1 [60] 16. Oktober 1968: Fraktionssitzung
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SPD – 05. WP Fraktionssitzung: 16. 10. 1968 [60] 16. Oktober 1968: Fraktionssitzung AdsD, SPD-BT-Fraktion 5. WP, 104 Überschrift: »Protokoll der Fraktionssitzung vom 16. Oktober 1968«. Dauer: 14.15–15.45 Uhr. Anwesend: 139. Vorsitz: Schmidt. Bundesregierung: Schiller, Wehner. PStS: Bör- ner. Protokoll: Gaebler. Datum der Niederschrift: 23. 10. 1968. Sitzungsverlauf: A. Vorbereitung der Haushaltsdebatte B. Stellungnahme zur Mittelfristigen Finanzplanung C. Regierungserklärung Bundeskanzler Kiesinger D. Verschiedenes Helmut Schmidt beglückwünscht Franz-Josef Zebisch zur Vollendung seines 48. Le- bensjahres. Zur Tagesordnung führt Helmut Schmidt aus, daß die folgenden drei Punkte im Zu- sammenhang behandelt werden sollen. 1. Vorbereitung der Haushaltsdebatte1 2. Stellungnahme zur mittelfristigen Finanzplanung und 3. die Regierungserklärung Bundeskanzler Kiesingers vom 16. 10. 1968. Als Hauptredner in der Haushaltsdebatte sei Hans Hermsdorf vorgesehen. Für ergän- zende Ausführungen würden sich Ernst Schellenberg und Hans Apel in Reserve halten. Darüber hinaus würde Alex Möller eine Erklärung der sozialdemokratischen Fraktion zur mittelfristigen Finanzplanung abgeben.2 In einer kurzen Vorbemerkung geht Helmut Schmidt auf zwei Punkte der heutigen Regierungserklärung Kiesingers ein: Die Art und Weise in der Kiesinger die Frage der Lohnfortzahlung behandelt habe, entspräche nicht der gestrigen Absprache im Kress- bronner Kreis und sei auch unabhängig davon nicht so zu akzeptieren.3 Helmut Schmidt habe deshalb die Absicht, hierzu nach der ersten Runde der Redner in der Haushaltsdebatte kurz Stellung zu nehmen. Helmut Schmidt und Rainer Barzel hatten Kiesinger gebeten, in seiner heutigen Regierungserklärung ein klärendes Wort zur NATO-Besprechung in der vergangenen Woche zu sagen, da offensichtlich in der Öf- 1 Die 1. Lesung des Haushaltsgesetzes 1969 (BT ANL. 123, Drs. V/3300), der Finanzplanung des Bun- des 1968 bis 1972 (ebd., Drs. V/3299), des Dritten Gesetzes über das Beteiligungsverhältnis an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer (ebd., Drs. V/3332) und des Gesetzes zur Änderung des Länderfinanzausgleichs 1965 (ebd., Drs. V/3333) fand am 17. Oktober 1968 statt, BT STEN. BER. 68, S. 10202–10262, und wurde am folgenden Tag fortgesetzt. 2 Seine »Schriftliche Erklärung […] zu Punkt 5 der Tagesordnung« (BT STEN. BER. 68, S. 10314) liegt dem Protokoll bei. Vgl. auch INFORMATIONEN, Nr. 480 vom 18. Oktober 1968. 3 Läßt sich über das Protokoll des Kreßbronner Kreises vom 15. Oktober 1968 nicht nachweisen. In seiner Regierungserklärung am Vormittag hatte Kiesinger gesagt, die Lohnfortzahlung sei prinzipiell nicht mehr umstritten, müsse jedoch mit der Reform der Krankenversicherung gekoppelt werden, BT STEN. BER. 68, S. 10160–10166, hier bes. S. 10165. Copyright © 2016 KGParl Berlin 1 SPD – 05. WP Fraktionssitzung: 16. 10. 1968 fentlichkeit Unklarheit über die Verteidigungspolitik bestünde.4 Auch hierauf würde Helmut Schmidt in der erwähnten kurzen Stellungnahme eingehen.5 Manfred Schulte berichtet, daß als erster Redner der CDU/CSU Heinrich Windelen und als Hauptredner der FDP Wolfgang Mischnick vorgesehen seien. Weitere Redner der CDU/CSU seien Dr. Althammer und Joseph Illerhaus; für die FDP: Dr. Hans- Georg Emde und Dr. Heinz Starke. Hans Hermsdorf legt die Grundzüge seiner geplanten Rede dar. Er erwähnt einleitend, daß es schwierig sein würde, in der gebotenen zeitlichen Begrenzung zur gesamten Politik Stellung zu nehmen. Deshalb müsse er sich auf einige Schwerpunkt beschrän- ken. Einleitend wolle er noch einmal die Ausgangslage von 1966 schildern und sich da- bei auf entsprechende Zitate aus der damaligen Regierungserklärung Kiesingers und aus der Antwort von Strauß auf diese Erklärung stützen.6 Er beabsichtige, darauf hinzu- weisen, daß die mittelfristige Finanzplanung eine alte Forderung der SPD sei. Ange- sichts der damaligen schwierigen Finanzlage habe die mittelfristige Finanzplanung nicht ohne einschneidende Beschränkungen auf manchen Gebieten auskommen können. Durch die erfolgreiche Wirtschaftspolitik der Bundesregierung stünden wir jetzt jedoch wieder auf einem festen Grund. Hierdurch sei es möglich, auch die Gesellschaftspolitik weiter auszubauen. Die erreichte wirtschaftliche und finanzielle Stabilität und das wirt- schaftliche Wachstum seien eine große Leistung, die allein schon die Große Koalition rechtfertigten. Die Erfolge der Wirtschaftspolitik wolle er auch in jedem weiteren hier- für geeigneten Einzelpunkt seiner Rede deutlich machen. Auf dem Gebiet der Justizpolitik seien nach 18-jährigem Dornröschenschlaf endlich wieder wichtige Reformen in Angriff genommen worden. Hinsichtlich der EWG-Poli- tik beabsichtige er, sich über das Problem der finanziellen Leistungen (insbesondere auf dem Gebiet der Agrarfinanzierung) zu beschränken. Hier sei die Frage angebracht, ob nicht eine Überprüfung der Dauer und des Umfangs dieser Leistungen notwendig sei. Weiterhin wolle er darauf drängen, den Leberplan nicht noch länger hinauszuzögern. Auf dem Gebiet der Verteidigungspolitik wolle er nicht so stark auf die eventuell erfor- derlichen höheren finanziellen Leistungen hinweisen, sondern sich mehr auf die Darle- gung der Wechselbeziehung zwischen innerer Stabilität und äußerer Sicherheit be- schränken. Soweit sich zusätzliche Leistungen als notwendig erweisen sollten, seien wir hierzu bereit. Eine Stellungnahme zu näheren Einzelheiten wäre jedoch erst nach Er- scheinen des Verteidigungs-Weißbuchs möglich. Über das Ausbildungsförderungsge- setz wolle er im Sinne der Darstellung eingehen, die Ernst Schellenberg in einem Artikel im »Vorwärts« gegeben hat.7 Auf dem Gebiet der Rentenversicherung sei zu erwähnen, daß hier die Versicherungsleistungen sichergestellt seien. Eine nähere Stellungnahme zur Frage der Lohnfortzahlung wolle er Ernst Schellenberg überlassen. Zur Frage der 4 Am 11./12. Oktober fand in Bonn die 4. Tagung der Nuklearen Planungsgruppe der NATO statt. Pressemeldungen behaupteten anschließend, der Bundeskanzler habe bei der Tagung auf ein deut- sches Vetorecht gegenüber einem Atomwaffeneinsatz verzichtet. Kiesinger ging in der Regierungser- klärung nicht näher auf das Thema ein, weil die USA strengste Verschwiegenheit gefordert hätten, vgl. Protokoll des Kreßbronner Kreises vom 15. Oktober 1968, ACDP, 01–226–A010. 5 Zur Stellungnahme Schmidts zu Lohnfortzahlung und Verteidigungspolitik vgl. BT STEN. BER. 68, S. 10226–10230. 6 Zum Beitrag Hermsdorfs vgl. ebd., S. 10205–10217. 7 »Krankenschein-Gebühr: Völlig absurd. Sozialpolitische Aktivitäten 1968«, VORWÄRTS vom 10. Okto- ber 1968. Schellenberg schrieb darin, die Ausbildungsförderung werde aus finanziellen Gründen lang- samer anlaufen, als ursprünglich beabsichtigt. Die Ansätze dafür in der Mittelfristigen Finanzplanung müßten aber ausgeschöpft werden, weshalb noch in der laufenden Legislaturperiode ein Ausbil- dungsförderungsgesetz verabschiedet werden müsse. Copyright © 2016 KGParl Berlin 2 SPD – 05. WP Fraktionssitzung: 16. 10. 1968 Vermögensbildung müsse er sich auf einige Andeutungen unserer Einstellung hierzu beschränken. Als Fazit aus der Rede wolle er die gute Gesamtleistung von Parlament und Regierung hervorheben und auf die wichtigen Reformen hinweisen, die bereits durchgeführt oder in Angriff genommen wurden. Alex Möller weist zunächst darauf hin, daß in Kürze die zweite Broschüre zur mittelfri- stigen Finanzplanung ausgeliefert werden könne. Diese Broschüre sei auch für die Ar- beit in den Wahlkreisen wichtig. Er verliest daraufhin den Wortlaut der Erklärung, die er im Namen der SPD in der Haushaltsdebatte abgeben wird. (Siehe Anlage.)8 Im Zu- sammenhang mit dieser Erklärung erwähnt Alex Möller, daß im Gegensatz zum ver- gangenen Jahr keine Ausschußüberweisung der mittelfristigen Finanzplanung erfolgen werde, zumal es sich hier ja ohnehin nur um eine Absichtserklärung handele. Die zu- stimmende Entgegennahme der mittelfristigen Finanzplanung werde also durch die von ihm abzugebende Erklärung der SPD abgeschlossen. Aussprache Brigitte Freyh schlägt vor, daß Hans Hermsdorf in seiner Rede noch die Frage der Neuordnung des Bodenrechts und die Erweiterung der Kompetenzen in der Gesund- heitspolitik anschneiden solle. Ein Auslassen dieser beiden Fragen könne unter Um- ständen einen falschen Eindruck erwecken. Hans Hermsdorf erwidert, daß er die Frage der Kompetenzerweiterung auf dem Ge- biet der Gesundheitspolitik in seiner Rede berücksichtigen werde. Ob und in welcher Form die Frage einer Neuordnung des Bodenrechts behandelt werden könne, müsse noch einmal überlegt werden. Harry Liehr weist u. a. darauf hin, daß Hermsdorfs Ausführungen zur Verteidigungspo- litik möglicherweise mißverständlich sein könnten, etwa in dem Sinne, daß ein innerlich fauler Staat nicht verteidigungswert sei. Er regt an, daß Hermsdorf und Schellenberg gemeinsam alle Gesetzgebungsvorhaben ansprechen sollten unter dem Motto: »Welche Politik will die SPD betreiben«. Im übrigen sollte deutlich werden, daß die Probleme der Jugend sich nicht auf die studentische Jugend beschränkten und man sich daher schließlich auch um die gesamte junge Arbeitnehmerschaft kümmern müsse. Helmut Schmidt wendet hierzu ein, daß es fraglich sei, ob man die bereits dargelegte sozialdemokratische Prioritätenliste im Bundestag noch einmal wiederholen solle. Die SPD könne sich damit den Vorwurf einer zu frühen Festlegung zuziehen. Heinrich Stephan meint, daß Hermsdorfs Erklärung, die stabile wirtschaftliche und finanzielle Lage biete die Möglichkeit zum Ausgleich der 1967 notwendigen Einbußen, nicht in dieser