Plenarprotokoll 18/240
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Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 240. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2017 24551 Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): (C) Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Gleis 17, Waggon 1, rein und ab. Mit diesem Satz antwortete im Jahr 2015 ein Kreisrat der NPD auf die Frage von Journalisten der Frankfurter All- gemeinen Zeitung, was mit straffälligen Asylsuchenden geschehen solle. Das Gleis 17 im Bahnhof Berlin-Grunewald steht heute symbolisch für die Deportation der Berliner Juden. Von dort fuhr der erste Transport, mit dem in den Jahren Vizepräsidentin Michaela Noll: von 1941 bis 1945 rund 50 000 Berliner Juden vor allem Vielen Dank, Frau Kollegin. – Damit ist die Aktuelle in das Konzentrationslager Theresienstadt und das Ver- Stunde beendet. nichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurden. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf. Die widerliche Einlassung des NPD-Funktionärs steht exemplarisch für das Denken und Handeln seiner Par- – Zweite und dritte Beratung des von den Frak- tei. Sie missachtet die Menschenwürde, sie will unsere tionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten freiheitliche demokratische Grundordnung beseitigen. Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ihr biologistischer Rassismus, ihr militanter Antilibera- Grundgesetzes (Artikel 21) lismus, Antiindividualismus und Antisemitismus begrün- den eine Wesensverwandtschaft zur NSDAP. Gleichwohl Drucksache 18/12357 wird die Arbeit dieser Partei bis heute ganz wesentlich aus Steuergeldern fnanziert. Denn nach dem Parteienge- – Zweite und dritte Beratung des von den Frak- setz erhalten alle Parteien, die bei Parlamentswahlen ei- tionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten nen bestimmten Anteil von Stimmen auf sich vereinigen, Entwurfs eines Gesetzes zum Ausschluss staatliche Mittel zu ihrer Finanzierung. In den letzten verfassungsfeindlicher Parteien von der Jahren waren das im Falle der NPD mehr als 1,2 Millio- Parteienfnanzierung nen Euro pro Jahr. Drucksache 18/12358 Mit dem Gesetz, das wir heute beschließen, werden (B) (D) – Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat wir die Grundlage dafür legen, um der NPD diese Fi- eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur nanzierung entziehen zu können. Denn jeder Cent für die Änderung des Grundgesetzes zum Zweck NPD ist ein Cent zu viel. des Ausschlusses extremistischer Parteien (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD so- von der Parteienfnanzierung wie bei Abgeordneten der LINKEN) Drucksache 18/12100 Lange Zeit ist sehr kontrovers diskutiert worden, ob ein solcher Ausschluss von der staatlichen Teilfnanzie- – Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat rung zulässig ist, weil er tief in die verfassungsrechtlich eingebrachten Entwurfs eines Begleitgesetzes gesicherte Stellung der politischen Parteien eingreift und zum Gesetz zur Änderung des Grundgeset- ihre Chancengleichheit beeinträchtigt. zes zum Zweck des Ausschlusses extremis- tischer Parteien von der Parteienfnanzie- Diese Kontroverse hat das Bundesverfassungsgericht rung mit seinem Urteil vom 17. Januar 2017 entschieden, als es darauf aufmerksam machte, dass es dem verfassungs- Drucksache 18/12101 ändernden Gesetzgeber sehr wohl freistehe, neben dem Parteiverbot weitere Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Beschlussempfehlung und Bericht des Innen- Parteien mit verfassungsfeindlichen Zielen zu schaffen. ausschusses (4. Ausschuss) Der Bundesrat auf der einen Seite, die Fraktionen von Drucksache 18/12846 CDU/CSU und SPD auf der anderen Seite haben diesen Über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Hinweis mit zwei Gesetzesinitiativen aufgegriffen, die Grundgesetzes werden wir später namentlich abstimmen. die gleiche Zielsetzung verfolgen. Unser Gesetzentwurf erscheint mir insbesondere deshalb vorzugswürdig, weil Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für er neben dem Wegfall der staatlichen Teilfnanzierung die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei- und der steuerlichen Begünstigungen für Parteien auch nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. den Wegfall der steuerlichen Begünstigung von Zuwen- dungen an verfassungswidrige, aber nicht verbotene Par- Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst teien regelt. Dr. Stephan Harbarth für die CDU/CSU-Fraktion. Klar ist dabei auch: Der Ausschluss verfassungsfeind- (Beifall bei der CDU/CSU) licher Parteien kann nur eines von vielen Instrumenten 24552 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 240. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 22. Juni 2017 Dr. Stephan Harbarth (A) sein, mit denen sich die wehrhafte Demokratie gegen Ulla Jelpke (DIE LINKE): (C) jede Form von Extremismus verteidigen muss, und zwar Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Neofa- gleichgültig, ob dieser Extremismus vom linken oder schistische Parteien sollen vom Staat nicht länger geför- vom rechten Rand des politischen Spektrums kommt. dert werden. Das ist der Kern der Gesetzentwürfe, die wir heute hier besprechen. Die Möglichkeit des Ausschlusses von der staatlichen Teilfnanzierung ist ein wichtiges Signal in einer Zeit, Ich will vorausschicken: Der Entzug der Parteienfnan- in der das rechtsextremistische Personenpotenzial nach zierung ist zweifellos ein schwerer Eingriff in die Chan- einem jahrelangen Rückgang wieder Zulauf erhält und cengleichheit der Parteien. Es geht im Fall der NPD – wir sich sein linksextremistisches Pendant auf einem zu ho- haben es eben schon gehört – darum, dass sie mehr als hen Niveau stabilisiert. 1 Million Euro im Jahr bekommt. Deren Verlust wird sie schwer treffen. Da werden wir alle hier im Saal wahr- Der Ausschluss einer Partei von der staatlichen Teil- scheinlich sagen: Recht so. – Aber wir müssen natürlich fnanzierung greift in gravierender Weise in die verfas- die rechtlichen und politischen Fragen ernst nehmen, die sungsrechtlich gesicherte Chancengleichheit von Par- sich ergeben, wenn man eine Partei, die nicht verboten teien ein. Es bedarf deshalb eines Verfahrens, das so ist, von der staatlichen Parteienfnanzierung ausschließt. ausgestaltet sein muss, dass nicht einmal der Anschein entstehen kann, dass ein solcher Ausschluss von anderen (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Parteien instrumentalisiert werden soll, um sich misslie- Die Linke hat es sich in der Tat nicht leicht gemacht. biger Konkurrenz zu entledigen. Es ist deshalb richtig Wir haben ausführlich darüber diskutiert, und wir haben und wichtig, dass allein das Bundesverfassungsgericht zur Sachverständigenanhörung sogar jemanden eingela- über den Ausschluss entscheiden wird und andere Ideen, den, der ein expliziter Kritiker dieser Neuregelung ist. die zunächst ventiliert worden waren, nicht weiterver- Herr Lichdi hat dabei betont, dass das Grundgesetz keine folgt wurden. „Verfassungstreuepficht der Parteien“ kennt und demo- kratiefeindliche Parteien deswegen nicht schlechterge- In den parlamentarischen Beratungen sind zwei Kor- stellt werden dürfen. rekturen vorgenommen worden. Erstens. Der Gesetzent- wurf sah ursprünglich eine Frist von vier Jahren vor, nach Für einen Teil meiner Fraktion ist dieses Argument so deren Ablauf die sanktionierte Partei eine Überprüfung gewichtig, dass sich einige Abgeordnete heute enthalten verlangen kann. Wir werden diese Überprüfung nun so werden. Eine Mehrheit in meiner Fraktion nimmt dieses ausgestalten, dass es nach einer Frist von sechs Jahren Argument ebenfalls sehr ernst, möchte ihm aber entge- zu einem automatischen Erlöschen des Ausschlusses von genhalten: Es gibt auch keine Pficht der Gesellschaft, (B) der staatlichen Teilfnanzierung kommt – verbunden mit Parteien zu fnanzieren, die demokratische Grundrechte (D) der Möglichkeit für die antragsbefugten Stellen, eine einschränken wollen, die sogar ebendieser Gesellschaft Verlängerung des Ausschlusses zu beantragen. Auf die- das Existenzrecht absprechen se Weise bleiben Bundesrat, Bundesregierung und Bun- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) destag Herren des Verfahrens. Darüber hinaus werden wir – zweitens – durch den Änderungsantrag, den wir und eine dermaßen faschistische Ideologie verbreiten. im Ausschuss vorgelegt haben, den Ausschluss von der Teilfnanzierung auch auf Ersatzparteien erstrecken, um Das Grundgesetz selbst kennt das Verbot einer Partei. Umgehungsversuchen entgegenzutreten. Von daher liegt es auf der Hand, dass man auch eine min- derschwere Sanktion wie den Entzug staatlicher Wahl- Ich wünsche dem Gesetzentwurf eine breite Zustim- kampfkostenerstattung zulassen kann – mung und würde mich freuen, wenn auch die beiden (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Oppositionsfraktionen diesen Vorschlägen zustimmen und wir damit gemeinsam die wehrhafte Demokratie in immer vorausgesetzt, dass das Bundesverfassungsgericht Deutschland stärken können. diese Entscheidung trifft, und so steht es auch in der Ge- setzesvorlage. Für mich jedenfalls ist Faschismus keine Als Unionsfraktion erwarten wir, dass nach Inkraft- Meinung im demokratischen Wettbewerb, sondern ein treten des Gesetzes mit einem gründlich vorbereiteten Verbrechen, und Verbrechen dürfen sich nicht lohnen. Antrag zeitnah ein Verfahren zum Ausschluss der NPD aus der Teilfnanzierung auf den Weg gebracht wird, und (Beifall bei der LINKEN) ich persönlich möchte dafür werben, dass dies mit Betei- Deswegen – das ist die mehrheitliche Meinung in meiner ligung dieses Hohen Hauses geschehen kann. Fraktion – sollen Naziparteien keinen Cent mehr vom Staat bekommen, und niemand, der Naziparteien Geld Herzlichen Dank. spendet, soll das von der Steuer absetzen dürfen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (Beifall bei Abgeordneten