße bis zum me, Gastronomie, Kinderprogramm und mobilienentwicklern Reza Akhavan und Yppenplatz herstellt. Garten im Gschwandner sollen auch Daniel Jelitzka ist es als Eigentümer ein unabhängig von Veranstaltungen zum Anliegen, das Gschwandner vor dem Ein Ort für die freie Szene Aufenthalt einladen. Vergessen zu bewahren und gemäß sei- ner ursprünglichen Tradition wieder als Im Laufe des rund 120jährigen Betriebs Zeitplan Ort der Kultur zu etablieren. Für das ar- fanden im Gschwandner verschiedenste chitektonische Konzept und den Umbau kulturelle Genres ihren Platz, was auch Bis zur Renovierung und dem Umbau zeichnen BWM Architekten und Partner nach der Wiedereröffnung 2013 fort- ab Winter 2012 öffnet sich das Gsch- verantwortlich, als Geschäftsführer ist gesetzt werden soll: Musik, Literatur, wandner für temporäre Bespielungen. Oliver Jauk eingesetzt. Das Gschwand- Tanz, Theater und Film, bildende Kunst Geplant sind hier punktuelle Nutzungen ner soll so wieder ein Ort von kulturpo- und neue Medien, etablierte Wiener Fe- durch Vereine und Festivals sowie tem- litischer Bedeutung – ein Landmark der stivals und Kulturinitiativen sollen das poräre Ausstellungen oder Märkte, die Wiener Kulturlandschaft – werden. Programm im neuen Gschwandner bil- inhaltlich bereits auf den Regelbetrieb Das „Herzstück“ des früheren Grand den, und so ein Abbild der kulturellen ab Ende 2013 einstimmen. Zentrales Etablissements ist der 1877 vom Archi- und sozialen Vielfalt der Stadt Wien Kommunikationsmittel über Veranstal- tekten und Baumeister Johann Gsch- zeigen. tungen und den aktuellen Status ist die wandner gestaltete große „Säulen- Ziel ist es, das Gschwandner als Bin- Website www.gschwandner.at. Saal“ (ca. 500 m2) sowie der 1896 vom deglied und Zentrum für Hernalser und Architekten Josef Grünbeck gestaltete Wiener Kulturinitiativen, Vereine, freie Publikation „Strauss-Lanner-Saal“, die zusammen Künstler_innengruppen und Künst- mit weiteren Zubauten bis zu 1.500 ler_innen, Chorgruppen, Tanzschulen Den Auftakt für die Wiedereröffnung Personen Platz bieten konnten. Die und Ähnliches zu etablieren, und den als Ort der Kunst und Kultur Ende 2013 Erhaltung der denkmalgeschützten Austausch innerhalb der freien Szene zu bildet die Aufarbeitung der Geschichte „Gschwandner-Säle“ und der Mangel an unterstützen. Die beiden renommierten dieser Hernalser Institution sowie der Nebenflächen erfordern für einen zeit- Initiativen aus der Nachbarschaft, Kul- über Generationen betriebsamen Fami- gemäßen und funktionalen Kultur- und turnetz Hernals und Soho in Ottakring, lie Gschwandner in der Publikation Das Veranstaltungsbetrieb die Schaffung von werden bereits im Mai 2012 ihre Pro- Gschwandner. Ein legendäres Wiener zusätzlichen Flächen bzw. Nutzungen. jekte im Gschwandner präsentieren und Etablissement, die im Februar 2012 Die beiden historischen Säle sollen auch in Zukunft diesen Ort bespielen. präsentiert wurde. (Hg. v. Erich Ber- schonend restauriert werden, sodass Die Vielfalt des kulturellen Pro- nard und Astrid Göttche. Metroverlag das spezifische Flair erhalten bleibt. Die gramms ist an eine ebenso breite 2011).

diskurs 47 positive Darstellung der kulturellen »» Information, wer die Gruppe (der Intern Kompetenz aller Mitwirkenden aufzei- Verein) bzw. die Institution ist gen und deren nachhaltige gesellschaft- »» Informationen über die Intentionen Wir begrüßen unsere neuen liche Partizipation zum Ziel haben. der Gruppe bzw. der Institution Mitglieder Frauenkultur 2012 für Leistungen, »» Zielsetzung für den beantragten För- die mittels Methoden aus Kunst- und derzeitraum Anna Maria Nowak (Kunstverein Ar- Kulturarbeit, darunter Mentoring und »» Konzeptuelle Beschreibung von Akti- chipelago, Liquid Loft), Wien; Daniel- Netzwerkbildung, die öffentliche Aner- vitäten im Bereich der Darstellenden Matthias Kunze, Wien; Anna Battisti, kennung von Frauen und ihrer Kompe- Kunst aller Genres über den bean- Wien; Emese Fay, Wien; Michele Rohr- tenzen sowie ihre aktive Partizipation tragten Förderzeitraum im Überblick bach (makemake produktionen), Wien; am gesellschaftlichen Leben und Ent- sowie eine detaillierte Beschreibung Mona Schramke, Wien; Lino Kleingarn wicklungsprozess, ihr Empowerment der geplanten Aktivitäten im ersten (Artig), Wien; Manfred Schild (Innsbru- und ihre Selbstverwirklichung zum Ziel Jahr cker Kellertheater), Innsbruck; Katja haben. »» Auskunft mit welchen Partner_innen Hoffmann, Tribuswinkel; Linda Willin- Interdisziplinarität 2012 für künst- die künstlerischen Ziele realisiert ger, Wien; Stefanie Gmachl (SAG`MAS lerische Leistung, die prozesshaftes werden sollen. Theater), Wien; Benjamin Rufin, Wien; Arbeiten in künstlerischen und wis- Die Förderentscheidung, die die Stadt Susanne-Solveig Meyer, Wien; Renee senschaftlichen Disziplinen zu einem Wien auf Basis der Empfehlung einer Jud (Kindertheater StromBomBoli), in sich stimmigen Ganzen verbinden. Jury (Amelie Deuflhard, Angela Heide, Hall; Christian Schlechter (makemake Es können sowohl Methoden wie auch Elke Hesse, Thomas Licek, Michael produktionen, werk 89), Wien; Bettina Inhalte kunstfremder Disziplinen wie Stolhofer) trifft, werden voraussicht- Frenzel, Wien; Ute Liepold, Klagenfurt; etwa der Naturwissenschaften und Hu- lich Mitte Jänner 2013 bekannt gegeben Bernd Liepold-Mosser, Klagenfurt; manwissenschaften mit Methoden aus werden. Abraham Thill, Wien; Silvia Salzmann Kunst und Kultur unter Einsatz jedwe- (Eva&Eva), Wien, Andrea Klem, Wien; der Kunstsparte zum Einsatz gelangen. www.wien.gv.at/amtshelfer/kultur/ Ingrid Perner, Baden; Klaus Huhle, Die Preise werden für ein im Jahr kulturabteilung/foerderungen/kon- Wien; Raul Maia, Wien; Leonora Scheib, 2011 realisiertes oder ein im Jahr 2012 zeptfoerderung.html Wien; Michaela Bilgeri, Wien; Manfred laufendes Projekt im Bereich des inter- Sarközi, Purkersdorf. kulturellen Dialogs / der Frauenkultur / der Schnittstelle zwischen Kunst und ------kunstfernen Disziplinen wie den Natur- dreizurdritten sucht Konzepe für und Humanwissenschaften vergeben. Kurzstücke (Figuren-/Objekttheater) Ausschreibungen Dotierung: je 8.000 Euro Einreichfrist: 15.04.2012 bmukk: outstanding artist awards www.bmukk.gv.at/kunst/service/aus- dreizurdritten figurentheater sucht jun- Einreichfrist: 13.04.2012 schreibungen.xml ge Künstler_innen und Gruppen, die sich mit dem Genre Figuren- & Objekt- Das Bundesministeriums für Unterricht, theater auseinandersetzen möchten. Kunst und Kultur schreibt outstanding ------Konzepte für noch nicht uraufgeführte artist awards für folgende drei Bereiche Konzeptförderung der Stadt Wien Kurzstücke (max. 15 Minuten) für Er- aus: Einreichfrist: 15. April 2012 wachsene können an info@dreizurdrit- Interkultureller Dialog 2012 für ten.at eingereicht werden. Eine Jury künstlerische und kulturelle Leistungen, Ab sofort kann bei der MA7 im Refe- wählt mehrere Projekte aus, die einen die unter aktiver Einbeziehung von in rat für Darstellende Kunst die neue Produktionskostenzuschuss erhalten Österreich lebenden Menschen verschie- vierjährige Konzeptförderung ab 2014 und im September im Figurentheater dener Herkunftsländer die gegenseitige eingereicht werden. Der schriftliche LILARUM uraufgeführt werden sollen. Wertschätzung, das wechselseitige Ver- Antrag muss folgende Informationen ständnis sowie den Dialog fördern, die enthalten: www.dreizurdritten.at

48 gift 02/2012 FRINGE Hamburg lädt Street Art die texte (alle dichtungsgattungen sind H13 2012 – Niederoesterreich Preis und Open Air Künstler_innen zur zugelassen) sollen sich im weitesten für Performance Teilnahme ein sinne mit den themen fremdsein, an- Einreichfrist: 21.05.2012 Anmeldung bis 15.04.2012 derssein, identität, flucht, vertreibung, ankommen, integration, leben zwischen Kunstraum Niederoesterreich schreibt Vom 2. bis 14. Juli 2012 holt FRINGE kulturen auseinandersetzen. dieses Jahr zum sechsten Mal den H13 – Hamburg junge Performer_innen der Niederoesterreich Preis für Performance freien Szene in die Hansestadt, um ih- einsendungen an: exil, kennwort „exil- aus, der sich als einziger Preis in Öster- nen im Rahmen des Festivalbündnisses literaturpreise“, stiftgasse 8, 1070 wien, reich ausschließlich der Kunstform Per- Kaltstart Hamburg eine Auftrittsplatt- [email protected] formance widmet. Mit dem Kunstpreis form zu bieten, die einzigartig ist im www.zentrum­exil.at H13 soll den performativen Arbeiten deutschsprachigen Raum. In diesem der jüngeren Generation spezielle Auf- Jahr findet FRINGE ausschließlich merksamkeit zuteil werden. Einreichen draußen, also in den Parkanlagen, Hin------können Künstler_innen, die seit min- terhöfen, auf den öffentlichen Plätzen Festival der Regionen sucht Projekt- destens zwei Jahren in Österreich leben und den Bürgersteigen des Hamburger vorschläge zum Thema UMGRABEN und arbeiten. Schanzenviertels statt. Den öffentlichen Einreichfrist: 16.05.2012 Der H13 2012 ist mit 2.000 Euro do- Raum okkupierend, soll der diesjährige tiert, zudem wird die Siegerperformance Fokus auf Street-Art Performer_innen Das Festival der Regionen erkundet und am 6. September 2012 im Kunstraum und Open-Air Künstler_innen gelenkt erobert seit 1993 alle zwei Jahre eine Re- Niederoesterreich uraufgeführt. Die werden. Diese sind herzlichst eingela- gion oder einen Ort in Oberösterreich, Expert_innen-Jury des H13 setzt sich den, sich per Online-Anmeldeformular um den dortigen Bewohner_innen ein dieses Jahr aus der Kunstkritikerin, zur Teilnahme am diesjährigen Hambur- zeitgenössisches Kunst- und Kulturpro- Künstlerin und Kuratorin Ursula Maria ger FRINGE anzumelden. gramm anzubieten. Probst, der Künstlerin und Professorin „Umgraben“ ist das Motto des Fe- an der Akademie der bildenden Künste www.fringe-hamburg.de stivals, das im Juni 2013 in Eferding Elisabeth von Samsonov sowie Christia- www.kaltstart-hamburg.de stattfinden wird. Das passt einerseits ne Krejs und Sissi Makovec vom Kunst- Online-Anmeldeformular: zur bäuerlichen Struktur der Region, raum Niederoesterreich zusammen. ww.kaltstart-hamburg.de/778.html andererseits kann das Umgraben auch Verborgenes und Zugedecktes zutage www.kunstraum.net fördern. Jedenfalls muss zuerst umgegra------ben werden, wenn etwas Neues wachsen soll. So ist das Motto als Metapher für ------exil-literaturpreise: schreiben zwi- die Pflanzung einer aktuellen Kunst und LinzIMpORT 2012 schen den kulturen 2012 Kultur zu verstehen, wobei durchaus LinzEXPOrt 2012 Einreichfrist: 30.04. bzw. 30.06.2012 seltsame Gewächse und Blüten in allen Deadline: 29.05.2012 möglichen Mutationen erhofft werden. schreiben zwischen den kulturen ist Das Festival der Regionen sucht Pro- Die Stadt Linz schreibt mit LinzIMpORT ein literaturwettbewerb zur förderung jektvorschläge aus allen künstlerischen und LinzEXPOrt zwei Förderprogramm der literatur von autor_innen, die aus Bereichen und Genres. Bei aller Offen- aus, die mit einer Gesamtfördersumme einer anderen muttersprache kommen heit werden Vorhaben für ortsspezi- in Höhe von 20.000 bzw. 50.000 Euro und in deutscher sprache schreiben. fische Arbeiten bevorzugt, Ambitionen, ausgestattet sind. teilnahmeberechtigt sind personen, die die sich mit Gesellschaft und Geschich- LinzIMpORT soll Künstler_innen seit mindestens einem halben jahr in ös- te der Stadt beschäftigen und möglichst bzw. freien Kunst- und Kulturinitiati- terreich leben. alle arbeiten müssen vom Bevölkerungsgruppen oder einzelne ven mit Linz-Bezug experimentelles und autor/ der autorin selbst in deutscher gute Kräfte einbeziehen. prozesshaftes künstlerisches Arbeiten in sprache verfasst und bis zum zeitpunkt Linz mit Kunstschaffenden, die außer- der einreichung unveröffentlicht sein. www.fdr.at halb von Österreich tätig sind, ermög-

service 49 lichen. LinzEXPOrt soll Künstler_in- nen Blick hinter die Kulissen heimischer nen experimentelles und prozesshaftes Festivals Produktionen und Ensembles zu werfen. künstlerisches Arbeiten in Verbindung Mit dabei sind das kuk-theater der Pro mit einem Aufenthalt in einer Stadt oder mente OÖ, das Kraud&Ruam Theater einer Region außerhalb von Österreich TANZTAGE 2012: Zeitgenössisches aus Hartheim, die Wiener Tanzforma- ermöglichen. Tanz-Festival im Burgenland tion Ich.bin.Ok sowie das Greiner SO- Bereits begonnene oder durchge- 04.-06.05.2012, OHO Oberwart undSO Theater. führte Projekte können nicht einge- In Zusammenarbeit mit dem Pro- reicht werden. Dieses kleine, internationale Festival grammkino moviemento wird es bei zeigt Produktionen von Tänzer_innen sicht:wechsel 2012 wieder ein mehrtä- http://portal.linz.gv.at/Serviceguide/ aus zwölf Ländern, von China über giges Filmprogramm geben. viewChapter.html?chapterid=122822 Japan bis Portugal, um den zeitgenös- Zur Weiterbildung oder auch nur http://portal.linz.gv.at/Serviceguide/ sischen Tanz einem stetig wachsendem zum Schnuppern dienen die zahlreichen viewChapter.html?chapterid=122236 Publikum zu präsentieren. Zusätzlich Workshop-Angebote mit namhaften Re- arbeitet Liz King mit Tanz-Interessierten ferent_innen aus den Bereichen Tanz, aus der Region, auch Schüler_innen des Theater, Musik und Malerei. ------Realgymnasium Oberschützen und der Viertelfestival NÖ – Weinviertel 2013 HBLA Oberwart arbeiten an jeweils ei- www.sicht-wechsel.at sucht Projekteinreichungen zum ner Performance. Thema Brandungszone Einreichfrist: 25.06.2012 www.oho.at ------Ganz Niederösterreich wird Bühne Das Viertelfestival NÖ wird seit 2006 beim THEATERFEST NÖ 2012 von der Kulturvernetzung NÖ im Auf------06.06.-08.09.2012, NÖ trag des Landes Niederösterreich durch- VIELFALT LEBEN! geführt. Das 3. Internationale Integrative Von A wie Amstetten bis W wie Weitra Die programmatische Bandbreite Kulturfestival sicht:wechsel reicht das Kulturangebot des diesjäh- erstreckt sich von verschiedensten Mu- 04.-11.05.2012, Linz rigen THEATERFEST Niederösterreich: sik- und Theaterprojekten über Literatur komödiantisch und tragisch, ernst und und Installationskunst bis hin zu Land- Zum 8-tägigen Internationalen Integra- ausgelassen, zeitgenössisch und klas- Art-Projekten und Performances. Ziel ist tiven Kulturfestival sicht:wechsel 2012 sisch wird der Theatersommer. es, Kunst- und Kulturprojekte nahe zu werden zum dritten Mal außergewöhn- Ganz Niederösterreich ist Bühne! den Menschen zu bringen und „Kultur liche internationale professionelle The- Unter diesem Motto bieten 23 Fest- vor der Haustüre“ anzubieten. ater-, Tanz- und Musikensembles nach spielorte von 6. Juni bis 8. September im Künstler_innen, Kulturinteressier- Linz/OÖ eingeladen, die mit Menschen ganzen Land kulturelle Nahversorgung. te und Kulturvereine sind eingeladen, mit und ohne Beeinträchtigung künst- Die Festspiel-Bandbreite reicht von Kreativbeiträge für das Viertelfestival lerisch hochwertige Produktionen erar- Schauspiel und Musical über Oper und NÖ – Weinviertel 2013 einzureichen. beiten. Operette, gespielt wird auf imposanten Willkommen sind Ideen aus sämtlichen Entsprechend dem Festival-Motto Burgen und Schlösser, in romantischen Kunst- und Kultursparten sowie spar- VIELFALT LEBEN! wird jeden Tag eine Theaterhäusern und auf stimmungs- tenübergreifende Projekte, die sich mit andere Kunstsparte vorgestellt. Exem- vollen Open Air-Bühnen. dem Festival-Motto „Brandungszone“ plarische Produktionen von Künstler_ Tickets für alle Spielorte sind unter und den Besonderheiten des Weinvier- innen mit und ohne Beeinträchtigung der gemeinsamen Ticket-Line unter der tels befassen. Initiativen mit Standorten werden zur Diskussion und in den Kon- Telefonnummer 01 96096-111 erhältlich. in Südmähren und der Westslowakei text heimischen Kulturlebens gestellt. Die Broschüre mit allen Informationen sind ebenfalls ausdrücklich erwünscht. Unter dem Titel Über die Schulter kann online kostenlos bestellt werden. geschaut wird Interessierten an mehre- www.viertelfestival-noe.at ren Tagen die Möglichkeit geboten, ei- www.theaterfest-noe.at

50 gift 02/2012 Veranstaltungen

Theater mocht mi-grantig Theaters öffnen, um sie auf professio- theaterpädagogische Konzepte und Symposium von u\hof: und ASSITEJ neller Ebene sowie für Partizipations- Spielplanpolitik, über die Verortung zum Theater für junges Publikum in projekte möglichst vielen Individuen der Kinder- und Jugendtheater in einer einer postmigrantischen Gesellschaft dieser Gesellschaft zugänglich zu ma- postmigrantischen Gesellschaft aus- 12. Juni 2012, Linz chen? Spielplangestaltung und die Kon- zutauschen: zeption von Theaterpädagogik im The- Verrücktes Blut von Nurkan Erpulat Warum müssen Jugendliche mit Migra- ater für junges Publikum sind hier zu und Jens Hillje erzählt die Geschichte tionshintergrund im Theater so oft über Austausch und Selbstreflexion angehal- einer Lehrerin, die verzweifelt versucht, Heimat reden? Weshalb spielen Jugend- ten, da sie wichtige Weichen zu einem ihren Schüler_innen im Rahmen eines liche mit Migrationshintergrund so sel- Theater, das der postmigrantischen Re- Projekttages zu Friedrich Schiller die ten in Spielclubs an Theatern? Wieso alität unserer Gesellschaft gerecht wird, Grundsätze der Aufklärung nahezu- stehen so wenige Schauspieler_innen stellen können. bringen. mit Migrationshintergrund auf Österrei- Der u\hof: Theater für junges Publi- Vorurteile spiegelnd, Klischees über- chs Bühnen oder sitzen auf den Stühlen kum am Landestheater Linz und die AS- zeichnend und Wahrheiten dekonstru- der Theaterleiter_innen und Dramaturg_ SITEJ Austria laden deshalb am 12. Juni ierend, stellt das Stück wichtige Fragen, innen? Was hat es mit besagtem Hinter- 2012 alle Interessierten ein, sich bei dem die Regisseurin Asli Kislal seit Oktober grund, über den alle reden, eigentlich Symposium Theater mocht mi-grantig 2011 mit dreizehn Jugendlichen aus auf sich? Und in welchem Zusammen- mit der aktuellen Situation und mit Pro- Linz und Umgebung am u\hof: Thea- hang steht das Schlagwort Migration jekten, die auf unterschiedliche Weise ter für junges Publikum bearbeitet. Im mit dem Theater? Theater in einer postmigrantischen Rahmen des Formates FREISPIEL zei- Fragen, die sich aufdrängen, wenn Gesellschaft thematisieren sowie mit gen die jugendlichen Darsteller_innen man die Worte des deutschen Autors, Visionen für die Zukunft auseinander- mit Schauspielerin Zeynep Buyrac das Journalisten und Psychologen Dr. Mark zusetzen. Stück ab 7. April im regulären Spielplan Terkessidis ernst nimmt. Er sprach auf Wie gelangen Theater zu einem Wir- des Landestheaters Linz. der vergangenen Jahreskonferenz der Begriff, der tatsächlich alle meint und Das Theaterprojekt mit Jugendlichen Dramaturgischen Gesellschaft 2011 in der der Komplexität einer Vielheit von mit Migrationshintergrund am Theater Freiburg zum Thema Wer ist wir? Thea- Individuen unterschiedlicher Hinter- Phönix in Kooperation mit dem Ver- ter in der interkulturellen Gesellschaft gründe in Österreich entspricht? ein ADA-Alternative Solidarität zeigt und schreibt in seinem Buch Interkul- Prof. Dr. Wolfgang Schneider ist in dieser Spielzeit Unterm Herzen von tur: „Die Personen mit Migrationshin- Herausgeber des Bandes Theater und Jan Demuth. tergrund sind ebenso Bestandteil der Migration und forscht an der Univer- Regisseurin Brigitta Waschnig hat Bevölkerung wie jene ohne, und daher sität Hildesheim in den Bereichen Kul- die jugendlichen Darsteller_innen in haben sie ein Anrecht darauf, dass die turpolitik, Kulturförderung, kulturelle die Stückauswahl eingebunden. Seit staatliche Förderung von Kultur, sei sie Kinder- und Jugendbildung. Er wird das November 2011 treffen sie sich zweimal nun institutionell oder projektförmig, Symposium moderierend begleiten. Als pro Woche zu Rollenspielen und Impro- auch bei ihnen ankommt. Das ist in ei- Diskutantin wird Theaterwissenschaft- visation; gezeigt wird ein Stück, in dem ner Demokratie eine Frage der Gerech- lerin Azadeh Sharifi, die zum Thema es um ihre „Wunschthemen“ – Liebe, tigkeit.“ Partizipation von Postmigranten am Freundschaft und Mobbing – geht. Die Kinder- und Jugendtheater sind Beispiel der Bühnen der Stadt Köln mit ihrem größtenteils schulischen Pu- promovierte, zugegen sein. Anmeldung bis spätestens 8. Juni blikum per se von einer durchmischten, Zwei Produktionen von und für 2012 bei Eva Haunschmid, Susanne die Gesellschaft weitestgehend spiegeln- Jugendliche mit und ohne Migrations- Höchtl den Zuschauerschaft gekennzeichnet. hintergrund stehen zur Diskussion Wie lässt sich jedoch die Struktur des und laden ein, sich einen Tag lang über [email protected]

service 51 Impressum: gift – zeitschrift für freies theater ISSN 1992-2973

Medieninhaberin, Herausgeberin, Verlegerin: IG Freie Theaterarbeit, ZVR-Nr. 878992823 Gumpendorferstraße 63B, A-1060 Wien Tel.: +43 (0)1/403 87 94 [email protected] www.freietheater.at

Redaktion: Katharina Ganser, Sabine Kock, Xenia Kopf, Wolf Lamsa, Barbara Stüwe-Eßl, Carolin Vikoler, Andrea Wälzl (koordinierende Redak- teurin); Layout: Xenia Kopf

Offenlegung lt. § 25 Mediengesetz: Blattlinie: Fachzeitschrift für Kulturpolitik, Diskurs, Vernetzung im Sektor Darstellende Kunst. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung der IG Freie Theaterarbeit wieder.

Geschäftsführung: Sabine Kock Vorstand: Katharina Dilena, Corinne Eckenstein, Thomas Hinterberger, Tristan Jorde, Asli Kislal, Gernot Plass, Claudia Seigmann

Einzelverkaufspreis: Euro 5,- / 2,50 ermäßigt für Studierende Abo: Euro 20,- / 10,- ermäßigt für Studierende Erscheinungsweise: 4 Ausgaben pro Jahr

52 gift 02/2012 Premieren Inhalt 03.04. 20.04. 05.05. 24.05. 1 editorial Nigel Charnock: Bodhi Project Joanna Godwin-Seidl: Hautnah Armes Theater Wien: Trilogie der Volker Schmidt: Rosenkriege republic Salzburg, 0662/624635 OFF Theater Wien Sommerfrische Theater Phönix Linz 0660/4946989 Novomatic Forum Wien 0732/666500 aktuell 04.04. 0699/81639394 Gabi Seeleitner & Sonja Brow- 24.04. 24.05. 2 Politisch Theater machen ne: Anderwelt / Danse Brute / Gerhard Werdeker: Schuld und 08.05. oenm: Utopien Charly k.o. Sühne Michael Köhlmeier/Anselm ARGE Kultur Salzburg 3 Erster Europäischer Theatertag für Toleranz: Ein Tag danach Von Markus Kupferblum Tanz_house Studio/ARGE Kultur Theater Spielraum Wien Lipgens: Sunrise 0662/848784 Salzburg 01/713046060 neuebuehnevillach, 0662/848784 04242/287164 25.05. 26.04. Stefanie Wilhelm/Charlotta politik 11.04. Doris Jungbauer & Tanja Brand- 09.05. Ruth: LUMEN.inversion Susanne Draxler: ARGE Mord- mayr: Personality Tracks Jessy Servenay: zeit auf-nehmen Tanzquartier Wien, 01/5813591 Posthof Linz TTZ Graz 6 Wien ist anders – Schildbürgerstreiche in der Kulturabteilung der Stadt Wien? Von Sabine Kock lust KosmosTheater Wien 0732/781800 0676/5930823 29.05. 9 Off ene Plattform Tanz Theater Performance Zu aktuellen Prozessen der Wiener Kulturpolitik 01/523 12 26 Christina Lederhaas & Thomas 10 Spotlight BUND: Bericht aus den Niederungen einer grundlegenden Stagnation Von Sabine Kock 26.04. 09.05. Rottleuthner: Consequence of 12 ASSITEJ Austria kämpft um Bundesfi nanzierung Von Christoph Thoma 13.04. Clemens Lukas Luderer: Briefe Theater Malaria: Experiment Simplicities Petra Fasching/Peter Eisner: ans Leben Leben. Winklergasse 43 TTZ Graz, 0676/5930823 15 Vernetzungsinitiative der Wiener Musiktheater Luft anhalten neuebuehnevillach, 04242/287164 Posthof Linz 17 Verschlossene Türen Abschaff ung des Landeskulturbeirats in der Steiermark Von Caroline Oswald-Fleck Theater im Kürbis Wies 0732/781800 31.05. 26.04. 18 Freies Theater Innsbruck Ein neuer Ort für kreative Theaterarbeit entsteht Von Florian Eisner 03465 / 7038 Andreas Staudinger: Frei Raum seitenbühne: Claus Peymann 10.05. ke – klagenfurter ensemble 20 WIDERAUFBAU Ein kräftiges Lebenszeichen der freien Kulturszene in Kärnten Von Brigitte Strasser 14.04. kauft sich eine Hose und geht Barbara Herold: Von Hollywood 0463/310300 Sven Kaschte: VLAD mit mir essen nach Uganda TAG Wien, 01/5865222 TTZ Graz, 0676/5930823 KosmosTheater Wien 06.06 01/523 12 26 Institutet/Nya Rampen/Markus diskurs 16.04. 26.04. Öhrn: Conte d’amour l*art pour l*art/Leila Müller: der Michael O‘Connor & Brandon 11.05. Wiener Festwochen in der Garage X Wien, 01/535320011 22 Vadaismus Distanzlose Plotmontage im kleinsten Theater der Welt Von Felix Strasser und Yulia Izmaylova himmel ist weiss Gonzalez: A General Theory of playground: too sexy to fail Theater Drachengasse Love Palais Kabelwerk Wien 28 Fokus Koproduktion IV: brut Wien Drahtseilakt zwischen lokaler Projektförderung & internationaler Vernetzung 01/5131444 WUK Wien, www.wuk.at 01/9431279 05.06. Interview mit Thomas Frank, Bettina Kogler und Haiko Pfost Barbara-David Brüesch: Maku- 33 Fokus Koproduktion V: God‘s Entertainment Politische Interventionen und keine transzendentale Instanz 17.04. 27.04. 12.05. latur Caroline Richards: Theater ohne Boden: John & Joe Stephan Kasimir: Schauspielhaus Wien Von Wolf Lamsa Eine Minute Sargfabrik Wien, 0699/12085701 Verrücktes Blut 01/317010118 36 Theater als politischer Verhandlungsort und politische Praxis im öff entlichen Konfl iktraum Von Gin Müller Kleines Theater Salzburg Theater Kosmos Bregenz 40 Transformation und Neubestimmung im Theateruniversum Rumänien Das rumänische Theater nach 1989 0662/872154 02.05. 05574/44034 13.06. Manfred Weissensteiner: Weg! Tanztheater Tangram: Toten Von Wolf Lamsa 19.04. Theater am Ortweinplatz Graz 16.05. Mythen Lebens Tanz 44 Interferencias Von Aline Kristin Mohl und Regina Picker Theater im Bahnhof: Graz Ale- 0316/846094 Werner Halbedl: Winter TTZ Graz xanderplatz Theater Oberzeiring 0676/5930823 Dom im Berg, 0316/763620 02.05. 0664/8347407 Wiener Wortstätten/Sandra 13.06. service kurzrubriken 18.04. Selimovic: It’s my life – Çaba, die 21.05. Guerilla Gorillas: Zigeuner- Anna Hein: Die Schwimmerin Chance Karl Wozek: House of Vampires Boxer ke – klagenfurter ensemble Dschungel Wien, 01/522072020 Dschungel Wien Dschungel Wien, 01/522072020 46 Aus der Szene 16 zeitfenster Grete Wiesenthal 0463/310300 01/522072020 48 Intern 19 sandkasten Maria Hofstätter 04.05. 29.06. Ausschreibungen 27 bilderrahmen Armin Bardel 20.04.2012 Theater Waltzwerk: Im sitzen 21.05. theater im hof enns: Was ihr Michikazu Matsune/Paul Wen- läuft es sich besser davon Pistoletta Productions Wien: wollt 50 Festivals ninger: Villareal ke – klagenfurter ensemble Bentley fahren K&K Reithalle Enns 51 Veranstaltungen Tanzquartier Wien, 01/5813591 0463/310300 TAG Wien, 01/5865222 0699/14470001 52 impressum 53 premieren Weitere Programm-Infos online auf www.theaterspielplan.at Titelbild: The Knot Garden sowie für Wiener Produktionen im Printformat spielplan wien Neue Oper Wien, sujet, Theater an der Wien 2008, © Armin Bardel gift 02/2012 zeitschrift für freies theater Rumänisches Theater Transformation & Neubestimmung Euro 5,- / 2,50 ermäßigt für Studierende P.b.b. Verlagspostamt 1060 Wien Zul. Nr. 09Z038334M

politik diskurs

Spotlight BUND Vadaismus Aus den Niederungen einer grundlegenden Stagnation Plotmontage im kleinsten Theater der Welt

Verschlossene Türen Theater als politischer Verhandlungsort Steiermark: Abschaff ung des Landeskulturbeirats Politische Praxis im öff entlichen Konfl iktraum 4 gift 01/2012