25. September 1956: Fraktionssitzung
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FDP – 02. WP Fraktionssitzung: 25. 09. 1956 25. September 1956: Fraktionssitzung ADL, Bestand Wolfgang Mischnick, A40-729. Überschrift: »Kurzprotokoll über die Sitzung der Fraktion am 25. 9. 1956«. Zeit: 10.15–19.30 Uhr. Vorsitz: Dehler. Anwesende Fraktionsmitglieder: 24. Sitzungsverlauf: A. Bericht Dehlers über die Gespräche mit Erhard und Adenauer über einen Eintritt der FDP in die Regierung mit anschließender Aussprache. B. Beratung des Fraktionsantrags betr. Gesetzentwurf über die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand. C. Stand des Kartellgesetzes. D. Beratung eines Briefentwurfs an die Juristenfakultät Leipzig. E. Besprechung eines Fraktionsantrags auf Katastrophenschäden. F. Vorbereitung der Plenarsitzung (Schutzbereichsgesetz). [A.] [TOP] 1. Dr. Dehler berichtet über sein Gespräch mit dem Bundeskanzler1 und die vorherigen Gespräche mit Erhard2, Eckardt3 und Preusker4. Er teilt der Fraktion mit, daß er, ehe die Gespräche begonnen wurden, mit den stellvertretenden Bundesvorsitzenden sich darüber unterhalten habe und er mit deren 1 Am 14. September 1956 kam es zu einem Treffen zwischen dem FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzenden Dehler und Bundeskanzler Adenauer in der Kölner Wohnung des Bankiers und CDU-Bundestagsabgeordneten, Robert Pferdmenges. Gegenstand der Unterredung war die Rückkehr der FDP in die Bonner Koalition, die Aufnahme der freidemokratischen Sezessionisten in die FDP sowie die Auflösung der sozialliberalen Koalition in Nordrhein-Westfalen zugunsten einer christlich-liberalen Landesregierung. Ein für den 21. September geplantes zweites Gespräch kam angesichts der Widerstände in beiden Parteien nicht mehr zustande. Vgl. den Informationsbericht Robert Strobels vom 16. September 1956; ADENAUER UND DIE FDP, Dok. 177; sowie das Rundschreiben Dehlers an die Mitglieder des erweiterten Parteivorstandes und der Bundestagsfraktion der FDP vom 20. September 1956 vgl. ebd., Dok. 178. Vgl. auch WENGST, Dehler, S. 297 f. 2 Bei ihrer Unterredung am 4. September 1956 unterbreitete Bundeswirtschaftsminister Erhard Dehler den Vorschlag eines vertraulichen Gesprächs mit Bundeskanzler Adenauer. Vgl. dazu die Fraktionssitzung am 11. September 1956, Anm. 3. Ferner das Rundschreiben Dehlers an die Mitglieder des erweiterten Parteivorstandes und der Bundestagsfraktion der FDP vom 20. September 1956 vgl. ADENAUER UND DIE FDP, Dok. 178, S. 780 f. 3 Zu den Gesprächen Dehlers mit dem Kanzlervertrauten und Bundespressechef, Felix von Eckardt, vgl. den Artikel »Koalitionsgespräche. Politisches Laienspiel«; »Der Spiegel«, Nr. 39 vom 26. September 1956, S. 11–14, hier S. 12. 4 Am 7. September 1956 traf sich Dehler mit Bundeswirtschaftsminister Erhard und Bundeswohnungsbauminister Preusker, der im Februar zusammen mit fünfzehn weiteren Abgeordneten aus der FDP ausgetreten war und im Juni den Vorsitz der Freien Volkspartei (FVP) übernommen hatte. Gegenstand des Gesprächs war die Frage einer Fusion von FDP, FVP und DP. Vgl. das Rundschreiben Dehlers an die Mitglieder des erweiterten Parteivorstandes und der Bundestagsfraktion der FDP vom 20. September 1956 vgl. ADENAUER UND DIE FDP, Dok. 178, S. 781. Vgl. auch den Artikel »Koalitionsgespräche. Politisches Laienspiel«; »Der Spiegel«, Nr. 39 vom 26. September 1956, S. 11–14, hier S. 13. Zur FVP vgl. AdG 1956, S. 5646, 5840. Copyright © 2017 KGParl Berlin 1 FDP – 02. WP Fraktionssitzung: 25. 09. 1956 Einverständnis die Vermittlung Eckardt und Erhard angenommen habe.5 Vor dem Gespräch mit dem Bundeskanzler habe er in einer Besprechung mit Pferdmenges6 diesem klar gemacht, daß von unserer Seite festzustellen sei, daß 1. die politische Entwicklung uns recht gegeben habe, 2. ein Eintritt in die Koalition vor den Wahlen 1957 ebenso undiskutabel sei wie eine Änderung der Düsseldorfer Regierung.7 Das letzte Gespräch habe er durch einen Mittelsmann beim Kanzler absagen lassen und der Bundeskanzler habe auch dafür Verständnis gehabt.8 Dr. Dehler schildert die Gefahren einer schwarz-roten Koalition nach den nächsten Wahlen und unterstreicht die Notwendigkeit, Gespräche nach beiden Seiten zu führen, um klarzustellen, daß wir vor den Wahlen 1957 keine Bindung an irgendeine politische Gruppe eingehen werden.9 Er sagt, daß der Bundeswirtschaftsminister erklärt habe, wenn Adenauer sich jetzt nicht auf unsere Unterstützung berufen könnte, dann würde von dem linken Flügel der CDU die Weiche in Richtung große Koalition gestellt. Frühwald: Parteimitglieder und Wähler wissen nicht mehr, wo die FDP steht. Die CDU habe erreicht, daß wir den Blitzableiter für alle inneren Spannungen darstellen. Besonders verdient habe sich dabei der Vertreter der CDU in der Fraktion, Herr Dr. Starke, gemacht.10 Man müßte folgende Fragen stellen: 1. Wäre Erhard bereit, öffentlich zu erklären, daß nicht Dehler um das Gespräch nachgesucht habe? 2. Würde in einer CDU-FDP-Koalition 1957 auch ein Herr von Brentano11 tätig werden? Dr. Dehler: Erhard habe sich bei allen Gesprächen sehr loyal verhalten. Die Todfeindschaft Brentanos zur FDP sei bekannt. Dr. Atzenroth: Der Eindruck in Rheinland-Pfalz über die Gespräche Adenauer- Dehler sei ein anderer als Herr Frühwald von Bayern berichtet. In Rheinland-Pfalz sei bedauert worden, daß ein Abbruch der Gespräche erfolgt sei. Er wäre aber gegen die Formulierung, die Wolfgang Döring geprägt habe: Die FDP werde den Wahlkampf nur 5 An der Besprechung am 9. September 1956 nahmen die stellvertretenden Parteivorsitzenden Haußmann, Kohut, Mende sowie Scheel, Döring, Becker und Lüders teil. »Es bestand Einverständnis darüber«, so Dehler in seinem Rundschreiben an die Mitglieder des erweiterten Parteivorstands und der Bundestagsfraktion am 20. September 1956, »daß das Gespräch mit Adenauer in der gegenwärtigen Situation sinnvoll sei, wobei feststand, daß irgendwelche Vereinbarungen nicht zu treffen seien. Vereinbart wurde, das erste Gespräch lediglich zur Beseitigung von Spannungen zu benutzen, die einem erfolgreichen politischen Wirken im Wege stehen.« Zum Rundschreiben Dehlers vgl. ADENAUER UND DIE FDP, Dok. 178, S. 781. 6 Am 13. September 1956. Vgl. ebd., hier S. 781 f.; ferner den Artikel »Koalitionsgespräche. Politisches Laienspiel«; »Der Spiegel«, Nr. 39 vom 26. September 1956, S. 11–14, hier S. 13. 7 Seit Februar 1956 regierte in Nordrhein-Westfalen eine Koalition aus SPD, FDP und Zentrum unter Ministerpräsident Fritz Steinhoff (SPD). 8 Vgl. Anm. 1. 9 Hierzu meinte Mende in einem Gespräch mit Felix von Eckardt am 3. September 1956: »Man kann nicht Nonne und Dirne zugleich sein. Wir haben uns für die Reinheit und Einsamkeit der Nonne entschieden.« Vgl. den Artikel »Koalitionsgespräche. Politisches Laienspiel«; »Der Spiegel«, Nr. 39 vom 26. September 1956, S. 11–14, hier S. 12. 10 Der FDP-Bundestagsabgeordnete und Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Oberfranken in Bayreuth, Heinz Starke, war 1948/49 Referent bei Wirtschaftsdirektor Ludwig Erhard, zu dem er auch später enge Beziehungen unterhielt. Durch Vermittlung Starkes kam am 7. September 1956 das Treffen zwischen Dehler, Erhard und Preusker zustande. Vgl. ebd. 11 Bundesaußenminister. Copyright © 2017 KGParl Berlin 2 FDP – 02. WP Fraktionssitzung: 25. 09. 1956 gegen die CDU führen. Dies deute auf enge Bindung zur SPD hin und sei deshalb gefährlich. Sowohl die Versuche, gemeinsam mit der SPD als auch gemeinsam mit der CDU den Wahlkampf zu führen, seien falsch und man müßte ihnen entgegentreten. Er schlage vor, den Brief Dr. Dehlers an die Fraktionsmitglieder zu veröffentlichen.12 Dr. Dehler: Es werde behauptet, daß er die Gespräche gegen den Willen oder ohne Wissen von NRW geführt habe. Beides stimme nicht. Während dieser ganzen Zeit sei er in enger Fühlungnahme mit den Düsseldorfer Freunden gewesen. Frau Dr. Lüders: Es habe sich deutlich herausgestellt, daß Preusker nicht der loyale und zuverlässige Mensch sei, als den man ihn immer hingestellt habe. Bei allen Verhandlungen sollten wir vorsichtig sein, damit wir nicht am Ende zwischen zwei Stühlen sitzen. Dr. Drechsel: In Niedersachsen sei eine merkliche Unruhe im Volk eingetreten und man könne feststellen, daß wir wiederum für die Bevölkerung interessant geworden seien. Gaul: Dehler habe in den hessischen Versammlungen ausgezeichnet die Rolle unserer Partei dargelegt. Es müsse doch Einverständnis darüber bestehen, daß der Vorsitzende der Partei mit dem Bundeskanzler Gespräche führe. Bei Gesprächen mit Euler und FVP-Leuten müsse man auch immer Preuskers Rolle in der letzten Zeit vor Augen halten. Für ihn erhebe sich die Frage, wer Dr. Starke beauftragt habe, diese vermittelnden Gespräche zu führen. Dr. Dehler: Starke habe ihn gleich nach der Rückkehr von Davos aufgesucht und ihn informiert, daß er Gespräche mit Wirtschaftskreisen und Bekannten aus dem Bundeswirtschaftsministerium führe. Dr. Mende: Die Wirkung der Gespräche im Lande müsse man dahingehend beurteilen, daß wir in den Augen aller Parteien begehrenswert geworden seien. Die demoskopischen Umfragen zeigten, daß die SPD in der Publikumsgunst zum ersten Male vor der CDU liegt. Dabei hätten wir als Dritte Kraft gewonnen und man müsse wieder mit uns rechnen. Das um so mehr, als wir verlockend erscheinende Angebote abgelehnt hätten. Wir müßten irre sein, wenn wir in die Koalition bis 1957 zurückkehren und uns mit den sichtbar gewordenen Mißerfolgen der %undesregierung belasten wollten. Er sei der Ansicht, daß in der nächsten Zeit keine Gespräche geführt werden sollten. Allerdings müßten die Gespräche nach einer Karenzzeit wieder aufgenommen werden. Der Bundeskanzler sei sicherlich selbst nicht erfreut über die