Bahan Ajar untuk Presentasi Mahasiswa

Regierungswechsel

Anlass für den Regierungswechsel

Infolge der mit der zweiten Ölpreisexplosion 1979 eintretenden Wirtschaftskrise mit Massenarbeitslosigkeit, hoher Inflationsrate und anhaltender Wachstumsschwäche plädiert die FDP, der liberale Koalitionspartner der SPD, immer deutlicher für harte Einschnitte bei den staatlichen Ausgaben und für eine Neuorientierung der Wirtschaftspolitik.

Das am 9. September 1982 von Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff (FDP) dem Bundeskanzler überreichte "Strategiepapier" zur Bewältigung der wirtschaftlichen Probleme verlangt entschiedene Sparmaßnahmen durch tiefe Einschnitte ins soziale Netz. Nachdem Schmidt am 17. September 1982 Lambsdorffs Thesenpapier als "Scheidungsbrief" bezeichnet und die Entlassung des Wirtschaftsministers erwägt, erklären die vier FDP-Minister ihren Rücktritt. CDU und FDP waren nun vor die Entscheidung gestellt, den Kanzler zu stürzen oder Neuwahlen anzustreben.

Durch den Bruch der Koalition gerät die FDP in eine Existenzkrise. Innerparteilich waren die Widerstände gegen einen Wechsel zu einer Koalition mit der CDU/CSU erheblich. In einem Beschluss vom 25. September fordern 700 Linksliberale den Parteivorsitzenden Genscher zum sofortigen Rücktritt auf. Die Anhänger für eine Koalition mit den Unionsparteien setzen sich durch. Genscher wird auf dem FDP- Parteitag (7. November 1982) als Parteivorsitzender bestätigt. .

Die Wahl des neuen Bundeskanzlers

Am 1. Oktober 1982 bringen die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP einen Antrag auf ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Helmut Schmidt im ein. Aus der Abstimmung geht der CDU-Partei- und CDU/CSU- Fraktionsvorsitzende als neuer Bundeskanzler hervor.

In der Debatte vor der Abstimmung sprach Helmut Schmidt von einem "Vertrauensbruch ohne Wählerauftrag" und forderte sofortige Neuwahlen.

Helmut Kohl (1930 - ), Kanzler der Bundesrepublik Deutschland von 1982 bis 1998

Aufnahme im Jahre 1994

Mit besonderer Genehmigung des Bildautors Josef Albert Slominski (slomifoto). Link: www.slomifoto.de

In Kohls erstem Kabinett (4.10.1982 – 30.3.1983) ist die CDU mit 8, die CSU und die FDP sind mit je 4 Ministern vertreten. Die neue Ministerriege deckt ein recht breites mittleres bis

1 rechtes Spektrum von sozialreformerischen bis ordnungspolitischen Orientierungen ab.

Zusammensetzung des ersten Kabinetts Kohl (4.10.1982 - 30.3.1983): Bundeskanzler: Helmut Kohl (CDU), Auswärtiges: Hans-Dietrich Genscher (FDP), Inneres. (CSU), Justiz: Hans A. Engelhard (FDP), Finanzen: (CDU), Wirtschaft: (FDP), Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: (FDP), Arbeit und Sozialordnung: Norbert Blüm (CDU), Verteidigung: Manfred Wörner (CDU), Jugend, Familie und Gesundheit: Heiner Geißler (CDU), Verkehr: (CSU), Post- und Fernmeldewesen: Christian Schwarz-Schilling (CDU), Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Oscar Schneider (CSU), Innerdeutsche Beziehungen: (CDU), Forschung und Technologie: (CDU), Bildung und Wissenschaft: (CDU), Wirtschaftliche Zusammenarbeit: Jürgen Warnke (CSU).

Regierungsprogramm

In seiner ersten Regierungserklärung, die Helmut Kohl am 13. Oktober 1982 abgibt, kündigt er eine "geistig-moralische Wende" und eine "Politik der Erneuerung" an. Die Wirtschaftskrise soll mit einem "Dringlichkeitsprogramm" überwunden werden. Als Schwerpunkte nennt Kohl: 1. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze 2. Die Sicherung des sozialen Netzes 3. Eine Ausländerpolitik, die sowohl Integration als Rückführung ermöglicht. 4. Eine Erneuerung der Grundlagen in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. 4. In der Ost- und Deutschlandpolitik sollen die bestehenden Verträge eingehalten und die laufenden Verhandlungen fortgesetzt werden.

Die Gefährdung der Sozialversicherung führt der neue Bundeskanzler auf die "unkorrigiert überzogenen Ansprüche an den Staat und die soziale Sicherung" zurück. Im Mittelpunkt einer neuen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik sollen "Freiheit, Dynamik und Selbstverantwortung" stehen. Der Staat müsse "auf seine ursprünglichen und wirklichen Aufgaben zurückgeführt" und "die sozialen Leistungen von Staat und Gesellschaft auf die wirklich Hilfsbedürftigen" konzentriert werden.

Neuwahlen

Nach der Regierungsbildung verbleibt das Problem von Neuwahlen. Das Grundgesetz sah keine Möglichkeit einer Parlamentsauflösung oder vorgezogener Neuwahlen vor. Um die Auflösung des Bundestags und Neuwahlen zu erreichen, stellt Bundeskanzler Kohl am 17. Dezember 1982 die Vertrauensfrage. Verabredungsgemäß enthalten sich 248 Abgeordnete von CDU/CSU und FDP ihrer Stimme, so dass Helmut Kohl die Mehrheit verfehlt. Dem Ersuchen um Auflösung des Bundestags folgt Bundespräsident am 7. Januar 1983 trotz seiner verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das angewandte Verfahren. Seine Entscheidung begründet er mit der "Einigkeit aller Parteien" und mit der "politischen Ausnahmesituation". Das Bundesverfassungsgericht bestätigt Mitte Februar 1983, dass der Bundespräsident, gestützt auf die 'Einschätzungs- und Beurteilungskompetenz' des Bundeskanzlers, legitimiert gewesen sei, den Bundestag vorzeitig aufzulösen.

Bei einer Wahlbeteiligung von 89,1% bringt die vorgezogene Bundestagswahl am 6. März 1983 eine deutliche Bestätigung der christlich-liberalen Regierungskoalition. Die Unionsparteien kommen bei einem Zuwachs von 4,3% mit 48,8% der Stimmen auf das nach 1957 beste Ergebnis ihrer Geschichte. Die FDP verlor zwar 3,6% gegenüber 1980, erhielt jedoch trotz der innerparteilichen Auseinandersetzungen 7,0% der Stimmen. Die SPD erlitt mit 38,2% einen Verlust von 4,7%. Einen überraschenden Erfolg verbuchen die Grünen, die mit 5,6% Stimmenanteil erstmals in den Bundestag einziehen..

CDU/CSU und FDP schließen am 22. März 1982 eine Koalitionsvereinbarung auf der Basis des Regierungsprogramms vom Oktober 1982. Bei der Wahl des Bundeskanzlers am 29. März erhält Helmut Kohl 271 von 486 gültigen Stimmen. Die Besetzung des

2 Kabinetts bleibt bis auf zwei Ressorts unverändert. In seiner Regierungserklärung nennt Kohl folgende Schwerpunkte: Fortsetzung der Verständigung mit den osteuropäischen Staaten, Verbesserung der Rahmenbedingungen für einen wirtschaftlichen Aufschwung, Abbau der Massenarbeitslosigkeit.

Wirtschafts- und Finanzpolitik 1982 - 1987

. Wirtschaftliche Situation 1981 - 1982

Wachstumsrate Inflationsrate Arbeitslose (in Arbeitslosenquote Jahr Bruttosozialprodukt (in %) 1000) (in %) (in %)

1981 6,3 1272 5,1 0,0 1982 5,2 1833 7,2 - 1,1

. Als Folge der Wirtschaftskrise erreicht die Zahl der Insolvenzen mit 11.916 Konkursen und Vergleichsverfahren von Unternehmen im Jahr 1982 einen Nachkriegsrekord.

. Generelle Orientierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik

Bekämpfung und Überwindung von Wachstumsschwäche und Massenarbeitslosigkeit durch verbesserte Produktionsbedingungen. Das wirtschaftliche Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen sollen über die Verbesserung der Bedingungen auf der Angebotsseite erreicht werden (Angebotsorientierte Wirtschaftspolitik).

Auf Investitionen des Staates soll während des Konjunkturabschwungs grundsätzlich verzichtet werden. Die Grundlage für die Aufwärtsentwicklung der Wirtschaft wird in der Selbstregelungskraft des Marktes über Angebot und Nachfrage und in der an der volkswirtschaftlichen Produktion orientierten Steuerung der Geldmenge durch die Zentralbank gesehen (Monetarismus).

In der Finanzpolitik verfolgt die Bundesregierung den Leitsatz "Über geordnete Finanzen zu einem geordneten Staat". Der Bundeshaushalt soll durch Senkung der Neuverschuldung konsolidiert werden. Dieses Ziel erhielt absolute Priorität vor steuerlichen Erleichterungen. In diesem Sinne verkündet Helmut Kohl eine "Atempause in der Sozialpolitik".

Maßnahmen zur Konsolidierung des Haushalts

Am 16. Dezember 1982 beschließt der Bundestag gegen die Stimmen der SPD-Opposition den geänderten Bundeshaushalt 1983. Das Haushaltsbegleitgesetz sieht zum 1. Januar 1983 zahlreiche Änderungen vor:

Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung werden von 4% auf 4,6% erhöht. Zugleich werden die Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit um 1,3 Mrd. DM gekürzt.

.

3 Der 1977 abgeschaffte Krankenversicherungsbeitrag für Rentner wird wieder eingeführt.

.

Leistungsminderungen beim Kinder- und Wohngeld.

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Verschiebung der Anpassungserhöhungen für Renten und Sozialhilfe.

Am 1. Juli 1983 wird die Mehrwertsteuer von 13 auf 14% erhöht.

Am 1. August 1983 tritt die Neufassung des Bundesausbildungsförderungsgesetze (BAföG) in Kraft. Die bisherige Förderung von Schülern entfällt fast vollständig, bezugsberechtigte Studenten erhalten nur noch ein zinsloses Darlehen.

Ab 1. Januar 1984 müssen die Empfänger verschiedener Sozialleistungen weitere Kürzungen ihrer Bezüge hinnehmen. Unter anderem erhalten Arbeitslose ohne Kinder nur noch 63% statt bisher 68% ihres früheren Nettoentgelts als Arbeitslosengeld.

Am 19. April 1985 beschließt der Bundestag die Anhebung der Rentenbeiträge um 0,5 auf 19,2%

Maßnahmen zur Ankurbelung der Investitionstätigkeit und der privaten Nachfrage

Personen mit höherem Einkommen soll für die Jahre 1983 und 1984 eine unverzinsliche, rückzahlbare Investitionshilfeabgabe von 5% der Steuerschuld abverlangt werden. Diese "Zwangsabgabe" wurde im November 1984 für verfassungswidrig erklärt.

Durch die Senkung der steuerlichen Belastung von Unternehmen (u. a. bei der Gewerbesteuer) und weitere steuerliche Anreize soll die Investitionstätigkeit angeregt werden.

Im Juni 1983 beschließt die Bundesregierung Subventionen für Stahlunternehmen in Höhe von 3 Mrd. DM.

Entsprechend der "Angebotsorientierten Wirtschaftstheorie" geht die Regierung Kohl davon aus, dass steigende Unternehmergewinne zu mehr Investitionen und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze führen. Eine andere Maßnahme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wird im März 1984 ergriffen: Ein Vorruhestandsgesetz soll es Arbeitnehmern vom 58. Lebensjahr an ermöglichen, vorzeitig in den Ruhestand zu treten, um jüngeren Arbeitslosen einen Arbeitsplatz freizumachen. .

Eine zentrale wirtschafts- und finanzpolitische Maßnahme lag in der Steuerreform, die 1986, 1988 und 1990 in drei Stufen umgesetzt wurde und die vor allem mit Steuerfreibeträgen operierten. Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen wurden durch die dreimalige Anhebung des Grundfreibetrags entlastet. Für Familien dieser

4 Einkommensgruppe wurden die Kinder- und Ausbildungsfreibeträge angehoben.

Internationale Währungs- und Wirtschaftspolitik

Die Finanzminister der Staaten des Europäischen Währungssystems legen im März 1983 neue Leitkurse innerhalb des Währungsverbundes fest. Die DM wird um 5,5% aufgewertet. Der französische Franc, der die Neuordnung erforderlich gemacht hatte, wird um 2,5% abgewertet.

Während des Jahres 1985 verfällt der Dollar in einem Maße, dass er den deutschen Export gefährdet. Die Forderung der USA, eine expansive Geld- und Wachstumspolitik zu betreiben, lehnte die Bundesregierung ab. Für sie hat die Stabilität der DM absoluten Vorrang. Im Gegenzug forderte die Bundesrepublik ihrerseits von der amerikanischen Regierung eine Politik des Haushaltsausgleichs. Die Spannungen zwischen der Bundesrepublik und den USA verstärken sich im Herbst 1987. Als der amerikanische Finanzminister drohte, den Wert des Dollars noch weiter fallen zu lassen - und damit den deutschen Export fast unmöglich zu machen -, kam es am 19. Oktober 1987 zum Börsenkrach. Wider Erwarten beruhigen sich danach die Turbulenzen.

Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzpolitik

Die wirtschaftspolitischen Erfolge der Regierung Kohl waren zum Teil beträchtlich. So lag das Wachstum des Bruttosozialprodukts, das 1982 noch um 1,1% abgenommen hatte, 1983 wieder bei 2,1%. Auch die Inflationsrate nahm ständig ab. Nicht erfolgreich war die Regierung Kohl beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Noch im Jahr 1989 gab es 2,04 Millionen Arbeitslose.

Wachstumsrate Inflationsrate Arbeitslose (in Arbeitslosenquote Jahr Bruttosozialprodukt (in %) 1000) (in %) (in %)

1982 5,2 1833 7,2 -1,1 1983 3,3 2258 8,8 2,1 1984 2,4 2266 8,8 3,1 1985 2,0 2304 8,9 1,9

. Gleichzeitig mit dem Regierungswechsel setzte im Winter 1982/83 ein zunächst verhaltener, allerdings lang andauernder konjunktureller Aufschwung ein. Zunächst stiegen die Gewinne der Unternehmen stärker als die Investitionen. Nach 1985 nahm die Investitionstätigkeit erheblich zu. Aufgrund des hohen Dollarkurses stieg ab 1984 auch der Export. Nach dem Verfall des Dollars zwischen 1985 und 1987 stagnierte zwar der Export, doch nahmen die Ausfuhrüberschüsse weiterhin zu.

Der Preisverfall beim Erdöl bewirkte Mitte der achtziger Jahre einen Kaufkraftschub von etwa 40 Mrd. DM. Nicht zuletzt trugen die privaten Haushalte, die durch die Steuerreform entlastet worden waren, zur Erhöhung der Inlandsnachfrage bei. Begünstigt durch Kostenminderungen und hoher Inlandsfrage ging der zunächst moderate Aufschwung in eine Hochkonjunktur über.

Die Annahme, das steigende Unternehmergewinne auch zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen führen, ging bis 1989 nur unzureichend in Erfüllung. Ein weiterer Grund für die hohe Arbeitslosigkeit lag in den achtziger Jahren in der erhöhten Nachfrage nach

5 Erwerbstätigkeit durch geburtenstarke Jahrgänge und insbesondere durch Frauen.

Außenpolitik 1982 - 1987

Regierungsprogramm

Die "Doppelstrategie", nämlich einerseits Sicherheitsvorkehrungen für den Fall eines militärischen Angriffs der Sowjetunion zu treffen und andererseits auf die Entspannung zwischen West und Ost hinzuwirken, hatte sich für die Bundesrepublik durchaus als erfolgreich erwiesen. In seiner Regierungserklärung von 1982 bekennt sich deshalb Helmut Kohl zum "NATO-Doppelbeschluss" vom Dezember 1979. Er bekräftigt ausdrücklich, dass neue amerikanische Mittelstreckenraketen in Europa stationiert werden sollen, falls die in Genf geführten Verhandlungen über einen beiderseitigen Abbau des Potentials an Mittelstreckenraketen ohne Ergebnis verlaufen.

.

Der Bundeskanzler gibt das Ziel vor, die Beziehungen zu den USA, die am Ende der Regierung Schmidt stark gelitten hatten, wieder zu verbessern.

In der stellte sich die neue Bundesregierung auf die Grundlage der bestehenden Verträge. Gegenüber der DDR sollte auf bestehende Vereinbarungen aufgebaut und weitere Regelungen zur Konfliktvermeidung festgelegt werden (Schaffung eines "Modus vivendi"). Kohl bekräftigte zugleich das Ziel "Einheit in Freiheit", wies jedoch darauf hin, dass es "nur in historischen Zeiträumen" zu verwirklichen sei.

Die Stationierung der Mittelstreckenraketen

Die neue Bundesregierung muss - als erste außenpolitische Herausforderung - im Herbst 1983 nach dem erklärten Scheitern der Genfer Abrüstungsverhandlungen gegen die inneren Widerstände in der Bundesrepublik die Stationierung der Mittelstreckenraketen durchsetzen. Insbesondere sieht sich die Bundesregierung den Protesten der Friedensbewegung gegenüber. Seit dem Frühjahr 1983 war es zu zahlreichen Demonstrationen gegen die nukleare Nachrüstung gekommen. Auf dem Sonderparteitag der SPD am 18./19. November 1983 stimmen 383 der 400 Delegierten gegen die Aufstellung der US-amerikanischen Mittelstreckensysteme auf dem Boden der Bundesrepublik. Sie fordern die Fortführung der Verhandlungen bei gleichzeitigem Stopp der Stationierung von Seiten des Westens und den Beginn des Abbaus der auf Europa gerichteten SS-20-Raketen durch die Sowjetunion.

In seiner Regierungserklärung vom 21. November 1983 begründet Bundeskanzler Helmut Kohl die Stationierung der US-Mittelstreckenwaffen u. a. damit, dass die Sowjetunion trotz mehrerer Abrüstungsvorschläge des Westens auf ihren Maximalforderungen beharre. Wörtlich sagte Kohl: „Sie möchte unverändert die Aufstellung von nuklearen Mittelstreckenwaffen in Europa vollständig verhindern und sich das Monopol an landgestützten Mittelstreckenraketen sichern“. In namentlicher Abstimmung billigt der Bundestag am 22. November 1983 mit 286 gegen 225 Stimmen bei einer Enthaltung die Entscheidung der Bundesregierung, "fristgerecht den Beginn des Stationierungsprozesses einzuleiten". Die Durchsetzung des Beschlusses war ein politischer Kraftakt, den die Bundesregierung als Nachweis ihrer Bündnistreue

6 unternommen hatte.

Am 23. November 1983, nur einen Tag, nachdem der Bundestag der Stationierung neuer amerikanischer Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik zugestimmt hatte, unterbrach die Sowjetunion Abrüstungsverhandlungen in Genf. ( Bei diesen Verhandlungen hatte die NATO eine "Null-Lösung" vorgeschlagen: Verzicht auf die Nachrüstung, wenn die Sowjetunion ihre Mittelstreckenraketen abgebaut hat.). Wenige Monate später, im Frühjahr 1984, begann der Kreml mit Gegenmaßnahmen, unter anderem mit der Verlegung von Mittelstreckenraketen kürzere Reichweite nach Mitteleuropa.

Unter strenger Geheimhaltung werden am 23. November 1983 die ersten Komponenten der Pershing-II-Raketen in die Bundesrepublik eingeflogen und zum Militärdepot Mutlangen transportiert. Bundesverteidigungsminister Wörner (CDU) teilt am gleichen Tag mit, die Aufstellung der Mittelstreckenwaffen werde zur Jahreswende 1983/84 abgeschlossen sein. Das Bundesverfassungsgericht erklärt am 18. Dezember 1984 die Zustimmung der Bundesregierung zur Stationierung der Pershing-II-Raketen und Cruisemissiles für verfassungsgemäß und weist damit die Klage der Grünen- Bundestagsfraktion zurück.

Die Beziehungen zu den USA

Die US-Regierung unter Präsident Reagan betrieb ihre Außenpolitik im Verhältnis zu ihren Bündnispartnern als nationale Interessenpolitik. Bei den Genfer Abrüstungsverhandlungen wurde die Bundesregierung nicht konsultiert. Dies galt auch für die antikommunistische Konfrontationspolitik gegenüber der Sowjetunion in Reagans erster Amtszeit (1981 - 1985) und für das Rüstungsforschungsprogramm 'Stratetic Defense Initiative' (SDI, "Krieg der Sterne").

Mit dem Raketenabwehrsystem SDI sollte es eines Tages gelingen, feindliche Nuklearaketen schon während des Anflugs auszuschalten. In diesem Fall wäre es der Sowjetunion fast unmöglich geworden, nach einem Angriff auf ihr Territorium einen Gegenschlag durchzuführen.

Das Raketenabwehrsystem SDI versprach zwar absolute Sicherheit für die USA, unterminierte jedoch die gesamte Logik der atomaren Abschreckung. Außerdem beschwor es die Gefahr einer Abkopplung der dann unverwundbaren USA von Europa herauf.

Trotz der erheblichen Interessenunterschiede gab die Bundesregierung am 18. April 1985 der amerikanischen Bitte um Kooperation bei der Planung und Durchführung des Projekts eine bedingte und auf die Forschungsphase beschränkte Zustimmung. Die SPD-Bundestagsfraktion hatte sich bereits Anfang April auf ein bedingungsloses Nein zu SDI festgelegt.

Vom 1. bis 6. Mai 1985 besucht US-Präsident Ronald Reagan die Bundesrepublik, unterbrochen durch seine Teilnahme am Weltwirtschaftsgipfel der G-7-Staaten in Bonn. Reagan und Kohl bringen aus Anlass des 40. Jahrestages des Kriegsendes die Aussöhnung zwischen beiden Völkern zum Ausdruck. Die Visite im KZ Bergen-Belsen war erst nach heftigen Protesten in den USA und in der Bundesrepublik gegen den Besuch des Bitburger Soldatenfriedhofs ins Besuchsprogramm aufgenommen worden.

Im März 1985 werden die 'Rüstungskontrollverhandlungen' zwischen den USA und der

7 Sowjetunion wieder aufgenommen. In der zweiten Amtszeit Ronald Reagans (1985 - 1989) verstärkte sich die Kehrtwende der USA hin zu einer Wiederannäherung der beiden Supermächte. Die deutsche Bundesregierung wurde dabei nicht konsultiert. Im September 1987 schlossen die USA und die Sowjetunion in Washington ein Abkommen zum vollständigen Abbau der beiderseitigen Mittelstreckenwaffen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5000 km innerhalb von drei Jahren (INF-Abkommen).

Mit dem Abrüstungsschritt der beiden Großmächte war der zentrale Grund für den NATO-Doppelbeschluss weggefallen. In Europa sollen lediglich die Gefechtsfeldwaffen (Short Range Nuclear Forces - SNF) mit einer Reichweite unter 500 km verbleiben. Die von Helmut Kohl propagierte Politik der Abschreckung mit nuklearen Waffen von kurzer, mittlerer und langer Reichweite war praktisch aufgehoben. Im Bereich der konventionellen Bewaffnung stand Europa einer drückend überlegenen Sowjetunion gegenüber.

Erneut kam die Befürchtung einer "Abkoppelung" der selbst nicht bedrohten USA von Europa auf. Für beide deutsche Staaten kam die Bedrohung durch die atomaren Kurzstreckenwaffen hinzu. .

Die Beziehungen zur Sowjetunion

Die Ostpolitik der Regierung Kohl stand in den ersten Jahren ganz im Schatten des NATO-Doppelbeschlusses und der konfrontativen Beziehungen zwischen den USA und der Sowjetunion. Die Bundesregierung will die Entspannungspolitik der sozial-liberalen Regierung fortsetzen, vom NATO-Doppelbeschluss jedoch nicht abweichen.

Auf ihrem Besuch in Moskau vom 4. - 6. Juli 1983 können Bundeskanzler Kohl und Außenminister Genscher (FDP) im Gespräch mit dem sowjetischen Parteichef Jurij W. Andropow keine Annäherung der sicherheitspolitischen Standpunkte erzielen. Sowjetische Abrüstungsvorschläge werden von ihnen abgelehnt. Dennoch erklären beide Seiten ihre weitere Verhandlungsbereitschaft über die nukleare Mittelstreckenraketenrüstung in Europa und ihr Interesse, trotz der Kontroversen die Zusammenarbeit auf wirtschaftlicher Ebene auszubauen.

Hans-Dietrich Genscher (1927 - ), deutscher Außenminister von 1974 bis 1992

Bildquelle: www.genscher.de

Die Beziehungen zu Frankreich

Am 20. Januar 1983, also während der Kanzlerschaft Helmut Schmidts, hatte das französische Staatsoberhaupt Francois Mitterand in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag die enge Zusammenarbeit beider Staaten bei der Gestaltung der Zukunft und der Sicherheit Westeuropas bekräftigt. Mitterand betont zugleich die eigenständige Rolle

8 Frankreichs in nuklearstrategischen Fragen.

Am 29. September 1984 besuchen Francois Mitterand und Helmut Kohl gemeinsam zwei Soldatenfriedhöfe auf dem Schlachtfeld von Verdun, wo im Ersten Weltkrieg mehr als 500.000 Soldaten den Tod fanden, und gedenken den Toten beider Weltkriege. Die beiden Staatsmänner reichen sich über den Gräbern die Hände. Diese symbolträchtige Geste der deutsch-französischen Versöhnung findet in der internationalen Öffentlichkeit große Beachtung.

Am 5. Februar 1985 beschließen die Regierungen Frankreichs und der Bundesrepublik ihre Zusammenarbeit in der Bekämpfung des Terrorismus zu verstärken.

Europäische Einigung

Zu Beginn der Regierung Kohl stand die Europapolitik unter dem Zeichen der Agrar- und Budgetkrise der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EG) sowie der allgemeinen wirtschaftlichen Krise. Die Maßnahmen zur europäischen Einigung, die unter Helmut Schmidt primär ökonomisch ausgerichtet waren, erhielten unter Helmut Kohl zunehmend einen politischen Charakter.

In der Frage einer gemeinsamen europäischen Währung waren Bundesbank und Bundesregierung unterschiedlicher Meinung. Während sich die Deutsche Bundesbank um die Stabilität einer solchen Währung sorgte, sah die Bundesregierung darin einen Schritt hin zu einem europäischen Bundesstaat.

Zwischen der Bundesrepublik und Frankreich bestanden grundlegende Interessenkonflikte. Der französischen Regierung ging es um die Subventionierung der eigenen Landwirtschaft durch die Europäische Gemeinschaft. In der Frage einer europäischen Währungsunion strebte Frankreich "weichere" Kriterien für eine gemeinsame Währung an. Ihr sollte hauptsächlich die Aufgabe zukommen, die Dominanz der DM in Europa zu brechen.

Trotz der unterschiedlichen Interessen gaben Staatspräsident Mitterand und Bundeskanzler Kohl ihr gemeinsames Ziel, die europäische Einigung, nicht auf.

Die zehn Staats- und Regierungschefs der EG verabschieden auf ihrem Gipfeltreffen vom 17. bis 19.6.1983 in Stuttgart eine Deklaration zur Europäischen Union. Neben der weiteren Intensivierung der wirtschaftlichen Integration innerhalb der EG wollen sie der Gemeinschaft eine stärkere politische Rolle in der Weltpolitik verschaffen. Um den Charakter einer politischen Union kann jedoch keine Einigung erzielt werden.

Nach dem Scheitern ihrer Beratungen über Agrar-, Finanz- und Strukturfragen bei den Sitzungen des Europäischen Rates im Dezember 1983 über Beitragszahlungen Großbritanniens finden die Staats- und Regierungschefs auf ihrer Gipfelkonferenz am 26. Juni 1984 einen Kompromiss: Großbritanniens Premierministerin Margaret Thatcher kann sich mit der Forderung nach Senkung der britischen Beiträge weitgehend durchsetzen. Die Bundesrepublik kann nach Zustimmung der anderen Mitgliedstaaten die Subventionen für die deutsche Landwirtschaft erhöhen.

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Margaret Thatcher (* 1925), Premierministerin des Vereinigten Königreichs von 1979 bis 1990

TIME

Im Februar 1986 unterzeichnen die Mitgliedstaaten der EG die "Einheitliche Europäische Akte", die den Abbau von Handelshemmnissen und die Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes bis 1992 sowie den Ausbau "Europäischen Währungssystems" vorsieht.

Ost- und Deutschlandpolitik 1982 - 1987

Aus der Sicht von Außenminister Genscher bedurfte es nach dem Regierungswechsel in der Ostpolitik keiner nennenswerten Korrekturen. Als er im Oktober 1982 in Moskau mit dem sowjetischen Außenminister Gromyko sprach, gingen beide Seiten von einem "Höchstmaß an Kontinuität und Berechenbarkeit" aus.

Überraschend für viele betrieb Helmut Kohl eine aktive Ost- und Deutschlandpolitik. Sie verlief auf zwei Ebenen, zum einen in der ständigen Betonung der Rechtsstandpunkte der Bundesrepublik und des Selbstbestimmungsrechts, zum anderen in der praktischen Zusammenarbeit mit der DDR. Eine operative Wiedervereinigungspolitik betrieb die Bundesregierung nicht.

Die Betonung lag auf der Freiheit und Selbstbestimmungsrecht anstelle der territorialen Einheit. Selbstbestimmung, so erklärte Kohls außenpolitischer Berater Teltschik, dem sowjetischen Botschafter noch Ende September 1989, bedeute in der deutschen Frage konkret: Es könne "Einheit heißen, müsse es aber nicht zwangsläufig". .

Parallel zur offiziellen Außenpolitik verstärkte die SPD ihre Zusammenarbeit mit der SED. verfolgte das Konzept einer Sicherheitspartnerschaft, das mit dem atlantischen Sicherheitsbedürfnis der Bundesrepublik nicht vereinbar war. Die SPD sah eine "Relativierung der Westbindung" und eine grundsätzliche Abschwächung des Legitimationsvorbehalts gegen die DDR vor.

Die praktische Kooperation mit der DDR

Die Regierung Kohl verfolgt das Ziel, durch finanzielle Leistungen an die DDR Zusicherungen über humanitäre Erleichterungen zu erhalten. Am 29. Juni 1983 erhält die DDR einen vom bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (CSU) vermittelten Kredit westdeutscher Banken über eine Milliarde DM. Im Gegenzug wird Mitte September 1983 von der DDR eine Verordnung über Familienzusammenführung bekannt gegeben. Ende Juli 1984 übernimmt die Bundesregierung Bürgschaften für Kredite deutscher Banken an die DDR in Höhe von 950 Millionen DM. Als Gegenleistung sicherte die DDR die Senkung des Mindestumtausches für Rentner, den Abbau der

10 Selbstschussanlagen und zügigere Abfertigungen an der innerdeutschen Grenze zu. Außerdem wurden die Ausreisemöglichkeiten für DDR-Bürger erweitert.

Nach der Gewährung des zweiten Großkredits an die DDR warf die 'Prawda' in Moskau der Bundesrepublik vor, sie verfolge mit ihrer Politik die "Unterhöhlung" der sozialistischen Ordnung der DDR.

Die 1975 unterbrochenen Verhandlungen über ein Kulturabkommen zwischen der Bundesrepublik und der DDR wurden im Frühjahr 1983 wieder aufgenommen und führten 1986 zur Unterzeichnung in Ostberlin.

Anlässlich der Trauerfeierlichkeiten für den am 9. Februar 1984 verstorbenen Staats- und Parteichef Andropow treffen sich erstmals Bundeskanzler Kohl und DDR- Staatsratsvorsitzender Honecker am 13.2.1984 in Moskau zu einem Gespräch zusammen. Mit der Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung über ihre Erwartungen an die am 17. Januar 1984 in Stockholm begonnene Konferenz über Vertrauensbildung und Abrüstung signalisieren sie ihre Bereitschaft, den Ost-West-Dialog fortzusetzen und die deutsch-deutschen Beziehungen weiterzuentwickeln.

Erich Honecker (1912 - 1994), 1976 - 1989 Vorsitzender des DDR-Staatsrats

Am 15. Februar 1985 tritt eine neue Transit-Anordnung der DDR in Kraft: Künftig können alle für den Transitverkehr zugelassenen Grenzübergänge benutzt werden. Die für die Transitstrecken bisher geltenden Routenbeschränkungen entfallen.

In einer gemeinsamen Erklärung von Bundeskanzler Kohl und dem DDR- Staatsratsvorsitzenden Honecker am 12. März 1985 heißt es, dass die Unverletzlichkeit der Grenzen, die Beachtung der territorialen Integrität und der Souveränität aller Staaten in Europa in ihren gegenwärtigen Grenzen eine grundlegende Bedingung für den Frieden seien. Von deutschem Boden dürfe nie wieder Krieg, sondern müsse Frieden ausgehen ("Deutschlanderklärung").

Der Besuch Honeckers in der Bundesrepublik, der auf sowjetischen Druck hin immer wieder verschoben worden war, kam im September 1987 zustande. Dem Bundeskanzler gelang die schwierige Aufgabe, eine Balance zwischen der Symbolik gleichberechtigter Zweistaatlichkeit und dem prinzipiellen Legitimationsvorbehalt gegen das Vorhandensein von zwei deutschen Staaten zu finden. Kohl bekannte sich zum Verfassungsauftrag, "in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden". Allgemein wurde Honeckers Besuch als die politische Anerkennung der DDR durch die Bundesrepublik aufgefasst.

Innenpolitik 1982 - 1987

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Ausländerpolitik

Trotz des Anwerbestopps von 1973 war die Zahl der Ausländer aufgrund von Familiennachzug und höheren Geburtenraten nicht wesentlich zurückgegangen, sondern auf einer Höhe über 4 Millionen verblieben. Anfang der achtziger Jahre nahm die Anzahl der Asylbewerber zu, so dass die Zahl der Ausländer in der BRD 1981/82 auf über 4,6 Millionen anstieg. Angesichts dieser Entwicklung verfolgen alle Bundesregierungen eine Doppelstrategie von Zuzugsbegrenzung einerseits und Förderung der Rückführung andererseits. Auch die Integration der Ausländer in der Bundesrepublik wird gefördert.

In der neuen Regierungskoalition kommt es zu erheblichen Differenzen über das Maß und die Handhabung der Integration. Da Rückführungen rechtlich sehr eingeschränkt möglich waren, wurde in den achtziger Jahren die Anzahl der Ausländer in der Bundesrepublik nicht wesentlich gesenkt. Die Integrationsmaßnahmen traten auf der Stelle.

Arbeitsbeziehungen

Die IG Metall beginnen im Mai 1984 in den Tarifgebieten Nordwürttemberg/Nordbaden und Hessen Schwerpunktstreiks in der Metallindustrie. Die Strategie der Gewerkschaft ist es, gezielt Zulieferbetriebe zu bestreiken und somit die Produktion in den weiter verarbeitenden Betrieben lahm zu legen. Die Bundesanstalt für Arbeit muss laut Arbeitsförderungsgesetz an diejenigen Betroffenen Lohnersatzleistungen zahlen, deren Betrieb außerhalb der umkämpften Tarifbezirke lag. Um diese Zahlungen in Zukunft zu vermeiden, bringt die Bundesregierung 1985 einen Gesetzesentwurf zur "Sicherung der Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit bei Arbeitskämpfen" ein. Die im März 1986 verabschiedete Änderung des Gesetzes schränkt die Gewährung von Leistungen durch die Bundesanstalt für Arbeit an durch einen Streik mittelbar von Kurzarbeit bzw. Arbeitslosigkeit betroffene Arbeitnehmer ein.

Bei dem siebenwöchigen Arbeitskampf in der Metallindustrie müssen nahezu die gesamte Automobilindustrie und ihre Zulieferbetriebe zeitweise ihre Produktion einstellen. Nach der Schlichtung durch den SPD-Politiker vereinbaren die Tarifparteien, die Wochenarbeitszeit auf 38,5 Stunden zu senken. Da auch andere Branchen mit Arbeitszeitverkürzungen folgen, sinkt die Wochenarbeitszeit im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt auf 39 Stunden.

Erstmals seit dem Scheitern der „Konzertierten Aktion“ treffen am 6.9.1985 in Bonn Bundesregierung, Arbeitnehmervertreter und Delegierte des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB zusammen. Während sich Vertreter der Regierung über Verlauf und Ergebnis des Gesprächs zufrieden zeigen, erneuert der DGB-Vorsitzende Ernst Breit trotz tendenzieller Übereinstimmung in Einzelfragen seine Kritik an der Politik der „beschäftigungspolitischen Tatenlosigkeit und des kontraproduktiven Sozialabbaus“ der Regierung.

Umweltpolitik

Luftreinhaltung: Im Februar 1983 beschließt die Bundesregierung Maßnahmen zur Verminderung von Schadstoffen aus Kraftwerken. Alle Neuwagen müssen ab 1989 mit Katalysator ausgerüstet werden.

Forschung: Das Bundeskabinett billigt im März 1984 das "Programm Umweltforschung

12 und Umwelttechnologie 1984 - 1987", in dem es Förderungsmittel im Umfang von 2 Mrd. DM bereitstellen will.

Am 23. Januar 1985 billigt das Bundeskabinett ein Entsorgungskonzept für Kernkraftwerke und eine Wiederaufbereitungsanlage für verbrauchte Kernbrennstoffe. Als Standort ist Wackersdorf im bayerischen Regierungsbezirk Oberpfalz vorgesehen.

Gesetze, Verordnungen, Urteile (Auswahl)

Zivildienst: Gegen die Stimmen der SPD-Opposition verabschiedet der Bundestag am 16.12.1982 ein 'Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz'. Die mündliche Gewissensprüfung wird abgeschafft. Die Zivildienstpflicht wird von 16 auf 20 Monate verlängert.

Parteienfinanzierung: Ende Oktober 1983 einigen sich die Parteiführungen von CDU, CSU und FDP als Konsequenz aus einer Parteispendenaffäre (Flick-Affäre) auf eine Neuregelung. Großspenden über 20.000 DM sind steuerrechtlich nur abzugsfähig, wenn der Spender im Rechenschaftsbericht ausgewiesen wird.

Das Saarland hebt am 25. Juni 1985 als erstes Bundesland die auf den ‚Extremistenbeschluss’ („Radikalenerlass“) der Ministerpräsidenten zurückgehenden Richtlinien für die Prüfung der Verfassungstreue von Bewerbern für den öffentlichen Dienst formell auf.

Am 28. Juni 1985 beschließt der Bundestag mit der Mehrheit von CDU/CSU und FDP gegen den Widerspruch der SPD und der Grünen eine Verschärfung des Demonstrationsstrafrechts. Danach wird künftig bei Demonstrationen die sog. Vermummung oder das Tragen von „Schutzwaffen“ (wie Schwimmbrillen zum Schutz von Tränengas) grundsätzlich als Ordnungswidrigkeit geahndet.

Am 29. August 1985 beginnt vor dem Landgericht Bonn der Parteispendenprozess gegen die früheren Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff und Hans Friederichs sowie den ehemaligen Flick-Manager Eberhard von Brauchitsch. Die Anklage wirft Brauchitsch Bestechung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung vor. Die Anklagen gegen Lambsdorff und Friedrich lauten auf Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung.

Mitte April 1986 beschließt die Bundesregierung eine Verlängerung der Wehrdienstzeit von 15 auf 18 Monate vom 1.6.1989 an.

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