Marx Oder Markt? Die Ungezügelten Erwartungen Der Re- Gierungspartei Die Preisstabilität Ge- Fährdet Sah
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Deutschland gab. Schröder der Dritte wurde sichtbar. Am Freitag vergangener Woche geneh- sich um die beiden Töchter Klara und Vik- Als Erklärung für seine Gelassenheit zitier- migte sich der Kanzler schon mal einen Vor- toria kümmern. Babysitter Schröder, noch te er einen journalistischen Halbsatz, der schuss auf die Ära ohne Amt. Er müsse ganz dem Amtston verhaftet: „Da wartet wie kein anderer seine Seelenlage erfasst pünktlich um 18 Uhr zu Hause sein, ent- ein interessanter Termin auf mich.“ habe. Für Schröder gehe es 2006, so hatte schuldigte er sich bei den Funktionären der Sven Afhüppe, Markus Feldenkirchen, Gunter Hofmann in der „Zeit“ geschrie- Arbeiterwohlfahrt in Hannover-Badenstedt. Horand Knaup, Roland Nelles, Michael Sauga, Gabor Steingart ben, nur noch um „Sieg oder Viktoria“. Da seine Frau außer Haus sei, werde er Bundesfinanzminister Alex Möller trat schon 1971 zurück, weil er durch Marx oder Markt? die ungezügelten Erwartungen der Re- gierungspartei die Preisstabilität ge- fährdet sah. Einer seiner Nachfolger, Vom schwierigen Umgang der SPD mit dem Kapitalismus Hans Apel („Ich dacht’, mich tritt ein Pferd“), machte sich als Sparkommis- sar unbeliebt. „Weltökonom“ Helmut Schmidt fiel in Ungnade, weil er als Kanzler „viel tiefer ins Fleisch des Sozialstaats schneiden wollte“, als die SPD-Sozialpolitiker ertragen konnten. Als Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder nach vorn drängten, gerieten die alten Fronten durcheinander. La- fontaines Thesen zur Aufwertung un- bezahlter Arbeit, zu längeren Maschi- nenlaufzeiten und zur Arbeitszeitver- kürzung ohne Lohnausgleich machten ihn 1988 zum Medienstar und 1990 zum Kanzlerkandidaten. Es galt als auf- DPA / ULLSTEIN BILDERDIENST / ULLSTEIN DPA regend und schick, wenn ein Sozial- SPD-Führung (1969)*: „Die Pferde müssen wieder saufen“ demokrat Gewerkschafter schmähte. In den Neunzigern er Professor war außer sich. Die „Pferde“, das wa- praktizierten die beiden „Genossen, lasst die Tassen im ren diejenigen, die heute SPD-Ministerpräsidenten DSchrank!“, beschwor Karl Schil- „Heuschrecken“ heißen: Schröder und Lafontaine ler, Wirtschafts- und Finanzminister der Unternehmer und Inves- ein cleveres Jobsharing: ersten sozialliberalen Koalition, im No- toren – die Wirtschaft. Lafontaine, jetzt wieder vember 1971 die Delegierten eines Son- Willy Brandt nannte sie Wortführer der Linken, derparteitags in Bonn. Die nämlich woll- auch „die Kuh“. Die wetterte gegen die sozia- ten die Körperschaftsteuer von 51 auf 58 müsse die SPD zwar le Kälte der Kohl-Regie- Prozent erhöhen. 56 Prozent, fand Schil- „melken“, sagte er, aber PRESS / ACTION GEORG HILGEMANN rung. Schröder hielt sich, ler, sei das Äußerste, was die Wirtschaft man müsse „dafür sor- Redner Lafontaine wenn es um Ideologisches verkraften könne; der Parteitag folgte gen, dass sie auf der In der Partei isoliert ging, vornehm zurück ihm nur widerwillig. Der Genosse Ger- Weide“ bleibe. und kümmerte sich als hard Schröder, damals im Juso-Alter, will Bis heute kaut die SPD an der alten „Genosse der Bosse“ um die Interessen die Unternehmensteuer jetzt von 25 auf Frage: Soll der Staat die Unternehmer der Wirtschaft. „Innovation und Ge- 19 Prozent senken. Das hätte anno 1971 mit niedrigen Steuern und günstigen rechtigkeit“ hieß der Slogan, mit dem nicht mal die Union zu fordern gewagt. Investitionsbedingungen bei Laune hal- die SPD 1998 siegte. Aus Sicht vieler Sozialdemokraten ten, damit sie Arbeitsplätze schaffen? Dass 1999 die „Männerfreundschaft“ sind die ersten Regierungsjahre mit Oder muss er die Reichen schröpfen, zerbrach, hatte nicht nur persönliche Willy Brandt als Kanzler eine goldene um für mehr Verteilungsgerechtig- Gründe: Lafontaine verfolgte eine völlig Ära, der sie bis heute nachtrauern. keit zu sorgen? Was gilt: Markt oder andere Wirtschafts- und Finanzpolitik Die Konjunktur lief, es gab etwas zu Marx? als Schröder. Er wollte Spekulanten zur verteilen. Und die SPD galt als die Das Godesberger Programm von Kasse bitten – Schröder wollte das nicht. moderne Volkspartei, weil sie eben dies 1959 wich einer klaren Antwort aus: Zwar hat sich der Saarländer durch tat. Sie versprach der Wirtschaft Ge- „Wettbewerb so weit wie möglich, Pla- die Art seines Abgangs in der Par- winne und dem kleinen Mann Gerech- nung so weit wie nötig“ lautete die tei isoliert. Aber mit seiner Kritik tigkeit. Und Schiller garantierte beides. Zauberformel. Hauptsache: Wachstum. an der rot-grünen Wirtschaftspolitik „Die Richtung stimmt“ war einer sei- Als dieses ausblieb, wurden die Flügel- trifft er ein allgemeines Unbehagen: ner Lieblingssprüche. Aber auch: „Die kämpfe heftiger. „Wenn sich die Wohlhabenden der Pferde müssen wieder saufen.“ Schiller gab 1972 gekränkt und unter nationalen Besteuerung entziehen kön- Protest auf. Sein Befund: zu viel Marx nen, zahlen die kleinen Leute drauf“, und zu wenig Markt. Nicht erst seit- befand er schon 2003. Das hätte Franz * Willy Brandt, Karl Schiller, Helmut Schmidt, Her- bert Wehner, Hans-Jürgen Wischnewski und Alfred dem ist das Verhältnis der SPD zu ihren Müntefering jetzt kaum schöner sagen Nau auf dem Parteitag der SPD in Bad Godesberg. Ober-Ökonomen gespannt. können. Hartmut Palmer 28 der spiegel 18/2005.