RUNDBRIEF zur Förderung der Freundschaft zwischen dem Alten und dem Neuen Gottesvolk — im Geiste der beiden Testamente

11111V. Folge 1951/1952 Freiburg, Dezember 1951 Nummer 12/15

4 SONDER-AUSGABE: FRIEDE MIT ISRAEL

Aus dem Inhalt:

1. Erste Schritte auf dem Wege zum Frieden mit Israel von Karlheinz Schmidthüs Seite 3 a) ,Wo ift dein Bruder Abel?' Ansprache zur Einweihung des Gedächtnismales auf dem alten Judenfriedhof in Schlüchtern von Wilhelm Praesent am 7. August 1949 Seite 4 b) „Gib, o Gott, daß in keines Menschen Herz Haß aufsteige !" Rede von Landesrabbiner Dr. Robert R.Geis auf dem Jüdischen Friedhof anläßlidi der Einweihung des Gedenksteins für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. Kassel, Sonntag, den 25. Juni 1950. . . Seite 5 c) „Wir bitten Israel um Frieden" von Eridt Lüth Seite 7 d) Nahum Goldmann an Erich Lüth Seite 8 e) Die Erklärungen Bundeskanzler Dr. Adenauers und der Parteien zur Wieder- gutmachung . . Seite 9 n Rabbiner Dr. Leo Bai& zur Regierungs- und Parteienerklärung .. Seite 11 g) Resolution des Zentralrats der Juden in Deutschland über die deutsche Regierungs- erklärung . . . . . Seite 11 h) Jüdischer Weltkongreß zur deutschen Regierungserklärung Seite 12 1) Israel antwortet auf die Erklärung der Bundesregierung zum jüdisch-deutschen Verhältnis , Seite 12 k) „Ich schenke Deutschland den Frieden !" Aus einem offenen Brief an Erich Lüth und Rudolf Küstermeier von ihrem 1(2-Leidensgefährten Israel Gelber aus Jerusalem Seite 13 2. Deutschland und Israel von E. L. Ehrlich Seite 14 3. Der neue Staat Israel und die Christenheit. Bericht von der Düsseldorfer Tagung des Deutschen evangelischen Ausschusses für Dienst an Israel, 26. Februar bis 2. März 1951 Seite 16 Als Anhang: Brief an Bundeskanzler Dr. Adenauer 4. • Die Judenfrage im Licht der Heiligen Schrift. Von Msgr. Dr. Johann Straubinger, Stuttgart- La PlitafArgentinieti Seite 17 5. *Jüdischer Gnostizismus und Chassidismus. Ein Buchbericht über Bücher G. Scholems und M. Buben. Von Karl Thieme Seite 22 6. • Einiges über den jüdischen Segensspruch. Von Hugo Bergmann, Jerusalem Seite 26

7. • Internationale Konferenzen zur christlich -jüdischen Zusammenarbeit Seite 28 a) Die Basler internationale christlich-jüdische Konferenz(19.-21. Mai 1951) b) Die Hattenheimer,Konferenz internationaler Perfönlichkeiten des religiösen Lebens' (3.--6.Juli 1951) 8. Echo und Aussprache: a) Drei Zuschriften, die uns verpflichten Seite 33

b) Sind Reform - Juden religiös keine Juden? Von E. J. Cohn/London - N. Monzel • • Seite 33

c) Zur' Parallele Bar Kochba-Hitler: E. L. Ehrlich — K. Thieme Seite 35 d) Ist das auserwählte Volk ein Händlervolk? Janine Auscher • Paul Claudel Seite 37

e) Wirklich „Antigermanismus''? K. Thieme — R. Haerdter Seite 38 f) Zur Sinnfrage christlich-jüdischer Freundschaftsarbeit. K. Kaiser - IC Thieme . . . . Seite 40 9. Rundschau (u. a. Zum religiösen Problem in Israel) Seite 42 10. Kleine Nachrichten (u. a. Erich Lüth in Freiburg) Seite 50 11. Literaturhinweise (u. a. Paul Claudel, Höre Israel 1 'Chaim Weizmann, Memoiren) . .. - . Seite 53 12. Aus unserer Arbeit (u. a. Gast in Israel von Gertrud Ludcner) . . • Seite 55 Nachdrudc gestattet. Für die im Inhaltsverzeichnis mit • gekennzeidineten Beiträge wird um das übliche Zeilenhonorar gebeten Als M anuskript gedruckt

Herausgegeben von Dr. Rupert Gießier, Msgr. Kuno Joerger, Dr. Gertrud Ludcner, Karlheinz Schmidthüs, Prof. Dr. Karl Thieme. Geschäftsstelle: Dr. Gertrud Ludcner, Freiburg I. dr., Deutscher Caritas-Verband, Werthmannplatz 4 zur Förderung der Freundschaft zwischen dem Alten und RUNDBRIEF dem Neuen Gottesvolk im Geiste der beiden Testamente

1. Erfte Schritte auf dem Wege zum Frieden mit Israel Von Mainz 1948 bis Bonn 1951 Man darf bei der Erörterung und Darstellung des Verhältnisses beseitigt. Das trat zu Tage als der Weges der Versöhnung - zwischen Deutschen und Staat Israel sich weigerte, dem Beispiel von 47 Staa- Juden nie vergessen, daß all unser guter Wille, alle ten, die den Kriegszustand mit Deutschland für be- unsere Anstrengungen und Bemühungen, all das endigt erklärten, zu folgen. Die Friedenslosigkeit also, was wir schon getan haben, gegenüber der und Unversöhntheit zwischen Deutschen und Juden Maßlosigkeit des wiedergutzumachenden Unrechts reicht in Tiefen der Schuld und des Leidens, die nur wenig bedeuten kann und erst Wirklichkeit ge- durch keine politischen Zweckmäßigkeitserwägungen winnt, wenn und soweit es von denen, die dies Un- zu verdecken, die nur durch einen vollgültigen, recht erlitten haben, angenommen ist. Es darf also glaubwürdigen Akt der Sühne zu überbrücken sind. darin für uns keine Beruhigung geben, daß wir „schon Auch hier wäre es freilich unrealistisch zu glauben, getan haben"; es handelt sich immer noch um nicht daß ein solcher Akt bewußt und reflektiert von mehr als erste Schritte, die freilich die Voraussetzung einem ganzen Volke innerlich gleichzeitig vollzogen von unserer Seite für das sind, worum wir die an- werden könnte. Auch hier kann kaum mehr verlangt dere Seite bitten und wozu wir ihre Antwort brau- werden, als daß dieser Akt repräsentativ gesetzt chen: Versöhnung und Frieden. wird und daß ihm zunächst aus dem Vertrauen in Wir schulden auch dem Bruder, gegen den wir ge- diese Repräsentanz zugestimmt und die Zustimmung fehlt haben, für seine Vergebung nicht weniger, als in der Folge durch unermüdliche Aufklärungs- und der Katechismus als Voraussetzung für die göttliche Erziehungsarbeit bewußter gemacht, gestärkt und Vergebung unserer Schuld aufzählt: die aufrichtige vertieft wird. Reue aus Einsicht in das Böse unseres Tuns und Un- Der Weg solcher repräsentativer Akte und solcher terlassens; den festen Vorsatz, das Sdiuldigwerden Arbeit ist in Deutschland zunächst innerhalb der nicht wieder geschehen zu lassen; die Wiedergut- christlichen Kirchen vorbereitet worden. Die Evan- machung des angerichteten Schadens. Denn . gelische Kirche trat schon früh mit diesem Anliegen drei: Reue, Vorsatz und Wiedergutmachung sind an die Öffentlichkeit. Innerhalb des deutschen Ka- keine formalen Bedingungen sondern Anzeichen tholizismus wurde es zunächst von einem Kreise eines inneren Zustandes, der nötig ist, damit Ver- von Menschen getragen, die sich schon während der söhnung aufrichtig und wirklich geschieht, Anzeichen Verfolgungszeit des organisierten Hilfswerks für einer echten Bekehrung, in der der Mensch eines die Juden angenommen hatten und die sich mit wahren Verhältnisses zu Gott und seinem Bruder anderen dann in unserer Freiburger christlich-jüdi- wieder fähig wird. schen Arbeitsgemeinschaft zusammenfanden. Aber Die Bekehrung des deutsdien Volkes war die Hoff- als die deutschen Katholiken 1948 zum ersten Male nung von 1945. Die Erschütterung, die es erlitt — seit dem Kriege auf dem Mainzer Katholikentag und zu der die Enthüllung der furchtbaren Greuel wieder an die Offentlidtkeit traten, machte sich der des Regimes, dem es mehr oder weniger willig ge- Katholikentag das Anliegen der christlich-jüdischen dient, jedenfalls aber nicht widerstanden hatte, nicht Versöhnung sofort rückhaltlos zu eigen, der Bochu- wenig beitrug — schien bis in jene Tiefen der Seele mer Katholikentag wiederholte die Mainzer Forde- zu reichen, in denen Bekehrung anheben muß. Aber rungen mit der Betonung ihrer Dringlichkeit und in. die Hoffnung auf die plötzliche Bekehrung eines Passau-Altötting wurde die christlich-jüdische Ar- ganzen Volkes war wohl eine Überschätzung — min- beit zum ständigen Anliegen der Katholikentage destens der psychologischen — Wandlungsfähigkeit erhoben. des durchschnittlichen Menschen. Was blieb und was Der Mainzer Katholikentag hat bewußt die notwen- bis heute geblieben ist, ist die Hoffnung, daß die digen Bestandteile eines vollgültigen Aktes der Erschütterung das Volk williger machen würde, sich Sühne hervorgehoben. Er sprach zunächst ein klares von nun an von den guten Kräften, die in ihm am Bekenntnis der Schuld der Christen aus: der Schuld Leben geblieben oder aufgewacht waren, einen lang- des harten Herzens gegen die Brüder, die die Ver- samen und mühsamen Weg der Rehabilitierung füh- folgung durch die Mächte, die in Wirklichkeit ebenso ren zu lassen, auf dem es allmählich die innere und Widersacher der Christen wie der Juden sind, in äußere Möglichkeit des Friedens mit den Völkern ihrer vollen mörderischen Härte fast allein traf; der wiedergewinnen würde. Schuld, aus Uneinsichtigkeit der schleichenden Ver- Wie die macht- und wirtschaftspolitischen Konstel- giftung durch den Antisemitismus erlegen zu sein; lationen seit 1945 diesen Prozeß beeinflußt — ge- der Schuld der Angst und Feigheit vor der Macht hemmt, gehindert, in andere Richtung gelenkt und des Bösen. anscheinend im Augenblick in ein für uns und unsere Als zweites prägte er dann die Aufgabe ein, die aus Nachbarn kritisches Stadium gebracht haben —, ist dem Vorsatz, nicht wieder schuldig zu werden, er- ein verwickelter Vorgang, dessen positive und nega- wächst: durch unermüdliche Erziehungsarbeit in tive Seiten in eben diesem Augenblick kaum abzu- Seelsorge, Schule und Haus die Lücken des christ- wägen sind. Unberührt davon aber blieb auf jeden lichen Bewußtseins zu schließen, in die der antisemi- Fall unser Verhältnis zu den Menschen, an denen wir tische Irrtum über die Judenfrage eindringen kann, am schuldigsten geworden waren, den Juden. Keine und jeden neu aufflammenden Antisemitismus uner- äußere Entwicklung konnte die Ungelöstheit dieses bittlich zu bekämpfen. 3 Als drittes aber läßt er keinen Zweifel an der Pflicht der Inhalt der Regierungserklärung und die Tatsache, der Wiedergutmachung in strengem Sinne, bei der daß alle Parteien ihr zugestimmt haben, sind immer- es sich »nicht bloß um die gerechte Verteilung vor- hin Ausdruck für das Bewußtsein des deutschen Vol- handener Güter, sondern um die Rückgabe wider- kes, daß zu Israel — wenn wir nun schon zu ihm rechtlich entwendeter" handelt Der Bochumer Katho- zu sprechen versuchen — nichts Halbes und Aus- likentag bringt ein Jahr später noch einmal unzwei- weichendes gesagt werden darf. Das ist ein Grund, deutig zum Ausdruck, daß diese Pflicht der Wieder- daß diejenigen, die unermüdlich für die Sühne und gutmachung auch schon durch die Verzögerung der Versöhnung gearbeitet haben, auch zu so später notwendigen Leistungen verletzt wird und fordert Stunde noch Hoffnung haben dürfen. deren „unverzügliche Durdiführung". Es hat dann freilich lange gedauert, bis auch die Wir bitten Israel um Frieden. Es darf von uns ver- staatlichen Autoritäten sicdi entschlossen, sich zur langen, daß wir unsere Bitte glaubwürdig machen. Erfüllung der vollen Voraussetzungen für einen Frie- Ein Zeichen dafür wird sein, daß wir beweisen, daß den mit Israel in diesem Sinne zu bekennen. Der es uns um die Wiedergutmachung ernst ist und daß mutige Ruf Erich Lüths, den wir in unserer nach- wir sie nicht mehr verzögern. Schwieriger und viel- folgenden Dokumentenveröffentlidiung der Erklä- leicht letzten Endes entscheidender aber ist es, die rung der Bundesregierung mit Recht voranstellen, Hoffnung auf eine echte Ausbreitung, Vertiefung und das große Echo, das er fand, waren sicherlich ein und Bestärkung der Zustimmung zu jenem repräsen- starker Anstoß zu diesem Akt. Sie waren ein Zei- tativen Akt der Reue und des Vorsatzes glaubwürdig dien dafür, daß die Beunruhigung über die unge- zu machen, den die Regierung für das Volk geleistet sühnte Schuld an Israel in den Herzen der besten hat. Deutschen noch immer groß und wach ist. Aber audi Karlheinz Scimidthüs.

1a) „Wo ift Dein Bruder Abel?" Ansprache von Wilhelm Präsent zur Einweihung des Gedäc:htnismales auf dem Alten Judenfriedhof in Schlüchtern am 7. August 1949

Wer die eigne Sünde nicht richtig erkennt, der kann sie nahen Rain pflücken wolle, ob es nicht ein Frühstück nicht recht bereuen; wer des Bruders Sünde nicht wirk- bei sich trage, ob es nicht morgen seinen Ball mit- lich sieht, kann ihm nicht auf den Weg zur rettenden bringen könne zum Zeitvertreib. Es blieb stumm, Buße helfen. Darum eröffnen wir die Reihe der Doku- mente zur deutsch-jüdischen Versöhnung mit dem — obwohl es das Wohlwollen in meinen Fragen spüren der evangelischen Zweimonatsschrift ,,Unterwegs' ent- mußte. Kein Zug in seinem Gesicht veränderte sich. nommenen — Text einer Rede, die ein deutscher Schul- Starr, tot, leer, ausgehöhlt, ohne Beziehung zur Aus- rektor auf dea•Jüdischen Friedhof in Schlüchtern (Hes- senwelt, ein lebendiger Leichnam. sen) gehalten hat. Dort wurden zum Gedenken an 102 Am anderen Tag hatte es keinen Ball mitgebracht, im Konzentrationslager ermordete Juden aus der Stadt wie mir schon meine Kollegen, die sich gleich mir um und dem Kreise Schlüchtern fünf Grabsteine mit deren Namen erriditet. das Kind bemüht, vorausgesagt hatten. Eine Süßig- keit, in die Hand gedrückt, änderte nicht das Gering- Ein seltsames und bedeutungsvolles Zusammen- ste. Die Finger schlossen sich ohne Freude um die treffen: am gleichen Tage, an dem die liebe alte Stadt aufgedrängte Gabe, kein Echo eines Gefühls kam, Schlüchtern sich fröhlich der Wohltat ihres Mitbür- kein Blick, kein Wort. Es war entsetzlich. Und ebenso gers .1. J. Weitzel erinnert, wird auf dem Boden glei- entsetzlich war die wirklich totale Gleichgültigkeit cher Stadt der größten Untat dieses Jahrhunderts seiner Schulkameraden. Sie nahmen kein Ärgernis gedacht, und Menschen versammeln sich zu der un- mehr an dem toten Gehäuse — die Periode der heimlichsten Begräbnisfeier, die je im Kinzigtale be- Schmähungen und Peinigungen war vorbei — es gangen wurde, zu einem Begräbnis, bei dem die To- war weniger als ein Stein, den sie wenigstens ein- ten fehlen, nicht, weil eine Naturkatastrophe ihre mal mit dem Fuß stießen, weniger als Straßendreck, Leiber vernichtet hat oder weil sie für ihre Lieben dem sie wenigstens bewußt auswichen, es war weni- auf fernem Kriegsschauplatz unerreichbar geworden ger als Luft, die sie wenigstens an den frischen, sind, sondern aus viel schrecklicherem Grunde. warmgetollten Wangen empfanden. Noch nicht ein- Nur ihre Namen sind gegenwärtig, eingemeißelt in mal mehr als Objekt ihrer nationalsozialistisch ge- den Steinen, die nun vor uns enthüllt wurden. Viele schulten Bosheit kam das Mädchen in Betracht Es ihrer Träger habe ich gekannt, aber nur von einer war einfach nicht mehr da! Es waren hier beieinander der abwesenden Toten treibt es mich zu reden. In eine ermordete Kinderseele und die vollendete Un- einer der vielen Reihen lese ich den Namen: Mar- barmherzigkeit in anderen Kinderseelen. got GRÜNFELD. Wer war Margot Grünfeld? 1938 Etwa 1933 war Margot Grünfeld in die Schule gekom- trat ich eines Tages in den Schulhof einer Dorfschule men. Ihre ganze Kindheit, sonst die glücklidiste Zeit des Kreises ein und sah das jüdische Kind zum er- des Menschenlebens, hätte unter dem Zeichen des stenmal. Es stand, ein schwarzhaariges, schwarz- von Monat zu Monat wachsenden Judenhasses ge- äugiges Mädchen, 11 bis 12 Jahre. alt, sauber geklei- standen. Die alleinstehende Mutter war arm. Nur det, die Hände auf den Rücken gelegt, allein und noch eine alte Jüdin lebte außer der Mutter und unbeweglich an der Mauer des Schulhauses .in jeder Tochter Grünfeld im Dorfe. Das Mädchen hatte nie- Pause, durch Monate hindurch. Ein verfemtes Juden- mals eine freundliche Gemeinschaft, niemals eine kind, ausgestößen aus der fröhlich lärmenden Ge- glückliche Stunde erlebt. Wen überkommt nicht der meinschaft der spielenden Altersgenossen. Es starrte Menschheit ganzer Jammer bei der Vorstellung da- vor sich hin, ohne daß sein Auge etwas von der Um- von, wie dieses Kind in die Stunde des letzten welt aufnahm, ohne daß von innen her ein leben- Grauens gestoßen wurde, einerlei, wie es den un- diges Licht aufgetaucht wäre. Eine menschliche Larve. schuldigen Opfertod erlitt, bewußt und voller Sdimer- Ich fragte es, ob es nicht einen Blumenstrauß am zen oder unbewußt und schnell? 4 Ein einziges Schicksal von den vielen, die in den 102 Wem das in den Ohren klingt, der steht nicht an Namen beschlossen liegen. Ich sehe vor mir die einem jüdischen Totenmal, um eine zeitübliche Geste Leiche hier vor den Steinen, verhungert, erwürgt, zu machen, auch nicht bloß um warme menschliche zertreten oder vergast. Läge sie in Wirklichkeit hier Teilnahme zu zeigen, sondern dem kann es nur da- im Lichte des Sonntagsmorgens, grausam und rum gehen, öffentlich, klar und ohne Deutelei zu be- schrecklidi, eine unter einhundertzweien, manches kennen: Ich erkläre mich solidarisch in der Schuld Herz geriete in Bewegung, manches Gesicht erblaßte, Deutschlands, in der noch größeren Schuld des christ- mancher Atem stockte, manches Auge füllte sich mit lichen Deutschland dem Volk gegenüber, dessen Tranen. ganze Geschichte auf europäischem Boden zu Blut Uns spricht nur der strenge Ernst der fünf dunklen und Tränen wurde. Unsere Generation hat den Juden Steine an. Sie sollen sprechen, und ich rufe sie an zu angetan, was die Bosheit der verflossenen im gesam- sprechen. Fünf Steine — fünf Worte. Und die fünf ten nicht fertiggebracht hatte. Auch die Ausflucht mit Worte heißen: „Wo ist dein Bruder Abel?' der aufgestellten Gegenrechnung, die Schuld anderer Wir kennen die Stimme, die Stimme der letzten, ein- Völker an dem unseren betreffend, ist hier nicht an- zigen Wirklichkeit. Die ewige mächtige Stimme durch gebracht. die Zeiten; sie ist nicht laut — Gott spricht nicht durch An diesem Sonntag, an diesem Platze geht es nur um den Lautsprecher — aber ihr zu entrinnen ist unmög- unsere Schuld und um unsere Buße. Hören Sie meine lich. Und wir Angerufenen haben schon unsere Ant- persönliche Überzeugung: Wenn diese Erinnerungs- worten bereit wie Kain: „Ich habe nie einen Juden zeichen von uns geplant und gestiftet worden wären beschimpft, drangsaliert, beraubt, angezeigt, ausge- und die gesamte Bevölkerung des Kreises Schlüch- liefert, erschossen, erhängt, gefoltert, mit Gas ver- tern in wahrer Trauer an diesem Male vorüberzöge, giftet.' Wir sind alle Menschen „von Herz und Ge- wäre noch nicht adle geringste Genugtung ge- müt" gewesen, haben friedlich und ehrbar und - — schehen. soweit es möglich war — in betonter Distanz zur Unsere Schuld ist so groß, daß sie überhaupt nicht „Partei" gelebt, ja haben uns rechtschaffen über die gutgemacht werden kann; sie kann nur vergeben verübten Greuel entrüstet und unsere Entrüstung werden. dem vertrauenswürdigen Nachbarn in die Ohren ge- Die Einladenden zu dieser Weihestunde sind ein paar flüstert. Und hierin sehe ich, liebe Mitbürger, liebe Menschen aus dem Rest der ehemaligen Schlüchter- Mitchristen, liebe Antifaschisten und „vom Gesetz ner Judenschaft und einige auswärtige Vertreter der nicht Betroffenen" unsere Schuld. Wir haben geflü- Judenheit. Kommen sie, sich zu rächen? Wir haben stert, aber nicht gerufen. Die angeblich so feigen es gehört, sie kommen mit einer Bitte zu uns: Diese Juden hatten unter vielen anderen einen Propheten, fünf Steine, das einzige Andenken an unsere Lieben, der trat zum König ein in den Palast und sagte ihm achtet sie, wie alle guten Menschen die Stätte und laut und deutlich ins Gesicht: „Du bist der Mann! Du die Zeichen des Totengedenkens in Ehren halten. bist ein Mörder und Ehebrecher!" Und ein anderer Wir geben sie in Euren Schutz. Sonst haben wir keine rief laut und vernehmbar vor der Volksmenge am Forderung an Euch. Liebe Schlüchterner, ich kann Jordanufer: „Es ist nicht recht, wie der König lebt!" nichts anderes aussprechen — und hoffentlich viele Wir Christen müsssen unsere Schuld am ernstesten mit mir — als was Saul zu David sagte, als er den erkennen; denn wir sind am feigsten gewesen. Noch abgeschnittenen Zipfel des Königsmantels in der nicht einmal zu beten wagten wir für unsere Brüder Hand trug, in der Wüstenhöhle: „Du bist besser als im Elend') Und was ist von uns gefordert: „Ich bin idir Israel, du bist besser als wir. Friede über hungrig gewesen, und ihr habt mich nicht gespeist, Israel! ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich nicht (In: „Unterwegs** [5. 1951) Heft 2. 115ff). getränkt, ich bin nackend gewesen, und ihr habt mich 1) Wir gedenken des Dompropst von St. Hedwig in Berlin. Bernhard nicht bekleidet. Ich bin krank und gefangen gewesen, Lichtenberg, der als einer von ganz wenigen in der Hedwigskathe. und ihr habt mich nicht besucht. Was ihr an den drale öffentlich für die Juden und die anderen Gefangenen in den KZ- Lagern gebetet hatte, deswegen am 23. 10. 41 von der Gestapo ver- Brüdern nicht getan habt, das habt ihr mir nicht haftet worden war und auf dem Transport nach Dachau unterwegs getan!" starb.

1b) „Gib, o Gott, daß in keines Menschen Herz Haß auffteige!" Rede von Landesrabbiner Dr. Robert R. Gels auf dem jüdischen Friedhof anläßlich der Einweihung des Gedenksteins für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus in Kassel, Sonntag, den 25. Juni 1950. Sobald eine Gruppe von Menschen durch Vertreter einer Sie haben mich, Ihren letiten Landesrabbiner, zu anderen in der ungeheuerlichsten Weise mißhandelt dieser Feier gebeten. Ich könnte hier auf diesem ward, dann ist es verständlich, wenn in ihrer Mitte Haß Friedhof durch die Gräberreihen gehen und von den aufbricht. der sich zunächst unterschiedslos gegen die andere Gruppe zu richten pflegt, in deren Namen die Toten erzählen, von denen die eines natürlichen Missetaten geschahen. Wohl aber ist es ein Gnaden- Todes gestorben sind, von denen, die das Leben jener Zeichen von dem Einen Gott, der sich im Alten und im Jahre nicht mehr ertrugen und selbst Hand an sich Neuen Bunde offenbart hat, wenn ihn gerade in solcher legten, von denen, die in plombierten Särgen aus den Situation Menschen aus dem Kreise der Verfolgten Konzentrationslagern kamen. Ich erinnere mich des anrufen, den Haß aus den Herzen zu verbannen. Darum Zuchthauses Kassel-Wehlheiden, in deni ich Unschul- veröffentlichen wir die folgende Ansprache. dige zu trösten und aufzurichten versuchte. Ich erin- Zu einer Stunde der Erinnerung sind wir hier zusam- nere mich des Inaerfalles auf unsere Synagoge an- mengekommen. Aber bedürfen wir dieser Stunde? läßlich einer Weihestunde an einem Sonntagnadi- Unser Leben ist ja bis in jede Stunde gezeichnet mittag. Ich erinnere mich der herzzerreißenden Ver- durch grausigste Erinnerungen. Und könnten wir schickung der Ostjuden. Ich erinnere mich der Zerstö- unserem Schmerz überhaupt Ausdruck geben, nicht rung unseres ehrwürdigen Gotteshauses, voreilig, das Wort, der Schrei, der gellende Schrei wäre allein noch vor dem Tod von Rath's. Ich erinnere mich des Ausdruck für unser Leid. Konzentrationslagers Buchenwald, des Mordens, Quälens und der Erniedrigung. Erinnerungen über die werden wir nicht los, auch dann nicht, wenn es Erinnerungen. — Dann aber wurde ich durch den lebensgefährlich wird sie zu leben und bekennen zl; Ausweisungsbefehl der Gestapo von den Resten mei- müssen. Als Geschöpfe und Bekenner Gottes muß- ner Gemeinde getrennt. Aber so furchtbar die Zeit, ten wir der Staatsfeind des dritten Reiches sein und die idi noch miterlebte, gewesen sein mag, was war in all unserem Leid sagen wir noch heute „jal» dazu, sie gegen die Qualen, die noch kommen sollten: Ju- daß man uns in der Epoche tiefsten Niederganges als denstern, Deportation, Vergasung? Was ist aus all den Feind empfand. Nie, nie kann es sinnlos sein, den Mensdien geworden, von denen ich mich im Ja- für Gott sterben zu müssen. nuar 1939 losreißen mußte? Wie viele Gesichter, Kin- Aber es gibt ein vielleicht noch erstaunlicheres Wort dergesichter vor allem, taudien wieder auf — und aus dem Mund des Mannes, der in seinen Nürnber- nur wer die Menschen gekannt hat, wer nidit hart ger Rasegesetzen so gut zwischen Arier und Nicht- und gefühllos gemacht wurde durch die infame Tat- arier die trennende Mauer aufzurichten verstand. sache namenloser, nicht mehr faßbarer Millionen von Von ihm stammt der Satz: „Der Jude sitzt immer in Opfern, weiß um unseren Schmerz. Aber darüber uns." Was er damit meinte? Auch hier sah er letztlich kann man nidit sprechen. Lassen Sie midi lieber in richtig. Der Jude im Europäer, das bedeutete für ihn dieser Stunde, die nochmals eine Abschiedsstunde die ganze christliche Kultur, das war jeder Humanis- ist, nach einem Sinn suchen in all dem blutigen Irr- mus, das war selbst noch der politische Sozialismus. sinn. Der Jude war für ihn schließlich in allem zu finden, Was Plato im 7. Buch der Gesetze den weisen worauf diese gequälte und aufgestörte abendlän- Athener zu den tragischen Dichtern und Darstellern dische Welt einmal stolz gewesen war und stolz sein sprechen läßt, könnte .als Motto über der Geschichte durfte. All das mußte bekämpft werden. Nicht wir unseres Glaubensvolkes stehen: „Ihr Besten der allein haben Opfer gebracht, die Vertreter der Links- Fremden, wir sind einer Tragödie Dichter selbst, einer, soweit Menschen irgend vermögen, erhaben- parteien, die Anhänger der Demokratie, die wahrhaft sten und zugleich besten. Alles gemeinsame Wesen, gläubigen Christen, sie alle gehören zu den Opfern, alle Politeia hat für uns Bestand als Darstellung des die wir beklagen, sie alle mußten bekämpft und aus- erhabensten und besten Lebens, und das ist, wie wir gerottet werden, damit die neue Welt des tausend- sagen, in Wirklichkeit die wahrste Tragödie. Möget jährigen Reiches entstehen konnte. Denn der Ge- ihr immerhin Dichter sein, wir sind es desgleichen, danke vom Untergang des Abendlandes war unlös- euch gegenüber in dem Können und Kämpfen, das bar verbunden mit der Geburtsstunde der Hitler- dem erhabensten Drama gilt, dem Drama, welches ein Ideologie. Eine Welt ohne Gott, ohne Gnade, ohne wahres Gesetz nur vollbringen kann; und so ist un- Liebe, ohne Gerechtigkeit und Recht sollte errichtet sere Hoffnung." Diese Tragödie. des Lebens haben werden. So allein ist es zu verstehen, daß dieser wir Juden gelebt durch die Jahrhunderte und haben Totengräber Europas selbst das Bekenntnis ablegte: die Hoffnung auf eine bessere Welt trotz allem nie „Ja, wir sind Barbaren. Wir wollen es sein. Es ist ein verloren. Die Tragödie einer Welt ohne Gerechtig- Ehrentitel. Wir sind es, die die Welt verjüngen keit und Liebe haben wir erlebt und erlitten — und werden ... Wir sind . nicht in der Lage auf humane nur eine kurze Zeit schien es, als ob unser Glaube Gefühle Rücksicht zu nehmen. Die Welt wird nur mit Wirklichkeit werden sollte, daß wir leben dürften Furcht regiert. Grausamkeit imponiert, Grausamkeit als Gleichberechtigte unter den Völkern. In dieser und rohe Kraft." Weltstunde haben wir die Völker lieben gelernt, die Sehr spät, beinahe zu spät, hat die Welt sich gegen uns die Freiheit gaben — unsere Liebe war so heftig, diesen selbst- und zielbewußten Barbarismus erho- daß sie einer Selbstaufgabe gleich kam — haben ben. Solange kollektiv nur Juden und Vertreter der wir ein Deutschland geliebt, das längst wieder ver- politischen Linken die Opfer waren, hüllte man sich gangen ist und das wir noch immer nicht vergessen in Schweigen und war trägen Herzens. Wahrlich erst haben. Eine kurze Atempause war es nur, dann be- in letzter Stunde, da die Gefährdung der ganzen gann wieder das alte Judenschicksal. Wir haben es Welt offensichtlich wurde, erwachte ein Gefühl für vielfach nicht wahrhaben wollen, wir wollten unserer das, was auf dem Spiel stand. In dieser Notzeit wurde Bestimmung entlaufen. Aber der Mann, der als unser mancher Gegensatz überbrückt, ein weitgehendes Zu- bitterster Feind aufstand, der ein Drittel der Juden- sammengehörigkeitsgefühl einte die Menschen. Man heit der Welt in den grausigsten Tod schickte, er anerkannte die Märtyrerrolle, die die Juden für alle nahm uns sehr ernst, wahrlich blutig ernst, ernster Freiheitsliebenden hatten übernehmen müsssen. in als wir uns selbst nehmen wollten. Er sah in seiner der Stunde höchster Gefährdung wuchs in den christ- vereinfachenden Manier durch alle unsere Existenz- lichen Kirchen ein neues Verständnis für die Sen- formen hindurch bis zum tiefsten Kern unseres We- dung Israels, für das gemeinsame Erbe des Alten sens. Der Jude, das war für ihn der Mensch, aus dem Testamentes. Ist nicht vieles von dem heute schon in jedem Augenblick die Visionen der Propheten wieder vergessen? Täuschen wir uns nicht. Die Ge- wieder aufsteigen konnten. Der Jude, das war der fahr des dritten Reiches mag vielleicht überwunden Mensch, der nicht müde wurde, an eine Welt der sein, aus der Gefahrenzone sind wir keineswegs her- Gerechtigkeit und des Völkerfriedens zu glauben. aus. Europa war krank, sonst wäre all das Grausige Der Jude, das war der Mensch des sozialen Mitlei- nicht über uns gekommen. Europa ist noch immer dens. Wie sagte er doch selbst?: „Der Jude ist das krank. Max Picard, ein katholischer Denker in der Geschöpf eines anderen Gottes. Er muß einer ande- Schweiz, sprach einmal von „Hitler in uns selbst». ren Wurzel des menschlichen Stammes entwachsen In diesem Wort liegt leider eine tiefe Wahrheit. Eine sein. Der Arier und der Jude, stelle ich sie einander sinnvoll geordnete Welt hätte niemals einem Hitler gegenüber und nenne den einen Menschen, so muß Raum gegeben, hätte ihn nicht so viele Jahre gedul- ich den anderen anders nennen." Nicht als Geschöpfe det und ertragen. Die lange Zeit seines Aufstieges eines anderen Gottes, als Geschöpfe des einen-ein- und seiner Macht klagt eine ganze Welt an, diejeni- zigen Gottes sind wir Juden in den Tod gegangen. gen, die ihn passiv gewähren ließen, kaum weniger Denn mag auch der einzelne Jude schwach sein und als seine Anhänger. Wahrlich, nur bei der größten schwach werden wie jeder Mensch, als Gesamtheit, Wachsamkeit können wir dem drohenden Untergang als Überrest Israels tragen wir eine Jahrtausende entgehen. Nur, wenn wir alle aus der Vergangenheit alte Gotteserfahrung in uns, die kann nicht sterben, gelernt haben, wenn wir keine Kompromisse mit dem 6 Bösen, unter welchem Zeichen es immer auftreten Erinnerung halten, soll nicht nur ein Denkmal vor mag, mehr dulden, wenn wir unsere Erziehungsauf- ihnen sprechen, dann müssen wir den Menschen als gabe gegenüber einer heranwachsenden Generation Geschöpf Gottes wieder erkennen und lieben lernen ganz ernst nehmen, nur dann, ja nur dann kann aus Lassen Sie mich schließen mit einem Gebet, das uns den Nöten unserer Gegenwart langsam eine reinere im Talmudtraktat von den' Segenssprüchen iiherlie- Welt erstehen, die allem Werdenden offen ist und fert ist: „Gib, Ewiger mein Gott tuid Gott meinet zugleich das Erbe des Abendlandes erhält. Väter, daß in keines Menschen Herz Haß aufsteige Wir gedenken unserer Toten, die -als Geschöpfe gegen uns und gegen keinen Menschen Haß in unse- Gottes sterben mußten. Wollen wir sie in lebendiger rem Herzen aufsteige."

1c) „Wir bitten Ifrael um Frieden" Von Erich Lüth

Die Meldung, der Staat Israel habe sich nicht bereit leiten. Wollen wir Deutsche unsere Jugend zur erklärt, dem Beispiel von 47 anderen Staaten, den Menschlichkeit und zur Wahrhaftigkeit erziehen, Kriegszustand mit Deutschland zu beenden, anzu- dann dürfen wir mitnichten dem Rat des Präsidenten schließen, hat bei vielen Deutschen Trauer und Bewe- einer Kammer des Hamburger Oberlandesgerichtes gung und wohl -auch — Verständnis ausgelöst. folgen, „Gras über die Vergangenheit wachsen zu Es soll heute nicht von denjenigen gesprochen wer- lassen" und vergessen zu machen, was nicht ver- den, die von dieser Meldung aus Israel unberührt gessen werden kann. blieben. Bei ihnen mag es sich um unbelehrbare An- Die deutsche Jugend, jedes Kind auf der Schulbank, hänger Hitlers, um Neofaschisten oder um Menschen jeder Student muß wissen, was im Namen des deut- handeln, die von der Geisteskrankheit des Antisenu- schen Volkes in Auschwitz, Theresienstadt und in tismus nicht zu heilen sind. Diese Menschen leben in Warschau gegen die Juden und gegen die guten Unfrieden mit sich selber, mit Israel, doch leben sie Kräfte im deutschen Volke geschehen ist. Die Jugend auch in Unfrieden mit uns. Nur wollen, können und muß es wissen und sie muß dazu Stellung nehmen. dürfen wir die Erfüllung unserer eigenen Friedens- Nicht nur gleichzeitig, sondern bevor sie zu anderem sehnsucht und unseres eigenen Versöhnungswun- Unrecht, das ihr und uns zugefügt werden mag, Stel- sches nicht von diesen Außenseitern der mensch- lung beziehen kann. Wir brauchen in unserer mensch- lichen Gesellschaft gefährden lassen und nur von lichen, politischen und sittlichen Beziehung zur Ju- ihnen abhängig machen. denheit völlige Klarheit. Diese Klarheit wird sich Alle anständigen Deutschen wünschen den Frieden niemals ohne schonungslose Offenheit gegen uns mit Israel. Wenn es zu unserem schmerzlichen Be- selbst erzielen lassen. Dieser Klarheit müssen alle dauern bisher an. Stimmen und Sprechern dieses Lehrer des Volkes, seien es die Lehrer der Elemen- deutschen Friedenswunsches gefehlt hat, so darf uns tarschulen, der höheren Schulen, der Universitäten, dieser Mangel nicht daran hindern, selber und immer oder seien es die politischen Erzieher, die verant- wieder und immer lauter von diesem Wunsch öffent- wortlichen und gewählten Sprecher des deutschen lich Zeugnis abzulegen. Volkes mit ebenso großer Entschlossenheit wie Hin- gabe dienen. Kein Ausweichen Der deutsche Bundespräsident Theodor Heuß hat ein. Man hat es beklagt, daß Bundesregierung, Bundes- Wort der Deutung gefunden, als er von der deut- tag, Bundesrat, daß auch die deutschen Universitäten schen „Kollektivscham" der Judenheit gegenüber als die Pflegestätten des Geistes und des Humanis- sprach.1) Dieses Wort mag zum psychologischen Ver- mus nicht ihrerseits vor aller Offentlichkeit des ständnis der deutschen Situation dienen. Es ist aber eigenen Volkes und der Welt um diesen Frieden noch nicht das Wort, das gesprochen werden muß, bitten. Wir beklagen es, daß sie weder vor Israel um der Versöhnung und der notwendigen Wieder- noch vor die Reste der deutschen Judenheit, die der gutmachung den Weg zu bereiten. Ja selbst dieses nationalsozialistischen Ausrottung entgangen sind, Präsidentenwort hat noch nicht einmal das Echo in hintraten, um alle Angehörigen des deutschen Volkes der deutschen Offentlichkeit gefunden, durch das es zur moralischen und materiellen Wiedergutmachung zur Brücke für weitergehende Worte und Entschei- aufzurufen, und daß sie es unterließen, sich gleich- dungen hätte werden können. zeitig als Sprecher Deutschlands immer wieder von der Schande und den Schandtaten der Ermordung von Es ist ganz unverkennbar, daß in deutschen Regie- 6 Millionen europäischen Juden zu distanzieren. rungen, Parlamenten und anderen politisch-geistigen Denn eines darf unter keinen Umständen geschehen, Gremien große Unsicherheit darüber besteht, wie was zu geschehen droht, daß die Deutschen gleich- man sich denn überhaupt zu dem jüdischen Problem viel, ob aus Scham oder aus Betretenheit, aus Rat- äußern soll. Vielleicht ist es tatsächlich das überwäl- losigkeit oder aus Verzweiflung, dem jüdischen Pro- tigende Gefühl der Kollektivschara, durch das den blem ausweichen! meisten von uns die Unbefangenheit genommen wird, deren es bedarf, um das Einfachste in einfachen Auch wenn das jüdische Problem infolge der Dezi- Worten und in ebenso einfachen Beschlüssen und mierung der deutschen Judenheit kein Problem mehr Taten zu tun. im Sinne der Tagespolitik ist, so ist dieses Problem Der Zusammenbruch leider doch eines der grauenhaftesten Probleme der deutschen Geschichte, dem man keineswegs dadurch Die deutsche Wehrmacht hat im Jahre 1945 kapitu- entgehen kann, daß man sich blind oder taub oder liert. Es war eine bedingungslose Kapitulation und gefühllos stellt. eine totale Liquidation des Nazireiches und des Nazi- krieges, eine Kapitulation aus keinen anderen Grün- Alle Geschichte hat nur den einen Sinn. die Erfahrun- den als denen der völligen Erschöpfung. gen der Völker zu fixieren, um aus diesen Erfahrun- gen die Maximen des Handelns für die Zukunft abzu- 1) Vgl. Nr. 7, 8. 17 ff. Diese Kapitulation war noch keine Wandlung der ist, nicht der einzelne Jude, der auf seiner Flucht vor Geister, wenn sich auch Wandlungstendenzen an- den Folterkellern der Nazis tausend Tode der Furcht kündigten, deren Entwicklung sich heute in manchen erlitten hat, kann das erste Wort sprechen. Wir sind Punkten sogar schon wieder rückläufig vollzieht. es, die anfangen müssen!! Wir müssen sagen: „Wir Vielleicht hat das deutsche Volk deshalb noch nicht bitten Israel um Frieden!" um Frieden gebeten, weil die Frage, ob es den Krieg Hitlers überhaupt als seinen Krieg betrachten wolle, Hier steht also dieses Wort: „Wir bitten Israel um bis heute unbeantwortet geblieben ist. Wenn aber Frieden!" Und der dieses Wort schrieb, ist nicht deutsche Soldaten heute aufstehen und die Forde- allein. Er spricht es, mit Gewißheit, für Millionen rung erheben, man möge sie von der Last sittlicher Deutsche aus. Aber man wird ihm diesen Hinweis Diskriminierung befreien, so setzt dies voraus, daß auf diese Millionen Deutschen im Kreise der Ernied- alle diese Soldaten, vom einfachsten Landser bis zum rigten und Beleidigten vorerst nicht glauben. Des- eidienlaub-tragenden General, sich von der Diskrimi- halb werden immer neue Stimmen folgen müssen. nierung Andersgläubiger und Andersrassiger lossa- Und es dürfen keine anonymen Stimmen sein. Es gen, die von Hitler, Himmler und Goebbels mit einem müssen Männer und Frauen aller Stände und Schich- so mörderischen Erfolg Wehrlosen und Unschuldigen ten unserer Bevölkerung sein. Sie müssen ihr Wort gegenüber vollzogen worden ist. in diesem Fall mit ihrem Namen bekräftigen, damit Und doch wäre es falsdi, zu meinen, es gäbe diese es an Überzeugungskraft gewinnt. Deutschen, die für eine echte Wiedergutmachung Wir müssen ein Beispiel geben, das gleichzeitig ein kämpfen, noch nicht oder nicht wieder. Hunderttau- Zeichen sein soll, ein Zeichen dafür, daß wir bereit sende von Sozialisten, Demokraten und Christen sind sind, den Kampf gegen _ die Reste des Antisemitis- im Widerstand gegen die Judenverfolgungen in den mus ebenso aufrichtig und leidenschaftlich zu führen Konzentrationslagern Hitlers des gleichen Todes ge- wie gegen jeden neuen Antisemitismus. Wir müssen storben, den ihre jüdischen Brüder erlitten haben. mit innerer Selbstverständlichkeit die Bitte um Frie- Sie haben die gleichen Mißhandlungen und Verfol- den, die wir an Israel richten, verknüpfen mit der gungen erlitten wie diese jüdischen Mitbürger. « Sie Trauer um 6 Millionen schuldlose Opfer und mit. dem haben die erste Brücke der Versöhnung zwischen Dank für das unabsehbar Gute, das die Juden im, Deutschen und Juden mit ihren eigenen Leibern er- Dienste der Menschheit, auch in Deutschland, ge- richtet, eine Brücke, die aus der Zeit vor 1933 hin- leistet haben. Diesen Dank dürfen wir nicht verges- über bis in die Gegenwart führt. Neben ihnen gab es sen, denn auch damit tragen wir eine Schuld ab, die Millionen, die von Abscheu gegen alle Verbrechen den Toten gegenüber besteht. geschüttelt wurden, die an den Juden im Dritten Wir bitten also um Frieden, nicht nur, weil wir den Reich begangen worden sind. Diese „Widerstreben- Unfrieden als Qual empfinden. Wir bitten um Frie- den' waren moralisch gewiß nicht alle gleich stark. den, weil wir nur unter seiner Hut die Dankbarkeit Und nicht alle unter ihnen waren Kämpfer. Aber abzustatten vermögen, auf die das jüdische Volk mit viele von ihnen beteiligten sich durch eine Kette Recht einen Anspruch erheben kann, obgleich kein kleiner und unscheinbarer doch leuchtend guter Ta- Jude diese Dankbarkeit bis heute gefordert hat. Um ten der Hilfe an der Rettung der wenigen Juden, die so wichtiger ist es, diese Dankbarkeit zu beweisen. den Massakern entkommen konnten. Um so wichtiger aber ist es auch, jedem Juden, der Wenn aber nur zehn Gerechte sich gefunden hätten, heute in unserer Mitte lebt, die Ehrfurcht und Liebe schon dann sollten die Bürger von Sodom und Go- zu zeigen, die sich jedem von uns angesichts des alle morrha verschont bleiben. guten Geister aufwühlenden Schicksals der Judenheit Und es gibt wiederum Millionen .anderer, die vom aufdrängt. Glanze Hitlers geblendet, geirrt haben und bereit Aus solchen Einsichten und Empfindungen heraus sind, diesen Irrtum anzuerkennen. Sie sollten diesen richten wir die Bitte an Israel: „Gewährt uns Frie- Irrtum in neugewonnener Unbefangenheit und in der den!" Bereitschaft zur Wandlung auch öffentlich bekennen. Von allen Kanzeln, Kathedern und Regierungsbän- Damit sollten sie die Rückkehr Deutschlands in die ken Deutschlands sollte diese Bitte als Anruf an Familie der freiheitlichen Völker vom Makel der Israel und an die kleinste und verlorenste jüdische Verhaftung an Hitlers mörderische Ideologien zu be- Restgemeinde in Deutschland herausgehen, so laut freien suchen. wie ein Schrei! Im Namen der Menschlichkeit, des Was wir aber alle tun sollten und womit jeder ein- Rechtes, zu dem wir zurückkehren wollen, und im zelne von uns einen Anfang machen kann, das ist, zu Namen. einer glücklicheren Zukunft. den Juden in Deutschland und in Israel zu sprechen. Aus dem Sonderdruck der Aktion ‚Friede mit Israel', 24, Nicht Israel, das so grauenvoll heimgesucht worden Blumenau 27, 8. 4 ff.

1d) Nahum Goldmann an Erich Lü .th

H a m b u r g, 17. September (NZ). — Der Präsident des fortschrittlichen und anständigen Menschen in der jüdischen Weltkongresses und der Jewish Agency, Nahum Welt nicht verstanden werden kann. Eine Aktion, Goldmann, richtete aus Genf an Erich Lüth, den Initiator wie Sie sie unternehmen, würde, wenn sie das rich- der Aktion „Friede mit Israel", ein Schreiben, in dem es heißt: tige Echo im deutschen Volk finden sollte und beson- ders wenn sie in offiziellen Erklärungen der kompe- „Ich glaube, daß die Aktion, die Sie unternommen tenten Instanzen zum Ausdruck kommen würde, si- haben, von erheblicher Bedeutung sein kann. Sie ver- cherlich einen Widerhall sowohl in der Weltöffent- stehen gewiß, daß der Mangel an irgendeiner offiziel- lichkeit wie in der jüdischen Offentlichkeit finden. len oder spontanen Stellungnahme, sei es seitens der Aus diesem Grunde wünsche ich Ihrer Aktion Erfolg. offiziellen Stellen, sei es seitens der öffentlichen Mei- Die jüdische Offentlichkeit wird mit Interesse die nung in Deutschland zu den Verbrechen, die das Auswirkungen dieser Aktion und der ihr zu Grunde Naziregime an dem jüdischen Volk begangen hat, liegenden Einstellung verfolgen." von der jüdischen Öffentlichkeit, wie audi von allen Ebenda 8. 23. 8 le) Deuttchland und das Judentum Die Erklärungen Bundeskanzler Dr. Adenauers und der Parteien über das deutsch-jüdische Verhältnis

In einer am 27. September 1951, vormittags um 9 Uhr wird diese Bestimmungen, sobald sie in Kraft getre- stattgehebten feierlichen Sitzung des Bundestags verlas ten sind, mit aller Entschlossenheit anwenden. Bundeskanzler Dr. Adenauer eine vom Kabinett be- schlossene Erklärung über die Haltung der Bundes- Die Bundesregierung und mit ihr die große Mehrheit republik Deutschland gegenüber den Juden und dem des deutschen Volkes sind sich des unermeßlichen Staate Israel. Diese Erklärung des Bundeskabinetts fand Leides bewußt, das in der Zeit des Nationalsozialis- die einmütige Zustimmung aller vertretenen deutsdien mus über die Juden in Deutschland und in den be- Parteien, deren Sprecher ihren Standpunkt zur Frage des setzten Gebieten gebracht wurde. Das deutsche Volk Verhältnisses zwischen Deutschen und Juden definierten. hat in seiner überwiegenden Mehrheit die an den Die Erklärungen des Bundeskabinetts und der Parteien lauten: Juden begangenen Verbrechen verabscheut und hat sich an ihnen nicht beteiligt. Es hat in der Zeit des „In letzter Zeit hat sich die Weltöffentlichkeit ver- Nationalsozialismus im deutschen Volk viele gege- schiedentlich mit der Haltung der Bundesrepublik ben, die mit eigener Gefährdung aus religiösen gegenüber den Juden befaßt. Hier und da sind Zwei- Gründen, aus Gewissensnot, aus Scham über die fel laut geworden, ob das neue Staatswesen in dieser Schändung des deutschen Namens ihren jüdischen bedeutsamen Frage von Prinzipien geleitet werde, Mitbürgern Hilfsbereitschaft gezeigt haben. Im Na- die den furchtbaren Verbrechen einer vergangenen men des deutschen Volkes sind aber unsagbare Ver- Epoche Rechnung tragen und das Verhältnis der Ju- brechen begangen worden, die zur moralischen und den zum deutschen Volke auf eine neue und gesunde materiellen Wiedergutmachung verpflichten, sowohl Grundlage stellen. hinsichtlich der individuellen Schäden, die die Juden Die Einstellung der Bundesrepublik zu ihren jüdi- erlitten haben, als auch des jüdischen Eigentums, für schen Staatsbürgern ist durch das Grundgesetz ein- das heute individuell Berechtigte nicht mehr vorhan- deutig festgelegt. Artikel 3 des Grundgesetzes be- den sind. Auf diesem Gebiet sind erste Schritte getan, stimmt, daß alle Menschen vor dem Gesetz gleich sehr vieles bleibt aber noch zu tun. Die Bundesregie- sind, und daß niemand wegen seines Geschledits, sei- rung wird für den baldigen Abschluß der Wieder- ner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner gutmachungsgesetzgebung und ihre gerechte Durch- Heimat und Herkunft; seines Glaubens, seiner reif.? führung Sorge tragen. Ein Teil des identifizierten giösen oder politischen Anschauungen benachteiligt jüdischen Eigentums ist zurückerstattet worden, wei- oder bevorzugt werden darf. Ferner bestimmt Arti- tere Rückerstattungen werden folgen. kel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar, sie zu Hinsichtlich des Umfanges der Wiedergutmachung — achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staat- in Anbetracht der ungeheuren Zerstörung jüdischer lichen Gewalt. Das deutsche Volk bekennt sich da- Werte durch den Nationalsozialismus ein sehr be- rum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Men- deutsames Problem — müssen die Grenzen berüdc- schenrediten als Grundlage jeder menschlichen Ge- siditigt werden, die der deutschen Leistungsfähigkeit meinschaft Ales Friedens und der Gerechtigkeit in durch die bittere Notwendigkeit der Versorgung der der Welt." zahllosen Kriegsopfer und der Fürsorge für die Diese Rechtsnormen sind unmittelbar geltendes Recht Flüchtlinge und Vertriebenen gezogen sind. und verpflichten jeden deutschen Staatsbürger — und Die Bundesregierung ist bereit, gemeinsam mit Ver- insbesondere jeden Staatsbeamten —, jede Form ras- tretern des Judentums und des Staates Israel. aer so sischer Diskriminierung von sich zu weisen. In dem- viele heimatlose jüdische Flüchtlinge aufgenommen selben Geiste hat die Bundesregierung auch die vom hat, eine Lösung des materiellen Wiedergutma- Europarat entworfene Menschenrechtskonvention chungsproblems herbeizuführen, um damit den Weg unterzeichnet und sich zur Verwirklichung der darin zur seelischen Bereinigung unendlichen Leides zu festgelegten Rechtsgedanken verpflichtet. erleichtern. Sie ist tief davon durchdrungen, daß der Diese Normen können aber nur wirksam werden, Geist wahrer Menschlichkeit wieder lebendig und wenn die Gesinnung, aus der sie geboren wurden, fruchtbar werden muß. Diesem Geist mit aller Kraft zum Gemeingut des gesamten Volkes wird. Hier han- zu dienen, betrachtet die Bundesregierung als die delt es sich somit in erster Linie um ein Problem der vornehmste Pflicht des deutschen Volkes.' Erziehung. Die Bundesregierung hält es für dringend Im Anschluß an die Verlesung der Regierungserklärung erforderlich, daß- die Kirchen und die Erziehungs- sprachen die Vertreter der einzelnen Parteien. verwaltungen der Länder in ihrem Bereich alles daransetzen, damit der Geist menschlicher und reli- PAUL LOEBE (SPD): giöser Toleranz im ganzen deutschen Volk, beson- „Erneuerung des Rechts' ders aber unter der deutschen Jugend, nicht nur for- male Anerkennung findet, sondern in der seelischen „Deutschland hat nach der Vberzeugung der sozial- Haltung und praktischen Tat Wirklichkeit wird. Hier demokratischen Fraktion des Bundestages die sitt- liegt eine wesenhafte Aufgabe der zur Erziehung be- liche Verpflichtung, sich mit ganzer Kraft um eine rufenen Instanzen vor, die aber freilich der Ergän- Aussöhnung mit dem Staate Israel und den Juden in zung durch das Beispiel der Erwachsenen bedarf. aller Welt zu bemühen, und zwar' kommt es dabei Damit diese erzieherische Arbeit nicht gestört und uns Deutschen zu, den ersten Schritt auf diesem der innere Friede in der Bundesrepublik gewahrt Wege zu tun. Wir Sozialdemokraten werden des- werde, hat die Bundesregierung sich entschlossen, halb den eben angekündigten Schritt der Bundes- die Kreise, die noch immer antisemitische Hetze regierung von Herzen unterstützen und hätten es treiben; durch unnadistditige Strafverfolgung zu be- begrüßt, wenn er schon früher und mit noch größerer kämpfen. Dem Bundestag liegen Vorschläge zu einer Entschiedenheit getan worden wäre. Ergänzung des Strafgesetzes vor, auf Grund deren Die verbrecherischen Machthaber der nationalsozia- unter anderem auch rassenhetzerische Propaganda listischen Gewaltherrschaft haben die jüdischen mit schwerer Strafe belegt wird. Die Bundesregierung Deutschen und die Juden in Europa unmensch- 9 lidi verfolgt und sechs Millionen Menschen — Män- Dr. von MERKATZ (DP): ner, Frauen, Kinder und Greise — nur wegen ihrer „Gerechtigkeit erhöhet ein Volk' jüdischen Abstammung ermordet. Wir wollen dieses unermeßliche Leid nicht vergessen. Jeder rechtlich „Namens meiner politischen Freunde habe ich zu er- denkende Mensch schämt sich dieser Schandtaten, klären, daß wir uns angesichts des furchtbaren Ern- die unter Mißbrauch des deutschen Namens zum stes dieser Frage weitere Worte der Beteuerung Entsetzen der überwiegenden Mehrheit auch des einer humanitas ersparen wollen. Wir billigen nicht deutschen Volkes verübt worden sind. nur die Erklärung der Regierung, wir unterstützen Wir wissen uns insbesondere mit den Juden, die sie von ganzem Herzen, denn es gilt, einen Frevel, gleich uns als Deutsche geboren sind, unlösbar ver- der wider göttliches und menschliches Recht began- bunden und können ihren Beitrag aus unserer ge- gen worden ist, wiedergutzumachen. Wir wollen uns meinsamen Geschichte nicht fortdenken. bei dieser Wiedergutmachung an den Satz halten: Gerechtigkeit erhöhet ein Volk. Wir sind es der alten Deutschland und Europa haben in allen Bereichen Geschichte Deutschlands schuldig, daß wir auf diesem ihres geistigen, gesellschaftlidien und wirtschaft- Gebiete zu Taten kommen, die die Erneuerung un- lichen Lebens Männern wie Felix Mendelssohn, Hein- seres Staates, unseres Staatsbewußtseins und unserer rich Heine, Walter Rathenau oder den zahlreichen Würde in der Welt im ganzen und im Tiefsten auch deutschen Nobelpreisträgern jüdischer Abstammung der seelischen Bereiche sicherstellen.* Außerordentliches zu verdanken. Jeder Deutsche ist deshalb aufgerufen, das den Juden in unserer Mitte Dr. REISMANN (Zentrum): zugefügte Unrecht wiedergutzumachen. Jeder Deut- sdie ist deshalb auch aufgerufen, die Pest des Rassen- „Atmosphäre der Humanität' hasses zu bekämpfen und durch die Ehrfurcht vor „Die Zentrumsfraktion begrüßt mit voller Uberzeu- dem Mitmenschen zu überwinden. gung und mtt Dankbarkeit die Erklärung des Herrn Unser rücksichtsloser Kampf gilt auch den Nutz- Bundeskanzlers, die den ersten Schritt der Bundes- nießern der offenen und versteckten Verfemung der republik zur Herstellung geordneter, friedlicher und, Juden. Die furchtbare Größe des Unrechts, auf die der wie wir hoffen wollen, freundschaftlicher Verhält- Herr Bundeskanzler eben auch hinwies, fordert von nisse zu unseren jüdischen Mitbürgern in Deutsch- uns Opfer. Mehr als bisher ist durch die Tat zu be- land, in der Welt und insbesondere im Staate Israel weisen, daß diese Wiedergutmachung auch das Maß darstellen soll. Unter den Verbrechen und Greuel- für die Erneuerung des Rechts in Deutschland ist. Aus taten dieses Jahrhunderts, das daran leider Gottes dieser Gesinnung bemühen wir uns um den Frieden wahrlich nicht arm ist, nehmen die an unseren jüdi- mit Israel.* schen Mitbürgern in Deutschland und Europa von der Verbrecherbande, die den deutschen Namen ein Dr. von BRENTANO (CDU): Jahrzehnt geschändet hat, begangenen einen hervor- ragenden Platz ein. Wir fühlen alle in uns die Ver- „.... Mit Nachdruck unterstreichen' pflichtung, das namenlose Unheil und Leid,, ge- „Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungs- schehen ist, nach Kräften wiedergutzumachn, aber erklärung ein Thema angeschnitten, das uns alle tief auch den großen materiellen Schaden nach allen bewegt. Ich 'möchte mich aus diesem Grunde auch Kräften wieder in *Ordnung zu bringen. Wichtiger bewußt darauf beschränken, das, was in der Regie- als das aber erscheint uns die auch vom Herrn Bun- rungserklärung gesagt und zum Teil von Herrn Kol- deskanzler betonte Verpflichtung, die geistige At- legen Loebe aufgenommen worden ist, mit Nach- mosphäre auszuräumen, in der diese Schandtaten drudc zu unterstreichen. Wir müsssen uns, jeder für möglich waren und ein Zusammenleben und eine sich, klar werden — und jeder muß versuchen, es Atmosphäre von Humanität zu schaffen, in der die dem deutschen Volk klarzumachen —: Das Maß der Wiederholung unmöglich ist, ja der Gedanke an Achtung, das wir unseren Mitmenschen und auch solche Dinge nur Abscheu bei allen deutschen Mit- unseren jüdischen Mitbürgern entgegenzubringen bürgern erwecken kann. Die feierlichen Erklärungen bereit sind, wird das Maß der Achtung bestimmen, aller Parteien hier im Bundestag und die Erklärung das wir für uns selbst begehren.* der Bundesregierung vor der gesamten Offentlich- keit der Welt mögen dazu beitragen, daß das erklär- Dr. SCHÄFER (FDP): liche Ressentiment bei denen, die so schweres Leid durch eine voraufgegangene Regierung Deutschlands „Eine entscheidende Aufgabe' haben ertragen müssen, aus der Welt geschafft wird. „Mit der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers ist In diesem Sinne danken wir der Bundesregierung wieder einmal eines der dunkelsten Kapitel unserer für die abgegebene Erklärung.* jüngsten Geschichte aufgeschlagen worden. Ich glaube nicht, daß weitere Worte geeignet sind, die Dr.-Ing. DECKER (Bayernpartei): Entschlossenheit und die Klarheit der Absichten zum „Volle Unterstützung' Ausdruck zu bringen, die hinter dieser Regierungs- „Meine Fraktion steht auf folgendem Standpunkt: erklärung stehen. Ich möchte mich darauf beschrän- Wer sich zum Rechtsstaat bekennt, muß sich auch zur ken, die Billigung auch im Namen meiner Freunde Erklärung des Herrn Bundeskanzlers bekennen, sie auszusprechen; ich möchte aber hinzufügen, daß es begrüßen und unterstützen.' für uns alle eine der entscheidenden Aufgaben sein wird, die Vorstellungswelt auszuräumen und die Nach den Erklärungen der Fraktionen sprach Bundestags- Reste dieser Vorstellungswelt zu beseitigen, die aus präsident Oberkirchenrat Dr. EHLERS das Schlußwort: einer ausschließlich materialistischen Betrachtung „Es wird Aufgabe des Deutschen Bundestages sein, des Lebens hervorgeht und die zu dieser Raserei in Verfolg der Regierungserklärung die erforder- eines wahnwitzigen Biologismus geführt hat. Von lichen gesetzlichen Maßnahmen zu treffen. Ich schlage ihm abzurücken und die Grundlagen zu schaffen und Ihnen vor, daß sich der Deutsche Bundestag, bevor die Grundgedanken einer praktischen Htimanität in diese Aufgaben von ihm in Angriff genommen und den Vordergrund zu rücken, das scheint mir dem erledigt werden, zum Zeichen dessen, daß er in dem heutigen Anlaß angemessen zu sein.* Mitgefühl für die Opfer einig und gewillt ist, Folge- 10 mimen aus dem, was geschehen ist, zu ziehen, von seinen Willen bekundet, geschehenes Unrecht so seinen Plätzen erhebt." weit wie möglich wiedergutzumachen und Israel mit der Bitte um Verzeihung die Hand zum Frie- Die Abgeordneten erhoben sidi nach diesen Wor- den zu bieten. ten des Präsidenten von ihren Plätzen. Audi die (Deutschland und das Judentum. Die Erklärung der Bun- Regierung und die Tribüne schlossen sich demon- desregierung über das deutsch-jüdische Verhältnis, her- strativ der Aufforderung an. Das offizielle Deutsch- ausg. vom Presse- und Informationsamt der Bundesregie- land hatte damit vor sich selbst und vor aller Welt rung. Deutscher Bundesverlag. Bonn 1951.)

10 Rabbiner Dr.leo Baeck zur Regierungs- und Parteienerklärung Der Text des Briefes des ehem. Oberrabbiners von Ber- Wir sind uns der Pflicht bewußt, die uns, gleich an- lin, Dr. Leo Baeck, London, an Bundeskanzler Dr. Ade- deren spruchbefugten jüdischen Stellen, hiermit auf- nauer lautet: erlegt ist. Hochverehrter Herr Bundeskanzler! Wir sind aufrichtig bereit, in der uns so zugewie- Von der Erklärung, die Sie im Namen der Bundes- senen Verantwortung und Vollmacht nach besten regierung am 27. September abgegeben haben, und Kräften an der Lösung der großen Aufgabe, die jetzt von der auf sie folgenden feierlichen Zustimmung vor uns alle hingetreten ist, mitzuwirken. Wir stehen der Parteien, sind wir, die Gesamtvertretung der aus zu Besprechungen und Verhandlungen mit den ver- Deutschland vertriebenen Juden, tief ergriffen wor- antwortlichen Stellen der Bundesregierung zur Ver- den. fügung. Eine Grundlage für die notwendige Aussprache ist Mit ausgezeichneter Hochachtung! nun geschaffen worden. Von ihr aus wird der Weg Council for the protection of the rights and interests zu dem Verstehen und zu einer Verständigung über of Jews from . die Wiedergutmachung gefunden werden können. gez. Dr. Leo Baeck, Präsident.

1g) Refolution des Zentralrates der Juden in Deutfchland über die deutfche Regierungserklärung

„Das Direktorium des Zentralrates der Juden in hervorriefen. Wir hoffen, daß der Geist dieser Erklä- Deutschland trat am 7. und 8. Oktober in Hamburg rungen zum Gemeingut des gesamten deutschen Vol- zusammen, um sich mit den am 27. September in der kes wird. Sitzung des Bundestages in Bonn abgegebenen Er- Um der Versöhnung und des Friedens willen, zur klärungen der Bundesregierung und der Parteien zu Bewahrung der Menschheit vor neuem Unheil, darf befassen. es keine Schwäche geben gegenüber denjenigen, die Das Direktorium nahm mit Befriedigung den Wort- von neuem ihre Unbelehrbarkeit beweisen. Wir sind laut dieser Erklärungen zur Kenntnis und gab auch es der unabsehbaren Reihe unserer Opfer und uns seiner Genugtuung über die Haltung Ausdruck, die selbst schuldig, die Forderung nach moralischer Wie- der Bundestag bei diesem Anlaß an den Tag legte. dergutmachung an erste Stelle zu setzen. Unser Ver- Das Direktorium des Zentralrates, der alleinigen Ge- langen nach gerechter Wiedergutmachung bezieht samtrepräsentanz der Juden in Deutschland, erwartet, sich auf alle Personen, die durch den Nationalsozia- daß den Worten von Bundesregierung und Parlament lismus ihres Glaubens, ihrer Weltanschauung, ihrer nunmehr auch -in allernächster Zeit Taten folgen wer- Abstammung oder ihrer politischen Überzeugung we- den. Das Direktorium begrüßt den Versuch zur Nor- gen unmenschlich verfolgt wurden. Es handelt sich malisierung der Beziehungen des deutschen Volkes für uns nicht um materielle Vorteile oder gar Privi- zu der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, zum legien, sondern um die ungeteilte Wiederherstellung Staate Israel und in der Welt. des Rechts. Das Direktorfum hat bereits in seiner Neujahrsbot- Das Direktorium des Zentralrates der Juden in schaft im Geiste menschlicher Verbundenheit allen Deutschland hält folgende Maßnahmen für besonders Opfern des Nationalsozialismus, den deutschen Wi- dringlich: derstandskämpfern und den Persönlichkeiten, die ih- 1. Entschlossener Kampf der Bundesregierung und ren guten Willen durch Tat und Wort unter Beweis des Bundestages gegen Antisemitismus in all seinen gestellt haben, die Hand geboten. Es bedarf keiner Versöhnung mit diesen Trägern des Fortschritts in Erscheinungsformen, insbesondere im gesamten Er- Deutschland, die bereits im September 1949 im Bun- ziehungswesen und bei der Unterrichtung des Publi- destag mit Recht als die außenpolitischen Aktiva des kums durch Presse und Rundfunk im Geiste der To- deutschen Volkes bezeichnet wurden. leranz. Es ist erfreulich, daß nunmehr auch die Bundesregie- 2. Die energischen strafrechtlichen Sanktionen gegen rung die Abkehr des deutschen Volkes von den Ver- Personen, die von neuem Menschen ihres Glaubens brechen der Vergangenheit und den Wiedergutma- oder ihrer Abstammung wegen beleidigen oder zum chungswillen feierlich vor der Weltöffentlichkeit pro- Haß gegen religiöse, nationale oder rassische Grup- klamiert hat. Eine derartige Reinigung der Atmo- pen aufhetzen. In dieser Hinsicht bedürfen die von sphäre ist auch höchst notwendig, da in zunehmen- der Konferenz jüdischer Juristen in Detmold im April dem Umfang bei der Kampagne für Verbrecher, die 1947 aufgestellten Forderungen noch der legislatori- Deutschlands Namen entehrt haben, und bei anderen schen Verwirklichung. Gelegenheiten Stimmen laut wurden, die erhebliche 3. Ausschluß der Personen, die an maßgebender Zweifel an einer ernsthaften Umkehr Deutschlands Stelle die verbrecherische Politik des Nationalsozia- 11 lismus unterstützt haben und an dem Mordanschlag Das Direktorium des Zentralrates der Juden'? in gegen unsere Gemeinschaft beteiligt waren, aus Deutschland erklärt, daß es die kollektiven An- Schlüsselpositionen, die ihnen von neuem Entschei- sprüche des Staates Israel mit Nachdruck unterstützt. dungsbefugnis über Menschen in die Hand geben. Hier handelt es sich um ein Anliegen der Juden der 4. Schnelle und entschiedene Durchführung aller be- ganzen Welt. reits bestehenden Wiedergutmachungsgesetze. Der Zentralrat der Juden. in Deutschland begrüßt die Bereitwilligkeit der Bundesregierung, mit den legi- 5. Baldiger Erlaß einer Wiedergutmachungsgesetz- timierten Vertretern des Judentums zu verhandeln. gebung, die die noch vorhandenen Lücken schließt Der Zentralrat der Juden in Deutschland heißt auch unter vorheriger Mitwirkung der berufenen Vertre- diesen Wunsch willkommen, den Frieden unter den ter der Opfer des Naziregimes. Völkern der Welt wiederherzustellen, wie er den 6. Angemessene Berücksichtigung der Verfolgten bei Weltfrieden als höchstes Gut der Menschheit an- der Lastenausgleichsgesetzgebung. sieht. 7. Ausreichende Hilfe bei der Betreuung unserer Hamburg, den 8. Oktober 1951. alten und kranken Menschen. Das Direktorium des Zentralrates der Juden 8. Sicherung der Existenz der Kultusgemeinden. in Deutschland." 9. Schutz der jüdischen Friedhöfe und der Gedenk- (Nach: Allgemeine Wochenzeitung der Juden in Deutachland VI. stätten der Opfer des Nationalsozialismus. [Düsseldorf, 12. 10. 51] 27, 8. 1)

1h) Jüdifcher Weltkongreß zur deutfchen Regierungserklärung: „Praktifche Maßnahmen entfcheidend" Audi der Jüdische Weltkongreß nimmt zu dem Bekennt- und besonders an Israel, das die Hauptlast der Reha- nis der Bundesregierung und der feierlichen Sitzung des bilitierung der Opfer der Naziverfolgung auf sich Deutschen Bundestages Stellung und betont in einer genommen hat. Erklärung: Wenn auch die Untaten des Naziregimes nie aus „Der Kongreß nimmt mit besonderem Interesse zur der Erinnerung des jüdischen Volkes gelöscht wer- Kenntnis, daß sich die Erklärung des Bundeskanzlers den können, so nimmt der Jüdische Weltkongreß auf alle Fragen bezieht, die vom Jüdischen Welt- doch zur Kenntnis, daß die deutschen Behörden beab- kongreß erhoben wurden, insbesondere auf die Be- sichtigen, bedeutende Schritte auf -dem Wege zur deutung dej Umerziehung des deutschen Volkes, die wahren Wiedergutmachung zu ergreifen. dringende Notwendigkeit staatlicher Maßnahmen Das jüdische Volk wird die Aufrichtigkeit solcher gegen das Wiederaufleben von Antisemitismus und Schritte nach den praktischen Maßnahmen beurtei- gegen jeden Versuch der Neugründung einer nazi- len, die unternommen werden, um die Verluste wie- stischen Bewegung, sowie auf die »Berechtigung und dergutzumachen, die das Judentum in zwölf qual- Notwendigkeit einer substantielen materiellen Ent- vollen Jahren durch das Dritte Reich erleiden mußte.* schädigung an alle jüdischen Opfer des Naziregimes (In: Deutschland und das Judentum, a. o. 0. 8. 10.)

li) Ifrael antwortet auf die Erklärung der Bundesregierung zum deutfch-Kidifdien Verhältnis

Nachstehend veröffentlidien wir ein offizielles Kommt> kaltblütigen und systematischen Feldzug der Ver- niqud der Regierung des Staates Israel zur Erklärung nichtung und der Ausplünderung. der Bundesregierung über die Haltung der Bundesrepu- Unter diesem Aspekt muß die Erklärung des Kanz- blik zum jüdischen Volk und zum Staat Israel. lers der Bundesrepublik Deutschland über das zwi- ,„Der Mord an sechs Millionen Juden (s. u. S. 43), von schen Deutschland und dem jüdischen Volke beste- Deutschen unter dem Naziregime begangen, von hende Problem betrachtet werden. Plünderung und Raub in gigantischem Ausmaß be- Die Erklärung des deutschen Bundeskanzlers scheint gleitet, findet in der Geschichte der menschlichen Zi- nun endlich einen Versuch seitens der Bundesrepu- vilisation keine Parallele. blik Deutschland darzustellen, sich mit dieserschwie- Diese Tatsachen können nicht durch Erklärungen, rigen Frage auseinanderzusetzen und die Initiative seien sie auch noch so sehr von Aufrichtigkeit und zu moralischer und materieller Wiedergutmachung Reue getragen, aus den Annalen der Geschichte ge- am jüdischen Volke zu ergreifen. Dabei soll beson- tilgt werden. ders vermerkt werden, daß die Erklärung von einem Ein Drittel des jüdischen Volkes wurde vernichtet direkten Appell an das deutsche Volk begleitet war, und grenzenloses Leid über Millionen unschuldiger sich von der fluchbeladenen Erbschaft des Antisemi- Menschen gebracht. Viele der bedeutendsten und tismus und der Rassendiskriminierung loszusagen. ältesten jüdischen Gemeinden Europas wurden aus- Die kürzlich bekanntgewordenen Manifestationen gemerzt, und noch viele Jahre wird das jüdische der Aktivität neonazistischer Gruppen in Deutsch- Volk an den Narben der Wunden zu tragen haben, land haben die jüdische Öffentlichkeit in aller Welt die es an Körper und Seele zu erleiden hatte. Mit zutiefst mit Unruhe erfüllt. Es erscheint deshalb von Entsetzen werden noch viele spätere Generationen besonderer Wichtigkeit, daß die deutsche Bundes- der zivilisierten Menschheit auf diese mutwillige regierung nunmehr auch beabsichtigt, gesetzgebe- Vernichtung eines Volkes durch ein anderes blicken, rische Maßnahmen gegen solche Gruppen zu ergrei- die nicht in einem Krieg erfolgte, sondern in einem fen und daß sie sich gleichzeitig für erzieherische

12 Maßnahmen innerhalb aller Gruppen des deutschen daß das deutsche Volk Maßnahmen zu kollektiver Volkes einsetzen will, um diese gefährlichen Ten- Wiedergutmachung am jüdischen Volk dadurch er- denzen und Absichten auszumerzen. greife, daß es einen beachtlichen Beitrag zur Einord- Es scheint demnach, daß die deutsche Bundesregie- nung und Rehabilitierung der Überlebenden der rung vorbehaltlos anerkannt hat, das unaussprech- Naziverfolgungen leiste, von denen die meisten eine liche Verbrechen im Namen des deutschen Volkes neue Heimstätte in Israel gefunden haben. begangen wurden und daß dies zu moralischer und Die Regierung des Staates Israel hat die Besatzungs- materieller, individueller und kollektiver Wieder- mächte von ihren diesbezüglichen Ansprüchen in gutmachung verpflichtet. Kenntnis gesetzt. Die deutschen Zentral- und Länderbehörden können Die Ansprüche des jüdischen Volkes, das unter den vieles tun, um die Verfahren der Rückerstattung von Grausamkeiten der Nazis unendlich mehr als irgend- Eigentum und der individuellen Entschädigung und ein anderes Volk, das unter ihre Gewaltherrschaft Wiedergutmächung zu beschleunigen. Es liegt an kam, zu leiden hatte, stellen eine besondere Kate- ihnen, allen denjenigen die hohe moralische Ver- gorie dar, und erfordern daher auch eine spezifische pflichtung begreiflich zu machen, die für die Durch- und umfassende Befriedigung. führung dieser Maßnahmen verantwortlich sind, daß Die Regierung des Staates Israel wird die Erklärung in materieller Hinsicht eine schnelle Entschädigung des deutschen Bundeskanzlers in angemessener Frist für die Ausplünderung geleistet werden muß, welche studieren und ihren Standpunkt hierzu bekannt- die europäischen Juden durch die Taten der Nazis geben. zu erdulden hatten. (In: Allgemeine Wochenzeitung der Juden VI. [Düsseldorf, 28. B. Es ist ferner ebenso notwendig und verpflichtend, 51] 26A.) Auszeichnungen von dort übernommen.

1k) „Ich fchenke Deutfchland den Frieden." Aus einem „offenen Brief an Rudolf Küstermeier und Erich Lüth' Jerusalem am Vorabend des Versöhnungstages. ... Ich darf nicht für Israel und nicht für einen der nissen liegt, muß ich wohl mehr Raum beanspruchen, Millionen Leidtragenden sprechen, doch darf ich als dieser Brief gewährt, doch erfahren Sie aus mei- ebensowenig für mich selbst schweigen. nen Erinnerungen: Denn ich habe nicht nur die Grausamkeiten der SS Es gab viele deutsche Kumpeln, die mir persönlich und so mancher Mithäftlinge erlebt, sondern in der halfen, denn viele göttliche Wunder und deren Hölle des Konzentrationslagers auch den deutschen menschliche Wörkzeuge waren notwendig, um mich Menschen. sieben KZ-Jahre überleben zu lasssen. Der Bibel- Wenn ich des Einen nicht vergessen will, darf ich des forscher Steinbädi, ein ehemaliger deutscher Artille- Andern nicht vergesssen. rieoffizier und Kriegsdienstverweigerer des zweiten Ihn, der unter den Bestien sein Menschentum be- Weltkrieges, der Zimmermann Fröhlich, der mir an wahrte, will ich auch nicht vergessen. Ich bin kein Sonntagen sein eigenes Essen gab, wenn die Juden Einzelfall. Jeder Jude, der lange Jahre Konzentra- ihren Sonntagsfasttag hatten, der Luis Zangerl, der tionslagers durchlebte, verdankt sein Leben deut- mich auf die Liste der Maurer setzte, ohne daß ich ihn schen Mitgefangenen. Sein Leben war außer Kurs, darum zu bitten wagte und mich so vor der Deporta- sein Tod mit der jüdischen Masse gewollt und nicht tion nach Auschwitz bewahrte. Dann der Rauchlohner nur die SS sondern auch zahllose Mithäftlinge waren Alexander, ein Wiener Schlosser, der mich mit dem zum Vollzug der Exekution entschlossen. Feuer seines Blasebalges vor Lungenentzündung ret- Da war aber der Jakob Kranzier, der Capo des ge- tete, wenn ich vom Eisregen durchnäßt zu ihm ge- fürchteten Steinbruchkommandos, der seinen Juden flüchtet war und er mich innerlich mit seiner Früh- Säcke umbinden ließ, damit die SS-Posten den Juden- stückssuppe erwärmte, die er mir einflößte, wenn stern nicht erkennen sollten und der dem SS-Arbeits- meine erfrorenen Hände den Becher nicht halten dienstführer am Eingangstor Buchenwald laut er- konnten. Dann der letzte Capo des Pferdestalls, des- klärte, er werde seine Capobinde zurückgeben und sen Namen ich nicht kenne und der meinen nicht lieber als Häftling mit dem Spaten arbeiten, wenn kannte, mir aber trotzdem in der Nacht meiner Flucht die SS seine Leute während der Arbeit störe; wo es vor dem Todesmarsch, zu dem die Juden Buchen- doch nur die Juden seines Kommandos waren, die walds am 3. April 1945 antreten sollten, den Weg bei der Arbeit gestört wurden, indem sie ein gelang- zum großen Heuschober wies, in dem ich mich 8 weilter SS-Mann tiefe Kniebeugen machen ließ, bis Nächte und 7 Tage verborgen hielt. Als ihn die SS sie umfielen. Oder er nahm einem Juden die Mütze zwang, den Heuschober nach Juden zu durchsuchen, weg, deren Verlust mit 25 Hieben bestraft wurde und lag ich plötzlich frei vor ihm, doch er deckte mich warf sie hinter die Postenkette, um den Nacheilenden sogleich mit weicheren Heubündeln zu und erklärte „auf der Flucht" zu erschießen. dem Kommandoführer, er könne niemanden finden. Doch dieser Kranzler, der nichts anderes war als ein Solche Menschen allein könnten heute eine Brücke kleiner deutscher Kumpel, der zeitlebens in Stein- zwischen Juden und Deutschen bilden. Mit meinen brüchen schuftete und sicher keine zu großen Sympa- Lebensrettern befinde ich mich in keinem Kriegs- thien für Juden hegte, schützte diese auf einmal, als zustand. Nun aber die Kardinalfrage. Was haben sie wehrlose Kreaturen im Konzentrationslager wa- diese Retter der deutschen Menschenwürde heute in ren. Das trug sich im heißen Steinbruc:hsornmer des Deutschland zu sagen? Kennt man sie überhaupt? Jahres 1938 zu und am 3. April 1945 war es wieder Man kennt General Chotitz, der den Trümmerbefehl ein Steinmetz Jacob mit Namen, der als die Juden von Paris sabotierte. Paris ist eine Messe wert und zum Todesmarsch aus Buchenwald gerufen wurden, auch das Leben eines deutschen Generals, der mit die Judenlisten der Schreibstube in den Ofen warf ... seiner todesmutigen Attitüde gleichzeitig die Ehre Um alles zu schildern, was zwischen diesen Ereig- der deutschen Armee zu retten versuchte. Ich will sei-

13 nen Ruhm nicht schmälern, dennoch muß ich hier er war auch ein Retter. Leo Margulies, der Rabbi der fragen: Was waren die jüdischen Konzentrationshäft- religiösen Juden Buchenwalds. Ein deutscher Jude, linge wert, für die deutsche Kumpeln ihr Leben ris- rein wie Kristall, der in dieser Hölle das Wort Got- kierten? tes verkündete. Ich kenne seine Adresse nicht und Und darum müssen Sie als Männer der Presse zuerst weiß nur, daß er in den Vereinigten Staaten lebt, den wenigen Frauen und Männern das Wort erteilen, aber es dürfte Ihnen nicht schwer fallen, sie zu er- die selbstlos jüdische Menschenleben gerettet haben. mitteln. Lassen Sie Margulies zum Friedensproblem Man suche nicht ihre Zahl künstlich zu vergrößern. Stellung nehmen. Er ist ein Gerechter .. . Da Gott Sodom und Gomorrha versdionen wollte, wenn sich nur zehn Gerechte in ihren Mauern be- Seither sind fünf Jahre verstrichen, jedoch nicht für funden hätten, kann Israel mitnichten eine dreistel- meine teuren Toten, für die es keinen Zeitablauf lige Zahl verlangen. mehr gibt. Jetzt eben sterben sie und alle Tage mei- Bonn und Tel-Aviv mögen über Entschädigungs- nes Lebens. Und doch werde ich morgen die Toten- summen verhandeln. Die ethischen Probleme, die gebete sprechen, wie es meine Religion vorschreibt. Frage der Menschenwürde, müssen denen vorbehal- Ich bin Jude und Jude sein verpflichtet. In jeder ten bleiben, die Menschenwürde in sich bewiesen Hinsicht .... haben. . Ich schenke Deutschland den Frieden. Auf jüdischer Seite kenne ich einen Mann, den ich Schutzhaftjude Israel Gelber. KZ. Buchenwald, für würdig halte, seine Stimme in die Waagschale zu Häftlingsnummer 2337. legen, denn er ist nicht nur ein Geretteter, sondern (Aus Maccabi 10 [Basel, 18. 10. 51] 30.)

2) Deutfchland und Ifrael

Wir haben Herrn Dr. E. L. Ehrlich gebeten, uns als jü- vollen Anteil am Schadenersatz herangezogen wer- discher Mensch, der die Verfolgung in Deutschland den. überlebt hat, ungeschminkt zu schreiben, wie sich von der jüdischen Seite aus gesehn, die Beziehungen zwi- Man darf wohl heute drei Hauptgruppen von Men- sdien Deutschland und Israel nach der Bonner Regie- schen in der Bundesrepublik unterscheiden: 1. Eine rungserklärung ansehn. Es handelt sich also im Folgen- relativ kleine Gruppe von Nazis, die nichts ver- den nicht um die Beziehungen zwischen jüdischen und gessen und nicht zugelernt haben, und die durch das deutschen Einzelmenschen mit ihren ungezählten Ab- Gift des Judenhasses verseucht geblieben sind. Es wandlungen, sondern um diejenigen zwischen den vor- sind jene Kreise um die Sozialistische Reichspartei. handenen politischen Größen auf beiden Seiten. Da Bei ihnen handelt es sich um Berufsantisemiten, die können wir selbst uns dem Verfasser und den von ihm zitierten jüdischen Autoritäten nur anschließen, wo ge- es in jedem Land gibt und immer gegeben hat; ge- sagt wird: Es kommt nun alles an auf die deutsche Tat. scheiterte Existenzen, die durch sinnlose Schlagworte ersetzen, was ihnen an eigener Persönlichkeit fehlt. Am 25. Oktober 1951 tagte in New York eine inter- Unter dieser ersten Gruppe, obwohl nicht mit den nationale Konferenz, auf der Vertreter aller wesent- Neonazis identisch, fassen wir auch die Unbelehr- lichen jüdischen Organisationen zugegen waren. Die baren unter den arbeitslosen Berufsmilitärs zusam- Tagung hatte den Sinn über die Wiedergutmachung men, die Clubs und Vereine gründen und den An- der materiellen Schäden zu beraten, die den Juden schein erwecken, als ob hinter ihnen die Millionen durch das Hitlerregime zugefügt worden waren und deutscher Soldaten des zweiten Weltkrieges ständen. die Lage zu besprechen, die sich aus der Erklärung Wegen des Projektes eines eventuellen deutschen der deutschen Bundesregierung vom 27. September Verteidigungsbeitrages wittert diese machthungrige 1951 für die Juden ergibt. Zwei Jahre seit Bestehen Minorität von ehemaligen Hitlergeneralen, die der Bundesrepublik hat sich die Bundesregierung knapp einem internationalen Militärtribunal entron- und der Bundestag dazu entschlossen, in feierlichen nen sind, oder sogar vor ihm standen, Morgenluft. Erklärungen von den Schandtaten der Nationalsozia- Durch ihr taktloses Auftreten tragen sie dazu bei, listen abzurücken und versprochen, alles in ihrer daß Deutschlands Kredit im Ausland geschädigt wird. Macht Stehende zu tun, um dem jüdischen Volke Auch Angehörige der Deutschen Partei haben sich möglichsten Schadenersatz zu leisten. Damit ist nun bisher nicht klar genug von dieser ersten Gruppe die Frage eines unmittelbaren Kontaktes zwischen der Unbelehrbaren unterschieden. der Bundesrepublik einerseits, dem Staate Israel und, 2. Die große Masse des politisch amorphen und in- den jüdischen Organisationen andererseits akut ge- differenten Volkes, das 1945 mit Schrecken erkannte, worden. wohin Hitler sie gebracht hatte, oft in Vorurteilen Welche Haltung können jüdische Menschen heute erzogen, aber dennoch teilweise offen für Belehrung Deutschland gegenüber einnehmen, besonders an- und bereit zur Umkehr, wenn richtig angesprochen. gesichts der Tatsache, daß die deutsche Bundes- Politisch unreif, weil nur kurze Zeit durch die Schule republik in aller Form sich von den verbrecherischen einer Demokratie gegangen, Untertanen ihrer jewei- Akten der Vergangenheit distanzierte? Die Antwort ligen Regierung. auf diese ungeheuer komplizierte und schwerwie- 3. Hunderttausende von Menschen, die 1945 erkann- gende Frage soll auf Grund der verschiedenen Äu- ten, daß der Untergang des 3. Reiches ihnen die ßerungen der repräsentativen jüdischen Körperschaf- Aufgabe auferlegt, Deutschland zu einer wahren ten versucht werden. Um dies zu können, gilt es zu- Demokratie zu entwickeln, die Fehler einer jahr- nächst kurz auf die derzeitigen Verhältnisse in der hundertelangen Vergangenheit im deutschen Volke westdeutschen Bundesrepublik einzugehen, denn nur auszumerzen, bedingungslos und ganz gegen die mit dieser haben wir uns hier zu beschäftigen. Die Geißel des Judenhasses zu kämpfen; deutsche Men- Sowjetzone Deutschlands hat sich nämlich bisher schen, von denen ein Teil in Hitlers Konzentrations- nicht zu irgend einer Form der Wiedergutmachung lagern schmachtete; Tausende widere, denen Juden geäußert, noch auch nur Einzelnen eine Restitution ihr Leben verdankten; Hunderte selbst aus der Emi- zuerkannt. Ubrigens muß auch Österreich zu seinem gration zurückgekehrt; deutsche Menschen, die aus 14 dem Kriege heimgekommen erkannten, was sie von dieser Bundesrepublik aufs äußerste mißtrauen. nun an zu tun haben. Es wäre immer schwer gewe- Darf denn etwa Vergebung für die Mitläufer gleich- sen, den Umfang und die Zahl dieser Menschen zu bedeutend sein mit einer neuen Einflußnahme der erkennen, wenn nicht Erich Lueth und Rudolf Küster- Nazis? Wir können und wollen noch nicht glauben, meier ihre Aktion "Frieden mit Israel" unternommen daß wahrhafte Christen und gute Deutsche sich den hätten. Aus dem Echo dieses Schrittes und dem der Weq eines neuen Deutschlands so vorstellen. Wir vorangegangenen Aktion Lueths gegen Harlan, war wollen einstweilen annehmen, daß das genannte die große Zahl dieser Menschen guten Willens und Verhalten eher aus Mangel an Verständnis und Fein- anständiger Gesinnung aus allen Teilen der deut- gefühl resultiert, als aus Böswilligkeit und dem sdien Bevölkerung zu erkennen. Wunsche nach Renazifizierung. Aber es gilt hier Wenn audi das Bestehen einer solchen Minderheit schon den Anfängen zu wehren, die Bundesrepublik innerhalb des deutsdien Volkes — selbst in den befindet sich bereits auf* einem sehr gefährlichen Jahren des Hitlerterrors — höchst erfreulich ist, so Weg! Noch einmal: Dieser Prozeß einer Restauration wendet sich unser Blick dennoch zu jener Haupt- der Vergangenheit läßt sich nicht im geringsten mit gruppe, die die Masse des deutsdien Volkes umfaßt. der verständlichen Vergebung für die Mitläufer Es ist die Tragik der Bundesrepublilc, daß die Bun- rechtfertigen. desregierung und die einzelnen Regierungen der Man wirft den Juden und dem Staate Israel Deutsch- Bundesländer teilweise nicht im Sinne der Elite des land gegenüber ein übertriebenes Mißtrauen vor. Volkes handeln, sondern allzu große Rücksicht auf Aber: die Ursache für die ablehnende Einstellung jene amorphe Masse nehmen. Die Regierungen sind des jüdischen Volkes liegt nicht allein in dem, was nicht antisemitisch oder böswillig, wenigen Regie- in dei Vergangenheit geschah, sondern auch in dem, rungsmitgliedern kann etwas aus ihrem Verhalten was in der Gegenwart nicht geschieht. in der Nazizeit vorgeworfen werden. Dennoch haben Das deutsche Volk hat bisher einfach nicht bewiesen, die Regierungen aber anscheinend immer noch nicht daß es den Willen hat, elementarste Gerechtigkeit ganz den Ernst und die Wichtigkeit des jüdischen zu üben. Problemes erkannt, trotz der Erklärung vom 27. 9. Welche praktischen Möglichkeiten würden sich heute 1951, die zwei Jahre nach Bestehen der Bundesrepu- dafür bieten? Keine noch so eindrucksvollen parla- blik erfolgte und daher nicht -gerade als spontan be- mentarischen Erklärungen können Taten ersetzen, zeichnet werden kann. Man hat immer noch nicht vollends werden keine noch so raffinierten Entsdiul- verstanden, daß es sich bei der Schadenersatzleistung digungen, Verdrehungen und Ausflüchte das ge- an den Juden um einen Akt elementarster Gerech- ringste Verständnis seitens der Juden finden. Nichts tigkeit handelt, und daß die Millionen von Heimat- kann Taten ersetzen. Der einzige' und mögliche Be- vertriebenen, Ausgebombten, Kriegsversehrten und ginn eines Kontaktes zwischen Juden und Deutschen Kriegsgeschädigten niemals als eine Entschuldigung ist die Wiedergutmachung selbst. Der Terminus für bisher Versäumtes gelten können. Man kann „Wiedergutmachung', und das muß jeder Jude zu- zwar fortfahren, Dresden gegen Auschwitz aufzu- tiefst empfinden, ist schief und falsch. Was geschehen rechnen, die Zurückhaltung der - Kriegsgefangenen ist, kann nie „wiedergutgemacht" werden. Aber mit den Deportationen der Juden zu vergleichen, durch die Aufbringung des von Israel, das über eine aber man darf sich dann nicht wundern, daß in der halbe Million Juden aus deutschbesetzten Ländern gesamten jüdischen und nichtjüdischen Welt das aufgenommen hat, geforderten Reparationsbetrages Mißtrauen gegen Deutschland fortbesteht. Daher und durch die individuelle Restitution zugunsten der kann die Judenfrage in Deutschland und für Deutsch- wenigen in Deutschland noch überlebenden Juden, land gar nicht überschätzt werden, sie ist der Prüf- kann bewiesen werden, daß hinter den Worten vom stein iür die Deutschen. Das deutschen Menschen klar- 27. 9. 1951 überhaupt eine Wirklichkeit steht • zumachen, ist heute eine der Hauptaufgaben, gerade Der Staat Israel hat seine gerechten Forderungen ge- inmitten der ungeheuren Probleme, die der Zusam- stellt, die in Warenlieferungen zu begleichen sein menbruch Deutschland aufgegeben hat. An der Ein- werden. Es handelt sich dabei um Forderungen, die stellung zu den Juden muß, nach all dem, was deut- die Bundesrepublik ohne jeden Zweifel zu leisten in sdie Menschen Juden angetan haben, Deutschland der Lage ist. Der Staat Israel hat keine Freund- heute beweisen, inwieweit das durch die reaktionäre schaftshand ausgestreckt; wer wollte das nach allem Tradition und den Nationalsozialismus vergiftete was geschah, auch von ihm erwarten. Von der Erfül- deutsche Volk in Gesundung begriffen ist und damit lung des Schadenersatzes wird es einstweilen abhän- geeignet, ein gleich berechtigtes Mitglied in der euro- gen, ob es wenigstens zu geordneten Beziehungen päischen Gemeinschaft zu sein. zwischen Israel und Deutschland kommen kann. Die Haltung der jüdischen Welt und besonders des Kein die Realität ernstnehmender Mensch kann nach Staates Israel war auch deshalb bisher Deutschland dieser kurzen Zeit seit 1945 überhaupt mehr erwar- gegenüber ablehnend, weil man spürte, daß das ten als geordnete Beziehungen, wer mehr verlangt, deutsche Volk in seiner überwiegenden Mehrheit ist ein Illusionär. Gegen diese geordneten Beziehun- wenige Zeichen des Willens zu einem neuen Anfang gen, falls Deutschland durch den Schadenersatz dem gezeigt hat; die Welt hütet sich, bloße Lippenbe- jüdischen Volke den Beweis seines Umdenkens er- kenntnisse ernst zu nehmen. Zu viele billige Aus- bringt, wenden sich heute in Israel nur zwei kleine flüchte wurden und werden aufgetischt! Man muß Gruppen. Die einen, weil sie fürchten, daß dadurch sich doch einmal klar machen, was es eigentlich be- etwas vergessen wird, was — wie wir Juden alle deutet, daß Deutsche 6 Millionen Juden ermordet wissen, — nie vergessen werden kann; die anderen haben! Wenn zu alldem jedoch noch Deutsche in (Kommunisten), weil durch eine Bereitschaft zur Zah- verantwortlichen politischen und kirchlichen Positio- lung der Reparationen seitens der Bundesrepublik nen sich für wirkliche Kriegsverbrecher und gestän- die wahre Gesinnung der Sowjetzone, die bisher dige Massenmörder einsetzen und damit jede not- überhaupt keinerlei Bereitschaft zur Wiedergutma- wendige Distanzierung vermissen lassen, wenn fer- chung bekundet hat, allen klar erkennbar wird. ner Naziaktivisten in führende Positionen berufen Diesen beiden Gruppen kann man jedoch mit Nahum werden, so kann kein Jude und kein wahrer Demo- Goldmann das biblische Wort entgegenhalten: Du krat dafür auch nur das geringste Verständnis auf- hast gemordet und sollst nun noch erben? bringen und wird geradezu: den Verantwortlichen Ich brauche kaum zu betonen, daß auch die Aufbrin- 15 gung der Reparationen als solche Deutschland von „Wir können nicht aus dem Buch der Geschichte aus- der Schuld seiner traurigen Vergangenheit nicht los- löschen, was das jüdiiche Volk von einer deutschen kauft. Alle gesetzlichen und behördlichen Maßnah- Regierung, welche im Namen des deutschen Volkes men müssen weit stärker, als es in den letzten Jahren handelte und alle Kräfte des Deutschen Reiches zu geschah, ergriffen werden, um den Neonazismus, die befehligen vermochte, erlitten hat. Vergebung in nationalistische Restauration und den Antisemitis- diesem Sinne liegt unter keinen Umständen in der mus zu bekämpfen und vor allem von innen heraus Macht unserer Generaticin. Es wird längere Zeit und zu überwinden. Die Erziehung in diesem Sinne muß eine neue Generation brauchen, bevor hier im Geiste ganz anders als bisher vom Staate gefördert werden, das Gleichgewicht wiederhergestellt werden kann. und sie darf nicht nur privater Initiative oder etwa Man sagt uns, Deutschland wünsche jetzt Abbitte zu gar den Besatzungsmächten überlassen bleiben. leisten. Um des gemeinsamen Menschseins willen möchten wir das gern glauben. Ob wir uns auch da- Dr. Israel Goldstein, Mitglied der Exekutive des von überzeugen können, wird nicht davon abhängen, Jüdischen Weltkongresses, hat im Namen aller Ju- was Deutschland sagt, sondern was Deutschland den auf der ganzen Welt gesprochen, wenn er sagte: tut ..." E. L Ehrlich.

3) „Der neue Staat Ifrael und die Chriftenheit" Bericht von der Düsseldorfer Tagung des deutschen evangelischen Ausschusses für Dienst an Israel 26. Februar bis 2. März 1951

Dieses Thema zum Gegenstand seiner dritten Nach- Ausdruck, daß messianisches Sehnen der Menschen- kriegsstudientagung über „Kirche und Judentum" in seele sich selbst mit der echten Inspiration durch den Düsesldorf (26. Februar bis 2. März 1951) zu machen, Gottesgeist verwechseln könnte. Andererseits ent- war von seiten des veranstaltenden „Deutschen wickelte der zentrale Vortrag des Tagungsleiters, evangelischen Ausschusses für Dienst an Israels ein Prof. D. Rengstorf, Münster, „Altes und Neues Jeru- Wagnis, welchem kein Geringerer als Bischof Dibe- salem", daß die Zielvorstellung vom neuen und ewi- lius „eine kaum zu überschätzende Bedeutung" zu- gen Jerusalem der künftigen Heilszeit im frommen schrieb. Judentum die gleiche sei wie bei uns Christen: als Von Tag zu Tag ist den über hundert Teilnehmern Stadt nicht eines Stammes oder Volkes, sondern aller deutlicher geworden, daß der Vorsitzende der Evan- Nationen; als Erfüllungsort der göttlichen Gnade gelischen Kirche in Deutschland mit diesem hoch- und Vergebung für alle Sünde; als Stätte der ewigen gegriffenen Worte doch nicht übertrieben hatte. Es ist lobpreisenden Anbetung, wenn kein Bittgebet mehr eben wirklich in theologischer und in profaner Sicht nötig sein wird. Nur wie weit diese an sich gleiche „Israel — Schnittpunkt der Weltgeschichte", wie es heilsgeschichtliche Linie der Verborgenheit bereits Martin Beheim-Schwarzbadi am Eröffnungsabend (dank Christi Auferstehung) enthoben sei, stehe zwi- vor allem für die Vergangenheit skizzierte und Rab- schen Kirche und Synagoge zur Diskussion. (In der biner Dr. Weinberg, Frankfurt, am nächsten Tage für diesem Gespräch gewidmeten Vierteljahrsschrift die Gegenwart unterstrich, indem er auf die von dort „Saat auf Hoffnung" erscheint dieser Vortrag — wie aus weitgehend kontrollierbare vorderasiatische audi die andern der Tagung — demnächst gedruckt.) Erdölausbeute hinwies, deren Verfügbarkeit dem — Auch das letzte Hauptreferat „Die Zukunft Israels „Westen" eine im Kriegsfall vielleicht ausschlag- und die Zukunft der Kirche' von Prof. Dr. Harder, gebende Uberlegenheit über den „Osten" sichern Berlin, brachte neben willkommenen Bestätigungen würde — und deren Verlust umgekehrt eine mög- von unserseits früher schon Vertretenem (etwa daß licherweise entscheidende Kräfteverlagerung bedeu- die vor ganz Israels Rettung — laut Röm. 11, 25 — ten müßte. eintretende „Fülle" der Heiden nicht bloß „Voll- Nüchtern, wie dieser Hinweis, war Weinbergs gan• zahl", sondern „Vollreife" ist), auch manche stau- zes Referat über „Unser Land". Er bat uns Christen, nenswerte neue Vertiefungen biblischer Erkenntnis: nicht zu vergessen, daß auch die Juden „Menschen daß die „Aussendungsrede" von Matth. 10 zeitlich in von Fleisch und Blut" sind, weder Engel noch Teufel, die Situation der „Abschiedsrede" von Mark. 13 hin- daß sie nicht bloß als „Marionetten Gottes" von uns eingehöre und die fliehende Gemeinde in der Mor- angeschaut zu werden wünschen; ja, daß sie sich gendämmerung des Jüngsten Tages als die aus manchmal versucht fühlen, zu beten: „Wähle ein Neuem und Altem Gottesvolk wiedervereinigte eine anderes Volk aus, unser Gott; es ist zu schwer, die Herde ahnen lassen dürfte, die der eine Hirt zu ret- Last deiner Erwählung zu tragen." Und dennoch: Da ten kommt. nun die unausdenkbarste Not und Verfolgung aus- Wofern bei alledem die Gefahr bestanden haben gelöst hat, daß ihre zweitausendjährige Zionssehn- mochte, daß man sich zu sehr in theologische Speku- sucht sich zu erfüllen begann, wissen sie sich auch lation verloren hätte, sorgte die Diskussion immer aufgerufen, nicht einfach einen Staat wie andere wieder dafür, daß man die wahrhaft bedrängende Staaten zu errichten, sondern nach einem Gemein- Erdnähe gerade dieses Themas nicht aus den Augen wesen zu streben, das sich am Richtmaß des verheis- ließ. „Sind Sie als deutsche Pfarrer bereit", fragte ein senen messianischen Reiches des Friedens und der solcher (H. Kappes, Karlsruhe), „die für den Aufbau Gerechtigkeit gemessen weiß, welches dem eignen Israels unentbehrlichen Wiedergutmachungsmilliar- Volk und allen Völkern zum Segen werden soll. den vor dem deutschen Volke mitzubefürworten Die großen religiösen Fragen, die damit gestellt sind, und dem dabei drohenden Antisemitismus entgegen- erörterte einerseits der Vortrag „Das Land der Ver- zutreten?" Die Antwort war jener Brief an Bundes- heißung' von Oberkirchenrat D. Herntrich, Ham- kanzler Adenauer, durch den sich der Ausschuß der burg. Von Martin Bubers Buch über die einzigartige' Initiative des 72. Mainzer und des 73. Bochumer Ka- geschichtliche Verknüpfung von „Palästina und Is- tholikentages anschloß; dies bedeutet im Erfolgs- rael" ausgehend, gab er vor allem der bangen Sorge fall, daß Vermögensansprüche, die nidit von jüdi- 16 sehen Rückerstattungsberechtigten angemeldet wer- diese geistliche mit solcher leiblichen Erfüllung ver- den, auf dem Wege über Nachfolger-Organisationen einbar sein mag, bestritt er keineswegs. (wie die JRSO) wenigstens dem Volk und Staat der Und gewiß war es diese Verpflichtung, welche die Enteigneten (und oft Ermordeten) zugutekommen. Zu meisten Tagungsteilnehmer mit nach Hause nahmen, erwarten ist dabei sicher im Sinn der Zentrums-Stel- auch aus der tief ergreifenden Ansprache Rabbiner lungnahme bei der Bundestagsdebatte hierüber vom Weinbergs im Freitagabendgottesdienst der Düssel- 22. Februar, daß nicht nur der Staat Israel bedacht dorfer Synagoge, wo er bat, über der Kritik an der wird, sondern auch die jüdischen Kultusgemeinden ‚jüdischen' (und — dachten wir Katholiken zu unseren in Deutschland selbst. Und von größter Wichtigkeit getrennten evangelischen Brüdern hinüber — oft erscheint es psychologisch, daß alle deutschen Län- auch der ‚römischen') ,Werkgerechtigkeit' aus un- der eine so glückliche Lösung finden wie Hessen'), serm Glauben heraus doch jenes „Tun" unter keinen welches der JRSO alle dortigen Ansprüche pauschal Umständen zu vergessen, das uns allen von Gott abgekauft hat, so daß der deutsche Rückerstattungs- geboten ist. verpflichtete sich daselbst künftig nicht mehr mit (la: „Der christliche Sonntag" III- einer von Ausländern verwalteten, sondern mit der [Freiburg, 1. 4. 51.3 13. 8. 102 ff. eignen Behörde auseinanderzusetzen hat, bei der er Deutscher evangelischer Ausschuß Münster/Westfalen, sicherlich eine vermehrte Berücksichtigung der Um- für Dienst an Israel Melcherstr. 2 stände verlangen darf und hoffentlich auch durch- — Der Vorsitzende — den 5. März 1951. setzen wird, unter denen er seinerzeit das fremde Eigentum erwarb, das er jetzt zurückerstatten oder An die Bundesregierung — zu Händen des Herrn Bundeskanzlers — dessen unterbezahlten Wert er nachträglich zu Ende Bonn/ Rhein. vergüten soll. Der zu seiner 3. Studientagung „Kirche und Juden- Ein weiteres heißes Eisen wurde wiederholt in der tum" nach dem Kriege in Düsseldorf vom 26. Februar Diskussion berührt in Gestalt der Frage nach der bis 2. März 1951 zusammengetretene „Deutsche Internationalisierung Jerusalems als Streitobjekt evangelische Ausschuß für Dienst an Israel" bittet zwischen (speziell katholischer) Christenheit und die Bundesregierung. die Wiedergutmachung natio- Staat Israel. Treffend betonte dazu Professor Dr. Her- nalsozialistischen Unrechts, das in seinem stärksten mann Volk, Münster, daß diese Internationalisierung Ausmaße den Juden und den ihnen durch die Nürn- eine Zeitlang in guten Treuen für die allen Beteilig- berger Rassegesetze Gleichgestellten zugefügt ten am besten gerechtwerdende Lösung des verwik- wurde, als ganz besonders dringlich zu behandeln. kelten Problems der Heiligen Stätten gehalten wer- Die Tatsache, daß die unabdingbare und von höch- den konnte, aber keineswegs ein in sich unaufgeb- sten Stellen anerkannte Pflicht zur Wiedergutma- barer Programmpunkt „der Kirche" sei. — Ubrigens chung fünf Jahre nach dem Zusammenbruch der na- wurde auf die friedliche Gesamtintention Papst Pius' tionalsozialistischen Herrschaft noch immer nicht XII. für das Heilige Land hingewiesen, wie sie aus befriedigend erfüllt worden ist, bereitet uns wach- seinen einschlägigen Rundschreiben gerade in der sende Sorge. letzten Nummer (10/11) des Freiburger „Rundbrief zur Förderung der Freundschaft zwischen dem Alten Unsere Arbeit hat uns davon überzeugt, daß dieser und dem Neuen Gottesvolk" von Pater Dömann Zustand ein wesentliches Hindernis für den inneren NDS. lichtvoll entwickelt worden ist. (S. 23 1.) und äußeren Frieden unseres Volkes ist und die volle Wiederherstellung der immer noch gestörten Hinter den Einzelfragen aber tauchte dann immer Rechtsordnung und die Gesundung des in seiner wieder das große Hauptanliegen auf, das in jedem Tiefe immer noch erschütterten Rechtsgefühls ver- wachen Christen angesichts des jüngsten Geschehens hängnisvoll erschwert. im Heiligen Lande wach wird:. Wie mag hier Gott selbst im Spiele sein? Ist es seine „Manifestation", Wir bitten daher die Bundesregierung, mit größter seine Offenbarungstat, was dort geschieht, wie der Beschleunigung alles Notwendige zu tun, damit die Sekretär der ,Judenchristlichen Allianz', Pfarrer Leu- noch ausstehenden Gesetze für das gesamte Bundes- ner, London, zu erwägen vorschlug? gebiet geschaffen und durch solche Ausführungs- „Das zu behaupten sind wir weder genötigt noch bestimmungen erläutert werden, daß ihre sinnge- berechtigt", erwiderte ihm der lutherische Mainzer mäße und verständnisvolle Anwendung gewährlei- Theologieprofessor Holsten. Behutsamer meinte Pro- stet ist. fessor Volk, wir könnten zwar jene Frage jetzt noch Deutscher evangelischer Ausschuß nicht mit Sicherheit beantworten; gewiß sei für uns für Dienst an Israel die geistliche Erfüllung des von Gott Verheißenen; gez. Professor D. Rengstorf. daß wir aber zu prüfen verpflichtet sind, wie weit 1) Mittlerweile folgten noch Bremen und s. T. Württemberg-Baden.

4) Die Judenfrage im Licht der Heiligen Schrift

Der nachstehende Text ist ein in sich geschlossener Ab- Geringfügigkeit feststellt, widmet sie ihm in ihren schnitt aus einem größeren Werke von Msgr. J. Strau- umfangreichen Werken kaum einige wenige Seiten. binger, welcher früher am ‚Katholischen Bibelwerk' in Nichts ist verständlicher als das, denn verglichen mit Stuttgart tätig war und jetzt in Argentinien Exegese doziert. Nach Rückfrage in unserm Beirat veröffentlichen den übrigen Völkern des Altertums zeigte sich das wir diese Untersuchung als einen Diskussionsbeitrag Volk Israel so machtlos, daß viele Geschichtschreiber zur Frage nach der möglidien heilsgeschiditlidien Be- nicht einmal von seiner Existenz Kenntnis hatten, deutung der Wieder-Errichtung eines jüdischen Staates oder es wenigstens in ihren Büchern nicht erwähnen. im Heiligen Lande. Die Modernen allerdings kennen es, aber infolge I. ihrer Art und Weise, alle Völker unter demselben Die profane „Welt-Geschichte" mißt das jüdische Gesichtspunkt zu beurteilen, entgeht ihnen die ein- Volk gewöhnlich mit demselben Maßstab wie die zigartige Stellung jenes Volkes, desssen Lebenskraft anderen kleinen Nationen; und wenn sie so seine über allem menschlichen Urteil steht, und dessen Be- 17 stimmung ist, gleichsam „die Uhr Gottes durch die „Mittels der Barbaren, die nicht den Namen Volk Geschichte hindurch* zu sein. verdienen, wird Gott Israel eine angemessene Stz'afe Es ist sehr bequem, die Judenfrage ausschließlic:h für ihre Schuld geben, da sie auch anbeteten, was vom ökonomischen oder politischen Standpunkt aus nicht den Namen Gott verdient*. Die authentische zu betrachten, und auf die Gefahren hinzuweisen, die Erklärung gibt uns der hl. Paulus im Römerbrief 10, das Handels- und Geldgebaren der Juden für die 19 bis 11, 12. Das „Nichtvolk", das „unverständige christlichen Völker bedeute. Noch bequemer ist es, Volk", sind wir Christenaus den Heiden" als Nach- die Nationalgefühle gegen ein Volk aufzustacheln, kommen der heidnischen Völker, .die für Israel nur das sich, neben vielen Nachteilen auch der Vorteile eine unverständige Masse waren. des Internationalismus „erfreut", und unter allen Na- Bei Isaias sagt der Allmächtige: „Ich war zu erfragen tionen lebt ohne sich ihnen zu assimilieren. Aber für die, so nicht fragten, zu finden war ich auch für mit dieser Methode löst man die Judenfrage nicht, die, so nicht suchten; Ich sprach: Hier bin ich, hier ja es ist nicht einmal ein Anfang zur Lösung. bin ich, zum Volke, das nicht mich anrief. Meine Die Lösung liegt auf anderer Ebene. Die Juden des Hände streckte ich aus allezeit zum Volke, das stör- Alten Testamentes sind von Gott berufen worden risch, rebellisch, das da wandelte Wege. die nicht als das „auserwählte Volk*, der „auserlesene An- gut, das da nachging den eignen Gedanken.' (Is. 65, teil", die „heilige Nation* (Ex 19, 5-6), „der erst- 1-2). Der hl. Paulus erklärt diese Stelle in dem geborne Sohn» (Ex 4, 22), die Träger und Ubermittler Sinne, daß das Heil, an die Heiden kam, die vorher der Offenbarung (Röm. 3, 2), nicht wegen ihrer Ver- Gott nicht kannten (Röm. 10, 20-21), so daß also dienste, sondern kraft der freien Wahl Gottes, der „durch den Fall der Juden das Heil zu den Heiden auswählt, wen er will (Röm. 9, 11 und 18); aber ein- kam' (Röm. 11, 11). mal auserwählt, sind sie nicht mehr den gewöhn- Aber bilden wir uns ja nichts ein, daß wir für das lichen Gesetzen der Geschichte unterworfen, son- auserwählte Volk gesetzt worden sind, denn auch uns dem gehen auf außerordentlichen Wegen der gött- hat Er erwählt „nach der Güte seines Willens, zum lichen Vorsehung, die sie bis heute erhalten hat in Lobe der Herrlichkeit seiner Gnade (Eph. 1, 5-6), offenem Gegensatz zu dem, was mit andern Völkern nicht wegen unserer Verdienste. „Wenn einige der geschieht. Zweige (des jüdischen Volkes) ausgebrochen wur- II. den, sagt der hl. Paulus, du aber (o Heide!), ein wil- Alle wissen wir, daß das auserwählte Volk sich im- der Olzweig, unter ihnen aufgepropft worden bist, mer wieder unter bestimmten Gesichtspunkten in und so Anteil bekommen hast an der fetten Wurzel das „verworfene Volk* verwandelte, zuerst schon des edlen Olbaumes, so überhebe dich nicht über die wegen seines steigenden Abfalls, und dann durch Zweige; Wenn du dich aber überheben willst, so be- seinen religiösen Formalismus, der ihm die Augen so denke: nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wur- sehr verdunkelte, daß es den Messias, den es doch zel trägt dich' (Röm. 11,17-18). Wenn wir nicht erwartete, bei seinem Kommen nicht erkannte. dieser Vorschrift der Demut folgen, so müssen wir Die Tatsache seines Abfalls ist so offenbar, daß alle genau dieselbe Strafe wie die Juden gewärtigen. Propheten, vom ersten bis zum letzten, ihn bekun- IV. den, und selbst Christus darüber weint (Match. 23, Das Außerordentliche im hebräischen Volke ist nicht 37-39; Luk. 19, 41--44). Auch der hl. Paulus .zitiert seine Verwerfung, sondern das feierliche Verspre- Isaias 6, 9-10, und bestätigt die Ungläubigkeit der chen der künftigen Nullundniditigmachung dersel- Juden in der Apostelgeschichte 28, 28: „So sei es ben. Es ist das eine der staunenswertesten Wahr- euch denn kundgetan: den Heiden ist dieses Heil heiten, die der hl. Paulus uns mit seiner ganzen apo- Gottes gesandt. Diese werden es gläubig hören.' Im stolischen Autorität offenbart in 2. Cor. 3, 16, wo er Angesicht dieser vernichtenden Urteile wirkt es wie von der Rückkehr der Juden zum Herrn spricht, und eine Herausforderung, wenn uns Max Kahn sagt: besonders im 11. Kapitel des Römerbriefes, wo er „Die Judenheit ist das Volk, das in der Morgen- sagt, daß die Juden von neuem in ihren eigenen dämmerung der ethischen Evolution der Menschen Olbaum aufgepropft würden (Röm. 11, 24), und er die unvergänglichen Werte des Lebens entdeckte fügt bei: „Ja, Brüder, folgendes Geheimnis will ich und sich für sie verblutete, schon mehr als zweitau- euch kundtun, damit ihr euch nicht selbst verständig send Jahre hindurch" (Revista de la Universidad dünkt: die Verktock,ung ist über einen Teil von Israel Nacional de Colombia, abril 1948, pag. 9). Die Juden gekommen, bis die Vollzahl der Heiden (in das Reich „entdeckten' nicht diese Werte, sondern Gott unter- Christi) eingetreten ist. Dann wird ganz Israel geret- wies sie darin, und sie verbluteten sich nicht immer nur durch ihre Treue; im Gegenteil sehr oft auch tet werden* (Röm. 11, 25 ff.). kamen über sie alle Plagen bis zur Verbannung und Der Völkerapostel macht uns in diesem Kapitel mit Zerstörung, weil sie das Gesetz nicht erfüllten (vgl. einem „Mysterium* bekannt (V. 25), der Bekehrung Lev. 26; Deut. 28, und die Weissagung Christi über Israels, und um unser Staunen zu vermehren, läßt den Untergang Jerusalems.) er uns ahnen, daß dieses Ereignis von großem Vor- teil für die Welt sein wird, denn „wenn ihre Ver- III. werfung eine Versöhnung der Welt herbeiführte, Der Unglaube Israels an seinen Erlöser hatte zur was wird dann ihre Aufnahme anderes sein als das Folge die Ubertragung des Heiles auf . die Heiden, Leben aus den Toten?" (V. 15) ; und „wenn schon ihr endgültig vom hl. Paulus verkündet (Apg. 28, 28), Fall Reichtum der Welt, und ihr kleiner Rest Reich- und schon viele Jahrhunderte vorher durch die Pro- tum der Heiden geworden ist, um wieviel mehr wird pheten vorausgesagt. Führen wir als Zeugen nur die es dann ihre Vollzahl werden* (V. 12). größten an, Moses und Isaias. In Deuteronomium 32, Hier können wir mit Händen greifen das Geheimnis 21-22 lesen wir: „(Gott sprach) Vor ihnen will ich der unendlichen Barmherzigkeit, die eines Tages mich verbergen, will sehen, was ihr Ende ist. Denn ihrem Volk verzeihen wird, „denn die Gnadengaben ein verlogenes Geschlecht sind sie, und Kinder, die und die Berufung Gottes sind unwiderruflich" (V. 29), der Treue bar. Sie kränkten mich durch Ungötter, und die Juden bleiben hinsichtlich ihrer Erwählung erzürnten mich durch nichtige Götzen. So will denn „geliebt wegen ihrer Väter", der Patriarchen. durch ein Unvolk Ich sie reizen, und kränken durch Aus Ungehorsamen und Ungläubigen werden Treue ein gottlos Volk*. Bover-Cantera bemerkt hiezu: und Gehorsame im Glauben. Dann wird von ihren 18 Augen der Schleier genommen, der ihre Blindheit Mund ich gelegt, nicht sollen sie weichen aus deinem verursachte (2. Cor. 3, 13 ff.), und ihre Herzensver- Munde . .» härtung wird erweicht durch die Heimsuchungen der Glücklicherweise besitzen wir authentische Inter- göttlichen Barmherzigkeit. über diesen Punkt gibt es pretation dieser Stelle in Röm. 11, 26, wo der Völker- keine Verschiedenheiten unter den Exegeten, eben- apostel sie in Beziehung setzt mit dem kommenden. sowenig wie über den Zeitpunkt, in dem die Chri- Heil Israels. Hier finden wir den Gedanken eines stenheit die Freude haben wird, solch glüdcliches neuen Paktes, verschieden von den vorherigen mit Ereignis zu erleben. Es wird sich erfüllen, wenn „die Abraham und Moses. Es wird ein geistiger Pakt sein, Vollzahl der Heiden eingetreten ist' (Röm. 11, 25), gleich dem Neuen Bund, in dem die bekehrten Juden das heißt, wenn die für die Heidenbekehrung be- sich vereinigen, und in ihm werden sie ihre alten stimmte Zeit zu Ende ist (vgl. Luc. 21, 24). Vorrechte zurückerlangen (Röm. 11, 29). V. Auch durch den Mund des Jeremias (Kap. 31 und Viel schwerer ist die Erklärung der Weissagungen, Ezechiel, Kap. 37) verspricht Gott einen neuen Bund die sich auf Israel als Volk beziehen. Der erste Pro- mit seinem Volk zu schließen. Der Prophet Jeremias phet, der im Namen Gottes über das kommende Ge- sagt: „Denn siehe, es werden Tage kommen, spricht schick Israels etwas aussagte, war Moses. Im 26. Ka- der Herr, da werde ich mit dem Hause Israel und mit pitel des Buches Levitious und im 28. des Deutero- dem Hause Juda einen neuen Bund schließen . . . Dies nomium verspricht der große Prophet dem treuen wird der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel Volke die herrlichsten Segensverheißungen: „Der nach jenen Tagen schließen werde, spricht der Herr: Herr öffnet dann für dich sein bestes Schatzhaus, den Ich will mein Gesetz in ihr Inneres legen und in ihr Himmel, um deinem Lande zur rechten Zeit den Herz schreiben, und ich will ihnen ihr Gott sein, und Regen zu geben und so alle Werke deiner Hände zu sie sollen mein Volk sein. Sie werden sich nicht mehr segnen. Dann kannst du vielen Völkern leihen, gegenseitig belehren, und einander auffordern: Er: ohne selbst entlehnen zu müssen. Der Herr macht kennet den Herrn! Alle werden mich erkennen, vom dich zum Haupte und nicht zum Schwanz. Du steigst Kleinsten bis zum Größten, spricht der Herr, denn icn immer höher und nicht tiefer, wenn du den Satzun- vergebe ihre Missetat, und ihrer Sünden will ich gen des Herrn, deines Gottes, gehördist, die ich dir nicht mehr gedenken» (Jer. 31, 31-34). heute zur Beobachtung und Befolgung vorlege. Von Es ist vor allem zu bemerken, daß diese Weissagung allem, was ich dir heute befehle, weiche weder nach sich an beide jüdische Reiche richtet, an Israel und. rechts noch nach links ab" (Deut. 28, 12-14. Vgl. Juda, obwohl jenes total vernichtet, und die Situa- Deut. 30, 3). tion des andern hoffnungslos ist, und daß ihr Zweck Manche wollen in diesen Worten eine Voraussage ist alle Stämme Israels zu' trösten, nicht nur die zwei, der Weltherrschaft der hebräischen Menschen su- die das Reich Juda bildeten. Diejenigen, die unter chen, und sehen sie erfüllt in der modernen Stellung Israel die Kirche verstehen, müssen zugeben, daß sie der Juden als Bankmenschen der Welt, was praktisch sich noch nicht erfült hat, oder nur sehr unvollkom- die Oberherrschaft über alle Völker gibt, denn mit men, denn immer noch ist Unterricht, Katechese, Pre- dem Geld könne einer „immer oben und niemals digt notwendig, und wir stehen noch sehr fern jenem unten" stehen. Und sogar die Kriege gewinnen sie, -glüddichen Zustand, wo keine religiöse Belehrung sagt man. Trotzdem gibt es kein exegetisches Funda- mehr notwendig sein wird. Die Stelle in übertriebe- ment für eine solche Auslegung.') Die Verwirklichung nem Sinn zu nehmen, ist gleichfalls gefährlich, denn der Voraussagung hängt nach Moses von der treuen Gott spricht an dieser Stelle, und er übertreibt nicht, Erfüllung des alten Gesetzes ab; wir wisssen jedoch, wie es die Menschen machen. Und ausschließlich auf daß von den heutigen Juden nur ein Teil das Gesetz die Kirche alle Weissagungen anzuwenden, die von erfüllt. Soweit sie es überhaupt erfüllen: denn es einer glorreichen Zukunft Israels sprechen, würde fehlt ihnen ja der Mittelpunkt des mosaischen Kul- zudem bedeuten, die Kirche auch der Missetaten an- tes, der Tempel und die Opfer! zuklagen, auf die jene Weissagungen hinweisen, wie Moses vergißt nicht die andere Möglichkeit, nämlich z. B. hier, wo nicht nur die Rede ist von dem Neuen den Abfall Israels, und sagt ihnen als Strafe die Zer- Bund mit Israel, sondern auch von seiner „Schuld" streung unter andere Völker voraus: „Der Herr und seinen „Sünden" (Jer. 31, 31-34). zerstreut dich unter die Völker von einem Ende der Gefährlicher noch ist die Methode, alle unangenehme Erde bis zum andern. Dort verehrst du dann Götter Prophezeiungen auf die Juden zu beziehen, und auf von Holz und Stein, die dir und deinen Vätern unbe- uns alle angenehmen, wenn auch der Prophet sie kannt sind. Doch unter ihnen kannst du nicht rasten. ausdrücklich an die Stämme Jakob, an Israel, Jerusa- Keine Ruhestätte gibt es für deinen Fuß. Der Herr lem, Sion richtet. In der letzten Nummer der „Estu- gibt dir vielmehr ein zaghaftes Herz, verschmach- dios Biblicos", Januar-März 1949, Seite 99, kritisiert tende Augen und ein zaghaftes Gemüt. Dein Leben P. Jos6 Ramos Garcia C.M.F. dieses System mit fol- hängt nur an einem Faden. Du zitterst bei Tag und genden Worten: „Wenn man anstatt jedem das Seine bei Nacht und fühlst dich deines Lebens nicht mehr zuzugestehen, wie es Gerechtigkeit und Hermeneu- sicher. Am Morgen sprichst du: Wäre es doch schon tik verlangen, den Inhalt der herrlichen Weissagun- Abend! Und am Abend sprichst du: Wäre es doch gen in der Kirche erfüllt sieht, während Israel leer schon Morgen!» (Deut. 28, 64 ff.). ausgeht, ist es einleuchtäd, daß für das bekehrte Israel nichts mehr übrig bleibt als die Hefe der Der Prophet Isaias bezieht sich mehr als einmal auf göttlichen Versprechungen, obwohl wir doch zuerst die Zukunft Israels, z. B. in 10, 21 ff., wo er sagt: und hauptsächlich daran denken sollten. Und wenn „Nur ein Rest kehrt um zum Heldengott. Wenn es dieser Auslegung nach ginge, hätten wir wohl auch Israel gliche dem Sand am Meere, Vernichtung Grund auf die großartigen Versprechungen, die Gott steht fest, flutend von Recht.» Die Auslegung der wiederholt, mit ganzem Gewicht und genau diesem Stelle ist gegeben durch den hl. Paulus, der sie in Volke gegeben hat, das Wort anzuwenden: „Partu- Röm. 9, 27 zitiert, in Verbindung mit der Bekehrung riunt montes, nascetur ridiculus mus", was aus der Israels. In Isaias 59, 20-21 spricht der Prophet von Mehrzahl von ihnen nur einen drückenden Spott einem kommenden Erlöser, und sagt: „Mein Bund ist dies, den ich schloß mit ihnen, spricht Gott, mein machen würde." Geist, der ruhet auf dir, die Worte, die in deinen 1) Daß sie such den Tatsachen nicht entspricht, zeigt B. 52. 19 VI. sich bei den ersten Christen erfüllte, die teils Juden Wie man sieht, sind die Prophezeiungen des Alten waren und Lehrer der Heiden? Der hl. Jakobus er- Testamentes hinsichtlich der Zukunft Israels sehr klärt es nicht so, sondern sieht darin ein zukünftiges kompliziert. Sie scheinen sich nicht nur auf ihre Be- Ereignis, wenn er im Apostelkonzil Amos zitiert: kehrung, sondern auch auf ihre Restauration als Na- „Danach will ich wiederkommen und die zerfallne tion zu beziehen. Es ist klar, wie der hl. Paulus sagt, Hütte Davids wieder aufbauen. Ihre Trümmer will daß die Versprechungen Gottes zugunsten seines ich neu aufbauen und sie wieder neu aufrichten, da- Volkes unwiderruflich sind (Röm. 11, 29), d. h. sie mit auch die übrigen Menschen den Herrn suchen erfüllen sich unfehlbar. Aber hatten sie wirklich un- und alle Heidenvölker, denen mein Name beigelegt bedingten oder nur bedingten Charakter? Wenn sie wird. Das spricht der Herr, der solches tut" (Apg. unbedingt waren, werden sie sich erfüllen. Wenn sie 15, 16-17). jedoch bedingt waren, muß ihre Erfüllung verbunden Der französische Exeget Boudou erläutert diese Stelle sein mit der Bekehrung Israels. Wenn sich die ver- mit folgenden Worten: »Nach der Prophezeiung des wirklicht, müssen sich auch die Versprechungen ver- Amos wird Gott die Hütte Davids wieder aufrichten; wirklichen. Nun gut: der hl. Paulus sagt uns, daß die er wird das davidische Reich wieder in seiner Voll- kommende Bekehrung der Juden sicher ist; also gibt ständigkeit herstellen und wird ihm seine alte Herr- es kein Hindernis gegen die Erfüllung der übrigen, lichkeit zurückgeben. Dann wird Juda und Israel den Versprechungen und Weissagungen hinsichtlich Is- Rest von Edom erobern und in Besitz nehmen, als raels. Typus der Feinde Gottes, und alles was von den aus- Mehr Licht werfen auf unser Problem die folgenden ländischen Nationen übrig bleibt, über die der Name Prophezeiungen. Bei Jeremias lesen wir (30,3): „Denn Gottes verkündet worden ist". siehe, es kommen Tage, spridit der Herr, da madie ich der Gefangenschaft meines Volkes Israel und Volle exegetische Sicherheit verschafft uns der escha- Juda ein Ende, spricht der Herr, und bringe sie in das tologische Diskurs des Lukasevangeliums, wo Jesus Land zurück, das ich ihren Vätern zum Besitz ver- voraussagt, daß die Juden gefangen weggeschleppt liehen habe, damit sie es in Besitz nehmen". Der werden zu allen Völkern und Jerusalem zertreten Leser denkt vielleicht an die Rückkehr der Juden aus sein wird von den Heiden, bis die Zeiten der Heiden der Gefangenschaft, aber Tatsache ist, daß aus der abgelaufen sind" (Luk. 21, 24). Diese letzte Zeitbe- Gefangensdiaft nut_die zwei Stämme Juda und Ben- stimmung ist zugleich die Zeit der Bekehrung Israels, jamin kehrten, während der Prophet sich audi an die wie uns der hl. Paulus in Röm. 11, 25 sagt, so daß also 10 Stämme Israels wendet, die niemals zurüddceln- diese Bekehrung der Juden irgendwie mit dem Ende ten. Es muß sich also um ein künftiges Ereignis han- ihrer Zerstreuung, das heißt, mit der Wiederher- deln, das in Beziehung steht zur Rettung der Juden. stellung als Volk, verbunden ist. So erklären es audi unter den Modernen P. Päramo Damit sind endgültig die Lösungen derjenigen erle- S.J. und P. Rdboli S.J. in ihren Bibelausgaben von digt, die glauben, daß die Weissagungen hinsichtlich Torres Amat. Vgl. Jer. 23, 3 und 8; Is. 11, 11 ff. der Zukunft Israels sich schon erfüllt haben, sei es in Ezechiel vollendet die Weissagung des Jeremias, in- der elenden Restauration nach der babylonischen dem er seinem Volke nicht nur die Rückkehr, son- Gefangenschaft, sei es in allegorischer Form in der dem audi den dauernden Besitz von Palästina ver- Kirche. kündet. Gott spridit durch den Mund des Propheten: VII. » Siehe, ich nehme das ganze Haus Israel aus der Wird auch Jerusalem und der Tempel wiederher- Mitte der Völker, zu denen sie gewandert sind. Ich gestellt? Das ist eine unnütze Frage. Die Propheten sammle sie von allen Seiten und bringe sie in ihr sagen ebenso die Wiederherstellung Israels als auch Land. Ich will sie erretten aus all ihren Ungesetzlich- Jerusalems voraus. Hören wir nur den Propheten keiten, durch die sie gesündigt haben und sie reini- Isaias: „Uberrasdit wird sein der Mond, erstaunt gen. Sie sollen mein Volk, und ich will ihr Gott audi die Sonne, wenn König ist der Herr der Heere sein ... Sie werden in ihrem Lande wohnen, das ich vom Sionsberge aus, tut er in Jerusalem kund seine schon meinem Knecht Jakob gegeben, und worin ihre Hoheit den Ältesten" (Is. 24, 23). „Ich frohlocke und Väter gewohnt haben. Sie sollen darin wohnen, sie juble über Jerusalems Volk, nicht soll man darin und ihre Söhne, und die Kinder ihrer Söhne bis in mehr hören Weinen und Jammern ... Wie des Bau- Ewigkeit." (Ez. 37, 21.-25). . mes Leben sei das meines Volkes, was da schuf ihre Dasselbe verspricht Gott durch Amos: „In ihrem Hand, sollen sie verbrauchen" (Is. 65, 19-22). „Freut Lande pflanz idi sie ein. Sie sollen dann nimmer ent- mit Jerusalem euch! Bejubelt es alle, die ihr es liebt! rissen werden aus ihrem Land, das idi ihnen gege- Frohlocket mit ihm, ja frohlocket, alle, die ihr be- ben! Der Herr, dein Gott, hat gesprochen". (Am. 9, trauert es habt, auf daß ihr satt euch sauget an sei- 15); Und durch Michäas: „An jenem Tage werde ich nen Brüsten des Trostes, auf daß ihr mit Wonne sammeln das Hinkende, spricht der Herr. Was ver- schlürfet aus seinem Herrlichkeitsborn" (Is. 66, 10 stoßen ist, will ich zusammenbringen, und das, dem bis 11). Auf andere Art sagen dasselbe die übrigen ich Schaden gemacht. Das Hinkende mach ich zum Propheten. Ezediiel zeichnete uns den Plan eines Uberrest, das ermattet ist, zum starken Volk. Der neuen Tempels, der sich bisher nicht bewahrheitet Herr ist ihr König auf dem Sionsberg von jetzt bis in hat (Ez. 40-46). Im Falle de1 Verwirklichung wird Ewigkeit». (Mich. 4, 6-7). er sich in ein Hauptzentrum der Christenheit ver- Zacharias fügt diesem trostreichen Bild einige neue wandeln, vorausgesetzt die Bekehrung des Juden- Züge bei: „Mächtige Völker kommen und starke volkes zum Christusglauben. Nationen, um zu suchen den Herrn der Heerscharen, Bald nach der Wiederherstellung Israels im Lande in Jerusalem, um den Herrn zu besänftigen ... In ihrer Väter, und nach ihrer Einverleibung in den jenen Tagen wird es geschehen, daß 10 Männer aus mystischen Leib Christi, werden die großartigen Pro- jeglichem Heidenvolk den Mantelzipfel eines Juden phezeiungen über die Herrlichkeit Jerusalems sich ergreifen und dabei sagen: Laßt uns mit euch ziehen, vollständig erfüllen. Man lese diesbezüglich den ge- denn wir haben gehört, daß Gott mit euch ist» (Zach. heimnisvollen Psalm 86, wo hierüber so wunderbare 8, 22-23). Dinge stehen, daß man das neue Jerusalem notwen- Wie sollen wir solche staunenswerte Prophezeiun- digerweise als die „geistige Hauptstadt aller Völker" gen erklären? Können wir einfach sagen, daß alles betrachten muß. Vgl. 2, 2-4; 54, 1-3; 60, 3-9; 20 Ez. 37, 28; Am. 9, 11 ff.; Mich. 4, 1 ff.; Ps. 47, 2 ff.; In all dem sehen wir den Finger Gottes. Aber es ist 67, 29 ff.; 86, 4 ff.; 101, 5 ff.; Tob. 13, 11 f. In diesen und noch nicht das Ende. Die Juden, die unter der Fahne vielen anderen Stellen bewundern wir Sion im wei- des Zionismus in das Land Abrahams, Isaaks und ten Licht der messianischen Hoffnungen gebadet und Jakobs einwanderten, gedenken nicht, sich der Kirche von den Völkern aller Nationen und Rassen über- anzuschließen. Ihre Bekehrung zu Christus ist ein flutet, die von Freude jauchzen und Geschenke brin- Geheimnis, und es ist sehr wohl möglich, daß sie sich gen. „Dieselbe göttliche Ehre, sagt Cales, beteiligt nicht so verwirklicht, wie wir es uns träumen. Es sich in der Wiederherstellung Israels. Völker und wird eines der großen Werke sein, die nur Gott tun Könige werden Jahveh fürchten und ehren, wenn sie kann, und wenn er es tut mit der Pädagogik, die er beweisen, daß Er Sion wieder - aufgebaut und seine bisher angewandt hat, dann werden die Juden, und Herrlichkeit entfaltet hat; daß Er das Gebet jener besonders das neue Reidi in Palästina, vielleicht erhört hat, die die Feindesmenge beraubt hatte und durch eine entscheidende Katastrophe gehen müssen, die verloren schienen ohne Hoffnung." die ihnen die Augen öffnet. Diejenigen, die die letzte der 70 Wochen Daniels (Kap. 9) im eschatologischen Sinne nehmen, haben im Dann wird sich bewahrheiten, was der hl. Paulus christlichen Jerusalem und seinem Tempel auch eine sagt: „Wenn ihr Fall Reichtum der Welt, und ihr Bühne für die Missetaten des Antichrist und den End- kleiner Rest Reichtum der Heiden geworden ist, um sieg Christi (2. Thess. 2, 4 und 8; Is. 11, 4). wie viel mehr ihre Vollzahl?» (Röm. 1•, 12). Der Apostel will sagen, daß die Juden, einmal teilhaftig VIII. des Reiches Jesu Christi, der geistige Reichtum der Man hört oft die Frage: Was sagen die Propheten Welt sein werden, vielleicht seine neuen Missionare hinsichtlich der Rückkehr der Juden nach Palästina? in jenen Zeiten der Apostasie, die der hl. Paulus in Nichts verbietet in diesem Ereignis die Erfüllung der 2. Thess. 2, 3 und Christus selbst bei Luk. 18, 8 vor- zitierten Weissagungen zu sehen, wenn auch die aussagt. Wir wagen es nicht in dieses Thema uns volle Erfüllung in Verbindung mit der Bekehrung weiter einzulassen, das in seiner ganzen Tiefe be- Israels steht. trachtet so schwer ist wie die Erklärung der Apoca- Es ist richtig, daß nach dem internationalen Recht lypse. In allem wollen wir das bemerken, mit Bover- . kein Volk den Besitz des Landes, wo seine Vorfahren Cantera (Sagrada Biblia, pag. 996), daß es eine „be- vor zwei- oder dreitausend Jahren wohnten, zurück- gründete Tradition» sei, daß „die Wiederherstellung fordern kann. Was würde aus der Landkarte Europas Israels zur Krönung haben wird die Bekehrung der werden, wenn wir die demographische Ordnung aus Heidenvölker zur wahren Religion". der Zeit Jesu Christi herstellen wollten? Und was würden z. B. die Nordamerikaner sagen, wenn die Wenig behandelte Themen sind auch: die an Israel Rothäute die Gebiete zurückfordern würden, die versprochene Heiligkeit, die Wiederherstellung des heute die Weißen und Neger besitzen? Die Juden Thrones David, die Vereinigung von Israel und Juda. sind das einzige Volk, das nicht der allgemeinen Auf diese Tatsachen bezieht sich vielleicht die ge- Regel unterworfen ist, denn Palästina kommt ihnen heimnisvolle Frage der Apostel am Tage der Him- durch göttliches Recht zu, besser gesagt, durch die melfahrt: „Herr, ist dies die Zeit, in der du das Reich göttliche Barmherzigkeit, die Gott selbst bezeugt in für Israel wiederherstellst?» (Apg. 1, 6). Für viele ist Deut. 9, 4-6. diese Frage so unverständlich, daß sie sie als einen Es ist interessant, daß der Zionismus, der nicht auf Beweis der wenigen Intelligenz der Apostel und religiösen Ideen beruht, sondern auf nationalistischen ihres kleinen Geistes ansehen. Trotzdem sagt die und rassistischen, das Werkzeug zu sein scheint, mit- Schrift, daß Jesus von ihnen nach der Auferstehung tels dessen Gott die Pläne zu verwirklichen beginnt, 40 Tage hindurch gesehen wurde, und er redete mit die er für Israel vorbehalten hat. Und nicht weniger ihnen vom Reiche Gottes (Apg. 1, 3). Fehlte den interessant ist die Tatsache, daß die christlichen Völ- Aposteln wirklich der Geist? Oder ist das nicht vield , ker mittels der zwei Weltkriege beigetragen haben, mehr bei den Kritikern der Fall, die den Juden die die Projekte des Zionismus durchzuführen. In Aner- kommende Herrlichkeit nach ihrer Unterwerfung kennung der Dienste, die die Juden im ersten Welt- unter Christus absprechen wollen? Vgl. Jer. 31, 33 krieg England geleistet haben, richtet 1917 Lord Bald. bis 34; Zach. 8, 22-23; 12, 10; 14,8-11; Apg. 3, 21; four an Rothschild folgende Botschaft: „Die Regie- Apoc. 10, 7. rung S. Majestät sieht mit Zufriedenheit die Aufrich- tung einer Nationalheimat für das jüdische Volk in Die gegenwärtige Arbeit hat nicht die Absicht das Palästina und wird ihre besten Kräfte einsetzen um Judenproblem zu lösen; ihr einziger Zweck ist zu dieses Ziel zu erreichen .. ." Und nach dem 2. Welt- zeigen, daß nach der Hl. Schrift die Juden ein aus- krieg zahlte Nordamerika seine Schuld, indem es die serordentliches Volk sind, das Gott erhält, um seine Juden unterstützte mit seinem enormen Einfluß in Versprechungen zu erfüllen. Wenn sie heute das der Besetzung des größten Teils von Palästina, ein- Land ihrer Vorfahren zurückverlangen und es nach geschlossen den Negev (Edom), so daß das neue und nach besetzen, gehorchen sie, ohne sich darüber Reich der Juden sich von Meer zu Meer erstreckt, Rechenschaft zu geben, der Stimme Gottes, die sie vom Mittelmeer bis zum Golf von Akaba, wie in den von neuem in jenem kleinen Lande zusammenführt, Zeiten Salomons. Sie siegten über sieben arabische um in ihnen das Geheimnis zu vollbringen, das vom Reiche, und ihr nächstes Ziel scheint auch den Rest hl. Paulus und den Propheteri des Alten Bundes vor- des Landes zu erobern, einschließlich der Hauptstadt ausgesagt worden war. Wir wissen nichts über die Jerusalem. Vor dem 1. Weltkrieg gab es in Palä- Art und Weise der Verwirklichung, aber wir sind stina 35 000 Juden, heute ist ihre Zahl mehr als sicher, daß es das staunenswerteste Werk sein wird dreißigmal größer, und in ein paar Jahren dürfte sie zwischen der ersten und zweiten Ankunft Christi, die zweite volle Million erreichen. und wahrscheinlich das Vorspiel der letzteren.

21 5) Jüdischer Gnoftizismus und Chaffidismus

„Man erzählt, daß Rabbi Pindias von Korez, ein- berühmter der Chassidim), war z. B. auch in den ersten Jahrhunder- chassidisdier Heiliger (gest. 1791), Gott Lobpreis und Dank ten nicht vor der Vollendung des 30. Lebensjahrs das Stu- dafür zu zollen pflegte, noch nicht geboren worden zu sein, dium der Ezechiel-Vision des Gottesthrones erlaubt (p. 55). als der Sohar (das „heilige Buda* der Kabbala) der Welt über diesen, die Merkabä, zu grübeln war nämlich die noch unbekannt war; ‚denn der Sohar hat mich derhalten Hauptbeschäftigung jener älteren jüdischen Gnostiker, die bei Jiddischkeil' ... Der Sohar ist vielleicht das klassische vor dem Thronenden selbst ehrfürchtig verstummten Beispiel für jene mythische Reaktion im Herzen des Ju- (p. 57, 69). dentums', welche sein Gnostizismus zum Ausdruck bringt. Im übrigen betrachten sie ihre Erkenntnisse nicht als „Pri- So lesen wir zu Eingang des Sohar-Kapitels in dem großen vatoffenbarung, nur einem selbst in persönlicher Erfahrung Werke des bedeutendsten heutigen Kabbalismus-Erfor- zuteilgeworden. Vielmehr, je reiner und vollendungsnäher schers, G. Schalem, heute Professor in Jerusalem, Les sie ist, desto näher ist sie dem ursprünglichen gemein- grands courants de la mystique juive (Paris 1950, p. 172), samen Erknentnis-Gut der ganzen Menschheit* (p. 34); „die das dem Andenken seines als Hitlers Opfer gefallenen Kabbalisten sind keine Freunde der mystischen Selbstbio- Freundes Walter Benjamin gewidmet ist, jenes abgrün• graphie ... sie rühmen sich objektiver Betrachtungswie- digen Denkers, dessen ,Ursprung des deutschen Trauer- dergabe und sträuben* sich zutiefst dagegen, ihre eigne spiels' und Analyse von „Goethes Wahlverwandtschaften' Persönlichkeit in solche Wiedergabe einzubeziehen" (p. 28); noch heute an der Spitze des philosophisch ernstnehmba- einer der Gründe, warum „die lange Geschichte der jüdi- ren literaturwissenschaftlichen Schrifttums stehen. schen Mystik keine Spur weiblichen Einflusses zeigt" Es ist treffend gesagt worden, daß in diesem Buche nur (p. 50). Ähnlich wie Christus für die gleichzeitigen Byzan- sehr wenig und beiläufig von ‚Mystik' im Sinne einer Lie- tiner, denen wir die Mosaiken verdanken, ist auch für die bes- oder gar Identifikations-Einung mit Gott die Rede sei Merkabä-Mystiker Gott vor allem der Kosmokrator und (Cahiers Sioniens IV, 3, p. 203 ff.); wenn man aber den König (,Basileo-morphismus', p. 68) und der Engel gewor- Titel etwas freier wiedergäbe: ,Die hauptsächlichen Strö- dene Henoch — als Mdtatron-Jahoel — sein Stellvertreter mungen des jüdischen Gnostizismus', dann träfe man das (p. 80 ff.); selbst wenn ein Traktat ,Shiur Koma' (Leibes.» Gebotene sehr genau. Wie wichtig seine Kenntnis für Maß) die Länge und Breite und Höhe und Tiefe des kör- jeden ist, der sich als Christ redlich darum bemüht, seine perlichen Aspekts, der erscheinungshaften Dimensionen herkömmlichen Vorurteile über das Judentum durch des- des En-Sof (des Un-endlichen) in phantastischen Maß- sen wirkliches Verständnis zu ersetzen, dürfte schon der angaben demonstriert, so soll auch damit letzten Endes oben zitierte Ausspruch deutlich machen. Wirft er doch die nur eine Majestät umschrieben werden, die alles für Men- Fragen auf: Was wäre denn Rabbi Pinchas geworden, schen Faßbare übersteigt. (P. 76 ff.; vielleicht bewußter wenn er nicht beim Jüdischsein erhalten worden wäre? Gegensatz gegen dergleichen Apk. 21, 17: „nach Menschen- Aufklärer? Moslem? Christ? — und weiter: Was an der Maß, welches des Engels ist*, wie wir denn überhaupt die Kabbala hat ihn erhalten? Das Mythische? Oder das Zu- Sprache des frühchristlichen Schrifttums in der ständigen rücktreten der Gesetzlichkeit? — Schließlich: Hat es ihn Spannungs-Einheit ihrer Diskussion mit dem apokalypti- wirklich beim Judentum erhalten oder vielleicht bei bloß schen und gnostizistisdien der Juden erst recht verstehen damit verkleideter Mischreligion, — wie etwa die Anthro- lernen.) posophie so manchen in einer ,Christengemeinschaft' er- Nicht so sehr auf diesen Spekulationen freilich, sondern hält, deren Lehre weder der katholisch noch auch der im auf der Deutung des gesetzesgemäßen - Lebenswandels und Sinn des Schriftverstehens der abendländischen Kirchen- der Liturgie des „Synagogen-Jahre? „als Erfülllung eines spaltung evangelisch Gläubige als Gottes Wort gemäß geheimen Ritus bzw. Mysteriums" (p. 42) und — leider — anzuerkennen vermag? auch auf allerlei magischem Mißbrauch beruht die Popula- Bevor eine Antwort auf solche Fragen auch nur angedeu- rität dieses ganzen Gnostizismus (p. 43; vgl. Mt. 12, 27; tet werden kann, muß über den Gedankengang des Buches Apg. 13,6 ff.; 19,13 f.; Kol. 2, 16 ff.; 2. Tim. 3, 6 ff.). „Wenn von Scholem sowie der neuesten einschlägigen Veröffent- man die Schriften der großen Kabbalisten betrachtet, ist lichungen Martin Bubers berichtet werden: ,Die Erzählun- man ständig hin- und hergerissen zwischen Bewunderung gen der Chassidim' (Manesse-Verlag, Zürich 1949) und und Widerwillen. Es ist notwendig, sehr bestimmt zu sein ,Die diassidisdie Botschaft' (Lambert Schneider, Heidel- über diesen Punkt in einer Zeit wie der unsern, wo die berg 1951). Mode der oberflächlichen und unkritischen Verurteilungen I. selbst wichtiger Elemente der Mystik von einer nicht min- Scholem bestimmt einleitend als die Hauptgegenstände, der kritiklosen und unklaren Verherrlichung der Kabbala deren Entwicklung durch zwei Jahrtausende er zu betrach- verdrängt zu werden droht ... Die Philosophie war ge- ten hat, den Kabbalismus (Kabbala: Uberlieferung, meist fährlich nahe daran, den lebendigen Gott zu verlieren; der im Sinne von ,Geheim-Tradition') und den Chassidismus, Kabbalismus, der eben diesen zu behalten sich vorgeetzt jene Frömmigkeitsbewegung, welche vor allem unter den hatte, ja einen neuen und glorreichen Zugang zu ihm zu deutschen Juden im Mittelalter, unter den ostmitteleuro- bahnen, ist auf seinem Wege der Mythologie begegnet päischen im 18. Jahrhundert blühte. und versucht gewesen, sich selbst zu verirren in ihrem Er unterscheidet eine mythische Frühstufe naiver Ver- Labyrinth." (p. 49 f.) trautheit des Menschen mit dem Göttlichen, dann das ‚klassische' Offenbarwerden von Gottes absoluter Trans- Im Mittelalter haben die damaligen deutschen Juden, cendenz (am Sinai!), zuNtzt „die romantische Phase der einige Jahrzehnte nach dem Beginn ihrer grausigen Ver- Religion", die Mystik, die den Abgrund zwischen Gott folgung durch irregeleitete ‚Kreuzfahrer', denen Hierarchie und Mensch zwar nicht leugne, aber überbrücken wolle. und Geistesmänner wie Bernhard von Clairvaux mit wenig „So bedeutet die Mystik bis zu einem gewissen Grade eine Erfolg wehrten, einen ,Chassidismus', d. h. eine Frömmig- Wiedergeburt des mythischen Gedankens, obwohl man keitsbewegung entwidcelt, die viel Verwandtes mit der den Unterschied nicht vernachlässigen darf, welcher zwi- etwa gleichzeitigen franziskanischen zeigt, überhaupt mit schen der noch ungezweiten Einheit und jener Einheit be dem christlichen Mönchtum (pp. 97, 110, 118). Ihre Träger steht, die erst wiedergefunden werden soll in einem Neu- verhalten sich asketisch (in Fragen der Kasteiung und des aufbruch religiösen Erkennens.* (p. 20) Eigentums, nicht der Ehe, pp. 106, 121), demütig und lei- Wo bestritten wird, daß Gott selbst durch seine Mensch- denschaftslos (pp. 107, 110) und fühlen sich zu einem werdung jenen Abgrund überbrückt hat, also für das Ju- Hödistmaß von Nächstenliebe verpflichtet: „Der Fromme dentum (und den Islam), dürften diese drei Stadien durch- beruft sich nicht auf den Buchstaben des Gesetzes, auch aus konstatierbar sein. Genau da demnach, wo im See- wenn es ihm Vorteil brächte* (p. 107). Wieder einmal zeigt lenleben des Christen der (vor allem auch eucharistisch) sich, wie sehr Christi Bergpredigt ‚erfülltes Judentum' ist; gegenwärtige Gott seinen Platz hat, ist in der Seele des wo immer wahrhaft Fromme das Alte Bundes-Buch lesen, Juden die leere Stelle, die nach Möglichkeit auszufüllen kommen sie zu denselben praktischen Konsequenzen. Im die Mystik versucht. Eben darum findet sie stets von übrigen ist — wie bei den mittelalterlichen Christen — neuem im strengen Rabbinismus, der nur das Gesetz kennt auch bei jenen Juden die Erlösungs-Hoffnung mehr eine und in der gnostischen Spekulation vielfache Kurzschluß- solche auf den Himmel geworden denn eine solche auf den gefahren wahrnimmt, ihre Widersacher (die ,Mitnagdim' Jüngsten Tag' als geschichtliche Wendung hienieden (pp. 22 101 ff.). Große Mystiker des Gebets (das dann freilich ser Glorie Befindliches zum Ausdruck bringen läßt." manchmal in magische Beschwörung zu entarten droht pp. (1). 223) 114 ff.), sind diese jüdischen Frommen vor allem von einer Nach dem Sohar ist dies in der Tat möglich in Gestalt der neuen Gewißheit der Allgegenwart und ,Einwohnung' zehn ,Sephiroth', der verschiedenen Aspekte (wo nicht (Schechina) Gottes getragen, die den Merkabä-Gnostikern gar ,Hypostasen') der Gottheit: der ‚Krone' (Keter), der noch ganz fremd gewesen war (pp. 121, 125 ff.); „man Weisheit (Chokmah), der Einsicht (Binah), der Güte (Che- findet sogar Tendenzen zu einer Art Logos-Lehre" (p, 122, sed), der Richter-Macht (Din-Gewurah), des Erbarmens 126 ff.). (Racharnim), der Langmut (Nezach), der Majestät (Chod), Während dieser deutsch-jüdisdie Chassidismus im eignen der Grund-Kraft (Jesod); schließlich der in Israel einwoh- Bereich sehr stark wirkte — wie der spätere polnisch- nenden Königsherrschaft Gottes (Malkuth). „Dies sind die jüdisdie als „Erziehung großer Volksgruppen in einem zehn Sphären der göttlichen Manifestation, in welche Gott Geiste mystischer Moralität" (p. 133) —, nach außen aber aus seinem verborgenen Innenraum hervorgeht; zusam- fast unbeachtet blieb, hat die mittelalterliche spanisch- men bilden sie das ‚geeinte Universum' des Gottes-Le- jüdische Gnosis, der ,Kabbalismus' im engeren Sinne, all- bens, den ,Aeon der Einheit' alma de-Ichuda" p. 229). gemein und dauerhafte Aufmerksamkeit, wenn auch nicht Welche Gefahr einer hypostatisdien Verselbständigung immer Verständnis, wachzurufen vermocht. dieser Aspekte ständig droht, zeigt am besten die — auch sonst wichtige — hauptsächliche Erklärung für das Böse Zu ihren bedeutendsten Vertretern gehört einerseits Abra- in der Welt: • ham Abulafia (geb. in Saragossa um 1240), welcher ein- mal mit dem Papst (Nikolaus III.) 'ins Gespräch zu kommen „Die Totalität der göttlichen Potenzen" (eben der Sephi- versuchte; vielleicht im Sinne der von Moses Nachrnani- roth) „bildet ein harmonisches Ganzes, und solange jede des 1263 bezeugten Uberlieferung: „Wenn die Endzeit von ihnen in Beziehung mit den andern bleibt, ist sie kommt, wird- der Christus auf Gottes Geheiß zum Papst heilig und gut. Das gilt auch für die Qualität der ‚strikten kommen und die Befreiung seines Volkes von ihm erhei- Gerechtigkeit', der Strafmacht und des Gerichts in Gott schen"; aber als Abulafia „die Tore der Stadt durch- und durch Gott, welche doch Grundursache des Ubels ist .. schritt, vernahm er, daß der Papst in der Nacht plötzlich Das Attribut der strafenden Richter-Macht repräsentiert gestorben war, wurde im Franziskaner-Kolleg 28 Tage die große Zornglut, welche in Gott entbrannt ist aber festgehalten, dann freigelassen" (p. 143). Seine Haupt- immer von seinem Erbarmen in Maß gehalten wird. So- leistung lag auf dem Gebiet der mystischen Interpretation bald es aufhört in Maß gehalten zu werden, sobald es und Meditation des hebräischen Alphabets; er selbst maßlos mit äuerster Heftigkeit hervortritt und mit dem findet diese Geistesübung „vergleichbar der Musik; denn Attribut des Erbarmens bricht, dann entfernt es sich von das Ohr hört die Klänge der verschiedenen Lautverbin- Gott und verwandelt sich zugleich radikal in das Böse, in dungen ... und Entsprechendes gilt für die verschiedenen die Hölle und in die finstere Satans-Welt." (p. 253) Kombinationen von Buchstaben" (p. 149). Daß Sprache und Mit Recht weist Scholem darauf hin, daß ganz ähnliche Schrift von den jüdischen Mystikern zum Unterschied von Gedanken sich bei dem berühmten deutschen Theosophen den meisten andern ganz allgemein „eher als wertvolle Jakob Böhme finden. Wenn am Ende des 17. Jahrhunderts Vermittlungsträger denn als unzulängliche Werkzeuge" ein Jünger desselben „Joh. Jak. Spaeth so beeindruckt gewürdigt werden, ist ein bis in die Bibel hinein („A und von dieser erstaunlichen Verwandtschaft mit dem Kabba- 0") zurückverfolgbarer, wohl mit dem klaren Bewußt- lismus war, daß er sogar zum Judentum konvertierte" heitscharakter der Offenbarungsreligion zum Unterschied (p. 254), so ist zu sagen: Dieser Prosetyt Spaeth war nur von allen nebulosen Schwärmereien zusammenhängender, ein Nachfolger der vielen, um deren Seelen der Apostel kennzeichnender Zug (p. 31). Paulus in seinen Briefen mit dem jüdischen Gnostizismus Das Hauptwerk des spanischen Kabbalismus, vielleicht das rang; ein Vorläufer der noch Zahlreicheren, die heute berühmteste aller ‚okkulten Literatur' überhaupt, ist der diesem Gnostizismus zuneigen; ein folgerichtigerer Nach- schon erwähnte ,Sohar'. Sdiolem widmet ein besonders folger und Vorläufer freilich. Er zog die letzte Konsequenz glänzendes, speziell für jeden philologisch Interessierten daraus, daß, wenn man schon das zwiefache Ärgernis geradezu spannendes Kapitel seines Werkes dem Resumd nicht wahrhaben will, daß Gott als Mensch gekreuzigt seines Nadiweises, daß dieses sich als Aufzeichnung von worden, gestorben, erstanden ist und daß er den Aposteln gnostischen Lehrgesprächen Rabbi Simeon ben Jochais aus samt ihren Amts-Nachfolgern seine irdische Stellvertre- dem 2. Jahrhundert in aramäischer Sprache gebende Rie- tung anvertraut hat, ein bloßes seelisches Bedürfnis nach senwerk eine im 13. in diese übersetzte Gedankendich- irgendwelcher Vermittlung zwischen dem Einzigen', Ab- tung des kastilischen Kabbalisten Mose de Leon ist. (Scho- soluten und dem Menschen innerhalb eines sehr weit ge- lem setzt sie in Parallele mit dem ähnlich ins apostolische faßten Judentums genau so gut, wenn nicht noch besser, Zeitalter zurücktransponierten, z. T. sogar tendenzver- befriedigt werden kandals innerhalb eines ‚Christentums', wandten und mindeltens ebenso einflußreichen mystischen das mit dem Doppel-Ärgernis von Kreuz und Kirche sein Werke des sog. ,Pseudo-Dionysius Areopagita' und findet Wesen verleugnet. Denn der objektive Selbstbetrug eines verständnisvolle Worte für die Respektierbarkeit solcher solchen entleerten ‚Christentums — wie subjektiv wohl- — nicht mit zweckhaften Fälächungen zu verwechselnden tuend (und gutgläubig) er auch sei — ist ganz gewiß noch ‚Pseudepigraphena: „Je weiter ein Mensch auf dem gröber als der eines Judentums, das durch die Ersatzbe- eignen Weg der Wahrheitssuche voranschreitet, desto friedigung vermeintlichen Wissens um andere Annahe- tiefer wird er davon überzeugt, daß sein eigner Weg schon rungsweisen des Unnahbaren vom Sinai statt der wirklich von andern in früheren Generationen beschritten worden in Jesu Christi Person von Ihm gewählten „bei Jiddisch- sein muß" p. 220.) keit derhalten" wird. III. ‚Ähnlich wie zur. gleichen Zeit Meister Eckhart von der In der Spätantike selbstvergessene Huldigung vor Gottes Philosophie Thomas v. Aquins ausging und bei mystischen Thron, im Mittelalter trostbringende Einweihung in eine Lehren endete, welche die Grenzen zum Pantheismus tiefe kosmische Sinnhaftigkeit des Lebenswandels nach streiften, wo nicht überschritten, ähnlich kommt Mose de dem Gesetz (und noch über seine Forderungen hinaus) Leon von der streng monotheistischen (und aristotelisdi ist der Kabbalismus in der beginnenden Neuzeit ge- bestimmten) Philosophie Moses' Maimonides her (p. 200) schichtsbestimmende Macht für das Judentum geworden, und endet in einem Gnostizismus, dessen Mythologeme wenn auch in einer verhängnisvollen Weise. Je bedrängter von den alles Weltgeschehen auslösenden und durchdrin- seine Lage gerade in dem Spanien seiner gnostizistischen genden Vorgängen innerhalb der Gottheit „mit der dem Gipfelleistungen wurde, desto mehr verschob sich der Ak- Kabbalisten wie jedem Juden so teuern monotheistischen zent der Spekulationen von der mystischen Kontempla- Lehre zu versöhnen die Hauptaufgabe der Theoretiker die- tion des Ursprungs auf eine apokalyptische Meditation ser Theosophie wurde" (p. 241; ein Lösungsversuch — (ja z. T. magisch-theurgisdie ‚Bedrängung') des Endes aller der verborgene Schöpfergott: das Er; der allem Daseien- Geschichte, bis aus dem Erdenken das Tun, aus der Sehn- den immanent gegenwärtige: das Ich der Gottheit — ist sucht die Erfüllung entsprungen war, aber die Fehlerfül- auf p. 232 skizziert). lung in der Gestalt des falschen, zum Islam abgefallenen Da wo der Merkabä-Mystiker in seiner Vision „nicht Messias Sabbatai Z'wi und des trügerischen, das Gesetz weiter gehen konnte als bis zum Wahrnehmen der Glorie auflösenden statt erfüllenden Messianismus, jenes Sabba- Seiner Gegenwart auf dem Throne, da handelt es sich tianismus, von dem aus der Weg vielfach geradlinig in jetzt darum zu wissen, ob sich etwas im Innenraum die- Aufklärung und Nihilismus führt,

23 Sdiolem hat diese Entwicklung in den beiden dramatisch- sich hier proklamieren zu lassen; sondern nach dem Zeug- sten Kapiteln seines Werkes geschildert, von deren In- nis eines seiner getreuen Verehrer, als er vernahm, clItß haltsfülle wir hier kaum eine sdiwache Andeutung zu ein Erleuchteter, eben Nathan, „sich in Gaza befinde, geben vermögen. Schon unter dem seit Ende des 14. Jahr- welcher jedem die Geheimnisse der eignen Seele ent- hunderts wachsenden Druck der spanischen Reconquista hüllte und den besonderen Tikkun (Restitutionsakt), des- auf das Judentum kam es zu der „erschreckenden Tat- sen seine Seele bedürfe, da brach er seine Mission ab und sache, daß lange vor 1492 einige kabbalistischen Sdirift- begab sich nach Gaza, um einen Tikkun zu finden und den steller dieses Katastrophenjahr für das Jahr der Erlösung Frieden für seine Seele'. „Ich halte', schreibt Scholem, erklärten. Jedenfalls aber brachte 1492 nicht die Erlösung „diesen Satz für den aufschlußreichsten in der ganzen von oben, sondern ein noch grausameres Exil hienieden", Geschichte Sabbatai Z'wis, insofern, da der Bericht von der nämlich die große allgemeine Juden-Austreibung durch Erleuchtung Nathans sich verbreitete, Sabbatai zu ihm Ferdinand und Isabella (p. 263). Auf die gesamte Juden- kam nicht als der Messias oder auf Grund geheimen Ein- heit machte dieses furchtbare Erlebnis ihres geistig weit- verständnisses, sondern ,um den Frieden zu finden für aus am reichsten entwickelten Zweiges einen unauslösch- seine Seele'. Oder noch deutlicher: Er kam als Kranker lichen Eindruck, und speziell „der Kabbalismus erfuhr eine zum Seelenarzt ... er befand sich in einer seiner Norma- totale Umwandlung* (p. 261). In der Schule des wie ein litätsperioden und war beunruhigt von seinen Gesetzes- Heiliger verehrten Isaak Luria von Safed in Galiläa (1534 verletzungen; er suchte Pflege für seine Psychose; und erst bis 1572) wurde das Exils-Schicksal des Gottesvolkes als danach dürfte er durch Nathan von der Glaubwürdigkeit Symbol einer kosmologischen Selbst-Exilierung der Got- seiner eignen messianischen Sendung überzeugt worden tesgegenwart selbst, der Schediina, aufgefaßt. Eine My- sein* — auf Grund von dessen oben geschilderter Vision thologie entstand — verwandt jener von Gnostikern der (p. 313). ersten Jahrhunderte —, welche in groben Zügen etwa Ein völlig unbedeutender kranker Schwärmer — kein besagte: Gott ist ursprünglich absolut alles; er mußte eine einziger bemerkenswerter Ausspruch ist- von ihm über- Art Konzentration (Zimzum), Rückzug in sein eignes In- liefert! —, der sich in. der Manie gelegentlich Gesetzes- nerstes, vornehmen, damit überhaupt ein Leer-Raum (ein Verletzungen (z. B. Aussprechen des Gottesnamens) er- ‚Nichts' für die sinnenhafte Gnostizisten-Phantasie) ent- laubt und mossianische Vollmachten zuschreibt., ohne stand, welcher der dann erfolgenden Schöpfung auch nur gerade darin von irgendwem vor Nathan ernstgenommen von ‚geistigen' (besser: ,aetherischen') ‚Welten' außer- zu werden (p. 307), wird plötzlich diesem kabbalistisch halb der reinen Gottheit Platz gab und worin überdies hochbegabten und als Seelenkünder früh berühmten Vi- Funken (Reschimul des göttlichen Urlichts zurückblieben. sionär als der Messias gezeigt — und findet auf dessen Als nun vollends bei dessen schöpferischer Neu-Ausstrah- Anerkennung hin lawinenartig weitere Anhänger in der lung „die Gefäße zerbrachen', welche die Licht-Fülle nicht gesamten Judenheit, zieht 1665, über die Kritiker früherer fassen konnten, gerieten zahlreiche Funken in „Verscha- Seitensprünge triumphierend, in seiner Vaterstadt Smyrna lungen* (Kilipoth), Überbleibsel einer früheren, mit der ein, bricht im kabbalistisch angekündeten Heilsjahr 1666 Isolierung der Gerichts-Sephira (s. o.!) zusammenhängen- zur Bekehrung des Sultans nach Konstantinopel auf. fällt den Schöpfungs-Phase (p. 284 f.). Diese Funken gilt es stattdessen selbst — unter Todesandrohung genötigt — durch Akte der Wiederherstellung (Tikkun) zu erlösen, ,scheinbar' zürn Islam ab und verliert nicht einmal dadurch wobei die Erlöser-Rolle dem Menschen (p. 291), vor allem die starke und weit verbreitete Kerntruppe seiner z. T. als Beter (p. 295), und der vollendende Schlußakt dem hochintelligenten und bedeutenden Anhänger, die nun Messias zufällt (p. 292). eine ganze ,sabbatianisdie' Heilslehre entwickeln (der an- Diese „wahre Theologia mystica des Judentums" (p. 302) tiken karpokratianisdien Gnosis verwandt, p. 334), wonach und ihre rapide Ausbreitung, „die letzte Bewegung in der der Messias durch die Welt der Sünde, ja des Abfalls Judenheit, deren Einfluß unter ausnahmslos allen Schich- hindurchgehn müsse, um auch die dort verstreuten Funken ten des jüdischen Volkes und in jeder Gegend der Dia- des göttlichen Urlichts daraus heimzuholen. Wie unge- spora der vorwiegende wurde* (p. 304), schuf die ideellen heuer muß die Erlösungssehnsucht des damals gerade Voraussetzungen für die Tragödie des Sabbatianismus. durch ukrainische Verfolgungen wieder besonders hart Ihr wirkliches Opfer war das jüdische Volk als ganzes, gepeinigten Volkes gewesen sein, daß so etwas möglich nicht ihr unheldischer ,Held' und unheiliger ,Heiliger' war; wie tief ausgehöhlt anderseits der Glaube, daß Sabbatai Z'wi (1625-1676.) Kein eigentlicher Scharlatan, bloße talmudisc:he Gesetzlichkeit genüge, um die messia- sondern ein im strengen Sinne Gemütskranker (manisch- nische Wendung endlich einmal herbeizuführen, etwa depressiver Art), ist es nach Sdiolems gründlich belegter wenn ein einziger Sabbat wirklich streng vom ganzen Darstellung „nicht er selbst gewesen, der durch seine Ge- Volke gehalten werden würde!') genwart und ständige Tätigkeit schließlich erreichte, im Sdiolem hat durchaus treffend die äußerlichen Ähnlidi- Verlauf einiger Jahre unter dem Druck der Verfolgung die keilen der messianischen Bewegung um Sabbatai mit der- Bewegung zu gründen, die seinen Namen trägt ... Es ist jenigen um Jesus gezeigt (p 325), aber auch die noch viel vielmehr die Erweckung Nathans von Gaza zu seiner pro- tiefere Unterschiedenheft: „... das Schicksal der beiden phetisdien Mission, welche die ganze Folge der Ereignisse Messiasse ist total verschieden und ebenso die religiösen in Gang setzte* (p. 307); d. h. des Mannes, der „zugleidi Paradoxien. Das Paradox der Kreuzigung und das des Ab- der Johann Baptist und der Paulus des neuen Messias", falls befinden sich letztlich auf zwei ganz verschiedenen der ihn proklamierende Vorläufer und der ihn theologisch Ebenen. Das zweite führte geradenwegs in einen boden- interpretierende Nachfolger, gewesen ist (p. 313). Wie losen Abgrund ... Anders als Jesu Tod hat die entsdiei- ging das zu? Nathan von Gaza (1644-1680) war ein hoch- dende Aktion (oder vielmehr ‚Passion') Sabbatai Z'wis begabter junger Talmud-Schüler, der mit etwa zwanzig keine positive umwälzende neue Wertordnung kodifiziert; Jahren den Schar und einige Schriften Lucias zu studieren 1) Eine Ahnung von beidem vermitteln die so lebendig geschriebenen begann und sich unter deren Einfluß intensiven Buß- ‚Denkwürdigkeiten der Glücke' von Hameln', einer deutsch-jüdischen übungen hingab. Nach einer längeren Fastenzeit „als ich Frau des späten 17. Jahrhunderts, welche zu jener Bewegung mich der Heiligkeit und der Reinheit geweiht und in einen schreibt: "Zu jener Zeit hat man angefangen von S. Z. zu reden. Aber ,wehe uns, daß wir gesündigt' und daß wir es nicht erlebt abgesonderten Raum zurückgezogen hatte, nach dem mor- haben, wie wir es gehört und wie wir es uns fast eingebildet hatten! gendlichen Stillgebet klagte ich laut und flehte, und siehe Wenn ich daran denke. wie damals alte und junge Leute Buße getan ein Hauch hauchte auf mein Antlitz, meine Haare sträub- haben — das ist ja in der ganzen Welt bekannt. 0 Herr der Welt, wie wir gehofft haben. daß du mit deinem Volk Barmherzigkeit üben ten sich, meine Knie wankten, ich schaute die Merkabä, und uns erlösen würdest. da waren wir wie eine Frau. die auf dem ich schaute die göttliche Erscheinung den ganzen Tag und Gebärstuhl sitzt und große Schmerzen und Wehen erleidet ... Alle die ganze Nacht; da bekam ich zu prophezeien eine voll- deine lieben Knechte und Kinder in der ganzen Welt haben sich mit Buße, Gebet und Wohltun sehr abgemüht und dein liebes Volk Israel kommene Prophetie wie nur einer der Propheten mit: ist zwei bis drei Jahre lang auf dein Gebärstuhl gesessen. aber es ist ,Also sprach der Herr und es ward eingeprägt in mein danach nichts als Wind herausgekommen ... Wir wissen wohl. daß Herz mit völliger Gewißheit, auf wen diese Prophetie der Höchste es uns zugesagt hat, und wenn wir von Grund unsres Herzens fromm und nicht so bose waren, so weiß ich gewiß, daß sich ging ... und dieses Ding blieb versiegelt in meinem Gott unser erbarmen würde. Wenn wir doch nur das Gebot hielten: Herzen, bis daß der Erlöser kundward in Gaza und ge- Liebe deinen Nächsten wie dich selbst! Dennoch, lieber Herrgott, zeichnet war mit dem Namen: Messias; erst da ward mir was du uns zugesagt hast, das wirst du königlich und gnädiglich halten. Wenn es sich auch durch unsre Sünden so lange verzögert, so verstattet von dem Engel, bekanntzugeben, was ich ge- werden wir es doch gewiß haben, wenn deine festgesetzte Zeit da ist. schaut, und ward dessen Wahrheit mir bestätigt.* .(p. 418) Darauf wollen wir hoffen und zu dir beten, großer Gott, daß du uns Sabbatai aber war nicht etwa nach Gaze gekommen, um einmal mit der vollkanunenen Erlösung erfreuest." 24 sein Verrat hat nur den alten Wertkodex vernichtet. Und von ostjüdischen Frommen, die mit Israel ben Elieser von so erklärt sich, warum die tiefe Verzauberung, die durch Mesbitsch (1700-1760), dem ‚Meister des guten Namens' die Lehre vom ohnmächtigen und sich den Dämonen preis- (Baalschem-tow), beginnt, einer für uns am ehsten mit gebenden Messias ausgeübt wird, geradenwegs zu nihili- St. Franziskus vergleichbaren Erscheinung, und die etwa stischen Konsequenzen führt, wenn sie ins Extrem ge- in der siebten Generation seiner Schülers-Schüler in ein trieben wird." (p. 326 f.) geistig kaum mehr fruchtbares ‚Wundenebbenturn' ver- Sie wurde wiederholt ins Extrem getrieben, nicht nur sandet. Im Vergleich mit der Material-Darbietung in dem offenkundig durch die Tausende und Abertausende von älteren Sammelband hat Buber nicht nur alles neu gesich- 1687 zum Islam ‚Abtrünnigen' (Dönmeh) im türkischen tet, bereichert und ausgeschieden, sondern vor allem auch Bulgarien, von 1759 zum Christentum Scheinbekehrten in nicht wenige Erzählungen in sich gestrafft und zu einer Ost-Galizien unter dem genialischen Pstudopropheten Ja- Verhaltenheit verdichtet, deren Stärke im geistesasketi- kob Frank (1723-1791); auch unter den offen einbekann- schen Verzicht auf jede ins Nacherzählen hineingetragene ten (p. 330, 335) wie unter den geheimen, den ,Krypto- psychologische oder auch mystiscrie Ausmalung und Deu- Sabbatianern' gab es ausgesprochene Antinomisten: „Der tung des Erzählten besteht. Die neuen Fassungen etwa Einfluß dieser Elemente, die sich nicht offen vom rabbini- der beiden Baalschem-Legenden ‚Der Werwolf' (jetzt: ,Der schen Judentum gelöst hatten, spielte nach der französi- erste Kampf') und ,Der Fürst des Feuers' (jetzt: ,Die Be- schen Revolution eine große Rolle beim Ausreifen der Be- schwörungen') verhalten sich zu der die tiefsten Unter- wegung zur Reform,, Liberalismus und zum rationa- gründe bloßlegenden früheren Wiedergabe ungefähr so, listischen Illuminatentum in zahlreichen jüdischen Krei- wie sich manchmal die knappen Erzählungen des Evange- sen" (p. 322). „Für das anarchische religiöse Empfinden liums zu ihrer ausdeutenden Wiedergabe in Guardinis ,Der dieser neuartigen Juden haben die drei großen institutio- Herr' verhalten. Es wird Leser geben, denen hier Bubers nellen Religionen» (Juden-, Christentum und Islam) „kei- Deutungsverzicht zu weit geht; aber niemand wird bestrei- nen absoluten Wert mehr. Diese Revolution des jüdischen ten können, daß er jetzt erst die Sprache gefunden hat, in Bewußtseins breitete sich allmählich durch jene Gruppen der sich die eigentliche Weitergabe — zum Unterschied aus, die — wie die Mehrzahl der sabbatianischen Juden von der kommentierenden Paraphrase — solchen Uberlie- Deutschlands und der Doppelmonarchie — im Innern der ferungsgutes normalerweise vollzieht. Hier ist der euro- Ghettomauern blieben und fortfuhren, das rabbinische päischen Literatur ein Werk geschenkt, das sich etwa Judentum zu bekennen, es aber heimlich überwunden zu neben den altchristlichen Märtyrerbriefen, den Fioretti haben meinten. Als die französische Revolution ihren und den Prozeß-Akten der Jeanne d'Arc behaupten kann; Gedanken einen politischen Aspekt gab, bedurfte es kei- und der ausgesprochene Absatz-Erfolg des Buches beweist, ner großen Änderung, um sie zu Aposteln einer maßlosen daß auch heute noch mit solcher Literatur ein wirkliches politischen Apokalyptik werden zu lassen. Das Bedürfnis, Bedürfnis befriedigt wird. Daß sich hier der moderne alles Bestehende umzuwälzen, fand seinen Ausdruck nicht Mensch offensichtlich angesprochen fühlt, verpflichtet ge- mehr in verzweifelten Theoremen wie dem von der Hei- rade auch den verantwortungsbewußten 'Christen zu auf- ligkeit der Sünde, sondern nahm eine ganz praktische merksamem Hinhören auf das Gesagte. Wendung mit dem Ziel, das neue Zeitalter zu verkün- Zu diesem gehört nun natürlich auch Bubers jetzt zum digen.» (p. 338) selbständigen Buch ausgeweitete Deutung des Chassidis- Religiös wichtiger aber war, daß sogar in die positive mus ,Die Chassidische Botschaft' (Lambert Schneider, Hei- neue Frömmigkeitsbewegung des östlichen Judentums, in delberg 1951). Es gibt ganze Kapitel darin, bei deren Lek- den Chassidismus, (krypto-)sabbatianisches Gedankengut türe man eine ,Theologie des Neuen Testaments' zu lesen eingeströmt ist, wie Scholem vor allem für dessen Grün- vermeinen könnte, so das siebente über ,Gottesliebe und der, den Baal Schein Tow selbst, nachweist, indem er in Nächstenliebe', wo man immer wieder die Parallel-Aus- dem geheimnisvollen Rabbi Adam Baal Schein, dessen sagen aus dem Evangelium mithört. (Etwa zu: „Die echte Schriften jener geerbt habe (Buber, Erz. 114 ff), den krypto- sittliche Tat wird an Gott getan" — Christi: „.. das habt sabbatianischen R. Heschel Zoref v. Wilna wiederfindet ihr Mir getan"; zu: „Gott verschwendet seine Liebe auch (p. 321, 350 f.), ja sogar eine Uberlieferung kennt, „wo- an den Bösesten .." — der Bergpredigt: „Er läßt seine nach der Baal Schem sich mit großem Enthusiasmus über Sonne aufgehn über Böse und Gute ...» etc. etc.) Wahr- die Schriften Nathans von Gaza geäußert habe» (p. 351). was Gott uns heißt, wird schon aus Seiner Offenba- Bei aller selbstverständlichen deutlichen Unterscheidung rung im Alten Bunde ganz im Sinne Jesu auch vom from- zwischen der sabbatianischen Zersetzungs- und der chassi- men Juden immer wieder herausgelesen werden; nur wer dischen Erweckungsbewegung im Judentum (p. 347 ff., 353) dies Geheiß wahrhaft ganz erfüllt und allen andern anteil- kann doch nicht minder treffend Scholem beide Strömun- haft zu erfüllen dadurch ermöglicht hat, ist die Frage, über gen als — je verschiedenartige — Revolutionen gegen die die sich Christen und Juden erst am Ende einig finden Buchstabengesetzlichkeit verstehn: „Die erste ernsthafte werden. Revolte im nachmittelalterlichen Judentum" nennt er den Was innerhalb der hier noch aufgegebenen Trennung, Sabbatianismus (p. 317), „eine Revolte gegen das Ghetto» nicht vom Sollen sondern vom Sein, nicht ethisch, sondern (p. 326); aber auch den Chassidismus „eine Revolte der ontisch Buber zu diesen Dingen sagt, das wirkt auf den religiösen Energie gegen die Versteinerung der religiösen christlichen Leser oft wie die genaue Hälfte der Wahrheit: Werte" (p. 356). Wenn aber der Sabbatianismus in verblüf- „Gott will zum Werk an der Vollendung der Schöpfung fender Parallele zum antiken Gnostizismus stand, der ja den Menschen brauchen"; ja, indem Er Mensch wird und auch mehr und mehr als ein Zersetzungs- und Selbstver- ihn so brauchbar macht; Gott harrt durch die Heils- fremdungsprodukt des damaligen Judentums erkannt wird, geschichte der Menschen hin „des einen, in dem die uner- dann läßt sich der — in ganz ähnlich letzten Endes ver- läßliche Bewegung von der Kreatur aus ihre entscheidende schiedenartiger und doch vielfach gemeinsamer Front re- Mächtigkeit gewinnt"; ja, bis Er diese Mächtigkeit voltierende — Chassidismus am besten als Parallel-Er- schenkte und das Fiat mihi der Kreatur sich ihr nicht scheinung zum frühen Christentum verstehn; freilich als versagte. eine Art Christentum ohne Christus — und ohne Heiden- Wo von Jesus selbst die Rede ist, da gewinnt der Leser mission. beim Vergleich mit den ,Zwei Glauberisweisen' (s, 10/11. IV. S. 18 ff.) den Eindruck einer gewissen Unsicherheit: War Unter dem Lesepublikum des 20. Jahrhunderts haben wohl deren Jesus-Bild das eines authentischen ,Juden', der nur wenige religionsgeschichtliche Dokumente solchen davor gewarnt hätte, ihn zu vergotten, so ist er jetzt (qualitativ wahrlich wohlverdienten) Erfolg gehabt wie wieder „der erste" einer „automessianischen Reihe" (1928 ,Die Chassidischen Bücher', die Martin Buber zunächst hieß sie noch: automessianistisch), — als wäre das nicht einzeln (ab 1906) und dann in einem Sammelband (bei vielmehr Simon Bar Kochba; der Mann, der der dritten J. Hegner, Hellerau 1928) vorlegte. Aus dieser Publikation Satans-Versuchung (zum Griff nach der Macht) ähnlich sind durch Verselbständigung und Erweiterung der inter- erlegen sein dürfte wie Sabbatai Z'wi der zweiten. (»Stürze pretierenden Vor- und Zwischentexte zum dokumentari- dich hinab", — um von Engeln noch im Sturz behütet zu schen Material inzwischen zwei neue Bücher geworden. werden! Ob noch ein ,Messias' bevorsteht, der aus Steinen .Die Erzählungen der Chassidim' (Zürich 1949, Manesse- Brot machen kann?) Im Grunde muß es begrüßt werden, Verlag) bieten in teils zeitlicher teils regionaler Abfolge wenn so doch auch von Buber anerkannt wird, daß Jesus die Gesamtheit des Buber bemerkenswert erschienenen der war, der die alttestamentlichen bloßen „Vorproben Anekdoten-Materials über Lehre und Handeln jener Reihe der messianischen Gestalt", ihre ‚Typen' sagen wir, hinter 25 sich ließ und als erster — „der unvergleichlich Reinste, verführbare Gewalten entstammen, die in die Sphäre des Rechtmäßigste" in Bubers ,Reihe'l — den Anspruch erho- Übels fallen und als Weltseele das Schicksal des Widdi- ben hat, der nicht verstummen wird. Daß ihn alle hören, spruchs tragen, bis sie wieder aufsteigen dürfen." an die er ergeht, kann er langmütig abwarten. Nicht hierüber deshalb, wohl aber über die Bezogenheit Man wird nun aber wohl bei Buber vermissen, daß er der zwischen dem Gnostizismus bzw. Kabbalismus auf der falschen, gnostizistischen nicht die richtige, unsres Erach- einen und dem Chassidismus auf der andern Seite scheint ' tens biblische Erklärung für die ‚Problematik der Welt' — sich uns nun aber noch ein Wort kritischer Auseinander- angesichts der Offenbarung des Einen als allmächtigen und setzung mit Bubers neuem Buch notwendig zu machen. allgütigen Schöpfers — entgegenstellt: Die Erklärung aus Buber findet am Ende des besonders bedeutenden 5. Ab- der ungeheuern Schwere unsres menschlichen Sündenfalls. schnitts ,Sinnbildliche und sakramentale Existenz' eine Wenn stattdessen Buber gar „letztlich doch jüdischen, zwiefache „Verwahrung, ungeäußert, doch stark in ihrer nicht synkretistischen Ursprungs» solche sabbatianischen Tatsächlichkeit, im Chassidismus gegen die Kabbala", ge- Vorstellungen findet wie die, „daß der Mensch Gott auch gen den Gnostizismus. Der Chassid sei, auch wenn er mit dem bösen Trieb dienen muß", so läßt sich dem ge- ,Kabbala treibt', im Grunde „agnostisch, es geht ihm nicht wiß eine gerade thomistisch gut haltbare Forderung ab- um objektive, formulierbare, schematisierbare Erkenntnis, gewinnen: „Man soll den ‚bösen Trieb', die Leidenschaft in sondern um die vitale, um das biblische ,Erkennen' in der sich nicht ertöten, sondern mit ihr Gott dienen; sie ist die Wechselseitigkeit der Wesensbeziehung zu Gott " (Eben Kraft, die vom Menschen die Richtung empfangen soll"; dieses müßte übrigens vom Neuen Testament her als — aber das heißt ja dann doch. schon: Dem bösen Trieb echte Gnosis anerkannt und vom wesensverkehrten ,Gno- nicht (sabbatianisch-karpokratianisch) als bösem nach- stizismus' unterschieden werden!) Und genau entsprechend geben. sondern seine gute, gottgeschaffene Kraft auf ein verwahre sich der Chassidismus auch „gegen die Magie gutes Ziel richten und ihn ebendadurch als bösen freilich sierung des Mysteriums", gegen das Vörausberechnen- überwinden. An die Frage des eigentlichen, des absoluten wollen ‚wirksamer' Gebetsformeln und. -intentionen etc. Bösen in uns und in Gottes Weltplan ist man damit über- „Gott und der Augenblick sind unvorwißbar .. darum kön- haupt noch nicht herangekommen. (Vgl. aber S. 54 die nen wir uns wohl immer wieder auf die Tat vorbereiten, Besprechung von Bubers neuster, hier weiterführender aber wir können die Tat nicht vorbereiten. Die Substanz Publikation!) der Tat wird uns immer wieder geliefert, vielmehr, sie Bei aller Achtung vor dem heroischen Heiligkeitsstreben wird uns angeboten: durch das, was uns widerfährt, was der Chassidim, bei aller Bewunderung für die tatsächliche uns begegnet, durch alles, was uns begegnet. Alles will vielfache Heiligkeitsbewährung, die Gott auch diesen geheiligt, eingeheiligt werden .. alles wird Sakrament ihren jüdischen getrennten Brüdern — wie so häufig evan- werden." gelischen im fast gleichzeitigen Pietismus (Tersteegen, Zin- Man wird Buber, wenn man den Gesamteindruck der von zendorf u. a.!) — gewährt hat, wird die katholische Chri- ihm zusammengestellten chassidischen Erzählungen auf stenheit die ,chaslidisdie Botschaft' doch noch nicht als voll sich wirken läßt, durchaus zugeben können, daß da ein mit der biblischen Offenbarung, schon des Alten Bundes, Sichlosringen aus Gnostizismus und Magie festzustellen ist übereinstimmend anerkennen können. Auch diese wahr- trotz reichlich davon anhaftenden Eierschalen — deren- sdieinlidi edelste Abart des jüdischen Selbst-Erlösungs- gleichen ja zu allen Zeiten unter allen Völkern der Offen- Irrtums ist nicht frei von der gnostizistischen Ausflucht, barungs-Religion zu schaffen machen. Man wird auch seine die Ursache des ,Weltwiderspruchs', des Bösen, die doch Definition' des Gnostizismus (er sagt: der Gnosis) als ganz in uns liegt — Aefectus gratiae causa prima est ex immer wieder „in einem vom Alten Testament angerühr- nobis" (S. Th. 1-11, 112, 3 ad 2) — irgendwie in s den ein- ten Kulturbereich" vorkommende „Auflehnung gegen es" zigen Guten, in Gott, hineinzudichten und so sein Bild zu akzeptieren: „Sie deutet die Problematik der Welt als eine verfälschen, statt einzusehen, quanti ponderis sit pecca- Problematik der Gottheit: sei es, daß dem guten Gott ein tum, welches Gewicht unsre Sünde hat, die Er Selbst zu- — böses oder nur. schlechtes — negatives Prinzip ent- erst für uns tragen mußte, damit dann auch wir sie über- gegensteht, sei es, daß dein Guten selber brüchige oder winden können.

6) Einiges über den jüdischen Segensfpruch Einer der charakteristischen Züge des jüdischen riechenden Blumendüften, und selbstverständlich bei Frömmigkeitslebens ist die große Vielheit der „Se- der Ausübung einer vorgeschriebenen Gebetshand- genssprüche". Das Leben des Juden — sowohl das lung wie etwa beim Anziehen des Gebetsmantels Alltagsleben wie das Leben in der Synagoge -'- ist oder der Gebetsriemen, und so weiter und so weiter. erfüllt von diesen „Brachet». Wenn der Besucher der. Die Zahl der Segenssprüche, die sich so durch die Synagoge zur Tora „aufgerufen" wird, damit vor verschiedenen Erlebnisse und Verrichtungen des Ta- ihm als feierlich geladenem Zeugen ein Stück aus der ges zusammenfinden, soll mindestens ein Hundert Lehre vorgelesen werde, spricht er vorher und nach- betragen, also ungefähr acht in jeder Stunde des her eine „Brache. Das ganze wache Sein des jüdi- wachen Tages. schen Menschen, vom frühen Morgen, wenn er den Was bedeuten diese Brachot, diese „Segenssprüche»? Segensspruch beim Waschen der Hände spricht, bis Betrachten wir einmal das Wort „Bracha" selbst. Sein zum Schlafengehen, wenn er den Segensspruch Stamm bedeutet ursprünglich „auf die Knie fallen», spricht „Gelobt seist Du, der Du die Seile des Schlafes später dann „Gott preisen und danken'. Hermann Co- auf meine Augen fallen lassest*, ist erfüllt von die- hen sagt in der „Religion der Vernunft aus den Quel- sen Segenssprüchen: beim Brechen des Brotes, beim . len des Judentums": Alle Segenssprüche variieren Trinken, beim Essen einer Frucht, und erst recht beim das eine Motiv der Dankbarkeit. Die Lobpreisungen Genuß einer Frucht, die man in diesem Jahre zum sind Danksagungen». ersten Male ißt, beim Anblick des Regenbogens, des Aber damit ist die Bedeutung der Bracha noch lange Ozeans, bei Blitz, bei Donner, bei der Begegnung mit nicht erschöpft. Der sterbende Jakob segnet seine einem großen Gelehrten, bei der Vorüberfahrt eines Enkel, Manasse und Ephraim, und der Wortlaut die- Staatsoberhauptes, beim ersten Anblick blühender ses Segens (Gen. 48, 15) ist bis zum heutigen Tage Bäume im Frühjahr, beim Anziehen eines neuen Klei- der Segen, die „Bracha", mit welcher der jüdische des, beim Vernehmen einer Todesnachricht, beim Vater bei feierlichen Gelegenheiten, etwa bei der Wiedersehen-mit einem von schwerer Krankheit ge- „Heiligung» des anbrechenden Sabbat seine Söhne nesenen Freunde, ja auch beim Wiederseheit mit „segnet». Was bedeutet hier dieser Segen? Er kann einem Freunde, den man ein Jahr lang nicht gesehen doch nicht bedeuten, daß der Vater den Söhnen hat, bei der Errettung aus Lebensgefahr, bei wohl- „dankt». Es muß also in dem Stamme „Baredi» noch 26 eine andere Bedeutung verborgen sein. Der Vater, men zur Grundlegung der jüdischen Ethik. S. R. welcher „segnend" seine Hände auf den Kopf seiner Hirsch-Festschrift). . Söhne legt, will dem Kinde offenbar etwas verleihen, Dei Sinn der Bracha ist also, daß sie das Tun des schenken, hinzufügen. Indem wir einen Menschen Menschen, sei es auch noch so klein wie das Essen segnen, wollen wir ihm etwas hinzufügen, ihn mit eines Apfels oder das Trinken eines Glases Wein, irgend einer Kraft ausstatten, etwas von uns oder zum Range eines Mitwirkens des Menschen an der durch uns auf ihn überströmen lassen. Sdhr klar wird Realisierung des Göttlichen in der Welt erhebt, zur dieser Gebrauch des Wortes „Bareck", „Segnen", Verwirklichung der „Erlösung" durch Vollendung wenn z. B. am Ende der Schöpfungsgeschichte (Gen. des göttlichen Schöpfungswerkes. Das Irdische — so 2, 3) gesagt wird: „Und Gott segnete den siebenten muß die zugrundeliegende religiöse Vorstellung sein Tag und heiligte ihn"; damit ist offenbar ausgespro- — ist herausgerissen aus Gott, aus seinem göttlichen chen, daß der Segen, welchen der siebente Tag vom Ursprung. Wir verlieren und verlaufen uns unauf- Schöpfer erhält, eben darin besteht, daß der Sabbat hörlich in dem Getriebe des Tages, in den täglichen ein ‚heiliger' Tag wird und damit ausgezeichnet vor Sorgen, und mit uns zusammen entfremdet sich — allen Tagen der Woche. Die jüdischen Erklärer, wel- oder entfremden wir — die Dinge, die uns begegnen che diesen ,Segen' des siebenten Tages erklären, und zugeteilt sind, ihrer göttlichen Wurzel und ma- sind, soweit ich sehe, (Saadja, Nachmanides, Raschi, chen sie zu bloßem gottfremdem „Zeug». Die Bracha Ibn Esra) darin einig, daß dieser ‚Segen' eine ‚Hinzu- mahnt uns an unsern und an der Dinge Ursprung. fügung von Gutem' ist, eine ‚Hinzufügung von gei- Sie ermahnt uns, nicht aufzugehen in dem Getriebe, stiger Kraft', welche der Sabattag durch den Segen erinnert uns daran, daß alles Tun auf der Welt seinen erhalten hat. Wenn an anderer Stelle (Gen. 27, 35 ff.) Sinn nur darin haben kann, mitzuarbeiten an der Isaak dem Esau enthüllt, daß Jakob bereits „deinen Verwirklichung Gottes in der Welt, an der Erlösung. Segen' genommen hat und der betrogene Esau aus- Indem wir über eine irdische Handlung den Segens- ruft: „Besdilichen hat er mich nun schon zweimal. spruch sprechen, reißen wir sie gewissermaßen her- Genommen hat er einst mein Erstlingstum, und jetzt aus aus dem Irdischen und stellen sie wieder an ihren eben hat er noch meinen Segen genommen!» und Ort in der Welt Gottes, geben ihr den ihr ursprüng- wenn er den Vater fragt: „Hast du mir nicht einen lich zukommenden ontologischen Status der Heilig- Segen aufgespart?» (Ubersetzung von Buber-Rosen- keit zurück. Es darf in diesem Zusammenhang dar- zweig), so ist offenbar auch hier der „Segen" nicht auf hingewiesen werden, daß die jüdische Religion etwas Symbolisches, wie der Leser von heute es auf- auch einen Segensspruch vorschreibt für die Befrie- zufassen geneigt ist, sondern eine reale Hinzufügung, digung der tierischen Bedürfnisse des Menschen. um welche Jakob den Esau gebracht hat. Auch sie sind der Heiligung fähig, auch sie, deren Wenn es in den Versen, welche vom Priestersegen wir uns schämen und die wir im Geheimen abtun, sprechen (Num 6), von den Priestern heißt: „sie auch sie gehören zur göttlichen Welt und werden in sollen meinen Namen auf die Söhne Israels setzen, die göttliche Welt wiedereingestellt, indem wir den Ich aber werde sie segnen», so ist es wiederum so, Segensspruch sprechen. Man halte dagegen, was daß die Priester den Segen nur vorbereiten, indem Porphyrius von Plotin überliefert „Plotin pflegte sich sie die Segensformel sprechen, aber den Segen zu zu schämen, daß er in einem Körper lebte". (über die geben, behält sich Gott ausdrücklich vor. Auch hier geistesgeschichtlichen Züsanunenhänge vergl. hiezu: also muß der Segen etwas Reales meinen. • Endre Ivänka, Hellenisches und Christliches im früh- Wenn also „segnen" so etwas bedeuten sollte, wie byzantinischen Geistesleben, 1948, p. 106). Hinzufügung von Kraft oder dergleichen, und nicht Hier, in der jüdischen Auffassung, ist nichts, was das bloße Danksagen, so erhebt sich die Frage, ob seiner Natur nach dem Göttlichen nicht angehörte, diese Bedeutung auch sinnvoll bleibt bei der Bracha, es kann keine Rede davon sein, daß die Stofflichkeit welche wir Menschen sprechen? Können wir im als solche schlecht und schimpflich wäre, und andrer- wahren Sinne segnen? Und dazu Gott segnen? Hat es seits ist alles der Heiligung bedürftig. Daher ist jeder irgendeinen Sinn, daß wir Menschen imstande sein Genuß verboten, über den nicht der Segensspruch sollte% Gott „Kraft hinzuzufügen"? Müssen wir gesprochen wurde. „Rabbi Akiba sagte: es ist dem nicht vielmehr diese Bedeutung des Wortes verges- Menschen verboten, etwas zu verkosten, bevor er sen, wenn wir von unsern kleinen, tagtäglichen ‚Bra- den Segensspruch gesprochen hat» (Talmud, Bradiot chot' sprechen?! Die überall wiederkehrende Formel 35). An derselben Talmudstelle wirft Rabbi Levi die des Segensspruches lautet: „Gesegnet seist Du, unser Frage auf: Es heißt einmal (Psalm 24, 1): „IHM gehört Gott, König der Welt, der Du ... (z. B. schaffst die die Erde und ihre Fülle» und einmal wieder (Psalm Frucht des Weinstocks) ». Soll nun hier — so muß 115, 16): „Die Himmel sind SEINE Himmel und die gefragt werden — das „Gesegnet seist" in seiner Erde gab er den MenschenkindernTM. Diese beiden Bedeutung herabsinken zu einem schattenhaften „Sei Psalmstellen scheinen einander zu widersprechen, bedanktTM, oder haben wir das Recht und vielleicht denn einmal wird die Erde als Erde Gottes und ein- die Pflicht, zu versuchen, an der ursprünglichen Be- mal als Besitz der Menschen bezeichnet. Die Schwie- deutung der ‚Hinzufügung der Kraft' auch da festzu- rigkeit wird dort damit gelöst, daß der erste Vers halten? Ich glaube, daß dies der Fall ist und daß uns sich auf den Zustand bezieht, bevor der Segensspruch hier ein tiefer Aspekt der Religion — mindestens der gesprochen wurde, der zweite Vers auf den Zustand i — entgegentritt. Es ist dem Menschen ge- hernach. Durch den Segensspruch, durch welchen der g eben, mitzuwirken am göttlichen Schöpfungswerk. Mensch sich die Heiligkeit des Materiellen zum Be- Ein jüdischer, sehr strenggläubiger Bibelerklärer wußtsein gebracht und dem Materiellen seine Heilig- unserer Zeit, Jaköb Rosenheim, hat gesagt: „Die keit wiedergegeben hat, wird die Erde sein legitimer Bracha, der Segensspruch, bringt eine ganz neue Be- Besitz. Ohne diesen Segensspruch genossen, befindet ziehung des Menschen zu Gott zum Ausdruck. Der sich das Materielle gewissermaßen in einem falschen Gotteswille will etwas auf Erden, er möchte ein Aggregatzustand, ist sich selbst entfremdet, seiner großes Werk, das in der Zeitenfolge sich entwickelt, Wurzel veruntreut. gedeihen sehen, und eben die bewußte Förderung Daher sagt der Talmud an dieser Stelle (und Maimo- dieses Gotteswerkes auf Erden, die Mitarbeit an der nides nimmt später die Lehre wieder auf): „Wer Realisierung der Gotteszwecke im Kulturprozeß einen Genuß hat, ohne die Bracha zu sprechen, hat heißt: ,Gott segnen'." (Jakob Rosenheim, Aphoris- eine Veruntreuung begangen". Und ebendort: „Es 27 sagte Rabbi Jehuda im Namen Samuels: Wer von gehorchen; er sieht nicht, daß die Natur sich nicht dieser Welt genießt ohne die Bracha, ist, als hätte er darum kümmert, ihn zu befriedigen und seinem Wil- von den (ihm verwehrten) Heiligtümern des Himmels len zu dienen, sondern einem höhern Willen ge- genossen". In unserer Zeit bemerkte Rabbi Kook horcht ... Sein endliches Sein, sein Wille und seine hiezu: „Er gleicht dem Untertan, der sich unterfängt, Befriedigung gehören ihr und nicht ihm, und sie op- das Szepter des Königs in Gebrauch zu nehmen. Hat fert sie in jedem Augenblicke als Opfer an das Gött- er aber die Bracha gesprochen, ist die geistige Seite liche. Durch die - Unwissenheit hievon, deren Siegel im Menschen zu einem riditigen Verständnis erweckt der Egoismus ist, verkehrt die Kreatur das Gesetz worden, dann ist der Mensch selbst erhöht, und die des Opfers. Der Mensch kann in Wirklichkeit nichts ganze Welt steht ihm zu Diensten, und er ist würdig, nehmen als was sie ihm gibt und ihm erlaubt als diese Welt zu genießen in jener Stufe der Wirklich- seinen Teil zu nelunenl. keit, die den Heiligtümern des Himmels gleicht." Zu dieser Bhagavadgitastelle und ihrer Kommentie- In der Bhagavadgita (III, Vers 12) wird in überra- rung durch Sri Aurobindo sei hier noch eine Parallele schendem Parallelismus zur Auffassung des Talmud aus der Bibel hiehergesetzt (Chronik I, Kap. 29, 14): gesagt: „Wer die von den Göttern den Menschen Zum Schlusse seiner Regierungszeit bringt David das gegebenen Gaben genießt, ohne sie (als Opfergaben) große Opfer dar und spricht die Worte: „Von Dir ist den Göttern zurückzugeben, ist wahrlich ein Dieb.' alles und von Deinem Eigenen haben wir Dir gege- „Sri Aurobindo erklärt (Essays an the Gita, 1944, I. ben", wozu wiederum der Talmud (Sprüche der Vä- p. 174) die Stelle folgendermaßen: „Der Mensch sieht ter, Kap. 3) bemerkt: „Gib Ihm von dem Seinen, denn sich selber als Genießer der Werke und stellt sich du und das deine ist Sein". Dies ist der Sinn der vor, daß alles für ihn existiert und daß die Natur Bracha. dazu da sei, ihn zu befriedigen und seinem Willen zu Jerusalem. Hugo Bergmann.

7) Internationale Konferenzen zur chriftlich-jüdifchen Zufammenarbeit

Im Frühjahr und Sommer 1951 haben zwei interna- bung in der des katholischen ,Basler Volksblatt' tionale Konferenzen stattgefunden, die völlig oder (Nr. 118 vom 23. Mai 1951) hier wieder (V. ‚Ringen vorwiegend den aktuellen Problemen der christlich- um Israel'); die darin erwähnte Ansprache des Reli- jüdischen Zusammenarbeit gewidmet waren. gionslehrers der israelitischen Gemeinde Basel, ist Zunächst trafen sich am 19.-21. Mai in Basel die inzwischen im Druck erschienen unter dem Titel: Vertreter der europäischen Arbeitsgruppen, die hier „Die jüdische Auffassung zum Problem der jüdisch- im Ringen um das rechte Freundschafts-Verhältnis christlichen Verständigung" und kann durch den Zen- zwischen Christen und Juden stehn. (Katholischer- tralsekretär ddr Schweizer Arbeitsgemeinschaft, Dr. seits wurde die belgische und die französische Arbeit Hans Ornstein, Zürich 32, Postfach 170, unentgeltlich vor allem durch RP. Paul Ddmann NDS, Brüssel-Pa- bezogen werden. ris, vertreten, die österreichische durch. Privatdozent Am 3.-6. Juli trafen sich sodann als Gäste der ame- Dr. Kurt Schubert, Wien, die schweizerische durch rikanischen ‚National Conference of Christians and Professor Dr. Leonhard Weber, den Beauftragten des Jews & World-Brotherhood' (WB) jüdische, katho- Bischofs von Fribourg Msgr. Charriöre.) Wir geben lische und protestantische Theologen und religiös den Konferenzbericht im wesentlichen in der Fas- aktive Laien individuell (also nicht als Vertreter ir- sung, welche im ,Mitteilungsblatt der christlich-jüdi- gendwelcher Organisationen) in Hattenheim am schen Arbeitsgemeinschaft i. d. Schweiz* (Nr. 6, Sep- Rhein. Darüber berichten wir nach dem Konferenz- tember 1951) erschienen ist (I--IV), den Bericht von, Protokoll und persönlichen Aufzeichnungen mehre- der anläßlich der Konferenz stattgehabten Kundge- rer Teilnehmer.

7a) Die Basler internationale chriftlidi-jüdikhe Konferenz

I. II. Am 19. Mai traten im Vorstehersaal der römisch- Den Berichten über die „Lage" sei folgendes entnom- tatholischen Gemeinde Basel die Vertreter der an men: In Belgien fällt das Problem mit dein Fremden- christlich-jüdischer Zusammenarbeit aktiv interes- problem als solchem zusammen. Ein ausgesprochener sierten Vereinigungen von Belgien, Frankreich, Antisemitismus ist nicht zu beobachten. In Frankreich Großbritannien, Holland, Osterreich, der Schweiz halten in Presse und Literatur antisemitische und und Westdeutschland zu einer zweitägigen Konfe- prosemitische Äußerungen einander die Waage. renz zusammen. Es waren das römisch-katholische, Schwierige Probleme ergeben sich hingegen in Nord- das evangelische und das jüdische Glaubensbekennt- afrika, wo z. B. in Marokko die Juden fast die Hälfte nis vertreten. Auch aus Italien (Florenz) und Ungarn der Stadtbevölkerung bilden. Die, nur in Tunis nicht lagen Berichte vor. Das Programm der Konferenz vorhandene, scharfe gesellschaftliche Trennung zwi- gliederte sich in drei Teile: 1. Berichte über die Lage schen den Gruppen der Araber, Kolonisten und Ju- in den einzelnen Ländern, 2. Tätigkeit in den ein- den begünstigt gegenseitige Fremdheit und Spannun- zelnen Ländern, 3. Möglichkeiten engerer internatio- gen. Immerhin wurden in Algier und Marokko Ver- naler Zusammenarbeit. Es fanden vier Sitzungen einigungen dieser Gruppen auf der Grundlage des statt (am 20. Mai je eine vormittags und nachmit- monotheistischen Gedankens gegründet. In England tags). Die ersten drei Sitzungen leitete der Präsident bestehen, außer in London, soziale Scheidewände, der „Arbeitsgemeinschaft", Prof. E. Bickel, die vierte, es gibt gesellschaftlichen Antisemitismus, der aber in seiner Abwesenheit, Pfr. H. Grolle (Holland). meist latent bleibt und nur in Krisenzeiten sich be-

28 merkbar macht, so während des Palästinakonflikts, und Intellektuelle. Friedhofsschändungen werden im nach dessen Ende eine gewisse Beruhigung eingetre- Osten mit mehrjährigem Zuchthaus bestraft und ten ist. Doch sympathisiert der Durchschnittsenglän- kommen jetzt selten vor. Kein Mitglied der ostdeut- der, aus Romantik oder aus andern Gründen, eher schen Regierung ist jüdisch. In Westdeutschland ha- mit den Arabern. Die faschistische Bewegung Mos- ben die ehemaligen Nationalsozialisten vielfach leys hat ein völliges Fiasko erlitten. In Holland mit Schlüsselstellungen inne und ziehen. dann „ihre" seiner jahrhundertealten „Judenliebe" hat es nie- Leute nach. mals spürbaren Antisemitismus gegeben. Amsterdam Ein Gewährsmann aus Ungarn beklagt sich über die hatte vor dem Krieg unter seinen 500 000 Einwoh- Passivität der Kirchen im Kampfe gegen den nach nern ca. 100 000 Juden, der Humor der Stadt wies wie vor starken Antisemitismus. — Aus Prag wird einen spezifisch jüdischen Zug auf. Der Krieg brachte berichtet, daß auch in der Tschechoslowakei die „Gift- die Holländer den verfolgten Juden besonders nahe; pflanze des Antisemitismus noch immer fortwuchert". man neigte dazu, sie zu idealisieren. Nachher gab es — Hinsichtlich der Schweiz wurde den Konferenzteil- Enttäuschung, als sich zeigte, daß die Juden eben nehmern ein schriftlicher Bericht, deutsch und eng- auch nur Menschen waren ... Bloß etwa ein Fünftel lisch, eingehändigt. der Deportierten kam zurück. Seit der Gründung III. des Staates Israel ist das Interesse der Holländer an den Juden noch gewachsen. Die Presse ist durchweg Christlich-jüdische Arbeit erfolgt in Belgien nur en projüdisch eingestellt. In Italien sind die Beziehun- petit comitö und konfessionell getrennt. In Frank- gen der christlichen Bevölkerung zu den Juden sehr reich hat „L'Amitiö judöo-dirötienne" ihren Sitz in gute, in der Regel wird keinerlei Unterschied ge- Paris, lokale Gruppen in Lille, Aix-les-Bains, Lyon macht, doch hat der Rassismus Spuren zurückgelas- und Marseille. Die Zentrale konnte mangels finan- sen, von denen manchmal Presseäußerungen zeugen. zieller Mittel noch nicht organisiert werden. Doch Kritisch ist die Lage in Osterreich. Bezeichnend schon, wird, vor allem publizistisch und literarisch, viel daß bei Wiedereröffnung des Parlaments der Präsi- gearbeitet, antisemitischen Ausfällen erfolgreich ent- dent, Kunschak, ein alter Lueger-Christlich-Sozialer, gegengetreten, dem Religionsunterricht große Auf- erklärte: „Ich war Antisemit. Ich bin und ich bleibe merksamkeit gewidmet. Auch Studientagungen fin- auch Antisemit." Der Antisemitismus ist hier heute den statt. nicht so sehr ein „rassischer" als ein solcher aus In England stehen die höchsten kirchlichen Würden- Voreingenommenheit, mit jahrzehntealten Wurzeln. träger an der Spitze des „Council of Christians and Die Propagandaparole, mit der die Nationalsozia- JewsTM. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in der listen vor der Annexion 1938 stärkste Anziehungs- Schule und beim Rundfunk. Hinzu kommen periodi- kraft ausübten, war: „Wir sind Antisemiten!" Noch sche Publikationen und Tagungen; wenn nötig, wird nach der Befreiung Osterreichs 1945 suchten sich fallweise interveniert. viele Studenten damit zu rechtfertigen, sie seien der In Holland hat die nationale (reformierte) Kirche Partei der Feinde ihres Staates nur deshalb bei- nach dem Krieg beschlossen, das „Gespräch mit Is- getreten, weil sie halt Antisemiten seien ... Vdr- rael" fortzusetzen, und dafür einen „Rat" geschaffen, urteile und Ressentiments behindern jede Aktion um Gemeinden und Pastoren zu besserer Kenntnis gegen den Antisemitismus. Am-ehesten ansprechbar Israels zu erziehen. Es gibt auch praktische Zusam- sind die religiös-positiven Kreise. „Der Stürmer" menarbeit, z. B. in aktuellen Fragen der Gesetzge- liegt heute noch bei vielen Familien im Regal und bung. Vor kurzem wurde die, wirtschaftlich und man beruft sich darauf. Sogar mit der Ritualmord- kulturell orientierte, Genossenschaft Holland-Isräel legende konnte noch nicht völlig aufgeräumt werden. gegründet. Dagegen vermeidet man den direkten Bei Innsbruck gibt es zur Erinnerung an eine solche Kampf gegen den Antisemitismus, weil man „den „Legende" einen „Judenstein", der sich audi auf Teufel nicht reizen" will.') Ansichtskarten findet, wie sie noch heute verkauft In Italien hält die erst seit kurzem bestehende „Ami- werden. Man will den Wirt, der nebenan sein Gast- cizia ebraico-cristiana" (Florenz) monatliche Zusam- haus betreibt, nicht um sein „Geschäft" bringen ... menkünfte ab und gibt ein gleichnamiges Mittei- Die Salzburger Polizei ist anläßlich von Kundgebun- lungsblatt heraus. Sie schreitet ein, wenn in der gen gegen den neuen Harlan-Film nur zu gerne-ge- Presse oder in Büchern, besonders in Schulbüchern, gen die demonstrierenden Juden mit Gummiknütteln falsche oder tendenziöse Behauptungen über die vorgegangen. Die Presse versagt im allgemeinen, der Juden aufgestellt werden. Klerus verharmlost häufig den Antisemitismus. Die „Kollektivschuld" der Juden an der Kreuzigung Jesu In Deutschland sind im „Koordinierungsrat der Ge- gilt, als „Schuld gegenüber Gott", ungleich schwerer sellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit" als alles, was die Nationalsozialisten den Juden sämtliche westdeutschen Gesellschaften, einschließ- angetan haben . .. lich , vertreten. Ihnen erscheint es für den mo- ralischen Wiederaufbau Deutschlands unbedingt nö- Auf Deutschland trifft die Feststellung Dr. N. Gold- tig, daß sich der deutsche Mensch und die Deutschen manns zu, es sei seit (fast hundert Jahren) immer grundsätzlich mit dieser Frage auseinandersetzen, von machtgierigen Minoritäten beherrscht worden. ausgehend vom Bewußtsein einer „Kollektivscham", Solche stehen auch heute im Hintergrund und erwar- wie Bundespräsident Heuß dies einmal formuliert ten „ihre Stunde". Die besonnen denkenden Kreise hat. Es gibt Versammlungen und Kundgebungen, dar- sind über den wieder erwachenden chauvinistischen über hinaus die praktische Arbeit. Zweicellos exi- Nationalismus tief beunruhigt, auch wenn derselbe stiert auch heute noch in Deutschland ein militanter nicht unbedingt hitlersche Prägung hat. Günstiger Antisemitismus. Er wagt sich noch nicht heraus, wird lauten die Berichte aus West- und Ostberlin, wo es es aber tun, wenn sich Wahlen wie die letzten in. kaum Antisemitismus gibt, zumal die Bevölkerung Niedersachsen wiederholen sollten. Solange die Be- durch die Alltagssorgen derart in Anspruch genom- setzung dauert, kann die weitere Entwicklung nicht men ist, daß sie, soweit ihr dies noch möglich, ihre vorausgesehen werden. Der Kampf um die Auffüh- geistig-seelischen Energien auf das Ost-West-Pro- • Nachträglich wurde bekannt. daß in diesem Frühjahr auch ein ‚Niederländischer Katholischer Rat für Kirche und Israel' im Rah- blem und auf die katastrophale Wirtschaftslage kon- men des St.-Willibrord-Vereins unter der Leitung von HH. Prof. zentriert. Auch braucht man die Juden als Techniker P a u w e l s OP, Zwolle, gegründet worden ist.

29 rung des neuen Harlan-Films hat bewiesen, daß MOTION Kräfte in der einen wie in der andern Richtung tätig zu: sind. Durch verschiedene Publikationen wird ver- Die in Basel vom 19. bis 21. Mai versammelten sucht, das Problem der christlich-jüdischen Beziehun- Vertreter von Gesellschaften für christlich-jüdische gen ungleich tiefer zu erfassen, als je vorher, und Zusammenarbeit aus Belgien, Frankreich, Großbri- besonders auf Pfarrer und Lehrer in diesem Sinne tannien, Holland, Osterreich, der Schweiz und zu wirken. Kompliziert werden diese Bestrebungen Westdeutschland haben festgestellt, daß ihre in durch die schwierige Wiedergutmachungsfrage. In wesentlichen Grundzügen identische Arbeit mög- den lebendigen Kreisen der Kirche gehört die Juden- lichst koordiniert werden sollte. Diese Zusammen- frage zu jenen, die die tiefste Beunruhigung aus- arbeit sollte in absehbarer Zeit die Form einer lösen. Als eines der entscheidenden Probleme für die föderativen übernationalen Organisation anneh- nächste Entwicklung wurde bezeichnet, die zwischen men. Es soll alles versucht werden, mit amerika- 15 und 30 Jahren stehende Generation mit einem nischen Repräsentanten derselben Tendenz, ins- neuen Geist zu erfüllen. besondere der „National Conference of Christians Gerade zu letzterer Frage wurde hinsichtlich Oster- and Jews", ebenfalls in organisatorische Verbin- reichs gesagt, die demokratischen Kräfte hätten in dung auf föderativer Basis, d. h. bei Aufrediterhal- der Nachkriegszeit, wo alle Chancen offen gewesen tung der Autonomie der einzelnen Gesellschaften, seien, versagt. Infolgedessen seien viele Menschen, zu kommen. Ein europäisches Zentralsekretariat besonders jüngere, zum nationalsozialistischen „Ge- bliebe auch dann wünschbar und anzustreben, dankengut' zurückgekehrt. Nach der Befreiung wenn eine über den europäischen Rahmen hinaus- Osterreichs wurde hier die „Osterreichisch-israeli- reichende internationale Organisation zustande- sche Kulturgesellschaft" gegründet, die nicht nur den kommen sollte. Antisemitismus, sondern jeden „Ideologismus" be- Auf Wunsch der Konferenzteilnehmer erklärte sich kämpft. Ohne feste Organisation und Finanzen, das Zentralsekretariat der Schweizer ,,Arbeitsge- kennt sie nur mitarbeitende Mitglieder. Diese haben meinschafts bereit, bis auf weiteres als internationa- verschiedentlich wichtige Positionen im geistigen und les Informations- und Austauschzentrum zu dienen. politischen Leben inne. Die Gesellschaft ist über- Die Konferenz stellte schließlich mit Besorgnis und parteilich, mit Ausschluß des „Verbandes der Unab- Erschütterung fest, daß das erst vor kurzem in Kraft hängigen', der bekanntlich nationalistische Ten- getretene internationale Abkommen gegen den Ge- denzen hat. Zentren der Arbeit sind in Wien und nocid (Gruppenverfolgung und -ausrottung) durch Innsbruck. Es werden, vor allem in Wien, Vorträge die jüngsten Gewaltmaßnahmen gegen die ungefähr und Konzerte veranstaltet, Filme vorgeführt. Be- 100 000 Personen zählende Judenschaft des Irak in hördlichen Schwierigkeiten, die sich ergaben, wurde flagranter Weise verletzt worden sei. mit Erfolg begegnet. In der Übersicht über die Tätigkeit der Schweizer V. Ringen um Israel Arbeitsgemeinschaft wurde betont, sie sei bemüht, Als Gäste der RKG Basel durfte ihr Delegierter im die Problematik in ihren religiösen und psychologi- Arbeitsausschuß der hiesigen Gruppe der „Christ- schen Tiefen zu ergründen. Nicht nur intellektuelle lich-jüdischen Arbeitsgemeinschaft in der Schweiz", Vorurteile werden bekämpft, sondern auch tiefwur- Professor Dr. Karl Thieme, im schönen Vorstehersaal zelnde, im Volke traditionelle Phantasievorstel- am Oberen Rheinweg die Vertreter von sieben sol- lungen. chen Arbeitsgemeinschaften begrüßen, die zur Be- IV. sprechung der Situation und der Zusammenarbeit Sehr lebhaft verlief die Diskussion über Notwendig- zwischen Christen und Juden in ihren verschiedenen keit, Wege und Möglichkeiten einer engeren inter; Ländern vom 19. bis 21. Mai versammelt waren. nationalen Zusammenarbeit. Zunächst wurde fest- Der Offentlichkeit gaben die Veranstalter von Grund gestellt, daß allgemein der Austausch von Literatur und Sinn ihrer Bestrebungen Rechenschaft im Rah- und Erfahrungen sowie gegenseitige Besuche von men einer trikonfessionellen Kundgebung im Oko- Referenten, ferner häufigere internationale Zusam- lampadhaus. menkünfte gewünscht werden. Sodann gelangt das Verhältnis der an der Konferenz vertretenen Organi- sationen zu der von der amerikanischen „National Der evangelische Christ aus Holland, Conference of Christians and Jews" gegründeten Pfarrer Grolle, Utrecht, erzählte von der neuen Ge- „Weltbrüderlidikeits-Bewegung" (WB) zur Bespre- sprächssituation, die entstanden ist, als Zehntau- chung. Die WB hatte es als „unmöglich" abgelehnt, sende von holländischen Juden in christlichen Fami- an die Basler Konferenz Vertreter zu schicken, ob- lien vor ihren Verfolgern verborgen wurden und wohl ihr speziell dieses Verhandlungsthema vorher beide Teile feststellten, daß sie von einander bisher ausdrücklich bekanntgegeben worden war. Die Kon- nur Karikaturen gekannt hatten. Dadurch sei nun ferenzteilnehmer waren sich darin einig, daß das eine neue Besinnung auf die einschlägige Verkündi- bisherige Konzept der WB keine geeignete Grund- gung des Gotteswortes ausgelöst worden. Im Sinne lage für die internationale Propagierung der christ- des Textes vom 12jährigen Jesus im Tempel, der den lich-jüdischen Bestrebungen darstellt. Auch das or- Vertretern der Väter-Überlieferungen zunächst ein- ganisatorische Vorgehen der WB wurde scharf kriti- mal zuhört (Luk. 2, 46) und auf ihre Fragen antwor- tisiert. Man einigte sich dahin, anläßlich der anfangs tet (Luk. 2, 47), müsse auch der Christ zunächst ein- Juli in Hattenheim (Deutschland) stattfindenden Ta- mal hören lernen, was Gottes Offenbarung an das gung der „religiösen Sektion" der WB dieser bzw. Alte Bundesvolk besagt, und dann Antwort auf die der „National Conference" die Chance zu bieten, unermüdlichen Fragen des Juden finden. Auf die durch entsprechende Korrektur ihres bisherigen Kon- Frage nach der Einheit, die das Volk des einen zepts eine loyale Zusammenarbeit mit den europä- Herrn und Gottes zu seiner Schande verloren habe. ischen• christlich-jüdischen Vereinigungen anzubah- Auf die Frage nach der Wirklichkeit, der praktischen nen, widrigenfalls diese Vereinigungen nach ihren Bewährung, die der Jude an den sich erlöst Erklären- eigenen Plänen vorgehen würden. Die Konferenz den so häufig vermisse; auf die nach der Zukunft, stimmte hierauf einmütig nachstehender das Offenbarwerden der bisher noch verborgenen

30 Welterlösung durch den Gekreuzigten und Erstan- Der jüdische Religionslehrer von Basel, denen. „Die Juden haben uns gegenüber fast immer Herr I. Werczberger, sprach von dem Gefühl einer recht; nur Gott gegenüber haben sie unrecht — wie allgemeinen Unterlassungsmitschuld an der europä- wir vollends." ischen Katastrophe des letzten Menschenalters und der Notwendigkeit, im Sinne des alttestamentlichen Der katholische Christ aus Deutschland, Gottesgebots, den „Nächsten" und den „Fremden" zu lieben „wie sich selbst" (Lev. 19, 18. 34!), das Karlheinz Schmidthüs, Herausgeber der Freiburger heißt wie es auch die katholische Ausgabe von Rieß- "Herder-Korrespondenz" und Mitglied des Zentral- ler erläutert als seinesgleichen, als „Gottes Eben- komitees der deutschen Katholikentage, berichtete bild" und als irrtumfähigen sündigen Menschen, wie von deren Stellungnahmen zu christlich-jüdischen wir es alle sind. Problemen: dem Bekenntnis der Schuld von Mainz Professor H. van Oyen, der Vorsitzende der Basler 1948, dem Bekenntnis zur Wiedergutmachung von Gruppe, unterstrich in seinem Schlußwort, daß hier Bochum 1949 und dem Bekenntnis zu den geistlichen als schuldige Menschen vor dem gnädigen Gott wir Gütern, die gerade wir katholischen Christen Israel alle uns zusammenfinden, evangelische mit katholi- (im. Sinne von Römer 15, 27) verdanken, wie es auf schen Christen und beide mit jenen Juden, aus deren der vorbereitenden Studientagung für den Passauer bestem Uberlieferungserbe heraus hier gesprochen Katholikentag 1950 Universitätsprofessor Dr. J. M. worden war. Vielleicht verstehe man beim Anhören Nielen, Frankfurt, abgelegt hat. Die vorgesehene solchen Gesprächs, warum wir uns zunächst einmal Wiederholung seines dortigen Referates war leider in dieser Form mit ihnen zu begegnen für richtig durch eine in letzter Stunde dazwischengekommene hielten und das Zeugnis der Tat und des Daseins anderweitige Verpflichtung des Referenten verhin- für dringlicher hielten, als das des missionierenden dert worden. Um so aktueller war dafür das Zeugnis Wortes, bevor ein solches verständnisvoll sein und Dr. Schmidhüs' von der Gewissensprüfung deutscher verstanden werden kann. Katholiken, die sich fragen: „Wie war es möglich, Daß mit alledem nicht der leiseste Kompromiß in daß die Christen das furchtbare Schicksal der Juden Glaubensfragen oder die geringste indifferentistische in unserem Lande relativ uninteressiert ansahen?" Gleichgültigkeit gegenüber den tiefen Lehrunter- „Weil", so antwortete der Referent, „auch unter schieden der vertretenen Religionsgemeinschaften ihnen kein aktiver, aber ein latenter Antisemitismus beabsichtigt ist, dafür — so sagte der Vorsitzende vorhanden war; als Heiden-Christen wohnte auch der Schweizer Arbeitsgemeinschaft, Professor Bickel, ihnen oft noch der urheidnische Instinkt der Abnei- Zürich ETH, — „ist wohl der beste Beweis, daß wir gung gegen das Volk inne, welches Gott so ausge- als Protestanten und als Juden gerade die Gast- sondert hat, daß es sich nicht ‚gleichschalten' könnte, freundschaft der Römisch-katholischen Gemeinde Ba- selbst wo- es wollte." sel mit dankbarer Freude angenommen haben".

7b) Die Hattenheimer „Konferenz Internationaler Perrönlichkeiten des religiösen Lebens"

Dr. Everett R. Clinchy, Präsident der World Brother- dem Juden Trypho im 2. Jahrhundert hin; dann auf hood (WB), eröffnete die Konferenz mit einer An- die stets vergleichsweise bessere Behandlung der sprache über Ziele, Methoden und Aufbau der WB, Juden im päpstlichen Rom, wie sie etwa Rabbi Benja- wobei er die Wichtigkeit der „Kommission für Reli- min von Tudela zu rühmen hatte (im 12. Jhdt.). Das giöse Organisationen, die wir auf dieser Hattenhei- brüderliche Verhalten sei natürlich auch den andern mer Konferenz bilden und fördern sollen,» stärkstens ‚getrennten Brüdern' gegenüber in dem Sinne ver- unterstrich. pflichtend, wie es Jesus Christus den Samaritanern Sinn und Zweck der WB sei es, Ehrfurcht vor Gott, und den ‚Zöllnern und Sündern' gegenüber uns vor- Liebe zu ihm und Liebe zu den Mitmenschen zu gelebt habe, ohne Kompromiß in Glaubens- und Sit- wecken. Gerade weil wir als Juden, Katholiken und tenfragen, aber in echter aufgeschlossener Mit- Protestanten in unserm Glauben nicht übereinstimm- menschlichkeit. Durch die Anerkennung der echten ten, hätten wir uns in der WB zusammengefunden, religiös-sittlichen Werte auch im Judentum von um positiv und konstruktiv in Gerechtigkeit, Freund- christlicher Seite vervollständige sich die Auswir- schaft, Liebe und Brüderlichkeit als Kinder Gottes kung des ökumenischen Geistes; sie falle sogar leich- zusammenzuarbeiten. Ziel der WB sei es, Brüderlich- ter als die Anerkennung der Verbundenheit auch mit keit in allen Teilen der Erde zu wecken." den von der katholischen Kirche abgespaltenen Ge- ‚Brüderlichkeit in jüdischer und christlicher Sicht meinschaften, insofern die Juden zu dieser Kirche nie und Tradition' war dann das erste Tagungs-Thema. gehörten. Feldrabbiner Henry Tavel führte dazu aus, das Wort Professor Günther Harder, Berlin, ging vom bibli- ,Bruder' (Ach) habe zunächst eine Sinnerweiterung schen Befund aus, worin der Brudermord Kains am zu ‚Volksgenosse, Freund, Kamerad', dann eine sol- Anfang der ‚brüderlichen Beziehungen' des gefal- che zu ‚Mitmensch' erfahren. Die ‚Bruderschaft der lenen Menschen steht. In ‚Unterwegs' (V. 4, S. 238) Menschen' solle heilig sein in Nachahmung der Hei- hat H. sein Referat folgendermaßen zusammenge- ligkeit Gottes (Lev. 19, 2. 18. 34). Auch im Sinne der faßt: ,Die Bruderschaft der Menschen ist grundsätz- Propheten sei die Befolgung des Bruderschafts-Ge- lich zerstört. Menschliche Versuche, sie wiederherzu- bots eine sittliche Pflicht, deren universelle Anwen- stellen, führen nur zu dämonischen Zerrbildern der dung demgemäß von den Rabbinern gelehrt werde. Bruderschaft. Verbrüderung aller Menschen ist nicht Professor Jean Dani6lou, Paris, konzentrierte seine das göttliche Ziel der innerweltlichen Geschichte. Betrachtung bewußt auf die christlich-jüdischen Be- Bruderschaft ist ein von Gott neu, und zwar in Chri- ziehungen und wies zunächst auf das noch beinahe stus neu gesetztes esdiatologisches Ereignis. Seine herzlich zu nennende Gespräch Justinus Martyrs mit besondere Würde hat das Brudersein des Bruders 31 nicht in seiner menschlichen Qualität, sondern allein Gemeinschaft, wie weit sie schon innerhalb ihres darin, daß Christus für ihn gestorben ist. Jeden Au- Lebens- und Wirkungsbereichs alle Möglich- genblick ist die neue Bruderschaft gefährdet und an- keiten erschöpft habe, Brüderlichkeit in Lehre und gefochten, jeden Augenblick wird sie von der Sünde Leben zu verwirklichen. Von den einzelnen Grup- zerstört. Aber in jedem Augenblick bußfertigen Glau- pen sei zu fordern, jene Lehren heute besonders zu bens wird sie in der Erfahrung der Vergebung und entfalten, die sich innerhalb ihrer eignen Voraus- in dem Weiterschenken dieser Vergebung wieder- setzungen auf die echte Begegnung mit den Ange- hergestellt ... Gottes Ziel ist, diese neue Bruder- hörigen andrer Gruppen (bzw. ‚Andersgläubigen' schaft zu verwirklichen, deren Kehrseite das Geschie- verschiedner Arten) beziehen. Dabei stelle sich so- densein von der Welt und den Menschen ist." gleich das Problem der Gemeinschaftsarbeit. Oft sei es besser, zunächst einmal einzelne konfessionelle ,Die Tragödie der gegenseitigen Feindschaft', das Gruppen unter sich zusammenkommen zu lassen, um zweite Tagungsthema behandelte zunächst der — in sich über die rechte Art der Begegnung mit den letzter Stunde für einen verhinderten Referenten Nichtdazugehörigen klar zu werden, als gleich alle eingesprungene — Pariser Rabbiner Andr6 Zaoui, Gruppen auf einmal zusammenzuführen. Für die der als verbindende Brücke zwischen dem Christus- praktische Zusammenarbeit, wie sie die Bevölke- glauben der Christen und der Thora-Treue der Juden rungsverschiebungen der letzten Jahrzehnte und das beiden gemeinsame Gebot der unbedingten Jahre uns gebieterisch aufzwingen, wäre wichtig, Gottes- und Nächstenliebe herausstellte, das uns zur zunächst die Hauptirrtümer der ,Fachleute', der Uberwindung der historisch verständlichen Affekte durchschnittlichen Priester, der durchschnittlichen gegeneinander verpflichte. Laien usw. in allen beteiligten Gruppen zu erken- Professor Wilhelm Neu ß, Bonn, entwickelte in einem nen und zusammenzufassen, damit einschlägige Ge- überaus gründlichen und klärenden Vortrag sehr spräche auch tatsächlich auf die vorhandenen, nur ähnliche Gedanken, wie sie sein Aufsatz ,Die Kirche nicht immer klar herauskommenden Fragen eingehn und das Judentum in der Geschichte' in ‚Beiträge zur können. Echte und unechte Gegensätze müssen wir christlichen Betrachtung der Judenfrage' enthält. klar auseinanderhalten lernen, bes. die echt und die (Vgl. die Besprechung S. 53!) nur scheinbar religiösen, welche in Wahrheit poli- tisch oder sozial sein mögen. Auch dürfen nicht im- Professor Ernst Wolf, Göttingen, überprüfte mit red- mer alle überhaupt vorhandenen Kontrovers-Fragen licher Kritik die Haltung Luthers und Stoeckers zur erörtert werden, sondern die uns jetzt und hier von Judenfrage. Für Luther sei das Judentum die Ver- unsrer Lage her gestellten, jetzt in Deutschland wohl tretung der nichtchristlichen Religiosität schlechthin diese drei: als ,Religion der Werke und des Gesetzes' gewesen; seine Lage habe er als Folge des Zornes Gottes an- 1. Wurzelhafte Uberwindung des geschehenen Un- gesehn und,- hier von der ‚scharfen Barmherzigkeit rechts am Jüdischen Volke; Gottes' gesprochen. Dieser Zorn-Begriff habe die 2. Bekämpfung des ständig wachsenden religiösen Missionsarbeit überschattet, ohne sie freilich ganz Indifferentismus; - aufzuheben. Zwischen Luthers Hoffnung, die Juden 3. Rechte religiöse Werbung (als letztes, sehr ern- zu gewinnen, und seiner — vom mittelalterlichen stes Problem). Gedanken einer politisch geeinten Christenheit (cor- pus diristianum) mitbestimmten affektiven Abwehr- Neben den Referenten, unter denen noch Rabbiner haltung gegen ihren Unglauben bestehe ein Wider- Freier, Berlin, mit einer nachdrücklichen Warnung spruch, den wir nicht beschönigen und noch weniger vor der Bibel-Kritik als Aushöhlung auch des o:tho- nachvollziehen dürften. Uns und der Kirche sei das doxen Judentums, und Professor Adolf Keller, Zü- Geheimnis Israels und des nachbiblischen Judentums rich, mit einem ernsten Appell in Richtuna: Praxis, heute anders aufgegangen. Wir hätten sehen gelernt, nicht bloß Theorie! — zu erwähnen sind, kamen daß die Treue Gottes das Fundament auch noch der zahlreiche Diskussionsredner zu Wort. Wegen der Glaubenstreue des Judentums auf seine Weise sei; Bedeutung für das Hauptthema der Tagung ‚Brüder- denn die Treüe Gottes gebe der Kirche Raum zu lichkeit' meinen wir, den Vorschlag von Professor Selbstbesinnung, Reue und Umkehr, indem sie noch Karl Thieme, Basel, wiedergeben zu sollen, daß Israel an seinem alten Glauben festhalten lasse streng auseinanderzuhalten seien: (Röm. 9-11), dem wir nicht mit vermeintlich über- 1. Brüder als durch im wesentlichen gleichartiges legenem Missionieren', sondern im redlichen Ringen Verständnis der Gottesoffenbarung Verbrüderte (z.B. um die Wahrheit gegenüberzutreten hätten. — Tief katholische Christen untereinander, orthodoxe Ju- unterhalb dessen bewege sich, das Denken Stoeckers. den untereinander etc.); Bei ihm lägen konservativ-romantische Motive vor, das Ideal des Volksstaats, der auf der Volkskirche 2. „getrennte Brüder' als in Wesentlichem die Offen- basiert; diese Tendenzen seien bis heute grundle- barung verschieden Verstehende und doch auf die gend für den Antisemitismus des deutschen Mittel- verheißene Wiedervereinigung hin unlöslich Ver- stands geblieben, und gegen sie müsse Schritt für bundene (z. B. Christen und Juden miteinander); Schritt in die Praxis umgesetzt werden, was vom Bruderrat (1948) und der Evangelischen Synode 3. „Mitmenschen" als solche, denen die Gläubigen (Berlin 1950) als für die Kirche verbindlich ausge- das Zeugnis der „Menschenliebe Gottes" (Tit. 3, 4) in sprochen wurde. Wort und Werk schulden, um so dringlicher, je ge- fährdeter die betreffenden bloß „potentiellen Brüder" Die weiteren Referate galten den katholisch-prote- durch Irrtum und Sünde sein mögen (z. B. Kommu- stantischen Beziehungen, wozu vor allem Prof. van nisten). de Pol, Nymwegen, klar und nüchtern referierte, • • sowie den interkonfessionellen Möglichkeiten und Während die Klärung der Prinzipien durch Referate Verpflichtungen für die Zukunft. und Diskussion nicht unerheblich gefördert wurde, waren auf organisatorischem Gebiet die Entschei- Professor Hans Hirschmann, Frankfurt-St. Georgen, dungen der Konferenz von der größten Behutsam- unterstrich, es sei die erste Gewissensfrage für jede keit. 32 Es herrschte Ubereinstimmung, daß die im Jahre werden müsse. Eine direkte Antwort auf die Frage 1950 in Straßburg und jetzt in Hattenheim geleistete der Basler Konferenz konnte also nicht erteilt wer- Arbeit weitergeführt und die Verbindung mit den den. Inzwischen wird die organisatorische Vorberei- dort versammelten Persönlidikeiten aufrecht erhal- tung der weiteren Arbeit von den der WB ange- ten werden soll, so daß ihr Beitrag für die kommende schlossenen europäischen Gruppen (Italien, Spanien, Arbeit der WB nutzbar gemacht werden könne. Die Luxemburg) in Zusammenarbeit mit der Europaab- organisatorischen Fragen erschienen jedoch noch so teilung der WB getragen werden. ungeklärt, daß ihre weitere Entwicklung abgewartet

8) Echo und Aussprache

8a) Drei Zuschriften, die uns verpflichten Bedeutung des ‚liberalen' bzw. ,Reform-Judentums' unter 1. Schreiben des Kapitelsvikars Dr. Ferdinand Piontek in religiösem Gesichtspunkt. Dazu sei uns eine Vorbemer- Görlitz vom 23. 4. 1951: kung gestattet: .... Mit großer Teilnahme und steigender Ergriffenheit Die Unterscheidung zwischen ‚Orthodoxen' und ‚Liberalen' habe ich von den Aufsätzen in den von Ihnen heraus- ist ursprünglich auf dem Boden der Christenheit erwach- gegebenen „Beiträgen zur christlichen Betrachtung der sen: Die sich strenger an das ihnen überlieferte Bekennt- Judenfrage" (s. u. S. 531) Kenntnis genommen. Es war mir nis (bzw. Dogma) halten, heißen ortho-dox, rechtgläubig; eine rechte Gewissenserforschung, für die ich dankbar die ihm freier, ungebundner, kritischer gegenüberstehen, bin. Gerne werde ich mich bemühen, die Erkenntnisse heißen liberal„freisinnig'. Für das Judentum nun ist zu- und Anregungen weiterzugeben, damit sie Frucht tragen. nächst wichtiger als die gläubig anerkannte Lehre die Wollen Sie bitte auch meines helfenden Gebetes sicher tätig befolgte Weisung (die Thora, das Gesetz), so daß sein: was Mark. 9, 29. geschrieben steht, gilt auch hier. man hier besser von Orthopraxie bzw. von ‚gesetzes- Mit den herzlichsten Wünschen für Ihr mutiges Streben .. , treuen Juden' für jene spricht, die sich noch heute an die tradierte talmudische Auslegung des Gottesgesetzes vom Dr. Ferdinand Piontek, Kapitelsvikar. Sinai gebunden erachten. Faktisch pflegen dieselben aller- 2. Der Europa - Direktor des „American Jewish Com- dings audi meinungsmäßig ‚orthodoxer' zu sein, sich z. B. mitteel, Zachariah Shuster, Paris, schreibt vom 28. 11. 1951: in ihrer Auffassung der Heilsgeschichte strenger an den 1951: biblischen Buchstaben gebunden zu erachten, so daß aus „... Nehmen Sie bitte den Ausdruck meiner tiefsten Wert- ihren Kreisen sogar Papst Pius XII. eines übertriebenen schätzung für Ihre hervorragende Pionier-Arbeit zu- Liberalismus wegen seiner Unterscheidung zwischen der gunsten der Menschlichkeit und Brüderlichkeit ent- literarischen Form der ersten 11 Genesis-Kapitel und der gegen. - eigentlichen biblischen Geschichtswiedergabe bezichtigt In vergangener Woche besuchte ich Bonn und wohnte der wurde. Sitzung des Bundestages bei, als Bundeskanzler Adenauer Es liegt nun nahe, daß gerade der katholische Christ, der seine Erklärung über die deutsche Haltung gegenüber den selbst auf Rechtgläubigkeit Wert legt, sich-darin dem ge- Juden abgab. Hoffen wir, daß dies der erste Schritt einer setzestreuen Juden besonders verwandt fühlt, während es allmählichen Verständigung zwischen Deutschen und Ju- ihm zunächst schwer fällt, den jüdischen Liberalen von den wird und daß beide gemeinsam für einen Weg arbei- demjenigen ,Liberalisten' zu unterscheiden, dessengleichen ten, der eine Wiederholung jüngst vergangener Tragödien in der Christenheit religiös auflösend gewirkt und nicht unmöglich macht. Im Letzten sind es Mentchen wie Sie wenige bis zur völligen Preisgabe des Überlieferungserbes und Ihre Mitarbeiter des „Rundbrief ...", von denen die geführt hat. Vollends wenn man wiederholt erlebt, daß Hoffnung auf einen neuen Geist abhängt. orthodoxe Juden die liberalen uneingeschränkt für abtrün- Ich freue mich auf die nächste Nummer des Rundbrief, nig erklären, ist ein gewisser suggestiver Einfluß solcher den ich immer mit großem Interesse lese ..." Stellungnahme sozusagen unentrinnbar. Ebenso, wenn man feststellt, daß die Grenzen zum mehr oder minder Zachariah Shuster. offenen Atheismus vom liberalen Judentum aus ähnlich 3. Aus einer sogen. ‚Mischehe* des nationalsozialisti- fließend sind wie vom ,deutsch-idealistischen Neuprote- schen Regimes wird an die Mitherausgeberin geschrieben: stantismus'. 0 ... Es ist schon seit einer ganzen Reihe von Jahren, daß Solchem Einfluß nachzugeben, halten wir trotzdem für ich den sehr lebhaften Wunsch hege, Ihnen unsere Ver- unrichtig. Ohne dem vorzugreifen, was im Folgenden Prof. ehrung und unseren Dank besser als durch Worte erwei- Cohn sagt, möchten wir zwei von ihm nicht berührte sen zu können. Gesichtspunkte zu erwägen geben: Bisher war ich durch die Kärglichkeit meiner Mittel daran 1. Der Unterschied zwischen einem orthopraxen und verhindert. Jetzt habe ich wieder ungefähr meine frühere einem liberalen Juden ähnelt weit eher als etwa dem Pension und eine tüchtige Nachzahlung, denen natürlich zwischen einem im Sinne seines Bekenntnisses recht- angestaute Bedürfnisse gegenüberstehen. Zu den drin- gläubigen und einem freisinnigen Protestanten dem Un- gendsten und angestautesten gehört aber jener Wunsch, terschied zwischen einem katholischen und einem evan- und so darf ich Sie sehr bitten, daß ich Ihnen ... zu Ihrer gelischen Christen. In der Hinsicht, daß Orthopraxie und beliebigen Verfügung stellen mag. Ich würde mich sehr Liberalismus einander eher wie zwei Konfessionen als wie freuen, wenn Sie mir angeben wollten, wohin ich diesen die strengere und die laxere Richtung innerhalb derselben. Betrag überweisen darf ....) Bekenntnis-Gemeinschaft gegenüberstehen. Wie die evan- Seien Sie überzeugt, daß ich weiß, daß diese kleine Summe gelischen Christen aus der neutestamentlichen Verkündi- außer Verhältnis steht zu dem, was Sie geleistet haben gung einen uns Katholiken vereinseitigt erscheinenden und der dadurch begründeten Dankesschuld." ,Paulinismus' zum Maßstab für alles machen, so heben die 9 Anmerkung der Herausgeber: Ohne diese Spende hätten wir nicht liberalen Juden aus dem biblischen Gut des Alten Bundes wagen dürfen, den vorliegenden Rundbrief in Druck zu geben. vor allem die Botschaft der Propheten heraus (in einer uns Christen zu einseitig auf das kollektive Heil reduziert 8b) Sind Reformjuden religiös keine Juden? erscheinenden, den persönlichen ,Heiland' weglassenden Wir eröffnen den Aussprache-Teil dieses Heftes, dessen Form); insoweit sie aber damit an echtem Offenbarungs- diesmal besonders reichhaltiger Charakter zeigt, wie wir gut festhalten, ist auch ihr Erbe ,Teil des goldhaltigen mehr und mehr ins echte Gespräch kommen, ohne das Felsens', wie Papst Pius XI. das der getrennten Ostchristen keine Freundschaftsarbeit möglich ist, mit einem offenen einmal genannt hat. Briefwechsel zwischen Profi Dr. E. J. Cohn (London, frü- 2. Christlich beurteilt ist das einseitige ,orthopraxe' Fest- her Breslau) und Prof. Dr. N. Monzel, Bonn, zur Frage der halten an möglichst buchstäblicher Erfüllung des Gesetzes 33 gewiß, wo immer es gutgläubig geschieht, respektabel daß das Reformjudentum seinen spezifisch jüdischen Cha- aber keineswegs ‚richtiger' als einseitiges Hinwirken auf rakter verloren habe. Richtig ist, daß das Reformjudentum das Kommen des durch die Propheten von Gott verheis- zu einem Wandel innerhalb des Judentums — nicht nur senen Heils; daß dieses letztlich nur durch Nachfolge des innerhalb der eigenen Gruppe, obgleich hier natürlich am gottmenschlidien Heilands erreichbar ist, wird sogar der ausgeprägtesten — geführt hat. Eine solche Änderung ,liberal' zukunftsgerichtete Jude eher verstehen als der bedeutet aber keineswegs Aufgabe, sondern im Gegenteil konservativ-orthoprax vergangenheitsgebundene. Diesen sinnrichtige Fortführung der jüdischen Tradition. Diese achtend in seinem ‚elfenbeinernen Turin', werden wir mit Tradition ist nicht rein tralatizisch — wie etwa die des jenem spredien können. Hören wir heute, wie er sich Mohammedanismus —, sie ist ihrem Wesen nach eine auf selbst uns vorstellt. die Zukunft gerichtete Tradition, die ihren eigenen Inhalt Prof. Dr. E. J. Cohn einem fortgesetzten Wandel unterwirft. Die jüdische Or- schreibt: thodoxie des 19. Jahrhunderts hat den Versuch gemacht, Einem Irrtum entgegenzutreten ist gerade dann eine ernste diesen Wandel aufzuhalten. Nicht die Betonung des Wan- Pflicht, wenn derjenige, der ihn begeht, ein aufrichtiger delhaften durch die Reformbewegung, sondern im Gegen- Wahrheitssucher ist. Erlauben Sie mir daher einem Irrtum teil die Erstarrung der Tradition durch die Orthodoxie von erstaunlichem Ausmaße entgegenzutreten, den ich in stellt ein Abgehen von dem jüdischen Wege dar. Das hat dem letzten Hefte der Rundbriefe finde. In dem Bericht erst ganz kürzlich Maybaum in seinem ausgezeichneten über religionssoziologische Übungen zur Judenfrage im Werke „The Jewish Mission" (1950) mit allem Nachdruck Seminar für Christliche Gesellschaftslehre an der Bonner betont. Wenn dieser Wandel jedenfalls zum Teil auf den Universität finden sich folgende Sätze: Einfluß der nichtjüdischen Umgebung zurückzuführen ist, Die Reformjuden, die mehr und mehr. den Glauben der so ist auch das kein Grund, von einem Verlust des jüdi- Väter aufgaben und sich weitgehend den Wirtsvölkern schen Charakters zu sprechen. Im Gegenteil: der Einfluß anpaßten, haben ihren spezifisch jüdischen Charakter der nichtjüdischen Umgebung zurückzuführen ist, so ist verloren. Sie wurden darum aus der Betrachtung aus- auch das kein Grund, von einem Verlust des jüdischen geschaltet. Charakters zu sprechen. Im Gegenteil: der Einfluß der Die Prämisse ist unzutreffend und die aus ihr gezogene nichtjüdischen Umgebung hat gerade in den religiös frucht- Folgerung absurd. Um mit der letzteren zu beginnen, so barsten Epochen der jüdischen Geschichte nicht selten eine darf man wohl fragen, was eine Betrachtung des jüdischen entscheidende Rolle gespielt. Mose übernahm von seinem Problems nützen soll, die die in jeder Hinsicht stärkste Schwiegervater, einem nichtjüdischen Priester, den Aufbau Gruppe jüdischer Menschen einfach „aussdialtet". Die füh- der ersten jüdischen Gerichtsbarkeit. Der Einfluß des Hel- rende Rolle, welche das amerikanische Judentum innerhalb lenismus auf Philo oder der des Aristoteles auf Maimoni- der heutigen Judenheit spielt, dürfte bekannt sein. Inner- des und schließlich derjenige der deutschen Kultur auf halb des amerikanischen Judentums aber ist die Reform- Moses Mendelssohn ist so klar erkennbar, daß es nicht gruppe zahlenmäßig, geistig und wirtschaftlich allen an- notwendig ist, hierüber noch -mehr zu sagen. Ähnlich dem deren Gruppen weit überlegen. Ähnlich stand es übrigens Katholizismus und vielen anderen religiösen Systemen hat mit dem deutschen Reformjudentum. Die überwältigende das Judentum gerade in seinen besten Zeiten es geradezu Mehrzahl aller deutschen Juden gehörte der Reformrich- als eine religiöse Pflicht angesehen, die Wahrheit überall tung an, wie die Ergebnisse der Wahlen zu den Gemeinde- da zu suchen wo sie zu finden war, und das Neugefundene vertretungen mit einer jeden Zweifel ausschließenden mit dem alten Schatz der ererbten Wahrheiten in einer Deutlichkeit zeigen. Ein Verständnis der modernen Ge- Weise zu verbinden, die die Einheit des Neuen mit dem schichte des' Judentums, bei dem diese Gruppe nicht be- Alten durch die Art der Verbindung und die gegenseitige rücksichtigt wird, ist daher nicht möglich. Anpassung von Erworbenem mit Uberkommenem gewähr- Eine solch abwegige Schlußfolgerung ist in der Tat nur leistete. Diese Herstellung der Einheit von Vergangenheit dadurch zu erklären, daß die Prämisse falsch ist. Es ist und Zukunft durch die Gegenwart ist Tradition in spezi- schwer zu verstehen, was gemeint sein kann, wenn erklärt fisch-jüdischem Sinne. Das Reformjudentum hat durch die wird, daß die „Reformjuden mehr und mehr den Glauben Wiederherstellung einer solchen schöpferischen Tradition der Väter aufgaben*. Die Reformbewegung war und ist in den eigenen Reihen und in weitem Umfange auch in eine Bewegung zur inneren Erneuerung des Judentums, wirklich oder nominell konservativer eingestellten Krei- geboren aus der Oberzeugung, daß die Orthodoxie allein sen eine Wiedergeburt der religiösen Kräfte und damit eine Erhaltung der religiösen Kräfte des Judentums nicht eine Erstarkung des Judentums zur Folge gehabt. gewährleisten könne. Diese Bewegung ist, wie die Ent- Es ist mir nicht recht verständlich, wie es möglich ist, daß wicklung gezeigt hat, außerordentlich erfolgreich gewesen. man das Reformjudentum mit einer Abfallbewegung ver- Sie hat Mittelpunkte jüdisch-religiöser Erziehung wie die wechseln kann. Die Teilnehmer an dem Seminar in Bonn Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin sind sicherlich einer solchen Verwechslung zum Opfer ge- und das Hebrew Union College in Cincinnati geschaffen, fallen. Es würde mich aufrichtig freuen, wenn diese — in dem Generationen religiöser Führer des Judentums ihre notgedrungen knappen — Zeilen eine weitere Verbreitung geistige Heimat fanden. Aus ihr sind Persönlichkeiten her- des Irrtums, der mich, dessen Familie seit drei Generatio- vorgegangen, deren Namen allein genügen zu zeigen, wie nen der Reformbewegung angehört, besonders schmerzlich unzutreffend es ist von einer Aufgabe der Religion der berührt, verhindern könnte. Väter durch die Reformjuden zu sprechen. Ich erinnere an Abraham Geiger, Kaufmann Kohler, Isaac M. Wise oder in Antwort unserer Generation an Stephen Wise, Judah Magnes, Mar- auf die Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. E. J. Cohn: tin Buber, Leo Baedc und — last not least — an Franz Herr Professor Dr. E. J. Cohn hat recht: Bei einer Behand- Rosenzweig. Von der Wirksamkeit dieser Männer legen lung der heutigen Judenfrage darf das Reformjudentum heute Gotteshäuser fast überall in der Welt — außer in als die stärkste jüdische Richtung der Gegenwart nicht der Welt hinter dem eisernen Vorhang — Zeugnis ab. Die ausgeschaltet werden. Aber das ist bei den religionssozio- World Union for Progressive Judaism, die in diesem Som- logischen Ubungen zur Judenfrage, die im Sommerseme- mer wiederum in London ihre Jahresversammlung abhielt, ster 1950 im Seminar für Christliche Gesellschaftslehre an ist die Dachorganisation des Reformjudentums. Sie ist die der Universität Bonn gehalten wurden, auch nicht gesche- stärkste internationale jüdisch-religiöse Organisation. hen. Zwar ist zu Beginn der Übungen von einem Teilneh- Es bleibt noch die Behauptung, daß die Reformjuden mer der Vorschlag gemacht worden, nur das orthodoxe „ihren spezifisch jüdischen Charakter -verloren* hätten, Judentum zu behandeln. Dieser Vorschlag wurde jedoch im weil sie sich „weitgehend den Wirtsvölkern anpaßten*. Seminar zurückgewiesen, weil man einsah, daß man so In dem gleichen Bericht heißt es ein paar Zeilen vor den dem Thema nicht gerecht werden kann. Der von einem oben zitierten: anderen Teilnehmer verfaßte Bericht enthält also einen Das erste Ergebnis der grundlegenden Referate über die Irrtum über die in Wirklichkeit befolgte Methode der Geschichte des jüdischen Volkes war die Einsicht, daß Ubungen. Ich selber hatte keine Gelegenheit, den Bericht es nicht angeht, von „dem Judentum* als einer unverän- vor dem Druck zu überprüfen. derlichen Größe zu sprechen. Es handelt sich vielmehr um Ob und wieweit durch das Reformjudentum das „Wesen" eine historische Erscheinung, sich wandelnd wie die Ge- des Judentums aufgegeben wird, wie orthodoxe jüdische schichte selber ... Kreise befürchten (siehe den Aufsatz von Elias Hurwicz, Diese Worte enthalten eine Widerlegung der Behauptung, Die „Verweltlichung" des Judentums, im „Hochland" 34 Febr. 1951), oder ob gerade vom Reformjudentum eine sition gegen die Auffassung des Akiba seitens seiner Zeit- religiöse Erneuerung zu erwarten ist und damit dann auch genossen entnehmen: eine Erstarkung des „Wesens» des Judentums, wie es die R. Jodlanan b. Torta (Zeitgenosse des Akiba) sprach: Uberzeugung von Professor Cohn ist (siehe auch das Re- „Akiba, Gras wird aus *deinen Kinnladen wachsen, und ferat von Rabbiner Dr, Eugen Messinger, Die religiöse Davids Sproß wird noch nicht gekommen sein" (Jer. Taanit Hoffnung Israels heute, im Rundbrief 10/11 Jan. 1951) — 68d). das zu untersuchen, war nicht die Aufgabe unserer Ubun- R. Eleasar aus Modein sprach: „Wenn Gott Bar Kodiba gen. Unser Thema bildeten die Schwierigkeiten und Mög- nicht erschlagen hätte, wer hätte ihn sonst erschlagen lichkeiten des Zusammenlebens der Juden mit den Wirts- können", und R. Eleasar wandte Deuteronorn. 32, 33 auf völkern in Vergangenheit und Gegenwart. Eine „Wesens- Bar Kochba an, andere Sacharja 11, 17: Wehe dem Hirten schau* des Judentums war dabei weder unser Ausgangs- des Nichts! (Loc. cit). Bar Kochba (Sternensohn — so von punkt noch unser Ziel. Unsere Methode war die der empi- Akiba genannt) heißt allgemein in der jüdischen Tradition: rischen Soziologie. Gerade deshalb konnten wir das Re- Bar Kosiba — Sohn der Lüge, und dies auch in zeitgenössi- formjudentum nicht außer acht lassen. Herrn Professor schen Quellen. Cohn gebührt Dank für seine Stellungnahme, weil er da- Schließlich besteht (c) ein grundlegender Unterschied zwi- durch ein Versehen des Berichtes korrigiert hat. schen Akiba samt seinen Anhängern und den Nazis. Hätte Nikolaus Monzel. das deutsche Volk einen einzigen „Akiba* unter seinen Führern gehabt, so wäre ein Nationalsozialismus gar nicht 8c) Zur Parallele Bar Kochba—Hitler erst entstanden. Akiba ist eine der ethisch höchststehenden Sehr geehrter Herr Professor! Persönlichkeiten der Spätantike; in der Anerkennung des Bar Kodiba als Messias unterlag er freilich einem tragi- Ich bin betroffen, durch den — wie ich beweisen kann — schen Irrtum, der allerdings keinerlei Konsequenzen ge- schiefen Vergleich, der sich in Ihrem Aufsatz „Das Ringen habt hat; der Aufstand wäre auch ausgebrochen und nie- um die rechte Verkündigung der Passion Jesu Christi" dergeschlagen worden, wenn alle Juden Bar Kochba nur (wieder abgedruckt im Rundbrief, Nr. 8/9. August 1950) als Feldherrn anerkannt hätten. Akiba kehrte nach Ende findet. In diesem Artikel ziehen Sie einen Vergleich zwi- des Krieges ins Lehrhaus zurück, aus dem er gekommen. schen den Juden zur Zeit der Hadrianischen Verfolgungen Die Stunde der Verwirklichung . seiner Hoffnung war also (132/135), die Bar Kodiba fälschlich als Messiaskönig an- noch nicht herangereift. erkannt haben, und den Deutschen, die „als Gesamtheit 3. Joh. 5, 43 bezieht sich auf keine bestimmte historische dem falschen Messias Hitler* verfallen sind. Persönlichkeit. Das „allos" in V. 43 bedeutet wahr- Der Vergleich scheint mir durch drei Fehlinterpretationen scheinlich soviel wie „irgendeiner", meint also nicht Bar verursacht worden zu sein. Kochba, sondern die Vielen, die sich noch als „Messias* 1. Die Bedeutung des palästinensischen Judentums und ausgeben bzw. von anderen dafür gehalten werden. damit auch der Aufstand des Bar Kochba war für das So bleibt der Vergleich zwischen Hitler und dem deutschen Gesamtjudentum peripher. Durdi die erste Zerstörung des Volke einerseits, Bar Kochba und dem jüdischen Volke Tempels (586 v. Chr.) entstand bereits eine große Exils- andererseits schief, Das Unheil, das der Bar Kochbaauf- gemeinde in Babylon, die selbst durch die teilweise Rück- stand angerichtet und die Bedeutung, die er für die. jü- kehr des jüdischen Volkes unter Ezra und Nehemia nicht .dische Geschichte gehabt hat, ist im Vergleich mit Hitlers an Bedeutung. verlor. Es ist kein Zufall, daß später der trauriger Rolle für das deutsche Volk winzig. Gewiß anerkannte und autoritative Talmud eben nicht in Palä- wurden die anti-jüdischen Gesetze von den Römern nach stina, sondern in Babylonien gesdiaffen. wurde. Ein wei- dem Aufstand verschärft, sie konnten aber kein jüdisches teres Zentrum jüdischen Lebens lag in Alexandrien. Vol- Staatswesen mehr treffen, da ein solches seit 70 n. Chr. lends verlor das palästinensische Judentum nach der Zer- (und eigentlich schon längst vorher!) nicht mehr bestand. störung des zweiten Tempels durch Rom (70 nach Chr.) Bar Kodiba ist eher mit einem der israelitisch-judäischen an Bedeutung. Einen weiteren Aderlaß hatte das palä- Könige der vorexilischen Zeit zu vergleichen, die das Joch stinensische Judentum durch den Aufstand unter Trajan der assyrisch-babylonischen Fremdherrschaft abschütteln (ca. 115 n. Chr.) zu erleiden, von dem wir freilich wenig wollten. Die Gegnerschaft der Rabbinen gegen Bar Kochba wissen. Zur Zeit Hadrians war Palästina • eine kleine ist zu vergleichen mit der prophetischen Opposition gegen römische Provinz. Damit kann das Deutschland von 1933 diese zum Scheitern verurteilten Versuche der Königs- natürlich nicht verglichen werden! partei. Nur darf man auch dabei nicht vergessen, daß 2. a) Die Uberlieferung zeichnet Bar Kodiba als Recken, Israel bzw. Juda damals relativ freie Staaten waren, der aus dem Rahmen der Heldenvorstellung anderer Zeiten während Palästina zu Bar Kochbas Zeit einen sehr kleinen und Völker nicht heraustritt. Er war ein Patriot, der seine Teil des römischen Imperiums bildete. Heimat von der Fremdherrschaft befreien wollte. Nichts Schließlich wäre zu fragen, ob der Begriff des „falschen weist darauf hin, inwieweit auch nur die geringste Mög- Messias" überhaupt auf Hitler anwendbar ist, da „Messia- lichkeit eines Vergleiches mit Hitler, einem der größten nität" einem ganz anderen historischen Denken entstammt, Verbrecher der Menschheit, gerechtfertigt ist. selbst, wenn gewisse Parallelen aufzuweisen sind. Der Ferner b): Bar Kochba hat sich selbst niemals als Messias Vergleich mit in der Antike entstandenen und nur dort bezeichnet; er war persönlich — sehr im Unterschied zu lebendigen Begriffen ist immer gefährlich und zweideutig. Hitler — integer. „Als Rabbi Akiba Bar Kochba erblickte, Man sollte ferner den Böswilligen und Unbelehrbaren rief er: Das ist der König Messias" (Jerus. Talm. Taanit unter den Deutschen durch schiefe Vergleiche keine Mög- 68d). Rabbi Akiba sah also in Bar Kochba den Messias. lichkeiten der Apologie bieten. Oder welchen Nutzen ver- Das jüdische Volk „als Gesamtheit", das sidi in Palästina sprechen Sie sich denn von solcher Betrachtungsweise für am Aufstand beteiligte, erkannte in Bar Kochba nicht den die jüdisch-christliche Zusammenarbeit und das gegen- Messias. Für das Volk galt Bar Kochba als ein geeigneter seitige Verständnis? Feldherr, der das Land vom römisdien Jodie befreien Mit vorzüglicher Hochachtung könnte. Bestenfalls wäre er bei einem Gelingen des Auf- Dr. E. L. Ehrlich. standes zum Fürsten berufen worden, wie einst die Mekka- bäer, deren Laufbahn gleich der des Bar Kodiba begann. Basel, den 10. September 1951. Die erhaltenen Bar-Kochba-Münzen geben keinerlei Hin- Sehr geehrter Herr Dr. Ehrlich. weis auf eine Anerkennung der Messianität des Bar Für Ihre offene Kritik an meinem Vergleich Bar Kochbas Kodiba. Das geschah allein seitens Akibas und einiger mit Hitler und die Frage nach dessen Sinn im Rahmen Schwärmer. Das deutsche Volk wäre glüdclicher, wenn nur christlich-jüdischer Freundschaftsarbeit bin ich Ihnen auf- wenige in Hitler ihren von der „Vorsehung* berufenen richtig dankbar; denn Sie geben mir dadurch Gelegenheit, „Führer» erkannt hätten! Im übrigen ist scharf zwischen mich zu einem sicher für nicht wenige Leser (auf beiden der „Fürstenrolle» des Bar Kochba, die durchaus legitim Seiten) schwierigen, aber meines Erachtens auch sehr wich- war, und der Anerkennung als Messias" zu unterscheiden. tigen Punkte genauer zu äußern und vielleicht Mißver- Warum sollte schließlich ein erfolgreicher und fähiger itändnisse aus der Welt zu schaffen. — Ich darf gewiß zu- Feldherr nicht die Selbständigkeit Palästinas wiederher- nächst das mir wichtigste Urteil einer talmudischen Auto- stellen? Verketzert man die französischen Maquisleute? rität in dieser Angelegenheit zitieren:, Der Midrasch rabba Immerhin gelang es übrigens Bar Kochba, für drei Jahre zum Hohen Lied (27) rechnet die Zeit Bar Kochbas zu die Römer aus Jerusalem fernzuhalten. denen, „die zu Fall kamen, als sie ,das Ende bedrängen' Aus den jüdischen Quellen können wir eine heftige Oppo- wollten", d. h. (nach Glatzer, Gesch. der talmudischen

35 Zeit, S. 43, Anm. 3) als sie das Gottesreich „vorzeitig ver- einzigen ,Akiba' unter seinen Führern gehabt, -so wäre ein wirklichen", besser: mit seinem Wesen unangemessenen Nationalsozialismus erst gar nicht entstanden"! 0 nein; Mitteln herbeizwingen wollten. Dies, der falsdie, gewalt- er ,entstand' bzw. kam zu solcher grauenhaften Machtfülle, same Messianismus, ist das grundlegende Gemeinsame, weil die deutschen ,Akibas' sich wie der jüdische vom das mir die Parallele Bar Kodiba—Hitler zum mindesten „Erfolg, dem Rechtfertiger aller Dinge" (Hitler 1939) blen- erwägenswert zu machen scheint. Nun aber lassen Sie den ließen, alle die „ethisch höchststehenden Persönlich- mich Ihrem Gedankengang im einzelnen folgen: keiten" wie der ehemalige Reichsgerichtspräsident Walter 1. Gewiß lebte 133 ein weit größerer Prozentsatz aller Simons, die für die eigne Person christlich gläubigen Juden außerhalb Palästinas als 1933 der Prozentsatz der Reichsminister und auch ein Erzbischof Gröber, der 1933 Deutschsprechenden außerhalb der damaligen deutschen feierlich versicherte, er wisse, daß die politische Tendenz Grenzen war. Aber Erez Israel war, blieb und bleibt in der neuen Regierung positiv christlich sei. Weil solche noch weit höherem Maße das ‚Gelobte Land' aller, auch privatmoralisch wirklich ehren- und z. T. verehrenswerten der fernstwohnenden Juden, als je Deutschland das der Männer im kritischen Zeitraum für statt stets kompromiß- Deutschsprechenden war noch werden kann. Wenn vol- los gegen den u. a. durch seine Mitschuld am gemeinen lends, wie mir aus der Existenz der Münzen mit der Auf- Potempa-Mord August 1932 wahrlich genug gebrandmark- schrift des Hohenpriesters Eleazar geschlossen werden zu ten Hitler auftraten, darum z. T. ist er nicht rechtzeitig müssen scheint, der zerstörte Gottestempel zeitweise im beseitigt worden. Und wie wollen Sie beweisen, daß Aki- Wiedererstehen, mindestens der Opferdienst von neuem bas und seinesgleichen Widerspruch' die Katastrophe des aufgenommen war — ähnlich vermutet ja auch Bietenhard, Hadrianskriegs nicht genau so gut hätte verhüten können, der in ,Judaical IV (1948) die Frage zuletzt geprüft hat wie er sie im Trajanskrieg für Palästina verhütet hat? und Noth, Geschichte Israels, S. 382! —, dann hatte dieses 3. Schließlich Jesu Wort: „Ich bin gekommen im Namen Geschehen im damaligen Palästina für alle jüdischen Men- meines Vaters, und ihr nahmt mich nicht auf; wenn aber schen eine religiöse Bedeutung, an die nichts seither her- ein andrer kommen wird im eignen Namen, den werdet anreicht, auch noch nicht für sich allein die kürzliche ihr aufnehmen" (Jo. 5, 43); wenn je ein prophetisches Wort Staatsgründung; dann war also der Mann, unter dessen auf einen Vorgang gepaßt hat, dann dieses 'auf das ,Kom- Führung dieses Geschehen verlief, mindestens so wichtig men' des Mannes, in dessen Namen Akiba den durch für ‚den' Juden' — wie Hitler für ,den' Deutschen. Bileam Verheißenen finden wollte. Wann überdies wäre je 2. a) Hoffen wir, daß es nie eine ‚Überlieferung' geben ein andrer bis zu so hohen rabbinischen Autoritäten hin- wird, die einen Hitler den Deutschen als ähnlichen ,Recken' auf und mit so katastrophalen Folgen für Volk und Staat zeichnet wie ein Teil der jüdischen den Bar Kosewa den Israel ‚aufgenommen' worden? (Am ehesten wohl noch Juden; ein andrer Teil der jüdischen Überlieferung ver- Sabbatai Z'wi, der ,gnostizistisdie Messias' der Diaspora.) steht ja seinen Namen stattdessen als ‚Lügen-Sohn'; und Denn angesichts der ganz unermeßlichen Opfer und An- an Verbrechen gegen innere und äußere Feinde hat es in strengungen, die es gekostet hat, im 20. Jahrhundert dem seinem ,Hadrianskrieg' so wenig gefehlt (Justin — Apol. I, im 2. durch Bar Kochba verschuldeten Total-Exil jenes 31 — u. a. bezeugen blutige Christenverfolgung) wie im Volkes ein Ende zu machen, sollte.man doch heute weniger ,Titus-' und im ,Trajans-Krieg', den beiden vorausgegan- denn je die Bedeutung dieser Katastrophe bagatellisieren, genen Aufständen gegen Rom, über deren Greuel wir die von den Zeitgenossen geradezu als „die Vernichtung" eingehender unterrichtet sind. bezeichnet wurde (Hausrath, Neutestamentl. Zeitgesch. 2. b) Ich würde also mit Sätzen wie: „er war persönlich IV, 241). integer" und „hat sich selbst nie als Messias bezeichnet" Trotzdem allerdings sehe -auch ich unter einem Gesichts- äußerst vorsichtig sein. Wenn Hieronymus berichtet (Apol. punkt die erschütternde Möglichkeit, daß Ihre These zu- II adv. Rufinum), Bar Kochba habe Flammen aus seinem treffen könnte, „im Vergleich mit Hitlers trauriger Rolle Munde durch Blasen in einen darin entzündeten Stroh- für das deutsche Volk" sei die Bar Kochbas für das jü- halm hervorgehen lassen, so scheint mir nicht ausgeschlos- dische „winzig". Da nämlich das deutsche Volk nicht wie sen, daß dies von den Rabbis zu hören war, bei denen der das jüdische Gottes Verheißung hat, zuletzt von ihm in Vulgata-Ubersetzer Hebräisch lernte. Und steht nicht Gnaden angenommen zu werden, könnte das deutsche schließlich im bab. Talmud (Sanh: 93b) ausdrücklich: „Bar Volk sein Heil unumstößlich verscherzt haben, was das Kosewa .. sprach zu den Rabbinern: Ich bin der Messias'? jüdische nicht einmal durch Bar Kochba konnte. Wenn es dort weiter heißt, sie hätten ihn daraufhin ge- Und hier zeigt sich nun, welchen positiven Sinn der durch prüft, als Betrüger erfunden und „getötet", so beweist alles Vorstehende — scheint mir — als keineswegs dieses phantastische Ausspinnen der Überlieferung ja nur, ‚schief' erwiesene Vergleich Bar Kochba—Hitler gerade daß man ihm den Mißerfolg hinterdrein so wenig verzieh für das christlich-jüdische Gespräch und als Hilfsmittel für wie heute in Deutschland dem Hitler. Daß aber so gut deutsche Neubesinnung hat: wie dieser etwa 1940, ebensogut Bar Kochba auf der Höhe Immer wieder erlebe ich es, daß man das vorgefaßte Urteil seiner Erfolge von seinem ganzen Volke anerkannt war, deutscher Hörer über den falschen, den politisierten Mes- sollte auf Grund der vorhandenen Zeugnisse niemand sianismus der jüdischen Gegner Jesu durch nichts ein- bestreiten wollen. Was bedeutet denn die Anerkennung drucksvoller zu neuer Besinnung auf Schuld und Schicksal durch Akiba? Dieser selbe Akiba hatte sich noch ein knap- bei sich selbst und dann gerechterem. Gericht über die pes Menschenalter zuvor, im Trajanskrieg, der Beteiligung andern läutern kann, als wenn man ihnen die Parallele der palästinischen Judenschaft am mesopotamisch-ägyp- entwickelt, die zwischen der Entscheidung für einen Ba- tisch-cyrenaischen großen Judenaufstand gegen Rom er- rabbas und einen Bar Kodiba einerseits — und der für folgreich widersetzt; seine Autorität war seither nur ge- einen Hitler auf der andern Seite besteht, — weil beides, wachsen und die unbestritten größte unter den damaligen nach christlichem Glauben, die Entscheidung gegen den Lehrern; wenn nun sogar er den Kosewa Messias nannte wirklichen Retter des Gottesvolkes ist, der die religiös- und nach Simeon ben Jochais Zeugnis die Bileams-Pro- nationale Revolution mißbilligt, wie seine Antwort auf phetie (Num. 24, 17): „Es tritt ein Stern (hebr. kochaw) die Zinsgrosdienfrage zeigt; der seinen Jüngern verbietet, aus Jakob hervor" gedeutet hat: „Es tritt Kosewa aus für ihn das Schwert zu ziehen; der sein Volk als für es Jakob hervor (Jer. Talmud, Ta. IV, 7, 68d), dann kann das Sterbender und nicht als Tötender erlösen will. doch nur heißen, daß nun auch die gewichtigste, die von Unzählige Christen haben das noch nicht recht verstanden. früher her im Ruf der besonderen Vorsicht stehende rab- Das Neue Gottesvolk hat eben so naiv und gutgläubig binische Autorität sich des Volkes und Bar Kochbas eigner ‚Heilige' Kriege („Kreuz-Züge"!) geführt, wie das Alte Meinung vorn letzten Sinn seiner Sendung anschloß. gegen die Heiden gekämpft hat, so lange es jung war. Ich Ehre um so mehr für den sonst wenig bekannten ,Be- wage zu hoffen, daß die Christenheit sich einer Reife kenntnis-Rabbi' Jodianan ben Torta, daß wenigstens er nähert, kraft deren sie mit der Entscheidung ihres Herrn widersprach (Eleazar von Modein scheint mindestens zeit- gegen den Weg der Barabbas und Bar Kochba vollen Ernst weise für Bar Kochba gewesen zu sein: Midr. Eka r., zu machen wird, also im Sinn der Bergpredigt nicht nur zu Klaget. 2, 211); aber diese eine Schwalbe macht keinen ihm ,Herr, Herr' sagen, sondern, wie er sie heißt, „den Sommer; wir sprechen ja schließlich auch trotz vereinzelten Willen meines Vaters, der im Himmel ist", wirklich tun Bekenntnis-Christen von Deutschlands Entscheidung für (Match. 7, 21). Wenn es so weit sein wird, dann steht der Hitler — und müssen so von Israels damals für Bar Kodiba Tag der Wiedervereinigung für uns alle vor der Tür. Ihn sprechen. herbeizufördern dient, so scheint mir, unter anderm auch, 2. c) Ja und nun Ihr Satz: „Hätte das deutsche Volk einen wenn über die Bedeutung Bar Kochbas im Licht der heu- 36 tigen Zeitgeschichte nachgedacht wird, christlicher-, ja zu machen schuldhaft ist. Warum sollten wir diesen guten vielleicht auch jüdischerseits. Diener verachten? Mit freundlicher Begrüßung „Ich schulde niemandem etwas", das ist der Wahlspruch Ihr der Ichsucht und der Unfruchtbarkeit, des üblen Bour- Karl Thieme. geoisstolzes. Das mehr oder weniger bewußte und aus- gesprochene Ideal Israels, in welchem während Jahrhun- 8d) Ist das Auserwählte Volk ein Händlervolk? denen sein Dasein gründete, wäre hingegen: „Jeder Von Paul Claudel erscheint soeben in deutscher übersetzeng schulde jedem etwas, und die Mittel dazu mögen zu ,E coute Israel ...." (,Höre Israel . vgl. Literaturhin- diesem Zweck flüssig gemacht werden!" Jeder hege an weise 8. 53). In ,Le Figaro Litteraire' (Nr. 255, vom 10. 3. 1951) seinem Nächsten einen lebenswichtigen Anteil, nicht etwa erschien dazu ein offener Briefwechsel zwischen Mine. Janine Auscher und dein Verfasser, den wir auszugsweise auch unsern bloß ein unbestimmtes. philosophisches Wohlwollen, son- Lesern in deutscher Vbersetzung zugänglich machen möchten, um dem etwas, das mit dem Siegel der offensichtlichen Not- sie an dem besonders lebendigen christlich-jüdischen Gespräch in wendigkeit geprägt ist, eine organische Gemeinschaft. Ich Frankreich teilnehmen zu lassen. verweise Sie hierzu auf die Seiten 50 und 51 meines Büch- Auszüge aus dem offenen Brief von Frau Janine Auscher leins. Ich versuche da zu erklären, daß es keine uninteres- an Paul Claudel sierte Liebe gibt, eine, die auf kalten und verstandes- Warum wollen Sie in Ihrem letzten Buch „Eine Stimme mäßigen, allgemeinen Überlegungen beruht. Es gibt keine über Israel", dessen Umschlag die beiden ersten Worte andere Quelle der Liebe als ein wirklich gefühltes Be- -des „Schma Israel'. (des täglichen Gebets der jüdischen dürfnis, ein leibliches, ein moralisches, ein geistiges Be- Liturgie), „Höre Israel', trägt, warum wollen Sie aus dem dürfnis, und — geheimnisvoller als alles — jenes Gefühl, Auserwählten Volke durchaus ein Händlervolk machen? daß ein anderer oder eine andere den Schlüssel zu un- Warum ersinnen Sie um seinetwillen, d. h. um es für Ihre serem eigenen Wesen besitzt, daß er allein oder sie allein Sache zu gewinnen, eine solche auf dem Profit beruhende unseren wirklichen Namen kennt. Der glücklichste Augen- Beweisführung, in der ständig finanztechnische Redewen- blidc im Leben eines Mannes oder einer Frau ist festzu- dungen wiederkehren, die uns notwendig ein gewisses stellen, daß man unentbehrlich ist. Alle Heiligen haben Unbehagen verursachen müssen? Warum wollen Sie Israel jene erhabene Leidenschaft zum Nächsten gekannt, die im, durch ein „Manöver' anlocken, das auf geistiger Ebene Worte des Predigers ausgesprochen wird: Wer wird ver- einem Börsenmanöver auf der materiellen Ebene ent- schlingen wie ich?' Und es hat einen Abb8 Chevrier gege- sprechen würde? ben, der hinzufügt: „Der Priester ist ein verzehrter Mensch." Es ist schön verzehrt zu werden, weil man ver- Daß Sie sich darauf versteifen, Israel beim Profit zu neh- zehrbar ist. men, erinnert an die peinliche Wette Pascals, desselben Pascal, der Christus jenes wunderbare Wort in den Mund Die volle Hälfte meines Lebens habe ich als Geschäfts- gelegt hat: „Tröste dich, du würdest mich nicht suchen, mann verbracht, und ich muß sagen, daß ich mich mit Ge- wenn du mich nicht schon gefunden hättest", welcher sich schäftsleuten immer am besten verstanden und in ihnen aber gleicherweise zu jenem Wettgedanken erniedrigt meine besten Freunde gefunden habe. Ich liebe ihren Mut, hat, der ebenfalls auf dem Profit begründet ist, weil er ihren Optimismus, ihren Glauben an die Wirklichkeit, ihre meint, dergestalt leichter die Seelen gewöhnlicher Men- Verachtung des bloßen Genusses zugunsten des Handelns. schen zu gewinnen, und der sich dadurch nur selbst er- Ich bin nicht wenig erstaunt gewesen, bei den Juden unter niedrigt hat, ohne daß dies seinem so großen Lebenswerk ihnen so viel Achtung und Feinfühligkeit gegenüber gei- irgend etwas hinzugefügt hätte. stigen Werten zu finden. Ich denke mit größter Freude an meine Beziehungen zum Judentum in Frankfurt in Deutsch- Sie, der Sie durdiaüs verstehen, sich nicht an gewöhnliche land. Seelen zu wenden, Sie scheinen indessen zu denken, diese seien habgierig, und um sie besser zu gewinnen, stellen Als -Mariä Verkündigung'. zum erstenmal erfolgreich in auch Sie Ihre Theorie der Wette auf. Nein, solche Beweis- Paris gegeben wurde, taten meine jüdischen Frankfurter führung ist Ihrer und jener unwürdig. Sie unterstellen Freunde sofort alles, um eine Inszenierung für sich zu- ihnen jene hän.dlerische Gesinnung: „Aber ist nicht Kaufen standezubringen. bei deren Abschluß sie mir einen unge- und Verkaufen seit altersher unsere Eigenart, seit Gott heuren Lorbeerkranz überreichten. Ich bin überzeugt, daß uns so wie ein Kontor zwischen die beiden Welten ein- kein Katholik in Frankreich zu dem Zeitpunkt daran ge- gesetzt hat?» Aber ist nicht das Erforschen des Gesetzes dacht hätte, mich ernst zu nehmen. ebenfalls und vor allem anderen ihre Eigenart seit vielen Ist denn nicht überall in der Schrift die Rede von Kauf und Jahrhunderten? Ist es ihr Fehler, wenn das Mittelalter sie Verkauf, von Rechnungen und Rechenschaft? Ist nicht das in den Geldberufen zusammendrängte, indem es ihnen alle Versprechen des Messias das einer Wiedereinlösung? anderen verschloß, und darf man sie verantwortlich ma- Bilden denn nicht Worte wie Darlehen, Handel, Zins, chen für jenen geschichtlichen und gesellschaftlichen Fluch, Wert, Geld den Grundstock des mystischen Wortschatzes? der sie zeitweise zwang, die geistige Bemühung zugunsten Wenn Johannes uns sagt, wir sollten die Gnade mit Un- der materiellen zu unterlassen? Werden Sie bestreiten, daß entgeltlichkeit erkaufen und die Liebe Gottes mit der heutzutage Bergson die moderne Philosophie aus den Liebe zum Nächsten, ist diese Sprechweise nicht Juden und materialistischen Geleisen herausgeholt hat, in denen sie Christen gleicherweise verständlich? Ist nicht in der stecken zu bleiben drohte? Und der war gewiß kein Ge- Schrift das Erbarmen immer eng an die Gerechtigkeit ge- schäftsmann! bunden, jene Gerechtigkeit, die die Märkte beherrscht? Ist nicht Gott der strenge Gläubiger jenes Geldes, das er Auszüge aus Paul Claudels Antwort selber heimlich in unsere Taschen zu stedcen besorgt war? Sehr verehrte gnädige Frau, Ist es nicht das große, das echte Erbarmen Gottes, daß er uns gestattet zu verdienen, auch etwas von uns aus zu Zu der Zeit, als ich bestimmte Seiten des Büchleins schrieb, tun? Ihm unser elendes Geld zu leihen, als wenn es uns das Ihre Aufmerksamkeit erregte, habe ich selber den gehörte, zu einem Wucherzinsfuß, der jede Vorstellung Eindruck gehabt, daß ich Gefahr lief mißverstanden zu übertrifft? ... werden. Ich habe sie indessen beibehalten, weil sie mir — Was das Alte Testament anlangt, welches für mich mit sollten auch gewisse Vorurteile darunter leiden — der dem Neuen Testament eine Einheit bildet, so ist es kein Wahrheit zu entsprechen schienen. Ich sehe nicht ein, Menschenwerk, sondern das Wort Gottes, für welches warum Israel erröten sollte über die wohltätige Rolle, auf meine Liebe und Achtung keine Grenzen kennt. Ich habe die es zu beschränken der Vorsehung während Jahrhun- nie aufgehört, mich gegen die zu entrüsten, die nach dem derten gefallen hat und dank der trotz gegenseitiger Ver- Beispiel der Häretiker einen Teil dieses doppelten Wun- ständnislosigkeit die menschliche Gemeinschaft nie auf- gehört hat, ein lebenswichtiges Bedürfnis nach ihm zu ders zugunsten der andern entwerten wollen. Die moder- verspüren ... nistische Exegese, die den Aufbau dieses erhabenen Ge- bäudes herabwürdigt und in den Schmutz zieht, ist mir Von allen Mitteln, sich gütlich zu tun, ist keines in sich nicht nur widerwärtig, sondern ein Greuel. Nein, der Gott schlecht, und das Geld, welches Brot und viele andere des Alten Testamentes ist nicht der wilde und erbärmliche ausgezeichnete Dinge verschafft, nicht schlechter als das Tyrann, wie ihn sich die Wirrköpfe vorstellen. Es ist ein Brot. Meine Eltern, die durchaus nicht reich waren, haben Vater und Gatte, dessen Zärtlichkeit und Mitleid keine mich immer gelehrt, das Brot als eine geheiligte Sache zu Grenzen kennt. Ich habe ganz kürzlich Gelegenheit ge- betrachten. Ebenso das Geld, wovon schlechten Gebrauch habt, mich über diesen Gegenstand zu verbreiten. Ich 37 habe sehr oft die ungeheure Dankbarkeit erwähnt, die wir schlechten Sinn' verstanden werden kann, nie geschrieben. den Makkabäern schulden. Wie es auf den unterrichteten jüdischen Leser wirken Wenn ich dieses Büchlein schrieb, dann nicht, weil mich muß, macht man sich vielleicht am besten klar, wenn man eine besondere Vorliebe zu Israel bewegt hätte, sondern sich überlegt, wie ein deutscher Leser es empfinden weil ich als eifriger Bibelleser seit 60 Jahren unwillkürlich würde, wenn er in einer französischen Zeitung angesichts erstaunt war über die ganz besondere Liebe, die der ge- der Politik der Bundesregierung in Sachen der Saar die meinsame Vater dem ältesten Sohn gegenüber beweist. Frage lesen müßte: „Atmet also diese Politik den Geist Wie sehr wünsche ich, daß zwischen ihm und uns endlich des staufesch-friderizianisch-bismärdciseen Imperialismus, jede Unterscheidung verwischt werde und daß Israel, dem der traditionellen Parole ,Was ist des Deutschen Vater- die ganze Welt als Erbteil versprochen worden ist, nach land? ... Soweit die deutsche Zunge klingt –1', d. h.: dem Wort von Jesajas 49, 20 endlich merke, daß ihm die Jeder Fußbreit Boden, wo eine deutsche Mundart gespro- Stätte zu eng ist. Angustus est mihi locus, fac spatium chen wird, muß in ein und demselben Staatsverband mit mihil allen übrigen zusammengeschlossen seinl?" 8c) Wirklich ,Antigermanismus'? II. Kollektivschuld? Ein offener Briefwechsel über ,Israel und die Deutschere Aber ist denn die Deutschland-Politik Israels und des Sehr geehrter Heir Dr. Haerdter, Jüdischen Weltkongresses in einem Atem mit derjenigen Sie werfen in Nr. 136 der ,Gegenwart' die Frage auf, ob deutschen Politik zu nennen, die demokratische Rechte von jüdischer bzw. israelischer Seite ein ,Antigermanis- für die Saarbevölkerung verlangt? Vertauscht sie nicht mus?' (so der Titel) an die Stelle des Antisemitismus der vielmehr, wie Sie schreiben, „die Rollen und setzt an die Deutschen getreten sei. Schon der Umstand, daß die Re- Stelle des Antisemitismus der Deutschen einen praktizier- daktion mir Ihren Aufsatz in drei Exemplaren als eine ihr ten Antigermanismus der Juden oder doch der israeli- bes. wichtige konstruktive Stellungnahme zum Thema schen Politik? Schließt die Tatsache, Deutscher zu sein, zusendet, verpflichtet mich, darauf zu antworten. Vollends bereits ein Schuldphänomen in sich ...V erscheint mir solche Antwort gerade an Sie sinnvoll, weil Zum letzten zunächst: Ist es zu viel verlangt, daß, wer ich Ihnen noch heute für Ihre gleich anfangs in ebender- heute dieses heikelste aller deutschen Probleme behan- selben ,Gegenwart' veröffentlichte Formulierung zur delt, zur Kenntnis nimmt, was wiederholt in der jüdischen Schuldfrage ,der Deutschen' (und wahrlich nicht nur der Presse auf deutschem Boden zu lesen war (im Berliner Deutschen) dankbar bin, wonach nicht bloß jeder, der ir- ,Weg' z. B. am 11. 8. und am 22. 9. 1950, von da übernom- gendwann für einen Hitler eintrat, Anlaß habe, sich ganz men in unserm Freiburger ‚Rundbrief zur Förderung der persönlich schuldig zu fühlen, vielmehr auch wir, für die Freundschaft zwischen dem Alten und dem Neuen Gottes- das nie galt, uns vorzuwerfen hätten, daß wir nicht noch volk' Nr. 8/9, S. 29 und Nr. 10/11, S. 25 f.), daß nämlich mehr Widerstand geleistet haben. das Parlament Israels eine deutsche ,Kollektiv-Schuld' aus- Gerade weil ich das heute weniger denn je vergessen drücklich (fast einstimmig) abgelehnt hat, indem es allen und an keiner kommenden Fehlentwicklung durch solches Deutschen, die mit dem Nationalsozialismus nichts zu tun Vergessen mitschuldig werden will, schreibe ich Ihnen das hatten, die freie Verfügung über ihren Besitz im Staats- Folgende. Und zwar als einer, den gründliche Gewissens- gebiet Israels wieder gewährt hat? prüfung und langjähriges, nüchternes Studium geschicht- Und weiter: Was fordert der Weltkongreß? Daß „zunächst licher Zusammenhänge dazu führten, als Christ den jüdi- durch die parlamentarischen Einrichtungen und später in schen Standpunkt 1. gegenüber ,den Christen' und darum einem ... internationalen Abkommen' die Verantwortung auch 2. gegenüber ,den Deutschen' heute besser zu ver- Deutschlands für die von seinem Rechtsvorgänger, dem stehen als noch vor fünf Jahren, wo ich in diesen Fragen Hitler-Staat, verübten Greuel an - den Juden formell aner- z. T. ähnlich irrte, wie Sie mir heute zu irren scheinen. kannt werde. — Und was fordert Israel? Daß auf Grund I. dieser Anerkennung eine ‚Reparationsseuld' übernom- men werde, die zunächst mit 1,5 Milliarden Dollar bezif- .Auge um Auge?' fert ist. — Wenn man das einmal ganz teilnahmslos kühl Ich beginne mit dem, was mir hierbei objektiv am wich- nachrechnet, sieht es so aus: Rund 6 Millionen Juden wur- tigsten zu sein scheint, obwohl es auf den ersten Blick nur den umgebracht, davon rund 5,7 Millionen nichtdeutsche lose mit der hier diskutierten Rechtsfrage zusammenhängt, Juden, für welche also innerhalb Deutschlands keinerlei Angesichts der Deutschlandpolitik Israels und des jüdi- Wiedergutmadiungs- und Rückerstattungsansprüche ange- schen Weltkongresses fragen Sie: „Atmet diese Politik meldet werden können. Darüber hinaus sind weitere Hun- also den Geist der Rache, des alttestamentarischen ,Auge derttausende ebensowenig von heute geltendem Recht ge- um Auge, Zahn um Zahn'?" schützten Juden schwerstens geschädigt worden. Die Hun- Nun, diese Formel ist in den mosaiseen Kodex aus dem derttausende von Überlebenden und die Millionen von ,gemeinen Recht' des Vorderen Orients übernommen wor- Ermordeten gehören einer Gemeinschaft an, die jetzt einen den (Lev. 24, 20), wie etwa zahllose Formeln aus dem ‚ge- staatlichen Ausdruck in Israel gefunden hat. Ist die For- meinen Recht' Spätroms in mittelalterliche und neuzeit- derung unbillig. daß diesem Staate für jede vernichtete liche Gesetzbücher übernommen wurden. So sinnwidrig Existenz rund 250 Dollar, also rund 1000 DM von dem wie es wäre, den römisch-rechtlichen Privateigentums- Staatswesen gezahlt werden soll, in dessen Namen jene begriff als ‚preußisch' zu bezeichnen, weil Spuren davon Massen unter unsäglichen Qualen hingemordet wurden? im friderizianischen preußischen Landrecht zu finden sein — Ich bin weit davon entfernt, als Nietsachverständiger mögen, so sinnwidrig ungefähr ist es, vom alttestamen- eine Meinung darüber zu äußern, ob die Bundesrepublik tarischen ,Auge um Auge' in Gleichsetzung mit einem bei ihrer angespannten Finanzlage den geforderten Betrag „Geist der Rache' zu sprechen. Das wirklich alttestamen- ganz (oder anteilig gemeinsam mit der Ostzonen-Republik) tarische Gottesgebot lautet vielmehr: „Du sollst dich nicht aufbringen „kann'. Ich entsinne mich nur des Rates, den rächen" (Lev. 19, 18). Dieses ist das moralische Gebot des F. Siegmund-Schultze 1921 vor der Londoner Konferenz Gottes Israels, das Jesus von Nazareth in der Bergpredigt über Deutschlands Reparationsschuld dem damaligen Aus- erneuert, nicht erfunden hat; ,Auge um Auge' ist die zeit- senminister W. Simons gab: „Sprechen Sie in London von entsprechende Rechtsregel, die so wenig zu entbehren dem Elend des zerstörten Belgien und Nordfrankreich!" war, wie je irgend eine abendländische Rechtsordnung Stattdessen sprach Simons von der geringen Zahlungs- Strafrechtsregeln entbehren und durch das ,Die andre fähigkeit des geschwächten Deutschland und bot 30 Mil- Backe hinhalten' der Bergpredigt ersetzen konnte. liarden an; — 132 wurden von den Verärgerten gefordert; Was ich hier sage, hätte der christliche Religionsunterricht und zurückgekehrt rief Simons bei Siegmund-Schultze an: aller Konfessionen schon längst jedem Kinde bzw. Ju- „Sie haben Recht gehabt!' gendlichen einprägen sollen, um dem für die Christenheit III. schmählichen Gebrauch des Wortes ,alttestamentarisch' im In unbereuter Todsünde? abschätzigen Sinne vorzubeugen und die (von Paulus im Zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragen erklären Sie, es Römerbrief 2, 28 bezeugte und von Hitlers Haß nur zu gebe darauf „keine Antwort aus dem Ressentiment, son- hellsichtig erspürte) Identität des im besten Sinn Jüdi- dern nur aus der Vernunft, dem absoluten Willen zur schen mit dem im besten Sinn Christlichen festzuhalten. Gerechtigkeit und zur Toleranz'. Dem kann man nur zu- Dann hätten auch Sie die zitierte Wendung, deren ,alt- stimmen, auch wenn man die Fragen großenteils objektiv testamentarisch' zwangsläufig nur als ‚typisch- jüdisch im falsch gestellt findet (ohne damit Ihre wahrlich genug er- 38 wiesene subjektiv wohlwollende Absicht zu bezweifeln), regierung einen erheblichen Warenkredit angeboten hat. — vorausgesetzt, daß Sie als Teil einer solchen vemunft• Aber es war nicht nur ungeschickt, sondern falsch, daß gemäßen Antwort auch den Versuch einer Kritik der Fra- Israel diesen Kredit mit der Begründung ausgeschlagen gen gelten lassen, wie er hier als Vorbedingung zu jeder hat, es sei eine Beleidigung. brauchbaren Problemlösung von mir unternommen wurde. Es ist gewiß keine Utopie, auch in der Politik einen höchst- Die Dringlichkeit einer solchen Lösung aber muß idi nun möglichen Grad von Gerechtigkeit zu erzielen. Aber es ist abschließend noch sehr viel stärker betonen, als Sie es eine Utopie, einem Staate die Rechtmäßigkeit seiner Exi- tun, wenn Sie über das Verhältnis zwischen Israel und stenz zu bestreiten, wenn sie einmal unwiderruflich gewor- Bundesrepublik schreiben, es sei „kein Problem von welt- den ist. Ich weiß, da erheben sich schwierige Fragen, und politischem Rang, wenn man es in Vergleich setzt zu den ich erinnere mich, daß ich selbst den nationoalsozialisti- Macht- und Existenzfragen, die in kontinentalem ja schen Staat nicht als einen rechtmäßigen Staat anerkannt globalem Umfang aufgeworfen sind," und mich daher nie' in einem Treueverhältnis zu ihm be- Als Christ — nur als solcher habe ich mida in den letzten funden habe. Aber der Staat Israel ist ja bereit, die Bun- Jahren . zum Verhältnis zwischen Juden und Nichtjuden desregierung anzuerkennen und die von ihm geltend ge- geäußert, fühle ich mich also auch durch den Brief der machten Reparationen in Empfang zu nehmen, wenn nur Redaktion ‚Gegenwart* zur Antwort aufgefordert — muß die Bundesrepublik, ihr Parlament, jene Erklärung ab- ich hier ganz offen gestehen, daß idi das Problem der gibt, von der in der Deutschland-Resolution des jüdischen Beziehungen zu Israel hells- und darum weltgeschichtlida Weltkongresses die Rede ist. jetzt und hier für das wichtigste — und übrigens in der Wenn ich noch einmal resümieren darf: Ich glaube, wir Sdalußphase des Besatzungsregimes nachgerade auch bei- stimmen in der Grundauffassüng überein, und der schein- nahe dringlichste — von allen ‚außenpolitischen` Pro- bare Widerspruch besteht nur darin, daß Sie daraus theo- blemen der deutschen Bundesrepublik, des deutschen Vol- logische Konsequenzen ziehen, ich dagegen politische. kes halte, und zwar in dem gleichen Sinne, in welchem Meinerseits in der Hoffnung, daß Sie mich wirklich zu Charles Pdguy vor zwei Menschenaltern die öffentliche denen zähleng von denen Sie am Schluß Ihres Briefes Aufhebung des Fehlurteils gegen Dreyluß für unabding- geschrieben haben, daß also nicht nur ich selbst mich zu bar wichtig hielt, weil er nicht wollte, wie er schreibt, Ihnen gehörig betrachte, begrüße ich Sie mit ausgezeich- „daß Frankreich im Zustand der Todsünde konstituiert neter Hochachtung würde". Ihr sehr ergebener Es gibt noch Menschen, die für wichtig hielten, daß gez. Dr. Haerdter. Deutschland nach Hitlers Sturz nicht im Zustand der un- Basel, den 6. September 1951. bereuten Todsünde rekonstituiert würde. In der Hoffnung, daß sie zu diesen gehören, begrüße ich Sehr geehrter Herr Dr. Haerdter, Sie haben Sie Dank für Ihre freundliche Antwort, durch deren mit vorzüglicher Hochachtung Schlußwendung Sie die Hoffnung durchaus bestätigen, Karl Thieme. mit deren Ausdruck ich geschlossen hatte: Auch Sie wünschten, „daß Deutschland nach Hitlers Sturm nicht im Frankfurt am Main, den 3. 9. 1951. Zustand der unbereuten Todsünde rekonstituiert würde", wie sie an Millionen jüdischer Männer, Frauen, Greisen Sehr verehrter Herr Professor, und Kinder im Namen Deutschlands begangen, aber noch ... Ich hoffe, in dem Aufsatz über die moralische Seite, von keiner im Namen der Deutschen Bundesrepublik zu ich meine über unser, der Deutschen, moralisches Enga- sprechen befugten Instanz formell in dem Sinne aner- gement, unmißverständlich gewesen zu sein. Ich war frei- kannt worden ist, daß die Rechtsnachfolger feierlich er- lich, was die diplomatische Seite betrifft, nicht weniger klärt hätten: Unsre Rechtsvorgänger tragen die Verant- deutlich, das heißt, ich vertrat und vertrete weiter die wortung für dieses Verbrechen, also wir die für seine Auffassung, daß sich dir Staat Irsael, also nicht die Juden, Wiedergutmachung nach besten Kräften. die Juden in Israel, falsch verhält. Es gibt für die Moral Keinen Sachunterschied zwischen uns macht es aus, daß und für die Politik nicht verschiedene Gesetze, oder es ich aus der uns gemeinsamen moralischen Auffassung sollte sie wenigstens nicht geben. Wir jedenfalls, die wir „theologische Konsequenzen ziehe". Ich muß dies um der- Politik nicht im eigentlichen Sinne machen, sondern nur jenigen christlichen Leser willen tun, die zu vergessen der Politik von Interessen oder Vorurteilen unbelastete neigen, daß das ungeheuerliche Unrecht gegen die jüdi- Uberlegungen zur Verfügung stellen — wir als Zeit- schen Mitmenschen zugleich ungeinessene Sünde gegen schrift können die Dinge vielleicht schärfer trennen als die Gott ist. (Ihn kann — nach dem 1. Johannesbrief — nicht Diplomaten oder auch das Untrennbare schärfer be- lieben, wer seinen Bruder haßt.) Wurde doch auf der kürz- haupten. liehen Basler Konferenz europäischer Gruppen für darist- Iät meine also, daß Ihr Brief, indem er das ganze Problem lich-jüdische Freundschaftsarbeit gar berichtet, es gebe in unter eine nicht so sehr moralische als vielmehr theolo- Osterreich heute Christen, die das Argument: Wie könnt gische Perspektive stellt, der von mir bezogenen Position ihr als Leugner der heutigen deutschen Kollektivschuld nicht gerecht wird. Gerecht nicht im Sinne einer höheren zugleich an einer Kollektivschuld ,der' zeitgenössischen Gerechtigkeit. Gerecht vielmehr im Sinne der objektiven Juden für ein vor 2000 Jahren begangenes Verbrechen Interpretation. Dieser Einwand entkräftet natürlich nicht eines Bruchteils ihrer damaligen Vorfahren festhalten? — im Geringsten Ihre Argumente als solche, und ich respek- mit dem kaum glaublichen Satze beantworten: Die Juden tiere selbstverständlich die Kritik eines Menschen, der in vergingen sich an Gott, die Deutschen nur an Menschen! — dieser Frage vielleicht noch strenger sein kann als ich Strittig zwischen uns bleibt eigentlich nur die Frage nach selbst, weil er den ganzen Komplex auch als aktiver Christ der diplomatischen Korrektheit im Vorgehen des Staates betrachten kann, was ich von mir nicht sagen darf Israel. Denn Sie geben mir zu, daß die „Ablegung eines Sie werden begreifen, daß ich Ihre Erinnerung an meinen kollektiven Schuldbekenntnisses" von diesem Staate Aufsatz über die Kollektivschuld — den zweiten Aufsatz, „nicht in der Form, wie man es einmal von uns gefordert den ich in der „Gegenwart" überhaupt geschrieben habe hat", verlangt wird. Nur meinen Sie, es komme doch auf — mit besonderer Genugtuung registriere. Sie verstehen, eine faktische Diskriminierung der Bundes-Republik her- daß sich an dieser Haltung nichts geändert hat, daß ich aus, daß Israel sich bisher geweigert habe, mit ihr direkt also auch nicht bereit bin, sie zu modifizieren oder einer (statt über die Besatzungsmächte) zu verhandeln, und daß Situation anzupassen, der gegenüber sie beinahe unhalt- es einen angebotenen Warenkredit als „beleidigend" aus- bar erscheinen könnte: eben dem Judenproblem gegen- schlug. — Ichantworte: Damit hätten Sie Recht, wenn über. Sie bestreiten zwar, daß die bewußte jüdische For- bereits die vom Weltkongreß geforderte formelle parla- derung die Forderung nach der Ablegung eines kollek- mentarische Anerkennung der Verantwortlichkeit Hitler- tiven Schuldbekenntnisses sei. Sie ist es gewiß nicht in Deutschlands für das Verbrechen, also seiner Rechtsnach- der Form, wie man es einmal von uns gefordert hat, da- folger für die Wiedergutmachung vorläge. Da dies nicht mals, als ich meinen Aufsatz dagegen schrieb. Aber sie der Fall ist, kann ich Ihre Vorwürfe an Israel nicht gelten ist es in der Praxis. Sie iät es jedenfalls so lange, als sich lassen. der Staat Israel weigert, seine Ansprüche an keiner an- Vielmehr möchte ich hoffen, daß Sie aus der uns gemein- deren Stelle geltend zu machen als bei uns selbst. Viel- samen moralischen Grundeinstellung die gleiche Folgerung leicht war es nicht geschickt, daß die Deutsche Bundes- anerkennen, die sich mir zwingend zu ergeben scheint: 39 Es ist eine lebendige, vielfache, sehr heterogene und Vor allem andern muß jetzt, ohne jeden weiteren Verzug i im Stadium der wiederentstehenden deutschen Souveräni- von den widerspruchsvollsten Kräften gespeiste Einhei; tät, jene formelle Verantwortlichkeitsübernahme durch die mit all den modernen Krisenerscheinungen soziologischer, zuständigen Instanzen erfolgen. Dann muß sie von allen gesellschaftlicher und intellektueller Natur, die unser 20. Menschen guten Willens aufgenommen werden, indem Jahrhundert in einem profund-revolutionären Sinne auf- dieselben sich Erich Lüths Bitte zu eigen machen, die wühlen. Bitte an Israel: „Gewährt uns Frieden!" Ja, „von allen Sie plädieren, in sauberster geistiger Ehrlichkeit und mit Kanzeln, Kathedern und Regierungsbänken Deutschlands dem schönen Enthusiasmus des gläubigen Humanisten für sollte diese Bitte als Anruf an Israel und an die kleinste dieses im Deutschland der Nazi-Jahre tausendfach gefol- und verlorenste jüdische Restgemeinde in Deutschland terte Judentum. herausgehen, so laut wie ein Schrei!" Dieses Plädoyer ist, objektiv gesehen, durch die Entwidf- Wo das geschieht — unter entschlossener Zurüdtstellung lung überholt; das Judentum, legitim repräsentiert durch jeder Empfindlidüfeit über etwaige diplomatische Ver- seinen Staat Israel, plädiert durch die bereits historisch stöße der Gegenseite, die sich zu den vorangegangenen gewordenen Fakten seiner Leistungen für sich selbst moralischen im eigenen Lager allenfalls wie der Splitter Sie versuchen, durch eine theologisch-religions-philoso- im Auge des Bruders zum Balken im eigenen verhalten —, phische Klammer Bindungen zu schaffen, die nur auf einer da, nur da, wird das Bekenntnis zu der uns gemeinsamen völlig anderen Plattform realisierbar sein könnten. moralischen Sicht der Sache glaubwürdig sein und Frucht Wenn Sie, mit Ihrer so respektablen Bewegung in die tragen. Tiefe wirken wollen, so dürfen Sie nicht allein durch die Mit dem Willlen, an solcher Entwicklung noch nicht zu Suggestion des vorchristlichen jüdischen Beispiels brei- verzweifeln, und dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung tere Schichten des deutschen Volkes für die Ideen der bin ich Toleranz und für die Gefühle philosemitischer Sympathien Ihr ergebener zu gewinnen versuchen. Karl Thieme. Um wirklich erfolgreich zu sein, müßten Sie, das heißt Ihre Organisation, nicht einen Aspekt des jüdischen Pro- 81) Zur Sinnfrage christlich-jüdischer Freundschaftsarbeit blems sehen, sondern seine fast anarchische und doch so harmonische und konsequente Vielfalt Sehr geehrter Herr Professor Thieme, Um es präziser zu sagen: es gilt nicht mehr, verstaubte Sie haben mich freundlicherweise gebeten, die menschlich und unsinnige Vorurteile zu besiegen, sondern zu einem so sympathische Tätigkeit der Bewegung für gegenseiti- völlig neuen Urteil auf Grund endgültig gewandelter ges Verständnis zwischen Christen und Juden, in der Sie Bedingungen zu kommen. tätig sind, durch publizistische Behandlung in der inter- Das schließt keineswegs aus, daß Ihre Tätigkeit wesentlich nationalen Presse aus einer Isolierung und einer Anony- und wertvoll ist und daß sie ethisch gewertet, sehr hoch mität herauszuheben, in der weitgehend zu existieren sie eingeschätzt werden kann. leider gezwungen ist. Aber es gibt noch etwas, sehr verehrter Herr Professor, Ihr Schreiben wurde durch einen Artikel angeregt, den ich was einem Juden an Ihren Bestrebungen als ein psycho- in der Basler „Jüdischen Rundschau" unter dem Titel: logischer Fehlschluß erscheinen kann. ,,Gibt es noch deutsche Juden?* geschrieben habe. Ihre Arbeit hat im Wesentlichen deutsche Interessen. In diesem Artikel habe ich auf den tragisch zu nennenden Wenn sie für Toleranz und Verständnis wirbt, so dient Iirtum hingewiesen, der in Deutschland bereits wieder die sie dem Erwecken brutal erdrosselter Sympathien für objektive Analyse des so delikaten Problems der Bezie- jenes bessere Deutschland, das noch immer unter der Last hungen zwischen Deutschen und Juden zu deformieren von 6 Millionen gemordeter Juden begraben liegt. droht. Das ist gewiß eine schöne und begrüßenswerte Aufgabe. Ich bin der Ansicht, und habe es in dem Basler Blatt mit Aber es gibt keine jüdischen ideellen Interessen mehr in Beweismaterial- belegt, daß es völlig illusorisch ist, die Deutschland. Es gibt nur unbekannte Gräber und Erinne- eventuelle Versöhnung zwischen Deutschen und Juden im rungen. luftleeren internen Raum innerhalb der deutschen Grenzen Sie verteidigen die Juden gegen die Blindheit der Unver- zu behandeln. besserlichen, die noch zahllos sind. Diese Verteidigung war eine Verpflichtung der Tages- Es ist ganz ohne Belang, eine Aussöhnung zwischen den arbeit vor 1933. Jüden in Deutschland und den Deutschen herbeizuführen; Damals hatte sie Sinn und einen immensen materiellen ein Akkord könnte nur auf internationaler Basis abge- Wert. schlossen werden. Die Juden brauchen heute keine Verteidigung in Deutsch- Die Formulierung „Juden in Deutschland' ist übrigens land; sie sind in Wahrheit inexistent in diesem Land. Die bereits zu optimistisch. Rollen haben ein wenig gewechselt; sie kommen als For- Was sich noch oder wieder an Juden in Deutschland be- dernde, als Ankläger. findet, zeigt bereits die Symptome der Auflösung, der Als Ankläger solange, als die elementarsten Verpflich- Assimilation, die in diesem Falle in letzter Konsequenz, tungen zur ideellen und materiellen Wiedergutmachung die völlige Selbstaufgabe bedeutet. nicht erfüllt worden sind. Ich habe meinen Artikel mit diesen Sätzen beendet: „Wiedergutmachung» ist, beim Blick in den Abgrund und „Noch einmal ist das jüdische Problem in Deutschland bei der Hypothek der Gasöfen, gewiß ein hilfloses und Ursache eines Irrtums. Es gibt keine Juden mehr in lückenhaftes Wort: Deutschland. Es gibt nur eine Nachhut von Menschen Aber diese Wiedergutmachung ist immerhin die Voraus- dort, die ihnen ähneln. setzung dafür, daß Ihre so verdienstvollen Ideale die Wer sich ernsthaft bemüht, den unendlichen Wall der Möglichkeit haben, vielleicht eines Tages Realität werden Schwierigkeiten langsam abzutragen, muß sich woanders zu können. hinwenden ... Vielleicht wird es einmal in fernerer Ich danke Ihnen, sehr verehrter Herr Professor, für den Zeit gelingen ...a menschlich so sympathischen Brief, den Sie mir geschrie- Und hier, sehr verehrter Herr Professor Thieme. liegt die ben haben und ich bitte Sie, versichert zu sein, daß ich Quelle der Skepsis, die ich Ihren menschlich so noblen aus ehrlichem Herzen Respekt für die Gesinnung emp- Bemühungen um eine Annäherung zwischen Deutschen finde, die Sie auf einem so isolierten Posten täglich mit und Juden gegenüber empfinde. bemerkenswerter Kühnheit unter Beweis stellen. Der Großteil der Deutschen quittiert Ihre idealistischen Aber persönliche Wertschätzung und sachliche Diskussion Bestrebungen mit Indifferenz und mit Feindseligkeit. die der Probleme der Stunde sind Dinge, die oft zu sehr ge- Juden begegnen Ihrem Koordinierungsrat mit Mißtrauen. gensätzlidien Schlußfolgerungen führen. Die Basis Ihrer Tätigkeit ist zu eng. Ihre Zielsetzungen Ihr ganz ergebener sind zu abstrakt. Sie erschöpfen sich im Theoretischen. Kurt Kaiser-Bluth. Sie sind Theologe und ich bin der Letzte, der für Ihre These der Fixierung der gemeinsamen religiösen Werte Ende Oktober 1951. nicht ehrliche menschliche Achtung empfinden würde. Sehr geehrter Herr Kaiser-Bluth, Aber das Judentum von heute ist weit mehr als ein histo- Verzeihen Sie bitte, wenn ich erst jetzt im Herbst zu Ihrer risdi-moralisdier Faktor, als eine Art respektgebietendes freundlichen ‚Offenen Antwort' auf meinen Brief vom Museum der Religionsgeschichte. Frühjahrsanfang Stellung nehme; so spät zum Teil aus 40 rein technischen Ursachen, letztlich aber darum, weil es Geschichte auf ihren möglicher (ich persönlich sage: wahr- ja erst seit kurzem — durch -die Lüth-Aktion ,Wir suchen scheinlicher) Weise gemeinten .heilsgeschiditlidien Sinn- Frieden mit Israel' und die dann folgende Bonner Regie- Grund — ganz unabhängig von ihren sehr realen macht- rungs-Erklärung — möglich geworden ist, Ihnen zu einem (und ohnmacht-)politischen bloßen Ursachen — solche Prü- Hauptpunkt Ihres Briefes mit mehr als mit der wieder- fung fordern wir allerdings von unsern christlichen Brü- holten Beteuerung meines persönlichen Einverständnisses dern. zu Ihrem Satze zu antworten, daß es illusorisch sei, die Und wir haben für diese Forderung die feste Rechts-Basis Aufgabe jüdisch-deutscher Versöhnung nur „im luftleeren in der unanfechtbaren neutestamentlidien Offenbarungs- Raum innerhalb der deutschen Grenzen zu behandeln*. wahrheit, daß die Wiedervereinigung des Alten und des Was ich Ihnen dazu am 21. März schrieb, das hat inzwi- Neuen Gottesvolkes verheißen ist. Weil dieses Daß gewiß schen in der von Lüth und Küstermeier ausgelösten Be- ist, auch wenn wir das Wie noch kaum zu ahnen vermö- wegung, ja in der amtlichen Stellungnahme der west- gen, ist unsere Arbeit sinnvoll, ihre Basis ein Felsengrund deutschen Regierung und der Bundestags-Fraktionen sei- — christlich gesehen. nen Ausdruck gefunden: „Nur wenn es gelingt, auf dem Aber nun jüdisch? Was sollten Sie für ein Interesse daran Wege über eine ehrliche Wiedergutmachungsanstrengung haben, daß ein zunächst winziges Grüpplein von Christen zwischen Deutschland und Israel Beziehungen herzustel- den Juden gegenüber dieselbe Entdeckung machte und zu len, besteht irgendwelche Aussicht darauf, daß die offene verbreiten anfing, kraft deren Katholiken und Protestanten Wunde eines Tages heilt.* schon in breiteren Kreisen begonnen haben, einander nicht Ich glaube, daß wir daraufhin sagen dürfen:. Die Bemü- mehr so sehr als Gegner im Offenbarungsverständnis denn hungen katholischer und evangelisdier Christen in dieser als einst vereint gewesene, heute getrennte, aber künftig Richtung sind nicht ganz und gar vergeblich gewesen, wiederzuvereinigende Brüder zu begreifen? sondern haben vereint mit denen anderer Menschen guten Wäre das Judentum I. ein ‚Museum der Religionsge- Willens dazu beigetragen, daß endlich wenigstens dieser schichte, 2. ein durch seinen Staat repräsentiertes ,Volk Anfang gemacht wurde. So unbeirrbar, wie wir seit drei wie andere Völker auch', so könnte ihm jene innerchrist- Jahren, seit dem Mainzer Katholikentag, dafür eintraten, liche Entwicklung in der Tat gleichgültig sein. Aber es ist daß es zu diesem Anfang kam, so unbeirrbar gedenken I. kein bloßes Museum der Vergangenheit, sondern ein wir auch dafür Sorge zu tragen, daß es nicht dabei bleibt, Energiereservoir (ein Atomkraft-Reservoir!) der religiösen sondern nun eben vorangeht. Zukunft des Menschengeschlechts; denn es ist 2. kein Volk In der Richtung also des von Ihnen gewiesenen Weges wie andere, sondern — auch nach der Gründung Israels — über die deutschen Grenzen hinaus sind wir gegangen und das zum Segen für alle Völker bestimmte (nicht nur be- wollen wir weitergehen; bedeutet dies aber nun, daß wirk- stimmt gewesene) gotterwählte heilige Priester-Volk, ob lich „die Basis unserer Tätigkeit zu eng" ist, wie Sie es will oder nicht (ob wir wollen oder nicht). schreiben, daß wir uns „im Theoretischen erschöpfen"? Und darum kann es ihm nicht gleichgültig sein, wenn das Ich möchte diese Frage sehr ernst nehmen, vor allem an- Blut unzähliger seiner besten und frömmsten Söhne und gesichts der Begründung, die Sie für Ihre Bedenken geben. Töchter, die hingemordet wurden einzig und allein, weil Denn wenn Sie schreiben, das heutige Judentum sei weit sie diesem auserwählten Volke angehörten, wie jedes mehr „als eine Art respektgebietendes Museum der Reli- Märtyrerblut samen-haft zu wirken beginnt, Umdenken gionsgeschichte, so stimmen wir Ihnen wahrlich zu; auch wachzurufen, Umkehr, Sühnewillen und Versöhnungs- noch, wenn Sie meinen, wir sollten „nicht allein durch die sehnsucht. Suggestion des vorchristlichen jüdischen Beispiels* für es Ja, wir dürfen sagen: In seinen Besten ist dem jüdischen plädieren. Beides ist richtig und muß betont werden. Volke dieser Aufbruch zunächst einiger weniger deutscher Wenn Sie nun freilich weiter schreiben, unser Plädoyer Menschen in echter Reue nicht nur nicht gleichgültig; in sei „durch die Entwicklung überholt; das Judentum, le- seinen Besten hat das jüdische Volk auf diese deutsche gitim repräsentiert durch seinen Staat Israel, plädiert Umkehr längst sehnsüchtig gewartet. So gründlich ihm durch die bereits historisch gewordenen Fakten seiner etwaige Illusionen über eine sofortige allgemeine Neu- Leistungen für sich selbst", so müssen wir unterscheiden. besinnung in Deutschland zerstört worden sind durch alles, was seit 1945'unter Verteilung der ‚Schuld' auf sehr Wir können es wahrlich nachfühlen, was es dem heutigen viele Schultern geschehen ist, so grundlegend, so ‚histo- jüdischen Menschen bedeutet, sein Dasein als solcher risch bedeutsam' haben doch Männer wie Dr. Leo Baeck nicht mehr nur entweder als religiöser Erblasser an die und eben noch sein Schüler, der sich gerade nach Amerika Heiden-Christenheit vor 2000 Jahren oder durch irgend- verabsdiiedende bisherige hessische Landesrabbiner Dr. welche Kulturleistungen von Menschen jüdischer Her- Weinberg, unseren tastenden, elementaren Versuch ge- kunft für deren Gastvölker bei diesen gerechtfertigt zu nannt, das Verhältnis zwischen Juden und Christen sehn; wir haben auch gerade unsre Freiburger interkon- (nicht fessionelle Arbeit mit einem Palästina-Vortrag begonnen nur zwischen Juden und Deutschland!) von der Wurzel her und werden nicht müde, so ziemlich in jedem unsrer Rund- zu erneuern; im Religiösen, Wo sie sich trennten und tren- briefe auf die Leistungen Israels hinzuweisen, die rein als nen mußten, das dennoch vorhandene Brudersein wieder solche schon unzählige von den Anklagen widerlegen, die ins Bewußtsein zu heben, aus dem es seit 1800 Jahren man landläufig ,den Juden' zu machen pflegte. Sie fordern geschwunden schien. (Und bei den meisten Individuen nur. was wir längst getan haben, wenn Sie uns dazu er- auch geschwunden war, so unerschütterlich die Kirche als mahnen. ganzes daran festhielt.) Und noch eins: Ich will nicht in eine Diskussion mit Ihnen Aber wir müssen Sie nun freilich bitten zu verstehen, darüber eintreten, wie weit es noch wirklich Juden in wenn wir als ein Kreis von bewußt gläubigen Christen, der Deutschland gibt; daß die wenigen, welche ich eben dort ebensolche Christen für die Freundschaft mit den ,getrenn- kennen lernen durfte, eine Nachhut sind, das ist ja — ten älteren Brüdern' gewinnen will, gegenüber Ihrem: leider — unbestreitbar und m. W. unbestritten. Aber ich „das Judentum .. plädiert für sich selbst", den tieferen möchte eine Äußerung zitieren, die Walter Dirks Juli 1949 Aspekt betonen müssen: Gott Selbst plädiert — in einem in Frankfurt tat, als sich Hans Joachim Sches ganz ähnlich gewissen Sinne — für ,das Judentum', bzw. für das reale zu unsern christlich-jüdischen Freundschaftsbestrebungen Volk, dem Seine unverbrüchlich verheißene Treue gilt, in- in diesem Lande geäußert hatte wie jetzt Sie. Dirks sagte: dem Er einen Kevn dieses Volkes sich wieder im Gelobten Wenn auch der letzte Jude Deutschland verlassen hätte, so Lande sammeln läßt. wäre das nur die ‚Lösung' Hitlers; wir aber könnten um Wie Sie aus mehreren Beiträgen in unserm nächsten Rund- der Seele des deutschen Volkes selbst willen nicht darauf brief ersehn werden, ist dieser Aspekt auch in den Reihen verzichten, die Frage wachzuhalten, bis sie in uns selbst der Christenheit — der katholischen wie der evangeli- gelöst ist. — schen — nicht einfach unumstritten, und unser Heraus- Aus solcher Sicht unserer Bemühung heraus habe ich Ihre geberkreis wahrt die äußerste Behutsamkeit in der Art Publizitätshilfe dafür erbeten und möchte hoffen, daß Sie seiner Geltendmachung, um sich nicht dem Vorwurf einer dieselbe in der oder jener Form gewähren können. mangelnden Nüchternheit auszusetzen. Aber wenigstens Mit freundlicher Begrüßung die allerernsteste Prüfung der zeitgenössischen jüdischen Ihr sehr ergebener K. Th.

41 9) Rundrchau

9. 1.) Bilanz der Zerstörung des deutschen Judentums Diese nüchternen Zahlen sagen nichts über das unsäglich. Die *Stuttgarter Zeitung» veröffentlichte am 13. Novem- Leid aus, dem die deutschen Juden unterworfen waren. ber 1951 den folgenden Artikel von Kurt Großmann unter Fürwahr, eine Wiedergutmachung für die Vernichtung dem Titel *Bilanz der Zerstörung des deutschen Juden- und Hinaustreibung erscheint kaum möglich. Man kann tums», den wir mit freundlicher Genehmigung der *Stutt- sagen, daß von den deutschen -Juden ein relativ hoher garter Zeitung' wiedergeben: Prozentsatz emigrieren konnte, weil sie eine sechs- bis Das Deutsche Statistische Jahrbuch des Jahres 1925 re- siebenjährige Frist hatten, die den übrigen europäischen gistrierte, daß 564 519 deutsche Juden innerhalb des Juden nicht vergönnt war. Heute leben in Deutschland: Deutschen Reiches lebten. Heute leben in West- und Ost- Amerikanische Zone 19 625 deutschland, einschließlich der jüdischen vertriebenen Britische Zone 5 750 Personen, etwa 34 000 Juden. Von der Zahl des Jahres Französische Zone 570 1925 und der gegenwärtigen ist das *unermeßliche Leiden» Ostdeutschland 1 184 ablesbar, von dem Bundeskanzler Adenauer im Bundestag Berlin (alle Sektoren) . . .. 6 702 gesprochen hat. . Die Stadt Frankfurt a. M. beherbergt heute 1433, München Deutsche Juden, die 0,9 Prozent der deutschen Vorkriegs- 4913, Stuttgart 732, Köln 700 Juden. Etwa 7600 Juden leben bevölkerung ausmachten, hatten sich hauptsächlich in den noch immer in Lagern, mehr als sechs Jahre nach Been- Städten niedergelassen (Frankfurt a. M. hatte 29 385, Ber- digung des Krieges. Von den 6702 Juden in Berlin leben lin 172 672, Breslau 23 240, Köln 16 093, Leipzig 12 594, 60 Prozent im Westen, 40 Prozent im Osten. Ende dieses Hamburg 19 794, um nur einige zu nennen), wo ihr pro- Jahres wird Deutschland nicht mehr als 30 000 Juden in zentualer Anteil naturgemäß größer war, verglichen mit seinen Grenzen haben. der Gesamtbevölkerung. Als Hitler zur Macht kam, waren nur 15,7 Prozent der deutschen Juden über 60 Jahre alt. Das ist die nüchterne Zahlenbilanz; aber diese Zahlen In Europa war das Zahlenbild wie folgt: Im Jahre 1850 sprechen eine beredte Sprache und unterstreichen Dr. gab es dIth Millionen Juden in Europa, im Jahre 1914 Adenauers Erklärung *von den unermeßlichen Leiden', 10 Millionen. Im Jahre 1939 war diese Zahl auf 9 500 000 die den deutschen Juden angetan wurden. gesunken; jedoch im Jahre 1950 gab es nur noch 2 750 000 Juden in Europa. davon 1 800 000 allein in Rußland. Die Verluste des europäischen Judentums Zu dieser Zeit lebten in Deutschland noch 215 000 Juden, Um sich das Ausmaß der Zerstörung des europäischen da ein großer Teil inzwischen emigriert oder repatriiert Judentums in etwa vorzustellen — und ich spreche hier worden war (unter ihnen 'etwa 30 000 polnische Juden). nur von den physischen Verlusten —, muß men sich ver- Die zwangsweise Evakuierung und die Vernichtung be- gegenwärtigen, daß, wie schon oben festgestellt, im Jahre gannen im Oktober 1940, als 10 000 alte Juden aus Baden 1914 10 Millionen, 1939 noch 9 500 000, aber im Jahre 1945 nach dem französischen Lager Gurs (in der Nähe der Py- nur noch 2 750 000 Juden in Europa lebten, und daß in renäen) verschickt wurden. 1 Deutschland ihre Zahl von einst 564 000 im Jahre 1925 auf Die folgende Tafel vermittelt ein anschauliches Bild des 15 000 gesunken war, was einem Verlust von 96 Prozent Verschwindens des deutschen Judentums. entspricht. Datum Jüd. Bevölkerung Die Erfassung der physischen Verluste ist deswegen nicht 1925. (Volkszählung) 564 379 einfach, weil die Nazibestien mit den Menschen auch alle Januar 1933 (Schätzung) 525 000 Dokumente, alle ihre Habe vernichteten und sogar ihren Juni 1933 (Volkszählung) 499 682 Schmuck einschmolzen. Ferner waren die Selbstmordzif- September 1937 (Schätzung) 450 000 fern zu jener Zeit sehr hoch.. In Frankfurt a. M. zum Bei- 17. Mai 1939 (unveröffentlichte Zählung) 235 000 spiel begingen 200 Juden an einem Tage Selbstmord aus 1. September 1939 (Schätzung) . . . 215 000 Angst vor der bevorstehenden Deportation. Andere waren 1. November 1940 (Schätzung) 160 000 den ihnen auferlegten Strapazen nicht ae.werlisen und 1. Mai 1942 (Schätzung) . . 80 000 starben vor Erschöpfung. Weitere Tausende verhungerfrn, 1. Oktober 1942 (Schätzung) . 40 000 — 50 000 wie jene 23 000 ausgemergelten Körper bekundeten, die 1. September 1943 (Schätzung) 20 000 die englische Armee am 15. April 1945 bei der Befreiung 8. Mal 1945 , 15 000 des Lagers Bergen-Belsen fand. Ende 1944 glaubte man annehmen zu können, daß 285 000 Die Nazivernichtunnfmaschine setzte beinahe automatisch deutsche Juden ausgewandert und 75 000 bis 100 000 de• ein, sehet(' ein Gebiet erobert worden war. Nur iene Ju- portiert worden waren. Nach Kriegsende aber ergab sich den blieben zunächst leben, die der Nazikriegsmaschine folgendes Bild: iraenwie nützlich sein konnten. Die Gesamtzahl der um- Deutsche Juden nach der Zählung von 1925 . . 564 000 aekornmenen oder vernichteten Juden beläuft sich auf Auswanderunü nach Überseeländern u 6 093 000 (gleich 93 Prozent). Von dieser Zahl gehörten Europa von 1933 bis 1951 295 000 5 500 000 zu der iüdischen Zivilbevölkerung, einschließlich Uberlebende in Deutschland . . . 15 000 Kinder. Greise, Frauen und Männer. Von den Nazis vernichtet 190 000 Das Schicksal der vernichteten Jüdischen Kinder er- Tote (teilweise durch natürl. Ursachen) 64 000 564 000 scheint mir besonders erschreckend. Nach den verschie- Der Verlust des deutschen Judentums, gerechnet nach den denen Volkszählungen gab es in Polen. in den besetzten Zahlen des Jahres 1939, ist 91 Prozent, während der Teilen der Sowjet-Union. in der Slowakei und Karpatoruß- Durchschnittsverlust der europäischen Juden 63 Prozent land, in Litauen, Lettland, Deutschland und Osterreich, beträgt; mit Litauens 90 Prozent als dem stärksten und Böhmen, Mähren und Ungarn 1 800 053 jüdische Kinder Bulgariens 14 Prozent als dem niedrigsten Verlust. Tau- bis zu 14 Jahren, gleich 21.7 Prozent der jüdischen Ge- sende von Juden begingen Selbstmord, andere starben samtbevölkerung. Jacob Lestschinsky, eine Autorität auf an den Folgen der Strapazen oder der Behandlung im dem Gebiete jüdischer Bevölkerungspolitik, kommt zu Konzentrationslager. dem Resultat, daß nur 280 000 iüdische Kinder der Ver- Diejenigen Juden, denen die Auswanderung gelang — oft nichtungsmaschine entronnen sind und der Verlust von nach Uberwindung größter Schwierigkeiten und unter mehr als 1 5n0 000 unschuldiger Kinder — ein Verlust Zurücklassung allen Eigentums —, verteilen sich wie für mehrere Generationen — fürwahr eine einzige Anklage folgt: bleiben wird, was immer auch Deutschland zur Wieder- Vereinigte Staaten von Amerika . . 140 000 gutmachung tun wird. Israel 65 000 Auf dem europäischen Kontinent gab es eigentlich nur Mittel- und Südamerika • 55 000 Holland, das mit einer Gesamtbevölkerung von nur Europäische Länder 30 000 9 Millionen die relativ große Zahl von 40 000 Juden ver- Verschiedene Länder 5 000 borgen hatte, von denen sich 15 000 retten konnten. Die holländischen Zahlen sind lehrreich, um die exakte Bru- • Anmerkung der Redaktion: Sie begann eigentlich bereits am 12./13. Februar 1940. als sämtliche Juden und Partner der sogen. christ- talität, den organisierten Sadismus zu begreifen. lichen Mischehen aus Stettin und Pommern nach Polen deportiert Hier ist die grausame Statistik, die ein holländischer Jude, wurden, von welchen etwa 12 überlebten. der die Besetzung überlebte, aufgezeichnet hat: 42

Zahl der holländischen Juden bei Beginn schen Zeit umgekommenen Juden genannt wird? Es be- der deutschen Invasion 125 000 steht zur Zeit angesichts verschiedener Pressekampagnen, Jüdische Flüchtlinge, darunter mehr die sich bemühen, diese Zahl anzuzweifeln, ein neues In- als 75 Prozent deutsche Juden 20 000 teresse an dieser Frage. Aber bevor wir das Resumd der zusammen 145 000 darüber von uns kürzlich angestellten Untersuchung ge- Ausgewandert 20 000 ben, scheint es angebracht, einige Worte über die Um- Deportiert 85 000 stände zu sagen, die uns zu dieser Untersuchung veran- Von holländischen Christen laßt haben. Sie sind für die Wichtigkeit charakteristisch, verborgen gehaltene Juden . 40 000 die diese Frage heute in Deutschland einnimmt und für Von der Gestapo gefangen die widerspruchsvollen Tendenzen, die dabei zutage und getötet ...... 25 000 treten. Erberlebende Juden in Holland 15 000 Wir haben diese Untersuchung tatsächlich auf eine An- Rückkehrer 5 000 frage der Evangelischen Kirche in Deutschland hin vor- Zahlen der Juden in Holland (1946) 20 000 genommen, veranlaßt durch einen Brief des Oberkirchen.; Natürlich gibt es noch andere denkwürdige Rettungs- rats von Harling, die uns durch den Zentralrat der Juden aktionen, wie die der Dänen im Jahre 1943, die mehr in Deutschland übermittelt wurde. Es wurde dabei darauf als 6 000 Juden in ihren Booten nach Schweden brachten, hingewiesen, daß es aus psychologischen Gründen wich- bevor Hitlers Banden Hand an sie legen konnten') .Abge- tig sei, genaue Ziffern zu haben und es wurde um eine do- sehen von diesen Rettungsaktionen (auch in Deutschland kumentarische Darlegung gebeten. Wir bieten im Folgen- wurden Juden verbargen gehalten; sogenannte Taucher den ein wesentliches Resumd aus Dokumenten, die etwa — 2000 — lebten zum Beispiel in Berlin) war die Nazi- 500 Seiten umfassen. vernichtungsmaschine besonders nach der berüchtigten 1. Zunächst: Woher kommt die allgemein angenommene Wannseekonferenz vom Januar 1942 leider zu erfolg- Zahl von sechs Millionen? Wir glauben uns nicht zu täu- reich. schen, wenn wir vorausschicken, daß der Internationale Um das Ausmaß der physischen Vernichtung zu erkennen, Gerichtshof für Kriegsverbrecher (und zwar derjenige, der müssen wir alle die europäischen Länder ausschließen, die in Nürnberg Goering und Genossen verurteilte), ihr so von Hitler nicht erobert und besetzt wurden, wie ein Teil große Verbreitung gab. Man findet auf Seite 266 seiner Sowjetrußlands mit 1 000 000 Juden. England mit über Urteilsbegründung diesen Satz: „Adolf Eichmann, den 300 000, die Schweiz mit 40 000, Portugal, Spanien und Hitler mit dem Programm der Vernichtung betraut hatte, Finnland, welch letzteres Hitlers Vorstellungen, seine hat geschätzt, daß diese Politik den Tod von sechs Millio- Juden zu vernichten, nicht folgte. nen Juden verursacht hat, von denen vier Millionen in In den Ländern, die Hitler eroberte oder kontrollierte, Vernichtungslagern umgekommen sind." Die Quelle die- befanden sich 8 295 000 Juden, von denen 6 093 000 um- ser Informationen wird nicht aufgewiesen, aber wenn man kamen- gleich 72,4 Prozent. Gemessen an dem gesamten die Aussagen bei der Gerichtsverhandlung zugrunde legt, europäischen Judentum bis 1939 von 9 500 000 verloren stellt man fest, daß der Gerichtshof sich auf zwei Zeugen 63 Prozent ihr Leben. Folgende Tafel (nach Jacob Lest- zweiter Hand gestützt hat, diejenige der 55-Angehörigen schinsky) gibt einen überblick über das Ausmaß der Ver- Wilhelm Hoettl und Dieter Wisliceny, zwei Freunde Eich- nichtung des europäischen Judentums: manns (Wisliceny war einer seiner nächsten Mitarbeiter). Die physischen Verluste in von den Nazis okkupierten Beide versicherten, diese Zahl von Eichmann zu haben. 2. Ein nachträglich entdecktes Dokument in dem Archiv und dominierten Ländern des Dritten Reiches hat das Urteil des Gerichts hinsicht- Jüdische Verluste Land Bevölkerung Anzahl Prozent lich der Größe bestätigt, die man nach diesem Dokument Polen ...... 3 300 000 2 900 000 87,9 nur als ein Minimum ansehen kann. Es handelt sich um Sowjetrußland (bes. Teil) 2 100 000 1 500 000 71,4 einen statistischen Bericht über die „Endlösung der Juden- Rumänien . . . 850 000 425 000 50,0 frage", der Anfang 1943 auf die Angaben Himmlers hin Ungarn . 403 000 200 000 49,6 durch eine Dienststelle für Statistik des Dritten Reiches Frankreich 300 000 , 90 000 30,0 redigiert wurde. Der Bericht setzt die Bilanz der „End- Tschechoslowakei . 315 000 260 000 82,5 lösung' auf das Datum des 31. Dezember 1942 fest. Es Deutschland (1939!) . 210 000 170 000 91,0 handelt sich um eine ernsthafte Arbeit, die durch Berufs- Osterreich . . 60 000 40 000 66,6 statistiker gemacht wurde. Und dies sind die Schlüsse, zu Litauen 150 000 135 000 90,0 denen dieser Bericht kommt: Lettland 95 000 85 000 89,5 „Bilanz des europäischen Judentums ... Wenn man die Holland 145 000 105 000 72,4 Judenabwanderung hinzuzählt, den Oberschuß an Sterb- Belgien 90 000 40 000 44,4 lichkeit sowie andererseits die unvermeidlichen Irrtümer, Jugoslawien . 75 000 55 000 73,3 die auf die Wanderung der jüdischen Bevölkerung zurück- Griechenland . 75 000 60 000 80,0 gehen, kann man die Abnahme der jüdischen Bevölkerunq Italien . 57 000 15 000 26,3 in Europa in den Jahren 1937 bis 1943 auf 4 112 Millionen. Bulgarien 50 000 7 000 14,0 schätzen. Diese Ziffern umfassen nur teilweise das Ster- Verschiedene . 20 000 6 000 30,0 ben der Juden in den besetzten Ostgebieten, während die 8 295 000 6 093 000 73,4 Todesfälle im übrigen Rußland und der Frontzone nicht Diese Zahlen können nicht die Todesängste, die Qualen, darin eingeschlossen sind." die Tränen der unschuldigen Opfer interpretieren, deren Dieser Text ist genügend klar, „die Auswanderung ein- unermeßliche Leiden Deutschland nunmehr vor aller Welt begriffen", beläuft sidi die „Abnahme' auf 4 1/2 Millionen, anerkannt hat. Sie geben aber dem Zweifelnden wie auch Auswanderung nicht einbegriffen, beläuft sie sich immer dem Wahrheitsuchenden die Grundlage, die Größe des noch auf 4 Millionen. (Man weiß, daß alle, und zwar Verbrechens zu ermessen, das wir alle verdammen und gleich welcher Rangstufe, die sich mit diesen Fragen zu das Wiedergutmachung erfordert. beschäftigen hatten, es vorzogen, sich einer verschleier- Kurt R. Großmann. ten Terminologie zu bedienen). Das geschah bis zum (In: „Stuttgarter Zeitung" (Stuttgart 13. 11. 511, 365, 8. 3.) 31. Dezember 1942. Man zog die „Todesfälle, die sich in . dem übrigen Rußland und der Frontzone ereignet 9. 2.) Sechs Millionen .... hatten, nicht in Betracht", zu einer Zeit, zu der das un- Eine Zahl, welche durch die Dokumente und Statistiken garische Judentum noch intakt war (nach den deutschen bestätigt wird Dokumenten wurden 430 000 ungarische Juden in der Zeit von Ldon Poliakov von April bis Juli 1944 nach Auschwitz befördert), in der Woher kommt und worauf beruht die Zahl von sechs wichtige Ghettos und Arbeitslager noch im besetzten Po- Millionen vernichteter Juden, die allgemein insgesamt als len existierten (der Bericht schätzt die im .Generalgou- die Zahl der in vernement" bleibenden Juden auf 297 000); es wurde auch Europa während der nationalsozialisti- noch die Jagd nach Juden durch ganz Europa während 11 Zur Mitwirkung des deutschen Konsulstsbeamten 0. Duckwitz an zwei Jahren nicht ausgesetzt. Auf der Grundlage dieses dieser Rettungsaktion vgl. Nr. 5,6. 8. 19; die Zahlendifferenz zwi- schen der Angabe über die in Berlin Versteckten im nächsten Satz Dokuments kann man also mit einer quasi Gewißheit und der in Nr. 8/9, 8. 27 zitierten erklärt sich vielleicht dadurch. daß sagen, daß die Zahl der vernichteten Juden sich auf 5-7 im Folgenden nur die bis ganz ans Ende in Berlin Verbliebenen Millionen belaufen muß. gezählt sind. Eine weitere zum Vergleich brauchbare Methode der 43 Schätzung besteht darin, die Zahlen nach den Vernich- Strafkennner ergangen war, wurde am 22. November auf tungsorten zu addieren. seien es diejenigen, die sich in_ eine Klage der Domnick-Film G.m.b.H. und des Herzog- den tünf Todeslagern (Belzec, Treblinka, Sobibor, Lhelmno, Film-Verleihs hin von der Zivilkammer 15 des Hamburger Auschwitz) ergeben, seien es .die chaotischen Vernich- Landgerichts unter Androhung einer noch gerichtlich tungen, wie sie sich in der U.R.S.S. zutrugen und die noch festzusetzenden Geld- oder Haftstrafe verboten, gegen hinzukommen. den Film »Unsterbliche Geliebte" Stellung zu nehmen. Für die ersten vier Lager hat die polnische Kommission Im Urteil heißt es, daß Erich Lütte weder die Filmtheater- der Kriegsverbrechen, die 1945/1946 eine eingehende und besitzer noch den Filmverleih auffordern dürfe, den Veit- sorgfältige enguete geliefert hat, sich auf die folgenden Harlan-Film nicht in ihr Progiamm aufzunehmen, und daß Zahlen beschränkt: er weiterhin nicht das deutsche Publikum auffordern dürfe, Belzec 600 000 den Film nicht zu besuchen. Die Kosten des Verfahrens Sobibor 250 000 wurden dem Beklagten auferlegt. Zu diesem Urteilsspruch Treblinka 700 000 sagte Erich Lüth, wie die „Neue Zeitung' (23. November Chelmno 300 000 1951) meldet, er sei persönlich darüber enttäuscht, weil 1 850 000 das Gericht ihn einem Gewissenszwang unterstelle . . . 1) Was das ungeheuerliche Lager Auschwitz betrifft, so hat Lütte erklärte ferner, der Hamburger Senat habe ihm je- ,der Lagerkommandant Rudolf Hoess, der gleicherweise den Rechtsschutz gegeben, darüber hinaus sei es von Tau- vor dem internationalen Gerichtshof ausgesagt hat, die senden von Deutschen als eine Ehrensache angesehen Zahl von 21/: Millionen vernichteter Juden gegeben: Mit worden, ihm finanziell zu helfen. Die Versuche der Film- aller Vorsicht und auf- Grund von Betrachtungen, die wir gesellschaften; ihn finanziell mürbe zu machen, seien an im einzelnen in unserem Werk »Brevier des Hasses* dar- der Solidarität seiner Freunde gescheitert, die sich in den gelegt haben, wollen wir die Zahl von 2 1it Millionen Kreisen der CDU, FDP, SPD, des Akademiktertums er- nennen. freulicherweise auch in der akademischen und der Ar- Was die chaotische Vernichtung betrifft, so hat uns die beiter-Jugend befänden ... Analyse der fragmentarischen statistischen Daten, die da- Für die finanzielle Hilfe in seinem Rechtsstreit, die Erich mals durch die mit dieser Aufgabe betrauten „Aktions- Lütte in dieser Äußerung zum Hamburger Urteil erwähnt, gruppen" der SS nach Berlin mitgeteilt wurden, dazu hatte er im April 1951 folgendes Dankschreiben versandt: geführt, die Zahl von 1 500 000 anzunehmen. Man kommt „Der Aufruf zur Spendenaktion „Meinungsfreiheit*, zu, also insgesamt auf 5 300 000. ohne die unzählbaren, dem zwölf Persönlichkeiten des politischen und kulturel- an Hunger, Krankheit usw. in den großen Ghettos len Lebens aufgerufen hatten, erzielte bereits nach ein- Polens Verstorbenen, sowie in den zahllosen Arbeite. maliger Veröffentlichung einen vollen Erfolg. Alle aus lagern, die über ganz Europa verstreut waren, hinzuzu- meinem Rechtsstreit um die Wiederkehr des „Jud-Süß"- rechnen. (Man wird z. B. feststellen, daß in dieser Sta- Regisseurs Veit Harlan vor dem Landgericht und vor dem tistik das ganze Lager nicht mit eingeschlossen war, das Oberlandesgericht in Hamburg erwachsenen Prozeßkosten als Maidanek bekannt ist, da es nicht ein Vernichtungs- können aus diesem Spendenfonds gedeckt werden. lager im eigentlichen Sinne des Wortes war. (Anmerkung Auch Sie haben diesen Kampf zu Ihrer eigenen Sache d.Red.: d. h. daß keine Massenliquidationen stattfanden.) gemacht und mir durch Ihren Beitrag materielle und mo- 4. Eine letzte Methode ist von dem bedeutenden Statisti- ralische Hilfe geleistet. Hierfür danke ich Ihnen auf das ker Jacob Lestschinsky benutzt worden. Sie besteht herzlichste. darin, die Gegebenheiten hinsichtlich der jüdischen Be- Die Mehrzahl der eingegangenen Spenden setzte sich aus völkerung vor und nach dem Kriege zu vergleichen. Auf kleinen und kleinsten Gaben zusammen. Selbst Arbeits- diese Weise ist er in seinen Studien „Bilanz einer Ver- lose, Rentenempfänger, Flüchtlinge, Studenten und Lehr- nichtung* (New York, 1946) zu genau derselben Zahl von linge erklärten sich bereit, wöchentlich oder monatlich sechs Millionen Vernichteter gekommen. solange von ihren Unterstützungssätzen oder von ihrem So kommt man also, wie auch immer die angewandte Taschengeld Beiträge zu leisten, bis der volle Betrag der Methode ist, zu der ungefähren Zahl von sechs Millionen Prozeßkosten aufgebracht sei. Dieses Ziel ist erreicht. Umgekommener, die eines gewaltsamen Todes gestor- Minister, Senatoren, Geistliche aller Konfessionen, kon- ben sind. (Die ungefähre Schätzung entspricht etwa der fessionelle Verbände, Jugendgruppen, Schauspieler der Natur der Frage selbst). Ohne daß dem demographischen Bühne und des Films, Journalisten, Politiker der SPD, Mangel Rechnung getragen ist, kommen wir zwischen CDU und FDP, Abgeordnete des Bundestages, der Länder- 1939 und 1945 folglich, abgesehen von den fast gänzlich und Stadtparlamente, darunter ehrwürdige Persönlich- fehlenden Geburten in den jüdischen Bezirken zu einer keiten wie der ehemalige Reichstagspräsident Paul Löbe Sterblichkeit und Vernichtung, die die Kinder am radi- und die Berliner Bürgermeisterin Frau Louise Schroeder, kalsten betrafen und bei der die Kräftigsten die beste trugen zum Erfolg der Spendenaktion bei. Alle, die in Chance zum Überleben hatten. Und infolgedessen wäre dieser Sache ihre Stimme erhoben haben, wendeten sich es mit Hilfe der demographischen Methoden, die von damit gleichzeitig gegen den Rassenhaß und gegen den Berufsstatistikern stammen, ohne Zweifel möglich, festzu- Mißbrauch der Kunst, die niemals tiefer beleidigt wurde stellen, daß unter diesen Bedingungen „die tatsächlichen als im „Jud-Süß"-Film. Echte Kunst kann nur aus dem Verluste* des jüdischen Volkes in der Zeit von 1939 bis Gesetz der inneren Wahrhaftigkeit und aus der charakter- 1945 sich auf mindestens 8 Millionen belaufen. lichen Sauberkeit ihrer Träger leben. (Auszug aus Evidences, Paris (November, 1951) Nr. 21. p. 10/12) In diesem sinne wurde die Aktion „Meinungsfreiheit' zu (Anmerkung der Red.: Die überaus objektive, ja vorsichtige Stellung- einer Demonstration f ü r Wahrhaftigkeit, Sauberkeit und nahme dieser In Europa erstmals publizierten Darlegung erhellt dar. Menschlichkeit aus, daß. wie oben angedeutet, die zahllosen durch drohende Depor- tationen verursachten Selbstmorde. durch Arbeit, Mißhandlungen. den Ich danke den Initiatoren der Aktion „Meinungsfreiheit" Hunger und Krankheiten, seelische Zerrüttung usw. verursachten und allen, die auch in Zukunft durch ihre Haltung helfen Todesfälle überhaupt nicht erwähnt sind. Aus eigener Erfahrung sei wollen, unsere jüdischen Brüder mit ihrer deutschen Hei- nur auf die Zahl der Toten eines der Kz: Ravensbrück, hin- gewiesen, in dem allein 92 000 Frauen umgekommen sind.) mat auszusöhnen. In aufrichtiger Verbundenheit 9. 3.) Der Fall Harlan Ihr gez. Erich Lüth." Der Kampf gegen den Veit-Harlan-Film „Unsterbliche Im November d. J. wurde der Fall Veit Harlan auch in Geliebte' hat sich in den letzten Monaten fortgesetzt. der Schweiz akut. Der Film sollte in Zürich aufgeführt In manchen deutschen Städten, wo es zu Demonstrationen werden. Die „Neue Zürcher Zeitung" veranstaltete eine gegen diesen Film des And-Süß'-Regisseurs kam, wurde Rundfrage über diesen Film. In der Vorbemerkung der die Aufführung des Films verboten, wie z. B. in München. Redaktion heißt es: „Wir sind gegen die Aufführung des In anderen Städten lief der Film leider „aus undurch- neuen Harlan-Filmes in der Schweiz. Harlan hat mit sei- sichtiger Toleranz", wie die „Neue Zürcher Zeitung* vom nem Film ,Jucl Süß' die Pogrom - Stimmung in Deutsch- 27. 11. 1951 schreibt, obwohl vielerorts von führenden land wenn nicht unbedingt angeregt, so doch zum min- Persönlichkeiten dagegen protestiert wurde. desten gefördert und mitangeheizt. Harlan war ein willi- Dem Leiter der staatlichen Pressestelle Hamburg, Senats- ges Werkzeug jener Leute, die das verabscheuungs- direktor Erich Lütte, der als Erster gegen die Aufführung würdigste Vernichtungswerk der Geschichte auf dem Ge- des Filmes Stellung genommen hatte und gegen den des- wissen haben, die Vernichtung Hunderttausender.' (Man wegen damals eine „einstweilige Verfügung' von der 1) Er hat nun in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde dagegen erhoben. 44 muß, wie aus dem vorstehenden Beitrag s. S. 44 hervor- Rauch, Kreisdekan Professor Dr. Hof, Dekan Fritz Horch, geht, sagen: von Millionen. Die Red. des „Rundbrief"). der Präsident des Oberrates der Israeliten Südbadens, In der Rundfrage werden viele Stimmen zu dieser Frage Nathan Rosenberger, Prälat Professor Dr. Allgeier, Gene- wiedergegeben, von einem Drehbuchautor, einem Film- ralstaatsanwalt Professor Dr. Bader, Professor Dr. Clemens kritiker, mehreren Juristen und Akademikern. Sie spre- Bauer, Oberlandesgerichtsrat Dr. Ellenbogen, Rechtsan- chen sich alle gegen die Aufführung des Filmes in der walt Robert Grumbach, Ehrenbürger der Stadt Freiburg; Schweiz aus. Dabei ist bemerkenswert, daß viele der Bundestagsabgeordneter Heinrich Höfier, Ministerial- Stimmen mit Anerkennung auf die Proteste und Demon- direktor Dr. Janz, Leiter der Badischen Staatskanzlei; strationen gegen den Film in Deutschland hinweisen. Ein Msgr. Kuno Joerger, Minister Alfons Kirchgäßner, Mi- Akademiker (Dr. B. S.) schreibt dazu u. a.: „Die besten nister Dr. Lais, Professor Dr. Friedrich Oehlkers, Rektor Geister haben In Deutschland den Kampf für das Ansehen der Universität Freiburg; Dr. Reisch, Vertreter des Landes des deutschen Filmschaffens im Ausland aufgenommen. Baden in der Freiwilligen Selbstkontrolle der deutschen Es wäre unerträglich, wenn dieses gleiche Ausland den Filmwirtschalt; Reinhold Schneider, Dr. h. c.; Frau Maria Wortführern eines neuen und besseren Deutschlands in Wohleb; Oberlandesgerichtspräsident Dr. Zürcher. den Rücken fiele, indem es dem Naziregisseur Nr. 1 Gast- recht gewährt. Die Aufführung eines Harlan-Films in der 9. 4.) Drei Jahre Einwanderung und Kolonisation in Israel Schweiz müßte nicht nur von der jüdischen Bevölkerung, Anläßlich des dritten Jahrestages der Errichtung des sondern von einem jeden Schweizer, für den Demokratie Staates Israel hat der amtliche Israelische Nachrichten- und Menschlichkeit verpflichtende Begriffe bedeuten, als dienst am 16. Mai 1951 eine genaue Bilanz der haupt- ein schwerer Affront und als eine Herausforderung emp- sächlichsten Aktualitäten des jungen Staates gegeben. funden werden." Wir bringen einige Auszüge mit Bezug auf die Einwan- Das erfreulichste ist aber, daß das Zürcher Lichtspiel- derung und die Kolonisation. theater, das diesen Film ohne Kenntnis der Hintergründe erworben hatte, sich jetzt weigert, den Vertrag zu er- Das Anwachsen der Jüdischen Bevölkerung füllen. Das Lichtspieltheater sagt in seiner Veröffent- Von der Gründung des Staates bis Ende 1950 hat die jü- lichung: dische Bevölkerung Israels um 85 Prozent zugenommen. „Erst durch die Protestkundgebungen anläßlich der Auf- Sie stieg von 655 000 auf 1203 000 Seelen und ist um führung des Films und auf Grund der zahlreichen Presse- nahezu 30 000 monatlich gewachsen. Von dieser Zunahme meldungen aus Deutschland erhielten wir Kenntnis, daß beträgt die Einwanderung 91 Prozent, die natürliche Zu- Harlan in der Zeit der völligen Recht- und Schutzlosigkeit nahme 9 Prozent. Die natürliche Zunahme der jüdischen der Juden in Deutschland den antisemitschen Hetzfilm Bevölkerung stellen die folgenden Ziffern dar: „Jud Süß" geschaffen und damit direkt zur Verletzung der Geburten- natürliche Zunahme Sterblichkeits- Menschenrechte und zur Judenverfolgung aufgerufen hat. ziffer pro tausend zitier Seit diesem Zeitpunkt weigern wir uns mit aller Ent- 1949 29,94 23,10 6,84 schiedenheit, den Film „Die unsterbliche Geliebte" ins 1950 32,64 26,16 6,48 Spielprogramm aufzunehmen.' Diese Haltung könnte den deutschen Lichtspieltheatern Ursprungsland der Einwanderer ein Vorbild sein! Zu dem Ergebnis der Rundfrage der Die gegebenen Ziffern der folgenden Tabelle zeigen die „Neuen Zürcher Zeitung" und zu dem Beschluß des Licht- Aufteilung der Einwanderer, die seit dem 15. Mai 1948 spieltheaters schreibt der Redakteur der „JUNA" (Presse- nach Israel gekommen sind, nach ihrem Ursprungsland. stelle des Schweizerischen Israelitischen Gemeinde- Man ersieht, daß zwei Gruppen von Gebieten die große bundes): „Ich bin sicher, daß an diesem erfreulichen Er- Masse der Einwanderer bildeten: Ost- und Mitteleuropa gebnis ein nicht geringes Verdienst Senatsdirektor Erich und andererseits der Vordere Orient und Nordafrika. Ins- Lüth und allen jenen zukommt, die in einer Front mit ihm gesamt setzte sich in den drei ersten Jahren die Mehrheit in Deutschland selbst den Kampf gegen das Wiederher- der Einwanderer aus der ersten Gruppe (Europa) zusam- vortreten von Veit Harlan führen." men, aber man kann feststellen, daß die Zahl aus dem Zu dem Freiburger Protest gegen die Harlan-Aufführung mittleren Orient und Nordafrika im Laufe dieser Periode veröffentlichte die „Badische Zeitung" (vom 10./11. 3. 1951) nicht abgenommen hat. Eine große Zahl der ursprüng- die folgende Mitteilung: lichen Einwanderer Europas bewohnten seit mehreren Die Ankündigung der Vorführung des Veit-Harlan-Films Jahren die D.P.-Lager in Zentral-Europa und in Italien, „Die unsterbliche Geliebte" im Freiburger Zentraltheater bevor der unabhängige Staat Israel die Pforten des Landes hat eine Reihe von Freiburger Organisationen und führen- öffnen konnte. den Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens veranlaßt, % d. Gesamt- zahl sich in einem Schreiben an den Innerminister zu wenden, 15. Mal--31. Des. 1948 -- 1948-- 1919-- um ihn' zubitten, die Vorführung des Films in Freiburg zu 1948 1949 1950 1950 1950 1947 verhindern. Sie weisen in diesem Schreiben darauf hin, Libanon u„. Syrien . 1.570 1.359 2.934 0,6 daß Veit Harlan seinen Namen und sein Ki'nnen für den Irak 15 1.709 26.492 28.216 5,5 1,0 Hetzfilm „Jud Süß' hergegeben hat und auch bereit war, Iran 44 1.778 12.131 13.953 2.7 4.3 Türkei 4.388 27.295 4.160 35.843 7 0 2,0 Shakespeares „Kaufmann von Venedig" für die Absich- Yemen u. Aden . . 298 35.138 16.145 51.581 10,0 4.3 ten der Rassenhetze herzurichten. Er habe dadurch dem Afghanistan . . . 2S 446 '12 543 deutschen Ansehen in der ganzen Welt schweren Schaden Ägypten • . . . . 129 7.145 7.352 14.626 Tunesien. Algerien zugefügt und sei mitschuldig, daß die deutschen Künstler u. Marokko . . 7.074 17.924 11.433 36.431 und Intellektuellen in den Verruf gekommen sind, sich zu Libyen . . . . . 1.065 14.066 10.068 25.199 16.2 0,7 Jeder politischen Schandtat herzugeben. Sein Wiederauf- Andere Länder d. vord. Orients u. treten sei geeignet, den deutschen Namen ein zweitesmal Nordafrikas . . 211 5.040 1.128 6.379 schwer zu schädigen. Vor allem sei es grausam und ein Rußland . . . . 771 2.634 427 3.832 Zeichen von Herzenshärte, den Hinterbliebenen der Opfer Balt. Länder . . . 592 658 123 1.375 0.3 4.2 Polen 31.245 48.343 25.288 104 836 20.9 40 9 zuzumuten, mitanzusehen, wie in Deutschland wieder Rumänien . . 24.280 14.096 41.289 79 863 15.5 8.3 Filme des Mannes gezeigt würden, der vor wenigen Jah- Bulgarien . . . . 15.676 21.308 , 761 37.745 7.3 1.4 ren zum grauenvollen Massenmord die filmische Begleit- Jugoslawien . . . 4.136 2.470 332 6.938 1.3 0.5 musik gemacht habe. Die Filme Veit Harlans seien des- Griechenland . . 192 1.384 463 2.019 0,4 2.1 Deutschland . . . 1.585 5.333 983 7.901 1.5 11.7 halb zu einem Zeichen geworden, an dem sich heute die Osterreich . . 446 1.620 513 2.579 0.5 2.2 Geister scheiden müßten. (Dieser Protest bezog sich auf Tschechoslowakei . 2.558 15.689 974 19.221 3.7 1.9 den Wortlaut des in Frankfurt a. M. vorangegangenen. Ungarn . . . . 4.266 6.844 2.960 14.070 2,7 0,9 Andere ettrop. Vgl. Rundbrief 10./11. S. 28). nicht spez. Das Schreiben ist unterzeichnet von den Vorständen der Länder . . . . 3.337 4.388 3.273 9.998 2 0 5.4 Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, der östl. Halbkugel . . 284 1.385 891 2.560 0.5 2.3 CDU, SPD, FDP, des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Ursprungsland 4.388 3.273 9.998 2,0 5,4 Bezirk Baden, der Kreis- und Landesvereinigung der VVN, 101.622 243.538 169.493 514.853 100% 100% des Katholischen Deutschen Frauenbundes und des Asta (Nach World Jewish Affairs vom 15. 11. 1951 wird sich der Universität Freiburg. Außerdem gaben folgende Per- die Einwandererzahl in Israel 1951 auf ungefähr 180 000 sönlichkeiten ihre Unterschrift: Staatspräsident Wohleb, belaufen. 1952 schätzungsweise auf 120 000 fs. u. S. 513). Landtagspräsident Dr. Person, Erzbischof Dr. Wendelin Die Eingliederung der ersten halben Million Einwanderer 45

Trotz den Schwierigkeiten, die sich der Aufsaugung der Dieser neue Weg der Eingliederung von Einwanderern Einwanderer infolge ihres Man.gels an Kenntnissen und bewährt sich in jeder Weise. Er erspart den Einwanderern beruflicher Fachausbildung entgegenstellen, sind 90 Pro- das beschäftigungslose und demoralisierende Leben, das zent von ihnen eingegliedert worden, und zwar fast im sie in den Einwanderungszentren führten, und erleichtert gleichen Verhältnis sowohl in landwirtschaftlichen wie und fördert ihre Anpassung an das Leben und den . Geist auch in Stadtgebieten Israels. Die folgenden Zahlen zei- des Landes. gen, wie .die ersten 500 000 Einwanderer, von denen Seit Dezember 1950 sind gewisse Einwanderergruppen nahezu 50 Prozent noch keine Ausbildung hatten, bis zum unmittelbar vom Schiff, mit dem sie in Israel landeten 31. Dezember 1950 eingegliedert wurden: und ohne erst ein Durchgangslager passieren zu müssen, % der Gesamt- maabaroth überwiesen worden, was ihnen erlaubte, so- zahl In ländlichen Gebieten gleich nach ihrer Ankunft im Lande zu arbeiten. Unter Neu-Siedlungen 29.789 den im Februar 1951 angekommenen Einwanderern haben In den (bisher bestehenden) mehr als 20 Prozent das Stadium eines Durchgangslagers Kibbutzim 20.459 In den moshavim 4.303 vermeiden können. in den zuvor bestehenden Die maabaroth besitzen die nötigen hygienischen und landwirtschaftlich• Siedlungen 31.603 sozialen Einrichtungen sowie auch Schulen. Eine finan- in bisabaroth (vorläufige übergangssiedlungen 38.310 zielle Hilfe wird ihnen durch die Jewish Agency für Pa- In Arbeiterdörfern 57.838 lästina und die israelische Regierung geboten. In Einrichtungen für Jugendliche . . • 20.365 in verlassenen Dörfern 14 699 Am 15. März 1951 belief sich die Anzahl der maabaroth in Heimen für !Moniere 8.703 auf insgesamt 160 und ihre Bevölkerung auf 140 000 Ein- insgesamt ländliche Eingliederung 228.289 45.24 wanderer. Zum gleichen Zeitpunkt gab es 15 Durchgangs- In Stadtbezirken lager mit 41 247 Einwanderern. in Städten 208.803 die bei der Regierung, beim Heer, bei Neue landwirtschaftliche Siedlungen der Polizei Beschäftigten 21.113 Malben (Sozialfürsorge-Pälle, Seit dem Beginn der landwirtschaftlichen jüdischen Sied- Umschulung) 484 lung in Palästina im Jahre 1882 bis zum 15. Mai 1948 wur- in Altersheimen 558 den 277 Ansiedlungen gegründet. In der Zeit vom 15. Mai Insgesamte Stadteingliederung . 230 998 46 2 Noch in Einwanderungszentren Befindliche 40.876 8.17 1948 bis zum 31. Dezember 1950 konnten 253 neue Sied- Verstorbene 849 0 17 lungen geschaffen werden, und zwar 1948 61, 1949 99, wieder abgewandert (aus Israel) 1.048 0 21 1950 93. Am Schluß des Jahres 1950 belief sich die Zahl Insgesamt 500.000 100,0% der landwirtschaftlichen Siedlungen auf insgesamt 530. Ländliche Einwanderung: 1950 wurden in ländlichen Ge- Diese 530 Siedlungen können folgendermaßen eingeteilt bieter 61,7 Prozent eingegliedert (131 267) von einer Ge- werden: samt-Einwanderunaezahl von 212 739, und in Stadtbezir- Genossenschattische Siedlungen (Moshav Chefin) 530 Kollektive Siedlungen (IMbutzlin. Kvoutzoth) 211 ken 34,0 Prozent (72 401), gegenüber 45,25 Prozent und Siedlungen. die in geringerem Ausmaß kollektiv sind 46.2 ProTent resp. hinsichtlich der eben in Betrarht ge- (Moshav SWtotaft) 26 zogenen Gesamtzeit (15. Mai bis 31. D'.2zember 1950). Dörfer (Privateigentum) . . 78 insgesamt Ein neuer Weg zur Eingliederung von Einwanderern: 530 die Maabaroth Die angebaute Bodenfläche hat sich.seit 1948 vervierfacht. 1947/48 . 74.000 ha Das Johr 1950 hat eine radikale Änderung der Methoden 1949 . . 181.000 ha in der Eingliederung neuer Einwanderer in das wirtschaft- 19» . . 339.000 ha 1951 . . 300.000 ha werden bis zum Ende des Jahres angebaut sein. liche und so7iale Lohen des Landes sich entwickeln (In: Cahiers Sioniens V [Paris, Sept. 19311 3. p. 292/96) sehen. Angesichts der Masseneinwanderung in der ersten, Zeit während des Bestehens des Staates wurden Einwan- derungszentren gegründet. in denen die Einwanderer oft 9. 5). Fortschritte im Lande Israel lange besrhäftigu. naslos Monate verbrachten, ehe sie Aus einer Ansprache von Miß E. Bernstein, die auf sich- eine Wohnung und Arbeit verschorfen konnten. die der Jahresversammlung des Gebetes für Israel gehalten ungefähr ihrem ursprünglichen Wohnort entsprachen. Zu wurde: ' einem bestimmten Zeitnunkt beherbernten diese Auf- nahm.rentren insnesmt mehr Als lon 1W) Finwxndprer, ... Als- die Briten das Mandat aufgaben und Palästina Sie wurden untergebracht. ernährt, nekleidet, erhielten verließen, gab es 675 000 Juden in Israel. Im September medi7inkcbe Betreuuno, lernten hehräigrh und setzten 1951 waren es mehr als 1 305 000, und diese Zahl mehrt ihre henifErhe Ausbildung fort, während sie ihre end- sich beständig. In den ersten sechs Monaten von 1951 sind gültige Niederlassung erwarteten. 128 000 eingewandert, davon kamen 110 000 aus dem Irak, die fast verdreifachte Zahl derer, die zur Zeit von Esra 1950 entschlnssen sich die Behörden. ohne die Errirhtung und Nehemta aus Babylon zurückkehrten. Bisher ist die von Dauerwohnungen abzuwarten. ciffeinwanderer in vor- irakische Gruppe die größte nationale Gruppe. Ungefähr läufigen Ansiedlungen (-maabaroth") zu überführen so- 40 000 kamen aus dem Yemen mit der sogenannten Ak- wie in Arbeiterdörfer oder in die für die Errichtung kiinf- tion: .Zauberteppich' und die Yemeniten dachten wirk- tiger Dörfer oder Stg.dte vorgesehenen Orte. Die m*aba- lich, daß sie, wie prophezeit, auf Adlers Fittichen getragen roth werden von Familien bewohnt. von denen das Haupt wurden. Und nun will Persien seine Juden fortsenden, (oder ein anderes Mitglied der Familiel phys!sch fähig ist, und 30 0(10 Ungarn haben um Visen nachgesucht; man eine yerfünharp Arbeit in der unmittelbaren Nachbar- spricht 59 Sprachen; seit Israel ein Staat wurde, wurden schaft 7U übernehmen. Diese Einwanderer leben nicht 270 landwirtschaftliche Siedlungen gegründet: es gibt auf Kneten der Gesam•hPit, sordern vemienen ihren Le- über 500 landwirtschaftliche Siedlungen im ganzen. bensunterhalt und werden bei effentlirhen Arbeiten, Die Juden von Israel haben sich eine gewaltige Aufgabe Wegehau. Auffnrctunosarbeiten. Bodonkultur, Bewässe- gesetzt. Sie wollen nicht nur mehrere hunderttausend rungsanlagen, in Fabriken usw. beschäftigt. Juden in den nächsten drei Jahren aufnehmen, sondern Die Bevölkerung einer maabarah variiert zwischen 100 sie hoffen auch, die meisten anzusiedeln. Die Neuan- und 1000 Familien. Die Einwohner werden überwiegend kemmlinge kommen von den Schiffen bei der Ankunft in Baracken, Zelten oder arideren verfügbaren Unter- auf sogen. maabaroth, einige zur landwirtschaftlichen künften untergebracht, aber gleichzeitig werden Dauer- Arbeit, andere in Steinbrüche und wieder andere, um wohnungen nach und nach erstellt. Es wird geplant, die Wälder zu pflanzen. Trotz der ungeheuren Zahl derer, die maabaroth in landwirtsrhaftliche Siedlungen oder in jeden Monat ankommen, gibt es nur 5-4 000 Arbeitslose. dauernde dörfliche Wohnnlätze urryruwandelii; dieieniaen, Kein Jude wird zurückgewiesen, nicht einmal die Kranken die in der Nähe von Städten liegen, können neue Vor- und Alten. städte werden. Die Mehrzahl der maabaroth hängen ver- Isral ist. gleichsam ein Bienenschwarm von Industrien. waltunaemäßig von den benarhbarten örtlichen Behörden Das Bauen erstreckt sich über das ganze Land. Neue In- (Gemeinde- oder Kommunal-Verwaltungen) ah. Die mie- dustrien entstehen. Neue Maschinen und Pflanzen werden baroth, die von Jeder anderen verwaltunnfmäßicren Ein- investiert, sobald man Gerd- dafür erhalten kann. Der heit weit entfernt sind. erwerben allmählich einen auto- ganze Boden wird geprüft und Rat erteilt, was dort am nomen Verwaltungsstatus. besten wächst ... 46

Israel ist eine Demokratie. Die Araber, von denen es Sitze °A °/o 170 000 im Lande gibt, haben Sitz und Stimme im Parla- 1951 1949 ment. In dem Streifen von Gaze, der jetzt unter ägypti- Herut (radikale Nationalisten) 8 6,5 11,5 scher Herrschaft ist, haben die Araber keine solche Frei- Orthodoxe Gruppen 15 12,5 12,5 heit und Selbstverwaltung. Allg. Zionisten und Verbündete 22 18 9 Progressive und kleine Gruppen 5 4,5 6 Brunnen, die -vor 4000 Jahren von Abraham und Isaak Mapai (Rechts-Soz.) u. Verbündete 50 42 42 gegraben wurden, werden heute wieder gebraucht. Aber Mapam (Links-Soz.) 15 12,5 15 das Wasser wird durch Pumpvorrichtungen anstatt durch Kommunisten 5 4 4 hölzerne Räder zur Oberfläche befördert. Elath an der total 120 100 100 südlichsten Spitze des Negev gehört zum erstenmal wie- der zu Israel, seit Ahaz, der König von Juda, es durch Also: Rechts- und Linksradikale zusammengezählt erhiel- Syrien an die Edomiter verlor (4 Kön 16,6). Es gibt An- ten statt 1949 30,5 nur noch 23 Prozent der Stimmen; die fänge einer Fischflotte dort, und wenn die Industrie sich Orthodoxen, obwohl durch Zuwanderung Gleichgesinn- entwickelt, wird eine Fischkonserven-Fabrik dort gebaut ter aus Afrika und Mittelosten zweifellos vermehrt, haben werden; die Uberreste werden zur Herstellung von Kno- ihre politische Vertretung nur eben behauptet (eines ist chenmehl für Hühnerfutter verwendet. Die Fischindustrie es, seine Kinder religiös erziehen lassen zu wollen, wie im ganzen Lande ist um das Sechsfache gewachsen (s. bekanntlich in Israel 80 Prozent der Eltern, (vgl Nr. 10/11, S. ). 28 Schiffe, zu denen jetzt noch mehr hinzukommen S. 34); ein anderes ist, die Parteien zu wählen, denen vor- sollen, sind für das Fischen bestimmt. gewoifen wird, Gewissenszwang durch staatliche Macht- mittel auszuüben); die Regierungspartei (Ben Gurions 23 Handelsschiffe bewerkstelligen die Hälfte des Exports Mapai) hat sich gehalten; aber die ihrer Planwirtschaft und Imports des Landes. und „Gewerkschafts-Omnipotenz" scharf opponierende Im Negev, wo vier Nationen zusammentreffen, gibt es bürgerliche Partei der „Allgemeinen Zionisten» war die Kupfer. Die Ausgrabungen, die vor einigen Jahren in Siegerin des Wahltags. Kfar Etzion gemacht worden sind, haben verraten, daß Daher schien sich eine Koalitionsregierung zwischen ihr König Salomon seine Erzlager dort hatte..Der Wind, der und der Mapai aufzudrängen, worüber denn auch wochen- aus der Schlucht kam, trieb seine Hochöfen. lang verhandelt wurde. Vergebens; an der Wirtschafts- Man kann aus der dort gefundenen Felsenerde Porzellan politik im Zusammenhang mit der Besetzung bestimmter machen und man hat Perlenmuscheln in der See gefunden, Posten haben sich alle Kompromißversuche zerschlagen, aber keine Perlen. Jedoch kann man Knöpfe davon her- und Ben Gurion kehrte wieder zur Koalition 'mit den stellen. Die Phosphate werden für die Landwirtschaft Orthodoxen zurück, wegen deren weitgehender kultur- gebraucht; auch hat man im Negev ein Lager bituminöser politischer Forderungen er im Frühjahr das Parlament Erze. gefunden. Man hat bereits 1000 t Kaolin zur Her- aufgelöst und an die Wähler appelliert hatte. Er regiert stellung von Porzellan verwandt und 2000 t Quarzsand, also weiter mit der knappen Mehrheit von 65 Abgeordne- um Plastiken herzustellen. Man hat Obstbäume gepflanzt, ten der Regierungsparteien gegen 55 der — in sich ganz Wein, Pflaumen, Pfirsiche, Granatäpfel, Datteln und eben- uneinheitlichen — Opposition. falls Gemüse. Die Gemüsefläche im-. Lande hat sich in drei Jahren verdreifacht, so daß die erreichte Produktion fast 9.7.) Der 23. Zionistische Kongreß in Jerusalem zur Selbstversorgung dient. Vierundfünfzig Jahre nach dem Ersten Zionistischen Kon- greß, der von Herzl in Basel versammelt wurde, konnten Is. 36,6 hat sich erfüllt, denn in der Wildnis ist Wasser zum ersten Male seit dem Bestehen der zionistischen Be- hervorgebrochen, drei Meter unter der Wüstenoberfläche wegung ihre großen Sitzungen auf dem Boden des wieder- hat man Wasser gefunden. 40 landwirtschaftliche Sied- gefundenen Vaterlandes, in Jerusalem selbst, abgehalten lungen wurden in drei Jahren gegründet; Landstraßen werden. Der Kongreß ist am 14. August durch eine kurze, wurden zwischen Elath und Bersheeba und zwischen aber bewegende Feierlichkeit am Herzl-Berg, dicht bei Bersheeba und Sodom gebaut. dem Grab des Schöpfers des Zionismus, eröffnet worden, und seine Sitzungen fanden während siebzehn Tagen Moses sagt Deut. 33,24: „Lasset Ascher, seinen Fuß in 01 im „Haus der Nation' statt, das noch im vollen Aufbau tauchen." Die Malariasümpfe in Huleh liegen im Gebiet begriffen ist, was fast symbolische Bedeutung hat. Dies des Stammes Ascher; es ist der fruchtbarste Boden im hätte erhebend sein sollen. Aber zu'viele schwere Frage- Lande, wo Ölbäume im Uberfluß wachsen ... Die Ruinen- stellungen — die des Staatasufbaus und der zionistischen küste der Stadt Askalon, einer der fünf Städte der Phi- Bewegung selbst-- lasteten auf dem Kongreß., als daß man lister, soll wieder aufgebaut und ein Hafen angelegt wer- der Bewegtheit hätte frei Ausdruck geben können ... den. Der Hafen soll einen Ausgangspunkt für die Produkte Man mußte in der Wirklichkeit bleiben, sogar da ein der Wüste schaffen, denn der Hafen von Haifa ist bereits Traum zur Wirklichkeit geworden ist. übersetzt und völlig unzureichend für das schnelle An- wachsen des Schiffsverkehrs. Ein bemerkenswerter Vier- Hier nun einige Auszüge aus den wichtigsten Reden, die jahresplan sieht einen Kanal vom Mittelmeer nach dem gehalten, den Beschlüssen, die gefaßt worden sind, schließ- Toten Meer vor, der den Unterschied der Meeresober- lich aus einem Zeitungskommentar, der wesentlichen fläche zur Schaffung von Kraft ausnutzen will. Ausgrabun- Aufschluß über den neuralgischen Punkt des Kongresses gen am Kison-Fluß bereiten einen 40-km-Kanal vor. Die- gibt. jenigen, die dieses planen, wissen kaum, daß sie mithel- Zunächst sei wiedergegeben. wie Nahum Goldmann, Prä- fen, die Prophezeiung Ez. 47,8-10 zu erfüllen, nach der das sident des Zionistischen Kongresses und der Exekutive, Tote Meer wieder von Leben wimmeln soll ... in seiner Eingangsrede die Ziele des Zionismus und die Trustlng and TollIne an Israels behalf. 52. des Kongresses selbst erklärt hat: [London 15. 11. 51] 8. p. 171/72) „Der Gegenstand, den ich diesen Abend behandeln will, ist heute die zentrale Frage des Zionismus. Es ist auch die der heutigen jüdischen Generation. Jetzt, wo der Zionis- 9.6.) Parlamentswahl und Regierungsneubildung in Israel mus sein erstes Ziel erreicht hat, indem er den Staat Am 30. Juli 1951 hat in Israel die Wahl seines zweiten Israel schuf, ist das große Problem. das wir zu bewältigen Parlaments (der K'nesseth) stattgefunden. (Das erste war haben, die Beziehungen zwischen dem jüdischen Volk der am 25. Januar 1949, acht Monate nach der Staatsgrün- ganzen Welt und dem Staate Israel zu regeln, die Bande dung, gewählt worden.) Es ist in verschiedener Hinsicht zwischen dem Volk und Israel zu festigen, die Anstren- nicht ganz einfach, die dabei stattgefundenen Verschie- gung des jüdischen Volkes auf ein Höchstmaß zu bringen, bungen in den Anhängerzahlen der Parteien richtig ein- so daß wir mit dem Staat zusammen das zionistische Ideal zuschätzen, weil das Bild durch neu geschlossene und auf- in seinem ganzen Reichtum und seiner ganzen Fülle ver- gelöste Wahlbündnisse unklar wird. Wir bemühen uns wirklichen können. Der Zionismus, wie ich ihn sehe, hat im Folgenden, aus den verschiedenen uns zugänglich ge- sich vier Ziele gesetzt: wordenen Angaben einen für das Wesentliche brauch- 1. einen Jüdischen Staat zu schaffen; baren Uberblick zusammenzustellen, wobei wir verein- 2. sich dieses Staates zu bedienen, um den außergewöhn- fachen, um nicht zu schwer verständlich zu sein. Von lichen Vorgang des Kibbuz Galuyoth weiterzutreiben „rechts" nach „links» aufgereiht erhielten: und — wenn schon nicht das ganze jüdische Volk — 47 doch wenigstens einen wesentlichen Teil des Volkes, Minderheiten kommen aus Ländern, in denen es keine d. h. einige Millionen Juden, im Staate Israel zu kon- Kultur gibt. Wenn sie zu uns kommen, haben sie es nötig; zentrieren; alle Grundlagen unserer kulturellen Werte sich anzu- 3. diesem Staate jüdisches Gepräge zu geben, und dies eignen, aber sie selbst fühlen nicht diese Notwendigkeit. nicht nur im oberflächlichen Sinne. Die bloße und ein- Nun sind diese Einwanderer geeignet, die kulturelle und fache Tatsache der Anwesenheit einer Mehrheit von, schöpferische Anstrengung abzuschwächen, welche die jüdischen Einwohnern war für den Zionismus nicht das Pionierleistung mehrerer Generationan war, wenn wir einzige Merkmal des jüdischen Gepräges des Staates. nicht auf ihre Bewahrung achten." Der Zionismus sah im Staate den greifbaren und le- bendigen Ausdruck der großen Ideale der jüdischen Unter den Entschließungen, für die der Kongreß stimmte, Zivilisation und Geschichte. In den Augen des Zionis- heben wir die hervor, die das Recht zur freien Einwan- mus durfte sich das jüdische Volk nicht darauf beschrän- derung nach Israel zum Gegenstand haben und insbeson- ken, den Ausdruck seines inneren Genius in Büchern, dere die Forderung dieses Rechtes für die russischen Ju- bildenden Künsten und der Musik zu suchen. Dank dem den. Die Frage erhält eine besondere Wichtigkeit durch Staate wird das jüdische Volk zur Menschheits-Zivili- die Tatsache, daß das russische Judentum, das früher die sation auf dem wirksamsten Wege beitragen, indem es Grundschicht der zionistischen Siedlung gestellt hat und neue Lebensformen schmiedet eine neue Gesellschaft zahlreich bleibt — etwa zwei Millionen — das einzige ist, erschafft, eine neue Wirklichkeit begründet; das von Israel gänzlich abgeschnitten ist. 4. das vierte Ziel des Zionismus war, die Einheit des jü- Das Recht auf Auswanderung aus der Sowjet-Union dischen Volkes zu sichern und aufrechtzuerhalten, EJ- weit es nicht gänzlich auf seinem eigenen Gebiet ver- 1. Der 23. Zionistische Kongreß drückt seine Befriedigung einigt ist, und jüdisches Leben und jüdische Werte aus über das „Heimkehrgesetz`, für das auf die Re- überall sicherzustellen, wo es Juden gibt.' gierungsinitiative hin vom israelischen Parlament ge- stimmt worden ist, welches jedem Juden das Recht Eliahu Dobkin, Mitglied der Exekutive der Jewish Agency, gibt, nach Israel zu kommen und sich dort niederzu- legte ausführlich eine der ernstesten Fragen dar, die sich lassen. für den Staat Israel und die zionistische Bewegung stel- 2. Nichtsdestoweniger stößt sich der Wunsch des Staates len, die der Krise des Chaluzismus, des Pionierideals: Israel, jeden Juden, der dies wünscht, aufzunehmen, an „Als der Ratspräsident die verschiedenen Grundfragen dem teilweisen oder gänzlichen Verbot der Auswan- umriß, die durch die Staatsgründung geschaffen sind, hat derung für mehrere wichtige jüdische Gemeinschaften. er gesagt, daß ein jüdischer Staat ohne Chaluzismus 3. Der 23. Zionistische Kongreß vermerkt mit tiefem Be- einem Zug ohne Lokomotive vergleichbar sei. Nun hat dauern, daß die Räte-Union noch nicht auf das Verbot der Staatszug immer schwerere Wagen und braucht eine der jüdischen Auswanderung verzichtet hat. mächtige Lokomotive, denn unser Staat ist nicht den an- Der 23. Zionistische Kongreß kann sich nicht entschließen dem vergleichbar. hinzunehmen, daß . die jüdische Gemeinschaft der Räte- Uns steht kein Kapital für Kolonisationszwecke zur Ver- Union des Auswanderungsrechts beraubt wird, eine der fügung. Die Einwanderer kommen arm an, und ein Dollar- wichtigsten des jüdischen Volkes, eine derjenigen, die defizit von Millionen hat sich angesammelt in wenigen die Siedlung in Erez-Israel begründeten und die die Jahren wegen des Mißverhältnisses zwischen der Massen.. Grundlagen des Staates Israel schuf, die zweite Gemein- einwanderung und dem für deren Aufsaugung investier- sohaft der Wichtigkeit nach, die nach der schrecklichen ten Kapital. Wir verfügen auch nicht über unbegrenztes Katastrophe des zweiten Weltkrieges übrigblieb. Land wie Kanada und Australien. Wir haben seit Jahr- Der 23. Zionistische Kongreß appelliert an die Regierung hunderten keine geschulten Landwirte, wie sie die ande- der UdSSR, damit diese die vitalen Bedürfnisse und die ren Einwanderungsländer aufnehmen ... historischen Forderungen des Staates Israel begreife und Für uns handelt es sich darum, die Jugend dazu zu er- die freie Einwanderung in Israel gestatte. ziehen, Pflichten zu tragen, die unaufhörliche Opfer er- fordern; wir haben sie auf den Widerstand schulen müs- Für die gefangen gehaltenen Zionisten sen, auf die Verteidigung des Gebietes, auf die Eroberung Der 23. Zionistische Kongreß stellt mit Bedauern fest, daß, des Bodens, und jetzt ruft dieser Boden nach einer neuen obwohl die Regierung der Räte-Union im Rahmen der Welle des Chaluzismus. Jeder Zweig der staatlichen Ak- UNO für die Schaffung des Staates Israel gearbeitet ünd tivität benötigt eine Pionieranstrengung. Früher war die diesen Staat seit seinem Bestehen anerkannt hat, es in der Menge des verfügbaren Bodens das Hauptproblem, heute UdSSR immer noch gefangene Vorkämpfer gibt, die für stehen uns weite, unbebaute Gebiete zur Verfügung, aber den Zionismus gekämpft haben und die der jüdischen wir brauchen Pioniere, die sie bearbeiten. Der Negev der Kultur und ihren geistigen Werten verhaftet bleiben. Zukunft wird nur durch eine Pionieranstrengung für die Der 23. Zionistische Kongreß drückt die Hoffnung aus. daß jüdischen Massen erschlossen werden ... die Räte-Regierung auf Ersuchen der Zionistischen Be- Wir haben Revolutionen versacken sehen, weil sie nicht wegung die gefangenen Zionisten befreien, ihnen die verstanden haben, sich ihre Grundwerte zu bewahren. Möglichkeit geben wird, in Israel einzuwandern und an Der Chaluzismus in Israel ist einer dieser Grundwerte. dessen Wiederaufbau und Entwicklung mitzuarbeiten. Niemand braucht darauf zu verzichten, die gewaltige Ein- wanderung zu bewundern und dem Juden, der zu uns Das Recht der freien Einwanderung kommt, wie er ist, Vertrauen entgegenzubringen, wenn Der 23. Zionistische Kongreß bestätigt, daß das Einwan- er an die großartige Vision der Vereinigung der Zerstreu- derungsrecht das natürliche Recht jedes Juden ist, wo er ten denkt, von der unsere Weisen gesagt haben: „Der Tag auch sei, und fordert von jedem Staat, wo Juden leben, der Vereinigung der Verbannten wird größer sein als der, diesen jenes Recht zuzuerkennen und denen, die es wün- an dem Himmel und Erde geschaffen wurden.' Aber es ist schen, zu gestatten, ohne Schwierigkeiten in Israel einzu- unbedingt nötig, daß das Wachstum der Zahl begleitet wandern. wird von einer entsprechenden Qualität 1. Wir müssen die Dinge klar sehen. Eine Einwanderung von Massen In einem Leitartikel von „La Terre Retrouyde" vom 3. Sep- ohne jede Vorbereitung ist sehr schwer aufzusaugen. Der tember 1931 hat J. Jefroykin mit viel Klarheit und Offen- Neueinwanderer, der an der Kolonisation des Negev oder heit die Bilanz des Kongresses gezogen. Hier die wesent- der Gebirge mitarbeitet, leistet gewiß Pionierarbeit, aber lichen Stellen seines Artikels: er ist Pionier aus Notwendigkeit, und wir brauchen auch Warum es nicht aussprechen? Dieser erste Kongreß in Pioniere aus Überzeugung ... der Hauptstadt Israels hat nicht alle Hoffnungen gerecht- Fügen wir noch bei. daß während der Zeit der Massen- fertigt, die er erregt hatte, noch den stummen Ruf all derer einwanderung die Gefahr des Wachstums der Städte auf beantwortet, die den Gedanken einer geistigen Einheit Kosten der Dörfer fortwährend ansteigt. In der Jetzigen des Jüdischen Volkes niemals aufgegeben haben. Wie der Periode. wo es sich vor allem darum handelt. die länd- Kongreß von 1897, der einen Appell an alle Juden zur lichen Grundlagen unserer Wirtschaft zu sichern, ver- nationalen Erhebung für die Wiedereroberung des Landes mehren sieh die städtischen Siedlungen in raschem Rhyth- ihrer Väter richtete, hätte der von Jerusalem sowohl den mus, was bei den Dörfern nicht der Fall ist. Von 650 000 im Lande Israel vereinigten Juden wie denen, welche mit Einwanderern sind nur 100 000 auf den Dörfern, und wir leidenschaftlicher Hinnabe der Entwicklung des neuen dürfen eine andere Gefahr nicht übersehen: die jüdischen Staates folgen, eine neue Botschaft bringen - sollen. Nun 48 hat der Kongreß, der soeben seine Debatten abgeschlossen meinden der Diaspora als vorläufig im „Exil" betrachten hat, wohl ein Programm gebracht, das das wert sein wird, will. übrigens war sie auch nicht mit der „Entpolitisie- was die Leute wert sein werden, die es anzuwenden be- rung* der zionistischen Organisationen einverstanden, rufen sind, aber es ist schwer, zu glauben, daß es irgend- weil sie ohne Zweifel befürchtete, daß diese Reform eine einen Nachhall im Herzen der jüdischen Massen der gan- gewisse Abschwächung der politischen Macht des ameri- zen Welt haben wird. kanischen Zionismus nach sich ziehe. Es wäi e aber die Aufgabe gewesen für diesen Kongreß, Vor dieser Lage und um einen Bruch des Kongresses zu den Zionismus im Lichte der Einrichtung des Staates vermeiden, brauchte es in letzter Stunde ein geschicktes Israel „neu zu denken", die neuen Ziele der zionistischen Manöver, um eine Kompromißformel zustandezubringen, Bewegung genauer zu umreißen und auch die Formen der welche zwar die Einstimmigkeit der Abgeordneten er- „Kohabitation* zwischen Israel und der Diaspora festzu- reichte, aber sämtlichen Problemen auswich ... setzen. Das Exekutiv-Komitee der Jewish Agency hatte (In ,Cahiers Sioniene V, 3. Sept. 1951, 8. 296-301) zu diesem Zweck einen Plan vorbereitet und vorgelegt, welcher, obwohl verworfen, unter dem Namen eines „Pro- grammes von Jerusalem* bekannt bleiben wird. Es be- 9. 8.). Zum religiösen Problem Israels ruhte auf zwei wesentlichen Grundsätzen: der Stärkung I. des Staates und der Sammlung der Verbannten. Dieser Dr. S. Ucko, Mitherausgeber von „A. Hebrew Philosophi- Plan, der das Schicksal des Zionismus der Intensivierung cal Quarterly*, der in der Nähe von Tel Aviv ein Lehrer- der jüdischen Erziehung und der Entwicklung des Pionier- seminar in religiös-sozialem Geiste leitet, schreibt der Mit- geistes unter der Jugend verband, konnte ungeachtet herausgeberin am 13. 11. 1951: „Sie fragten mich über die mancher Lücken den Entscheidungen des Kongresses als religiöse Situation im Lande. Es ist gar nicht leicht, in Rahmen dienen. Kurzem darauf zu antworten. Vielleicht sollte man sagen: Aber schon vor der Kongreß-Eröffnung war keinerlei Aus- Der Aufbau des Landes sei eine einzige große Glaubens- sicht mehr verblieben, daß darüber eine ernsthafte und tat; das Wagnis herzukommen — vor Hitler — war eine verbindliche Aussprache stattfinden würde. Denn von Glaubenstat, und jetzt der Versuch das „Unmögliche* zu Anfang an lastete das, was die „Realpolitiker* als „gegen- tun und möglich zu machen: Kurdische, afrikanische, ara- wärtige Notwendigkeiten"- bezeichnen, schwer auf den bische und europäische Juden zu einem Volke zu machen, Debatten und drängte von vornherein seine Schlußfolge- das eine erneuerte Sprache. spricht. rungen auf. Die *Tat aus dem Glauben ist so kompliziert, birgt soviele Welches waren denn diese „gegenwärtigen Notwendig- Schwierigkeiten und Rückschläge in sich, daß sie unge- keiten"? In Kürze: Israels dringendes Bedürfnis nach heure Energien verschlingt und oft anderes gar nicht auf- Wirtschafts- und Finanzhilfe und die Allmacht des ame- kommen läßt. Die Glaubenstat als solche kleidet sich da- rikanischen Judentums, solche auch nur in beschränktem her in säkularisierte Form. So wird es auch wohl noch Maße zu vermitteln. So war denn der ganze Kongreß nur viele Jaher bleiben. Gemäß dem Glauben kann man nur ein Dialog zwischen Israelis und amerikanischen Zionisten hoffen, daß aus dem neugeborenen Volke, das ja erst vor mit seinen heftigen Ausbrüchen und seinen Leerstellen. 3 Jahren an allen Grenzen den Feind zurückschlagen Alle andern Delegierten hätten ruhig zu Haus bleiben mußte, wieder einmal ein „neuer Geist" und eine neue können ... Prophetie hervorgehen wird. Daß in der Zusammensetzung des neuen Exekutiv-Komi- Die orthodoxe Religion des überlieferten Judentums hat tees nur israelische und amerikanische Mitglieder ent- im Moment nur geringen Einfluß auf die junge Generation halten sind, ist vollkommen bezeichnend für die allge- im Lande. Uberhaupt, in der jungen Generation hat hier meine Atmosphäre des Kongresses. Diese Ausrichtung auf die Religion genau so viel, d. h. genau so wenig Einfluß die „tatsächliche Wirklichkeit" hat das Gesicht des Kon- wie überall in der Welt, gemäß meiner wohl richtigen gresses entstellt und die Stetigkeit der zionistischen Be- Annahme, daß die Religion heute nur ein Ereignis für die wegung in Frage gestellt. Wenigen und Tiefen ist. Aber beaditen Sie bitte, daß bei • uns die Bibel überall allgemeines Lehr- und Hauptfach isti Der Kongreß hatte als wesentliche Aufgaben, eine Ant- So wird der Kontakt mit ihr niemals abreißen. Ich ver- wort auf zwei grundlegende Fragen zu finden: wie soll mute, daß wir auf lange Zeit hier in säkularisierter Ge- man eine dauernde „Brücke* sichern zwischen den Juden stalt leben werden; aber gerade darin werden die religiö- der Diaspora und denen in Israel; wie soll man die zio- sen Kräfte langsam reifen, um einmal zu guter Stunde zum nistische Bewegung reorganisieren, um sie instandzu- Erscheinen zu kommen. Dann wird der Anschluß an das setzen, ihren neuen Auftrag zu erfüllen? Auf die erste Vergangene und an das Kommende wieder gefunden sein. Frage hatte das Programm von Jenisalem geantwortet, Man kann unsere Tage hier mit den Tagen zwischen Moses indem es den Grundsatz der Einheit und der nationalen und den Propheten, etwa mit der Zeit der Richter oder Wiedergeburt des jüdischen Volkes im Rahmen des Staa- Josuas vergleichen, wo die Religion nicht bekennend aber tes aufstellte. Für die zweite Frage schlug das neue Exe- vorbereitend war. kutiv-Komitee einen Reformplan der zionistischen Or- Schon die Parallele zeigt, in welcher Perspektive wir uns ganisation vor. Man mußte von jetzt an jedem Juden die befinden und diese Perspektive gibt den Mut, weiter zu Möglichkeit geben, an der zionistischen Aktion teilzu- arbeiten, auszuharren und zu ... arbeiten, arbeiten. nehmen, ohne gezwungen zu sein, einer Partei anzu- Es wird gut tun. wenn wir nicht viel über Sendung spre- hangen, deren Daseinsrecht er oft schlecht begriff. Diese chen werden sondern uns bewähren werden" ... beiden vereinigten Pläne hätten ein zusammenhängendes Ganzes ergeben und wahrscheinlich eine erhebliche Ent- II. wicklung deä Zionismus in jedem Lande gestattet. Der Der Freiburger Freundeskreis des Rundbriefs hatte am Kongreß sollte anders darüber entscheiden. Die amerika- Montag, 17. September 1951, die Freude, Herrn Dr. Erich nische Abordnung nahm eine mehr proisraelische als Bloch aus Nacharya, Israel (früher Konstanz), im Werth- wirkliche zionistische Haltung ein; ja, sie griff den Grund- mannhaus des Deutschen Caritasverbandes in seiner Mitte satz selbst der Auffassung an, welche die jüdischen Ge- zu sehen. Dr. Gertrud Luckner begrüßte den Gast und gab ihm das Wort über: „Das religiöse Problem Israels". •) Diese sehr wichtige Bemerkung muß auf Grund von andern Stirn- men aus Israel folgendermaßen erläutert werden : Die .Qualitäti, de- Dr. Bloch ging davon aus, daß das Volk der Söhne Israels ren die künftigen Einwanderer nach Israel bedürfen. Ist nicht ganz ein für allemal als Priestervolk von Gott berufen worden dieselbe. wie die war deren die bisherigen bedurften. Der Staat ver- dankt sein Dasein den Pionierqualitäten einer idealistischen Jugend- ist, auch wenn es sich durch wechselnde Zeitumstände je bewegung. die unter den härtesten Bedingungen ein Opferleben länd- und je von dieser Berufung ablenken ließ und auch heute licher Gemeinschaftsarbeit auf sich nahm. Diese Bewegung hat etwas wie ein religiöser Schleier über Jerusalem liegt. ihren Höhepunkt eindeutig überschritten; sie erneuern zu wollen wäre letztlich eine romantische Utopie. An Arbeitskräften für länd- Israels Propheten aber scheuten sich nie, jede bloß welt- liche Arbeit fehlt es heute in Israel nicht mehr (wenn auch die lich-nationale Aspiration ihres eigenen Volkes zu ver- Arbeitsbedingungen im Vergleich mit denen auf andern Sektoren fluchen, wenn sie zu seiner religiösen Sendung im Wider- noch nicht zu genügen scheinen) ; wohl aber werden qualifizierte Fachkräfte auf den verschiedensten Gebieten einer sich allseitig spruch stand. Sie zeichneten Strich für Strich ein Bild des ausweitenden Volkswirtschaft benötigt. Daa Problem ist: Wird es wahren Erlösers, des Messias Gottes, der ihnen letztlich gelingen, neben den fachlichen auch die menschlic'a-charakterlichen von göttlicher Eingebung gezeigt war, den leidenden Got- Qualitäten dieser jetzt benötigten Elite so hoch zu halten, daß sie den in ihrer Art kaum geringeren (nur verlagerten) Anforderungen tesknecht. Dieser ist Jesus von Nazareth, sein Leben ist' der neun Pettse gewachsen sein werden? - (Anmerkung der Rund- identisch mit dem, was der Tenach (das Alte Testament) brief-Redaktion.) ausspricht. Neu war sein Evangelium nur, insofern es in 49 nie gesehener Konzentration die Lehre von Religions- des an der Pädagogischen Hochschule Berlin-Lanlcwi tz hat Gesetz und Prophetie zusammenfaßte. — Daß dies ober- mit Empörung von den Auslassungen des Abgeordneten wiegend nicht erkannt wurde, ist wohl sehr weitgehend Richter der SRP im Bundestag Kenntnis genommen. Wir aus Unwissenheit zu erklären. Die gläubig gewordenen sind der Auffassung, daß diese ungeheuerliche Ent- Weltvölker aber rechnen diese den ohne jeden Zweifel gleisung die letzte sein muß, die in Deutschland gegen unschuldigen späteren jüdischen Geschlechtern als Kol- das israelitische Volk ausgesprochen werden kann, und lektivschuld an, und nun mußte das Volk als Ganzes wir bitten alle zuständigen Stellen, dafür zu sorgen, daß durch Jahrhunderte den Kreuzweg gehen und nach der sich ähnliche Vorfälle nicht mehr ereignen können. Wir Bergpredigt leben ... Jeder heidenchristlichen „Mission' sind fest davon überzeugt, daß kein Volk der Erde einen blieb und bleibt dieses Volk unzugänglich; aber aus sich größeren Anspruch auf Reparationen hat als das jü- selbst kann es nach der Heimkehr in sein Land nur zur dische und eine nur moralische Wiedergutmachung in Erneuerung kommen, wenn es den Schritt zu Christus tut, keinem Falle genügt. Wir verpflichten uns, als künftige sonst wird sein Staat ein bloßer Staat wie andere auch Erzieher alles in unseren Kräften Stehende zu tun, um und verschwindet wieder. Das Evangelium, das aus Israel in der deutschen Jugend die Prinzipien der Menschen- gekommen ist, muß zurück nach Israel. rechte, insbesondere aber die Tolerierung anderer Völ- In der Aussprache führte u. a. P. Paulus Engelhardt O.P. ker, Rassen und Konfessionen zu fördern. aus, die Christenheit werde bei der Verständigung mit einem Darüber hinaus schlagen wir als konsequente Fort- zu Jesus heimfindenden Israel wohl gerade nur viele u n - setzung des Aufrufes „Friede mit Israel* eine Aktion dogmatische Vorurteile und nicht „Dogmen zurückstellen" der deutschen Jugend „Wiedergutmachung für Israel' müssen, wie der Redner gemeint hatte. — Dieser ent- vor. Wir fordern die deutsche Bundesregierung auf, wickelte noch auf Fragen, daß nicht die erstarrte Ortho- schnellstens Stellung zu der Reparationsnote der israe• doxie, sondern das liberale Judentum, ja das heute z. T. lischen Regierung zu nehmen. Wir fordern die deut- noch „marxistisch" denkende Judentum der Gemeinschafts- sche Industrie auf, ernsthafte Vorschläge zu machen, siedlungen, die Trägerschaft jenes religiösen Suchens sei, wie der sich mühsam aufbauenden Industrie des Landes das zu Christus führen muß, auch wenn heute erst ganz Israel geholfen werden kann. Wir bitten die Parteien wenige dies zu ahnen beginnen. Professor Dr. Karl und Gewerkschaften, diese unsere Forderung zu unter- Thieme führte aus, daß unter den denkenden Christen stützen. Wir fordern die deutsche Jugend – 2 vor allem heute •die Erkenntnis vordringe, so wie Katholiken und die akademische — auf, sich zu einem freiwilligen Protestanten einander nicht „missionieren", sondern als Aufbaudienst im Lande Israel bereitzüerklären. Wir „getrennte Brüder" zu respektieren und auf .dieser Basis bitten das jüdische Volk, diesen Aufruf so aufzuneh- ein Gespräch um die Wahrheit zu führen begonnen hät- men, wie er gemeint ist. Er soll den Willen der deut- ten, ähnlich stehe es zwischen den Christen und den schen Jugend zeigen, das nach ihrer Ansicht Notwen- Juden, die auch wir als Kreuzträgervolk — ganz unab- dige dazu beizutragen, die _Wunden der Vergangenheit hängig von der Schuldfrage für Jesu Zeitgenossen — zu zu heilen, das Verhältnis zwischen unseren Völkern zu verstehen lernen. bessern und zu beweisen, daß wir nicht nur Worte 9. 9) Stimmen studentischer Jugend sprechen wollen, sondern auch bereit sind, Taten folgen zu lassen.' Ein Beschluß des Bundes demokratischer Studentenver- (Nach: „Allgemeine Wochenzeitung für Juden. VI. einigungen: [Düsseldorf, 30. 11. 51) 34. 8. 1) „Der Bund demokratischer Studentenvereinigungen be- kennt sich zur moralischen und materiellen Wiedergut- Vorlesungen über Jüdische Kultur- und Geistesgeschidzte machung der am Judentum begangenen Verbrechen des gefordert Nationalsozialismus und schließt sich der Aktion des Ham- Die Studentenvertretung der Westberliner Freien Uni- burger Senatsdirektors Lüth ,Wir bitten Israel um Frieden' versität will ihre Vertreter in den Fakultäten und im Se- an." So lautet einer der Beschlüsse der Mitgliederver- nat beauftragen, sich für öffentliche Vorlesungen über sammlung des Bundes demokratischer Studentenvereini- jüdische Kultur- und Geistesgeschichte einzusetzen. Der gungen, die Ende Oktober in Westberlin abgeschlossen Vertreter der Studentenschaft im Kuratorium soll sich wurde. dafür verwenden, daß die notwendigen Mittel zur Errich- (In: „Allgemeine Wochenzeitung der Juden" VL tung eines Lehrstuhls für Jüdische Kultur- und Geistes- (Dtazigeldori, 26. 10. 51.) 29, 8. 1) geschichte bereitgestellt werden. Die Vollversammlung Die Gruppe der Pädagogidchen Hochschule des Landes- der philosophischen Fakultät der Freien Universität hat verbandes Berlin des Sozialistischen Studentenbundes einstimmig diesen Beschluß der Studentenvertretung ge- nahm Ende November in nachstehender Entschließung billigt. zu den antisemitischen Ausführungen des Bundestags.. (In : „Allgemeine Wochenzeitung" V. [Düsseldorf. 16. 2. 511 45. 8. 1) abgeordneten Dr. Richter Stellung (s. S. 51). In einem Be- gleitschreiben brachte die Gruppe den Wunsch zum Aus- Nach Redaktionsschluß wird uns bekannt, daß in München druck, damit eine kleine Anregung geben zu können, „wie mehrere Studentengruppen, darunter die „Katholische die Brücken zu den Herzen unserer jüdischen Mitbürger Studenten-Gemeinde', und in Göttingen die Vertretung der wieder errichtet werden können'. Die Resolution lautet: Gesamtstudentenschaft sich der Aktion ‚Friede mit Israel' „Die Gruppe des Sozialistischen Deutschen Studentenbun- angeschlossen haben.

10) Kleine Nachrichten 10/1) Schriftsteller ruft zur Hilfe für die Juden auf Juden in Deutschland zwischen 1933 und 1945 öffentlich Der Schriftsteller Wolfgang Weyrauch hat die deutschen gekümmert oder sich mit ihrem Schicksal auseinander- Schriftsteller in einem „Manifest" zur Hilfe für die noch gesetzt. Die deutschen Schriftsteller sollten darüber nach- in Deutschland lebenden Juden aufgerufen und sie aufge- denken, ob sie sich nicht eines besseren besinnen woll- fordert, sich in ihrer Arbeit mit dem Schicksal der unter ten. Ihr bisheriges Schweigen schmälere das Ansehen dem nationalsozialistischen Regime rassisch Verfolgten ihres Standes und beeinträchtige die Ehre des Vaterlan- auseinanderzusetzen. des. Es hindere ferner, daß sich das Phänomen der Ge- rechtigkeit in Deutschland ausbreitet. Wiedergutgemacht Weyrauch schlägt vor, als praktische Hilfe solle jeder könne nichts mehr werden. Aber „wäre es ausgeschlos- Schriftsteller nach seinem Einkommen eine jüdische sen, daß wir den Juden, die noch unter uns sind, helfen?' Waise oder einen Insassen eines jüdischen Altersheimes (In: „Allgemeine Wochenzeitung der Juden" VI. unterstützen. Außerdem sollte er eine Arbeit schreiben (Düsseldorf, 26. 10. 511 29. 8. 2, „und mit der äußersten Konsequenz zu veröffentlichen 10/2) Zur Wiedergutmachung suchen', die das Los der Juden in Deutschland unter der Die Reparationskonferenz in New York wählte zwei nationalsozialistischen Herrschaft behandelt. Komitees. Das eine besteht aus den 20 Vertretern der Or- Außer Luise Rinser, Alfred Anden sch und Albrecht Goes, ganisationen und hat politische Fragen zu behandeln. Das erklärt Weyrauch, habe sich kein einziger deutscher andere besteht aus 12 Personen und hat praktische Schritte Schriftsteller — „mich eingeschlossen' — um das Los der vorzubereiten. In diesem Komitee befinden sich Dr. Leo 50 B a e c k , Dr. N. Barou, Jacob Blaustein, Dr. Abraham wenn die Vertreter des Mordes sich neu organisieren Cohen, Frank Goldmann, Dr. Nahum Goldmann, Dr. Israel können und auch noch offene Türen finden?". Goldstein, Adolph Held, Dr. Isaac Lewin und Dr. Irving Miller. 10/4) Zentral-Wohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (In: „Israelitisches Wochenblatt", 51. [Zürich, Aufgrund von Verhandlungen, die schon seit einigen Mo- 9. 11. 51.) 45. S. 11) naten mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland, dem 10/3) Gefährdung des Friedens und der Versöhnung Bundesministerium des Innern und der Arbeitsgemein- schaft der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege In der 175. Sitzung des deutschen Bundestages am 15. No- geführt wurden, ist die Zentral-Wohlfahrtsstelle der Ju- vember anläßlich der Behandlung der Wiedergutmachung den in Deutschland in der Sitzung der Arbeitsgemein- kam es zu einer ersten antisemitischen Äußerung vor die- schaft der Spitzenverbände der freien Wohlfahrspflege sem Forum durch den Abgeordneten Dr. Richter (Frak- vom 9. 11. 1951 in Frankfurt a. M. offiziell in die Arbeits- tionslos Niedersachsen). - Dieser führte aus, daß Pro- gemeinschaft aufgenommen worden. fessor Carlo Schmid (SPD) einmal erklärt habe, das erb- lose Vermögen müsse dem jüdischen Staat nutzbar ge- Der jüdische Wohlfahrtsverband war bis 1932 anerkannter macht werden. In diesem Zusammenhang sagte er, daß Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege. die israelische Regierung "letzten Endes nur durch eine Aggression entstanden" sei. Da sich Israel mit Deutsch- 10/5) Synagoge wird Kirche land noch im Kriegszustand befinde, würde die Anregung Das "Consistoire central isradlite de France" hat der klei- Carlo Schmids bedeuten, daß er „mit dem Feind zusam- nen protestantischen Gemeinde von Sonones (Vogesen) menarbeitet und ein Kollaborateur ist". Der SPD-Abge- in Wüidigung des Beistandes, der den Juden während ordnete Mellies gab zu überlegen, ob der von dem Bundes- der Besetzung zuteil geworden ist, eine ehemalige S y - tagspräsidenten Dr. Ehlers erteilte Ordnungsruf genüge nag o g e geschenkt. Das durch die deutschen Truppen und nannte Richters Redensarten eine "antisemitische weitgehend zerstörte Gebäude ist wiederhergestellt und in Strolchrede. In einer Erklärung beurteilte die Bundes- feierlicher Weise seiner neuen Bestimmung als Kirche regierung die Ausführungen Dr. Richters als schwere Ent- übergeben worden. gleisungen, die den Staat Israel aufs Schwerste beleidigt (In: JUNA [Zürich, 22. 2. 511 50/51, 8. si haben müssen. (In: „Allgemeine Wochenzeitung der Juden" VI. 10/6) Selektive Einwanderung [Düsseldorf. 23. 11. 51) 33. 8. 1) . Jewish Agency gibt Änderungen in der Einwanderungs- Das Direktorium des Zentralrates der Juden in Deutsch- politik bekannt. land verwahrt sich entschieden gegen die provokatori- Die Jewish Agency hat beschlossen, daß in Zukunft 803/4 schen Äußerungen des Bundestagsabgeordneten Richter, der Einwandes er aus Ländern, in denen eine Auswahl die eine Beleidigung der Juden, des Staates Israel und der möglich ist, nicht über 35 Jahre sein dürfen und daß alle um die Verständigung bemühten deutschen Demokraten im Besitz einer ärztlichen Bescheinigung sein müssen, die, darstellen. von den jeweiligen Auswahlbüros nach Untersuchung Der Abgeordnete Richter hat mit seiner Erklärung, die im durch einen israelischen Arzt ausgestellt werden. Ferner Bewußtsein der Immunität imBundestag abgegeben wurde, müssen sich alle ungelernten Einwanderer verpflichten, sich der Tradition eines Goebbels, Streicher und Rosen- zwei Jahre lang in landwirtschaftlichen Betrieben zu berg würdig erwiesen. Wir bezweifeln, daß die erteilte arbeiten. Ordnungsstrafe in einem entsprechenden Verhältnis zu Die restlichen 20°/e des Kontingents müssen ihre Arbeits- dem Grade nationalsozialistischer Brunnenvergiftung fähigkeit beweisen können. Zu diesem Einwandererkreis steht, deren Folgen allgemein bekannt sind. können auch diejenigen Personen zählen, die über aus- Es muß jedenfalls festgestellt werden, daß der Sache des reichende Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes Friedens und der Versöhnung schwerer Schaden zugefügt in Israel verfügen, oder deren in Israel lebende Verwandte wurde. sich zu ihrer Unterstützung bereiterklären. (In: „Allgemeine Wochenzeitung der Juden", VI. Die Jewish Agency betonte, daß sie von diesem Programm [Düsseldorf. 23. 11. 51) Nr. 33. 8. 3) nur in Notfällen abweichen werde. Sie gab keine ziffern- mäßige Einwanderungsquote für das Jahr 1952 bekannt. Die Bundesregierung hat ihr Befremden über die antise- Aller Voraussicht nach wird sie aber 150 000 nicht über- mitischen Äußerungen des Bundestagsabgeordneten Dr. schreiten, von denen die Mehrzahl aus dem Balkan und Franz Richter ausgesprochen. Sie nennt sie schwere Ent- den arabischen Ländern kommen soll. gleisungen, die den- Staat Israel aufs schwerste beleidigt (In: „Allgemeine Wochenzeitung für Juden. W. haben müssen, und versichert erneut, daß sie nach wie (Düsseldorf, 30. 11. 51) 34. 8. 2) vor allen etwa auftretenden antisemitischen Bestrebungen mit aller Entschiedenheit entgegentreten wird. 10/7) Medizinische Probleme in Israel In der Erklärung der Bundesregierung heißt es: Mit Be- Dr. Moses Einhorn, der Redakteur des in New York fremden hat die Bundesregierung die Ausführungen des herauskommenden "Hebrew Medical Journal", teilt nach rechtsradikalen Bundestagsabgeordneten Dr. Richter zur einem Aufenthalt in Israel mit, daß es im Lande 3000 Kenntnis genommen. Dr. Richter hat den Staat Israel und Ärzte gibt. 1700 sind durch die verschiedenen Kranken- seine Regierung sowie den SPD-Abgeordneten Professor kassen beschäftigt, 200 stehen im Dienste der Regierung Carlo Schmid, der sich für die Wiedergutmachung des an und die anderen üben eine private Praxis aus. Alle ver- den Juden begangenen nationalsozialistischen Unrechts dienen ihren Lebensunterhalt. Die europäische Einwan- eingesetzt hatte, auf das schwerste beleidigt. Die Bundes- derung brachte genügend Ärzte mit, nicht aber die orien- regierung hofft, daß die schweren Entgleisungen des Ab- talische, die dazu noch eine vermehrte ärztliche Betreuung geordneten Richter von der Welt überhört, und wenn ge- notwendig hat. Ärzte sind deshalb weiter sehr ge- hört, nur als das verstanden werden, was sie sind: Worte such t. Die 1000 Zahnärzte genügen den Anforderun- einiger weniger gewissenloser Elemente, die aus einer gen ebenfalls nicht. Zahntechniker sind deshalb nach Vergangenheit, die wir bedauern, nichts gelernt haben. einer Prüfung zur Praxis ebenfalls zugelassen. In den Die Bundesregierung wird auch weiterhin allen etwa auf- Spitälern fehlt. es ferner an genügend Einrichtungen tretenden antisemitischen Bestrebungen mit aller Ent- und Medikamenten. Zur Versorgungslage bemerkt Dr. schiedenheit entgegentreten. Sie weiß sich in diesem Vor- Einhorn, daß es bald Gemüse genug geben werde. Da- gehen mit der Mehrheit des deutschen Volkes einig. gegen wird es einige Jahre gehen, bis die Bäume Früchte (In: ',Angemeine Wochenzeitung der Juden" W. tragen werden. Er empfiehlt, den Lebensmittelpaketen [Düsseldorf, 33, 11. 19313 Nr. 33, 8. 11) Gaze, Baumwolle, Verbandzeug, Seife und Vitamintablet- ten beizulegen. "Kulturschande' überschreibt die „Welt der Arbeit" (In: „Israelitisches Wochenblatt", 51. [Zürich, 0. 11. 1951). 45. 9, 7/9) (Wochenzeitung des deutschen Gewerkschaftsbundes, 16. 11. 1951) einen Artikel, wo sie das Wiederauftreten 10/8) Das schwedische theologische Institut in Jerusalem der SS mit der noch nicht erfolgten Wiedergutmachung In Gemeinschaft mit den Universitäten von Upsala und an den Opfern in Zusammenhang bringt. "Wer soll die Lund hat die schwedische Kirche im Februar 1951 ein Worte, die zum Frieden mit Israel gesagt wurden, noch glauben? Wer theologisches Institut eingerichtet, in dem Theologie- soll hohe Politiker noch ernst nehmen, studenten aus den skandinavischen Ländern ein Studien- 51 jahr verbringen können. Das Institut steht unter der Lei- Verhandlungsbemühungen hieß es wörtlich: „Am 14. No- tung von Professor Hans Kosmala. vember 1951 beriet die Versöhnungskommission für Palä- Der Stundenplan umfaßt die folgenden vier Lehrfächer: stina mit den Delegationen Israels und den Delegationen. Altes und Neues Testament, incl. Geschichte und Archäo- der Araberstaaten, um die Stellungnahme der Delegatio- logie; Jüdische Geschichte und ihre Religion; Neuhebrä- nen zu den umfassenden Vorschlägen zu erfahren, die den isch; Der Staat Israel und seine Probleme. Parteien zur Diskussion und Erwägung im gründlichen (In: News 8heet. XXI. [London Sept./Okt. 51] 5. p. 10/11) und realisitischen Geist gegenseitigen Verständnisses unterbreitet worden waren. 10/9) Israel und der Lutherische Weltbund Nach genauer Prüfung der von den Parteien am 14. No- vember abgegebenen Stellungnahmen und im Lichte der In einem eingehenden Artikel über „Israel und das deut- in Paris geführten Verhandlungen ist die Kommission zu sche evangelische Eigentum im Heiligen Land" befaßt der Überzeugung gekommen, daß ihre Bemühungen fehl- sich Protessor Adolf Heller in den „Basler Nachrichten" geschlagen sind, da keine Partei eine substantielle Bereit- (vom 16. November) mit dem Abkommen zwischen Israel schaft zeigte, von ihrer starren Position abzuweichen und und dem Lutherischen Weltbund, wie es am 29. August eine Lösung anzunehmen, die dem Inhalt der von der Korn- unterzeichnet wurde. Die eigentlichen Kultstätten, so mission unterbreiteten Vorschläge entsprechen würde. führt Prof. Keller aus, wurden für den Gottesdienst der Angesichts der von den Parteien bewiesenen Haltung hat Christen zurückerworben. „Für das andere Eigentum sich die Kommission mit Bedauern zum Abbruch der Kon- wurde eine Entschädigung vereinbart, wodurch die Mis- ferenz entschlossen, die am 10. August dieses Jahres ein- sionsarbeit im übrigen Palästina weitergeführt werden berufen worden war. soll. Es war für den deutschen Protestantismus nicht leicht, eine Entschädigungssumme schließlich anzuneh Wie bereits in den am obigen Datum erlassenen Ein- men, die immerhin weit unter dem Marktwert des christ• ladungen zum Ausdruck gebracht wurde, wird die Kom- lichen Eigentums in Israel lag. Für die ganze Weiter- mission über die Konferenz und die von der Kommission führung und 'Verwaltung dieses Werkes tritt nun der daraus gezogenen Beschlüsse der Vollversammlung durch Lutherische Weltbund ein und erhält damit dem Welt- den Generalsekretär der Vereinten Nationen ausführlich protestantismus ein Stück wertvollster Arbeit im Heiligen Bericht erstatten.* (In: „Allgemeine Wochenzeitung der Juden" VI. Lande." „Die schwierigen Verhandlungen", so fährt Prof.' 30. 11. 51] 34 8. 16) Keller fort, „wurden erleichtert, nicht nur durch den Ein- satz der Unterhändler, zu denen auch der schweizerische 10/12) Aufruf des Vatikans an Christen, Mohammedaner Konsul Lutz gehörte, sondern auch durch das Entgegen- und Juden kommen des Staates Israel selbst, der damit den Grund- Der Vatikan-Sender appellierte an Christen, Mohamme- satz des Schutzes religiösen Eigentums ebenso anerkannte, daner und Juden, die V ereinten Nationen um Interven- wie nach dein ersten Weltkrieg die britische Regierung es tion gegen die kommunistischen Pläne „zur endgültigen tat, als es sich darum handelte, deutsches kirchliches Vernichtung jeder Religion* zu ersuchen. und Missionseigentum, namentlich in Ägypten, vor der („Allgemeine Wochenzeitung der Juden" VI. Sequestrierung und damit vor dem Untergang zu retten. (Düsseldorf, 19. 10. 313 28. 8. 16) So sind diese Verhandlungen zwischen Israel und dem Weltluthertum auch als besonderes politisch-kirchliches 10/13) Judentum und Kapitalismus Rechtsproblem bedeutsam geworden.« Basel. Im Rahmen der Volkshochschulkurse: „Zur gegen- (In: „Israelitisches Wochenblatt" 51. [Wich, wärtigen Lage des jüdischen Volkes' sprach Privatdozent 23. 11. 51] 47. 8. 38) Dr. .1. P. Halpörin, Genf, über das Thema: „Sind Juden die hauptsächlichsten Träger der heutigen kapitalistischen 10/10) Synhedrionl Wirtschaft?" Der Vortragende betonte, daß er als Histo- „Einem Geschlecht, das die Gründung eines selbständigen riker und speziell als Wirtschaftshistoriker die gestellte jüdischen Staates erlebt hat, kann es auch vergönnt sein, Frage nur mit einem klaren Nein beantworten könne. Die die Wiederentstehung des Synhedrion mitzuerlebenTM. Mit Frage werde ungefähr seit einem halben Jahrhundert ge- diesen Worten umriß Raw Maimon, Religionsminister stellt. 1904/1905 habe sie der deutsche Soziologe Max Israels, in einer Rede in New York seine Steliung zur viel- Weber in zwei Aufsätzen behandelt über das Thema: diskutierten Frage der Bildung eines Synhedrions. Er „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalis- schilderte die Bemühungen, die unternommen werden, um mus". In dem Buch von Richard Tawney: „Religion und eine zentrale Institution zu schaffen, welche fur religiöse Frühkapitalismus* werde dieses Thema ebenfalls erörtert, Fragen die höchste Autorität sein soll. Dies bedeutet, daß desgleichen von dem Italiener Fanfani und vor allem in keine außenstehenden Gemeinden mit eigenen religiösen dem sehr umstrittenen Buch von Werner Sombart (er- Behörden anerkannt werden können, was sowohl nach schienen 1911): „Die Juden und das Wirtschaftsleben". „rechts" gilt, als audi nach „links" für sog.. Reform- Sombart war der Ansicht, daß der Einfluß der Juden auf gruppen. Die Bildung l i b e r a l e r Gemeinden würde die kapitalistische Entwicklung entscheidend war. Dem keinem allgemeinen Bedürfnis entsprechen, haben doch hält Dr. Halpörin entgegen, daß zwischen der jüdischen selbst Führer der Mapai erklärt: „Wenn wir schon in die Religion und dem Kapitalismus als Wirtschaftsform keine Synagoge gehen, wollen wir ein traditionstreues Bethaus Beziehung besteht. Keynes betonte, daß der moderne Ka- aufsuchen; und wenn es sich um eine religiöse Trauung pitalismus völlig irreligiös sei. Weder in der Bibel noch handelt, so wollen wir einen orthodoxen Rabbiner." Raw bei den Propheten sei ein kapitalistisches Motiv zu finden. Maimon wies auch die Anschuldigungen zurück, das reli- Der Vortragende bezeichnete Sombarts These, daß „ohne giöse Judentum strebe danach, ein Zwangsregime, eine den Juden kein Kapitalismus möglich sei", als völlig ein- Priesterherrschaft einzuführen. Für die Ziele des thora- seitig. Bekanntlich sei wirtschaftliche Blüte oft genug in treuen Judentums wird nur mit legalen demokratischen Ländern zu finden, wo keine Juden ansässig waren. Som- Mitteln gekämpft. bart behaupte jedoch, daß dort, wo die Juden waren, wirt- (In: ..Israelitisches• Wochenblatt" 51. (Zürich, schaftliche Blüte gewesen sei, und dort, wo sie fortzogen, 33. 2. 51) 8 8. 9) wirtschaftlicher Niedergang. Dr. Halp6rin warnte vor Ver- allgemeinerungen. Z. B. seien die Hebräer unter König 10/11) Israel und die arabischen Staaten Salomo durchaus nicht begabt für den Handel gewesen, sondern waren auf die Phönizier als tüchtige Kaufleute Die UNO-Versöhnungskommission für Palästina hat Ende angewiesen. Auch heute überschätze man den Anteil der November bekanntgegeben, daß sie ihre Bemühungen Juden am Wirtschaftsleben. In der Londoner City gebe es um eine Einigung zwischen Israel und den arabischen nur fünf jüdische Bankhäuser, In New York sei der Pro- Staaten aufgebe. Die Partner seien nicht bereit, von ihren zentsatz der Juden an der Börse viel kleiner als der jü- bisherigen Standpunkten abzurücken, und es fehle jeg- •ische Prre0ntent , der cifeamten Bevölkerung. liche Grundlage zur Verhandlung. Die Kommission will (In ‚Israelitisches Wochenblatt f. d. Schweiz' 51 (7. 12. 51], den Vereinigten Nationen einen Bericht über ihre bis- Nr. 49, 8. 23) herige Arbeit und den Verlauf der Pariser Konferenz vor- 10/14) Appell an die Erzieher legen, in der versucht wurde, die strittigen Probleme zwi- Die Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugend- schen Israel und den Araberstaaten zu klären. fürsorge hat bei ihrer Mitgliederversammlung am 4./5. De- In der Erklärung der UNO-Kommission zum Abbruch ihrer zember eine Entschließung gefaßt, in der sie feststellt, daß 52 sich jüdische Kinder und Jugendliche noch oft abseits direktors Erich Lüth in Freiburg i. Br. Erich Lüth sprach stehen fühlen, anstatt daß sie besonders herzliches Ent- auf Einladung des Colloquium politicum des Studium gegenkommen finden. Die Entschließung wendet sich an generale der Universität Freiburg am 13. 12. über das alle Eltern, Lehrer und Erzieher mit der Bitte, es als aus- Thema: „Aussöhnung mit den Juden*. Er forderte auf zu drückliche Erziehungsaufgabe anzusehen, ein echtes mit- einer sozialen Hilfsaktion füi Israel: jeder solle es be- menschliches Verhalten in den Kindern und Jugendlichen wirken, daß ein Uibaum mehr in Israel gepflanzt werde. grundzulegen und bittet die gesamte deutsche Öffentlich- „Olbaumspende" solle diese Spende heißen". Diese den keit, sie dabei zu unterstützen. Verhältnissen in Israel angepaßte materielle Spende soll 10/15) Martin Buber erhält den Hansischen Goethe-Preis zugleich unter dem Symbol des Cilbaums ein Zeichen der Versöhnung werden. ,Hamburg, 11. Dezember. Ag. (DPA.) Die Universität Hain- Nidit nur die Anwesenden des Abends waren tief beein- burg hat den Hansischen Johann Wolfgang Goethe-Preis druckt, darüber hinaus fand der Vortrag ein weiteres dieses Jahres an den ordentlichen Professor für Sozial- Echo in einer im Freiburger Münster am folgenden Sonn- Philosophie an der hebräischen Universität in Jerusalem, tag darauf bezogenen Predigt, die die christlich-jüdischen Professor Dr. Martin Buber, verliehen. Beziehungen zum Inhalt nahm und eindrucksvoll auf die 10/10) Erich Lüth in Freiburg Aufgaben hinwies. — Anläßlich des Freiburger Aufenthaltes von Senatsdirektor ,,... daß in Israel ein Olbaum wachse" Lüth hatte der Freiburger Freundeskreis die Freude, im Erich Lüth spricht das Gewissen der Deutschen an Werthmannhaus des Deutschen Caritasverbandes einige Unter dieser Ubersdirift berichtete die „Badische Zeitung* Fragen diristlich-jüdischer Arbeit fruchtbar mit ihm zu vom 15./16. 12. über den Besuch des Hamburger Senats- besprechen.

11) Literaturhinweise

katholischen Bereich zu zählen sind. (Auch Vezins ,Evangelium`.) Die Beiträge zur christlichen Betrachtung der Judenfrage von zahlreichen Mängel, Lücken und eigentlichen Fehler der Darstellung Linus Bopp, Paul Ddmann, Michael Müller-Claudius, Wil- nachzuweisen würde hier zu weitläufig sein; wir beschränken uns dem helm Neuss, Karl Thieme, Freiburg/Br. 1951. Verlag des Sinn dieses Rundbriefs gemäß, auf die Behandlung des jüdischen Problems durch beide Autoren. vorl. Rundbr. 77 S. gg. Uberweisg. v. DM 2.50 erhältl. II y n e k, der bekannte Vorkämpfer für die Echtheit des Turiner Die Welt kann mit der seltsamen Fortexistenz des Judentums nicht Grabtuchs, das auch in diesem Buche eine große (zu große) Rolle fertig werden. Für die Welt selbst ist das im Grunde höchst verwun- spielt, zeigt leider geradezu klassisch. wie man in einem Buche über derlich, für den Christen aber gerade kein Wunder, denn diese Tat- Jesus nicht über Jüdisches schreiben soll. Zunächst fallen die sache entspricht auf das genaueste der Offenbarung. Sie ist die ge- völlig unzulänglichen Vorstellungen des Verfassers vom Alten Testa- schichtlich immer neu erlebte Bestätigung dafür, daß Gottes Wort ment peinlich auf (8. 23 f. und vor allem die skandalösen Ausführun- nicht dahinfällt, daß seine Verheißungen unbereubar sind, daß wohl gen über Isalas 5. 233). Sodann befremdet seine — in dieser massiven der Mensch und ein Volk, sogar das auserwählte, untreu werden Form mit den Stellungnahmen des kirchlichen Lehramts schwerlich können, Gott aber sich und seinen Verheißungen treu bleibt. Um so vereinbare — Ankundigung. ,.daß das tausendjährige Reich Gottes trauriger ist es aber, wenn selbst die Christen das einzigartige (Jo. 20, 1-10) Wirklichkeit werden wir du (5. 235), als sei die Schicksal dieses Volkes nicht mehr im Licht der Offenbarung und der seit Augustin vorwiegende Auffassung. wonach es langst wirklich Ist, Heilswege Gottes zu sehen vermögen. Gott erlaubt auch ihnen nicht, nicht einmal der Erwähnung wert. Vollends unfaßbar aber ist die so zu tun, als ginge sie dieses Volk nichts mehr an. Wer so denkt. ziemlich unverhüllte Ankundigung eines endgultigen gottlichen Straf- wird schon damit an Gott schuldig. ist jedenfalls in der nächsten gerichts über die Juden (8. 299 f.), deren Antwort an Pilatus: ..Sein Gelegenheit zu solchem Schuldigwerden. Es hat sich in den Jahren Blut komme über uns . .", sich nach Hynek ..fortwahrend auch bis der Verfolgung gezeigt. Auch die unter den Christusgläubigen. deren heute noch erfüllt; eine Antwort, die kein Ende nimmt, vielleicht erst Glauben nicht aus der Schrift genährt war. blieben gegen -über der am Ende dieser Zeiten . . ." (8. 185). Nur „vielleicht": und darum Ansteckung des Judenhaues oder der Verachtung nicht gefeit. Und wird zwar in eine laanis-Prophetie (10, 22) gewaltsam hineingelesen, in solchen Zeiten vermehrt auch das leiseste ungeläuterte Ressenu- Israel werde „wie Meeressand über die Erde verbreitet sein. wird ment das dewicht der öffentlichen Meinung und die Briaanz der aber dann bis auf kleinere Reste zugrundegehen" (8. 299) ; — in dee offenen Gewalt. Bevor noch alle das eingesehen und für die Mitschuld authentischen neutestamentlichen Gottes-Off enbarung durch Paulos genuggetan haben, sind viele bereits wieder dabei zu vergessen — und aber wird „Röm. 11.25-37" von H. nur unter Weglassung der ent- damit der nächsten Verfolgung den Boden zu bereiten. Es geht hier scheidenden Aussage zitiert: „und so wird ganz Israel gerettet nicht nur um Gerechtigkeit, die einem jeden, auch jedem Volk ge- werden" (5. 300), so daß der anschließenden Wiedergabe der Fürbitte schuldet wird; es geht um eine ganz spezifische Gerechtigkeit, well für das Alte Gottesvolk am Christkönigstest das Mark geraubt wird: sie durch dieses Volk hindurch dem Gott gilt, der es zu seinem Volk die Gewißheit. daß Gott sie überschwanglich erhören wird, weil er gemacht hat. sein Verheißungswort wahrmacht. Die "Beiträge zur ehrinfliehen Betrachtung der ludenfrage", die Ger- Daniel-Rops' in fast jeder Hinsicht seriöseres. wenn auch trud Luckner gesammelt herausgibt, helfen sehr zu einem echten leider in der Ausnutzung des Josephus-Zeugnisses (auf Pickls Spuren) Denken. Sprechen. Verkündigung aus dem Glauben. Die 5 hier auf über die zelotische Widerstandsbewegung gegen Roms Okkupation 77 Seiten vereinigten Studien enthalten viel ausgezeichnete theolo- hinter Hynek weit zurückbleibendes Buch zeigt vergleichsweise gerade gische und geschichtliche Erkenntnisse, die sich doch auf Schritt und so viel an Bemühen um Verständnis auch für die Rolle der Juden in Tritt mit den Erfahrungen unseres Alltags verknüpfen. Was Karl Jesu Geschichte, wie man sozusagen als absolutes Minimum von Thieme in „Die Judenfrage im Lichte des Gotteswortes" anschnei- einem verantwortungsbewußten christlichen Autor (vollends nach det und in seiner bekannte:1'We» mit aktuellen Lichtern nach vielen Auschwitz!) erwarten muß. Ausdrücklich wird (5. 617) betont, es Seiten versieht, insbesondere durch die Parallelisierung mit dem komme uns „nicht zu. uns als Richter aufzuspielen", wo Jesus selbst deutschen Schicksal, wird in den folgenden Studien in einem Gang am Kreuz für seine Peiniger gebetet" habe. (Umsonst suchten wir auf durch die Geschichte vertieft: „Die Kirche und das Judentum in der den mehr als 20 Selten Hyneks über Christi Kreuzesleiden die Zitie- Geschichte". Der Bonner Kirchenhistoriker W. Neuß bringt darin, rung dieser Bitte!) Und treffend bemerkt Daniel-Rops (5. 620) , daß wie uns scheint, manche ganz neuen Einzelheiten zutage. Mit „Die Israel im Karfreitagsdrama „abermals seine geheimnisvolle Rolle Juden inmitten der Deutschen einst und jetzt" stellt F. M. M 11 1 - eines Zeugen und Abbilds der ganzen Menschheit übernommen und ler-Claudius eine eindringliche Gewissenserforschung an, die das Nein des sündigen Menschen gegenüber der Botschaft des Heiles mitten in die gefährliche Gleichgültigkeit hineinleuchtet. „Die Juden dargestellt hat", bzw. — mit P6guy — ,.Nicht .die Juden haben von heute" werden noch einmal unter einem ähnlichen Gesichtspunkt Jesus Christus gekreuzigt, sondern unser aller Sünden." von dem belgischen Pater Paul D 6 m a n n (Kongregation von Notre Dame de Sion) Gegenstand einer Darstellung und Deutung. Der Paul Claudel, Höre Israel! Amriswil 1951, Bodensee-Ver- letzte Beitrag stammt von Prof. L. B o p p : ,.Die religiöse Güterwelt des Alten Gottesvolkes in der Liturgie und Verkündigung der Kirche•. lag. Amriswil-Friedrichshafen. Nach unserer Meinung müßte in jedem Jahr einmal in der Verkün- Mit der vollen Kraft seiner dichterischen. an der Bibel genährten digung etwas Wesentliches über die heilsgeschichtliche Stellung des Sprache hat der greise Claudel diese Meditation. diesen Appell aus- Judentums gesagt werden. Viele Evangelien geben dazu Anlaß. Aber gestattet, zu dem die Heimkehr des Volkes Israel in sein Land ihn vieles andere noch aus der Liturgie. Prof. Bopp hat du Material uni- nötigt. fassend dargestellt. So wird das Heft gute Dienste tun bei der „För- „.. . Und denn auch, im Jahre 1936, dieses Erdbeben., das die Kirche derung der Freundschaft zwischen dem Alten und dem Neuen Gottea- des Heiligen Grabes erschütterte, so daß heute nur noch eine schlecht volk im Geiste der beiden Testamente". Eugen Walter. und recht unterbaute und zusammengeflickte Ruine übrig bleibt. wel- che gegenwärtig infolge der internationalen und interkontessionellen R. W. Hynek, Golgathas Geheimnis und Tage der Vergel- Widerstände jedem Versuch zum Neuaufbau Trotz bietet. Nun wohl, ich frage mich, ob es nicht Gott selbst ist. der Israel bei tung. München 1951. A. Girnth Verlag. 317 Seiten. der Hand nimmt und es in sein Land zurückführt. ob nicht Gott Henry Daniel-Rops, Jesus. Der Heiland in .seiner Zeit. Israel holen gegangen ist eigens um es vor diese nicht wiederher- stellbare Ruine hineinzupflanzen und ihm zu sagen: Sich die Trum- Freiburg-München-Innsbruck 1951. Abendländische Ver- mer meines Hauses!" ... Ich verlange von Israel nicht etwa. daß es lagsanstalt. 750 Seiten. sich hic et nunc bekehre. . . . Im Aurenblick handelt es sich nicht Diese beiden neuen Bücher über Jesus und seine Passion gehören in darum, unvereinbare Moral- und Glaubenslehren zu verschmelzen. Es keiner Weise zu den Spitzenleistungen heutigen Bemühens um dieses handelt sich nur um Steine und Mörtel. Es handelt sich um das uner- wichtigste Thema, zu denen — je auf eigne Art — etwa Guardinia trägliche Argernis: ein armseliger alter Bau. nicht sehr glanzvoll, ,Das Bild von Jesus dem Christus im Neuen Testament', Pickls .Mee- wahrhaftig. der zerfällt, und davor Einer, ein Jude! Ein Jude. dem siaskönig Jesus` und Willams ,Leben Jesu' im deutschsprachigen bis zur letzten Kreatur jeder etwas zu verdanken hat, und der in 53 seiner eignen Heimaterde keine Stelle mehr besaß, wo er sein Haupt Martin Buber, hinlege.•* _ Israel und Palästina. Zur Geschichte einer Mit solchen und ähnlichen Worten sucht der Dichter dieselbe Er- Idee. Zürich 1950. Artemis-Verlag. 208 Seiten. schütterung in Worte zu fassen, die auch uns bei unsrer Freund- — — Pfade in Utopia. Heidelberg 1950. Lambert Schnei- schaftsarbeit bewegt (Etwas von dem Echo, das sein Ruf auslöste und seine Antwort darauf. findet sich auf 8. 37.) Uns scheint, wenn mehr der. 248 Seiten. Christen von dieser Erschütterung erfaßt würden und sie nach bestem Für die weitere Vorgeschichte und geistige Grundlegung des Staates Können auswirkten, so wäre die Voraussetzung dafür geschaffen, daß Israel Ist Bubers Beitrag ähnlich erhellend wie für die unmittel- mehr jüdische Menschen diesen Appell so freundschaftlich anhören bare und politische Weizmanna Memoirenwerk. Klar werden von könnten, wie er im letzten gemeint ist. vornherein ,Zion und die nationalen Ideen` unterschieden: „Es ist unmöglich, ein geschichtliches Israel zu konstruieren, das zu irgend einer ,Zeit ohne den Glauben an seinen Gott besteht und ihn erst Charles Pdguy, Erkämpfte' Wahrheit. Gedanken. Düssel- danach annimmt: eben durch die Botschaft der gemeinsamen Füh- dorf 1951. Bastion-Verlag. 159 Seiten. rung schließen sich die wandernden Scharen zum Volk zusammen." Im Kampfe gegen die Verurteilung des jüdischen Generalstabshaupt- (8. 9). „Zu keiner Zeit ist dieses Land einfach Volksbesitz gewesen; maunz Dreyfus auf Grund gefälschter Indizienbeweise für angeb- immer war es zugleich Forderung, aus ihm zu machen, was Gott aus lichen Landesverrat ist P6guy der Mann geworden, als den ihn ihm gemacht haben wollte" (8. 10). Ebendarum: „Die säkularisie- heute das ganze katholische (und nicht nur das katholische) Frank- rende Tendenz im Zionismus richtet sich auch gegen das Geheimnis reich verehrt. „Wir waren," so schreibt er von diesem das ganze Zion" (8. 12). Das ganze Buch tritt dieser Säkularisierung entgegen. Land damals zutiefst aufwühlenden Kampfe, „Menschen des ewigen Zuerst wird das ,Biblische Zeugnis' von Gabe und Aufgabe des Heils, und unsre Gegner waren Menschen des seitlichen Heils. Hier Gelobten Landes untersucht. (Nuri. 13, Deut. 26 etc.) Dann ‚Deu- ist die wahre, die wirkliche Teilung der Affaire Dreyfus. Wir woll- tung und Verklärung` der Beziehungen zwischen Land und Volk im ten ganz eigentlich nicht, daß Frankreich im Zustand der Todsünde rabbinischen Schrifttum. Weiter ,Die Stimme des Exils' (eines Je- konstituiert werde." huda ha-Levi, des kabbalistischen Buches ,Rohar', bedeutender Dem jüdischen Philosophen Bergeon verdankte Pöguy seine Befreiung Rabbis des 18. Jahrhunderts). Schließlich stellt sich der Zionisti- von der mechanistischen Schulphilosophie seiner andern akademi- sche Gedanke' im engeren Sinne dar: bei M0444 ließ, dem zeit- schen Lehrer; für Bergson aber wurde dieser sein von ihm am weiligen Mitkämpfer Karl Mars', der später zu einer besonders höchsten geschätzter Schüler einer der Wegweiser zum Christentum, tiefen Konzeption der ‚religiös-sozialen' Sendung des eignen jüdi- das er zuletzt als Erfüllung des Judentuns anerkannte, ohne sich schen Volkes ‚umkehrte': bei Theodor Herd als Notlösung einer doch der Solidarität mit den Verfolgten durch die Taufe entziehen ‚drängenden Stunde', bei den eigentlichen Trägern zionistischer zu wollen, wie «Ihm erschien. In dieser Sammlung besonders wich- Geistigkeit und Verwirklichung: Weitamanns Lehrer Achad-Haam tiger Gedanken (und s. T. Dichtungs-Fragmente) aus seinem Werke, (Ascher Ginzberg) und den schon wieder im Lande lebenden Vor- die erstmals 1936 sein Sohn Pierre zusammengestellt und Kardinal WMgestalten des gesetzestreuen Rabbi Kuk und des Arbeiterführers Verdier eingeleitet hat, spricht der Mann zum ersten Mal umfas- A. D. Gordon. send zum deutschen Publikum, der geradezu als Patron der exi- stentiellen christlich-jüdisch= Begegnung in Frankreich anzusehen „Daß das Volk den gerechten Staat Gottes ... zu errichten in das Land gebracht worden war" (8. 10) und wieder dahin gebracht ist. worden ist, macht die Grundüberzeugung Ilubers aus, derentwegen sein Buch in die Ansätze zu sozialistischer Verwirklichung aus- Chahn Wetzmann, Memoiren. Das Werden des Staates mündet, die hier nicht säkularistisch gemeint sind. Bei denselben Israel. Hamburg 1951. J. P. Toth Verlag. 699 Seiten. Ansätzen enden such die von ihm verfolgten ‚Pfade in Utopia*, Im Abendlande pflegte der Zionismus meist als der psychologisch seine höchst lehrreiche Ideengeschichte der modernen sozialisti- verständliche ‚Auch-Nationalismus' eines völlig verweltlichten Ju- schen Bewegung, grundlegend kritisch gegenüber Marx und Lenin, dentunis in extrem bedrängter Lage aufgefaßt zu werden, womit der entschieden bejahend (aber keineswegs unkritisch, wo es nötig er- Aspekt isoliert wurde, den die Bewegung gerade bei ihrem ‚Schöpfer scheint) gegenüber den vergleichsweise viel zu wenig gewürdigten vordergründig zeigte. bei Theodor Herd, als er unter dem Eindruck Vertretern einer nicht statistischen (nicht ,staatskapitalistischen') der Antisemitischen* Welle im Dreyfuß-Prozeß sein berühmtes Buch Gemeinwirtschaft wie Proudhon, Krapotkin, Landauer — und eben schrieb: ,Der Judenstaat'. den Verwirklichungsversuchen in Israel. Daß das, was dort in An- Daß die wirkliche, längst vor Hersls zionistischer Wendung in Aktien griff genommen ist, nicht nur die Juden angeht, daß sie hier wieder getretene ostjüdische Kolonisationsbewegung in Palästina zum Unter- einmal stellvertretend vor einer Aufgabe der ganzen Menschheit schied davon aus den echten Quellen jüdischer Religiosität gespeist stehn, das zeigen die konvergierenden Linien dieser beiden Bücher war, das wird gerade der christliche Leser mit besonderer Genugtu- dem zu tiefer Besinnung angeregten Leser. ung dem bedeutenden Memoiren-Werke des ersten israelischen Stasts- präsidetnen Oheim Weinmann entnehmen. (Abgeschlossen 1948, eng- Martin Buber, Bilder von Gut und Böse. Köln 1952. Verlag lisch erschienen 1950 unter dem Titel: Triel and error, etwa: Prü- fung und Irrtum.) Jakob Hegner. 77 Seiten. „Die Zähigkeit und Ausdauer der Bewegung ist nur in verstehen als Der große jüdische Denker gibt in diesem bedeutenden Büchliin eine Ausfluß einer religiösen überzeugung. Der Glaube an unsere Sendung anthropologische Untersuchung der Arten, bzw. der Stadien des war du, was uns immer wieder antrieb. Unser Judentum und unser Bösen im menschlichen Dasein, welche — recht verstanden — auch Zionismus bedingten sich gegenseitig", schreibt Wettsmann (8. 46) dem Christen Wesentliches zu sagen hat. von den ,Chowewe Zion' (den ,Zions-Liebenden'), denen er reit Ausgegangen wird zunächst von der biblischen Erzählung des 811n- seiner Schulzeit in Pinsle angehörte. Klar ist vor allem die Scheiduni denfalls, wobei sie treffend von irgendwelchem „von Götterneid.und von den revolutionären Marxisten, die mit den Zionisten um die Götterrache erzählenden Mythus" unterschieden wird, der dem Er- Wette die Jugend den seit den achtziger Jahren immer ärger gepei- zähler bekanntgewesen sein mag, aber von ihm in inspirierter Frei- nigten russischen Judentums für eine bessere Zukunft zu gewinnen heit in etwas „ganz anderes" verwandelt wurde. (Und der so nun suchten. „Meine Abneigung gegen Lenin, Plechanow und den arro- offenbarte Wahrheit ist.) ganten Trotzky wurde durch die Verachtung herVorgerufen, mit der Buber unterstreicht, daß Adam und Eva sich im Paradies noch nicht sie jeden Juden behandelten. der Anteil am Schicksal seines Volkes eigentlich zwischen Out und Böse entscheiden, da sie ja noch dies- nahm und von Liebe für Geschichte und Tradition des Judentums seits der Erfahrung irgendwelcher Gegensätzlichkeit stehen: , die erfüllt war" (8. 81). Fast noch' größer litt Weinmanns Oeringsehlit- zwei Täter wissen nicht, was sie tun, mehr noch: sie können nur tun, zung für jene unter den reichen Juden, die ihr Judentum verleugnen; nicht wissen." • er selbst hält sich immer wieder zu den Kleinen, den Niedrigen. den Erst im warnenden Gottes-Spruch an Kahl:" .. vorm Einlaß Sünde, Verachteten seines Volkes, wenn er auch nicht verschmäht, sich für ein Lagerer, nach dir seine Sucht (Gen. 4, 7) „steht das Wort, sie von denjenigen Wohlhabenden und Einflußreichen unterstützen du in der Erzählung vom jandenfall* fehlt, du Wort ‚Sünde', und zu lassen, deren Herz und Gewissen sie dazu treibt. Äußerst ange- hier ist es anscheinend der Name eines Dämons, der, seinem Wesen nehm fällt das ruhige Selbstbewußtsein auf, das Weinmann jeweils nach ein (Weg-), Lagerer, jeweils am Eingang zu einer Seele, die das dann bekundet, wenn er sich zur Frage der begrenzten Aufnahme- Onte nicht meint, kauert und lauert, ob sie ihm zu eigen werde, sie, fähigkeit anderer Völker für Angehörige des jüdischen äußert (etwa in deren Macht es immer noch steht, ihn zu übermächtigen." (Buben 8. 141, 183) ; ein echtes Problem, dem der bewußte und für sein Auslegung harmoniert hier durchaus mit der katholischen, insofern Volk um den eignen Staat kämpfende Jude ganz nüchtern ins Auge auch diese ein ..8ündigenmüssen" des Menschen bestreitet, wie er; blicken kann. Die Nüchternheit. bei allem inneren Feuer, ist über- wenn er dieses mit der ,Erbsünde gleichsetzt, so trifft er damit nur haupt ein besonders ansprechender Zug an diesem Buche. Im Kon- ihr protestantisches Verständnis.) trast zu ihr kommen dann die vielfachen dramatischen Ereignisse, Eine weitere Entwicirlungs-Etappe, welche in der Biblischen Ur- von denen zu berichten ist, besonders eindrücklich zur Geltung. geschichte durch den Willen der babylonischen Turmbauer vertreten Nicht zuletzt jene beinahe tödliche Krise der Bewegung auf dem wird, „sich einen Namen zu machen" (Gen. 11. 4), illustriert Buber ‚Zionistischen Kongreß' von 1903, wo angesichts der durch eine neue vorwiegend mit dem hierzu ausführlicheren überlieferungsgut des russische Pogromwelle ausgelösten Notlage Herd plötzlich vorschlug. iranischen Awesta Zarathustras, worin von einem Ur-König Time die statt Palästina das von der britischen Regierung angebotene Uganda Rede ist, der „sich selber zu preisen und zu segnen beginnt" und jüdisch zu besiedeln. Gerade die russischen Juden, deren Not hier dadurch in Dämonenversklavung und Tod fällt. gesteuert werden sollte. wehrten sich unter Weitzmanns Führung Interpretierend findet nun Buber ein erstes, sozusagen kamitischee entschieden gegen dieses Projekt; für sie war ,Zion* nicht mit Stadium des Menschen im (pubertären) Chaos. worin die Sünde Inn irgend einem ,Judenstaat' irgendwo sonst auf Erden beliebig ver- mit vielfältiger Lockung umlauert und er ihr verfällt, sobald er sich tauschbar. nicht klar für das Gute, das jeweils Gottgebotene, entscheidet, was Und seltsam: Auf christlicher Seite fanden sie Verständnis. Der immer dies koste, — aber auch der Weg zur reuigen ‚Umkehr ihm Sachbearbeiter der englisch= Regierung für afrikanische Angele- offenbleibt. genheiten. Lord Peset'. „selbst tief religiös. war geradezu bestürzt, Je häufiger er sich weigert, diesen zu gehen, desto stärker wird die daß bei den Juden überhaupt die Rede davon sein konnte, ein Versuchung, sich selbst so zu bejahen, wie er nun geworden ist, statt anderes Land als Palästina zum Aufbau einer eigenen Heimst zu so, wie Gott ihn haben will, er aber nur durch eine radikale Absage wählen. Und es freute ihn, von mir zu hören, daß es so viele Juden an sein bisheriger Verhalten werden könnte. Erst diese Selbst-Wahl gab, die kategorisch dagegen waren" (8. 140). Auch weiter sind es gegen Gott ist die ausgereifte Entscheidung für das Böse. Immer Christen gewesen, die aus der Heiligen Schrift die Merzen- Wir halten diese Analyse in sich selbst für weitgehend richtig, haben gung geschöpft hatten, daß Israel (und zwar nach Es. 36 noch vor such eine ganz dasselbe meinende Unterscheidung zwischen bloß seiner Wiedervereinigung mit der Kirche) in das ihm Gelobte Land relativem und absolutem Bösen skizziert in unserer Studie .38. Fela- heimkehren müsse, deren Hilfe zum endlichen Erfolg der zionisti- nla Lebenswerk als Ausgangspunkt für thomistische Bemühung um schen Bestrebungen entscheidend beigetragen hat. Wieviel an inne- du Freiheiteproblems im ‚Philosophischen Jahrbuch', Fulda 1948. ren und äußeren Widerständen auf dem Wege dahin, erst zur Hal- Nur scheint uns, daß Buben erstes und zweites Stadium in Wirk- four-Deklaration von 1917 und dann durch du Menschenalter bis lichkeit das zweite und dritte darstellen. Schon vor der pubertären zur Staategriindung, überwunden werden mußte, das wird der auf- Sünde Keins liegt die sozusagen infantile des ersten Menschenpaarer. geschlossene Leser dieser Memoiren mit Spannung, mit Achtung und die „nur eben als Ungehorsam strafwürdig ist", wie Buber richtig mit reicher Belehrung verfolgen. schreibt, ohne aber daraus die Konsequenzen zu ziehen. Das Erste. 54 worin wir uns böse finden, sind Taten konkreten Ungehorsams; das ausgesprochen anständig: Als ein junges Mädchen, das ebendorthin zweite dann, vom ersten „ermöglicht", wie Buber wieder durchaus in eine Ballettruppe engagiert ist aus Entkräftung ohnmächtig wird, sieht, sind jene kainitischen Abstürze, sobald der jeweils gerade ge- stellt ihm der Held sein eigenes Schlafwagenabteil zur Verfügung botene gerechte Weg einmal verlassen ward; ein drittes erst ist jene und übernachtet im Gang, ohne irgend welche Gegenleistung dafür ‚Vereisung', als die er treffend die Selbstwahl im Bösen kennzeichnet. zu verlangen. Nachdem er sich spät e mit der aus Dankbarkeit für An Hand seiner Betrachtung dem nachzusinnen wird vielen Lesern die ungewohnte Güte sehr weit Entgegenkommenden eingelassen hat, Au vertieftem Selbstverständnis förderlich sein. zieht er daraus die Folgerung, ihr unter eigenem, erheblichem Risiko zu Hilfe zu eilen, als sie - unschuldig - in eine jugoslawische Hans-Siegfried Huß, Redet mit Jerusalem freundlich. Pre- Revolutionsaffäre verwickelt wird; nichts, was dieser Mann tut, digten. Neuendettelsau 1951. Freimund-Verlag. 96 Seiten. würde irgendein nichtjüdischer Geschäftsmann als unehrenhaft ver- Im Auftrage der Bayrischen Arbeitsgemeinschaft für Lutherische Ju- abscheuen können. Aber - er ist nur der vielberufene „anständige denmission legt hier der Herausgeber neben einigen liturgischen Jude", jene „Ausnahme", die die Regel bestätigt. Denn „die Juden" Texten (z. B. übersetzung der Karfreitags-Improperieni 15 Predig- kennt man doch: „Moult war kein Jude, er verstand sich weder auf ten von sich und andern vor, durch die das Anliegen der Mission den Geschäftstricks noch auf Auaflachte" (8. 18). Alle traditionellen Vor- christlichen Gemeindegliedern verdeutlicht werden soll. Im Einzel- würfe tauchen auf: Geldgier (8. 30), Hinterhältigkeit (8. 59) , Ver- nen wäre viel Zustimmendes, aber auch manches Kritische zu diesen führungstendenzen (8. 81) ; auch an den „getarnten" Juden fehlt es Predigten zu sagen. (Genügt es z. B. wirklich, in einer sonst vor- nicht, die sich die Nase durch eine Operation haben geradestrecken trefflichen Auslegung der Wahl eines menschlichen statt des gött- lassen (8. 216) und schließlich muß der anständige Held zu einem lichen Königs durch Israel - 1. Sam. (Kön.) 8 - zum deutsch- „schlecht getauften" Rassegenossen sagen: „Ich bin kein Christ, Mr. jüdischen Verhältnis heute nur ru sagen: „Noch steht zwischen Stein, Ich glaube nicht, daß Nächstenliebe die erste Tugend ist ..." dem alten Volk der Juden und den ‚Völkern' der Haß, und wir Deut- (8. 217). schen sind nicht unschuldig daran, daß der Haß Israels gegen die Bevor geschehen war, was durch Hitler zunächst in Deutschland und Völker keineswegs etwa gestorben ist"? 8. 11, wieviel ernster zum dann auf dem ganzen europäischen Kontinent 1933-1945 geschehen gleichen Gegenstand ein andrer Prediger B. 431) Im ganzen bilden ist, konnte man vielleicht über einen solchen Roman achselzuckend sich bei der Lektüre des Heftes zwei sehr unterschiedliche Eindrücke hinweggehen, wie man schließlich auch irgendeinen anderen fast heraus: Einerseits können wir wirklich nicht glauben, daß diese gedankenlos hingenommen hätte, worin etwa Neger oder auch Ar- ‚ungebrochene' Selbstverständlichkeit des Weitertreibens der ‚Mis- menier als unerfreulicher Menschenschlag behandelt worden wären. sion' im hergebrachten Stil, wie sie uns hier überwiegend begegnet, Jetzt aber sollte man doch wohl wenigstens in Deutschland verlangen auf einem richtigen Verständnis dessen beruht, was uns Gottes dürfen, daß die Verlage sich etwas mehr als früher Gedanken darüber Wort, wenn wir es heute aufgeschlossen hören, heißt und ver- machen, ob ein Buch geeignet ist, alle Hetzlügen Hitlers scheinbar zu heißt; wir können uns insofern doch nur freuen, daß auch unter bestätigen und so den Hirnen erneut einzuhämmern, oder nicht. Wir gläubigen evangelischen Christen noch andre Wege im Verhältnis zu wagen zu hoffen, daß keine Neuauflage dieses Buches in deutscher den Juden gesucht werden, wie es etwa im Hattenheimer Votum Sprache erscheinen wird. Prof. Ernst Wolfs, des Herausgebers der Zeitschrift ‚Evangelische Nachschritt: Der Ausdruck dieser Hoffnung war unter dem 17. 2. 1951 Theologie' zum Ausdruck kommt. (Vgl. 8. 32) Anderseits aney kann dem Verleger des Buches, Herrn Ernst Rowohlt, übermittelt worden. gar kein Zweifel darüber bestehn, daß gerade in diesen ,missionari- Unter dem 16. 3. 1951 teilte der Rowohlt-Verlag, Hamburg, mit, „daß schen' Kreisen ganz überwiegend tiefe, ehrliche Freundschaft zu den die Schwierigkeit ... insofern behoben ist. als wir keine Neuauflage Juden zum Ausdruck kommt, daß gerade sie die ‚getrennten Brüder' des Romans ORIENTEXPRESS von GRAHAM GREENE beabsichti- mit bestem Willen suchen. Man wird darum hoffen dürfen, daß auch gen." Trotzdem ist im August 1951 das 51.-75. Tausend in derselben in ihren Reiben die Erkenntnis von der grundlegend geänderten Buchreihe erschienen. Wenn das am grünen Holze ge- gegenseitigen Gesprächssituation immer tiefer eindringt; und man schieht K. Th. wird wünschen müssen, daß aus dieser Situation heraus gestaltete, Bibilographische Notizen ähnlich zur Nachahmung anregende Predigten recht bald auch von Blau, Bruno, Die Juden in Deutschland von 1935-1945. In ,Judaicas katholischen Homileten vorgelegt werden. 7,4 (1. 12. 1951), 8. 270-284; eine Statistik, welche die von uns auf 8. 42 1. wiedergegebene wertvoll bestätigt und ergänzt; ähnliches gilt Sophie Kramstyk, Man lebt wie man kann. Hamburg 1950. von desselben Verfassers Bericht: Der Staat Israel im Werden, in Rowohlt, 531 Seiten. ‚Frankfurter Hefte' Dezember 1951 (VI, 12), S. 927 Buber, Martin, Die Opferung Isaaks. In ‚Frankfurter Hefte' Septem- Gertrud Isolani, Stadt ohne Männer. Zürich 1945. Falken- ber 1951 (VI, 9) 8. 623 ff. Verlag, 336 Seiten. Leder, Rudolf. Christus und Israel. Franz Werfels Deutung des jü- Diese beiden Romane schildern das jüdische Schicksal des letzten dischen Schicksals. In ‚Stimmen der Zeit', April 1951 (148, 7) 8. 34 ft; halben Menschenalters, ungeschminkt realistisch, einmal auf gefasert auf diesen Bericht über eine der bemerkenswertesten. neueren jüdi- in die einander überkieuzenden Lebensläufe einer aus dem Osten schen Stellungnahmen zu Jesus Christus machen wir besonders auf- stammenden Sippe über ganz Europa hin. das andre Mal konzen- merksam; die darin geäußerten Fragen gegenüber unserer Arbeit triert in der Hölle des Frauenlagers ,Camp de Gurs' 1940. sind inzwischen brieflich zur beiderseitigen Befriedigung abgeklärt. 8. Kramstyk führt ihre hauptsächliche Heldin von einem letzten Iran Oyen, Hendrik, Hermann Cohen als religiöser Denker. In Ju- gesetzesgemäßen Eleder-Abend' am Passahfest letztlich unverdorben daica 7, 3 (1. 9. 1951), 8. 214 ff. durch die Welt assimilatorischer Ersatzheimat-Sehnsucht und wur- Rurwies, Man, Die ‚Verweltlichung des Judentums`. Zur religions- zelloser Zersetzung (kommunistischen wie kapitalistischen Gepräges) geschichtlichen Interpretation der zionistischen Bewegung. In in die neue Heimat, nach Jerusalem. (An gedanklicher Verarbeitung ‚Hochland' Februar 1951 (43, 3) , 8. 263 if. des Erlebten wird verhältnismäßig wenig geboten, sondern einfach Rang. Bernhard, Die Botschaft Israels. Eine Studie über Buben ehrlich geschildert, wie es in dieser tief unglücklichen Welt zuge- Bibeldeutung. In: ,Das literarische Deutschland II, 22 (25. 11. 1951). gangen ist, unter Verzicht auf Greuel oder billige Sensationen-) Rengstorf, hari Heinrich, Judencaristenturn heute. In ‚Saat auf Hoff- G. Isolani schildert vor allem die Unerträglichkeit der Lager-Exi- nung' 1950 (73. 4). S. 145 ff. stenz; eine der betontesten Gestalten ist eine Jüdin, die aus der Schoeps-Sehmaus-Schlichting, Theologisches Dreigespräch. (,Bin ich Assimilation zu ihrem Judentum zurückkehrt. Daß eine katholische der Hüter meines Bruders?' .Du bist für deinen Bruder da!' - Schwester ihr dazu hilft, wenn sie auch sehr von außen gesehn ist, --- ‚Toleranz im Lichte des Christentums'). In: ‚Religion und Welt- wird man ohne Anstoß hinnehmen können; es sind durchaus Situa- anschauung' 6, 6 (Nov./Des. 1951), 8. 181 ff. tionen denkbar, in denen man einem Mitmenschen sagen darf und Schoeps, Hans Joachim, Religionsphänomenologische Untersuchun- muß: „Du wolltest eine schlechte Christin werden, aber heute ist es gen zur Glaubensgestalt des Judentums. (Eine Auseinandersetzung Zeit für dich, daß du eine gute Jüdin wirst." (8. 237) mit Paulus, auf die wir im Rahmen der geplanten Studie ,Paulinia- mus-Rabbinismus* zurückzukommen hoffen. In: ‚Zeitschrift für Graham Greene, Orientexpreß. Hamburg 1950, Rowohlt- Religions- und Geistesgeschichte 2, 4 (1949/50) , 8. 293 ff. vertag, 234 Seiten. Schubert, Kurt, Gesetz und Erlösung in der jüdischen Theologie. In Der Verfasser dieses Buches gehört heute zu den meist beachteten ,Judaica' 7, 3 (1. 6, 1951), 8. 136 ff. katholischen Roman- und Filmautoren. Die deutsche Ausgabe des Stier, Max, Der Staat Israel und die Deutschen. In ‚Frankfurter neuen Werkes erschien im September 1950 in einer sog. Ro-Eto-Ro Hefte* Mai 1951 (VI 5), 8. 350 ff. Taschenbuch-Ausgabe (Auflage 50 000 Exemplare) und war um das Thieme, Karl und Eugen Kogon, Martin Buber. In ‚Frankfurter Jahresende bereits vergriffen. Man wird damit rechnen müssen, daß Hefte' März 1951 (VI, 3) S. 195. das Buch im Laufe der Zeit an Hunderttausende herankommt. Darum -, Um den Frieden mit Israel. Zur Diagnose und Therapie der glauben wir nicht dazu schweigen zu können, daß in diesem Roman deutsch-jüdischen Beziehungen. In „Deutsche Universitäts-Zeitung' Vorurteile gegen den jüdischen Menschen in stärkster Konzentration 8. 24 (17. 12. 1951). verbreitet werden. Der „Held" ist der jüdische Juniorchef einer eng- Ferner sei auf zwei Artikel in der ‚Herder-Korrespondenz` hingewie- lischen Importfirma, der auf der Reise zu seiner Filiale in Konstan- sen: ‚Jerusalem' (in V, 4/5, 8. 197 ff.) und ‚Die christlichen Kir- tinopel verschiedene Abenteuer erlebt. Er persönlich benimmt sich chen in Israel` (in V, 11, 8. 499 ff.) 12) Aus unterer Arbeit In Nummer 879, 10/11 berichteten wir, daß wir im Rahmen hört, ein den christlich-jüdischen Beziehungen gewidme- der interkonfessionellen christlich-jüdischen Arbeit auch tgs Seminar an der Universität München. Es wurden neun an den im Koordinierungsrat der Gesellschaften für christ- Referate gehalten mit den Themen: Das Verhältnis vom lich-jüdische Zusammenarbeit organisierten Bestrebungen Alten und Neuen Bund nach der Lehre der Kirche; Alt- teilnahmen. (vgl. auch Nr. 4 S. 19). Mitglieder des Heraus- testamentliche und Neutestamentliche Ethik; Die Beur- geber- und Beiratskreises des „Rundbrief ..." betätigten teilung der Juden im Neuen Testament, besonders nach sich an dieser Arbeit. Diese Mitarbeit ist in eine Krise Röm. 9/11; Der „Gottesmord" der Juden; Buchreferat über geraten. Professor Thieme ist aus seiner Stellung als „Der Antijüdische Komplex" von Hans Ornstein; Die Berater in religiösen Angelegenheiten beim Koordinie- Kirche und der Antisemitismus (Historischer tlberblick); rungsrat ausgeschieden. (vgl. Nr. 8/9 S. 31). Die Tatsache der 6 Millionen ermordeter Juden und das Der Zusammenhang unserer eigenen Arbeit aber wird deutsche Volk; Das Judentum in seiner religiösen Hal- durch diese Ereignisse nicht beeinflußt. tung heute mit besonderer Berücksichtigung Bergsons und Im Wintersemester 1950/51 hielt H. Professor Richard Werfels; Die Kirche und der Staat Israel. Egenter, der dem Beiratskreis des „Rundbrief ..." ange- H. Profesior Egenter äußerte lebhaftes Bedauern, daß es 55 trotz verschiedenster Bemühungen nicht gelungen war, Berichte über meine Reise in Israel und Palästina wer-, für die Diskussion der behandelten Themen einen Ver- den folgen (es war mir vergönnt, auch in den arabischen treter des Judentums zu gewinnen. Teil von Jerusalem zu kommen, um die auch dort liegen- Im Rahmen einer systematischen Verfolgung der Linie den christlichen eil. Stätten und Bethlehem [ebenfalls in der Bonner Erklärung vom 27. 9. 51 sei der dringende Jordanien] zu besuchen.) Wunsch ausgesprochen, daß nachdrückliche Bemühung Wir haben oben (s. S. 42 ff.) die Zahlen über die Vernie- einsetzen möge, für Jede deutsche Universität mindestens tung des europäischen Judentums sowie auch eine Uber- einen solchen qualifizierten Vertreter zu gewinnen; auch sicht über den Aufbau des Staates Israel gebracht, wie er sollten nichtjüdischen Persönlichkeiten Lehraufträge er- sich in den drei Jahren seines Bestehens vollzogen hat. teilt werden, die ermöglichen, den verdienstvollen Vor- Wenn man die einzelnen Phasen der Vernichtung und stößen von H. H. Professor Egenter und Monzel (s. S. 33 ff.) die fortschreitenden Vernichtungsabsichten seit 1933 mit- auf diesem Gebiet eine regelmäßige Weiterbearbeitung erlebt hat, ist es unendlich beglückend, festzustellen, wie folgen zu lassen. in diesem nach 2500 Jahren wiederum unabhängigen Außer den in Nummer 10/11 schon genannten öffentlichen Staat ein seit Jahrhunderten verwahrlostes Land mit Vorträgen fanden in Freiburg im Wintersemester 1950/51 einzigartiger Hingebung und Opferbereitschaft aufgebaut noch statt ein Vortrag von Kreisdekan D. Hermann Maas, wird. In Anbetracht dessen, daß sich die Bevölkerung in Heidelberg: ‚Die Eigenstaatlichkeit und die Seele Israels" den drei Jahren seit Bestehen des Staates verdoppelt hat (vgl. ‚Skizzen von einer Fahrt nach Israel', Ev. Presse- und das Land erst ertragsfähig gemacht werden muß, verband, Karlsruhe, 1950) und von Professor Dr. K. Thieme: herrscht — trotz der Dynamik des Schaffens, das der Dy- „Das Judentum und der Christ von heute". — namik des Wachstums entspricht (wo vor 11 Jahren z. B. Gast In Israel noch Steinwüste war, sind heute schattige Wälder) — Aus der Fülle der Arbeit sei von einem Aufenthalt in große Knappheit an allem Lebensnotwendigen. Es ist Israel berichtet, zu dem die Mitherausgeberin des Rund- alles streng rationiert: Also eine Lage ähnlich der unsri- briefes in Zusammenhang mit ihrer in den Verfolgungs- gen vor der Währungsreform. Gebraucht werden außer jahren durchgeführten Hilfsarbeit als Gast eingeladen aller Arten von haltbaren Lebensmitteln Verbandszeug, war. Dabei konnte sie feststellen, daß auch in Israel die Watte, Näh- und Stopfgarne etc., Werkmaterial für Kin- Bereitschaft und das Bedürfnis nach einem echten Ge- dergärten (farbechte Garne, Bast, Rupfen, buntes Glanz- spräch zwischen Christen und Juden vorhanden ist. Dies papier zum Kleben, Buntstifte, Stanzblättchen in ver- zeigt u. a. ein Artikel, den Schalom Ben Chorin in der in schiedenen Formen und Farben) usw. Jerusalem deutsch-sprachigen Zeitung vom 13. 7. erschei- Wer spendet? — Geldspenden können überwiesen nen ließ, in dem es u. a. heißt: ‚Botschafterin der Mensch- werden auf das Rundbrief-Konto (Dr. Gertrud lichkeit: Dieser Tage traf im Lande eine Mitarbeiterin des Luckner .1 Rundbrief Postscheck-Konto Nr. 8035 Deutschen Caritasverbandes, Dr. Gertrud Luckner, ein. Freiburg 1.Br.) mit dem Kennwort: Israel-Spenden. Gäste aus Deutschland sind hier naturgemäß eine Selten- heit, und bisher war es nur zwei Deutschen vergönnt, Daß es dabei nicht nur um das Materielle geht, zeigt ein unser Land zu besuchen: Dem protestantischen Kreis- Satz aus einem aus Israel erhaltenen Brief: . ... Es ist ja dekan Maas aus Heidelberg, dem Journalisten Küster- schließlich nicht nur das Materielle, was die große Freude meier aus Hamburg. Nunmehr kam die katholische Funk- auslöst; vielleicht ist die Gesinnung, die hier zum Aus- tionärin Dr. Luckner aus Freiburg. (Der Fall des Kölner druck kommt, das, was meinem Herzen am meisten wohl- Prälaten Meinertz lag anders, da er auf vatikanischen Paß tat...' hier einreiste). Solche kleine Bezeugungen eines guten Willens von ein- Dr. Luckner kam auf persönliche Empfehlung von Rab- zelnen würde die Voraussetzung schaffen helfen für ein biner Dr. Leo Baeck, der bereits im Vorjahre für sie einen neues Vertrauen und eine Verbundenheit von Mensch zu Empfang in London veranstaltet hatte, verbunden mit Mensch. Dr. Luckner, die in den Jahren der düsteren Judenver- In diesem Zusammenhang dürfen wir als Äußerung einer folgung im Nazireiche aufopfernd und hingebungsvoll für führenden Persönlichkeit des Außenministeriums von die Rettung unserer Brüder und Schwestern eingetreten Israel aus einem Brief zitieren: ist und diese Liebestat mit zwei Jahren Konzentrations- .... Die Frage, ob die Bonner Erklärung ein Anfang lager zu büßen hatte ... Schwer geschädigt, aber geistig- eines allmählichen Verstehens zwischen Deutschen und seelisch ungebrochen, kehrte sie nach Freiburg zurück Juden werden kann, wird von den praktischen Auswir- und begann dort eine ganz neuartige Tätigkeit. Nun setzte kungen entschieden werden. Dies wird davon abhängen, sie alles daran, um das Verständnis zwischen Juden und inwiefern die deutsche Bundesregierung bereit sein Christen zu fördern und anstelle der Drachensaat des wird, die darin gestellten Forderungen zu verwirklichen. Hasses, welche die Nazis zwölf Jahre ausgestreut hatten, Lassen Sie uns abwarten und herausfinden, was Bonn zu für Toleranz und gegenseitiges Verständnis zu werben. tun beabsichtigt. Sie begann mit der Herausgabe von „Rundbriefen zur So wichtig auch immer Regierungserklärungen sind, ent- Förderung der Freundschaft zwischen dem Alten und scheidender jedoch ist der Geist des Volkes. Es ist die Neuen Gottesvolk — im Geiste der beiden Testamente". Frage, ob diese Erklärung auf fruchtbaren Boden fiel und Vor allem sollten die christlichen Kreise, Katholiken und ein Hebel für eine Neuorientierung des deutschen Volkes Protestanten, durch diese Rundbriefe, die an 2000 Leser, in dieser Sache wird. Ohne Zweifel haben Sie zur Errei- vorwiegend Geistliche und Lehrer, hinausgehen, über das chung dieses Zieles bei diesen Bemühungen Ihren Beitrag Judentum informiert und zu interkonfessioneller Arbeit zu leisten." angeregt werden ...• Es fehlt in Israel noch an der Möglichkeit eines Gesprächs Anläßlich eines Aufenthaltes in Rom auf der Rückreise zwischen Christen und Juden. Die christlichen Kirchen von Israel wurde ich zum Besuch in den .Fosse Ardeatine" sind, soweit sie evangelisch sind, in ihrem Verhältnis zu angeregt durch H. H. P. Callistus Lopinot OFM aus dem den Juden „missionarisch", während die katholische Kapuzinerkloster, das während der Verfolgungszeit den Kirche überwiegend auf die arabische Bevölkerung ein- im Vatikan verstedcten Juden durchgeholfen hatte. gestellt ist. (vgl. auch Herder-Korrespondenz, Aug. 1951, H. P. Lopinot stand durch seine im Lager Ferramonti- Heft 11 S. 500). Tarsia, Kalabrien, von 1941 bis 1944 ausgeübte Seelsorge Es geht darum, eine neue Basis für ein gegenseitiges Ver- mit Verfolgten im engen Kontakt. — Die diesem Rundbrief ständnis zu schaffen. Dies ist auch die Voraussetzung, daß eingelegte Beilage mit der Aufnahme von den .Fosse die Kirche die Christen jüdischer Herkunft wird absor- Ardeatine', wo Kreuz und Davidstern eindrucksvoll bezeu- bieren können. In der Situation des jungen Staates Israel gen, daß Christen und Juden zum ersten Mal gemeinsam gliedert sich die zu beginnende christlich-jüdische Arbeit verfolgt wurden, verdanken wir durch Vermittlung von im wesentlichen in drei Hauptrichtungen: a) Wahrung H. P. Lopinot der besonderen Güte des Bürgermeisters gemeinsamen Religionsguts gegenüber einer materialisti- von Rom, der die Aufnahme für uns anfertigen ließ. G. L schen Weltanschauung wozu der Hl. Stuhl aufrief. (S. S. 52). b) Gespräch zwischen dein Alten und dem Neuen Aus dem voraussichtlichen Inhalt von Nr. 16: Gottesvolk. c) Was von christlicher Seite iIn Sinne einer Das Verhältnis Jesu Christi und seiner Apostel zur Friedensvermittlung zwischen Arabern und Juden gesche- Heiligen Schrift des Alten Bundes. hen kann, muß getan werden. _ Von Professor Dr. Herbert HAAG, Luzern.

Der Rundbrief erscheint etwa viertdiätneck im Umfang von ca. 16 Seiten. Preis der Einzel-Nummer DM 1.-, dieser Sonder-Nr. It/15 DM 4.... Folge IV (Nr. 13-16). DM 4.- u. Zustellgebühr. Dr. Gertrud Ludcner Rundbrief P ostsc hec k-Konto Nr. 8035 Freiburg 1. 8r. Bezug durch die Geschäftsst. Dr. Gertrud Ludcner, Freiburg 1. 8r., Werthntampl. 4, Deutsdier Caritasverband.— Druck: RING Druck u. Verlag GmbH Villingen