23628 Deutscher – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009

(A) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: b) Beratung des Antrags der Abgeordneten (C) Frau Kollegin! Wolfgang Neškovi , , Ulrich Maurer, und der Fraktion DIE LINKE Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD): Keine Schusswaffen in Privathaushalten – Än- Ich wünsche mir, dass die Ergebnisse der Auswertun- derung des Waffenrechts gen der Fachhochschule Coburg und des bayerischen Landgerichtstages betreffend die Wirkungen und die – Drucksache 16/12395 – Mängel im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes auf Überweisungsvorschlag: bayerischer Ebene berücksichtigt werden. Innenausschuss (f) Sportausschuss Rechtsausschuss Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Frau Kollegin! Verbraucherschutz Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD): ZP 8 Erste Beratung des von den Abgeordneten Wir haben festgestellt, dass die Mängel nicht im Ge- Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. , setz, sondern im Vollzug bestehen. Ich wünsche mir, Gisela Piltz, weiteren Abgeordneten und der dass wir dies bei den Beratungen und der Anhörung be- Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines rücksichtigen. Ich hoffe, dass wir alle in diesem Sinne Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes zusammenarbeiten werden. – Drucksache 16/12663 – (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Entschuldigung, das kommt, wenn man als Letzte redet, Sportausschuss Frau Präsidentin. – Ich hoffe, dass wir dies schaffen. Rechtsausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kollegin, wollen Sie noch die Dinge mitnehmen, Nach einer interfraktionellen Verabredung ist für die die Sie auf dem Pult haben liegen lassen? Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fünf Minuten erhalten soll. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist so (Tuchenbach) (SPD): Marlene Rupprecht beschlossen. Für jeden Interessierten ist das eine empfehlenswerte (B) Lektüre: das Grundgesetz und die UN-Kinderrrechts- Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der (D) konvention. Kollegin für Bündnis 90/Die Grünen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der LINKEN) Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Damit schließe ich die Aussprache. Fraktion hat sich entschieden, einen inhaltlich umfassen- Interfraktionell ist Überweisung des Gesetzentwurfes den Antrag zur Verschärfung des Waffenrechts in den auf Drucksache 16/12429 an die in der Tagesordnung Bundestag einzubringen. aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Dazu gibt es offenbar keine weiteren Vorschläge. Dann ist die Über- Ich weiß sehr wohl, dass wir auch aufgrund der Bera- weisung so beschlossen. tungen der AG der Innenministerkonferenz wenig Chancen haben, dass der Bundestag in dieser Legisla- Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 13 a und 13 b turperiode tatsächlich noch handeln wird. Ich möchte sowie Zusatzpunkt 8 auf: aber deutlich machen, dass wir uns mit ein paar Placebos – Amnestie für illegale Waffen oder irgendwelchen bio- 13 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Silke Stokar von Neuforn, (Köln), Monika metrischen Schlössern – nicht zufriedengeben werden. Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Ich habe den Eindruck, dass die Botschaft aus der Zi- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vilgesellschaft nach dem schrecklichen Amoklauf von Abrüstung in Privatwohnungen – Maßnah- Winnenden bei Ihnen überhaupt nicht angekommen ist. men gegen Waffenmissbrauch Wir befinden uns heute in einer anderen Situation. Es sind nicht mehr die Waffenlobbyisten, die diese Debatte – Drucksache 16/12477 – beherrschen, sondern es sind die Schülerinnen und Schü- Überweisungsvorschlag: ler, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer vor Ort – nicht nur in Innenausschuss (f) Baden-Württemberg, sondern überall –, die sich melden Sportausschuss und deutlich sagen: Wir sind nicht mehr bereit, mit dem Rechtsausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Risiko von großkalibrigen Waffen zu leben, die einige Verbraucherschutz Menschen noch immer als Sportwaffen bezeichnen und Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in ihren Privatwohnungen aufbewahren. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23629

Silke Stokar von Neuforn (A) Das ist der Kern der Debatte. Die Mehrheit der Ge- Abschließend stelle ich fest: Mir reicht die Hand- (C) sellschaft will nicht mehr, dass jeder Mensch durch die lungsunfähigkeit der Innenpolitiker. Wir werden alle Ini- Mitgliedschaft in einem oder mehreren Sportschützen- tiativen, die sich derzeit bilden, ob das Onlinepetitionen, vereinen die Möglichkeit hat, sich zu Hause ein Waffen- Unterschriftensammlungen oder sogar die Vorbereitung arsenal mit unbeschränkter tödlicher Munition anzule- von Volksentscheiden sind, fördern und unterstützen, gen. Meine Damen und Herren, dies ist nicht kontrollier- weil das Ziel eine Entwaffnung in der Bevölkerung sein bar. Sie werden nicht in der Lage sein, 1,6 Millionen pri- muss. Wir wollen, dass das Gewaltmonopol des Staates vate Waffenbesitzer zu Hause zu kontrollieren. wieder zum Tragen kommt. Wir wollen eine öffentliche Sicherheit, die dadurch gewährleistet wird, dass wir die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Überbewaffnung in Privatwohnungen abbauen. Unsere Antwort auf diese Situation ist: Wir brauchen Über nichts anderes werden wir mit Ihnen diskutie- ein radikales Umdenken beim Thema Waffengesetz. Wir ren. Wir werden uns nicht länger auf diese Scheindebat- wollen in einer Gesellschaft leben, in der der Grundsatz ten einlassen. Wenn das Parlament nicht in der Lage ist, gilt: keine Waffen im öffentlichen Raum, keine Waffen zu handeln, dann werden wir diese Frage durch öffentli- in privaten Wohnungen. che Unterschriftensammlung klären. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Danke schön. Wir haben heute Girls’ Day. Das Problem der Bewaff- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nung der Bevölkerung mit gefährlichen Schusswaffen ist ein Männerproblem in unserer Gesellschaft. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: ( [CDU/CSU]: Das mit dem hat jetzt das Wort für CDU/CSU- Girls’ Day in Verbindung zu bringen, ist Fraktion. Quatsch!) (Beifall bei der CDU/CSU) Ich habe in den letzten Tagen und Wochen Gespräche mit einigen Sportschützinnen geführt. Ich fand diese Ge- Reinhard Grindel (CDU/CSU): spräche sehr interessant; denn auch ich bin der Auffas- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! sung, dass Schießsportvereine weiterhin eine Existenz- Unmittelbar nach dem unfassbaren Amoklauf von Win- berechtigung in unserer Gesellschaft haben. Ich habe bei nenden haben wir im Deutschen Bundestag im Rahmen diesen Gesprächen vor Ort nicht mit den Funktionären einer Aktuellen Stunde eine, wie ich finde, sehr gute De- der Schießsportverbände gesprochen; denn mit denen batte geführt, die von Nachdenklichkeit und nicht von (B) kann man in dieser Frage nicht reden. reflexartigen Scheinlösungen geprägt war. Wir waren (D) uns alle einig, dass es bei der Reaktion auf diesen Amok- Wenn man vor Ort ist, stellt sich die Situation anders lauf um eine neue Kultur des Hinsehens, des Kümmerns dar. Eine Sportschützin hat zu mir gesagt: Überhaupt und der Zuwendung, des Bemerkens von Hass und Ver- kein Problem, ich brauche keine scharfe Waffe. Für mich zweiflung gehen muss und nicht nur um eine Verschär- ist Sportschießen Präzisionssport. Für mich heißt das: fung des Waffenrechts. Konzentration und Präzision. Das geht auch mit einer Laserwaffe. – Das ist kein Unsinn. (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber auch!) (Zuruf von der CDU/CSU: Keine Ahnung!) An diesem Befund hat sich bis zum heutigen Tage nichts In der olympischen Disziplin des Fünfkampfs hat man geändert. aus Sicherheitsgründen längst die Entscheidung getrof- fen, die scharfen Waffen nicht mehr als Sportwaffen zu- (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE zulassen. Wir brauchen an dieser Stelle eine völlig an- GRÜNEN]: Das haben wir nach Erfurt auch dere Diskussion. schon ertragen müssen!) Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen. In Natürlich hat die fahrlässige Aufbewahrung einer meiner Fraktion bin ich auch für den Datenschutz zu- Waffe den Amoklauf in Winnenden begünstigt. Aber die ständig. Ich habe überhaupt kein Verständnis für die eigentliche Frage bleibt doch: Was macht in unserer Ge- buchstäbliche Hemmung der Innenminister, die doch sellschaft aus relativ unauffälligen 16-jährigen Jugendli- sonst scharf darauf sind, jeden Bürger und jede Bürgerin chen Amokläufer, die sich mit unglaublicher Kaltblütig- in Hunderten von Dateien zu erfassen. Es gibt nicht ein keit Mitschüler vorknöpfen und erschießen? einziges vernünftiges Argument dafür, warum es in ( [CDU/CSU]: Das ist die zen- Deutschland im Gegensatz zu vielen anderen Ländern in trale Frage!) Europa nach wie vor nicht möglich ist, dass Waffenbesit- zer erfasst werden, dass wir erfassen, welche Waffen in Was ist da passiert, wenn in Eislingen ein Jugendlicher, privaten Wohnungen legal vorhanden sind und dass wir den alle als unauffällig schildern und der einen guten die Berechtigung des Waffenbesitzes überprüfen. Das Eindruck gemacht hat, zunächst mit einer unglaublichen sind Kontrolldefizite in unserer Gesellschaft, die nicht Grausamkeit seine beiden Schwestern und Stunden spä- länger hinzunehmen sind. ter seine Eltern erschießt? Sachverständige sagen uns in diesen Tagen, dass solche Taten in aller Regel in einer (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vorbereitungszeit von drei bis sechs Monaten reifen und 23630 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009

Reinhard Grindel (A) dass der Täter dann aber auch entschlossen ist, zu han- wird, bedeutet ein kleines Stückchen mehr Sicherheit, (C) deln. Sinnvolle Verbesserungen des Waffenrechts kön- und dagegen kann niemand ernsthaft etwas einwenden. nen solche Taten vielleicht erschweren, aber wer, Frau Kollegin Stokar, will ernsthaft behaupten, dass wir sie (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – durch gesetzgeberische Maßnahmen allein verhindern Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE könnten. GRÜNEN]: Das gilt auch für jede legale Waffe!) (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das behauptet niemand! – Ich würde es unterstützen, wenn sich die zuständigen Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ordnungsbehörden etwa bei älteren Menschen bereit er- NEN]: Das hat sie doch nicht gesagt!) klärten, die entsprechenden Waffen abzuholen. Ich halte aber eine Abwrackprämie für illegale Waffen, wie Sie, Insofern ist das, was Sie heute gesagt haben, dem Pro- Frau Kollegin Stokar, sie gefordert haben, nun wirklich blem, um das es hier geht, unangemessen. Sie haben die nicht für die richtige Maßnahme. Wir dürfen rechtswid- Tiefe des Problems überhaupt nicht erfasst. riges Verhalten zum einen nicht auch noch prämieren, (Beifall bei der CDU/CSU – Silke Stokar von und zum anderen finde ich die Wortwahl völlig indisku- Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir tabel. Angesichts der Tragödien von Winnenden und haben die Verantwortung, die Risiken zu mini- Eislingen brauchen wir den Umständen der Tat ange- mieren!) messene Antworten. Die Schaffung einer solchen Ab- wrackprämie ist schon von der Wortwahl her eine völlig Ich will gar nicht auf die Flut illegaler Waffen verwei- unangemessene Reaktion auf das eigentliche Problem, sen, die ohnehin dazu führt, dass es hundertprozentig mit dem wir es zu tun haben. wirksame Lösungen gar nicht geben kann. Ich will aber darauf verweisen, dass bei der grausamen Tat in Eislin- (Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang gen die Waffen aus dem Stahlschrank des örtlichen Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schützenvereins entwendet wurden. So weit zu denjeni- Dann finden Sie einen anderen Begriff!) gen, die sich für eine zentrale Lagerung von Waffen ein- Die Koalition wird im Lichte der Ergebnisse der gesetzt haben. Die Tat wurde mit Kleinkaliberwaffen Bund-Länder-Arbeitsgruppe, verehrte Frau Kollegin verübt. Es ist also nur eine scheinbare Sicherheit, wenn Stokar, schon in der nächsten Sitzungswoche darüber be- man Großkaliberschießen generell verbieten würde. raten, in welchen Bereichen es gesetzgeberischen Hand- (Zuruf von der CDU/CSU: Allerdings!) lungsbedarf gibt und ob dieser noch in dieser Legislatur- periode umgesetzt werden kann. Dabei sind die (B) Trotzdem ist es richtig, eine substanzielle Verbesse- Vorschläge, die die Angehörigen der Opfer von Winnen- (D) rung des Waffenrechts zu untersuchen, wie das jetzt in den gemacht haben, in alle Überlegungen einzubeziehen. einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe geschieht, die nach meinem Kenntnisstand auch noch keine Ergebnisse vor- Die Angehörigen haben die Frage der Altersbegren- gelegt hat, weshalb mir manche Pressemeldung heute zung beim großkalibrigen Schießen problematisiert. Ich übereilt erscheint. will offen bekennen: Die Schützenvereine in meinem Wahlkreis machen eine sehr verantwortungsvolle Nach- (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Herr Grindel, wuchsarbeit wie viele andere Schützenvereine in ganz wir haben eine eigene Verantwortung!) Deutschland. Da darf niemand unter Generalverdacht Nicht zuletzt sind wir den Angehörigen der Opfer von gestellt werden. Ich finde es im Übrigen auch besser, Winnenden eine Überprüfung des Waffenrechts schul- wenn Jugendliche mit Laser- oder Luftdruckwaffen im dig, Schützenverein schießen, als wenn sie mit Softair- oder Paintball-Waffen in den Wald ziehen und dort ohne jede (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das ist Hemmung und vor allen Dingen ohne jede fachliche richtig!) Aufsicht schießen. die sich in zwei bemerkenswerten Briefen an uns ge- Ich will aber auch betonen: Ich kann nicht erkennen, wandt haben. Sie haben einen Anspruch darauf, dass die dass für diese wichtige Nachwuchsarbeit in den Schüt- Politik alles in ihrer Kraft Stehende für eine wirkliche zenvereinen das Schießen mit Großkaliber zwingend er- Verbesserung des Waffenrechts tut und ihnen eine ange- forderlich ist. Deshalb bin ich dafür, dass wir die Alters- messene Antwort gibt. grenze auf 18 Jahre heraufsetzen. Ich bin sehr dankbar, (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der dass der Deutsche Schützenbund diese Überlegungen FDP) mitträgt. Es ist nicht so, dass die Verantwortlichen an der Spitze des Deutschen Schützenbundes und auch des Unsere Überlegungen, die wir dabei anstellen, müs- Deutschen Jagdschutz-Verbandes für diese Gespräche sen allerdings tatangemessen sein. Ich unterstütze die nicht offen wären und uns in unserem Bemühen, sinn- vom baden-württembergischen Innenminister Heribert volle Verbesserungen des Waffenrechts durchzusetzen, Rech und anderen vorgeschlagene Amnestie für illegale nicht unterstützen würden. Sie tun es sehr wohl, und Sie Waffenbesitzer. Dabei ist der Einwand, eine vergleich- haben das, was hier vonseiten der Verbände Positives ge- bare Aktion nach dem Amoklauf von Erfurt habe keinen leistet wird, nicht richtig gewürdigt. großen Erfolg gehabt, für mich nicht überzeugend. Jede einzelne illegale Waffe, die aus dem Verkehr gezogen (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23631

Reinhard Grindel (A) Ich finde ebenso richtig, dass wir alle neuen techni- Volker Bouffier hat heute zu Recht vor Aktionismus ge- (C) schen Möglichkeiten im Bereich der Biometrie nutzen, warnt. Wir brauchen wirksame Verbesserungen des Waf- um Waffen und Waffenschränke gegen den Zugriff Un- fenrechts, die wir gemeinsam mit den Ländern und den befugter besser zu sichern. Bei einem Gespräch mit den Verbänden von Schützen und Jägern erarbeiten wollen. Verbänden der Schützen und Jäger, das wir von der Darauf können sich die Angehörigen der Opfer, darauf CDU/CSU in dieser Woche geführt haben, wurde eben können sich alle Bürger dieses Landes verlassen. auch berichtet, dass diejenigen Firmen, die Waffen- Herzlichen Dank fürs Zuhören. schränke bauen und vertreiben, mit der Auftragsbearbei- tung nach Winnenden kaum noch nachkommen und teil- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – weise Lieferzeiten von einem halben Jahr haben. Diese Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE Waffenschränke sind aber seit 2003 verbindlich zur Auf- GRÜNEN]: Das reicht nicht!) bewahrung vorgeschrieben. Insofern müssen wir uns der Frage der besseren Kontrolle der bereits bestehenden Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Aufbewahrungsvorschriften zuwenden. Hartfrid Wolff hat jetzt das Wort für die FDP-Frak- (Helmut Brandt [CDU/CSU]: Das ist der tion. Punkt!) (Rems-Murr) (FDP): Wir sollten auch die Mitwirkungspflichten der Waf- Hartfrid Wolff Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das fenbesitzer ausweiten, etwa wenn es um den präzisen schockierende Verbrechen von Winnenden und Wendlin- Nachweis der sicheren Aufbewahrung geht. Da kann das gen hat uns alle betroffen gemacht. Wir fragen uns, wie Übersenden der Rechnung für einen Waffenschrank si- wir uns in Zukunft vor ähnlichen Untaten schützen kön- cherlich nicht ausreichen. nen. Inzwischen ist es zu weiteren Straftaten mit Waffen Ich will noch einmal betonen: Ich bin sehr dankbar, in Landshut und Eislingen gekommen. Diese Fälle wer- dass sowohl der Deutsche Jagdschutz-Verband als auch fen ein bezeichnendes Licht auf die nach Winnenden re- der Deutsche Schützenbund den Ansatz unterstützen, flexartig erhobenen politischen Forderungen. Einige dass wir hier bei der Überwachung der Mitwirkungs- hiervon haben die Linken und die Grünen vorgelegt. pflichten im Rahmen des nach Art. 13 Grundgesetz Zunächst einmal ist jedoch festzuhalten: Ein General- Möglichen auch zu verdachtsunabhängigen Kontrollen verdacht gegen alle Sportschützen, Waffensammler, Jä- kommen. Ich halte das für eine ganz wesentliche Verbes- ger oder Berufswaffenträger ist nicht gerechtfertigt serung des Gesetzesvollzugs. Ich bin dankbar dafür, dass uns die Verbände unterstützen. Das wird uns auch vor (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (B) Ort, also bei den Jägerschaften und den Schützenverei- NEN]: Den hat doch auch niemand!) (D) nen, helfen. Wir können dann sagen: Wir haben von eu- und kann eine Diskussion um die wirklichen Ursachen ren Repräsentanten auf Bundesebene, die unsere An- kriminellen oder gewaltsamen Handelns nicht ersetzen. sprechpartner in dieser Frage sind, Unterstützung. Das begrüße ich ausdrücklich. Das hilft uns. (Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN) Ebenso müssen wir über eine effektivere Prüfung des waffenrechtlichen Bedürfnisses nachdenken, damit Nicht zuerst die Waffe ist das Problem, sondern der wirklich nur der Waffen hat, der tatsächlich aktiv im Mensch, der sie einsetzt. Schützenverein in der jeweiligen Disziplin schießt. Frau (Dr. Max Stadler [FDP]: Leider ist es so!) Kollegin Stokar, Sie wissen ganz genau, dass die Frage des zentralen Waffenregisters in einer entsprechenden Insofern muss die gesellschaftspolitische Frage der Ge- EU-Richtlinie behandelt wird. Diese Richtlinie hätten walt- und Kriminalprävention vor der Frage der waffen- wir bis 2014 umzusetzen. Das wird man jetzt natürlich rechtlichen Verschärfung gestellt werden. zeitlich beschleunigen. Es ist zweifellos ein Sicherheits- gewinn, wenn insbesondere unsere Sicherheitskräfte (Beifall bei der FDP) wissen, dass sie in einen Haushalt kommen, in dem Waf- Wir haben auf Bundesebene mit dem Deutschen Forum fen vorhanden sind. für Kriminalprävention eine wichtige Einrichtung, die es zu stärken gilt. Frau Kollegin Stokar, ich will angesichts dessen, was Sie hier gesagt haben, und vor allen Dingen angesichts Gleichwohl hält die FDP stringente Regeln im deut- der Art und Weise, wie Sie es gesagt haben, Ihnen mit schen Waffenrecht für wichtig. Derzeit erschweren Bü- auf den Weg geben: Das Thema Waffenrecht eignet sich rokratie und die Kompliziertheit des Waffenrechts den in diesen Wochen und Monaten gerade vor dem Hinter- gesetzlichen Vollzug. Einfache, wirkungsvolle und an- grund der aktuellen Ereignisse überhaupt nicht für klein- wendbare Gesetze nützen der Sicherheit mehr als immer liche Geländegewinne im politischen Wettbewerb. neue Vorgaben. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und (Beifall bei der FDP – Wolfgang Wieland der FDP) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie Vorschläge!) Die Anträge von Linkspartei und Grünen haben sich schon durch die Tatumstände im Mordfall von Eislingen Nach Auskunft der Bundesregierung stammen ledig- als unzureichend erwiesen. Hessens Innenminister lich 2 bis 3 Prozent aller bei Schusswaffenkriminalität 23632 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009

Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (A) eingesetzten Waffen aus legalem Besitz. Da sieht man waffenrechtliche Ansatz zur Erhöhung der öffentlichen (C) die Grenzen eines Waffenrechts. Ziel der FDP ist es des- Sicherheit ist aus Sicht der FDP vor allem die Beseiti- halb, den illegalen Waffenbesitz einzuschränken. Des- gung der Vollzugsdefizite. halb fordert die FDP heute mit dem von ihr vorgelegten Wir brauchen regelmäßige Kontrollen der Aufbewah- Gesetzentwurf, den illegalen Schusswaffenbesitz einzu- rung von Waffen. So wie zum Beispiel der Privathaus- dämmen, indem eine Abgabe illegaler Waffen bis zum halt durch Schornsteinfeger oder wie Gewerberäume Stichtag straffrei gestellt werden soll. durch den Wirtschaftskontrolldienst überprüft werden, (Beifall bei der FDP – Silke Stokar von sollte die sichere Aufbewahrung der Waffen durch die Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Ordnungsbehörden überprüft werden. Dazu bedarf es ei- ist eine Ausweichdebatte!) ner personell und materiell besseren Ausstattung dieser Behörden. – Das allein reicht selbstverständlich nicht. Schauen Sie sich den Gesetzentwurf an, Frau Kollegin. Regelmäßige Kontrollen auf breiter Basis, die bei Verstößen den konsequenten Entzug der Waffenbesitz- Die Forderung nach einem zentralen Waffenregister karte zur Folge haben, dürften sich wegen der Abschre- ist Rechtslage der EU. Ob ein Vorziehen vor den Termin ckung recht rasch als wirksames Instrument gegen den zur Umsetzung der EU-Regelung praktikabel ist, wird fahrlässigen Umgang mit den Aufbewahrungsvorschrif- sicherlich zu prüfen sein. Allerdings sollten wir ehrlich ten herausstellen. zugeben: Das Waffenregister hätte keine der erschre- ckenden Straftaten in den vergangenen Wochen verhin- (Beifall bei der FDP) dert. Ich sage aber auch: Das Sanktionssystem muss gegebe- (Dr. Max Stadler [FDP]: So ist es!) nenfalls angepasst werden. Allein die Registrierung wirkt nicht wirklich präventiv. Meine Damen und Herren, als Abgeordneter aus dem Wahlkreis von Winnenden hat es mich besonders betrof- Von verschiedener Seite wurde ein Totalverbot priva- fen gemacht, dass Kolleginnen und Kollegen schon we- ter Schusswaffen gefordert. Das Beispiel aus Großbri- nige Stunden nach der Tat mit politischen Rezepten bei tannien, wo 1997 nach dem Amoklauf eines 43-Jährigen der Hand waren; einige haben das schon angesprochen. in Dunblane alle Handfeuerwaffen in Privatbesitz verbo- Ich meine, es wäre richtiger gewesen, wenn wir, die ten wurden, zeigt, dass damit die Schusswaffenkrimina- hauptamtlichen Politiker dieser Republik, einmal inne- lität nicht nachhaltig eingedämmt werden konnte. Wer gehalten hätten. ein generelles Verbot von Waffen in Privatbesitz fordert, (B) sollte klar sagen: Dann kann es keinen Schützenverein, Wir sind nicht allmächtig. Wir können keine absolute (D) keine Sammler historischer Waffen und keine Jäger Sicherheit garantieren. Wir sollten auch nicht den Ein- mehr geben. druck erwecken, wir könnten es. Das gilt umso mehr, als bis heute nicht einmal die Waffenrechtsänderungen nach (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: der Bluttat von Erfurt evaluiert sind, geschweige denn So ist es, und das wollen wir nicht! – Silke die vom vorigen Jahr. Wir können nur Gesetze machen. Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Aber kein Gesetz kann schützen, wenn es nicht beachtet NEN]: All das gibt es in England und auch in und vollzogen wird. Australien!) Der Respekt vor den Opfern sollte es eigentlich ver- Ob diese Zerstörung des Vereinslebens einen Sicher- bieten, die immer wieder gleichen vermeintlichen Heils- heitsgewinn bedeutet, darf wohl bezweifelt werden. Jä- rezepte aufzuwärmen, erst recht unmittelbar nach einer ger und Schützen zu kriminalisieren, Frau Kollegin, hält solch schrecklichen Bluttat. die FDP vor diesem Hintergrund nicht für sinnvoll. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der und der SPD) SPD – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht doch niemand! – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: NEN]: Auch in England gibt es Jäger!) ist die nächste Rednerin für die SPD-Fraktion. Grüne und Linke fordern, die Schusswaffenverwah- rung in Privathaushalten zu unterbinden. Das ist eine (Beifall bei der SPD) Wiedergängerdebatte, die wir schon aus den letzten Jah- ren kennen. Gabriele Fograscher (SPD): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle- (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gen! NEN]: Eben! Sie sind immer dagegen!) Wir wollen, dass sich etwas ändert in dieser Gesell- Selbst mit vielleicht verfügbarer besserer Sicherheits- schaft, und wir wollen mithelfen, damit es kein technik wären solche zentralen Waffendepots in Randla- zweites Winnenden mehr geben kann. gen ein verlockendes Ziel für Kriminelle. Das zeigt ge- rade die Tat von Eislingen, wo vor der Tat in ein solches Dieses Zitat aus dem offenen Brief der Eltern der Op- Schützenheim eingebrochen wurde. Der entscheidende fer des Amoklaufs von Winnenden an die Politik neh- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009 23633

Gabriele Fograscher (A) men wir ernst. Amokläufe in Zukunft zu verhindern, durch die Schützenvereine selbst geben. Zum anderen (C) können wir nicht versprechen, aber wir müssen alles da- könnte man die Zuverlässigkeitsprüfung zum Waffener- für tun, sie zu erschweren. werb mit einer Einwilligung zu Kontrollen verbinden. Damit wäre den zuständigen Behörden die Möglichkeit Die Ursachen, die einen jungen Mann dazu bringen, gegeben, stichprobenartig die gesetzeskonforme Aufbe- eine solch sinnlose Tat zu begehen, werden nie wirklich wahrung der Waffen zu überprüfen. Diesem Vorschlag aufgeklärt werden können. Persönlichkeitsstörungen, würde auch der Deutsche Schützenbund zustimmen. Frustrationen, Männlichkeitswahn, Aggression, Hass, Probleme im sozialen Umfeld, das Herabsetzen der Im derzeit geltenden Waffengesetz wird der Nachweis Hemmschwelle für Gewalt durch sogenannte Killer- des Bedürfnisses für den Waffenerwerb nach drei Jahren spiele – dies alles können Ursachen sein, aber möglich neu geprüft. Danach ist keine weitere Prüfung des Be- wurde die grausame Tat durch das grob fahrlässige He- dürfnisses vorgesehen. Wir können uns vorstellen, in re- rumliegenlassen einer Schusswaffe und der dazugehöri- gelmäßigen Zeitabständen eine erneute Prüfung vorzu- gen Munition. nehmen. Wir müssen uns der Frage stellen: Wie wachsen junge Den Vorschlag der zentralen Lagerung von Waffen Männer in unserem Land auf? Warum spielen sie Killer- und Munition oder beidem im Schützenhaus halte ich spiele? Warum schauen sie Gewaltvideos? Was muss als derzeit für nicht praktikabel. Die Verfügbarkeit in Privat- Auslöser dazukommen, damit aus der virtuellen Gewalt haushalten wäre dann zwar nicht mehr gegeben. Es wür- grausame Realität wird? den aber neue Sicherheitsprobleme für solche zentralen Waffen- oder Munitionsdepots auftreten. In diesen De- Verantwortung der Medien bei der Berichterstattung pots würden jeweils mehrere Hundert Waffen und meh- über Amokläufe, aber auch Eindämmung von Gewalt im rere Zehntausend Schuss Munition lagern. Erst kürzlich Fernsehen und auf Internetplattformen einzufordern, ist – es ist schon angesprochen worden – wurden aus einem schwieriger, als die Forderung nach gesetzlichen Rege- Schützenhaus Waffen entwendet. Dadurch wurden Fa- lungen im Waffenrecht zu erheben; umso mehr gilt das milientragödien mit mehreren Toten ausgelöst. für die Erfüllung solcher Forderungen. Deshalb kann die derzeitige Diskussion über Änderungen im Waffenrecht Das Verbot von großkalibrigen Waffen, vor allem nur ein Baustein sein, wenn es darum geht, solche Taten Kurzwaffen, im Schießsport halten wir für eine Maß- in Zukunft zu erschweren. Die Änderungen liegen in der nahme zur Eindämmung der Anzahl besonders gefährli- Zuständigkeit des Bundes, des Bundestages; der Vollzug cher Waffen. Es ist kein Zufall, dass die olympischen des Waffenrechts und die Kontrolle der gesetzlichen Disziplinen bis auf die Flinte zum Skeet- oder Trap- Vorschriften aber obliegen den Ländern. Deshalb ist es Schießen ausschließlich aus sportlichem Schießen mit (B) zu begrüßen, dass sich eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Druckluft- und Kleinkaliberwaffen gebildet werden. Es (D) gebildet hat, die sich mit den vielfältigen Vorschlägen gibt auch kein gesellschaftlich anerkanntes Bedürfnis, zur Änderung des Waffenrechts befasst. mit großkalibrigen Waffen, wie sie etwa von Polizeibe- hörden oder Streitkräften genutzt werden, Sport zu be- Ich will Ihnen die Überlegungen der SPD-Bundes- treiben. tagsfraktion zu möglichen Änderungen darstellen. Ich betone, dass wir keine Placebos oder Scheinlösungen an- Die Entwicklung technischer Sicherungssysteme für bieten wollen. Waffen hat in den letzten Jahren Fortschritte gemacht. Waffen können sowohl im Lauf als auch im Abzug und Wir sollten die augenblickliche Sensibilität der Be- auch im Patronenlager elektronisch, mechanisch und bio- völkerung nutzen, um möglichst viele illegale Waffen metrisch gegen unbefugten Zugriff gesichert werden. aus dem Verkehr zu ziehen. Deshalb wollen wir eine be- Die Kosten hierfür halten sich inzwischen in einem über- fristete Amnestieregelung und unterstützen entspre- schaubaren Rahmen. Eine so erreichte Schussunfähig- chende Initiativen. keit der Waffe bietet das größte Maß an Sicherheit vor (Beifall des Abg. Dr. Dieter unberechtigtem Zugriff. Wiefelspütz [SPD]) Wir fordern auch ein Verbot von gefechtsähnlichen Schießsportübungen. Eine weitere Maßnahme, die wir noch in dieser Legis- laturperiode auf den Weg bringen könnten, ist die Schaf- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der fung eines zentralen Waffenregisters. In diesem Zusam- CDU/CSU) menhang sollten wir überlegen, wie es bei Vorhandensein solcher Waffenregister gelingen könnte, Bereits nach geltendem Recht ist kampfmäßiges Schie- Warnzeichen, Signale oder auffälliges Verhalten, zum ßen im Sport verboten. Es haben sich aber einzelne Beispiel geäußerte Gewaltfantasien, und die Informa- Schießsportdisziplinen entwickelt, die zwar nicht unmit- tion, dass sich im Umfeld der Person Waffen befinden, telbar als kampfmäßiges Schießen eingestuft werden zu nutzen, um schon vor einer Tat einschreiten zu kön- können, die aber dessen Charakter sehr nahe kommen. nen. Bei diesem IPSC- oder Western-Schießen wird auf be- wegliche Ziele, die Menschen darstellen oder symboli- Ein Gesetz braucht Kontrolle. Das heißt, dass die ord- sieren, geschossen. Es ist nicht ersichtlich, wie das nungsgemäße Aufbewahrung der Waffen und der ord- Schießen aus der Bewegung, ein Stellungswechsel unter nungsgemäße Transport stärker kontrolliert werden müs- Ausnutzung von Deckungsmöglichkeiten sowie die Ein- sen. Zum einen könnte es Informationen und Kontrollen beziehung von Schieß- und Nicht-Schießelementen in 23634 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 217. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 23. April 2009

Gabriele Fograscher (A) die Übung als sportliches Schießen angesehen werden Misstrauen gegenüber Sportschützen, Waffensammlern (C) können. Dabei handelt es sich um die Nachahmung und Jägern zu schüren. Wir wollen schlicht und einfach dienstlichen Schießens von militärischen und polizeili- Folgendes erreichen: Der spontane Zugriff auf Schuss- chen Spezialeinheiten. waffen soll erschwert werden. Wir schlagen vor, Schuss- waffen grundsätzlich nur noch in Schützenvereinen oder Außerhalb des Waffenrechts stehend, aber mit der an anderen geeigneten Stellen aufzubewahren, wo sie Thematik verwandt ist das sogenannte Paintball- oder selbstverständlich bewacht werden müssen. Gotcha-Schießen. Hierbei wird mit Farbkugeln auf an- dere Menschen geschossen. Dieses „Spiel“ verletzt in (Helmut Brandt [CDU/CSU]: Wenn der Wächter meinen Augen die Menschenwürde. der Täter ist, was passiert dann?) (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem Für all jene, die ihre Waffen legal nutzen, beispiels- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) weise für Sportschützen, stellt das wirklich nur eine kleine Hürde dar. Wozu sollten sie denn ihre Waffen un- Deshalb wird in der schon erwähnten Bund-Länder-Ar- bedingt zu Hause lagern? Im Garten dürfen sie sowieso beitsgruppe mit Recht über Möglichkeiten für ein Verbot nicht schießen. Für all jene aber, die spontan und wider- nachgedacht. rechtlich zu Waffen greifen wollen, um damit Verbre- Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch chen zu begehen, würde unser Vorschlag eine große einmal betonen, dass vor den Amokläufen in Emsdetten, Hürde darstellen. Auch die Gefahr, dass Einbrecher in Erfurt und Winnenden grob fahrlässig gegen geltendes den Besitz von Schusswaffen kommen – das ist hier Waffenrecht verstoßen wurde. Alle gesetzlichen Rege- schon erwähnt worden –, würde unseres Erachtens deut- lungen können nur dann wirksam sein, wenn sie einge- lich verringert. Natürlich kann man es nicht gänzlich halten und kontrolliert werden. verhindern, dass am Aufbewahrungsort eingebrochen wird; aber es ist, wie gesagt, wichtig, eine Hürde aufzu- Neben den von mir genannten Überlegungen zu Än- bauen. derungen im Waffenrecht brauchen wir eine breit ange- legte und intensive Diskussion über gesellschaftliche Ur- Wie Sie wissen, hat der Amokläufer von Winnenden sachen und Fehlentwicklungen. wie andere vor ihm davon profitieren können, dass sein Vater eine Schusswaffe ungesichert zu Hause aufbe- Vielen Dank. wahrte, zusammen mit der Munition. Es ist schon gesagt (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem worden: Das hätte nicht sein dürfen; die Gesetze sind BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nicht eingehalten worden. Die Linke sagt hier ganz klar: Der Gesetzgeber muss dafür Sorge tragen, dass so etwas (B) nicht mehr sein darf. (D) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Für die Fraktion Die Linke hat die Kollegin Ulla Unser Antrag greift weit weniger in die Rechte der Jelpke das Wort. Bürgerinnen und Bürger ein, als es viele andere Vor- schläge tun. Wir wollen Waffenbesitzern nicht zumuten, (Beifall bei der LINKEN) dass alle paar Tage eine unangekündigte Inspektion statt- findet. Herr Wolff, ein Schornsteinfeger kommt ange- Ulla Jelpke (DIE LINKE): meldet, oftmals nur einmal im Jahr. Wenn man eine In- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der spektion ankündigen würde – das wissen auch Sie –, Amoklauf von Winnenden hat deutlich gemacht, dass es dann wäre der Waffenschrank natürlich abgeschlossen. dringenden politischen Handlungsbedarf gibt. Die Frak- tion Die Linke will erreichen, dass Schusswaffen aus (Helmut Brandt [CDU/CSU]: Das war nicht Privathaushalten entfernt werden. Herr Grindel, niemand sein Vorschlag!) behauptet hier – auch wir nicht –, dass man durch Geset- Inspektionen wären keine Lösung; sie würden eine zesänderungen oder -verschärfungen solche tragischen Misstrauenserklärung gegenüber all denen darstellen, Ereignisse in Zukunft verhindern könnte; aber wir kön- die verantwortungsvoll mit ihren Waffen umgehen. Wir nen auch nicht den Mord an 15 Menschen durch einen wollen, dass die Waffen aus den Wohnungen verschwin- Amokläufer einfach hinnehmen, ohne uns über Konse- den und in einbruchssicheren, bewachten Safes gelagert quenzen Gedanken zu machen. werden. Uns ist völlig klar, dass unser Antrag dem Miss- (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das tut ja nie- brauch illegaler Waffen, von denen hier heute schon die mand! – Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Rede war – schätzungsweise sind etwa 20 Millionen sol- Das tut wirklich keiner!) cher Waffen im Umlauf –, nicht beikommen kann. Ich möchte am Ende meiner Rede darauf verweisen, – Das habe ich Ihnen auch nicht vorgeworfen. Bleiben dass die Angehörigen der Opfer von Winnenden einen Sie einmal sachlich! sehr wichtigen offenen Brief an die Politikerinnen und Wir haben in den letzten Wochen zahlreiche Briefe Politiker, an die Gesellschaft verfasst haben, in dem es zum Beispiel von Schützen, Jägern und Waffensamm- um sehr viel mehr als nur um das Waffenrecht geht. Ich lern erhalten. Sie alle enthielten die Befürchtung, dass meine, die eigentliche Debatte muss sich mit den Ursa- jetzt vor allem die Schützen pauschal bestraft und vor- chen und mit der Frage beschäftigen: Wie können wir es verurteilt werden sollen. Ich möchte hier für die Linke zukünftig verhindern, dass Amokläufe wie die von Er- klar sagen, dass es uns nicht darum geht, ein generelles furt und Winnenden anderswo stattfinden?