Ausführliche Neufassung Der Vereinsgeschichte Während Der NS

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Ausführliche Neufassung Der Vereinsgeschichte Während Der NS 1 Der Verein für die Geschichte Berlins und seine Mitglieder 1933 – 1945 Von Martin Mende „Wir in Deutschland pflegen alles mit Hilfe von Vereinen zu meistern. Wir haben Vereine dafür und Vereine dagegen. Verein für die Geschichte Berlins – und sind doch nicht imstande, die Geschichte Berlins dorthin zu lenken, wohin wir sie haben wollen. Verein gegen Verarmung – und können doch nicht verhindern, dass wir alle miteinander verarmen. Bald werden wir nur noch unsere eigenen Attrappen sein. Die Dome auf dem Gendarmenmarkt haben es uns vorgemacht.“[1] Der Deutsche Dom am Gendarmenmarkt war jahrelang Sitz des Vereins gegen Verarmung und bis 1943 auch Heimat des VfdGB. Der Verfasser des Zitats Moritz Goldstein war kein Mitglied des Vereins, teilte aber das Schicksal seines Berufskollegen Egon Jameson (Mitglied seit 1931). Beide mussten aufgrund des im Oktober 1933 erlassenen Schriftleitergesetzes wegen ihrer jüdischen Vorfahren den Ullstein-Verlag verlassen und gingen ins Exil. Goldstein starb 1977 in New York, Jameson 1969 in London. Der 1865 gegründete Verein für die Geschichte Berlins (VfdGB) kann auf eine wechselvolle Vergangenheit zurückblicken. Die Brüche des 20. Jahrhunderts haben auch im Vereinsleben ihren Niederschlag gefunden. Seit Jahren genießt die Geschichte der Jahre 1933 bis 1945 eine hohe Aufmerksamkeit. Aus Anlass des Themenjahrs 2013 „Zerstörte Vielfalt – Berlin in der Zeit des Nationalsozialismus“ wurde trotz erheblicher Quellenprobleme der Versuch unternommen, sich der Vereinsgeschichte des VfdGB in der NS-Zeit anhand der Akteure und der Schicksale der Mitglieder zu nähern. Bekanntlich lebt ein Verein durch seine Mitglieder. „In der Historie über die Geschichtsvereine sollte nach Möglichkeit von der bequemen Gewohnheit Abstand gewonnen werden, stets nur die politischen und geistigen Führer in den Mittelpunkt zu stellen.“[2] Im Folgenden werden daher auch biografische Angaben zu zahlreichen Vereinsmitglieder zusammengetragen, die nach 1933 neu in den Verein eintraten oder dem Verein verloren gingen. Alle mit einem * versehenen Namen sind in einem alphabetisch geordneten Anhang mit Ergänzungen aufgeführt. Mitglieder passten sich an, andere leisteten aktiven oder passiven Widerstand, einige wenige entwickelten sich zu regen Mitläufern der Nationalsozialisten, aber wesentlich mehr wurden in ihrer persönlichen Existenz bedroht. Der Verein in der Weimarer Republik Für viele Vereinsmitglieder brach mit dem Ende der Monarchie 1918 und den Folgen des Versailler Vertrages eine Welt zusammen. Nach den krisenhaften Anfangsjahren der Weimarer Republik konsolidierte sich ab 1924 nur vorübergehend die politische und wirtschaftliche Lage des Landes bis zum Beginn der Weltwirtschaftskrise Ende 1929. Der Verein wurde nach dem Tode von Dr. Richard Beringuier von Prof. Dr. Georg Voß (Vorsitzender von 1916 bis 1919) und Prof. Dr. Adolf Zeller (Vorsitzender von 1919 bis 1920) geführt. 1921 wählten die Mitglieder den erzkonservativen Oberst a. D. Louis Noël (1855- 1933) zum neuen Vorsitzenden. Noël war 1901 als Offizier der Kriegsgeschichtlichen Abteilung des Großen Generalstabs dem Verein beigetreten und dem damaligen Vereinsprotektor Kaiser Wilhelm II. treu ergeben. Anlässlich des 60. Gründungstags des Vereins schrieb die Tägliche Rundschau am 24. Januar 1925: “...hat der Verein für die Geschichte Berlins in Oberst a. D. Noël einen warmherzigen, echt 2 berlinischen ersten Vorsitzenden, um den sich an bestimmten Sonnabend-Abenden im Vereinszimmer im Deutschen Dom (Gendarmenmarkt) gern eine engere Mitgliederschar – die sogenannten Domherren – versammelt, um in ernster, aber auch oft heiterer Aussprache berlinische Geschichte zu treiben.“ Die Deutsche Allgemeine Zeitung (DAZ) gab in ihrer Ausgabe vom 18. September 1929 unter der Überschrift „Die Tafelrunde im Deutschen Dom“ einen Eindruck von dieser Herrenrunde: „Jeden Freitag findet im Winter im Deutschen Dom die Sitzung des Vereins für die Geschichte Berlins statt. Die Öffentlichkeit weiß wenig oder wohl gar nichts von diesen Zusammenkünften. Der Brand in der Kuppel des Domes, der am Montagnachmittag die Berliner Feuerwehr beschäftigte, hat erst wieder die Aufmerksamkeit auf diesen ehrwürdigen Bau gelenkt. Es dürfte daher viele Mitbürger interessieren, wie die Geister aussehen, die hier noch lebendig sind. Man darf getrost behaupten, dass hier die ältesten und berlinischsten Berliner anzutreffen sind. Jedenfalls in so großer Zahl kann man sie nur in dem Sitzungszimmer des Vereins für die Geschichte Berlins finden. Der Raum ist von märchenhaften Dimensionen. Das heißt, er hat gar keine Dimensionen. Trotzdem gehen an kalten Winterabenden gut 150 alte Berliner hinein. Wie das gemacht wird, darüber kann nur der Vereinsvorsitzende, der 74 Jahre alte Oberst a. D. Noël, Auskunft geben. Er lässt die Mitglieder der Tafelrunde einfach „zusammenrücken“, und dann passt immer noch einer von den Alten hinein, die aus allen Winkeln Berlins hier zusammentreffen. Schon die Kleiderablage im Nebenraum zu studieren ist von kulturgeschichtlichem Interesse […] Das Sitzungszimmer selbst wird natürlich nicht elektrisch beleuchtet, sondern eine giftgrüne Gaslampe verbreitet einen matten Schein, in dem die Gesichter der Tafelrunde schemenhaft wirken. Auf dem Tisch steht ein Korb mit Salzstangen. Weiter nichts. Bier wird erst nachher getrunken, an anderer Stelle […] Ein leises Klingelzeichen gibt den Beginn der Sitzung bekannt. Oberst Noël erstattet Bericht über die „Lage“. Wer sich gegen den Berliner Geist versündigt hat, sei es wer immer unter den Mitbürgern, wird einer erbarmungslosen Kritik unterzogen. Außerdem werden sofort Schritte unternommen, den Schuldigen zur Raison zu bringen. Die Stimme des Vereins für die Geschichte Berlins wird bei den Behörden, sowohl den staatlichen wie den städtischen, stets beachtet. Man zieht sich nicht gern die Feindschaft der Alten vom Dom zu. Gegen Ende der Sitzung wird die Tafelrunde immer geisterhafter. Die Fenster sind natürlich luftdicht verschlossen, wie es sich in einem Alt-Berliner Kreise gehört. Der Tabaksqualm erfüllt daher so intensiv das Zimmer, dass die Köpfe der Alten wie Weiden aus dem Nebelmeer hervorragen. Oberst Noël führt dann den Gast, der den starken Tobak nicht verträgt, hinaus in den Kirchenraum und erzählt ihm in kurzen Worten die Geschichte des Deutschen Domes, damit er auf andere Gedanken komme. Der „Alte“, das ist sein offizieller Name, scheint sich noch genau zu erinnern, wie anno 1701, unter der Regierung des prunkliebenden Königs Friedrich I., der Grundstein zu der Kirche gelegt wurde. In dem letzten Lebensjahre des Alten Fritzen wurden dann von Karl v. Gontard, dem berühmten Mannheimer Architekten, die Kuppeln des Deutschen und Französischen Domes am Gendarmenmarkt gebaut. Die Stimme des Obersten hallt mächtig in dem dunklen Kirchenraum: „Die Santa Maria del Popolo hat die Anregung zu dem Bau gegeben. Gontard schuf das Werk mit besonderer Liebe. Ihm verdanken wir auch die Spittelkolonnaden, die jetzt von der Stadt Berlin abgerissen werden...“ Der Alte schweigt. Von der Mauer löst sich ein Stück Mörtel ab und fällt vor uns nieder. Es gibt einen kleinen, unwesentlichen Laut, aber die überreizten Nerven zucken doch unwillkürlich zusammen. Der Alte sagt: „Es bleibt nichts...“ Aber draußen auf dem Vorplatz erwachen wieder seine Lebensgeister: „Meine Herren, ich schlage vor, dass wir jetzt noch ein wenig in die Taubenstraße gehen...“ Diese „Nachsitzungen“ fanden im Restaurant Zum Patzenhofer, Friedrichstraße 71, Ecke Taubenstraße statt. Nach den erhaltenen Anwesenheitsbüchern der Domsitzungen war die Teilnehmerzahl je nach Jahreszeit sehr unterschiedlich. Zur Domsitzung am 4. Februar 1933 erschienen z. B. 45 Herren, am 22. Juli 1933 waren es nur 19, am 1. Dezember 1934 wieder 54. Die internen Domsitzungen waren aber nur ein kleiner Teil der Vereinsaktivitäten. Neben den Domsitzungen bot der Verein in allen Jahren Arbeitssitzungen im Berliner Rathaus, zahlreiche öffentliche Vorträge, Führungen und Wanderfahrten an. Die Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins wurden von Jahr zu Jahr professioneller. 3 1922 hatte der Leiter des Gartenamtes Berlin-Mitte, der Gartenarchitekt Hans Martin (1883- 1945) für zehn Jahre den wichtigen Posten des Hauptschriftwarts übernommen. Er war als Abgeordneter der konservativen Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) von 1921 bis 1933 auch Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung Mitte. Seit den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Stadtgeschichtsforschung Berlins wissenschaftlicher. Zu nennen sind die Namen Dr. Ernst Kaeber, Dr. Eberhard Faden, Dr. Max Arendt und Dr. Willy Hoppe. Man kannte sich aus Seminaren und aus dem Vereinsleben und teilte die Empörung über die fortschreitende Zerstörung des alten Berlin. Für viele von ihnen war die Fronterfahrung direkt nach dem Studium das Grunderlebnis gewesen. Viele betätigten sich nur „im zweiten Lebensberuf“ (Kügler) in der Wissenschaft, denn die im Entstehen begriffene, völlig außeruniversitäre Infrastruktur der Stadthistoriographie ließ kaum Platz für hauptberufliche Stellen“ [3] Der im Januar 1924 zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählte Studienrat Dr. Hermann Kügler vertrat ab Mitte 1928 auf Dauer den kranken Vorsitzenden Noël und wurde schließlich am 25. Januar 1930 einstimmig zum Nachfolger gewählt. Unter seinem Einfluss wurde der VfdGB neben dem von Dr. Kaeber geleiteten Stadtarchiv und der 1925 gegründeten Historischen Kommission für die Provinz Brandenburg und die Reichshauptstadt Berlin eine beachtete Institution. So schrieb Gertrud Haupt
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