Deutscher Drucksache 12/5220 12. Wahlperiode 21.06. 93

Sachgebiet 240

Gesetzentwurf der Abgeordneten Angelika Pfeiffer, Hartmut Büttner (Schönebeck), Wilhelm Rawe, Erika Steinbach-Hermann, Hartmut Koschyk, Manfred Kolbe, , Wolfgang Ehlers, Rosemarie Priebus, Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke), Reiner Krziskewitz, Udo Haschke (Jena), , Horst Gibtner, , Martin Göttsching, , Jürgen Türk, Dr. Christoph Schnittler, Dr. Eva Pohl, Wolfgang Lüder, Wolfgang Mischnick, Dr. , Hans-Dietrich Genscher und weiterer Abgeordneter

Entwurf eines Gesetzes über eine einmalige Zuwendung an die in den östlichen Bundesländern lebenden Vertriebenen (Vertriebenenzuwendungsgesetz — VertrZuwG)

A. Problem Zur Vollendung der inneren Einheit Deutschlands gehört auch eine Entschädigung der in den östlichen Bundesländern lebenden rund 600 000 Vertriebenen, die nach dem Zweiten Weltkrieg in der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR Auf- nahme gefunden haben. Mehr als • 40 Jahre lang wurde ihre Identität im SED-Unrechtsregime unterdrückt und ihr Vertrei- bungsschicksal verschwiegen. Eine materielle Entschädigung erfolgte nicht. Die im Entwurf der Bundesregierung zum Entschädigungsgesetz vorgesehene Regelung für die in den östlichen Bundesländern lebenden Vertriebenen reicht nicht aus, insbesondere darf die Auszahlung wegen des hohen Alters der Betroffenen nicht bis zum Jahre 2000 hinausgezögert werden. Mangels Sachzusammen- hangs mit dem Entschädigungsgesetz wird ein gesonderter Gesetzentwurf vorgelegt. Drucksache 12/5220 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

B. Lösung Durch die in dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehene Rege- lung wird sichergestellt, daß die Vertriebenen in den östlichen Bundesländern früher als geplant eine einmalige Zuwendung in Höhe von 4 000 Deutsche Mark erhalten werden.

C. Alternativen Keine

D. Kosten Bei einer geschätzten Zahl von rund 600 000 Vertriebenen ergeben sich Kosten in Höhe von 2,4 Mrd. Deutsche Mark. Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/5220

Entwurf eines Gesetzes über eine einmalige Zuwendung an die in den östlichen Bundesländern lebenden Vertriebenen (Vertriebenenzuwendungsgesetz — VertrZuwG)

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesra- 3. am 1. Januar 1998 für alle übrigen Berechtigten tes das folgende Gesetz beschlossen: und alle Erben.

Ansprüche von Personen mit höherem Lebensalter werden vor Ansprüchen von Personen mit niedrige- §1 rem Lebensalter erfüllt. Grundsatz

Die durch den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen besonders be troffenen Vertriebenen erhalten eine §5 einmalige Zuwendung. Antrag

Die einmalige Zuwendung wird nur auf Antrag §2 gewährt. Der Antrag ist bis zum Ablauf des 31. De- Berechtigte zember 1994 (ein Jahr nach Inkrafttreten dieses Gesetzes) an die nach § 7 für die Durchführung (1) Die einmalige Zuwendung wird an Vertriebene zuständige Stelle zu richten. Die Feststellung der im Sinne des § 1 des Bundesvertriebenengesetzes Vertriebeneneigenschaft des Antragstellers bestimmt gewährt, die nach der Vertreibung ihren ständigen sich nach den Vorschriften des Bundesvertriebenen- Aufenthalt in der ehemaligen DDR und Berlin (Ost) gesetzes und obliegt den danach zuständigen Behör- vor dem 3. Oktober 1990 genommen und ihn bis zum den. Ein bei dieser Behörde gestellter Antrag hat 1. Januar 1994 (Tag des Inkrafttretens dieses Geset- fristwahrende Wirkung. zes) dort ohne Unterbrechung innegehabt haben. (2) Die einmalige Zuwendung erhalten solche Ver- triebenen nicht, die vor oder nach Ende des Zweiten §6 Weltkrieges einem totalitären System erheblich Vor- Verpfändbarkeit, Nichtanrechnung, schub geleistet oder durch ihr Verhalten gegen die Steuerfreiheit Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaat- lichkeit verstoßen haben. (1) Der Anspruch auf Gewährung der einmaligen Zuwendung unterliegt in der Person des unmittelbar Berechtigten nicht der Zwangsvollstreckung. §3 (2) Der Anspruch auf Gewährung der einmaligen Vererbbarkeit, Übertragbarkeit Zuwendung bleibt bei Sozialleistungen, deren Ge- währung von anderen Einkünften abhängig ist, unbe- Der Anspruch auf Gewährung der Leistung ist mit rücksichtigt. Wirkung vom 1. Januar 1994 (Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes) vererblich und übertragbar. (3) Die Zuwendungen nach diesem Gesetz sind von der Einkommensteuer im Sinne des § 3 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes befreit. §4 Höhe der einmaligen Zuwendung, Erfüllung des Anspruchs §7 Zuständigkeit (1) Die Höhe der einmaligen Zuwendung für jeden Berechtigten be trägt 4 000 Deutsche Mark. Die Kosten trägt der Bund. Die Durchführung obliegt dem Bundesland, in dem der jeweilige Antragsteller am 1. Januar 1994 (Tag des (2) Der Zuwendungsbetrag wird fällig Inkrafttretens dieses Gesetzes) seinen ständigen Auf- 1. im Jahre 1994 für Berechtigte, die das 70. Lebens- enthalt hatte. Die Zuständigkeit bleibt auch bei einer jahr vollendet haben, Verlegung des ständigen Aufenthalts nach diesem Zeitpunkt in ein anderes Bundesland oder in ein 2. am 1. Januar 1996 für Berechtigte, die zu diesem Gebiet außerhalb der Bundesrepublik Deutschl and Zeitpunkt das 60. Lebensjahr vollendet haben, bestehen. Drucksache 12/5220 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

§8 Verfahren

Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes.

§9 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1994 in Kraft.

Bonn, den 21. Juni 1993

Angelika Pfeiffer Claus Jager Heinz Schemken Hartmut Büttner (Schönebeck Georg Janovsky Joachim Graf von Wilhelm Rawe Dr.-Ing. Rainer Jork Schönburg-Glauchau Erika Steinbach-Hermann Dr. Egon Jüttner Gerhard Schulz (Leipzig) Hartmut Koschyk Michael Jung (Limburg) Clemens Schwalbe Manfred Kolbe Stefan Schwarz Erwin Marschewski Dr. Harald Kahl Jürgen Sikora Wolfgang Ehlers Günter Klein (Bremen) Barbel Sothmann Rosemarie Priebus Ulrich Klinkert Karl Stockhausen Dr.-Ing. Joachim Schmidt Hans-Ulrich Köhler Michael Stübgen (Halsbrücke) (Hainspitz) Dr. Jürgen Warnke Reiner Krziskewitz Dr. Volkmar Köhler Dr. Alexander Warrikoff Udo Haschke (Jena) (Wolfsburg) Herbert Werner (Ulm) Rainer Eppelmann Eva-Maria Kors Kersten Wetzel Horst Gibtner Dr. Günther Krause Dr. Gertrud Dempwolf (Börgerende) Dr. Roswitha Wisniewski Martin Göttsching Wolfgang Krause (Dessau) Michael Wonneberger Monika Brudlewsky Franz Heinrich Krey Dr. Jürgen Türk Heinz-Jürgen Kronberg Klaus Beckmann Dr. Christoph Schnittler Dr. Immo Lieberoth Hans A. Engelhard Dr. Eva Pohl Dr. Manfred Lischewski Paul K. Friedhoff Wolfgang Lüder Wolfgang Mischnick Dr. Michael Luther Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink Dr. Irmgard Schwaetzer Theo Magin Jörg Ganschow Hans-Dietrich Genscher Claire Marienfeld Günter Marten Martin Grüner Wolfgang Meckelburg Joachim Günther (Plauen) Heinz-Günter Bargfrede Rudolf Meinl Dr. Hans-Dirk Bierling Dr. Hedda Meseke Heinz-Dieter Hackel Dr. Joseph-Theodor Blank Dr. Klaus Mildner Dirk Hansen Wilfried Böhm (Melsungen) Thomas Molnar Birgit Homburger Klaus Brähmig Erhard Niedenthal Dr. Sigrid Hoth Johannes Nitsch Uwe Lühr Joachim Clemens Lisa Peters Dr. Gerhard Päselt Dr. Klaus Röhl Ulrich Petzold Arno Schmidt (Dresden) Dr. Jürgen Schmieder Dr. Hermann Pohler Hans Schuster Winfried Fockenberg Rolf Rau Marita Seim Elisabeth Grochtmann Klaus Reichenbach Dr. Sigrid Semper Erika Reinhardt Dr. Jürgen Starnick (Großhennersdorf) Heinz Rother Jürgen Timm Manfred Heise Helmut Sauer (Salzgitter) Ingrid Walz Dr. h. c. Adolf Herkenrath Heribert Scharrenbroich Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode Drucksache 12/5220

Begründung

I. Allgemeiner Teil ständigen Aufenthalt in der ehemaligen DDR und Berlin (Ost) vor dem 3. Oktober 1990 genommen und Während Vertriebene, die nach dem Verlassen des ihn dort ohne Unterbrechung bis zum Tag des Inkraft- Vertreibungsgebietes in die Bundesrepublik Deutsch- tretens dieses Gesetzes beibehalten haben, sind nur land nach dem Gebietsstand zum 3. Oktober 1990 Vertriebene der Erlebnisgeneration anspruchsbe- zugezogen sind, nach Maßgabe der Kriegsfolgenge- rechtigt. Der Stichtag ist erforderlich, da seit dem setze Hilfen zur Eingliederung und Entschädigungen 3. Oktober 1990 in das Gebiet der östlichen Bundes- erhalten haben, sind vergleichbare Leistungen an länder zugezogene Aussiedler Leistungen nach Maß- Vertriebene mit ständigem Aufenthalt im Gebiet der gabe des Ausgleichsgesetzes und andere staatliche ehemaligen DDR und Berlin (Ost) nicht gewährt Eingliederungshilfen beanspruchen konnten. worden. Eine nachträgliche Einbeziehung dieses Per- sonenkreises in die Kriegsfolgengesetze hat die Bun- Die Ausschlußtatbestände des Absatzes 2 lehnen sich desregierung nicht als angezeigt angesehen, da die an die des Bundesvertriebenengesetzes und des mit diesen Leistungsgesetzen verfolgte Zielsetzung Lastenausgleichsgesetzes an. der Eingliederung bei diesem Personenkreis mehr als 40 Jahre nach Abschluß der Vertreibungsmaßnahmen ebenfalls als erfüllt anzusehen sei. Auch die Gewäh- rung von Entschädigungsleistungen nach diesen Zu §3 Gesetzen sei ausgeschlossen, weil sowohl die Feststel- lung der vor mehr als 40 Jahren eingetretenen Schä- Die Regelung stellt klar, daß der Anspruch mit Wir- den wie die Finanzierung derartiger Leistungen kung ab 1. Januar 1994 (Tag des Inkrafttretens des unüberwindbare Schwierigkeiten bereite. Statt einer Gesetzes) übertragbar und vererbbar ist. Dadurch soll individuellen Entschädigung sollen deshalb die durch sichergestellt werden, daß im Falle des Versterben den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen besonders des Berechtigten nach Inkrafttreten des Gesetzes die betroffenen Vertriebenen der Erlebnisgeneration mit Leistung an die Erben gewährt wird. Wohnsitz in den östlichen Bundesländern eine einma- lige Zuwendung erhalten. Zu § 4

II. Besonderer Teil Die Vorschrift bestimmt die Höhe und Fälligkeit der einmaligen Zuwendung und legt fest, daß die Kosten Zu § 1 vom Bund zu tragen sind. Die Vorschrift schafft die Rechtsgrundlage für eine einmalige Zuwendung an die in den östlichen Bun- Für die Kostenregelung bieten sich folgende alterna- desländern lebenden Vertriebenen und enthält die tive Möglichkeiten an: Begründung für diese Leistungen. Danach wird die Die einmalige Zuwendung wird aus Mitteln des Zuwendung den von den Kriegsfolgengesetzen aus- 1. Entschädigungsfonds geleistet, da dem Entschädi- geschlossenen Vertriebenen nach Maßgabe des § 2 gungsfonds die Rückflüsse aus dem Lastenaus- unabhängig vom Vorliegen eines Vermögensscha- gleich zur Verfügung stehen, die sich dadurch dens im Hinblick auf deren besondere Be troffenheit ergeben, daß nach der Vereinigung Deutschlands durch den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen Geschädigte in der ehemaligen DDR ihr Eigentum gewährt. Gleichzeitig dient diese innerstaatlich der zurückerhalten und entschädigt werden. Abgeltung aller aus der. Vertreibung entstandenen Vermögensschäden und Verluste, so daß weitere 2. Die Zuwendung erfolgt aus Mitteln des ab 1. Ja- Ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland, nuar 1995 zu bildenden Erblastentilgungsfonds, vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Bun- dessen Finanzierung der Bund gemäß dem Föde- desverfassungsgerichts, nicht mehr hergeleitet wer- ralen Konsolidierungsprogramm vom 21. Januar den können. Die Gewährung und Annahme der 1993 und dem Solidarpakt vom 11./13. März 1993 einmaligen Zuwendung berührt aber weder die Ver- übernommen hat. Damit würde gewährleistet sein, mögensrechte der Vertriebenen noch enthält sie einen daß die einmalige Zuwendung an die in den Verzicht auf deren Wiederherstellung oder Ersatzlei- östlichen Bundesländern lebenden Vertriebenen stung durch die Schädiger. Die Geltendmachung von entsprechend der historischen Verantwortung von Ansprüchen gegen die Schädiger wird durch die allen Deutschen in Ost und West entsprechend Leistung nicht ausgeschlossen. ihrer finanziellen Leistungskraft aufgebracht wird.

Zu §2 Die bereits 1994 fällig werdenden Leistungen werden Durch die Beschränkung des Berechtigtenkreises auf aus dem Bundeshaushalt 1994 vorfinanziert und spä- jene Vertriebenen, die nach der Vertreibung ihren ter dem Bundeshaushalt erstattet. Drucksache 12/5220 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode

Aus sozialen Erwägungen wird die Leistung für Zwangsvollstreckung gegen den unmittelbar Berech- Berechtigte der Geburtsjahrgänge vor 1924 im Jahre tigten richtet, da die Leistung einen höchstpersönli- 1994 und der Geburtsjahrgänge vor 1936 am 1. Januar chen Anspruch darstellt. Ferner wird klargestellt, daß 1996 fällig. Für die nach 1937 geborenen Berechtigten die einmalige Zuwendung bei Gewährung an unmit- tritt die Fälligkeit am 1. Januar 1998 ein. Dabei sollen telbar Berechtigte nicht auf andere Sozialleistungen die Ansprüche von Personen mit höherem Lebensalter angerechnet werden darf. Schließlich wird die Steuer- vor Ansprüchen von Personen mit niedrigerem freiheit bestimmt. Lebensalter erfüllt werden.

Zu §7 Zu § 5

Die Vorschrift bestimmt die für die Durchführung Die Vorschrift regelt das Antragsverfahren und setzt zuständigen Stellen. die Frist fest, innerhalb derer die erforderlichen Anträge zu stellen sind. Dabei h andelt es sich um eine Ausschlußfrist. Ferner wird bestimmt, daß die Feststel- lung der Vertriebeneneigenschaft den nach den Vor- Zu §8 schriften des Bundesvertriebenengesetzes zuständi- gen Stellen obliegt. Die Vorschrift regelt das Verfahren.

Zu § 6 Zu §9 Die Vorschrift stellt klar, daß der Anspruch nicht der Zwangsvollstreckung unterliegt, soweit sich die Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten .