Stenographische Protokoll Der Sitzung
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25306 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 207. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. November 2012 Dr. Reinhard Brandl (A) damit wir uns an anderen Stellen Stichwort Tiefe wehr sind für die Jetztzeit gedacht. Wir müssen feststel- (C) mehr spezialisieren können. Ich stimme Herrn Arnold in len, dass wir nicht in allen Bereichen diese vertiefte Ko- dem Punkt zu, dass eine Fähigkeit, für die sich Tiefe an- operation, die wir uns wünschen, strukturell verankert bieten würde, die Raketenabwehr ist. Das ist eine Fähig- haben und mit ihr planen können. Deswegen ist der keit, über die fast nur Deutschland verfügt. Nur die Nie- strukturelle Ansatz der Bundesregierung Breite vor derlande und außerhalb von Europa die USA haben Tiefe in diesem Haushalt und bei dieser Reform richtig, ebenfalls solche Fähigkeiten. und wir tragen ihn mit. Angesichts dessen, was unter den finanziellen Rahmenbedingungen möglich ist, ist dieser Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder Ansatz der Regierung im Haushalt gut finanziert. über die Frage debattiert, warum wir überhaupt ein Ra- ketenabwehrsystem brauchen und wer uns denn angrei- Ich habe heute in der gesamten Debatte nicht ein ein- fen solle. Es wurde gesagt, das sei viel zu teuer. Damals ziges Mal den Vorwurf gehört, wir würden zu wenig für gab es kein Einsatzszenario. Jetzt ist ein solches Szena- die Bundeswehr ausgeben. rio da, und wir brauchen diese Fähigkeit. Wir brauchen sie aber nicht für uns selbst, sondern für einen unserer (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Zu viel! Partner im Bündnis. Jetzt bestünde doch eigentlich eine Inge Höger [DIE LINKE]: Viel zu viel!) gute Chance, Kooperation im Bündnis praktisch zu le- Als Verteidigungspolitiker meiner Koalition stelle ich ben. Was passiert aber plötzlich bei uns? Diejenigen, die fest: Damit können wir eigentlich ganz gut leben. vorher noch mehr Kooperation und eine weitere Vertie- fung der europäischen Sicherheitspolitik gefordert ha- Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ben, eiern herum und fragen: Ist die Türkei aus deutscher (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Perspektive genügend bedroht, sodass sie die Patriot-Ra- keten wirklich braucht, oder ist sie es nicht? Vizepräsidentin Petra Pau: Eine Bedrohungslage kann man natürlich je nach Per- Ich schließe die Aussprache. spektive immer unterschiedlich einschätzen. Es weiß keiner genau, wie sich ein solcher Konflikt weiterentwi- Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel- ckeln wird. plan 14 Bundesministerium der Verteidigung in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? Wer stimmt da- (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Eben!) gegen? Wer enthält sich? Der Einzelplan 14 ist mit Aber entscheidend ist in diesem Fall gar nicht einmal, den Stimmen der Unionsfraktion und der FDP-Fraktion wie wir die Bedrohungslage einschätzen, sondern ent- gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion Die scheidend ist vor allem, wie der Bündnispartner das Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ange- (B) (D) sieht, der sich bedroht fühlt und uns deswegen um Hilfe nommen. bittet. Ich rufe Tagesordnungspunkt I.12 auf: (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das steht Einzelplan 23 aber nicht im NATO-Vertrag!) Bundesministerium für wirtschaftliche Zu- Es mag sein, dass Sie als Opposition sich nicht recht- sammenarbeit und Entwicklung zeitig und vollständig informiert fühlen, aber das ist eine Drucksachen 17/10823, 17/10824 innenpolitische Frage. Das außenpolitische Signal, das Sie senden, indem Sie zuerst einmal Nein und dann Berichterstattung: vielleicht sagen, ist im Hinblick auf eine vertiefte Ko- Abgeordnete Volkmar Klein operation fatal. Was soll denn der Partner von uns den- Martin Gerster ken, der die öffentliche Debatte, die über das Wochen- Dr. h. c. Jürgen Koppelin ende geführt worden ist, verfolgt? Wenn Sie von der Dr. Dietmar Bartsch Opposition Ihre eigenen Forderungen ernst nähmen, Priska Hinz (Herborn) dann müssten Sie in einem solchen Fall sagen: Ja, wir Hierzu liegen drei Änderungsanträge der Fraktion der stellen die Fähigkeit zur Verfügung, aber nur unter be- SPD, ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke und stimmten Bedingungen. Sie können aber nicht zuerst ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- Nein und dann vielleicht sagen. nen vor. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Da haben Über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/ Sie was nicht verstanden!) Die Grünen werden wir später namentlich abstimmen. Auch ich bin für eine vertiefte europäische Koopera- Des Weiteren hat die Fraktion Die Linke einen Ent- tion, aber dafür ist ein langer Weg der Vertrauensbildung schließungsantrag eingebracht, über den wir am Freitag notwendig. Das schaffen wir nur, wenn wir uns in sol- nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. chen Situationen als vertrauenswürdig erweisen und nicht unserem jeweiligen Partner bzw. demjenigen, der Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Fähigkeit braucht, Hintergedanken unterstellen und die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. Ich ihn damit öffentlich brüskieren. höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Nichtsdestotrotz sind wir heute im Jahr 2012, und die Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle- Reform der Bundeswehr und der Haushalt der Bundes- gin Dr. Bärbel Kofler für die SPD-Fraktion. Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 207. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 21. November 2012 25307 Vizepräsidentin Petra Pau (A) (Beifall bei der SPD) rangetrieben der Entwicklungsetat sinken. Ich halte (C) das für einen Skandal. Dr. Bärbel Kofler (SPD): (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle- DIE GRÜNEN) gen! Wir diskutieren nun den Einzelplan 23, den Etat für Entwicklungszusammenarbeit. Eines muss man ganz am Die Absenkung des Entwicklungsetats um 124 Mil- Anfang feststellen: Dieser Etat bleibt weit hinter den Er- lionen Euro ist eine fatale Fehlentscheidung. Was aber fordernissen und den Notwendigkeiten einer internatio- nicht geht, ist das, was Sie, Herr Minister, nun gegen- nalen Armutsbekämpfung zurück. über der Presse praktizieren: Sie tun so, als hätte man ohne diese Absenkung das 0,7-Prozent-Ziel erreichen (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem können. Nein, auch das wäre nicht gegangen. Ich wie- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) derhole: Wir hätten über Jahre hinweg deutliche Mittel- aufwüchse im Milliardenbereich benötigt, um unseren Von diesem Einzelplan und von dieser Beratung geht Verpflichtungen zur Armutsbekämpfung weltweit wirk- ein fatales Signal aus, nämlich das Signal, dass Deutsch- lich nachkommen zu können. land nicht zu seinen internationalen Verpflichtungen zu stehen bereit ist, dass Deutschland sich nicht weiter an (Beifall bei der SPD) einer soliden und verlässlichen, gemessen an seiner Verstecken Sie sich an dieser Stelle also nicht hinter den Wirtschaftskraft berechneten Finanzierung der Entwick- Haushältern obwohl sie falsch entschieden haben lungszusammenarbeit beteiligt. Wir haben uns leider mit und nicht hinter dem Parlament. Es wäre schön gewesen, diesem Haushalt genau davon verabschiedet wenn Sie den Drive, das Engagement des Parlaments der (Beifall bei der SPD Priska Hinz [Herborn] letzten Jahre genutzt hätten, das sich fraktionsübergrei- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir aber fend für eine Erhöhung des Entwicklungsetats eingesetzt nicht!) hat. sehr richtig: wir nicht; die Regierung hat sich davon Ich möchte an dieser Stelle noch einmal auch mit verabschiedet , Respekt vor den Kolleginnen und Kollegen aus der Re- gierungskoalition, die diesen Aufruf unterschrieben ha- (Beifall des Abg. Martin Gerster [SPD]) ben an den entwicklungspolitischen Konsens erinnern. 372 Parlamentarierinnen und Parlamentarier aller Frak- und das, obwohl der Minister bei seiner letzten Rede im September 2012 den Etat des Einzelplans 23 als Rekord- tionen haben diesen Aufruf unterschrieben. Damals ha- haushalt bezeichnet hat. ben wir formuliert dahinter konnten sich viele aus allen (B) Fraktionen, die hier heute sitzen, versammeln : (D) Damals hat er gesagt, dass man sich dem Ziel der so- Ob die notwendigen Finanzmittel aufgebracht wer- genannten ODA-Quote verpflichtet sieht, dass wir also den, ist vor allem eine Frage der Prioritätensetzung. 0,7 Prozent von unserem Reichtum abgeben wollen, um Ob wir auf die gebotene Ehrlichkeit und Zuverläs- den Ärmsten der Armen zu helfen. Im September dieses sigkeit verweisen, auf christliche Nächstenliebe, in- Jahres hat der Herr Minister gesagt ich zitiere : ternationale Solidarität oder weltweite Gerechtig- Mit dem Haushalt 2013 behalten wir diese Prioritä- keit wir fühlen uns moralisch dazu verpflichtet, tensetzung des Koalitionsvertrags bei. auf die Einhaltung der 0,7-%-Zusage zu drängen, und fordern das Bundeskabinett und den Haushalts- Wo stehen wir jetzt, zwei Monate später? Mittlerweile ausschuss des Deutschen Bundestages auf, die da- muss sogar Herr Niebel zugeben, dass das damals eine für notwendigen Weichen zu stellen. bewusste Täuschung des Parlaments und der Öffentlich- keit war. Das war der Aufruf, hinter dem sich über 370 Parlamen- tarierinnen und Parlamentarier versammelt haben. (Beifall bei der SPD Widerspruch bei der FDP) Ich äußere an dieser Stelle noch einmal den dringen- den Appell, wenigstens darüber nachzudenken, ob wir Herr Minister, ich habe Sie vor zwei Monaten gefragt, die Kürzung von 124 Millionen Euro im Entwick- mit welchen Maßnahmen Sie es schaffen wollen, dieses lungsetat heute zurücknehmen und damit unserer Verant- Ziel zu erreichen angesichts der bekannten Tatsache, wortung als Parlamentarier gerecht