APuZAus Politik und Zeitgeschichte 50/2009 · 7. Dezember 2009

Frauen in Politik und Medien

Christina Holtz-Bacha Politikerinnen-Bilder im internationalen Vergleich

Birgit Meyer „Nachts, wenn der Generalsekretär weint“

Isabelle Kürschner Frauen in den Parteien

Uta Kletzing Wege und Erfahrungen von Kommunalpolitikerinnen

Katja Glaesner Angela Merkel – mit „Soft Skills“ zum Erfolg?

Reinhard Mohr Moderieren ist alles: Frauen im Polittalk

Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament Editorial Frauen in hohen und höchsten politischen und gesellschaftli- chen Ämtern sind keine Besonderheit mehr: Bundeskanzlerin Angela Merkel ist im September 2009 im Amt bestätigt worden, vier weitere Frauen gehören ihrem Kabinett an, und mit Margot Käßmann ist seit Kurzem erstmals eine Frau Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Doch gleichzeitig gilt auch: Frauen sind in der Politik nach wie vor unterrepräsentiert. Während im Bundestag seit mehreren Legislaturen immerhin etwa jeder dritte Sitz von einer Frau eingenommen wird, beträgt der Frauenanteil auf kommunaler Ebene durchschnittlich nur 25 Prozent.

Politisch ambitionierte Frauen müssen sich noch immer ge- schlechterspezifischer Klischees erwehren, die sich in der Gesell- schaft und der massenmedialen Berichterstattung hartnäckig hal- ten. Das Geschlecht und die damit vermeintlich verbundenen Ei- genschaften spielen in der Darstellung von Politikerinnen immer wieder eine große Rolle. Nur allzu häufig gleitet diese Betrach- tungsweise in die unterschwellig gestellte Frage ab: „Kann die das?“ Sobald sie in der „Männerwelt“ Politik erfolgreich sind, kann es Frauen dagegen passieren, dass ihnen die Weiblichkeit abgesprochen wird.

So oder so wird ein künstlicher Widerspruch zwischen Weib- lichkeit und Politik bzw. politischer Kompetenz konstruiert. Auch Angela Merkel ist in ihrer Karriere häufig mit derartigen Gemeinplätzen konfrontiert worden. Inzwischen muss sie sich die Kompetenzfrage nicht mehr gefallen lassen – und wenn doch, dann nicht, weil sie eine Frau ist. Es wäre also auch ver- fehlt, ihren Führungsstil, nur weil er sich von dem ihrer Vorgän- ger im Amt unterscheidet, als „typisch weiblich“ zu bezeichnen.

Johannes Piepenbrink Christina Holtz-Bacha eher Männern als Frauen zugeschrieben wer- den, und sie passen nicht gut zu den typi- scherweise Frauen zugeschriebenen Eigen- schaften. Sie orientieren sich an dem „great- Politikerinnen- man model of leadership“, 2 das Frauen in die Rolle der „anderen“ verweist: Männer gelten Bilder im interna- als stark, aggressiv, rational, aktiv, selbstbe- wusst und durchsetzungsfähig, Frauen als emotional, warmherzig, mitfühlend, sanft tionalen Vergleich und vorsichtig.

Damit hängt auch zusammen, dass Frauen ngela Merkel, Michelle Bachelet, Tarja und Männern unterschiedliche Kompetenzen A Halonen, Cristina Fernández de Kirch- zugeschrieben werden, die sie entsprechend ner, Pratibha Patil, Gloria Macapagal Arroyo, für verschiedene Politikfelder empfehlen: Luisa Diogo, Ségolène Männer für Außenpolitik, Sicherheit, Militär Royal, Hillary Rod- und Wirtschaft, Frauen für Soziales, Gesund- Christina Holtz-Bacha ham Clinton, Sarah heit, Erziehung und Umwelt. Vor diesem Dr. phil., geb. 1953; Professorin Palin – es scheint, Hintergrund ist es nicht überraschend, dass für Kommunikations- dass Frauen auf dem die jeweilige politische Situation Einfluss da- wissenschaft an der Vormarsch in die rauf hatte, ob die Wählerinnen und Wähler Friedrich-Alexander-Universität höchsten politischen bereit waren, ihre Stimme einer Frau zu Erlangen-Nürnberg. Ämter sind. Dennoch geben oder eben doch einen Mann vorzogen. christina.holtz-bacha@ gilt Politik immer Wirtschaftlich schwierige Zeiten, internatio- wiso.uni-erlangen.de noch als eine Männer- nale Spannungen sowie militärische oder ter- domäne: „Manly men, roristische Bedrohungen spielen daher eher doing manly things, in manly ways.“ 1 Dass männlichen Kandidaten in die Hände als Politik auch heute noch von Männern be- ihren Konkurrentinnen. herrscht wird, zeigt sich bereits auf einen Blick: Die „Familienfotos“ von den G8-Tref- Wollen Frauen also in der Politik aufstei- fen und erweiterten Runden zeigen die deut- gen, müssen sie solche gesellschaftlichen Vor- sche Kanzlerin allein unter Männern. Nicht stellungen, die auch die politischen Akteure viel anders sieht es bei den Treffen der Staats- selbst prägen, berücksichtigen. Das bringt und Regierungschefs im Europäischen Rat Frauen in eine schwierige Situation, zu deren aus. Charakterisierung der psychologische Begriff double bind herangezogen wird. Damit be- Obwohl sich Frauen in allen Teilen der zeichnet man eine Situation, die kaum zu ge- Welt bis an die Spitze durchgesetzt haben, winnen ist: Was immer eine Person tut, um in scheinen immer noch Männer die Politik zu der Situation zu bestehen, ist falsch. Geben bestimmen. Überraschend ist das nicht, denn sich die Frauen kühl, kalkulierend und ag- Männer waren einfach früher da: Seit Jahr- gressiv, wie es das politische Geschäft ver- hunderten schon haben sie Politik gemacht langt, riskieren sie Ablehnung als „Mannwei- und hatten Zeit, die Spielregeln festzulegen. ber“; empfehlen sie sich mit vermeintlich Frauen haben es daher schwer in der Politik, weiblichen Eigenschaften, gelten sie als unge- und nach wie vor gilt: Je höher die politische eignet für die schweren Herausforderungen Ebene, desto dünner ist die Luft für Frauen. der Politik.

In ihrer politischen Karriere müssen sich Der Zusammenhang zwischen gesellschaft- Frauen nicht nur in der Konkurrenz mit lichen Geschlechterbildern und den Vorstel- Männern durchsetzen, sondern sie kämpfen lungen vom politischen Betrieb sowie die auch mit gesellschaftlichen Stereotypen. In der Wählerschaft gibt es bestimmte Vorstel- 1 lungen davon, welche Eigenschaften Politike- Georgia Duerst-Lahti, Masculinity on the campaign trail, in: Lori Cox Han/Caroline Heldman (eds.), Ma- rinnen und Politiker mitzubringen und wie dam President. Are we ready for a woman in the White sie sich zu verhalten haben. Diese Bilder wei- House?, Boulder 2008, S. 87–112, hier S. 87. sen viele Merkmale auf, die üblicherweise 2 Ebd., S. 98.

APuZ 50/2009 3 dafür benötigten Eigenschaften und Kompe- Frauen, der Rolle der Medien und den Ein- tenzen, prägen auch die Medien und diejeni- stellungen der Wählerschaft ein. Etwa zur gen, die für sie arbeiten. Auf die Medien ist gleichen Zeit gab es auch in anderen Ländern aber angewiesen, wer in der Politik erfolg- Wahlen, welche die Möglichkeit boten, dem reich sein will: Weil selten Gelegenheit be- Thema weiter nachzugehen und Vergleiche steht, Politik direkt zu erfahren, orientieren zwischen verschiedenen Kandidatinnen oder sich die meisten Menschen an den medial ver- über mehrere Länder hinweg anzustellen. mittelten Bildern. Auch die politischen Ak- teure selbst sind keineswegs unbeeinflusst Anfang 2006 trat in Chile Michelle Bache- von dem, was die Medien über die Politik be- let als erste Frau das Amt der Staatspräsiden- richten. Entscheidend für Frauen, die sich in tin an. Cristina Fernández de Kirchner, seit die Politik begeben und dort auch auf höhe- 2007 Präsidentin von Argentinien, ist zwar ren Ebenen mitentscheiden wollen, ist also, nicht die erste Frau in diesem Amt, aber die wie die Medien über Politikerinnen allgemein erste, die durch eine allgemeine Wahl in die- und über bestimmte Politikerinnen berichten. ses Amt kam. Zur Präsidentschaftswahl 2007 in Frankreich schaffte es mit Ségolène Royal Politikerinnen wissen, dass die Medien für zum ersten Mal eine Kandidatin in den zwei- sie eine bedeutende Hürde darstellen, da über ten Wahlgang. In den USA kam Hillary Clin- Frauen anders berichtet wird als über Män- ton bei den Vorwahlen 2008 so weit, wie ner. Seit Jahrzehnten gilt weltweit die Klage, keine andere Kandidatin vor ihr. Unabhängig die Medien seien bei Frauen stets mehr an von den verschiedenen politischen Systemen, ihrem Aussehen und ihrem Privatleben inte- Wahlsystemen, politischen Kulturen und ressiert als an ihren politischen Anliegen: Was auch Mediensystemen zeigten diese Beispiele, hat sie an, wie sitzt die Frisur, muss ihr Mann dass es über die Grenzen hinweg Ähnlichkei- sein Essen nun selbst kochen und wer küm- ten gibt in der Art und Weise, wie Medien mert sich um die Kinder, während sie Politik mit Politikerinnen umgehen – und dass auch macht? Ihre männlichen Kollegen dagegen so manche Klage weiterhin ihre Berechtigung werden mit solchen Fragen selten konfron- hat. Es wurde aber auch deutlich, dass Unter- tiert. Das bedeutet, dass für Politikerinnen schiede bestehen, die auf die Persönlichkeit Kriterien zur Bewertung herangezogen wer- der Kandidatinnen und ihre unterschiedli- den, die sich nicht am konkreten politischen chen Strategien der Selbstdarstellung zurück- Stil und Inhalt orientieren und bei Politikern zuführen sind. kaum eine Rolle spielen. Solche Unterschiede in der Berichterstattung machen Frauen den Von „Angie“ bis Hillary Aufstieg in der Politik schwer. Wenn sie es geschafft haben, verschwinden zwar die Un- Nur in wenigen Staaten hat es bisher mehr- terschiede nicht unbedingt, aber der Umgang mals eine Frau im höchsten Regierungsamt mit den Medien wird leichter. Das ist wohl oder als aussichtsreiche Kandidatin für ein gemeint, wenn es für die USA heißt: „getting solches Amt gegeben. Auch Angela Merkel elected, as opposed to governing, may be the war „die erste“, als sie Ende Mai 2005 als biggest hurdle that a potential woman presi- Kanzlerkandidatin der CDU/CSU nominiert dent will face.“ 3 wurde, und alles, was sie im Wahlkampf und schließlich als Kanzlerin tat, geschah „zum In Deutschland sind Frauen in höchsten ersten Mal“. Die Tatsache, dass Frauen „zum Regierungsämtern vertreten, seitdem mit Eli- ersten Mal“ eine Stufe in der politischen sabeth Schwarzhaupt 1961 zum ersten Mal Hierarchie erreicht haben, wo bislang noch eine Frau auf einen Bundesministerposten keine Frau zu finden war, aktualisiert das first rückte (für Gesundheitswesen). Aber erst, als woman-Etikett. Sachlich ist das nicht falsch, zum ersten Mal eine Frau für die Kanzler- unterwirft die Frauen jedoch einer besonde- schaft kandidierte, setzte hierzulande auch ren Aufmerksamkeit. Für die Medien ist ein ein breiteres Interesse an den Interdependen- Ereignis, das zum ersten Mal oder überra- zen zwischen der politischen Karriere von schend auftritt, allemal Anlass für Berichter- stattung. Sie beobachten genau, was „die erste 3 Lori Cox Han, Is the United States really ready for a Frau“ tut, wie sie sich verhält, ob sie alles woman president?, in: dies./C. Heldman (Anm. 1), richtig, oder – erst recht – ob sie etwas falsch S. 1–15, hier S. 8. macht.

4 APuZ 50/2009 Der Neuigkeitswert, der sich mit diesem lichen Stereotypen der Fürsorge und des Mit- „Erste Frau-Phänomen“ verbindet, demons- gefühls, während ihre männlichen Konkur- triert allerdings zugleich das Ungewöhnliche renten typisch maskulin, als kompetent und am Aufstieg von Frauen an die Spitze der Poli- mit Führungsqualitäten dargestellt wurden. 5 tik: Sie sind die Neuen in einem Männerge- schäft, dessen Regeln sie erst einmal lernen Auch im Bundestagswahlkampf 2005 war müssen. Geradezu wie eine Überzeichnung die Frage nach Merkels Kompetenz immer- dieser Botschaft wirkten die Bilder der hoch- hin so präsent, dass sie später zum Buchtitel schwangeren spanischen Verteidigungsminis- wurde: „Kann die das?“ 6 Hier schlug sich terin Carme Chacón kurz nach ihrer Ernen- nieder, dass es die Regierungsparteien (damals nung 2008 beim Truppenbesuch in Afghanis- SPD und Grüne) zu ihrer Strategie machten, tan. Das „Erste Frau-Etikett“ erweist sich Merkels Kompetenz anzuzweifeln. Der da- insofern als eine zweischneidige Angelegen- malige SPD-Parteivorsitzende Franz Münte- heit: Zwar ist die Aufmerksamkeit der Medien fering wurde wiederholt mit seinem Verdikt für politische Akteure wichtig, denn sie ver- über Angela Merkel zitiert: „Die Frau kann schafft Bekanntheit und signalisiert Relevanz; das nicht“. Und auch in der Wahlwerbung sie bedeutet allerdings auch genaue Beobach- wurden der Kanzlerkandidatin Wankelmütig- tung und die Erwartung des Fehltritts, der be- keit und fragwürdige Sachkenntnisse unter- stätigt, dass Frauen sich in einer für sie frem- stellt. den Sphäre bewegen. Die Kompetenzfrage verbindet sich mit Während Männer für das Männergeschäft Zweifeln daran, ob Frauen aus eigener Kraft Politik per se geeignet scheinen, werden Frau- und aufgrund eigener Leistung in eine politi- en auf dem Weg in ein höheres politisches sche Spitzenposition gekommen sind. Tat- Amt mit Fragen nach ihrer Kompetenz kon- sächlich gibt es international viele Beispiele frontiert. So zeigte sich in den USA, dass Kan- für Politikerinnen, die Töchter oder Frauen didatinnen oftmals Zweifeln an ihrer viability erfolgreicher Politiker sind, wie etwa Indira ausgesetzt sind. Das ist die Frage danach, ob und Sonia Gandhi (Indien), Corazon Aquino sie dem angestrebten Amt und dem Macht- (Philippinen), Gloria Macapagal Arroyo kampf gewachsen sein würden. Dies geschieht (Philippinen), Isabel Perón (Argentinien), – in den Medien, aber auch durch die männli- Megawati Sukarnoputri (Indonesien) oder chen Konkurrenten – entweder direkt oder in- Benazir Bhutto (Pakistan). Ohne Frage kön- direkt durch Betonung von (vermeintlich nen bekannte Namen und Familienbande bei weiblichen) Eigenschaften, die eine Kandida- der politischen Karriere hilfreich sein. Aller- tin ungeeignet erscheinen lassen. dings wird oftmals der Aufstieg auch dann durch solche Verbindungen erklärt, wo Frau- So hat es auch Ségolène Royal erlebt, die en bereits auf eine eigene politische Karriere im Vorfeld der französischen Präsident- blicken konnten. Aus diesem Grund und um schaftswahl oft als unerfahren und inkompe- nicht nur als die „Frau von Bill Clinton“ ge- tent porträtiert und außerdem bevorzugt mit sehen zu werden, hat Hillary Clinton ihre den „weichen“ Politikfeldern assoziiert, bei Präsidentschaftskandidatur langfristig vorbe- den „harten“ Themen Außen- und Wirt- reitet und ist zunächst als Senatorin in den schaftspolitik dagegen vorgeführt wurde. 4 US-Kongress eingezogen. Dass Cristina Bei der chilenischen Präsidentschaftskandida- Kirchner vor ihrer Wahl zur Präsidentin Ar- tin Michelle Bachelet, die aufgrund der Um- gentiniens bereits mehrere politische Posten fragewerte in der Presse allerdings schon früh innehatte, verschwand in den Medien hinter als wahrscheinliche Siegerin der Wahl 2005 ihrer Rolle als Ehefrau ihres Vorgängers gehandelt wurde, zeigten sich ähnliche Be- Néstor Kirchner. richterstattungsmuster wie bei Royal. Die Zeitungen verbanden Bachelet mit den weib- 5 Vgl. Sebastián Valenzuela/Teresa Correa, Press co- verage and public opinion on women candidates. The case of Chile’s Michelle Bachelet, in: International 4 Vgl. Rainbow Murray/Sheila Perry, A right Royal Communication Gazette, 71 (2009) 3, S. 203–223. mess: why did the French say ’non’ to the opportunity 6 Sylka Scholz (Hrsg.), „Kann die das?“ Angela Mer- of having a woman president?, Prepared for delivery at kels Kampf um die Macht. Geschlechterbilder und the 2008 annual meeting of the American Political Sci- Geschlechterpolitiken im Bundestagswahlkampf 2005, ence Association, August 28–31, 2008. 2007.

APuZ 50/2009 5 Die Neigung, die Karriere einer Politikerin gleiche Wirkung wie die Assoziation von ihrem Namen und ihrer Familie zuzuschrei- Kandidatinnen mit „soften“ Themen: Sie un- ben, unterstreicht die Zweifel an ihrer politi- terstreicht, dass weibliche Kompetenz nicht schen Kompetenz und unterstellt, dass Frauen in der harten Politik gesehen wird. ihren Weg in die Politik auch ohne Sachkennt- nisse gehen. Die vielen Bilder von Helmut Kohl und Angela Merkel aus der Frühzeit Playing the gender card? ihrer politischen Karriere, die vor allem im Wahlkampf 2005 wieder veröffentlicht wur- Dass in der Gesellschaft bestimmte Vorstellun- den, vermittelten gelegentlich den Eindruck, gen über die Geschlechter bestehen, ist gewiss. dass auch bei „Kohls Mädchen“ der Vater ge- Mit ihnen verbinden sich bestimmte Erwar- sucht wurde, der für ihren Aufstieg verant- tungen an Verhalten, Kompetenzen und äußer- wortlich zu machen war. Doppelt, nämlich als liche Erscheinung. Solche Vorstellungsbilder „Tochter von“ und als „adoptierte Tochter“, 7 sind kulturabhängig. Für Frauen, die in der traf dieses Berichterstattungsmuster Martine Politik Karriere machen wollen, liegt die Her- Aubry, ehemalige Ministerin, mittlerweile ausforderung darin, mit den gesellschaftlichen Bürgermeisterin von Lille und Vorsitzende Rollenerwartungen umzugehen. Da die Politik der französischen Parti Socialiste. Die Tochter bis heute von Männern dominiert ist und Frau- des Politikers Jacques Delors galt als Protegé en auf politischen Spitzenpositionen nach wie von François Mitterrand und Liebling wichti- vor die Ausnahme sind, fehlen die Erfahrun- ger französischer Unternehmer. 8 gen für geeignete Strategien. Das bedeutet, Po- litikerinnen, die in den Wahlkampf ziehen, Verbreitet ist die Klage der Politikerinnen können kaum auf bewährte Rezepte zurück- darüber, dass die Medien bei Frauen das Pri- greifen, sondern begeben sich auf eine unge- vatleben zum Thema machen und sich bevor- wisse Gratwanderung zwischen konkurrieren- zugt mit ihrem Aussehen (Figur, Kleidung, den Erwartungen, die sich aus dem double Frisur) beschäftigen. So müssen sich Frauen bind ableiten. Wegen der Kulturabhängigkeit Fragen gefallen lassen, die Männern nicht ge- gesellschaftlicher Vorstellungen ist die Orien- stellt werden. 9 Das gilt nicht nur für die Be- tierung an ausländischen Vorbildern ebenfalls richterstattung, sondern ist auch eine Strate- nur bedingt möglich. Schließlich ist es auch gie männlicher Kollegen im Wettbewerb um nicht ein bestimmter Typ Frau, der sich in der die Macht. „Und wer kümmert sich um die Politik durchsetzt, so dass Karrierestrategien Kinder?“ ist eine Frage, die immer nur Frau- für Politikerinnen letztlich mehr oder weniger en gestellt wird. Im Kampf um die Kandida- individuell ausfallen. tur für den französischen Präsidentschafts- wahlkampf 2007 richtete sie Laurent Fabius Daran liegt es, dass uns die Medien von den an seine Konkurrentin Ségolène Royal, die Politikerinnen, die sich in den vergangenen ihn deshalb als sexistisch beschimpfte. 10 Die Jahren in der Politik durchgesetzt haben, sehr Beschäftigung der Medien – und der Politi- unterschiedliche Bilder geliefert haben. Zwar kerkollegen – mit privaten Aspekten, insbe- lassen sich international bestimmte Konstan- sondere dem Aussehen, und damit die Einbe- ten in der Berichterstattung über Frauen in der ziehung sachfremder Kriterien in die Bewer- Politik ausmachen, die oftmals auf die bekann- tung der Politikerinnen aktualisiert die ten Selektions- und Produktionsstrategien der Geschlechterstereotypen sowie gesellschaftli- Medien zurückzuführen sind. Was und wie die che Rollenerwartungen an Frauen und hat die Medien über Politikerinnen berichten, ist aber auch von deren öffentlicher Selbstdarstellung beeinflusst, die wiederum mehr oder weniger 7 Raylene Ramsey, ,French exception‘ or France-New Zealand connection? Media representations of women strategisch an Umfelderwartungen orientiert in high political office in France and New Zealand und situationsgebunden ist. (Aubry, Clark, Shipley), in: European Studies, 21 (2005), S. 223–245. Als 2005 der Bundestagswahlkampf star- 8 Vgl. ebd., S. 240–242. tete und die Unionsparteien Angela Merkel 9 Vgl. z. B. das dem Text vorangestellte Zitat von Mi- zur Kanzlerkandidatin machten, waren Me- chelle Bachelet in: S. Valenzuela/T. Correa (Anm. 5). 10 Vgl. Ben Clift, The Ségolène Royal phenomenon: dien, Wählerschaft, Politiker und Kampa- political renewal in France?, in: The Political Quarter- gnenstrategen mit einer bislang unbekannten ly, 78 (2007) 2, S. 282–291, hier S. 285. Situation konfrontiert. Beobachter stellten

6 APuZ 50/2009 übereinstimmend fest, dass Merkel nicht „als Schröder aber auch ein cross-sex-typing, Frau“ und auch nicht unter Einsatz ihrer pri- wobei Merkel eher „männlich“ und Schröder vaten Seite in den Wahlkampf ging. Wenn es eher „weiblich“ präsentiert wurde. 12 entsprechende Erwartungen in den Medien gegeben haben sollte, bediente die Kandida- Anders als Angela Merkel stellte Ségolène tin sie also nicht. Da es in dieser Position Royal im französischen Präsidentschaftswahl- bislang noch keine Frau gegeben hatte, kampf 2007 ihre Weiblichkeit und das Duell brachte aber allein der Neuigkeitswert be- zwischen Frau und Mann heraus. Eine Ana- sondere Aufmerksamkeit für das Geschlecht lyse des Wahlkampfes spricht mit Bezug auf mit sich. Die verschiedenen Analysen der Royal gar von einer „Inkarnation der Wei- Medienberichterstattung während des Wahl- blichkeit“, 13 die sich auch im Gegensatz zu kampfes sind zwar nicht eindeutig, 11 was dem seine Männlichkeit betonenden Haupt- unter anderem auch auf unterschiedliche Un- konkurrenten Nicolas Sarkozy herausbildete. tersuchungszeiträume, untersuchte Medien In den französischen Medien kam Royal nicht und Vorgehensweisen zurückzuführen ist. so gut weg, allerdings ist hier oftmals schwer Aber sie haben überwiegend gezeigt, dass zu entscheiden, ob dabei das Geschlecht eine über den Amtsinhaber und Gegenkandidaten Rolle spielte oder der überlegene Wahlkampf Gerhard Schröder kaum häufiger berichtet von Sarkozy seinen Niederschlag fand. 14 So wurde als über Angela Merkel. Der in berichteten die französischen Zeitungen häu- Deutschland beinahe traditionelle „Kanzler- figer über Sarkozy als über Royal, wobei sich bonus“ schwand so dahin. Auch bei Bewer- auswirkte, dass Sarkozy noch während der tungen ließ sich nicht von einer generell ne- Kampagne als Innenminister tätig war, wäh- gativeren Berichterstattung über die Kanzler- rend Royal nur als Wahlkämpferin auftrat. kandidatin sprechen. Beide erfuhren zwar negative Bewertungen, Royal aber im Vergleich noch schlechtere als Dennoch ergaben sich einige Hinweise da- ihr Opponent. rauf, dass das Geschlecht doch eine Rolle spielte. So wurden bei Herausforderin Merkel Die Medien stellten die Sozialistin oft als Themen, die sich auf das Privatleben bezo- unerfahren dar und zogen ihre Führungsqua- gen, eher behandelt als bei Schröder, und ihr lität in Zweifel. Außerdem thematisierten sie Aussehen wurde häufiger angesprochen als häufig ihre äußere Erscheinung und verwen- das des Kanzlers. Sie wurde öfter im Zusam- deten ihren Vornamen oder andere Anreden, menhang mit Geschlechterstereotypen the- die ihr Geschlecht hervorhoben, was bei matisiert und es traten gender frames auf, das ihren männlichen Rivalen so gut wie gar heißt Berichte, die spezifisch das Geschlecht nicht vorkam. Die Anrede von Kandidatin- der Kandidaten ansprechen. Untersuchungen nen mit dem Vornamen wirkt wie eine Ver- der Bildberichterstattung über Angela Merkel niedlichung, die demonstriert, dass Frauen in bestätigen zum Teil die Gültigkeit dieser Ge- eine andere Sphäre gehören und in der Män- schlechterstereotypen. Andererseits gab es in nerdomäne Politik nicht ernst genommen der Gegenüberstellung von Merkel und werden. Royal bezog sich im Wahlkampf

11 Vgl. Hajo G. Boomgarden/Holli A. Semetko, Duell 12 Vgl. Susanne Kinnebrock/Thomas Knieper, Männ- Mann gegen Frau?! Geschlechterrollen und Kanzler- liche Angie und weiblicher Gerd? Visuelle Ge- kandidaten in der Wahlkampfberichterstattung, in: schlechter- und Machtkonstruktionen auf Titelseiten Frank Brettschneider/Oskar Niedermayer/Bernhard von politischen Nachrichtenmagazinen, in: C. Holtz- Weßels (Hrsg.), Die Bundestagswahl 2005. Analysen Bacha (Anm. 11), S. 83–103; Christina Holtz-Bacha/ des Wahlkampfes und der Wahlergebnisse, Wiesbaden Thomas Koch, Das Auge wählt mit: Bildberichter- 2007; Thomas Koch/Christina Holtz-Bacha, Der stattung über Angela Merkel, in: C. Holtz-Bacha Merkel-Faktor – Die Berichterstattung der Printme- (Anm. 11), S. 104–121. dien über Merkel und Schröder im Bundestagswahl- 13 Marlène Coulomb-Gully, Beauty and the Beast: kampf 2005, in: Christina Holtz-Bacha (Hrsg.), Frau- bodies politic and political representation in the 2007 en, Politik und Medien, Wiesbaden 2008, S. 49–71; French presidential election campaign, in: European Bettina Westle/Ina Bieber, Wahlkampf der Ge- Journal of Communication, 24 (2009) 2, S. 203–218. schlechter? Inhaltsanalyse von Printmedien im Bun- 14 Vgl. Jacob Leidenberger/Thomas Koch, „Bambi destagswahlkampf 2005, in: Steffen Kühnel/Oskar und der böse Wolf“. Ségolène Royal und der französi- Niedermayer/Bettina Westle (Hrsg.), Wähler in sche Präsidentschaftswahlkampf in der deutschen und Deutschland. Sozialer und politischer Wandel, Gender französischen Presse, in: C. Holtz-Bacha (Anm. 11), und Wahlverhalten, Wiesbaden 2009, S. 167–197. S. 122–150; R. Murray/S. Perry (Anm. 4).

APuZ 50/2009 7 wiederholt auf ihre Rolle als Mutter, was die zwar reichlich mediale Beachtung fand, die Medien auch aufgriffen, allerdings in einer Berichterstattung über sie aber deutlich nega- eher abwertenden Weise. tiver ausfiel als über ihre Konkurrenten. Sie entging der für Politikerinnen sonst üblichen Die Kandidatur von Cristina Kirchner bei viability-Diskussion, diese wurde jedoch er- der argentinischen Präsidentschaftswahl 2007 setzt durch eine andauernde Spekulation da- und die Art und Weise, wie die Medien damit rüber, wann sie aus dem Rennen aussteigen umgingen, stellt einen besonderen Fall dar. 15 würde. Obwohl ihr auch einige andere Kli- Die strategische Absprache und die deutliche schees erspart blieben, erwies sich die Be- Präsenz ihres Mannes Néstor Kirchner, dem richterstattung als „deeply gendered“, 17 die sie im Präsidentenamt nachfolgte, sowie ihre in den sogenannten neuen Medien noch aus- Rolle als first lady brachten ihr nicht nur er- geprägter ausfiel als in den alten. Die Medien höhte Aufmerksamkeit, sondern legten es ge- werden daher auch mitverantwortlich ge- radezu nahe, sie in Bezug auf ihren Mann zu macht dafür, dass die Kandidatin – die, wie präsentieren. Cristina Kirchner selbst machte sie selbst sagte, der „gläsernen Decke“ 18 Mil- Wahlwerbung mit ihrem Vornamen. Zusam- lionen Risse zufügte – es letztlich nicht men mit den Kommentaren zu ihrer äußeren schaffte. Erscheinung boten also die spezifischen Be- dingungen der Kampagne Anlass für ge- Fazit schlechterstereotype Berichterstattung, bei der sich nicht auseinanderhalten ließ, ob Weltweit befinden sich Frauen, die sich in die Kirchner eine Andersbehandlung aufgrund Politik begeben, in einer Zwickmühle: Weib- ihres Geschlechts erfuhr oder eben Situation lichkeit und Machtstreben scheinen nicht zu- und Kandidatin diese gewissermaßen provo- einander zu passen. Es gibt kein Rezept ziert hatten. dafür, wieviel Politikerinnen von dem einen und dem anderen demonstrieren sollten. Wie Im Falle der Präsidentschaftskandidatur die wenigen Beispiele hier zeigen, stellt jede von Hillary Clinton in den USA 2008 lässt Kandidatin einen Einzelfall dar, der sich aus sich zeigen, dass das Geschlecht dort in der ihrer Persönlichkeit und dem spezifischen Berichterstattung – auch – eine Rolle spielte: politischen Kontext ergibt. Denn auch Clinton ging mit der Bürde der ehemaligen first lady in den Präsidentschafts- Allerdings ist es eine Sache, wie eine Politi- wahlkampf und stand vor der Herausforde- kerin sich präsentiert, und eine andere, was rung, sich als von ihrem Mann unabhängige die Medien daraus machen. Denn diese beto- Politikerin zu beweisen. Obendrein unterlag nen in ihrer Berichterstattung bestimmte sie in beispielhafter Weise dem Druck des Aspekte von Ereignissen und Charakterei- double bind; sogar innerhalb ihrer Kampag- genschaften, so dass ein wohlbalanciertes Ver- nenorganisation gab es Uneinigkeit darüber, halten einer Politikerin durch die Medien ob und wie weit sie die gender card, also das nicht unbedingt auch so wahrgenommen Geschlecht, ausspielen sollte. 16 Sie entschied wird. Da sich aber in Wahlkämpfen und mehr sich für eine „harte“ Strategie, um Führungs- noch im politischen Alltag nur wenige Gele- stärke und damit Eignung für das Präsiden- genheiten bieten für direkte, also von medi- tenamt zu demonstrieren. Unabhängig alen Produktionsroutinen ungefilterte, Kon- davon, dass mit der Kandidatur eines Schwar- takte mit der Wählerschaft, zählt primär das zen in diesem Wahlkampf eine komplexe Ge- Image, das die Medien liefern. mengelage zwischen Geschlecht und Ethnie entstand, hatte Barack Obama einen Vorteil als Mann. Die Analysen zeigen, dass Clinton

15 Vgl. Malvina E. Rodríguez, „Lieber Hillary als Evita?“ Cristina Kirchner und der argentinische Präsi- dentschaftswahlkampf in der argentinischen und deut- schen Presse, in: C. Holtz-Bacha (Anm. 11), S. 180– 207. 16 Vgl. Regina G. Lawrence/Melody Rose, Hillary 17 Ebd., S. 203. Clinton’s race for the White House. Gender politics and the media on the campaign trail, Boulder 2009.

8 APuZ 50/2009 Birgit Meyer Immerhin gibt es in Deutschland bereits in der zweiten Legislaturperiode eine Bundes- kanzlerin. Angela Merkel ist seit 2005 die mäch- „Nachts, wenn tigste Frau im Land. Doch noch immer ist diese Tatsache außergewöhnlich, um nicht zu sagen spektakulär, denn das Bild, das Medien von Po- der General- litikerinnen zeichnen, ist für ihre politischen Karrieren oft nicht hilfreich, manchmal sogar eher hinderlich. Es ist nach wie vor geprägt von sekretär weint“ konventionellen Geschlechterklischees und tra- ditionellen Rollenzuschreibungen. Die mediale – Politikerinnen Inszenierung von Politikerinnen dreht sich stets um die Konstruktionen von Weiblichkeit und Männlichkeit bzw. um Bilder, die jeweils his- in der Presse torisch und kulturell gemacht werden und somit Normen setzen, wenn auch heute plurali- sierter als früher. 2 Diese These möchte ich Einmal hat eine Freundin ihn verlassen. Zum näher beleuchten: Mich interessiert dabei die Abschied sagte sie: „Starke Männer halten so Darstellung von Politikerinnen in der Presse. 3 etwas schon aus, ohne Tränen.“ Cornelius Dabei geht es nicht um einen Vergleich zwi- Butt-Jacobi hat ihr schen männlichen und weiblichen Politikern, geantwortet: „Weißt Birgit Meyer sondern um die Muster der Darstellung in den Du nicht, dass auch Dr. phil. habil., geb. 1949; Pro- vergangenen sechs Jahrzehnten: Hat es eine starke Männer heulen, fessorin für Politikwissenschaft Entwicklung hin zu mehr Sachlichkeit und we- wenn sie unglücklich und Sozialpädagogik an der niger geschlechterbezogener Berichterstattung sind?“ Ein 53-Jähri- Hochschule Esslingen, Flandern- gegeben? ger, zwei gescheiterte straße 101, 73732 Esslingen. Ehen, drei Söhne. Der [email protected] 1 Älteste wirft ihm vor, Es war ein Bericht über Cornelia Schmalz-Jacobsen, Politik sei ihm immer FDP-Generalsekretärin 1988–1991: Nachts, wenn die Generalsekretärin weint, in: Bunte, Oktober 1988. wichtiger gewesen als die Familie, der Jüngste 2 Inszenierungen von Weiblichkeit und Männlichkeit lebt lieber bei seiner Mutter als beim Vater. sind variabel. Medien transportieren traditionelle Wei- Cornelius Butt-Jacobi muss oft unglücklich blichkeitsklischees, aber auch Abweichungen. Beharr- gewesen sein. Wir wissen nicht, wie oft er ge- lichkeit bzw. Veränderungen von Zuschreibungen heult hat. Wir ahnen, dass er ein starker skizzieren gesellschaftliche Stereotype und Grenz- Mann ist. Die FDP weiß es. Er wurde zum ziehungen zwischen akzeptierten Räumen für das je- weilige Geschlecht (des To-do oder Not-to-do) und sie Generalsekretär gewählt. Bis zum März werfen ein Licht auf die jeweils herrschenden Ge- bleibt er noch Senator für Jugend und Familie schlechterverhältnisse bzw. den Stand von Geschlech- in Berlin, seiner Geburtsstadt. Dann geht der tergerechtigkeit. ehemalige Journalist nach Bonn. Seine Woh- 3 In Deutschland gibt es erst seit kurzem wissen- nung in Berlin wird er behalten. Hier findet schaftliche Studien, welche die quantitative Unter- er leicht Zugang zu Menschen. Frauen? repräsentanz und die qualitative Diskriminierung von Politikerinnen in der Presse belegen. Neben ge- „Auch als alleinstehender Politiker bin ich schlechtertypischen Stilisierungen und Trivialisie- nicht jenseits von Gut und Böse.“ Seine Weis- rungen wird ein Zusammenhang von Frauen und Un- heit: „Augen auf und durch.“ terhaltung sowie „weichen“ und „privaten“ Themen nachgewiesen. Ferner besteht weiterhin eine schwache er kann sich vorstellen, einen so for- Repräsentanz von Politikerinnen im Fernsehen und in Tageszeitungen, wo ihr Anteil jeweils 19 Prozent aus- W mulierten Artikel über einen Mann, macht. Vgl. Christiane Schmerl, „Tais-toi et soi belle“. der ein politisches Amt antritt, zu finden? 20 Jahre Geschlechterinszenierung in fünf west- Vermutlich niemand. Es kann sich also nur deutschen Printmedien, in: Publizistik, 2002 (4), um eine Politikerin handeln, die hier durch S. 388–411; Christina Holtz-Bacha/Nina König-Rei- ein männliches Auge porträtiert wird. Der ling (Hrsg.), Warum nicht gleich?, Wiesbaden 2007; Artikel ist überdies vor 20 Jahren gedruckt Margreth Lünenborg (Hrsg.), Politik auf dem Boule- vard?, Bielefeld 2009; Petra Pfannes, Powerfrau, Quo- 1 worden und wir würden ihn heute – dies als tenfrau, Ausnahmefrau . . .?, Marburg 2004; Sylka vorsichtige These – so nicht mehr ohne Wei- Scholz (Hrsg.), Kann die das? Angela Merkels Kampf teres finden. um die Macht, Berlin 2007.

APuZ 50/2009 9 Doch fangen wir ein wenig grundsätzlicher des Geschäft setzt offenbar Fähigkeiten vor- an: Bilder in unseren Köpfen sind nicht ein- aus, die Frauen eventuell auf andere Weise er- fach da. Sie werden in einer Art Wettbewerb lernen müssen als Männer. der „professionellen Beeinflusser“ geschaffen. Das, was wir glauben sollen, und die Art, wie Was ist einer Frau, die eine politische Kar- wir etwas sehen und interpretieren, ist viel- riere anstrebt, „erlaubt“? Wie sahen symboli- fach fremdbestimmt. Um die Oberhoheit sche Grenzen und konkrete Grenzüberschrei- über politische Orientierungen und letztlich tungen in den 1950er und 1960er Jahren aus, über Wahlentscheidungen wird in einer plu- als Politik für manche noch als „schmutziges“ ralistischen Demokratie hart gekämpft – mit oder „männliches Geschäft“ galt? Auch die je- fairen und weniger fairen Mitteln. Medien weiligen Parteimilieus müssen berücksichtigt spielen dabei die zentrale Rolle. Die Beschäf- werden. Denn es gibt parteispezifische Spiel- tigung mit der Darstellung von Politikerinnen räume der Selbstinszenierung, die den Akteu- in den Medien fußt daher auf der Annahme, rinnen – besonders in Wahlkampfzeiten – zu- dass es in der Macht der Medien liegt, gesell- gestanden werden. In Bezug auf das Verhältnis schaftliche Realität nicht nur abzubilden und von Weiblichkeit und Männlichkeit gelten für zu interpretieren, sondern darüber hinaus Frauen und Männer verschiedene ungeschrie- auch Bilder von Weiblichkeit und Männlich- bene Regeln und spezielle Codes. keit zu konstruieren – abhängig von der poli- tischen Grundausrichtung des jeweiligen Me- Meine These lautet: Die in der Medien- und diums und seiner Nutzerinnen und Nutzer. Wahlkampflogik zentrale Strategie der Perso- nalisierung und Banalisierung basiert durch- Diese Konstruktionen bedienen sich tradi- gängig auf quasi-natürlichen Geschlechter- tioneller Wissens- und Wertbestände über Stereotypen. 5 Aber es gibt auch einen in- hierarchische Geschlechterbeziehungen. Me- teressanten Wandel in sechs Jahrzehnten bun- dien knüpfen an Gewohnheiten an und schaf- desrepublikanischer Berichterstattung über fen neue. Ihre Macht wird umso bedeutungs- Politikerinnen. Diese lässt sich in fünf Phasen voller, je einflussreicher die Inszenierung von einteilen: 6 In der ersten Phase der Nach- Politik für deren Legitimation wird – beson- kriegszeit oszilliert die Berichterstattung zwi- ders in Wahlkämpfen. Diese werden zuneh- schen Nichtbeachtung und Geringschätzung mend dominiert von Wählerbefragungen, sowie dem Lob der „guten Mutter“ in der Po- Sonntagserhebungen, Fernsehduellen und litik. Die zweite Phase der 1970er Jahre ist ge- Polittalkshows, die vorher und nachher jour- prägt von anhaltender Trivialisierung und Sti- nalistisch breit kommentiert werden. Durch lisierung als „fleißige Ausnahme-“ oder den Wandel der Präsentationsformen von Po- „kühle Powerfrau“. In der dritten Phase der litik – vor allem durch die Privatisierung des 1980er Jahre findet die „neue“ Generation von Fernsehens und Ausbreitung des Internets Politikerinnen mehr Aufmerksamkeit. Die sowie den Kampf um Marktanteile – wurde Berichterstattung changiert zwischen Aner- die Konzentration auf einzelne Personen ge- kennung und Spott. Ab den 1990er Jahren fördert. „Der“ Spitzenkandidat als Kunstfi- scheint sie gekennzeichnet durch eine symbo- gur entstand. Er oder sie steht stets für ein lische Akzeptanz von Politikerinnen und ab ganzes Parteiprogramm oder gar für die ge- der Jahrtausendwende durch eine Art Scho- samte Partei. Diese Personalisierung von Po- nung von Frauen, die Macht haben. litik und die Popularisierung von Wahlkämp- fen fordern von politisch Tätigen neue Fähig- keiten zur medialen Selbstinszenierung. Die 5 Ich stütze mich auf exemplarische Beobachtungen Spitzenperson muss Selbstoptimierung und und eigene Archivrecherchen im Rahmen zweier For- schungsprojekte, bei denen die überregionale Bericht- Selbstdarstellung virtuos beherrschen – Fä- erstattung renommierter Tages- und Wochenzeitungen higkeiten, die nach verbreiteter Auffassung über weibliche Bundestagsabgeordnete seit 1949 er- eher Männern zugeschrieben werden. 4 Poli- fasst und ausgewertet wurde. tik als in der Öffentlichkeit zu präsentieren- 6 Die Einteilung in Jahrzehnte folgt forschungs- pragmatischen Überlegungen, entspricht aber nicht eins zu eins einem abrupten Perspektivenwechsel der 4 Herausragende Beispiele sind der „Medien-Kanzler“ Pressebilder. Zeitliche Phasen lassen sich nicht scharf Gerhard Schröder, der französische Präsident Nicolas voneinander trennen, da nicht alle Prinzipien der aus- Sarkozy oder – besonders schrill – der italienische Mi- gehenden Phase in der nächsten ihre Gültigkeit ver- nisterpräsident Silvio Berlusconi. lieren.

10 APuZ 50/2009 Besonders in der Berichterstattung über In der sozialdemokratisch ausgerichteten Angela Merkel seit 2001 zeigen sich Irritatio- Presse herrscht das Bild der „mütterlich-sor- nen und Ambivalenzen, die um das Phäno- genden Genossin und Parteigefährtin“ oder men „Macht“ kreisen. Vor 2005 äußert sich des „guten Kumpels“ vor, die keine eigenen die strukturelle Unfähigkeit der Presse, mit Karriereambitionen hegt und somit ein gehei- Frauen in politischen Führungspositionen mes Versprechen gibt, den Genossen nicht umzugehen, in Form von Spott und Häme. zur Konkurrentin zu werden. Man könnte heute von einer „temporären Zähmung der Medien“ durch Frauen mit Das Gebot, die dominante Männerkultur Macht sprechen. Allerdings wird an vielen in Regierung und Parlament nicht durch ein Berichten auch deutlich: Nur wenn Politike- zu auffälliges Frau-Sein oder durch sichtbare, rinnen ihre Weiblichkeit abgesprochen wird, attraktive Weiblichkeit zu verunsichern (eine scheint ihre Macht der Presse erträglich zu frühe Ausnahme ist ) gilt sein. Daher möchte ich vorwegnehmen: Es seinerzeit nicht etwa als anachronistisch, son- nützt Politikerinnen nichts, wenn sie versu- dern wird von Politikerinnen selbst als sinn- chen, Weiblichkeit bzw. ihr Frau-Sein in der voll angesehen („Ich habe mich nie als Frau- Politik nicht zu thematisieren. Der Versuch, enrechtlerin geriert, da hätte ich gar nichts diese Themen von sich zu weisen, wird schei- erreicht. Nur Spott oder Widerstand“ 9). Poli- tern. Politikerinnen sollten mit Geschlechter- tikerinnen irritieren und stören qua Ge- stereotypen bewusst umgehen und sie punk- schlecht die vorherrschende und medial un- tuell strategisch einsetzen, sonst verschenken termauerte Geschlechterhierarchie im Politi- sie wichtige Potenziale. In der Konfrontation schen. Sie werden an der männlichen Norm bzw. Provokation mit dem „Alleinstellungs- gemessen, und ein ganz besonderes Lob (für merkmal Frau“ liegen auch Chancen. ihre Anpassungsbereitschaft) ist, wenn sie gar zum „besten Mann der Fraktion“ stili- Berichterstattung in der Nachkriegszeit siert werden. Frauen sind in den ersten bei- den Nachkriegsjahrzehnten in der medialen In den 1950er und 1960er Jahren werden Po- Wahrnehmung in politischen Führungsposi- litikerinnen in der Presse überwiegend ver- tionen schlicht nicht vorgesehen. So werden schwiegen. Diese Nichtbeachtung ist umso sie in der Presse (und in der Wissenschaft) verblüffender, als dass es auch damals schon ignoriert, verleugnet, trivialisiert und mar- zahlreiche prominente Politikerinnen auf ginalisiert. 10 Die Aufmerksamkeit konzen- höchster Ebene gibt. 7 Wenn diese allerdings triert sich lediglich auf klischeehafte Darstel- in den Medien erwähnt werden, wird das Kli- lungen von Äußerlichkeiten. Statt Politik- schee der „guten Mutter“ bedient. In der konzepte oder Sachverstand zu analysieren Nachkriegszeit gelten die Pflichten der Ehe- und kommentieren, wird eher über die frau und Mutter als wesentliche „weibliche schwarze Tasche der Adenauer-Vertrauten Bestimmung“. Dieses Leitbild dominiert die und einflussreichen CDU-Abgeordneten He- Berichterstattung und wird teilweise von den lene Weber berichtet, über das Hüsteln von Politikerinnen selbst akzeptiert und weithin Louise Schroeder oder den Hosenanzug von nicht in Frage gestellt. „Meine Familie ist mir Lenelotte von Bothmer (beide SPD). 11 wichtiger als alle Politik“, so drückt es eine Politikerin im Nachhinein aus. 8 Das Lob der Medien erwarten in dieser Zeit wie selbst- „guten Mutter“ und „glücklichen Hausfrau“, verständlich, dass Politikerinnen feminin auf- die „zufällig“ Politik macht, ist natürlich ab- treten, gut aussehen und chic angezogen sind, hängig von der politischen Ausrichtung des dabei aber angenehm sanft im Hintergrund jeweiligen Presseorgans und besonders deut- bleiben und hart arbeiten, wie folgende Zitate lich in den christlich-konservativen Medien. unterstreichen: „Blond, überraschend klein,

7 So z. B. die vier „Mütter des Grundgesetzes“ Elisa- 9 Emmy Diemer-Nicolaus, promovierte Juristin und beth Selbert, , Friederike Nadig und Strafrechtsexpertin, 1957–1972 Bundestagsabgeordnete , daneben die Alterspräsidentin des der FDP, zit. in: ebd. Bundestages, Marie-Elisabeth Lüders, oder die beliebte 10 Vgl. C. Holtz-Bacha/N. König-Reiling (Anm. 3). Berliner Oberbürgermeisterin Louise Schroeder. 11 Einen Tag, nachdem mit von Bothmer erstmals eine 8 Martha Schanzenbach, 1949–1972 Bundestagsabge- Abgeordnete in einem Hosenanzug im Bundestag ge- ordnete der SPD, zit. in: Birgit Meyer, Frauen im sprochen hatte, titelte „Bild“: „So nicht, Frau Abge- Männerbund, Frankfurt/M.–New York 1997, S. 294. ordnete!“ (1969).

APuZ 50/2009 11 zierlich und sehr lebhaft, das ist der erste Ein- damit die eigene Partei und die Wählerschaft druck, den man von Frau Dr. Diemer-Nico- in die Knie zu zwingen.“ 17 laus (. . .) der neuen Abgeordneten der FDP im Bundestag, gewinnt.“ 12 „Wenn sich eine Im „Jahr der Frau“ 1975 wird über ein- Frau um ein Mandat bewirbt, dann muss sie zelne Politikerinnen als „fleißige Ausnahme- aussehen wie 20, einen Kopf haben wie ein frauen“, „kühle Powerfrauen“ oder gar „Ap- Rathaus und arbeiten wie ein Pferd.“ 13 Auch parate-Frauen ohne Gefühl“ 18 berichtet, die ist es üblich, zu jeder neuen Legislaturperiode auf eine neue Generation von Politikerinnen im Parlament die sogenannte „Miss Bundes- hindeuteten, nämlich „Karrierefrauen in der tag“ zu küren (Dieser „schöne Brauch“ be- Politik“. 19 Darüber hinaus erscheinen ver- steht übrigens noch immer). Ende der 1960er mehrt Artikel von (oftmals freiberuflichen) Jahre resümiert eine Journalistin: „Solange 44 Journalistinnen. Diese beschreiben Politike- Prozent der westdeutschen Bevölkerung rinnen durchweg positiver als früher und gegen Frauen eingestellt sind, die Politik be- sehen sie im Vergleich zu den meisten ihrer treiben, und nur 32 von Hundert Frauen eine männlichen Journalistenkollegen weniger aktive Politikerin für sympathisch halten, spöttisch und selten hämisch, dagegen oft sind wir noch weit, sehr weit davon entfernt, wertschätzend. Es überwiegt das Verständnis, dass aktive Frauen in der Politik eine, wenn wenn es um die offensichtliche Balanceleis- auch nur bescheidene Macht wären.“ 14 tung geht, Beruf, Familie und politisches En- gagement in Einklang zu bringen. „Sie weiß, dass sie als Frau immer ein bisschen fleißiger, 1970er Jahre ein bisschen gewissenhafter, eben ein bisschen besser sein muss als der männliche Kollege. Bis weit in die 1970er Jahre hinein spiegelt Als der Kandidat eines benachbarten Wahl- sich die geringe weibliche Präsenz im kon- kreises stöhnt: ,Vier Veranstaltungen an ventionellen politischen Bereich in einer noch einem Tag!‘ lächelt sie leise. Sie sagt nicht, viel geringeren medialen Repräsentanz dass sie am nächsten Tag sieben hat.“ 20 wider. 15 Doch findet sich in dieser Phase über die nachrückende Generation (vor allem von jüngeren SPD-Abgeordneten) auch ver- 1980er Jahre haltene Anerkennung in der Berichterstat- tung. Es wird speziell auf deren hohe Qualifi- In den 1980er Jahren rückt das traditionelle kation, ihren politischen Ehrgeiz und Fleiß, Bild von der „guten Mutter“ in der Politik aber auch auf das wenig mütterliche Erschei- immer weiter in den Hintergrund. Eine jüngere, nungsbild abgehoben: „Die parlamentari- besser ausgebildete und selbstbewußtere Frau- schen Mütter“ kommen „aus der Mode“. 16 engeneration betritt die politische Bühne. 21 Die zeitgenössische Kolumnistin Sibylle Auch diese Frauen werden anfangs, vor allem Krause-Burger vermutet, dass die älteren Po- wenn sie frauenbewegt (wie einige SPD- und litikerinnen „vom Schlage der warmherzigen, FDP-Abgeordnete) und feministisch (wie man- hilfsbereiten politischen Mutter“ von den che der Grünen) auftreten, verhöhnt, verspot- Medien lange Zeit in diese Rolle gedrängt tet, nicht ernst genommen und an Äußerlich- wurden: „Nur wenige unter den Älteren keiten statt an Inhalten gemessen. Es finden sich haben diese Rolle abzuschütteln vermocht. auch Berichte, die Politikerinnen für ihren So blieb ihnen kaum anderes, als die Mutter- hohen Sachverstand loben, ihnen aber gleich- rolle anzunehmen, ja sie nachgerade wie eine zeitig die Weiblichkeit absprechen, als seien Monstranz vor sich herzutragen und eben Qualifikation und Frau-Sein Widersprüche:

12 Mannheimer Morgen vom 16. 4. 1958. 17 Ebd. 13 So Maria Stommel, 1964–1976 Bundestagsabge- 18 Vgl. Christiane Schmerl (Hrsg.), In die Presse ge- ordnete der CDU. raten, Köln 1985. 14 Rheinischer Merkur vom 26. 7. 1968. 19 FAZ (Anm. 16). 15 So lag der Frauenanteil im Kabinett Willy Brandts 20 Die Zeit vom 3. 11. 1972. 1972 bei 7 Prozent und im Bundestag zur gleichen Zeit 21 Zwischen 1980 und 1990 stieg der Frauenanteil im auf dem historischen Tiefststand von nur 5,8 Prozent. Bundestag von 8,5 auf 20,5 Prozent (siehe Grafik auf Bis 1987 lag der Frauenanteil im Bundestag bei unter Seite 28 in diesem Heft) und es spiegelte sich die ge- 10 Prozent, in den Landtagen sogar noch darunter. stiegene Anzahl von vielseitig qualifizierten Frauen 16 Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 22. 11. (Naturwissenschaftlerinnen, Juristinnen) auch im Par- 1975. lament wider.

12 APuZ 50/2009 „All diesen Frauen ist eines gemeinsam: Sie sind herkömmliche Zuschreibungen. Verblichene (. . .) keine Konzessionsfrauen mehr (. . .) sie ar- Passepartouts werden zwar ausgewechselt, beiten auch nicht in jenen, auf die schier-weibli- aber alte Klischees über die Untauglichkeit che Interessensvertretung beschränkten Berei- von Frauen für das Politische bleiben als Hin- chen der Politik, die ihren Geschlechtsgenos- tergrundfolie bestehen. Komplexe Sachfragen sinnen bisher zumeist vorbehalten waren. werden oft vereinfacht und besonders im Zu- Vielmehr gehören sie zu den Fachleuten in ihrer sammenhang mit Politikerinnen der Grünen, Partei und in ihrer Fraktion. Deshalb (. . .) die als „Quotenfrauen“ belächelt oder abqua- haben sie Karriere gemacht. Sie sind nicht als lifiziert werden, sekundär behandelt. Dem Frauen für andere Frauen in die Politik gegan- weiblichen Geschlecht haftet in der öffentli- gen, sie sind (. . .) wegen ihrer besonderen per- chen Wahrnehmung noch immer ein quasi sönlichen und fachlichen Qualifikation da. Sie von Natur aus gegebenes Defizit an, was die sind schlicht, und jedem Manne vergleichbar, „Emma“ 1985 kritisch aufgreift: „Sie muss Politiker“. 22 sich anstrengen und fleißig sein – oder durch Quoten in Ämter kommen –, denn: ,Sie kann Mitte der 1980er Jahre taucht Rita Süss- es nicht!‘ Und wenn sie es kann, dann ist sie muth als „Komet über Kohls neuer Frauen- eine Ausnahme oder wird als ,karrieregeil‘ welt“ 23 auf. In der Berichterstattung über sie stilisiert. Als eine bekannte CDU-Politikerin zeigt sich der Wandel zu einer größeren An- 1985 Familienministerin unter Helmut Kohl erkennung einer Spitzenpolitikerin als kom- werden möchte, wird sie von der Union nahe petente Fachfrau. Mit Petra Kelly, Antje stehenden Zeitungen als ,Horror-Emanze‘ Vollmer oder Waltraut Schoppe werden auch abgestempelt. Sie ,wolle wohl selbst Ministe- bei den Grünen junge, unkonventionell auf- rin werden‘, vermutete die Kölnische Rund- tretende Frauen in Führungspositionen ge- schau und sprach damit den furchtbarsten wählt. Auch sie werden durchaus anerken- Verdacht aus, den man in einer Männergesell- nend kommentiert – mal wohlwollend, mal schaft gegen eine Frau hegen kann: Ehrgeiz in spöttisch im Ton, je nach der politischen eigener Sache.“ 27 Ausrichtung des jeweiligen Presseorgans. Als mit Herta Däubler-Gmelien 1988 erstmals eine Frau in die Parteiführung der SPD ge- 1990er Jahre bis heute wählt wird, ist das Medienecho mehrheitlich positiv. Man attestiert ihr übereinstimmend Je zahlreicher Politikerinnen im Laufe 1990er hohe fachliche Qualifikation, Zielstrebigkeit, Jahre in die Parlamente einziehen 28 und je und – mit kritischem Unterton – den Willen lautstarker Forderungen nach Veränderungen zur Macht: „Sie ist fleißig, weiß sehr viel, in der Geschlechterhierarchie werden, desto setzt sich zielstrebig ein.“ 24 Die „Süddeut- seltener werden in dieser Zeit die offenen sche Zeitung“ meint dieses stereotype Lob Feindseligkeiten oder Tendenzen zur Triviali- sogar positiv und ergänzt: „Sie ist keine sierung in der seriösen Presse. Die inflationäre Quotenfrau, keine, die ihr Selbstbewusstsein Reproduktion von Geschlechterstereotypen mit einem Doppelnamen schmückt, sondern ist ins Stocken geraten – oder wird zumindest eher eine von der Art: ,Selbst ist die nett verpackt. Eine vielfältigere Realität gibt Frau‘“. 25 Die „Frankfurter Allgemeine Zei- die Vorlage ab für eine differenziertere Be- tung“ sieht gar ein Matriarchat in der SPD richterstattung. Aber implizite Ignoranz, aufziehen: „Herta Däubler-Gmelin ist die Häme, Besserwisserei und Amüsiertheit sind erste Nutznießerin des ,Münsteraner Matri- nicht völlig verschwunden, sondern prägen archats‘ der SPD.“ 26 weiterhin viele Berichte über die zunehmende Präsenz und Erfolge von Politikerinnen. Der Doch auch im Jahrzehnt der Quotenbe- Trend zur symbolischen Akzeptanz zeigt sich schlüsse und neuen Gesichter überwiegen aber zum Beispiel in der auffallend freundli-

22 Stuttgarter Zeitung vom 25. 4. 1981. 27 Emma, April 1985. 23 Die Zeit vom 13. 6. 1986. Süssmuth wurde 1985 28 Zwischen 1990 und 2000 stieg der Anteil weiblicher Ministerin für Jugend, Familie, Gesundheit, 1986 auch Bundestagsabgeordneter von 20 auf 30 Prozent. Unter für Frauen sowie Vorsitzende der Frauenunion. Helmut Kohl gab es 1994–1998 drei Frauen unter 17 24 Süddeutsche Zeitung vom 2. 9. 1988. Ministern. Während der rot-grünen Koalition 1998– 25 Ebd. 2005 waren rund ein Drittel der Bundestagsabge- 26 FAZ vom 2. 9. 1988. ordneten weiblich.

APuZ 50/2009 13 chen Berichterstattung über die erste weibli- „Phänomen Merkel“ che Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Ursula Seiler-Albring: „Sie weiß, was sie Erst mit der Kanzlerkandidatur einer Frau will!“ 29 – „Die im politischen Management wird die hegemoniale Männlichkeit der Poli- geübte Liberale hat sich mit vollem Engage- tik in einem bisher unbekannten Ausmaß öf- ment in das außenpolitische Geschäft gewor- fentlich thematisiert. Anhand von „Kohls fen“. 30 Mädchen aus dem Osten“ kann man einen allmählichen aber doch grundsätzlichen Wan- Politikerinnen, die keine frauenpolitischen del in der Presseberichterstattung, vor allem Forderungen erheben, werden durchweg po- in der Zeit zwischen 2001 und 2005, nach- sitiver dargestellt als bekennende Feministin- vollziehen. Die Gründe dieses Wandels sind nen. Dieses gilt auch für die linksliberale vielschichtig. Sie hängen unter anderem mit Presse und betrifft auch CDU-Abgeordnete: vier Faktoren zusammen: Erstens ist die Zeit- „Für die Presse war ich das rote Tuch. Und in spanne offenbar groß genug gewesen, so dass meiner Partei kann man sich mit keiner Poli- sich Medien und Öffentlichkeit an Angela tik so unbeliebt machen wie mit Frauenpoli- Merkels Machtanspruch gewöhnen konnten. tik.“ 31 Frauenbewusste Politikerinnen gera- Zweitens haben die innerparteilichen Krisen ten damit in eine „Doppelfalle“: Zum einen, in der CDU eine Rolle gespielt, auch im Hin- weil sie als Angehörige des „anderen“ Ge- blick auf unverbrauchte Kandidaten für die schlechts den „Männerbund“ Politik ohnehin Nachfolge Kohls. Drittens ist Merkel selbst schon „stören“, zum anderen, weil sie es da- ein Faktor: ihre uneitle Selbstpräsentation rüber hinaus auch noch „wagen“, Forderun- und ihr kluges Fädenziehen hinter den Kulis- gen für ihr Geschlecht zu erheben. sen, ihr unaufdringlicher, gleichwohl zäher Machtwille und ihre Fähigkeit, geduldig ab- Die 1990er Jahre sind die „Gründerzeit“ zuwarten und bei passender Gelegenheit zu- der Frauenministerien und Gleichstellungs- zugreifen. Schließlich ist auch das Phänomen stellen in Bund, Ländern und Kommunen. Macht ein wichtiges Moment dieser Entwick- Politikerinnen kommen in Ämter, in denen lung gewesen. sie die Rolle „der Ersten“ bzw. der Pionie- rin spielen. 32 Selbst unkonventionelle Politi- Denn hinter dem Wandel von einer über- kerinnen, wie zum Beispiel die ehemalige wiegend spöttischen, herablassenden, besser- Bundestagsabgeordnete der Grünen, Jutta wisserischen und oft auch hämischen Bericht- Oesterle-Schwerin, die als Jüdin und beken- erstattung – zum Beispiel über Merkels Klei- nende Homosexuelle nach ihrem Parteiaus- dung, Frisur, Mundwinkel oder ihre tritt eine feministische Partei gründet, oder (wirtschafts)politische Kompetenz und der Heidi Wieczorek-Zeul (SPD) bekommen in ständigen Frage: „Kann sie das?“ – zu einer den Medien eher lobende Aufmerksamkeit sachlicheren Tonart und mitunter sogar Be- und Zuspruch als Kritik: „Durchsetzungsfä- wunderung, könnte man den Respekt der hig, zielstrebig, kalkulierend – das ist die Medien vor der Macht vermuten. Noch im Ex-68erin noch immer, auch weicht sie poli- Januar 2002 fordert „Die Zeit“ Angela Mer- tischem Zoff nicht aus.“ 33 Aber die Fokus- kel unverblümt auf, die Kanzlerkandidatur an sierung auf Spitzenpolitikerinnen kristalli- Edmund Stoiber abzugeben. Sie zeige „Ehr- siert sich in diesen Jahren bereits deutlich geiz, Machtbewusstsein, Realitätsferne und heraus. keinerlei ökonomische Kompetenz“. 34 Sie wird eine Zeit lang medial regelrecht „ge- jagt“. 35 Heute respektiert nicht nur die Wo- 29 FAZ vom 4. 4. 1991. 30 Die Welt vom 22. 4. 1991. chenzeitung den neuen Stil und das neue Ge- 31 So Renate Hellwig (CDU), zit. in: B. Meyer sicht Deutschlands in der Welt. 36 Hier deutet (Anm. 8), S. 105. 32 So wurde Rita Süssmuth 1988 die erste Bundes- tagspräsidentin der Union, Sabine Leutheusser- 34 Die Zeit vom 10. 1. 2002. Schnarrenberger 1992 Justizministerin, Renate 35 Man denke an die Art, mit der Moderator Reinhold Schmidt 1991 die erste Landesvorsitzende der SPD und Beckmann sie am 10. 1. 2005 befragte. Vgl. Birgit Angela Merkel 2001 die erste Bundesvorsitzende der Kienzle, Isss ja guuut, Frau Merkel!, in: Emma, März/ CDU. April 2005. 33 Der Spiegel vom 10. 5. 1993, S. 24 f. über Wieczo- 36 Vgl. Die Meistersängerin. Angela Merkel hat ihren rek-Zeul. Führungsstil gefunden, in: Die Zeit vom 26. 7. 2007.

14 APuZ 50/2009 sich eine Statusbezogenheit in der Perspekti- stereotype dar. Es gibt neben einer quantitati- venverschiebung an. ven Unausgewogenheit vor allem qualitative Besonderheiten, wie eine geschlechtsbezoge- Das bislang vorherrschende Stereotyp von ne Sicht auf weibliche Politiker und andere Politikerinnen als Ausnahmefrauen ist eben- Zuschreibungen und Erwartungen an sie. falls aufgeweicht. Sie werden langsam – vor Gleichwohl wurde eine Versachlichung fest- allem sobald sie in Führungspositionen aufge- gestellt im Sinne einer weniger auf traditio- stiegen sind – als Mitspielerinnen im Spiel um nelle Rollenzuschreibungen zentrierten und Dominanz und Einfluss ernst genommen. 37 stärker an der Praxis des politischen Ent- Insbesondere Berichte über die Ministerinnen scheidungsprozesses orientierten Berichter- Ursula von der Leyen, Ulla Schmidt, Annette stattung. Es gibt eine größere Varianz bei Schavan oder über die zweimalige Kandida- Themen, Problemerörterungen und Perso- tin für das Bundespräsidentenamt Gesine nen. Bemerkenswert ist auch, dass sich seit Schwan haben die Rezeption von Politikerin- etwa 15 Jahren Journalistinnen und Journa- nen in der Presse nachhaltig verändert. Nicht listen zunehmend differenziert und kritisch nur dass sie als höchst unterschiedliche Per- mit der eigenen Zunft auseinandersetzen und sönlichkeiten in Bezug auf regionale Her- sich mit klischeehaften und stereotypen Dar- kunft, Religion, Familienstand, Kinderzahl, stellungen von Politikerinnen nicht zufrie- Berufsausbildung und innerparteiliche Veran- dengeben. 38 kerung kommentiert werden, was zu einer differenzierteren Sicht beigetragen hat. Da- Interessanterweise ist die beschriebene Ver- rüber hinaus ist auch eine größere Konzentra- sachlichung in der Presse just in dem Moment tion auf politische Inhalte, Sachthemen und zu konstatieren, in dem die Bedeutung von Schwerpunkte festzustellen. Kleidung, Fami- seriösen (gedruckten) Tages- und Wochenzei- lienstand oder Kompetenz werden zwar noch tungen für die politische Informationsver- vereinzelt kommentiert, fallen aber in der mittlung abzunehmen scheint. Die Auflagen- Gesamtbewertung kaum negativ ins Gewicht. verluste der Qualitätspresse sind nicht nur in Deutschland eklatant. Ferner sind es vor Fazit allem junge Leserinnen und Leser, die von konventionellen und zugleich anspruchsvol- len (Print)Medien nicht mehr erreicht wer- Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts findet den. Umfragen zufolge nutzt nur noch etwa sich in der Presse eine unterproportionale, jeder dritte Jugendliche regelmäßig eine kon- verkürzende oder verfälschende Berichter- ventionelle Tageszeitung, um sich zu infor- stattung über Politikerinnen. So ignoriert die mieren. Privatfernsehen und Internet haben Presse sie in der Nachkriegszeit noch über- Printmedien insbesondere bei jungen Men- wiegend oder stilisiert sie als „gute Mütter“. schen verdrängt. Deshalb lautet meine pessi- Auch in den 1970er Jahren werden sie margi- mistische Prognose: In dem Maße, in dem die nalisiert, trivialisiert oder als Ausnahmefrau- trivialisierte Mediennutzung steigt, könnten en charakterisiert. Erst in den 1980er Jahren traditionelle Rollenzuschreibungen und Vor- werden sie verstärkt zur Kenntnis genommen urteile gegenüber Politikerinnen möglicher- und in politischer Verantwortung zunächst weise wieder an Bedeutung gewinnen. Eine symbolisch akzeptiert. Ab der Jahrtausend- solche Retraditionalisierung von Geschlech- wende schließlich werden sie sachlicher und terarrangements in der Presse könnte einer differenzierter dargestellt und – sobald sie Abwertung von Frauen in der Politik eventu- Machtpositionen inne haben – auch geschont, ell den Weg bahnen. oft sogar hofiert. Dieses gilt insbesondere für die Kanzlerin, die bereits nach kurzer Amts- zeit auch in Deutschland anerkennend und sachlich porträtiert wird.

Dennoch stellt die Presse auch heute noch 38 Vgl. Bettina Schausten, Sind die Politikerinnen reif Politikerinnen nicht ohne Bezug auf Rollen- für die Medien – sind die Medien reif für die Frauen?, in: C. Holtz-Bacha/N. König-Reiling (Anm. 3), 37 Vgl. Birgitta Stauber-Klein, Politikerinnen in den S. 204–212. Medien: Erfahrungen aus dem Journalismus, in: H. Holtz-Bacha/N. König-Reiling (Anm. 3), S. 124–132.

APuZ 50/2009 15 Isabelle Kürschner weiblicher Parteimitglieder als auch die inner- parteilichen Mechanismen, die sich auf die Mitarbeit von Frauen auswirken. Im Folgen- Frauen in den den soll die Situation von Frauen in mehreren Parteien Parteien dargestellt werden. Parteibeitritt und Erfahrungen in der Partei ach Angaben des Statistischen Bundes- N amtes gehören in Deutschland 1,6 Mil- Die Motive, Anreize und Aktivitäten von 1 lionen Bürger einer Partei an. Das sind Parteimitgliedern sind nur selten Gegenstand knapp 2,7 Prozent der empirischer Studien. 5 Dies mag erstaunen an- wahlberechtigten Be- Isabelle Ku¨rschner gesichts der Tatsache, dass in der Parteienfor- völkerung. Geht man Dr. phil., geb. 1978; Referentin an schung durchaus zur Kenntnis genommen davon aus, dass insge- der Akademie für Politik und wird, dass es sich bei Parteien um männlich samt knapp 30 Pro- Zeitgeschehen der Hanns-Seidel- geprägte Organisationsformen handelt und zent der Parteimit- Stiftung e.V., Lazarettstraße 33, dass Frauen, die in diesem patriarchalisch or- glieder weiblich sind, 80636 München. ganisierten und definierten politischen Sys- entspricht das rund [email protected] tem reüssieren wollen, sich nach wie vor 530 000 Frauen in www.hss.de männlichen Gesetzen und Regeln unterwer- Deutschland bzw. fen müssen. 6 Somit stellt sich vor dem Hin- 1,6 Prozent der weib- tergrund der noch immer geringeren Anteile lichen Wahlberechtigten. Einer ALLBUS- an weiblichen Parteimitgliedern die Frage, Umfrage zufolge geben fast doppelt so viele welche Frauen „überhaupt bereit und willens Männer wie Frauen an, schon einmal in einer sind, sich in die vorgegebenen, traditionellen Partei mitgearbeitet zu haben (15 Prozent Politikstrukturen und Handlungszusammen- 2 bzw. 8 Prozent). hänge einzupassen“. 7

Obwohl eine umfassende Untersuchung Laut Beate Hoecker 8 überwiegt bei den dieses Phänomens in der Partizipationsfor- Männern die Selbstrekrutierung, während schung bisher fehlt, wird davon ausgegangen, Frauen mehrheitlich einer Aufforderung fol- dass parteiübergreifend vor allem die männlich gen, Parteimitglied zu werden. Das stärkste geprägten Organisationsstrukturen sowie die Beitrittsmotiv bei Frauen ist der Wunsch Formen der parteipolitischen Arbeit Frauen vom Engagement abhalten. Dabei muss be- 1 Bisher bieten die statistischen Daten keinerlei Diffe- rücksichtigt werden, dass es den Parteien in renzierung zwischen männlichen und weiblichen Par- sehr unterschiedlichem Maße gelingt, weibli- teimitgliedern in Deutschland. che Mitglieder zu gewinnen. Dies wiederum 2 Vgl. Waltraud Cornelißen (Hrsg.), Gender Datenre- zeigt, dass die Zurückhaltung von Frauen, in port. 1. Datenreport zur Gleichstellung von Frauen Parteien einzutreten, vielfältige Ursachen hat und Männern in der Bundesrepublik Deutschland, 2. Fassung, München 2005. und dass die Angebote der Parteien zur Mitar- 3 Oskar Niedermayer/Richard Stöss (Hrsg.), Stand beit und Identifikation für Frauen unter- und Perspektiven der Parteienforschung in Deutsch- schiedlich attraktiv sind. land, Opladen 1993, S. 18. 4 Vgl. Isabelle Kürschner, Den Männern überlassen Die Frage, warum Frauen in eine Partei wir’s nicht! Erfolgreiche Frauen in der CSU, Baden- eintreten und auf welche Art und Weise sie Baden 2009. 5 Zu den wenigen Studien, die zwischen Männern und mitarbeiten, ist bislang kaum erforscht wor- Frauen unterscheiden, gehört: Beate Hoecker, Frauen den. Nach wie vor „wartet die Parteienfor- in der Politik. Eine soziologische Studie, Opladen schung auf eine große empirische Untersu- 1987. Hoecker befragte 1982 in Bremen 363 männliche chung über Frauen in Parteien.“ 3 Diese For- und 197 weibliche Parteimitglieder aus SPD, CDU und schungslücke zumindest ein Stück weit zu FDP. Aktuellere Untersuchungen liegen leider nicht schließen, war das Ziel meiner Arbeit „Den vor. 6 Vgl. Oskar Niedermayer, Innerparteiliche Partizi- Männern überlassen wir’s nicht! Erfolgreiche pation, Opladen 1989. Frauen in der CSU“. 4 Die Ergebnisse be- 7 Ebd., S. 77 f. leuchten sowohl das Partizipationsverhalten 8 Vgl. B. Hoecker (Anm. 5).

16 APuZ 50/2009 nach der Zugehörigkeit zu einer Partei, wäh- räumt werden als einem männlichen Bewer- rend für Männer der Wille, politische Ziele ber, wenn öffentliche Erwartungen den Ein- umzusetzen, im Vordergrund steht. Der Ein- satz einer „Alibi-Frau“ erfordern oder wenn fluss der Familie auf einen Parteieneintritt ist kein anderer Bewerber zur Verfügung steht, bei Frauen deutlich stärker ausgeprägt als bei weil die Kandidatur von vornherein als wenig Männern. Niedrige Werte bei beiden Ge- aussichtsreich gilt. schlechtern erhalten dagegen die ergebnis- orientierten Motive nach gesellschaftlichen Insgesamt zeigt sich, dass die größte Hürde und beruflichen Vorteilen sowie das Streben für Frauen im innerparteilichen Nominie- nach einem politischen Amt. Dennoch ist rungsprozess besteht. So gibt es zahlreiche letzteres bei Männern fast doppelt so häufig Beispiele von Politikerinnen, denen nach Be- der Fall wie bei Frauen. Zusammengefasst ba- kanntgabe ihrer eigenen Kandidatur unerwar- siert der Parteieintritt von Frauen stärker auf tet ein männlicher Gegenbewerber präsentiert solidarischen Motiven, während Männer wurde, der mitunter auch die Unterstützung überwiegend instrumentell und am zwischen- der Parteikollegen erhielt. Konnten Kandida- parteilichen Wettbewerb orientiert sind. tinnen sich jedoch gegen diesen erfolgreich durchsetzen, wurden sie meist mit guten Die Bereitschaft zur Übernahme eines Wahlergebnissen für ihre Durchsetzungskraft Amtes ist bei Männern und Frauen, die be- belohnt und mit noch besseren Wiederwahl- reits Mitglied einer Partei sind, nahezu glei- ergebnissen in ihrer Arbeit bestätigt. chermaßen vorhanden. Unter den passiven Mitgliedern befinden sich sogar mehr Frauen als Männer, die sich bereit erklären, ein Amt Parteistrukturen zu übernehmen. Somit bergen gerade die nicht-aktiven weiblichen Parteimitglieder Viele Politikerinnen sind der Meinung, dass noch Potenzial. Genau wie beim Parteibei- die traditionell männlich geprägten Struktu- tritt überwiegt als Auslöser für Kandidaturen ren im Parteienbetrieb kaum veränderbar bei Frauen die Fremdrekrutierung gegenüber sind und sich auch durch die zunehmende der Selbstrekrutierung. Gerade am Beginn Präsenz von Frauen nur schwer verändern der politischen Laufbahn geben Aufforde- lassen. Auffällig ist, dass Frauen bei der Frage rung und Ermunterung durch Dritte – in er- nach Parteistrukturen in erster Linie an die ster Linie lokale Verbände und Funktionsträ- Versammlungspraxis zu denken scheinen, ger – häufig erst den Ausschlag für eine Kan- denn immer wieder wird zuallererst auf das didatur. Da vor allem in Parteien mit für Frauen bestehende Zeitproblem aufgrund Quotenregelungen Frauen ermuntert werden, ihrer Mehrfachbelastung durch Familienauf- sich sowohl für innerparteiliche Posten als gaben hingewiesen. Empirische Studien bele- auch für kommunale Mandate aufstellen zu gen, dass gerade unsichtbare Hürden, wie die lassen, bewertet Brigitte Geißel die Ermuti- mangelhafte Einbindung in informelle Ent- gung zur Kandidatur als „effektives Mittel scheidungs- und Machtstrukturen und subtile zur Erhöhung der politischen Beteiligung Diskriminierung, die man unter Umständen von parlamentarisch wenig vertretenen Grup- beim Abstimmungs- und Nominierungsver- pen“. 9 halten der Männer beobachten kann, als Kar- rierebremsen für Frauen gelten. 10 Betrachtet man weiterhin, wann Frauen überwiegend die Aussicht auf eine erfolgrei- Dennoch trauen sich viele Politikerinnen che innerparteiliche Kandidatur eingeräumt aus Sorge vor persönlichen Nachteilen nicht, wird, bestätigt sich folgendes Muster: Die an den bestehenden Strukturen und Ritualen besten Chancen bestehen grundsätzlich dann, Kritik zu üben. Sie halten es vielmehr für un- wenn die Partei oder deren Funktionäre aus- erlässlich, sich mit den Abläufen, Spielregeln drücklich eine Frau für eine bestimmte Posi- und Gepflogenheiten des politischen Tagesge- tion in Betracht ziehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn einer Kandidatin bei der Be- 10 Vgl. Helga Lukoschat, Austausch und Vernetzung: werbung um ein Amt bessere Chancen einge- Maßnahmen zur Stärkung von Frauen in der Politik, in: Helga Foster/Helga Lukoschat/Barbara Schaeffer- Hegel (Hrsg.), Die ganze Demokratie. Zur Professio- 9 Brigitte Geißel, Politikerinnen, Politisierung und nalisierung von Frauen für die Politik, Pfaffenweiler Partizipation auf lokaler Ebene, Opladen 1999, S. 126. 1998, S. 120–196.

APuZ 50/2009 17 schäftes vertraut zu machen und handeln politischen Versammlungsritualen parteiüber- nach dem „pragmatisch ausgerichtete(n) greifend um für Frauen befremdliche Struktu- Defizitansatz“; 11 das heißt, sie kompensieren ren zu handeln scheint, müssen sich weibliche die sich aus ihrem Geschlecht ergebenden Parteimitglieder damit arrangieren. 13 Denn Nachteile durch große Motivation und Be- häufig erfährt man bzw. Frau erst nach Ende reitschaft zur Anpassung. Damit akzeptieren der offiziellen Veranstaltung und bei zuneh- sie allerdings eine einseitige Verengung des mendem Alkoholgenuss, „wer wann was ge- Problems zulasten der Frauen und geben den macht, unterlassen, gesagt, angekündigt hat Etablierten keinen Anlass, die Auswirkungen oder haben soll“ 14 und wie die einzelnen Mit- der bestehenden Partizipationsformen und glieder zueinander stehen. -strukturen auf weibliche Mitglieder zu über- denken. Frauen müssen sich also die offiziel- len und inoffiziellen Spielregeln des parteipo- Parteien im Vergleich litischen Alltags zu eigen machen. Dazu ge- hören neben den Kenntnissen der formellen Der verfassungsrechtliche Auftrag der Parteien Strukturen und Hierarchien des Parteien- ist, die aktive Teilnahme der Bürgerinnen und und Verwaltungsapparates auch jene der in- Bürger am politischen Leben zu fördern sowie formellen Machtverhältnisse und Netzwerke. zur Übernahme öffentlicher Verantwortung be- Die Geschäftsordnung genau zu kennen, ist fähigte Bürger heranzubilden. 15 Somit gehören für den Einfluss auf die Willensbildung eben- selbstverständlich auch die Ansprache von so bedeutsam, wie mit den gängigen Diskus- Frauen und die entsprechende Förderung weib- sions- und Versammlungsbräuchen des jewei- licher Kandidatinnen bis hin zur Übernahme ligen Verbandes vertraut zu sein. politischer Ämter und Mandate zu den Aufga- ben, die eine Parteiorganisation zu erfüllen hat. Ein weiteres großes Defizit besteht bei der Obwohl sich alle Parteien über das Ziel einer ungenügenden Vernetzung von Frauen, so- angemessenen Vertretung der weiblichen Be- wohl untereinander als auch mit ihren männli- völkerung einig sind, ergreifen sie unterschied- chen Kollegen. Während viele Frauen erst liche Maßnahmen, um es zu erreichen. nach der Familienphase politisch aktiv wer- den, sind Männer auch aufgrund ihres frühe- Als erste Partei beschlossen die Grünen be- ren Parteibeitritts und ihrer langjährigen Mit- reits bei ihrer Gründung 1979 eine Frauenquo- gliedschaft besser vernetzt und folglich mit te, nach der mindestens die Hälfte aller Ämter den Gepflogenheiten des politischen Ge- und Mandate weiblich und Wahllisten alternie- schäfts besser vertraut. 12 Viele politisch er- rend mit Männern und Frauen zu besetzen folgreiche Frauen erwähnen Zusammenkünfte sind. Die SPD beschloss 1988 eine Frauenquo- in Hinterzimmern und das gemeinsame Bier- te von 40 Prozent für alle Ämter und Mandate. trinken als unabdingbare Voraussetzungen für Die CDU plante im Dezember 1994 eine politische Zugehörigkeit und verweisen Quote mit einem Anteil von einem Drittel ein- gleichzeitig auf die Schwierigkeiten, die Frau- zuführen, was bei der Abstimmung zunächst en diese Art der Zusammenkunft häufig berei- scheiterte. Stattdessen führte sie 1996 ein soge- tet. Hier werden – meist zu fortgeschrittener nanntes Frauenquorum ein, demzufolge Frau- Stunde und bei erhöhtem Alkoholkonsum – en und Männer zu mindestens einem Drittel die wichtigsten Entscheidungen vorbespro- an Parteiämtern und öffentlichen Mandaten chen oder bereits festgelegt. Frauen, die eine beteiligt sein sollen. 16 Die Linke verpflichtete politische Beteiligung anstreben, müssen sich in die Versammlungsrituale einfügen, obgleich 13 Vgl. Cathrin Kahlweit, Damenwahl. Politikerinnen die spezifische Atmosphäre und die Kommu- in Deutschland, München 1994; Silvana Koch-Mehrin, Gemeinsam an die Macht: Männer und Frauen in Zei- nikationsformen im Gasthaus eine wirksame ten der Globalisierung, in: Maybrit Illner (Hrsg.), öffentlich-politische Beteiligung von Frauen Frauen an der Macht. 21 einflussreiche Frauen be- deutlich erschweren. Obwohl es sich bei den richten aus der Wirklichkeit, München 2005. 14 Eckhard Colberg/Ursula Männle, Zur Geschäfts- ordnung. Die Praxis der Willensbildung, München 11 B. Hoecker (Anm. 5), S. 135. 1973, S. 23. 12 In der CSU sind (laut CSU-Mitgliederverwaltung) 15 Vgl. Gesetz über die politischen Parteien (Partei- beispielsweise 55 Prozent der männlichen Mitglieder engesetz). beim Parteibeitritt unter 40 Jahre alt, von den Frauen 16 Diese Vorgabe kann jedoch in einem zweiten sind dies nur 43 Prozent. Wahlgang umgangen werden. Siehe Tabelle 1.

18 APuZ 50/2009 sich, Vorstände, Kommissionen, Arbeitsgre- tuation“: 21 Frauen erfahren gleichzeitig För- mien und Delegationen mindestens zur Hälfte derung und strukturelle Behinderung. Hier mit Frauen zu besetzen. 17 FDP und CSU stoßen Gleichstellungsmaßnahmen in Form haben sich bis heute gegen die Einführung von Quoten offensichtlich an ihre Grenzen. einer festen Frauenquote ausgesprochen. Beide Parteien setzen auf unverbindliche Grundsatzprogramme Empfehlungen, wonach die FDP eine „gleich- wertige Repräsentanz von Frauen und Män- Ein vergleichender Blick auf die Grundsatz- nern in allen Gremien der Gesellschaft“ 18 an- programme der Parteien verdeutlicht, dass strebt, und die CSU fordert, Frauen „bei allen den Frauen- und Gleichstellungsbelangen un- Wahlen (. . .) zu berücksichtigen“. 19 terschiedliche Ideologien zugrunde liegen.

An den Frauenanteilen in den entsprechen- Grundsatzprogramm der CDU: Die CDU den Gremien der Parteien ist zu sehen: Je ver- hat in ihrem aktuellen Grundsatzprogramm bindlicher die Quotenforderungen sind, von 2007 auf ein eigenes Frauen- und Gleich- desto höher ist die Beteiligung und die kon- stellungskapitel verzichtet. Dennoch wird das krete Machtverschiebung zugunsten von Thema Gleichstellung im Kapitel „Freie Entfal- Frauen in der jeweiligen Partei auf allen Ebe- tung der Person“ angesprochen, mit dem Ziel, nen – von innerparteilichen Ämtern bis hin zu „für Frauen und Männer, Mädchen und Jungen den Parlamentsabgeordneten. Aufgrund der gleiche Chancen zu schaffen und Benachteili- Notwendigkeit, immer ausreichend Kandida- gungen in allen Bereichen abzubauen“. Dar- turen von Frauen für quotierte Wahlen zu über hinaus spricht sich die CDU für eine haben, werden in jenen Parteien vermehrt „nachhaltige Mitwirkung von Frauen“ auf allen Frauen angesprochen und zu Kandidaturen Ebenen aus, ohne dabei jedoch präzise Forde- ermuntert. Berücksichtigt man das Partizipa- rungen zu nennen. Wie auch die CSU tritt die tionsverhalten von Frauen, die häufiger als CDU für die „Aufwertung der Familienarbeit“ Männer erst durch gezielte Ansprache poli- ein und zwar noch vor der Forderung nach tisch aktiv werden, kann die Verpflichtung zur „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Nichts- Aufforderung von Frauen unter Umständen destotrotz verlangen sie die „partnerschaftliche eine sinnvolle Maßnahme darstellen. Aufteilung von Erziehungsarbeit“. 22

Auf der anderen Seite halten Quotengegner Grundsatzprogramm der CSU: Auch die und -gegnerinnen diese Art der Unterstüt- CSU hat in ihrem aktuellen Grundsatzpro- zung von Minderheiten für undemokratisch gramm von 2007 auf ein Frauenkapitel ver- und diskriminierend. Derlei Mittel und In- zichtet, in der Annahme, dass die Gleichbe- strumente zur Erlangung der Gleichheit wer- rechtigung so weit fortgeschritten sei, dass den als ungerecht, unwirksam und den Inte- sich ein gesonderter Blick auf Männer und ressen der Frauen geradezu entgegengesetzt Frauen als weder notwendig noch angemes- empfunden. 20 Tatsächlich kommen auch Stu- sen erweise. 23 Lediglich im Familienteil des dien über Politikerinnen zu dem Ergebnis, Programms wird immer wieder auf „junge dass die Organisationsweisen, Strukturen und Frauen und Männer“ eingegangen. Dabei Kommunikationsstile in allen Parteien, ganz bleibt die CSU zwar ihrer Forderung nach gleich ob mit oder ohne Quote, bislang nicht Anerkennung von Familien- und Betreuungs- an den Interessen und Bedürfnissen der arbeit treu, bezieht sich dabei jedoch erstmals Frauen ausgerichtet sind. Somit führt das nicht mehr ausschließlich auf Frauen. Damit Nebeneinander „von frauenfreundlicher Re- orientiert sich die CSU mehr als je zuvor an krutierung und männerfreundlichen Stilen der Lebenswirklichkeit junger Menschen, und Strukturen zu einer ambivalenten Si- 21 B. Geißel (Anm. 9), S. 151. 17 Vgl. Programm von Die Linke (Programmatische 22 Zitate: Grundsatzprogramm der CDU von 2007, Eckpunkte) von 2007, § 10 Geschlechterdemokratie. S. 11 ff. 18 Grundsatzprogramm der FDP von 1997. 23 Vgl. hierzu die Aussage eines Mitglieds der CSU- 19 Satzung der CSU von 2006, 5. Abschnitt Verfah- Grundsatzkommission: „Ich bin froh, dass wir uns rensordnung, § 53 Verfahren für alle Wahlen. entschlossen haben, im Grundsatzprogramm keinen 20 Vgl. Beate Hoecker, Politische Partizipation von eigenen Teil Frauenpolitik zu machen, weil dann genau Frauen – Kontinuität und Wandel des Geschlechter- diese Sondersicht wieder verstärkt worden wäre.“ Zit. verhältnisses in der Politik, Opladen 1995, S. 104. in: I. Kürschner (Anm. 4), S. 90.

APuZ 50/2009 19 Tabelle 1: Auswirkung der Quotenregelungen in den Parteien Partei Quotenregelung Frauenanteile Mitglie- Bundes- Partei- der tag vorstand (Januar (17. Wahl- (Oktober 2009) periode) 2009) CDU „Frauen sollen an Parteiämtern in der CDU und an öffentlichen 25 % 18 % 25 % Mandaten mindestens zu einem Drittel beteiligt sein. (. . .) Wahlgre- mien können Kandidatenvorschläge zurückweisen, die Frauen nur unzureichend berücksichtigen. Wird bei Gruppenwahlen zu Partei- ämtern von der Kreisverbandsebene an aufwärts in einem ersten Wahlgang das Frauenquorum von einem Drittel nicht erreicht, ist dieser Wahlgang ungültig. Es ist ein zweiter Wahlgang vorzunehmen, zu dem weitere Vorschläge gemacht werden können. Dessen Ergeb- nis ist unabhängig von dem dann erreichten Frauenanteil gültig.“ CSU „Bei allen Wahlen sind Frauen zu berücksichtigen.“ 18 % 13 % 29 % SPD „Wahlvorschläge müssen die satzungsmäßigen Voraussetzungen erfül- 30 % 38 % 40 % len. Die Personalvorschläge der Vorstände müssen Frauen und Männer mindestens zu je 40 % berücksichtigen. (. . .) Um zu erreichen, dass Männer und Frauen zu mindestens je 40 % in den Parlamenten und kommunalen Vertretungskörperschaften vertreten sind, werden auf allen Organisationsebenen satzungsmäßige Vorkehrungen getroffen.“ FDP In der Satzung findet sich keine Erwähnung. Im Grundsatzpro- 23 % 25 % 19 % gramm heißt es: „Die gleichgewichtige Repräsentanz von Männern und Frauen in allen Gremien der Gesellschaft ist anzustreben.“ Grüne „Wahllisten sind grundsätzlich alternierend mit Frauen und Männern 37 % 53 % 56 % zu besetzen, wobei den Frauen die ungeraden Plätze zur Verfügung stehen (Mindestparität). Frauen können auch auf den geraden Plätzen kandidieren. Reine Frauenlisten sind möglich. Sollte keine Frau für einen Frauen zustehenden Platz kandidieren bzw. gewählt werden, entscheidet die Wahlversammlung über das weitere Verfahren. Die Frauen der Wahlversammlung haben diesbezüglich ein Vetorecht.“ Die Linke „Bei Wahlen von Vorständen, Kommissionen, Arbeitsgremien und 45 % 53 % 45 % Delegierten sind grundsätzlich mindestens zur Hälfte Frauen zu wählen. Ist dies nicht möglich, bleiben die den Frauen vorbehaltenen Mandate unbesetzt, eine Nachwahl ist jederzeit möglich. Kreis- und Ortsverbände, deren Frauenanteil bei weniger als einem Viertel liegt, können im Einzelfall Ausnahmen beschließen.“ Quellen: Satzung der CDU von 2007, Satzung der CSU von 2006, Grundsatzprogramm der FDP von 1997, Sat- zung von Bündnis 90/Die Grünen (o. J.), Programm von Die Linke von 2007. Eigene Berechnungen nach Anga- ben auf den Internetseiten der Parteien und der Fraktionen im Deutschen Bundestag.

lässt aber viele Bereiche, die als reale Hinder- die „herrschende Kultur (als) männlich ge- nisse bei der Gleichberechtigung betrachtet prägt“, so beschränkte sie sich 2007 auf die werden – wie zum Beispiel das Ehegatten- Forderung nach Frauenförderung und gender 24 splitting – unangetastet. mainstreaming, welches „jede politische Ent- scheidung auf ihre Auswirkungen auf das Grundsatzprogramm der SPD: Die SPD Leben von Frauen und Männern, Mädchen schlägt in ihrem neuen Grundsatzprogramm und Jungen überprüft und wo nötig verän- von 2007 deutlich moderatere Töne an als in dert“. Nachdrücklicher als die Unionspartei- dem vorausgegangenen Programm von 1989. en, die in erster Linie die Wahlfreiheit zwi- Forderte sie vor 20 Jahren noch ausdrücklich schen Familien- und Erwerbsarbeit fordern, eine Gesellschaft, in „in der nicht mehr eine verlangt die SPD die Vereinbarkeit von Fami- Hälfte der Menschen dazu erzogen wird, lie und Beruf durch einen „flächendeckenden über die andere zu dominieren, die andere und bedarfsgerechten Ausbau von Betreu- dazu, sich unterzuordnen“ und bezeichnete ungseinrichtungen für Kinder“ sowie eine Umgestaltung des Steuerrechts in dem Sinne, 24 Vgl. Grundsatzprogramm der CSU von 2007, S. 75: „dass es für Frauen keine Hürde darstellt, er- „Die Ehe ist ein Wert für zwei Menschen, die auf Dauer werbstätig zu werden“. 25 füreinander einstehen wollen. Dieses Füreinandereins- tehen ist Grundlage jeder sozialen Gesellschaft. Dieser hohe Wert der Ehe kommt auch im Ehegattensplitting 25 Grundsatzprogramm der SPD von 2007, Zitate: zum Ausdruck.“ S. 40 f.

20 APuZ 50/2009 Grundsatzprogramm der FDP: Fortent- nistische Lesart ökonomischer und gesell- wickelt hat sich auch die FDP, allerdings im schaftlicher Prozesse und eine entsprechende Gegensatz zur SPD von eher allgemein gehal- politische Gestaltung“ gefordert. Die Partei tenen Aussagen in den „Wiesbadener Grund- tritt für eine staatliche Lenkung der Gleich- sätzen“, dem Grundsatzprogramm der FDP stellung in der Privatwirtschaft, der Kinder- von 1997, zu ihrem „Deutschlandprogramm“ betreuung sowie im Sozial- und Steuerrecht von 2009. Die Ansprüche von 1997 waren ein, die Forderungen sind dabei aber weniger sehr unpräzise und eher phrasenhaft und be- präzise als bei FDP, SPD oder Grünen. schränkten sich auf allgemein gültige Forde- rungen. Wie die Unionsparteien widmen auch die Freien Demokraten in ihrem aktuel- Ausblick: Es gibt noch viel zu tun len Programm dem Thema Frauen und Frau- enpolitik zwar kein eigenes Kapitel, kommen Der schmalen Forschungslage ist es geschul- aber an verschiedenen Stellen wie dem Steuer- det, dass die Kenntnisse über Frauen in den recht, den Menschenrechten, der Arbeits- deutschen Parteien eher dürftig sind und auf marktpolitik und bei der Familienpolitik veraltete Daten zurückgegriffen werden immer wieder auf die Belange der Frauen zu muss. Da die aktuellen Studien über die Si- sprechen. Dabei berufen sie sich wie die SPD tuation von Frauen fast ausschließlich auf auf das gender mainstreaming und plädieren qualitative Untersuchungsmethoden zurück- für eine umfassendere und bedarfsgerechte greifen, können sie keinen Anspruch auf Re- Kinderbetreuung von der Krippe bis zur präsentativität oder Verallgemeinerbarkeit Ganztagsschule und die Vereinbarkeit von der Aussagen erheben, sondern dienen ledig- Familie und Beruf, um Frauen gleiche Chan- lich als explorative Untersuchungen, um Hy- cen auf den Zugang zum Arbeitsmarkt zu pothesen formulieren zu können. Ihre Ergeb- bieten und ihre Potenziale für Wirtschaft und nisse weisen in erster Linie auf Tendenzen Gesellschaft optimal zu nutzen. hin, die in breiter angelegten Parteimitglie- derbefragungen einer quantitativen Überprü- Grundsatzprogramm der Grünen: Bei den fung unterzogen werden müssten. Grünen nimmt das Kapitel „Aufbruch in eine geschlechtergerechte Gesellschaft“ zehn Sei- Um die tatsächliche Lage von Frauen in ten des Grundsatzprogramms von 2002 ein. der Politik und den Parteien einschätzen und Gleich zu Beginn wird dabei auf die Frauen- verbessern zu können, bedarf es eines abgesi- bewegung als „wesentliche Quelle bündnis- cherten, breiten Fundaments, welches bisher grüner Politik“ verwiesen. Die Grünen wol- noch auf sich warten lässt. Bis es soweit ist, len „das Verhältnis zwischen Mann und Frau lässt sich nur mit Gewissheit sagen, dass grundlegend neu bestimm(en)“ und fordern Frauen in allen Parteien mit einer „politik- zu diesem Zweck staatliche Eingriffe zur immanenten Männerorientierung“ 27 kon- Durchsetzung der Geschlechterpolitik. Sie frontiert werden, ganz gleich, wie unter- „treten dafür ein, auch die Wirtschafts- und schiedlich die Ideologien und Instrumente Finanzpolitik auf ihre Auswirkungen auf das zur Frauenförderung innerhalb der einzelnen Geschlechterverhältnis hin zu prüfen“. 26 Der Organisationen auch sein mögen. Parteiüber- Veränderung des klassischen Familienmodells greifend bedarf es eines besonders hohen soll durch Veränderungen in der Sozialversi- Maßes an Anpassung vonseiten der Frauen, cherungs- und Steuergesetzgebung Rechnung um sich im jahrhundertelang männlich ge- getragen werden. prägten Politikgeschäft zu behaupten.

Grundsatzprogramm der Linken: Die Linke verfügt über kein Grundsatzpro- gramm, stellt aber auf ihrer Homepage pro- grammatische Eckpunkte dar. Im Kapitel „Geschlechtergerechtigkeit: Anerkennung vielfältiger Formen des Zusammenlebens an- statt Privilegierung der Ehe“ wird eine „femi-

27 B. Geißel (Anm. 9), S. 152. 26 Grundsatzprogramm der Grünen von 2002, Zitate: S. 132–139.

APuZ 50/2009 21 Uta Kletzing Was muss passieren, damit sich diese An- teile erhöhen? Um Antworten auf diese Frage zu finden, hat die EAF – Europäische Akade- mie für Frauen in Politik und Wirtschaft im Engagiert Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) etwa 1100 ehrenamtliche und hauptamtliche Kom- vor Ort: Wege munalpolitikerinnen aus über 500 repräsenta- tiv ausgewählten Kommunen mit mehr als und Erfahrungen 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern be- fragt. 5 Den Schwerpunkt bildete die Frage- bogen-Untersuchung von 1036 ehrenamtli- von Kommunal- chen Stadt- und Gemeinderätinnen; zur Er- gänzung und Vertiefung wurden zudem Intensivinterviews mit 24 ehren- und haupt- politikerinnen amtlichen Kommunalpolitikerinnen ge- führt. 6

it einer Bundeskanzlerin an der Spitze Mit der Studie „Engagiert vor Ort – Wege M der Regierung und zahlreichen Frauen und Erfahrungen von Kommunalpolitikerin- in herausragenden Positionen sind Frauen in nen“ liegt die bisher umfangreichste Untersu- der Politik selbst- chung über kommunalpolitisch aktive Frauen verständlicher ge- sowie die förderlichen und hinderlichen Fak- Uta Kletzing worden. 90 Jahre toren für ihren Einstieg und Aufstieg vor. Dipl.-Psych., MPP, geb. 1975; nachdem Frauen Wer sind sie, welche Motive haben sie, wer Leiterin des Bereichs das aktive und und was hat sie auf ihrem Weg in die Kom- Politik und Verwaltung der EAF – passive Wahlrecht munalpolitik unterstützt? Welche Erfahrun- Europäische Akademie für errungen haben, gen haben sie gesammelt und wo sehen sie Frauen in Politik und Wirtschaft und 60 Jahre nach Handlungsbedarf? Berlin e. V., Schumannstraße 5, Verankerung des 10117 Berlin. Gleichstellungsar- [email protected] tikels im Grund- gesetz ist somit 1 Vgl. Beate Hoecker, 50 Jahre Frauen in der Politik – viel erreicht. Späte Erfolge, aber nicht am Ziel, in: APuZ, (2008) 24– 25, S. 10–18. 2 Der Durchschnittswert von 25 Prozent ist das Er- Doch gerät mit diesen öffentlich sichtbaren gebnis eigener Berechnungen, die auf einer Erhebung und erfolgreichen Frauen bisweilen aus dem des Deutschen Städtetages basieren: Deutscher Städte- Blickfeld, dass im politischen Alltag nach wie tag, Ratsmitglieder der Gemeinden mit 10 000 und vor Vieles zu tun bleibt – gerade im kommu- mehr Einwohnern, in: Statistisches Jahrbuch Deut- nalpolitischen Alltag. Nach den Aufbruchs- scher Gemeinden, 93 (2006), S. 102–136. 3 zeiten der 1980er und frühen 1990er Jahre, Vgl. Bertelsmann Stiftung/Deutscher Städtetag/ Deutscher Städte- und Gemeindebund (Hrsg.), Beruf wo mit Einführung der Quotenregelungen Bürgermeister/in – Eine Bestandsaufnahme für erstmals die Zehnprozenthürde in den Parla- Deutschland, Gütersloh 2008, online: www.bertels menten überschritten wurde, stagniert der mann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/SID-08FC6F7B-C8A Frauenanteil in Bund und Ländern seit über EB645/bst/xcms_bst_dms_23926_23927_2.pdf einem Jahrzehnt auf einem Niveau von etwa (31. 7. 2009). 4 30 Prozent. 1 In den Kommunalparlamenten Im Rahmen der Studie wurden alle amtierenden Landrätinnen recherchiert (Stand: August 2008). liegt der Frauenanteil durchschnittlich sogar 5 Vgl. Uta Kletzing/Helga Lukoschat, Engagiert vor bei lediglich 25 Prozent. 2 „Durchschnittlich“ Ort – Wege und Erfahrungen von Kom- heißt auch, dass es immer noch Stadt-, Ge- munalpolitikerinnen, Baden-Baden 2009 (i. E.); im meinde- und Kreisräte gibt, in denen keine vorliegenden Beitrag werden ausgewählte Ergebnisse einzige Frau vertreten ist. Der Blick auf die dargestellt. 6 kommunalen Spitzenpositionen zeigt zudem, Bei der Auswahl der Befragten für die quantitative und qualitative Untersuchung wurden die regionale dass nur vier Prozent der hauptamtlichen Verteilung, die Größe der Gemeinden sowie die Par- (Ober-)Bürgermeister 3 und weniger als zehn teizugehörigkeit der Kommunalpolitikerinnen nach Prozent der Landräte 4 Frauen sind. Quoten berücksichtigt.

22 APuZ 50/2009 Soziodemographische und Engagement abgehalten werden – der Partner sie also „gewähren“ lässt und Verständnis zeitliche Ressourcen zeigt. Aktiv unterstützende Partner beteiligen sich darüber hinaus in einem vergleichsweise Ehrenamtliche Kommunalpolitikerinnen sind hohen Maße an Familien- und Hausarbeit Frauen mit hoher Lebens- und Berufserfah- oder stellen sich als Zuhörer und Feedback- rung. Sie sind zu 89 Prozent über 40 Jahre alt Geber zur Verfügung. Die Partnerschaftsmo- und überdurchschnittlich hoch gebildet. Fast delle sind also „klassisch“ und partnerschaft- jede zweite Kommunalpolitikerin ist Akade- lich zugleich dahingehend, dass die Partner mikerin. Familiäre Aufgaben und Berufstätig- überwiegend einer Vollzeittätigkeit nachge- keit mit dem politischen Ehrenamt zu verein- hen, jedoch gleichzeitig ihren Beitrag zum baren, ist gegenwärtig vorwiegend nur im kommunalpolitischen Engagement der Part- zeitlichen Nacheinander möglich. Die Hälfte nerinnen leisten. der Befragten verbringt mindestens zehn und teilweise sogar mehr als 20 Stunden wöchent- Motivation und Motivatoren lich mit Kommunalpolitik; die andere Hälfte weniger als zehn Stunden pro Woche. Die Die zivilgesellschaftlich engagierten Frauen zeitlichen Spielräume für das ehrenamtliche von heute sind die Kommunalpolitikerinnen Engagement werden wesentlich von den Für- von morgen. In der Regel haben sich die Kom- sorgeverpflichtungen für Kinder oder andere munalpolitikerinnen seit Kindheit und Jugend Familienangehörige einerseits und von der „über den eigenen Tellerrand hinaus“ für etwas Erwerbssituation andererseits bestimmt. engagiert. Der Wunsch, sich für allgemeine In- teressen einzusetzen, drückt sich im Laufe des 71 Prozent der befragten Stadt- und Ge- Lebens in verschiedenen Formen des Engage- meinderätinnen sind Mütter, allerdings sind ments aus: 86 Prozent der Befragten waren un- die Kinder mehrheitlich „aus dem Gröbsten mittelbar vor der Übernahme des kommunal- raus.“ Nur etwa ein Drittel hat Kinder unter politischen Mandates ehrenamtlich in bürger- 16 Jahren im Haushalt, und nur ein sehr gerin- schaftlichen Zusammenhängen, Parteien oder ger Prozentsatz von sieben Prozent hat Kinder kommunalpolitischen Gremien tätig. bis zu fünf Jahren zu versorgen. 64 Prozent der befragten Stadt- und Gemeinderätinnen sind Zivilgesellschaftliches Engagement und erwerbstätig, davon die eine Hälfte in Vollzeit kommunalpolitisches Mandat sind aus Sicht und die andere in Teilzeit. Der größte Teil der der befragten Ratsfrauen eng miteinander ver- Nicht-Erwerbstätigen sind Ruheständlerin- woben: Kommunale Vereine, Verbände oder nen. Neben dem Mandat in Vollzeit erwerbstä- Initiativen verfolgen aus ihrer Sicht ähnliche tig zu sein, gelingt in der Regel nur, wenn das Themen wie der Stadt- und Gemeinderat bzw. Arbeitsmodell zumindest anteilig flexibel ge- der Kreistag, jedoch auf unterschiedlichen handhabt werden kann oder Unterstützung Ebenen und mit unterschiedlicher politischer durch den Arbeitgeber vorhanden ist. Ein Schlagkraft. Mit dem Schritt ins kommunal- Viertel der ehrenamtlichen Kommunalpoliti- politische Mandat verband sich für die befrag- kerinnen – und damit die größte Gruppe – hat ten Frauen der Wunsch, das Engagement „für weder Kinder im Haushalt noch eine Erwerbs- die Sache“ mit mehr Informationen, Kontak- tätigkeit. Immerhin 15 Prozent der Ratsfrauen ten und Entscheidungsbefugnissen zu verbin- haben jedoch beides: Kinder im Haushalt und den und so effektiver zu machen. Die im zivil- eine Vollzeit-Erwerbstätigkeit. gesellschaftlichen Engagement begonnene Einflussnahme auf „die Welt im Kleinen“, Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist die Un- nämlich das unmittelbare Lebensumfeld, setzt terstützung des Lebenspartners. 82 Prozent sich somit in der Kommunalpolitik fort. der Stadt- und Gemeinderätinnen leben in einer festen Partnerschaft. 80 Prozent der eh- Die Idee, in die Kommunalpolitik zu renamtlichen Kommunalpolitikerinnen füh- gehen, kam jedoch den wenigsten ganz allein. len sich von ihrem Partner bzw. Partnerinnen Immerhin 30 Prozent sind in die Kommunal- sehr gut unterstützt. Das Mindestmaß der Un- politik „einfach so hineingerutscht“. Die Stu- terstützung besteht darin, dass die Kommu- die zeigt sehr eindrücklich, wie viel die An- nalpolitikerinnen seitens ihrer Partner bzw. sprache von außen bewegen kann und wie Partnerinnen nicht vom kommunalpolitischen notwendig diese ist, um das vorhandene Po-

APuZ 50/2009 23 tenzial engagierter Frauen in Richtung Kom- teipolitische Orientierungen und persönliche munalpolitik zu mobilisieren. Die Parteien Eitelkeiten die Sachorientierung bei politi- müssen auf die potenziellen Mandatsträgerin- schen Entscheidungen überlagerten. Sie wün- nen zugehen und ihnen Entwicklungsmög- schen sich ein angenehmeres Arbeitsklima lichkeiten bieten. 62 Prozent der Stadt- und und eine kooperativere Arbeitsweise und Gemeinderätinnen bekamen den entscheiden- mahnen mehr Effizienz in der Sitzungs- und den Anstoß von außen: davon 65 Prozent von Redekultur an (zum Beispiel ein Ende der Personen mit politischem Bezug (Partei, „ewigen Endlosdiskussionen“). Ratsmitglieder etc.), 25 Prozent von Personen aus dem Umfeld (Freunde, Kollegen etc.) und Was die institutionellen Rahmenbedingun- zehn Prozent aus der eigenen Familie. gen kommunalpolitischer Tätigkeit betrifft, ist ein knappes Viertel über die Schwerfällig- keit der Bürokratie und den daraus resultie- Kommunalpolitischer Alltag renden immensen Zeitbedarf des kommunal- politischen Engagements frustriert. Etwa jede Die Erfahrungen, die die Kommunalpolitike- achte Kommunalpolitikerin beklagt, dass ihr rinnen machen, decken sich erfreulicherweise durch fehlende rechtliche Befugnisse oder fi- mit ihren ursprünglichen Beweggründen für nanzielle Mittel teilweise die Hände gebun- die Kommunalpolitik. Der Wunsch, sich für den sind. Ferner bedauern zehn Prozent der das Gemeinwohl zu engagieren, wird in 87 ehrenamtlichen Kommunalpolitikerinnen die Prozent der Fälle befriedigt. Aber die Befrag- Politikverdrossenheit der Bevölkerung; 13 ten wollen mit ihrer Tätigkeit nicht nur etwas Prozent wünschen sich mehr Anerkennung für andere, sondern auch etwas für sich selbst und Wertschätzung der kommunalpolitischen tun. 56 Prozent wollen sich persönlich wei- Tätigkeit seitens ihres Umfeldes sowie in der terentwickeln und 37 Prozent suchen eine medialen Berichterstattung. neue Herausforderung. Immerhin ein Drittel der Stadt- und Gemeinderätinnen äußert, mit Handlungsbedarf dem kommunalpolitischen Engagement auch tatsächlich etwas für die eigene Weiterent- Was muss passieren, damit es mehr Frauen in wicklung tun zu können: Kommunalpolitik der Kommunalpolitik gibt? Die Wege und sei ein interessantes Lernfeld und gebe dem Erfahrungen der befragten Politikerinnen zei- Selbstbewusstsein einen Schub. gen, dass eine Perspektive allein ganz sicher nicht ausreicht, um den anstehenden Heraus- Sind Frauen erst einmal in der Kommunal- forderungen gerecht zu werden. Vielmehr be- politik engagiert, wollen sie auch dabei blei- darf es eines übergreifenden Ansatzes, der so- ben. Ihr kommunales Mandat üben sie in der wohl Parteien und Zivilgesellschaft als auch Regel über mehrere Legislaturperioden aus. 76 gesellschaftliche Rahmenbedingungen in den Prozent der Befragten wollen bei der nächsten Blick nimmt. 7 Kommunalwahl wieder kandidieren. Dennoch werden die politische Kultur und die institu- Parteien und Zivilgesellschaft: Nach Hin- tionellen Rahmenbedingungen als stark ver- derungsgründen für das kommunalpolitische besserungswürdig empfunden. Unsere Unter- Engagement bei anderen Frauen gefragt, äu- suchung zeigt sehr deutlich, dass sowohl die ßert ein Drittel der Ratsfrauen, dass das poli- politischen Umgangsformen als auch die insti- tische Umfeld die Frauen nicht genügend tutionellen Rahmenbedingungen von den in unterstützen würde. Die Ortsvereine und der Kommunalpolitik tätigen Frauen zum Teil Kreisverbände der Parteien und Wählerge- sehr kritisch gesehen werden. Die häufigsten meinschaften, insbesondere die örtlichen Par- Antworten auf die offene Frage „Was gefällt teivorsitzenden und Führungszirkel, spielen Ihnen nicht an Ihrer kommunalpolitischen Tä- eine entscheidende Rolle bei der Aufstellung tigkeit?“ lassen sich mit 52 Prozent unter der der Listen für die Kommunalwahlen. Vor Kategorie „politische Kultur“ subsumieren, allem in kleineren Gemeinden und ländli- gefolgt von 39 Prozent Nennungen zum chen Regionen müssen Quoten und Quoren Thema „institutionelle Rahmenbedingungen“. in den Parteien konsequenter umgesetzt wer-

Hinsichtlich der politischen Kultur bemän- 7 Vgl. ausführlich und mit konkreten Handlungsemp- geln die befragten Frauen, dass zu häufig par- fehlungen dazu: H. Lukoschat/U. Kletzing (Anm. 5).

24 APuZ 50/2009 den. Dass die entsprechende Besetzung von rung und den damit verbundenen Verände- aussichtsreichen Listenplätzen mit Frauen in rungen der Organisationskultur stellen. 11 den Kommunen gelingt, hängt ganz entschei- Denn auch die zivilgesellschaftlichen Organi- dend von dem Willen und der Entschlossen- sationen verschenken aufgrund teilweise ver- heit ab, Frauen gezielt anzusprechen bzw. zu krusteter Strukturen wertvolles Potenzial. werben und ihnen politische Gestaltungs- Die Geschlechterverhältnisse im zivilgesell- möglichkeiten und persönliche Entwick- schaftlichen Engagement ähneln der horizon- lungschancen zu bieten. Dazu gehört auch talen und vertikalen geschlechtsspezifischen die Bereitschaft, die eigene Organisationskul- Segregation des Arbeitsmarktes: Zum einen tur zu hinterfragen und den Interessen und sind Frauen überwiegend in anderen Engage- Erwartungen von Frauen – die längst nicht mentfeldern als Männer tätig; zum anderen mehr frauenspezifisch sind, sondern dem ge- ist nur etwa ein Drittel der ehrenamtlichen nerellen Modernisierungsbedarf im ehren- Leitungspositionen von Frauen besetzt. 12 amtlichen Engagement entsprechen 8 – anzu- Hier kann gezielte Personal- und Organisati- passen. onsentwicklung Abhilfe schaffen.

Es geht aber nicht nur um parteiinterne Moderne und vereinbarkeitsfreundliche Nachwuchs- und Frauenförderung, sondern Strukturen: Damit mehr zivilgesellschaftlich auch um neue Bündnisse der Zusammenar- engagierte Frauen den Weg in die Politik ein- beit im kommunalen Raum. Die Untersu- schlagen, gilt es, die Kommunalpolitik attrak- chung zeigt eindrucksvoll, dass kommunal- tiv und zeitgemäß zu gestalten und sie mit politisch engagierte Frauen vor dem Mandat mehr gesellschaftlicher Aufmerksamkeit und in hohem Maße anderweitig ehrenamtlich en- Anerkennung zu versehen. Dafür muss sie je- gagiert waren. Zivilgesellschaftliche Organi- doch aus einem Dunstkreis von Vorurteilen sationen sind die Sozialisationsinstanzen für herausgeholt werden, die sie vorrangig mit bürgerschaftliches Engagement 9 und das „Kungelei“, „Hinterzimmertreffen“ und wichtigste Reservoir für künftige kommunale männlich dominiertem „Platzhirschgehabe“ Mandatsträgerinnen. Deshalb sollten Orts- in Verbindung bringen. Hier sind die Parteien und Kreisverbände der Parteien und lokale und ihre Ratsfraktionen gefragt, aber auch zivilgesellschaftliche Initiativen und Vereine, der kommunale Rat und die kommunale Ver- gegebenenfalls unter Einbezug der kommu- waltung mit ihren eigens aufgestellten „Spiel- nalen Gleichstellungsbeauftragten, auch in regeln“, um das Image- und Attraktivitäts- personalpolitischen Fragen den gegenseitigen problem der Kommunalpolitik zu lösen. Kontakt pflegen und engmaschiger zusam- menarbeiten. Die Kampagne „Frauen Macht Angesichts der steigenden Anzahl von Kommune“ hat diesbezüglich erste Möglich- Frauen und Männern, deren Lebensentwürfe keiten aufgezeigt. 10 Beruf und Familie vorsehen, muss Kommu-

Nicht nur, aber auch wegen ihrer zentra- 11 In einer Studie über die zur Zeit noch besonders len Rolle als kommunalpolitisches „Personal- stark männlich dominierten Freiwilligen Feuerwehren Reservoir“, sollten sich vor allem die großen zeigen Angelika Wetterer und Margot Poppenhusen, wie sich im Rahmen von Maßnahmen zur Organisa- Verbände der Herausforderung einer geziel- tionsentwicklung konkrete Angebote für Frauen mit ten internen Nachwuchs- und Frauenförde- Reflexionsprozessen über das Selbstverständnis und über notwendige Veränderungen der Organisation als Ganze verbinden lassen. Vgl. Angelika Wetterer/Mar- 8 Vgl. Serge Embacher/Susanne Lang, Lern- und Ar- got Poppenhusen, Mädchen und Frauen bei der Feu- beitsbuch Bürgergesellschaft, Bonn 2008. erwehr. Empirische Ergebnisse – praktische Maßnah- 9 Vgl. Rudolf Speth, Bürgergesellschaft und kom- men, Baden-Baden 2008. munale Politik – Herausforderungen für eine neue 12 Vgl. Thomas Gensicke/Sibylle Picot/Sabine Geiss, Aufgaben- und Verantwortungsteilung, Vortrag auf Freiwilliges Engagement in Deutschland 1999–2004, dem Fachforum „Engagiert vor Ort – Strategien für hrsgg. vom BMFSFJ, Wiesbaden 2006, online: mehr Frauen in der Kommunalpolitik!“ der EAF am www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/RedaktionBMFSFJ/ 18. 2. 2009, unveröffentlichtes Manuskript. Engagementpolitik/Pdf-Anlagen/freiwilligen-survey- 10 Die Kampagne (online: www.frauen-macht-kom- langfassung,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de, mune.de) lief auf Initiative des BMFSFJ in Zusam- rwb=true.pdf (4. 11. 2009); Annette Zimmer/Holger menarbeit mit der EAF – Europäische Akademie für Krimmer, Does gender matter? Haupt- und ehren- Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin e. V. bundes- amtliche Führungskräfte gemeinnütziger Organisatio- weit von November 2008 bis Juni 2009. nen, in: Femina Politica, (2007) 2, S. 62–72.

APuZ 50/2009 25 nalpolitik so gestaltet werden, dass sie mit den Arbeitgeber positiv auswirken, da da- beidem zu vereinbaren ist. Unnötig langwie- durch gegebenenfalls der Freistellungs- bzw. rige Prozeduren und zeitlich schlecht plan- Arbeitszeitreduktionsbedarf ihrer kommu- bare Verpflichtungen erschweren den nalpolitisch tätigen Beschäftigten gesenkt Mandatsträgerinnen, ihren Familien und Ar- werden kann. beitgebern die Vereinbarkeit. Es müssen For- men für das kommunalpolitische Engage- Daten- und Gesetzesgrundlagen: Um ge- ment gefunden werden, die den vielfältigen zielt gegen die Unterrepräsentanz von Frau- Lebenssituationen und Zeitbudgets unter- en in der Kommunalpolitik vorgehen zu schiedlicher Bevölkerungsgruppen gerecht können, bedarf es einer differenzierten stati- werden. Um Familie, Beruf und politisches stischen Wissensgrundlage, die einen regel- Ehrenamt besser miteinander vereinbaren zu mäßigen und schnellen Überblick zu Frau- können, bedarf es aber auch Veränderungen enanteilen an kommunalpolitischen Manda- in der Familienpolitik und in der Arbeits- ten und Ämtern ermöglicht. Die im welt. Denn heute vollziehen die Frauen Rahmen des Forschungsprojektes vorge- einen „Spagat hoch drei“ 13 oder verlagern nommene Sichtung der statistischen Daten- ihr politisches Engagement auf eine Zeit, in lage zu Frauen in der Kommunalpolitik hat der die Kinder bereits Jugendliche oder ergeben, dass diese unübersichtlich und un- junge Erwachsene sind bzw. nehmen Teil- zulänglich ist und hier dringender Hand- zeit-Erwerbstätigkeit und damit oftmals die lungsbedarf besteht. 15 Einschränkung beruflicher Karriereoptionen und geringere Altersbezüge in Kauf. Der „Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland“ 16 vom Die Untersuchungsergebnisse belegen, BMFSFJ ist diesbezüglich ein Anfang. Für welch bedeutsame Rolle die moralische und die Frauenfrage in der Kommunalpolitik er- praktische Unterstützung durch den Partner öffnen die Daten des Unterindikators „kom- für die Ausübung des kommunalpolitischen munale Partizipation“ 17 die Chance für ein Mandates spielt. Die Förderung partner- länderübergreifendes regelmäßiges Daten- schaftlicher Lebens- und Familienmodelle Monitoring. Die Daten sollten zum Anlass sowie Angebote in Form von Infrastruktur, genommen werden, die Förderung von Kom- Zeit und finanzieller Entlastung, 14 um Frau- munalpolitikerinnen auf die Agenden ein- en und Männer bei der Fürsorgearbeit zu un- schlägiger kommunaler Akteure zu setzen terstützen, weisen hier den Weg. Schließlich (wie z. B. Deutscher Städtetag, Deutscher ist zur Frage der Vereinbarkeit von Kommu- nalpolitik mit anderen Lebensbereichen eine 15 Lars Holtkamp und Elke Wiechmann haben etwa engagementfreundliche Unternehmenspolitik zeitgleich zur vorliegenden Studie eine wissen- zu nennen. Ähnlich wie bei den Rahmenbe- schaftliche Datenrecherche mit ähnlichem Ziel vorge- dingungen einer familienfreundlichen Ar- nommen und kamen, was die unterentwickelte Situa- beitsorganisation sind auch hier neben der tion von statistischen Daten zu ehren- und grundsätzlichen Unterstützungsbereitschaft hauptamtlichen Kommunalpolitikerinnen betrifft, zu des Arbeitgebers vor allem zeitlich und ört- denselben Ergebnissen. 16 Online: www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/ Redak- lich flexible Arbeitsmodelle entscheidend. tionBMFSFJ/Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/atlas- Flexible Arbeitsmodelle können sich auch für gleichstellung-deutschland,property=pdf,bereich= bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf (4. 11. 2009). 13 Karin Beher/Holger Krimmer/Thomas Rauschen- 17 Der Unterindikator „kommunale Partizipation“ ist bach/Annette Zimmer, Die vergessene Elite. Füh- Teil des Indikators „Partizipation“ und setzt sich zu- rungskräfte in gemeinnützigen Organisationen, Wein- sammen aus den Frauenanteilen an den Mandaten in heim 2008. den Kreistagen der Landkreise und in den Gemeinde- 14 Dieser Dreiklang war das Ergebnis eines Gut- räten der Stadtkreise/kreisfreien Städte für die Flä- achtens für das BMFSFJ von Hans Bertram/Wiebke chenstaaten sowie aus den Frauenanteilen an den Roesler/Nancy Ehlert, Nachhaltige Familienpolitik Mandaten in den Bezirksparlamenten der Stadtstaaten Zukunftssicherung durch einen Dreiklang von Zeit- bzw. in der Stadtbürgerschaft Bremen/SVV Bremer- politik, finanzieller Transferpolitik und Infrastruktur. haven. Vgl. Beschluss der 18. Gleichstellungs- und Gutachten für das BMFSFJ, Berlin 2005, online: Frauenministerkonferenz vom 23. Oktober 2008 in www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/RedaktionBMFSFJ/ Karlsruhe, Ländereinheitliche Gender Indikatoren, Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/Bertram-Gutachten- online: www.sozialministerium-bw.de/fm7/1442/TOP Nachhaltige-Familienpolitik,property=pdf,bereich= %205.4%2018.%20GFMK%20Gender%20Indikator bmfsfj,sprache=de, rwb=true.pdf (31. 7. 2009). en%20Anlage.pdf (18. 9. 2009).

26 APuZ 50/2009 Städte- und Gemeindebund und Deutscher schaffen und mit gezielten Unterstützungs- Landkreistag) und flächendeckend kommu- und Vernetzungsangeboten verknüpft werden nale Entscheidungsträger zu sensibilisieren. können. Neben der aktiven politischen „Vermark- tung“ der Daten zur kommunalen Partizipa- Der innerparteilichen und parteiübergrei- tion ist jedoch auch ihre kontinuierliche Fort- fenden Vernetzung von Kommunalpolitike- schreibung und wissenschaftliche Vertiefung rinnen kommt eine entscheidende Bedeutung wichtig. zu, da gleichstellungspolitische Normen eher dort unterlaufen werden, wo aktive und Auch die Frage gesetzlicher Vorgaben stellt machtvolle Frauennetzwerke fehlen. Quoten sich wieder verstärkt, seit das 2001 in Frank- bzw. Quoren allein sind also noch kein All- reich eingeführte „Parité-Gesetz“ vor allem heilmittel, sondern sie werden vor allem dann auf der kommunalen Ebene deutliche Wir- wirksam, wenn sie durch öffentlichen Druck kungen zeigt und die Debatte neu belebt. 18 eingefordert und durch eine innerparteilich Es schreibt für die verschiedenen politischen gefestigte und selbstverständliche Gleichstel- Ebenen in Frankreich – von Kommunen über lungskultur getragen werden. Die Bereit- die Kantone bis hin zur Nationalversamm- schaft der Frauen selbst und ihres Umfeldes, lung – die gleiche Anzahl von Frauen und sich diesen Prozessen zu stellen, entsteht nur, Männern auf einer Wahlliste vor. Die Sinn- wenn sie sich gegenseitig unterstützen. Wenn haftigkeit und Machbarkeit eines Gesetzes Frauen ihren politischen Einfluss quantitativ für die Listenaufstellung auf kommunaler und qualitativ vergrößern wollen, steht außer Ebene sollte auch für den deutschen Kontext Frage, dass sie Bündnisse untereinander ein- geprüft werden. gehen müssen. Frauennetzwerke sollten dann aber nicht nur „ein weiterer Treff“ von Frau- Empowerment und Vernetzung: Solange en sein, sondern sich – inhaltlich wie perso- die bislang empfohlenen mittel- und lang- nell – bestimmten strategischen Zielen ver- fristigen strukturellen Veränderungen, um schreiben. 19 Kommunalpolitik für Frauen zugänglicher, attraktiver und zeitlich besser möglich zu ma- chen, nicht umgesetzt sind, bedarf es unter Mehr Frauen in die Kommunalpolitik! dem Stichwort empowerment unverändert der Maßnahmen, welche die strukturellen Be- Die angemahnten strukturellen Veränderun- nachteiligungen gewissermaßen auffangen gen sind längst keine „Frauenfrage“ mehr: bzw. kompensieren. Frauen müssen zum Weder sind es nur die Frauen, die von den einen durch Ansprache und Ermutigung ge- Veränderungen profitieren würden, noch sind zielt für die Kommunalpolitik gewonnen es in Zeiten enger Zeitbudgets und verbreite- werden. Zum anderen muss den bereits in der ter Parteien- und Politikverdrossenheit nur Kommunalpolitik aktiven Frauen der „Rü- die Frauen, die diese Veränderungen einfor- cken gestärkt“ werden. Die Maßnahmen dern. Die Forschungsergebnisse verstehen müssen sich somit an potenzielle Nach- sich folglich nicht nur als Hinweise für eine wuchskommunalpolitikerinnen, an bereits tä- frauenfreundlichere Kommunalpolitik, son- tige Kommunalpolitikerinnen und an Multi- dern vielmehr als Impulse für eine zukunfts- plikatoren wenden. Die Kampagne „Frauen fähigere Politik. Macht Kommune“ hat hier erste Ansatz- punkte aufgezeigt. Auch der Helene Weber Denn auf Dauer kann sich kein demokra- Preis des BMFSFJ ist ein Beispiel, wie Auf- tisches Gemeinwesen damit zufriedengeben, merksamkeit und Anerkennung für das kom- dass die Hälfte der Bevölkerung nicht ange- munalpolitische Engagement von Frauen ge- messen repräsentiert ist. Quantitativ gesehen, wird Kommunalpolitik ihr Nachwuchs- und 18 Vgl. Yves Sintomer, La Loi sur la parité – Er- Repräsentativitätsproblem nur lösen, wenn fahrungen mit der Parität im Gleichstellungsgesetz in Frankreich, Vortrag auf der Fachtagung „Gleiche Teil- 19 Vgl. Helga Lukoschat, Austausch und Vernetzung – habe fur alle? – Politische Beteiligung aus Gleich- Maßnahmen zur Stärkung von Frauen in der Politik, stellungsperspektive“ des Genderkompetenzzentrums in: Helga Foster/Helga Lukoschat/Barbara Schaeffer- an der Humboldt-Universitat zu Berlin am 24. 6. 2009, Hegel, Die ganze Demokratie. Zur Professionalisie- online: www.genderkompetenz.info/w/files/gkompz rung von Frauen für die Politik, Herbolzheim 2000, pdf/sintomer_paritaetsgesetz.pdf (19. 9. 2009). S. 120–195.

APuZ 50/2009 27 künftig mehr Frauen in kommunalpolitische Katja Glaesner Mandate und Ämter gelangen. Qualitativ ge- sehen, sind Frauen zwar nicht per se die besse- ren Politiker. Aber um die Qualität und Nach- Angela Merkel – haltigkeit politischer Entscheidungen zu si- chern, ist es wichtig, dass unterschiedliche Sichtweisen miteinander ein produktives mit „Soft Skills“ Ganzes bilden. Kompetente politische Ent- scheidungen zu treffen, bedeutet vor allem, die unmittelbaren und mittelbaren Auswir- zum Erfolg? kungen auf die unterschiedlichen Zielgruppen politischer Maßnahmen differenziert abzu- ach meiner Auffassung ist jeder Füh- schätzen und dadurch Benachteiligungen zu N rungsstil sehr persönlich geprägt“, er- verhindern. Das gelingt am besten, wenn die klärt Angela Merkel. „Wie ich Menschen be- Betroffenen – Frauen und Männer unter- gegne, hat mit meiner Persönlichkeit zu tun, schiedlicher Alters- und Berufsgruppen sowie (. . .) sicher auch damit, dass ich eine Frau Familien- und Lebenssituationen – von vorn- und eine Naturwis- herein mit am Tisch sitzen und bei Entschei- senschaftlerin bin.“ 1 dungen mitwirken. Ob diese Einschät- Katja Glaesner zung über ihre Art zu M. A., geb. 1980; gibt Seminare zu führen zutrifft, wird Führung und Persönlichkeit in Wirt- hier näher untersucht. schaft, Staat und Kultur; Doktoran- Ferner stellt sich die din bei Professor Frage, ob Angela Olaf-Axel Burow (Universität Merkel die politische Kassel) zum Thema „Innere Landschaft mit einem Bilder von Führungskräften“; „weiblichen“ Füh- lebt in . rungsstil prägt. Die [email protected] klare Antwort hierauf ist ein zweideutiges Jein. Denn sicherlich prägt die Kanzlerin mit ihrer Art zu führen die bundesdeutsche Poli- tik, aber nicht mit einem „typisch“ weibli- chen Führungsstil. So zumindest meine These.

Hierzu gilt zunächst festzuhalten, dass mit dem Begriff Führungsstil die Art und Weise definiert wird, wie sich eine Interaktion zwi- schen beteiligten Personen gestaltet. Die Ver- haltensweise einer Führungskraft gegenüber Kollegen oder Untergebenen steht dabei im Fokus. Somit sind nicht politische Projekte oder die strategische Stoßrichtung der Regie- rungschefin von Interesse, sondern ihre per- sönlichen Kompetenzen im Bereich der viel diskutierten soft skills.

Es ist wichtig, gleich zu Beginn festzuhal- ten, dass ein explizit weiblicher Führungsstil – bestehend aus einer bestimmten Kombinati- on von soft skills – nicht existiert. Einen ers- ten Hinweis hierauf liefert die Tatsache, dass

1 Angela Merkel im Interview mit Sheryl Pitzen u. a. in: Hamburger Abendblatt vom 16. 9. 2009.

28 APuZ 50/2009 es in der Forschung zwei sich widersprechen- sich einige erfolgreiche Beispiele für autokra- de Definitionen des weiblichen Führungsstils tische Führung finden – so waren Helmut gibt. Zum einen herrscht die Idee vor, dass Kohls und Gerhard Schröders Regierungszei- Frauen in Führungspositionen härter führten ten von vergleichsweise herrischem Umgang als ihre männlichen Pendants, da sie sich stets gekennzeichnet. Kanzlerin Merkel kommen- beweisen müssten. Diese Strenge und Autori- tierte dies einmal mit den Worten: „Mein tät des harten weiblichen Führungsstils zeigt Prinzip ist nicht ,Basta‘, sondern mein Prin- sich bei Angela Merkel vor allem in ihrem zip ist Nachdenken, Beraten und dann Ent- Ruf als sogenannte Männermörderin. Nach scheiden.“ 4 Von autokratischen Vorgehens- dem „Sturz“ Helmut Kohls (infolge der 1999 weisen weg, fand seit den 1990er Jahren eine aufgedeckten CDU-Spendenaffäre), der sukzessive Entwicklung hin zu einem immer Standhaftigkeit gegenüber dem damaligen mehr kooperativen Führungsstil statt. CDU-Vorsitzenden Wolfgang Schäuble oder dem Verdrängen des parteiinternen Konkur- Im Folgenden werden sieben Kriterien die- renten Friedrich Merz, scheint es sich herum- ser Führungskompetenzen näher beleuchtet, gesprochen zu haben, dass sie nicht zu unter- um zu eruieren, inwiefern Angela Merkel die- schätzen ist. 2 sen Bildern weiblicher und moderner Füh- rung entspricht. Konträr zu diesem von Härte und Kälte gekennzeichneten Bild existiert zum anderen Kommunikationsfähigkeit die Annahme, weibliche Führung sei grund- sätzlich weich. Schließlich sei dieser Stil vor Kommunikationsfähigkeit zeigt sich darin, allem von sozialer und kommunikativer dass eine Führungskraft Botschaften klar und Kompetenz, Empathie sowie Vertrauen in die deutlich formuliert. Sie wird von ihren Zuhö- Mitarbeiter geprägt. Frauen besitzen demge- rern verstanden und baut dadurch Nähe auf. mäß diese achtsamen Fähigkeiten aufgrund Außerdem hört sie zu und interpretiert die ihres Geschlechts, wohingegen Männer von Aussagen anderer adäquat. Kommunikations- Natur aus nicht mit ihnen ausgestattet seien. fähigkeit beinhaltet ebenfalls, sich gerne mit- Gerade diese soft skills entsprechen teilweise zuteilen und die Bereitschaft, auf Menschen den gegenwärtig als renommiert geltenden zuzugehen. Bei Angela Merkel wird Kommu- Kriterien modernen Managements. Daher nikationsfähigkeit in ihrem Kontakt zu aus- qualifizierten sich Frauen durch diesen weib- ländischen Kollegen immer wieder sichtbar. lichen Führungsstil als das neue Geheimre- Denn sie sucht gerne das Gespräch mit ihnen 3 zept für die Führungsetage. Über diesen per Videokonferenz und wenn möglich, be- hohen Stellenwert verfügen weiche Kompe- vorzugt sie es, andere Regierungschefs per- tenzen aber nicht seit jeher, denn noch vor 30 sönlich zu treffen. So kommt es immer wie- Jahren galt ein autokratischer Stil als aner- der zu Besuchen privat anmutender Natur, kannt und effektiv. Auch in der Politik lassen wie im Sommer 2006, als sie den damaligen US-Präsidenten George W. Bush zum Wild- 2 Da die hier erwähnten Episoden aus Angela Merkels schweingrillen lud oder im Jahr 2008, als der Politikalltag allgemein bekannt sind, wird auf detail- schwedische Ministerpräsident Fredrik Rein- lierte Quellenangaben verzichtet. Einige relevante Titel feldt die Kanzlerin eigenhändig über den See sind u. a.: Margaret Heckel, So regiert die Kanzlerin. zu seinem Landsitz ruderte. Auf diese per- 3 Eine Reportage, München 2009 ; Dirk Kurbjuweit, sönliche und menschliche Weise vertieft und Angela Merkel. Die Kanzlerin für alle?, München festigt Kanzlerin Merkel ihre Arbeitsbezie- 2009; Michael Schlieben, Angela Merkel – die Königin der Seiteneinsteiger, in: Robert Lorenz/Matthias Micus hungen. (Hrsg.), Seiteneinsteiger. Unkonventionelle Politiker- Karrieren in der Parteiendemokratie, Wiesbaden 2009; Betrachten wir allerdings ihre Kommunika- Nicole Schley, Angela Merkel. Deutschlands Zukunft tion mit der Bevölkerung während der Fi- ist weiblich, München 2005. nanzkrise, könnte ihr der Vorwurf gemacht 3 Vgl. Katja Glaesner, Geheimrezept weibliche Füh- werden, sich nicht deutlich genug ausgedrückt rung? Hintergründe, Mythen und Konzepte zum weiblichen Führungsstil, Kassel 2007, S. 72 ff.; Ger- zu haben. Denn sie ist dem Volk nicht sehr traude Krell, Vorteile eines neuen weiblichen Füh- weit entgegengekommen, um das Konjunk- rungsstils. Ideologiekritik und Diskursanalyse; in: dies. (Hrsg.), Chancengleichheit durch Personalpolitik, 4 Angela Merkel im Gespräch mit Maybrit Illner im Wiesbaden 20085. ZDF am 28. 9. 2006.

APuZ 50/2009 29 turpaket zu erläutern und mögliche Auswege Lernbereitschaft aufzuzeigen, sondern zog es vor – sogar in der Krise – als Mensch distanziert und rätselhaft Die nächste zu diskutierende Führungskom- zu bleiben. Vor dem Hintergrund dieses Wi- petenz konzentriert sich auf die Mentalität derspruchs bleibt die Frage bestehen, wie An- einer Führungskraft. In der sich immer ra- gela Merkel tatsächlich tickt. Trotz ihrer Me- scher wandelnden Welt ist es äußerst wichtig, dienpräsenz scheint es ihr nicht zu gelingen, mit Neuerungen kontinuierlich Schritt zu hal- Nähe zur Bevölkerung aufzubauen. 5 Dem- ten. Besonders ein Bundeskanzler muss sich nach blieb auch im jüngst erlebten Bundes- ohnehin schnell in unbekannte Themengebie- tagswahlkampf „alles ein bisschen im vorneh- te einarbeiten können. Es ist bemerkenswert, men Nebel“, wie Kommunikationspsycholo- wie Führungskräfte sich dabei nicht entmuti- ge Friedemann Schulz von Thun die fehlende gen lassen und der Wille dazuzulernen, sie re- Profilierung bezeichnete. 6 gelrecht antreibt.

Die Lernbereitschaft betreffend, kann An- Vertrauen gela Merkel geradezu als Musterbeispiel gel- ten. Vor allem ihr Werdegang von der Bun- Beim Thema Vertrauen rückt die Beziehung desministerin für Frauen und Jugend zur zu Kollegen und Untergebenen in den Kanzlerin dient hier als ein gutes Beispiel. Fokus. Hierbei ist es von Bedeutung, dass Wurde sie früher noch als „Angela ahnungs- sich Führungskraft und Mitarbeiter gegensei- los“ verspottet oder kamen ihr im Jahr 1995 tig aufeinander verlassen können. Infolgedes- nach Kritik von Helmut Kohl einmal die Trä- sen kann eine von Respekt und Loyalität ge- nen, gilt sie heute als knallharte Politikerin prägte Atmosphäre entstehen. Hierbei spielt und weltgewandte Persönlichkeit. Ebenso be- auch Teamfähigkeit eine Rolle. Denn alle Be- achtlich ist der Wandel ihres Auftretens in teiligten sollten die Gelegenheit bekommen, der Öffentlichkeit und den Medien. Sie ihren Standpunkt darzulegen. In einem sol- scheint erkannt zu haben, dass sie mit adret- chen vertrauensvollen Klima, können dann ten Haaren, kleidenden Jacketts sowie einem neue Ideen entwickelt und Probleme gelöst gelegentlichen Lächeln ihr Image verbessern werden. Als Angela Merkel 1999 Helmut kann. Somit kontrolliert sie inzwischen auch Kohls Entmachtung mit vorantrieb, war dies genau, wie sie von Fotografen abgelichtet zwar notwendig, aber als sein „Mädchen“ wird. Dieses Bewusstsein zeugt von einer gewann sie durch dieses Vorgehen – von Vie- hohen und kontinuierlichen Lernbereitschaft. len als „Vatermord“ bezeichnet –, sicherlich nicht an Vertrauen innerhalb der eigenen Partei. Eine Vision verfolgen Wenn eine Führungskraft eine Vision verfolgt, Ganz im Gegensatz dazu drückt sich in bedeutet dies, dass sie mit klaren Zielen führt. ihrer jetzigen Position als Kanzlerin in der Sie präzisiert, wofür sie eintritt und gibt eine fast täglich angesetzten „Morgenlage“ Ver- generelle Richtung vor. Visionen sind oftmals trauen aus. Bei diesem Treffen engster Mitar- langfristige Ziele oder Zukunftsbilder, die be- beiterinnen und Mitarbeiter, darunter auch geistern sollen. Diese geben Anhängern stets Angela Merkels langjährige Vertraute Orientierung und stabilisieren die Führungs- und Büroleiterin Beate Baumann, werden ak- situation. Ein solches Potenzial scheint Ange- tuelle Themen offen diskutiert. Für eine la Merkel durch ihre pragmatische Art zu füh- halbe Stunde igeln sich die Beteiligten ein, ren, nicht aufzuweisen. Die bisherige Realisie- und nichts des Besprochenen dringt an die rung der gesetzten Klimaschutzziele etwa Öffentlichkeit. Eine solche Diskretion schafft verläuft desillusionierend und kann als Bei- eine robuste und belastbare Führungssituati- spiel für ihre Visionslosigkeit gelten. Dabei on. schien es beim G-8-Gipfel 2007 in Heiligen- damm noch, als sei ein Durchbruch gelungen. Denn Angela Merkel erreichte, dass das 5 Vgl. D. Kurbjuweit (Anm. 2), S. 53 ff. Thema Klimaschutz ganz oben auf die Agen- 6 Friedemann Schulz von Thun im Interview mit Nea da gesetzt wurde. Selbst den damaligen US- Matzen, in: tagesschau.de am 1. 9. 2009 (22. 10. 2009). Präsidenten George W. Bush konnte sie über-

30 APuZ 50/2009 zeugen, das Abschlusspapier zu unterzeich- Emotionale Intelligenz nen, was ihr den schmeichelhaften Titel „Klima-Kanzlerin“ einbrachte. Bei der allgemeinen Diskussion um typisch weibliche Fähigkeiten nimmt die emotionale Ein Jahr später, bei einem Treffen der EU- Intelligenz eine zentrale Stellung ein. Gerade Staats- und Regierungschefs in Brüssel, ru- durch sie sollen Frauen angeblich die Füh- derte sie jedoch aufgrund der Wirtschaftskrise rungswelten veredeln. Hierbei handelt es sich von den Klimazielen zurück. So sprach sie aber vielmehr um eine ernst zu nehmende sich beispielsweise gegen eine CO -Grenze 2 Führungskompetenz. Denn emotionale Intel- für deutsche Autos aus. Ihre Auszeichnung als ligenz beschreibt die Handhabung eigener Klima-Kanzlerin musste Angela Merkel somit und fremder Gefühle. Über Einfühlungsver- längst einbüßen, und wir dürfen gespannt mögen hinaus, vermag eine Führungskraft sein, was der Kopenhagener Weltklimagipfel dadurch, für einen respektvollen sozialen (7.–18. Dezember 2009) für Ergebnisse erzielt. Umgang zu sorgen. In der Politik ist dies vor Generell wirkt ihre „Politik der kleinen allem relevant, weil für die unterschiedlich- Schritte“ also eher zermürbend, und es steht sten Kommunikationspartner verschiedene der Vorwurf im Raum, Angela Merkel lasse Töne angeschlagen werden müssen. Es gilt keine klare politische Linie erkennen. stets, zwischen verschiedenen politischen La- gern zu taktieren. Motivation Die Kanzlerin muss sich zum Beispiel in Eine weitere Anforderung an Führungskräfte CSU-Chef Horst Seehofer genauso hinein- ist ihr Wille, Leistung zu erbringen: die Moti- denken können wie in Oskar Lafontaine von vation. Sie beschreibt den ganz individuellen Die Linke. Bei Angela Merkel spiegelt sich Anreiz, zu handeln. Im beruflichen Kontext emotionale Intelligenz durchaus anschaulich bedeutet dies, Interesse am Tätigkeitsfeld zu in ihrem Verhalten gegenüber der Presse im haben und von innen heraus bestimmte Ziele August 2008 wider: beim Besuch des damali- erreichen zu wollen. Dieser Antrieb ist mit gen Präsidenten der Republik Ghana, John positiven Emotionen verbunden. Denn nur Kufuor. Dieser wurde nach allen Regeln des wer intrinsisch motiviert ist, kann seine Ar- diplomatischen Protokolls in Deutschland beit dauerhaft gut verrichten. empfangen, während parallel der russisch-ge- Dieser Motor eines Menschen lässt sich bei orgische Krieg im Kaukasus ausbrach. Als auf Angela Merkel in ihrem Machtwillen erken- der Pressekonferenz eine Fülle an Journalisten nen. Nach diversen parteiinternen Macht- Fragen zum Konflikt um Südossetien stellten, kämpfen schaffte sie es bis an die Spitze der anstatt die deutsch-ghanaischen-Beziehungen Regierung der Bundesrepublik und hält sich zu thematisieren, reagierte Merkel abweisend, dort. Sie betont dabei des Öfteren, dass ihre denn sie wollte Präsident Kufuor nicht durch 9 Arbeit sie begeistert: „Es macht Freude, Ignoranz herabsetzen oder kränken. Dies er- Dinge durchsetzen zu können, die (. . .) wich- weckt den Eindruck, dass ihr Verhalten von tig sind“, 7 und: „Ich mache meine Arbeit mit Achtsamkeit und Rücksichtnahme geprägt Leidenschaft.“ 8 In der Rolle der Führungs- sein könnte. kraft muss eine Person auch versuchen, ein Umfeld zu schaffen, das ihre Mitarbeiter mo- tiviert. Neben einem adäquaten Umfeld wer- „Biss“ den Mitarbeiter auch oft von der Begeiste- rung der Kollegen und Vorgesetzten „ange- Zusätzlich zu den genannten sechs eher wei- steckt“. Ob Angela Merkel mit ihrem chen Führungskompetenzen spielen aber Verhalten auch andere – wie den Kreis ihrer auch Tatendrang und Ehrgeiz für Führungs- Vertrauten – motiviert und mitreißt, darüber erfolg eine Rolle. Dieser „Biss“ einer Füh- ist wenig bekannt. Ihr eigener Leistungswille rungskraft drückt sich in ihrer Energie und scheint jedenfalls ungebremst zu sein. ihrem Durchsetzungsvermögen aus. Gerade in der Politik ist die Forderung nach Stärke 7 Angela Merkel im Interview mit Alice Schwarzer, in: und einem hohen Grad an geistiger Wachheit Emma vom 27. 8. 2009. 8 Angela Merkel im Interview mit Sabine Hoffmann 9 Vgl. Margaret Heckel, Wie tickt Angela Merkel?, in: und Natascha Zeljko, in: Myself vom 13. 8. 2009. www.welt.de, 1. 9. 2008 (8. 9. 2009).

APuZ 50/2009 31 nachvollziehbar. In den vergangenen Mona- Diese widersprüchlichen Tatsachen im Fall ten wurde der Kanzlerin regelmäßig Füh- Angela Merkel deuten auf eines hin: Ein rungsschwäche vorgeworfen. Immer wieder weiblicher Führungsstil ist eine Illusion. wurden Stimmen laut, sie müsse härter Denn Führungserfolg ist schlichtweg nicht durchgreifen. Obwohl sie früher das Renom- geschlechtsspezifisch prädestiniert. mee einer „Männermörderin“ hatte, herrscht heute eher die Befürchtung vor, sie würde Es sprechen noch weitere Argumente sich zu viel gefallen lassen. Dieser Eindruck gegen die Definition eines typisch weiblichen nahm bereits in der sogenannten Elefanten- Führungsstils. Wissenschaftliche Studien be- runde 2005 beim Schlagabtausch mit Noch- legen, dass Unterschiede im Führungsstil Bundeskanzler Gerhard Schröder seinen An- nicht auf das Geschlecht einer Führungskraft fang. Seinen aufbrausenden Äußerungen be- zurückzuführen sind. Es gilt hierbei ferner zu gegnete Angela Merkel vor allem fassungslos beachten, dass Frauen untereinander keine und in keiner Weise kämpferisch. homogene Gruppe bilden. Eine Frau, die zum Beispiel aus einer bildungsfernen Schicht Aber vielleicht stimmt es ja, dass sie eher stammt, ist gänzlich anders geprägt, als eine zu gegebener Zeit die Konsequenzen aus Frau aus einer Unternehmerfamilie, was sich einer Auseinandersetzung zieht und sich auf ihre Lebenschancen und persönlichen dann behauptet. So zahlte sie es Gerhard Kompetenzen auswirkt. Überdies ist die Bi- Schröder anlässlich der Feier zur Enthüllung polarität der Begriffe männlich und weiblich seines Porträts im Kanzleramt heim: Sie lobte mit Schwierigkeiten verbunden. Denn eine die fällige Anbringung des Bildes, weil sie Führungskraft kann unabhängig von ihrem nun die Frage vieler Besucher nicht mehr be- Geschlecht die sieben oben genannten soft antworten müsse, „wann der Schröder end- skills besitzen oder erwerben. Darüber hinaus lich aufgehängt“ würde. Falls Angela Merkel definiert sich eine Person schließlich durch es also vermag, ihre Kontrahenten eher später viel mehr als lediglich ihr Geschlecht oder zurechtzuweisen und dies vielleicht sogar mit damit verknüpfte Stereotypen. So kann die einem gewissen Scharfsinn, dann nimmt die Herkunft, die Erziehung, die Sozialisation, Allgemeinheit davon in der Regel jedoch nur die politische Überzeugung, die Fachrichtung am Rande Notiz oder weiß das Verhalten der oder auch die Interpretation gemachter Er- Kanzlerin nicht einzuordnen. Kanzlerin Mer- fahrungen und Vieles mehr eine Rolle spielen. kels Biss wird auf rhetorischer Ebene folglich selten direkt spürbar. Diese Dekonstruktion eines weiblichen Führungsstils beantwortet allerdings nicht die Frage, warum Frauen – obwohl bestens Folgerungen und Fragen qualifiziert – in Führungspositionen allge- mein unterrepräsentiert sind. Für diesen Um- Der erforderliche „Biss“ sowie Kommunika- stand werden gewisse Karriererestriktionen tionsfähigkeit, Vertrauen, Lernbereitschaft, verantwortlich gemacht, wie unter anderem eine Vision verfolgen, Motivation und emo- ein token status, Männerbünde oder auch das tionale Intelligenz bilden die hier beleuchte- „think manager – think male“-Phänomen. ten sieben Kriterien moderner Führungskom- Auf alle drei Phänomene werde ich im Fol- petenz. Die Beispiele aus Angela Merkels Po- genden kurz eingehen. litikalltag zeigen auf, dass sie vielerorts angesiedelt werden könnte: Ihr könnte dem- In vielen Führungspositionen sind Frauen nach der harte weibliche Führungsstil atte- immer noch die Ausnahme und besitzen stiert werden, denn ihr Ruf als „Männer“- daher einen Minderheitenstatus. Dieser soge- und „Vatermörderin“ zeugt von der Fähig- nannte token status beschreibt ihre Rolle als keit, sich zu beweisen. Auch die menschliche „Vorzeigefrau“, in der eine weibliche Füh- Unnahbarkeit der Regierungschefin demons- rungskraft vorsichtig wie eine exotische triert diese Härte. Dennoch könnte ihr eben- Orchidee betrachtet und jedes Verhalten be- falls der eher weiche weibliche Führungsstil – urteilt wird. Es kann Vor- und Nachteile ber- der den derzeit als modern geltenden Füh- gen, derart aus der Menge herauszustechen. rungskriterien entspricht – zugestanden wer- Deutlich wird dieser Status auch bei der den, wenn wir beispielsweise die vertrauens- Kanzlerin, wenn wir uns beispielsweise die volle Atmosphäre der Morgenlage bedenken. Fotos des G-8-Gipfels 2007 in Heiligendamm

32 APuZ 50/2009 in Erinnerung rufen. Dort war sie in ihrem ter, der zeitweise als „Girls’ Camp“ betitelt grünen Jackett im Strandkorb zwischen den wurde: vorneweg ihre loyale Begleiterin Beate dunklen Anzügen der männlichen Kollegen Baumann, ihre Beraterin Eva Christiansen und ein wahrer Blickfang. Bei anderen Zusam- die Bundesministerin für Bildung und For- menkünften auf globalem Parkett ist Angela schung Annette Schavan. 10 Zum anderen ste- Merkel allerdings nicht mehr die einzige Poli- hen im Zentrum ihres braintrust bürgerliche tikerin. Dort trifft sie unter vielen anderen Damen eines postfeministisch-konservativen auf Pratibha Patil (Staatspräsidentin Indiens), Lagers. Durch die Gefolgschaft der Verlegerin- auf Cristina Kirchner (Präsidentin Argenti- nen Friede Springer und Liz Mohn, der Fern- niens) oder auf Michelle Bachelet (Präsiden- sehmoderatorin Sabine Christiansen oder der tin Chiles). Eine weitere Karriererestriktion Chefredakteurin der „Bunte“ Patricia Riekel, stellen Männerbünde bzw. seilschaftenähnli- verfügt Angela Merkel über ein beachtliches che Zusammenschlüsse langjähriger Mitstrei- publizistisches Potenzial. 11 ter dar. So sollen sich beispielsweise 1979 ein Dutzend Mitglieder der Jungen Union auf Neben diesem cleveren Engagement der einem Flug nach Caracas/Venezuela dazu Frauen ist es von größter Bedeutung, die frü- verabredet haben, ihre Karrieren gegenseitig heren Idealbilder von Führung durch ein zu unterstützen – im sogenannten Anden- neues Bewusstsein abzulösen. Dies kann bei- pakt. Über solch einflussreiche Männerbünde spielsweise geleistet werden, indem es immer hinaus, gilt das „think manager – think mehr weibliche Vorbilder gibt. Über Angela male“-Phänomen als weiterer Erklärungsver- Merkel und die bereits erwähnten politischen such für die Unterrepräsentanz von Frauen in Kolleginnen hinaus, seien hier zwei weitere Führungspositionen. Hierbei geht es darum, Frauen genannt, die sich hinter Kanzlerin dass eine Vorstellung vorherrscht, die den Merkel in die Liste des US-Magazins „For- Mann als Archetyp einer Führungskraft oder bes“ der mächtigsten Frauen der Welt einrei- auch eines Staatsoberhaupts auffasst. Ein sol- hen: Sheila Bair, die Vorsitzende der staatli- ches Idealbild kann das Emporstreben einer chen Einlagenfonds der US-Banken (FDIC) Frau an die Spitze erschweren, was vor allem und Indra Nooyi, die Chefin von PepsiCo, aus ökonomischer Perspektive bedauerlich Inc. Somit lässt sich auch das „think manager ist, da Ressourcen vergeudet werden. Die – think male“-Phänomen immer mehr ab- vorherigen Ausführungen über die Bundes- schwächen, und es löst sich eher in einem kanzlerin und weitere Regierungschefinnen „think politician – think male, female, black, lassen allerdings vermuten, dass genau diese white, privileged, deprived“-Phänomen auf. Restriktionen vielleicht derzeit im Umbruch Denn es gilt zu beachten, dass die meisten begriffen sind. Führungspersonen zwar männlich, aber in den meisten Fällen auch eine weiße Hautfarbe Es stellt sich daher die Frage, wie es zu haben und einer Oberschicht zugehörig sind. einer solchen positiven Entwicklung kam und Das heißt, dass neben Frauen andere hochqua- wie diese sich weiter fördern lässt. Zunächst lifizierte Gruppen ebenfalls in Führungsposi- gilt es, sie durch strukturelle Veränderungen tionen unterrepräsentiert sind. Demnach müs- zu unterstützen. Der Staat, Unternehmen, sen auch Personen mit Migrationshinter- der öffentliche Dienst und auch Parteien grund, mit Behinderungen oder beispielsweise müssen Strukturen schaffen, in denen von aus einer bildungsfernen Schicht gegen die ge- aufgestülpten Maßnahmen wie Quotenrege- nannten Karriererestriktionen ankämpfen. lungen abgesehen werden kann und Chan- cengleichheit sowie die Vereinbarkeit von Fa- Eine Überwindung dieser Unterrepräsen- milie und Beruf unterstützt werden. tanz ist aber nicht nur aus Gründen der Chancengleichheit erstrebenswert, sondern Darauf aufbauend stehen Frauen in der Pflicht, selbst aktiv zu werden. Anstatt bei- 10 Dieser Kreis lässt sich allerdings um einige männ- spielsweise Männerbünde moralisch zu verur- liche Kollegen wie etwa Planungschef Matthias Graf teilen, könnten sie selbst die Vorteile von Netz- von Kielmansegg oder den heutigen Umweltminister werken nutzen. Angela Merkel hat es vorge- Norbert Röttgen erweitern, weswegen die Bezeich- nung „Girls’ Camp“ die Tatsachen verzerrt. macht – trotz ihres relativ späten Seiteneinstiegs 11 Vgl. Hajo Schumacher, Die zwölf Gesetze der in die CDU im Alter von 36 Jahren. Zum einen Macht. Angela Merkels Erfolgsgeheimnisse, München besitzt sie einen Kreis enger politischer Vertrau- 2006, S. 83 ff.

APuZ 50/2009 33 vor allem aus ökonomischer Sicht. Die Poten- Reinhard Mohr ziale diverser Menschen zu nutzen, ist zum einen wichtig, weil jeder Einzelne über die oben diskutierten Kompetenzen verfügen Moderieren kann. Zum anderen können gerade in Grup- pen mit unterschiedlichen Teilnehmern Syn- ergien freigesetzt werden: Vor allem eine Mi- ist alles: Frauen schung an Persönlichkeiten lässt somit Krea- tivität entstehen. 12 Dies scheint auch Angela Merkel zu unterstützen, wenn sie sagt, dass im Polittalk wir „mehr gemischte Teams aus Frauen und Männern, Älteren und Jüngeren (brauchen). Essay Die Mischung aus Erfahrung und Jugend, aus weiblich und männlich macht’s.“ 13 Eine Ge- sellschaft oder auch Unternehmen und politi- rüher, in den 1950er und 1960er Jahren, sche Parteien müssen folglich versuchen, alles F war es noch ganz einfach. Am Sonntag- verfügbare geistige Potenzial zu fördern und morgen ging man in die Kirche, zum Fußball zu nutzen. So ist es für eine zukunftsfähige oder spazieren, wäh- Partei unablässig, von dem Ideenreichtum rend zu Hause der Reinhard Mohr aller ihrer aktiven Mitglieder, unabhängig von eingelegte Sauerbra- Geb. 1955; Autor und freier deren Geschlecht oder Herkunft, Gebrauch ten schon darauf war- Journalist, unter anderem zu machen. Durch das Ausbremsen bestimm- tete, in die Röhre ge- Rezensent von Fernsehtalk- ter Personengruppen verschleudert unsere schoben zu werden. shows auf Spiegel Online. Gesellschaft sonst viel Leistungsstärke. Kurz vor zwölf stellte [email protected] Vater den Fernsehap- Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass mit parat an, während Barack Obama erstmals ein Schwarzer US- Mutter in der Küche mit den Töpfen klap- Präsident und mit Angela Merkel erstmals perte. Und da es sowieso nur zwei Pro- eine Frau Bundeskanzlerin ist, scheint die Ge- gramme gab, war auch für die Kinder klar: sellschaft im Hinblick auf Stereotypisierung Jetzt kam der „Internationale Frühschoppen“ und Schubladendenken bei Führungskompe- – mit Werner Höfer und „sechs Journalisten tenzen an einem Wendepunkt zu stehen. Die aus fünf Ländern“. Zahlreiche Funkhäuser Anerkennung dieser Politiker deutet auf mo- waren „angeschlossen“, und so war die Fern- derne Strukturen und ein neues Bewusstsein seh-Diskussionsrunde nahezu von Beginn an in der Führungskultur hin. Insofern können eine Institution der frühen Bundesrepublik. wir Angela Merkels Eingangszitat beipflich- Sie hielt sich eine kleine Ewigkeit: von Au- ten, dass jeder Führungsstil persönlich geprägt gust 1953 bis Ende 1987, über 34 Jahre lang. ist. Eine Person oder ein Führungsstil lässt Höfer fehlte an keinem einzigen Sonntag. Er sich also nicht auf eine Eigenschaft reduzieren. machte nie länger als eine Woche Urlaub. Angela Merkel ist zwar die erste Frau im Bun- Nur ein einziges Mal musste er sich wegen deskanzleramt, sie ist allerdings ebenfalls die einer Sturmflut, die ihn am Übersetzen aufs erste Naturwissenschaftlerin, die erste Ost- Festland hinderte, telefonisch aus Sylt zu- deutsche und mit 51 Jahren bei Amtsteintritt schalten lassen. Erst als unangenehme Einzel- auch die Jüngste, die dieses Amt bekleidet. heiten aus Höfers Vergangenheit in der Nazi- Folglich wirkt sich ihr facettenreicher Füh- Zeit publik wurden, musste er aufgeben. rungsstil auf die politische Landschaft aus, aber nicht primär weil sie eine Frau ist. Die Er war ein aktiver Mitläufer (und NSDAP- Bundeskanzlerin führt hingegen mit ihrem Mitglied seit 1933) gewesen wie so viele, aber ganz persönlichen „Merkel-Stil“. seine journalistische Arbeit nach 1945 bleibt bis heute legendär. Seine politische Sach- kenntnis war so beeindruckend wie sein Ar- 12 Vgl. Olaf-Axel Burow, Ich bin gut – wir sind besser. beitspensum, darunter die regelmäßige Lek- Erfolgsmodelle kreativer Gruppen, Stuttgart 2000, türe von zwei Dutzend Tageszeitungen. In S. 71 ff. grammatikalisch oft kompliziert konstruier- 13 Angela Merkel (Anm. 8). ten, gleichwohl präzise formulierten Fragen, die auch den ein oder anderen ironisch-sar-

34 APuZ 50/2009 kastischen Einschub vertrugen, versuchte er, Sensation gefeiert, dass eine Frau – Carmen die jeweils aktuelle Weltlage zu entziffern, Thomas – erstmals das „Aktuelle Sportstu- besser: seinen Gesprächspartnern deren mög- dio“ des ZDF moderierte, auch wenn sie mit lichst plausible Interpretation zu entlocken. „Schalke 05“ einen legendären Fauxpas lan- dete (so nannte sie versehentlich den Fußball- Trotz aller nüchternen Lakonie und aus- verein Schalke 04), so ist es anno 2009 völlig gleichender Fairness war ein Glutkern politi- selbstverständlich, dass mit Anne Will, May- scher Leidenschaft deutlich spürbar, eine Art brit Illner und Sandra Maischberger gleich geschichtsphilosophischer Emphase. Mit sei- drei Frauen an vorderster Front fürs große ner eigenen Meinung hielt er in der Regel politische Theater zuständig sind. Daneben nicht hinter dem Berge. Selbstverständlich stehen noch Marietta Slomka, Caren Miosga, waren fast immer ein sowjetischer und ein Bettina Schausten, Susanne Holst, Petra Ger- amerikanischer Kollege mit von der Partie, ster und einige andere in der ersten Reihe der und zuweilen wehte ein Eishauch des Kalten politischen Fernsehmoderation. Den ent- Krieges durchs Kölner Studio, etwa, wenn scheidenden Durchbruch freilich hatte Sabine der sowjetische Kollege mit rollendem R und Christiansen errungen, die 1998 als erste Frau finsterer Miene den „unverrückbaren Frie- in die Fußstapfen von Männern wie Werner densstandpunkt“ des Kreml beteuerte. Höfer, Johannes Gross, Günter Gaus, Erich Böhme, Claus-Hinrich Casdorff und Hanns Natürlich saßen, von ganz seltenen Aus- Joachim Friedrichs trat, nachdem sie schon nahmen wie Marion Gräfin Dönhoff und jahrelang das Gesicht der ARD-„Tagesthe- Julia Dingwort-Nusseck abgesehen, nur Her- men“ gewesen war. ren in der illustren Runde, und es durfte selbstverständlich geraucht werden – auch Zi- Ist es schon keineswegs übertrieben, von garillos. Die einzige Frau im Raum huschte einer Feminisierung des Fernsehens insge- immer wieder mit gestreifter Schürze kurz samt zu sprechen, so kann man mit Fug und durchs Bild, wenn sie den „Maikämmerer Recht eine deutliche Verweiblichung der tele- Heiligenberg Riesling Spätlese“ nach- visionären Politik-Vermittlung konstatieren. schenkte. Denn selbstverständlich durfte Wer sich hier und da noch einmal einen Blick während des Debattierens auch getrunken ins Fernseharchiv gönnt und – schwarzweiß werden. Alles andere, etwa ein Glas Selters- oder in Farbe – all die rasiermesserscharf ge- wasser, hätten sich die Herren auch strengs- scheitelten Herrenköpfe betrachtet, die schon tens verbeten. Schon diese kleine Reminis- ästhetisch und körpersprachlich jenseits allen zenz offenbart die dramatischen Veränderun- Zweifels verkündeten, dass Politik Männersa- gen in den vergangenen Jahrzehnten. che sei, der staunt doch immer wieder, wie heutzutage Anne Will im frechen Minirock oder Maybrit Illner im weißen Hosenanzug Feminisierung und Triumph ihre Fragen an Ministerpräsidenten und des Infotainments Kanzlerkandidaten richten, als hätte es Fried- rich Nowottny und Ernst-Dieter Lueg nie Heute dürfen Frauen nicht nur über alles mit- gegeben. reden, nein: Sie leiten und dirigieren inzwi- schen die wichtigsten politischen Talkshows Jenseits der Frage, was damit womöglich im deutschen Fernsehen, während im Gegen- besser und was schlechter geworden sei als zug vor allem Männer wie Reinhold Beck- früher, fällt ein struktureller Unterschied zu mann, Johannes B. Kerner und Markus Lanz den „guten“ alten Zeiten ins Auge: Der poli- für den bunten Softtalk zwischen Boris Be- tische Streit, soweit er im Fernsehen stattfin- cker und Gräfin Gloria zu Thurn und Taxis det, hat sich, vor allem als Folge der Privati- zuständig sind. Es ist also viel komplizierter sierung und Kommerzialisierung der Massen- als früher, manchmal auch verwirrend und medien seit den frühen 1990er Jahren, sehr ziemlich unübersichtlich. weitgehend als Teil des Unterhaltungspro- gramms etabliert. Auch wenn es bei den öf- Wurde 1973, immerhin fünf Jahre nach der fentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF Revolte von 1968 und kurz vor Erscheinen samt ihren Programmablegern gern bestritten von Alice Schwarzers „Der kleine Unter- wird: Selbst die Präsentation von „Deutsch- schied und seine großen Folgen“, noch als landtrend“ und „Politbarometer“, eigentlich

APuZ 50/2009 35 eine Angelegenheit für Politik-affine Freunde menbruch“ und „Untergang“ gegenseitig den der Statistik, liefert eher die emotionalen In- Rang abzulaufen versuchten. Kein negativer gredienzien von Sport, Spiel, Spannung als Superlativ war so stark, dass er nicht noch die seriöse Grundlage einer Debatte über die hätte überboten werden können: „Banken in richtige Politik der Zukunft. So avanciert Staatshand – Kapitalismus am Ende?“ hieß es etwa der sagenhafte Aufstieg von Karl-Theo- da oder „Krise ohne Ende – Jobs und Wohl- dor Freiherr zu Guttenberg fast schon zur stand in Gefahr“. Fast schon dadaistische bunten Society-Story, während der atembe- Gaga-Qualität hatte ein Talkshow-Titel von raubende Abstieg der SPD einem süffigen Sandra Maischberger im November 2008. Melodram ähnelt, das man mit wohliger Gän- Das Thema der Sendung lautete: „Marx hatte sehaut konsumiert. Recht! Gebt uns den Sozialismus zurück!“

Auch jenseits einer populären Kultur- und Zuweilen bewährte sich jedoch die weib- Medienkritik ist unabweisbar, dass sich das lich geführte Krisen-Talkshow tatsächlich als Infotainment als medialer Megatrend flächen- „Kraftwerk der Gefühle“, frei nach Alexan- deckend durchgesetzt hat: Information ist der Kluges Diktum über das Wesen der Oper, zum Entertainment geworden – auch optisch, in dem sich letztlich ein kathartischer Prozess wie zuletzt das neue, virtuell-digitale Nach- vollzieht: Die teils selbstinszenierte Aufre- richtenstudio des ZDF offenbart hat. Perso- gung wurde in einem Wellen- und Wechsel- nalisierung und Skandalisierung sind die Eck- bad aus Dramatisierung und Entdramatisie- pfeiler der politischen Berichterstattung – fast rung gleichsam aufgelöst, ohne dass dazu eine so wie im originären Reich der Unterhaltung, grundstürzend neue Erkenntnis oder auch wo es um Dieter Bohlen, Shakira und Paris nur ein noch nicht gehörtes, originelles Argu- Hiltons Unterwäsche geht. Hätte Frank-Wal- ment nötig gewesen wäre. ter Steinmeier, Ex-Kanzlerkandidat der SPD, auch nur die Hälfte des Glamours von Schau- Das Geheimnis dieser oft zu Recht kriti- spieler Til Schweiger, wäre er umstandslos sierten Rede-Shows mit den ewig gleichen zum deutschen Obama ausgerufen worden. Protagonisten ist ihre Funktion als virtuelles Kaminfeuer einer Gesellschaft, die sich In diesem Umfeld, zu dem auch die unge- immer mehr in verschiedene Schichten, Inte- heure Informationsbeschleunigung durch das ressengruppen, Milieus und Netzwerke aus- Internet und seine millionenfachen Blog-Bla- differenziert. Gerade unter dem Schock der sen gehören, haben die politischen Talkshows so plötzlich ausgebrochenen Finanzkrise ver- eine ganz andere Funktion als der „Interna- sammelten sich viele Zuschauer, die im wah- tionale Frühschoppen“. Wurde damals eine ren Leben nicht viel miteinander zu tun hät- kleine, allenfalls nach Hunderttausenden zäh- ten, vor dem Bildschirm, um die Identifizie- lende Elite mit Information und Meinung aus rungsangebote eines kollektiv betroffenen erster Hand versorgt, so geht es bei dem Wir anzunehmen. Wenn auf gierige Invest- abendlichen Talkshow-Publikum, das bis zu mentbanker und unverantwortliche Bankbe- sechs Millionen Zuschauer umfasst, um eine rater geschimpft wurde, fanden sich alle wie- Mischung aus psychosozialer Selbstvergewis- der, und sei es nur in der Bestätigung von serung der Gesellschaft und einer mentalen Ängsten und Befürchtungen, Wut und Empö- Zerstreuung, die am Ende Beruhigung und rung. Entspannung auslösen soll. Unabdingbar ist dabei allerdings eine Erregungskurve, die mit Anne Wills weißes „Betroffenensofa“ – einer hysterischen Alarmmeldung beginnt, man stelle sich ein derart feminines Möbel- zum Schluss aber wieder in einen fast thera- stück in Werner Höfers weinselig paffender peutischen Konsens mündet. Herrenrunde vor! – repräsentiert symbolhaft die neue Funktion der Talkshows: Sie sind Ob „Anne Will“ am Sonntag-, „Maischber- Mess- und Auffangstationen des sozialen ger“ am Dienstag- oder „Maybrit Illner“ am Grundrauschens, Seismographen des gesell- Donnerstagabend – genau dies war das Ab- schaftlichen Selbstgesprächs und Sprachrohr laufschema der Polittalks während der einjäh- diffuser Stimmungen. Mehr denn je erscheint rigen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/ hier der Bürger vor allem als bedauernswertes 2009, in der sich die alarmistischen Themen- Opfer gesellschaftlicher Verhältnisse – als un- formulierungen von „Abgrund“, „Zusam- zufriedener Verbraucher oder Kunde, der von

36 APuZ 50/2009 der Regierung und ihren (nicht gehaltenen) rüchtigte audience-flow etwa, das dringend Versprechungen schwer enttäuscht ist. Vor erwünschte Dranbleiben der Zuschauer, allem deshalb – und weil es nebenher noch funktioniert reibungslos: Nach „Maybrit Ill- der Einschaltquote in einer alternden Gesell- ner“ am Donnerstagabend war man stets reif schaft förderlich ist – dominieren die The- für Johannes B. Kerner – und ist es nun für menkomplexe Rente, Pflege und Gesundheit Markus Lanz, dieses allerletzte Abklingbe- gegenüber globalpolitischen Fragen wie cken für Körper, Geist und Seele. Danach Krieg und Frieden in Afghanistan oder Sinn folgt nur noch die Bettruhe. und Unsinn staatlicher Entwicklungshilfe in der „Dritten Welt“. Verständnis für alle Der auf seine Republik stolze Citoyen, der flammende Reden ans Volk halten würde, ist Auch ohne in die Untiefen einer geschlechter- eine aussterbende Gattung – ebenso wie der spezifischen Psychologisierung zu geraten, räsonierende Intellektuelle, der im tiefsten In- scheint offensichtlich, dass unter diesen Be- nern darauf brennt, endlich einmal wieder dingungen nicht mehr knorrige alte Herren selbst politisch aktiv werden zu können. Eine wie Werner Höfer gefragt sind, sondern subtile Entkernung des Politischen ist also hochflexible Moderatorinnen, denen die unverkennbar, zumal markante und streitlus- Rolle der Supervisorin ebenso wie der mal tige Persönlichkeiten jenseits des üblichen energischen, mal sanften, mal gar ironisch Showgehabes immer seltener werden. Auch reagierenden Dompteuse näher liegt als die deshalb herrscht in den Talkshows so oft ein Figur eines Überzeugungstäters mit einem pubertärer, zuweilen gar infantil quäkender unverrückbaren weltanschaulichen Stand- Jammerton, in dessen Vorstellungswelt punkt, der noch im undurchdringlichsten Zi- immer alle anderen – im Zweifel „die Gesell- garrenqualm erkennbar bleibt. schaft“ oder „die Globalisierung“ – schuld am vermeintlichen Elend sind, nur man selbst Es ist unbeschadet sonstiger persönlicher nicht. Gründe kein Zufall, dass ein leidenschaftli- cher „Meinungsberserker“ wie Michel Fried- Um dieses emotional belastende Klima ge- man, auch wenn er heute ganz neu die Szene genseitiger Beschuldigungen rhapsodisch auf- beträte, keine Chance hätte. Andersherum zulockern, erfinden die Talk-Redaktionen formuliert: Dass Günther Jauch, Deutsch- immer neue Gags und Gimmicks. Längst eta- lands TV-Liebling Nummer 1, vor Jahr und bliert ist der berüchtigte „Einspieler“, in dem Tag das Angebot erhielt, die große Sonntaga- in 30 oder 60 Sekunden noch mal erklärt bendtalkshow zu leiten, war nur logisch und wird, worum es eigentlich geht. Gerne wer- konsequent. Seine durchaus „weiblich“ ein- den auch „Experten“ als sidekicks eingeladen, gefärbte Allrounder-Kommunikationsfähig- hier und da ein frohsinniger „Comedian“ keit hatte ihn prädestiniert. Was genau er in- oder ein ehemaliger Fußball- oder Tennisstar; haltlich anders gemacht hätte, weiß freilich dazu gibt es Chats, interaktive Youtube-Zu- niemand. spielungen und die allseits beliebten Straßen- umfragen. Am Ende wird stets die entschei- Doch gerade dieses Ausmaß an Durchläs- dende Botschaft ausgesandt: Wir tun was sigkeit und sprechfertiger Ausdrucksfähig- gegen die Krise, wir kümmern uns. So sehr keit, Variabilität und Elastizität ist charakteri- man sonst die politische Klasse kritisiert, ja stisch fürs moderne Anforderungsprofil beim verachtet – in Gefahr und höchster Not geht Polittalk. Welcher Fernsehzuschauer etwa es um den psychosozialen Zusammenhalt. wüsste zu sagen, ob Anne Will, Sandra Auf diese Weise wird die Talkshow zum ge- Maischberger oder Maybrit Illner überhaupt sellschaftlichen Integrations-Anker in unru- irgendeiner, und wenn ja: welcher politischen higer See. Das Motto der virtuellen Ge- Partei oder Gruppierung nahe stehen – zu sprächstherapie: Gut, dass man wenigstens schweigen davon, wie ihre persönliche Hal- mal wieder drüber gesprochen hat – bis zum tung zum Krieg in Afghanistan und Hartz IV, nächsten Mal. zur Integration von muslimischen Migranten und zur Atomenergie aussähe. In Zeiten, da Zugleich passt sich die Talkshow perfekt über den alten ideologischen Schützengräben ins restliche Programmschema ein. Der be- zunehmend biologisch dynamisches Gras

APuZ 50/2009 37 wächst, ist es naheliegend, dass die Moderato- Stattdessen wurden Einzelschicksale oder ex- rinnen sich als interaktive Partnerinnen von treme Einzelbeispiele präsentiert, von denen Zuschauern und Gästen verstehen und nicht niemand wissen konnte, wie repräsentativ sie als Kombattanten in einem strengen Diskurs waren. über Wirklichkeit und Wahrheit. Selbst bei Frank Plasberg, dem einzigen männlichen Wie üblich gab es keinen Versuch, die sehr Mitglied im Kleeblatt der großen Talk-Mode- unterschiedlichen und teils völlig inkompati- rator(inn)en, trifft Politik eben nicht allein blen Argumente zu gewichten, gleichsam auf „Wirklichkeit“, wie es im Werbetrailer ihren Platz im Diskursraum zu bestimmen. seiner Sendung „hart aber fair“ heißt, sondern So war das Ganze tatsächlich eher die Zur- sehr oft auch auf Inszenierung und Klamauk. schaustellung eines Gesprächs und nicht das Dann wird aus einem Journalisten schon mal Gespräch selbst – eine Talkshow eben, in der ein Journalistendarsteller. die prinzipielle Gleichberechtigung aller Po- sitionen dazu führt, dass vom klassischen Doch als es nach Günther Jauchs überra- Wahrheitsanspruch kaum etwas übrig bleibt. schender Absage darum ging, ob Plasberg Aber gewiss: Man hatte wieder einmal dar- statt Anne Will den politischen Wochenend- über gesprochen, in der Fernsehsprache: das Talk am Sonntagabend leiten solle, schälte Thema gecovert. sich neben anderen Gründen wieder ein wei- ches, aber sehr wichtiges Motiv heraus, ihn Doch vielleicht entspricht der Haltung, für doch lieber auf den Mittwochabend zu schie- praktisch jede Auffassung ein gewisses Ver- ben: Männer, selbst so unterhaltsame (und ständnis zu haben oder zeigen zu müssen, selbstverliebte) Burschen wie Plasberg, über- nicht unbedingt eine immanente Charakter- tragen zu viel männliches Gehabe – ein- oder Persönlichkeitsprägung weiblicher TV- schließlich dem notorisch präpotenten Moderatoren, sondern eine offenbar unerläss- Knöpfchendrücken – auf die Fernsehcouch liche mediale Funktion, die Will & Co. sehr vor den heimischen Flachbildschirmen. Kurz: professionell – und womöglich besser als „hart aber fair“ ist kein zuträgliches Motto Männer – erfüllen. Im persönlichen Gespräch für den niveauvoll-gemütlichen Wochenend- nämlich zeigen sich Maybrit Illner und Anne ausklang gleich nach dem „Tatort“. Denn es Will durchaus meinungsfreudig, gedanken- kommt auf die richtige Mischung aus Aufre- schnell und selbstironisch. Last but not least: gung und Zerstreuung an – auf den politi- Sie sehen deutlich besser aus als Werner schen Sandmännchen-Effekt für leidgeprüfte Höfer mit Hornbrille und Einstecktuch. Erwachsene, die eine schwere Arbeitswoche vor sich haben. Aber das tut natürlich nichts zur Sache.

Zum Beispiel so, wie am 18. Oktober 2009 bei Anne Will. Den Anlass zum boulevar- desk-bildhaften Titel der Sendung „Keine Chance für Ali und Ayse – Gemüse verkau- fen statt Karriere machen?“ hatte das wo- Die Zukunft chenlang skandalisierte „Kopftuchmädchen“- gestalten. Interview von Thilo Sarrazin in „Lettre Inter- Politik für das national“ geboten. Es war eine typische, eine 21. Jahrhundert repräsentative Sendung. Irgendwie wurden fast alle wichtigen Fragen zum Thema „Inte- 25. – 27. Januar 2010 gration“ formuliert, aber sie wurden gleich- sam chronologisch – eine nach der anderen – abgehandelt und nebeneinander gestellt und Bensberger eben nicht kritisch-dialogisch aufeinander be- Gespräche zogen. Jeder Gast durfte seine ideologische Position darstellen, wobei man sich gegensei- tig gern auch einmal ins Wort fiel – doch der präzise, punktgenaue Streit um Argumente, www.bpb.de/ um ihre Plausibilität und die Hierarchie ihres bensbergergespraeche Geltungsanspruchs blieb wieder einmal aus.

38 APuZ 50/2009 Herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung Adenauerallee 86 53113 Bonn.

Redaktion Dr. Hans-Georg Golz Asiye Öztürk Johannes Piepenbrink (verantwortlich für diese Ausgabe) Manuel Halbauer (Volontär) Telefon: (02 28) 9 95 15-0

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* Nachbestellungen der Zeitschrift APuZ Aus Politik und Zeitgeschichte Nächste Ausgabe 51/2009 · 14. Dezember 2009 * Abonnementsbestellungen der Wochenzeitung einschließlich APuZ zum Preis von Euro 19,15 halbjährlich, Jahresvorzugspreis Euro 34,90 einschließlich Mehrwertsteuer; Kündigung Bundestagswahl 2009 drei Wochen vor Ablauf des Berechnungszeitraumes

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Matthias Jung · Yvonne Schroth · Andrea Wolf Die Veröffentlichungen Regierungswechsel ohne Wechselstimmung in Aus Politik und Zeitgeschichte stellen keine Meinungsäußerung Frank Decker der Herausgeberin dar; sie dienen Koalitionsaussagen und Koalitionsbildung der Unterrichtung und Urteilsbildung.

Axel Murswieck Für Unterrichtszwecke dürfen Angela Merkel als Regierungschefin und Kanzlerkandidatin Kopien in Klassensatzstärke herge- stellt werden. Hagen Albers Onlinewahlkampf ISSN 0479-611 X Frauen in Politik und Medien APuZ 50/2009

Christina Holtz-Bacha 3-8 Politikerinnen-Bilder im internationalen Vergleich Frauen, die sich in die Politik begeben, müssen sich nicht nur gegen ihre männli- chen Konkurrenten durchsetzen, sondern sie kämpfen auch gegen gesellschaftli- che Stereotype. Internationale Beispiele zeigen, dass in der medialen Berichterstat- tung über Politikerinnen noch immer bestimmte Geschlechterbilder dominieren.

Birgit Meyer 9-15 „Nachts, wenn der Generalsekretär weint“ Der Beitrag behandelt die Muster medialer Darstellung von deutschen Politike- rinnen in den vergangenen sechs Jahrzehnten. Trotz der Tendenz hin zu mehr Sachlichkeit und weniger geschlechterbezogener Berichterstattung überwiegen nach wie vor traditionelle Rollenzuschreibungen.

Isabelle Kürschner 16-21 Frauen in den Parteien Es wird dargestellt, worin sich das Partizipationsverhalten weiblicher Parteimit- glieder von männlichen unterscheidet, welche Mechanismen sich auf die Mitar- beit von Frauen auswirken und warum es den einzelnen Parteien in so unter- schiedlichem Maße gelingt, Frauen als Mitglieder zu gewinnen.

Uta Kletzing 22-28 Wege und Erfahrungen von Kommunalpolitikerinnen In den Kommunalparlamenten liegt der Frauenanteil durchschnittlich bei nur 25 Prozent. Damit er sich erhöht, müssen die Ortsvereine und Kreisverbände der Parteien das Engagement von Frauen entschlossen fördern; die Politikerinnen selbst sollten sich noch besser miteinander vernetzen.

Katja Glaesner 28-34 Angela Merkel – mit „Soft Skills“ zum Erfolg? „Mein Prinzip ist nicht ,Basta‘, sondern Nachdenken, Beraten und dann Ent- scheiden“, erklärt Angela Merkel. Dies scheint einer typisch weiblichen Heran- gehensweise zu entsprechen. Konkrete Beispiele aus dem Politikalltag zeigen aber, was Kanzlerin Merkels Führungsstil wirklich charakterisiert.

Reinhard Mohr 34-38 Moderieren ist alles: Frauen im Polittalk Früher dominierten knorrige alte Herren die politischen Talkshows im deutschen Fernsehen, Frauen waren die Ausnahme. Heute dürfen Frauen nicht nur über alles mitreden, nein: Sie leiten inzwischen die wichtigsten Sendungen, während viele ihrer männlichen Kollegen inzwischen für bunten Softtalk zuständig sind.