Dezember 2012 17. Jahrgang 57 Scheinwerfer Themenschwerpunkt: Politische Korruption

Der „Bienenkorb“, das Parlamentsgebäude in Neuseelands Hauptstadt Wellington. Laut Korruptionswahrnehmungsindex gilt Neuseeland mit Dänemark und Finnland als das am wenigsten korrupte Land der Welt. Foto: Ulla Trampert / pixelio.de Foto: Ulla Trampert

Michael Koß: Steter Tropfen höhlt den Christian Humborg: Wenn die Drehtür Mit internationaler Rückendeckung im Stein – Im Kampf gegen Korruption quietscht – Der Wechsel von Politikern Kampf gegen Korruption in der Politik zeigen sich Teilerfolge in die Wirtschaft ����������������������������������������������������������� 4 ����������������������������������������������������������� 8 ��������������������������������������������������������� 18 | Inhalt

Scheinwerfer 57 Editorial...... 3 Themenschwerpunkt: Politische Korruption 4 Michael Koß: Steter Tropfen höhlt den Stein – Im Kampf gegen Korruption in der Politik zeigen sich Teilerfolge...... 4 Sebastian Wolf: Alle Jahre wieder – Austausch bekannter Positionen bei der Sachverständigenanhörung zur Abgeordnetenbestechung...... 5 Tilman Höffken: Vertrauen hat keine Stufen...... 6 Edda Müller: „Man muss sich den Anfängen von Einflussnahme sofort widersetzen“...... 7 Christian Humborg: Wenn die Drehtür quietscht – Der Wechsel von Politikern in die Wirtschaft...... 8 Anja Schöne: Von Super-PACs und Registrierungspflichten – Wahlkampfspenden und Lobbying in den USA...... 9 Richtigstellung...... 10 Nachrichten und Berichte 10 Politik...... 10 Die Uni Lüneburg und ein Sponsoringvertrag ...... 11 Der bessere Wissenschaftler bekommt den Job? Eine Anmerkung zu Wolfgang B. Schünemann...... 12 Wirtschaft...... 13 Informationsfreiheit...... 15 Aus den Ländern ...... 15 Sport...... 17 Über Transparency 18 Mit internationaler Rückendeckung im Kampf gegen Korruption ...... 18 Der Beirat stellt sich vor: Ernst Elitz...... 19 Transparency-Einführungsseminar in Berlin ...... 20 Transparency Bangladesch: 5.000 Freiwillige im Kampf gegen Korruption...... 21 Treffen der Scheinwerfer-Redaktion in Kochel am See...... 22 Stadt Halle startet eVergabe-Portal...... 23 Zehn Jahre im Kampf für Transparenz im Rohstoffsektor: Publish what you pay richtet sich neu aus ...... 24

Impressum...... 22 Rezensionen 25

| Transparency Deutschland | Scheinwerfer 57 Editorial I 3

Jochen Bäumel, Mitglied im Vorstand von Transparency International Deutschland e.V.

Liebe Leserinnen und Leser, wenn Bertolt Brecht schreibt, „Bank- ist Sponsoring auch noch steuerlich ge der 1,5 Milliarden DM konnte die raub ist eine Unternehmung von Di- absetzbar. Besonders praktisch ist das Staatsanwaltschaft nicht nachweisen. lettanten. Wahre Profis gründen eine für Unternehmen in öffentlicher Hand. Also war alles rechtens und korrekt? Bank“, so hat er damit ein Prinzip Hier sitzen so manche Profiteure prak- Um allem die Krone aufzusetzen, plan- beschrieben, das übertragen auf Po- tischerweise auch im Aufsichtsrat. ten CDU, FDP und auch Teile der SPD litik bedeutet: Der wahre Profi ölt die Spenden dürfen solche Unternehmen eine Amnestie für beteiligte Politiker. Parteischarniere, wenn er auf Politik nicht, aber sponsern. Zu Fall gebracht wurde das alles vom Einfluss nehmen will. Denn zur Cham- damaligen SPD-Justizminister Jürgen pions League der Korruption gehört In der Geschichte der Bundesrepub- Schmude und SPD-Abgeordneten um der Einfluss auf die Gesetzgebung. Das lik haben sich Parteispendenskandale Dieter Spoeri. verspricht „nachhaltigen“ Gewinn. eine traurige Verlässlichkeit erarbeitet. Der wahre Profi zeichnet sich mitt- Unvergesslich eingegraben haben sich Die Zeiten haben sich geändert und lerweile dadurch aus, dass er, wie ein mir die Skandale um Kohl, Kanther, Elf auch das Wissen: Zu große Dreistigkeit Wünschelrutengänger, Gesetzeslücken Aquitaine und Flick. Jeder von ihnen kommt zu Fall. Deshalb haben Wün- aufspürt. Sponsoring ist zum Beispiel hat seine Besonderheiten. Der dreisteste schelrutengänger auf der Suche nach so eine Lücke. Im Parteiengesetz exis- von allen scheint mir der Flick-Skandal Gesetzeslücken Konjunktur. Wie schwer tiert Sponsoring gar nicht und ist so- Anfang der 80er Jahre. Damals hat der es Abgeordneten fällt, auf Privilegien mit bestens geeignet, um geräuschlos Konzern seine Schwarzgeldkassen auch zu verzichten, zeigt das zähe Ringen um Türen zu öffnen. Berichten Medien mit Hilfe gefälschter Spendenquittun- die Verschärfung der Abgeordnetenbe- über Parteitage, so sind ihnen die Fir- gen der katholischen Steyler Mission stechung. Drei Gesetzentwürfe von SPD, menstände, die die Parteitage wie Fes- gefüllt. Mit dem so erwirtschafteten Grünen und der Linken liegen auf dem tungswälle umgeben und an Industrie- Schwarzgeld wurden Politiker und Tisch. Die Koalition von CDU und FDP messen erinnern, kaum ein Bild oder Parteien geschmiert. Alles penibel auf- versteckt ihren politischen Unwillen, et- eine Zeile wert. Umso lieber nutzen gezeichnet im Notizbüchlein des Kon- was daran zu ändern, hinter juristischen Banken und Unternehmen die Chance, zernzahlmeisters. Flick selbst konnte Konstrukten. Leider haben Beschwerden um sich bei den Delegierten, Spitzen- damals Aktien im Wert von 1,5 Mil- des Bundesgerichtshofes, von über drei- funktionären, Ministern und Frakti- liarden DM steuerfrei verkaufen, weil ßig Großkonzernen und die massiven onsführern mit Sponsoring „anzuwan- Wirtschaftsminister Friderichs (FDP) Proteste der Zivilgesellschaft noch nicht zen“. Für Sponsoring gibt es keinen die Wiederanlage als „volkswirtschaft- zu einer besseren Einsicht geführt. Hof- Einzelnachweis – wie etwa für Spen- lich besonders förderungswürdig“ an- fen wir also weiter. den – in den Rechenschaftsberichten sah. Einen Zusammenhang zwischen der Parteien. Als nützliche Dreingabe Spenden und steuerfreier Wiederanla- Ihr Jochen Bäumel

Scheinwerfer 57 | Transparency Deutschland | 4 | Themenschwerpunkt: Politische Korruption

Steter Tropfen höhlt den Stein – Im Kampf gegen Korruption in der Politik zeigen sich Teilerfolge

Von Michael Koß

Sich gegen Korruption in der Politik zu engagieren, ist nach Meinungswechsel oder der nahenden Bundestagswahl ge- wie vor wie ein Kampf gegen Windmühlen. Doch es ist nicht schuldet ist, bleibt abzuwarten. zu übersehen: Transparenz ist auf dem Vormarsch. Zumin- dest in kleinen Schritten. Damit sind wir auch schon mitten im Bereich der Neben- tätigkeiten von Abgeordneten. Hier ist es der Verdienst des Beginnen wir mit der guten Nachricht: Im Bereich der Partei- SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, der das Thema zu- enfinanzierung ist es seit der letzten substanziellen Reform rück auf die Tagesordnung gebracht hat. Bislang muss das von 2002 grundsätzlich möglich, nachzuvollziehen, wer wie Einkommen aus Nebentätigkeiten von Abgeordneten nur in viel an wen spendet. Der Fall des Spielautomatenherstellers drei Stufen veröffentlicht werden, die bei 7.000 Euro enden; Gauselmann, dessen leitende Angestellte (angeblich freiwil- ob ein Abgeordneter also für einen Vortrag oder einen Auf- lig) systematisch Beträge unterhalb der Veröffentlichungs- sichtsratsposten mit 7.001 Euro oder 100.000 Euro entlohnt grenze von 10.000 Euro an CDU, SPD, FDP und Grüne spen- wird, stellt im Lichte der aktuellen (In)Transparenzregeln kei- deten, verdeutlicht jedoch, dass diese Grenze noch immer nen Unterschied dar – faktisch aber sehr wohl, so zumindest zu hoch liegt, um die Stückelung von Großspenden (das die Position von Transparency. Es ist Zeit für ein umfangrei- Unternehmen spendete seit 1990 angeblich mehr als eine cheres Regelwerk, das keine willkürliche Obergrenze für die Million Euro) wirklich zu unterbinden. Ebenso fehlt es an Veröffentlichung der Einkommen mehr vorsieht und die Na- einer Veröffentlichungspflicht für Parteisponsoring. Und ob men der Geldgeber offenlegt. Anwälte sollten zumindest die der Bundestagspräsident als Parteipolitiker wirklich die beste Branchen angeben, in denen ihre Mandanten arbeiten. Wahl als Überwachungsinstanz in der Parteienfinanzierung ist, bezweifelt mittlerweile selbst . Dass es auch anders geht, verdeutlicht das Beispiel Lettlands: Hier ist es Abgeordneten schlichtweg untersagt, neben ihrem Wesentlich weniger Positives lässt sich über den Bereich der Mandat anderweitig beruflich tätig zu sein. Inese Voika, die Abgeordnetenbestechung berichten. Hier sieht sich Deutsch- Vorsitzende von Transparency Lettland, legte im Oktober auf land weiterhin außerstande, die UN-Konvention gegen Kor- einer von Transparency Deutschland initiierten Veranstal- ruption zu ratifizieren. Wie so oft verbrämen die Gegner tung überzeugend dar, dass diese Reform in ihrem Land sys- einer Reform (die sich vornehmlich um den CDU-Politiker tematisch das Vertrauen in die Integrität der Abgeordneten Siegfried Kauder scharen) ihr inhaltliches Anliegen – weiter- gestärkt habe. Auf dieser Veranstaltung wurden anhand der hin Geheimpolitik betreiben zu wollen – hinter juristischen Nationalen Integritätsberichte, die alle europäischen Chapter Argumenten. Die in Artikel 38 des Grundgesetzes verbürgte von Transparency im Sommer vorgelegt haben, eine Reihe Freiheit des Mandates würde einer Regelung der Abgeord- von Beispielen guter Praxis ausgewertet. Der Blick über den netenbestechung über den reinen Stimmenkauf hinaus im nationalen Tellerrand erwies sich dabei als überaus inspi- Wege stehen. Transparency Deutschland wird weiterhin sein rierend – und ist zudem geeignet, viele typische Argumente Möglichstes tun, Kauder und Kollegen zu verdeutlichen, dass von Reformgegnern („Das lässt sich niemals umsetzen.“) zu das Grundgesetz zwar die Anstiftung zum Angriffskrieg, entkräften. Ob man soweit gehen sollte wie in Lettland und nicht aber Transparenzregeln für Abgeordnete explizit un- Parlamentariern Nebentätigkeiten grundsätzlich untersagen tersagt. Im August 2012 haben 36 deutsche Konzernchefs sollte, mag hier offen bleiben. Außer Zweifel steht jedoch: (unter anderem der Deutschen Bank) in einem Aufruf an den Mehr Transparenz in der Politik ist ein probates Mittel zur darauf hingewiesen, dass die Nichtratifizierung Wiederherstellung des schwindenden Vertrauens in die Ver- des UN-Übereinkommens der deutschen Wirtschaft schade treter von Legislative und Exekutive. | – angesichts dessen mutet Kauders Position zusehends bi- zarr an. Verbal zeigte dieser sich bei einer Anhörung des Dr. Michael Koß ist Leiter der Arbeitsgruppe Politik bei Rechtsausschusses im Oktober konziliant: Eine Reform sei Transparency Deutschland. wünschenswert. Ob das Einlenken Kauders allerdings einem Foto: Gerd Altmann / pixelio.de

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Alle Jahre wieder – Austausch bekannter Positionen bei der Sachverständigenanhörung zur Abgeordnetenbestechung

Sebastian Wolf

betonten insbesondere die Sonderstellung des Abgeordne- ten im Verfassungsgefüge und die Freiheit des Mandats. Außerdem verstießen die unbestimmten Rechtsbegriffe in den von den Oppositionsparteien eingebrachten Gesetzent- würfen (zum Beispiel „Vorteil“, „Mandatsausübung“) gegen das Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes. Die Sachver- Gleich zu Beginn der Sachverständigenanhörung am 17. ständigen, die für eine Reform plädierten, sahen dies nicht Oktober 2012 vor dem Rechtsauschuss des Bundestags zur so und verwiesen unter anderem auf die seit langem be- Frage einer Neufassung des Straftatbestands der Abgeord- stehenden unbestimmten Rechtsbegriffe im Internationalen netenbestechung machte der Ausschussvorsitzende Sieg- Bestechungsgesetz, das für ausländische und internationale fried Kauder deutlich, dass er von einer Verschärfung des Parlamentarier gilt. Sie nannten auch die Möglichkeit, prä- einschlägigen Paragrafen 108e im Strafgesetzbuch nichts zisierende Regelungen etwa im Abgeordnetengesetz oder halte. Abgeordnete könnten gar nicht bestochen werden, in den Anlagen der Geschäftsordnung des Bundestags zu denn sie seien keine Amtsträger, sondern Mandatsträger. schaffen. Immerhin sprachen sich nahezu alle Experten, die Als solche müssten sie keine Dienstpflichten erfüllen und den strafrechtlichen Status Quo bevorzugten, für strengere dürften auch Partikularinteressen vertreten. Im Zentrum der Transparenz- und Inkompatibilitätsbestimmungen aus. Anhörung standen drei Gesetzentwürfe zur Verschärfung Anwesend waren lediglich 14 von insgesamt 37 Mitgliedern des Straftatbestands der Abgeordnetenbestechung, jeweils des Rechtsausschusses, aber ganz offensichtlich die mit der eingebracht von der SPD-Fraktion, der Fraktion Die Linke Materie vertrauten Abgeordneten. Sie suchten in der Befra- und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. gung der Experten nach Bestätigung ihrer mehr oder weni- Die eingeladenen Sachverständigen und ihre Ansichten ger bekannten Positionen. Unions- und FDP-Parlamentarier spiegelten die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag wider. äußerten rechtliche Bedenken gegen eine Reform, während Gegen eine Verschärfung des Paragrafen 108e sprachen Vertreter der Opposition auf Argumente für ihre Gesetzent- sich aus: Dr. Ulrich Franke (Richter am Bundesgerichtshof), würfe verwiesen, welche einige der Sachverständigen geäu- Dr. Gerald Kretschmer (Ministerialrat a. D.) und Prof. Dr. ßert hatten. Teilweise wurde aber auch konkret nach Mög- Kyrill-Alexander Schwarz (Universität Würzburg). Für die lichkeiten zur Verbesserung der Initiativen gefragt. erkrankte Dr. Regina Michalke (Rechtsanwältin) war sehr kurzfristig Prof. Dr. Klaus Ferdinand Gärditz (Universität Fehlender politischer Wille Bonn) angefragt worden, von dem eine ablehnende Stel- Die Anhörung hat erneut gezeigt: Es handelt es sich um eine lungnahme vorlag, die aber immerhin vorschlug, mit ei- Materie, die nicht leicht zu regeln ist; aber eine Umsetzung ner kleinen Rechtsänderung kommunale Mandatsträger in der internationalen Antikorruptionsstandards ist im Hin- den Anwendungsbereich der strengen Strafvorschriften für blick auf deutsche Abgeordnete bei entsprechendem politi- Amtsträger einzubeziehen. Eine Neuregelung des Straftat- schen Willen möglich. Angesichts der momentanen Mehr- bestands der Abgeordnetenbestechung befürworteten Prof. heitsverhältnisse im Bundestag ist mit einer Neuregelung in Dr. Bernd Heinrich (Humboldt-Universität zu Berlin), Prof. dieser Legislaturperiode wohl nicht mehr zu rechnen. Da die Dr. Wolfgang Jäckle (Fachhochschule des Bundes für öf- drei diskutierten Gesetzentwürfe mehr Gemeinsamkeiten als fentliche Verwaltung), der Verfasser dieses Beitrags als Ver- Unterschiede aufweisen, erscheint eine Reform allerdings treter von Transparency Deutschland sowie – mit einiger bei veränderten parlamentarischen Mehrheiten nicht unrea­ Kritik an den vorgelegten Entwürfen – Eberhard Kempf listisch. (Rechtsanwalt). Die Gesetzentwürfe und die Stellungnahmen der Sachver- ständigen sind im Anhörungsarchiv des Rechtsausschusses Bekannte Argumente unter www.bundestag.de abrufbar. | In der Sache wurden kaum neue Argumente vorgebracht. Die Gegner einer Verschärfung der gesetzlichen Regelung PD Dr. Sebastian Wolf ist Co-Koordinator des wissenschaft- zur Abgeordnetenbestechung unter den Sachverständigen lichen Arbeitskreises von Transparency Deutschland. Foto: © Bundestag/Lichtblick/Achim Melde

Scheinwerfer 57 | Transparency Deutschland | 6 | Themenschwerpunkt: Politische Korruption

Vertrauen hat keine Stufen

Ein Kommentar von Tilman Höffken

Es scheint, als befinde sich der Politikbetrieb auf einem Transparenz-Höhenflug, um das Vertrauen der Wähler zu gewinnen: die Regierungsparteien kündigten eine Neurege- lung zur Veröffentlichung von Nebeneinkünften an – doch den übrigen Parteien geht das nicht weit genug. Dabei war der Widerstand gegen schärfere Regeln jahrelang von vielen Seiten groß. Tatsächlich bedurfte es erst der Debatte um die Nebentätigkeiten von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und der anschließenden „Transparenz-Offensive“ der Oppo- sition, um das neue Modell auf den Weg zu bringen. Für einige Mitglieder der Polit-Zunft stellen sich die der- zeitigen Entwicklungen jedoch eher als ein Transparenz- Strudel dar. Vom „gläsernen Abgeordneten“ ist da die Rede, den man ebenso wenig wie den „gläsernen Bürger“ brauche. Und jenen, die sich für das Aufschlüsseln von Nebenein- künften auf Euro und Cent einsetzen, wird von mancher Seite „kleinliche Beckmesserei“ vorgeworfen. Da kann es unsere Volksvertreter eigentlich nur beruhigen, dass sie sich Nebeneinkünfte beziehen, um deren Entscheidungen daran auch mit den neuen Regelungen nicht als „gläsern“ ver- messen zu können. Sie möchten vertrauen können. stehen müssen. Selbst nach deren Inkrafttreten lassen sich Wenn Abgeordnete durch Nebentätigkeiten überdurch- Nebeneinkünfte durch das Stufensystem leicht verschleiern. schnittlich hohe Einkünfte haben, dann ist es legitim nach- Zudem fehlt eine Pflicht, die tatsächlichen Geldgeber offen zufragen, von wem und für welche Leistungen sie gezahlt zu legen. So können diese auch weiterhin über Redneragen- wurden. Denn Nebeneinkünfte sollten genau das bleiben, turen getarnt werden und damit geheim bleiben. was sie sind: Einkünfte neben den Diäten der Politiker. Und Es scheint, als wenn es bei dem neuen zehnstufigen Sys- die sind schließlich auch offen einsehbar. tem um eines nicht geht: das Vertrauen der Bürger zu- „Ich rede in diesen Sälen nicht anders als ich öffentlich rück zu gewinnen. Die neue Regelung entpuppt sich als rede.“ Das hatte Steinbrück zu seinen vielen Vorträgen hilflose Reaktion auf eine Debatte, die ihren Wortführern bei Versicherern und Finanzunternehmen gesagt. Dieser entglitt und die die Skepsis der Bürger gegenüber ihren Satz sollte die Wähler beruhigen. Tatsächlich aber spiegelt Abgeordneten offenbarte. Nicht ohne Grund haben rund er das große Misstrauen wider, das inzwischen gegenüber 66.500 Bürgerinnen und Bürger einen Online-Appell für dem Politikbetrieb herrscht. Ist es nicht befremdlich, wenn mehr Transparenz bei Nebeneinkünften von Parlamenta- ein Politiker erst klarstellen muss, dass er seiner Linie auch riern unterzeichnet. Sicher, keiner dieser Bürger möchte hinter verschlossenen Türen treu bleibt? Es wäre ja noch seine eigenen Einkünfte offenlegen oder gar in der Zeitung schlimmer, wenn es einen öffentlichen und einen für Vor- abgedruckt sehen – dieses Argument wird von Politikern träge buchbaren Steinbrück gäbe. gerne gegen die centgenaue Offenlegung von Nebenein- Der Fall Steinbrück steht beispielhaft für die immer größere künften ins Feld geführt. Nähe zwischen Wirtschaft und Politik. Die steigert das Miss- Sie verkennen dabei aber zwei entscheidende Punkte. Zum trauen der Bürger. Karenzzeiten und eine Verschärfung der einen haben gewählte Abgeordnete eine besonders hohe Regelungen zur Abgeordnetenbestechung können helfen. Verantwortung eben diesen Bürgern gegenüber. Denn ih- Aber eben auch die Offenlegung von Nebeneinkünften. Und nen wird das Vertrauen geschenkt, die richtigen Entschei- zwar die Offenlegung auf Cent und Euro, denn jedes Stu- dungen für die Gemeinschaft zu treffen. Zum anderen geht fenmodell kann zur Verschleierung missbraucht werden. So es nicht um das Offenlegen jeglicher Vermögenswerte oder hart das für manche Politiker klingen mag: Wollen sie das Verdienste. Es geht lediglich darum, jene Institutionen und Vertrauen in ihre Arbeit wieder gewinnen, hilft nur eines – Beträge zu nennen, von denen die Abgeordneten neben ih- die größtmögliche Offenlegung ihrer Nebeneinkünfte. | ren Diäten Geld erhalten. Das ist keine Neiddebatte. Und es ist auch nicht Voyeurismus, der befriedigt werden will. Die Tilman Höffken ist Mitglied der AG Politik und der Schein-

Wähler möchten einfach wissen, woher ihre Abgeordneten werfer-Redaktion. Foto: Initiative Echte Soziale Marktwirtschaft / pixelio.de

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„Man muss sich den Anfängen von Einflussnahme sofort widersetzen“

Von Edda Müller

Beiträge von Lobbyisten begleiten den Prozess der Geset- Wirtschaftskreisen werden angesichts ihres Drohpotenzials zesvorbereitung. Dies gilt für die Vorbereitung von Bundes- eher berücksichtigt als die Bedenken von Verbänden, die gesetzen ebenso wie für die Landesgesetzgebung sowie das sich für allgemeine Interessen einsetzen. kommunale Satzungsrecht. Interessenvertreter versuchen Der „legislative Fußabdruck“ will den Einfluss von Interes- in allen Phasen des Gesetzgebungsprozesses Einfluss zu sen sichtbar und diskutierbar machen. Es soll offengelegt nehmen. Typisch hierfür war das vom Bundestag kürzlich werden, wessen Interesse wo in ein Gesetzesvorhaben ein- verabschiedete Meldegesetz. Während die Lobby der Ad- geflossen ist, welcher Sachverstand genutzt, wer beteiligt ressenhändler bei der Erarbeitung der Gesetzesnovelle im wurde und wer nicht. Die Gemeinsame Geschäftsordnung federführenden Bundesinnenministerium eine erleichterte der Bundesministerien bietet hierfür bereits heute das In­ Weitergabe von Meldedaten der Bürger nicht durchsetzen strumentarium: Nach Paragraf 51 in Verbindung mit Paragraf konnte, war sie bei den Ausschussberatungen im Bundes- 44 GGO muss Kabinettvorlagen eine Reihe von Nachweisen tag erfolgreich. Wer den Einfluss von Interessen auf den beigefügt werden, zum Beispiel Gesetzgebungsprozess offenlegen will, muss daher den zu den Auswirkungen auf den gesamten Prozess ins Visier nehmen: die Erarbeitung des Haushalt und die Kosten für Initiativentwurfs innerhalb der Bundesregierung durch die Ministerialverwaltung sowie die Beratungen im Bundesrat und im Bundestag. Da die meisten Gesetzentwürfe in un- serem parlamentarischen Regierungssystem innerhalb der Bundesregierung vorbereitet werden, beschränke ich mich hier auf diesen Weg. Seltener werden Gesetzesanträge aus der Mitte des Bundestages initiiert oder von den Bundeslän- dern – auch dort vorbereitet von der Ministerialverwaltung – über den Bundesrat eingebracht. Gesetzesinitiativen geht in der Bundesregierung zumeist eine intensive Vorbereitung voraus. Das federführende Res- sort kann fachliche Unterstützung aus unterschiedlichen die Wirtschaft. Darüber hinaus sind Quellen heranziehen: den eigenen nachgeordneten Fach- die „beabsichtigten Wirkungen und behörden, externe Gutachten sowie Fachbeiräte und Kom- die unbeabsichtigten Nebenwirkun- missionen. Der erste Entwurf – auch Referentenentwurf gen“ (§ 44, 1 GG0) darzulegen. In der genannt – wird nach hausinterner Abstimmung sowie vor Begründung zum Gesetzentwurf muss der Einleitung der Ressortabstimmung der Hausleitung zur nach Paragraf 43 Abs. 1, Ziff. 2 darge- grundsätzlichen Billigung vorgelegt. Dabei wird der poli- stellt werden, „welcher Sachverhalt dem tischen Leitung nicht nur das fachliche Konzept erläutert. Gesetzentwurf zugrunde liegt und auf welchen Erkenntnis- Dargelegt wird vor allem die „Gefechtslage“, also: mit wes- quellen er beruht“. Eine Präzisierung dieser Angaben un- sen Unterstützung im Kreis der politischen Akteure sowie ter Nennung des Interessenspektrums, der berücksichtigten wessen Zustimmung und Gegenwehr im Bereich von Wirt- und nicht berücksichtigten Interessen sowie der Spuren, die schaft und Gesellschaft zu rechnen sei. Lobbyisten in der Gesetzesarbeit hinterlassen haben, wäre Nach Paragraf 47 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der ohne großen zusätzlichen Auffand möglich. Transparenz ist Bundesministerien (GGO) sind Fachkreise und Verbände an allerdings nur so gut wie sie auch für Kontrolle und Kritik der Gesetzesvorbereitung zu beteiligen. Zeitpunkt, Umfang genutzt wird. Bundestag und Bundesrat sollten es sich daher und Auswahl der zu beteiligenden Interessenvertreter lie- zur Regel machen, in öffentlicher Sitzung diese Angaben zu gen dabei im Ermessen des federführenden Ressorts. Dieses debattieren. Interessant wäre es zu erfahren, ob auch dann ist an der Durchsetzung des eigenen Vorschlags interessiert. bei namentlicher Abstimmung zum Beispiel die Halbierung Es bemüht sich daher weniger um die Gleichgesinnten als des Mehrwertsteuersatzes für Hotels von allen Abgeordne- um diejenigen Kreise, die im politischen Raum eine Zustim- ten der Regierungsfraktionen mitgetragen würde. | mung verhindern können. Die Beteiligung externer Interes- sen tendiert daher zur Unausgewogenheit: starke Interessen Prof. Dr. Edda Müller ist Vorsitzende von Transparency

Foto: Erich Westendarp / pixelio.de Foto: Erich Westendarp werden eher gehört als schwache Interessen. Einwände von Deutschland.

Scheinwerfer 57 | Transparency Deutschland | 8 | Themenschwerpunkt: Politische Korruption

Wenn die Drehtür quietscht – Der Wechsel von Politikern in die Wirtschaft

Von Christian Humborg

Die Regeln für Politiker, die in die Wirtschaft wechseln, sind Transparency fordert eine Karenzzeit von drei Jahren für nicht ausreichend, und die Regeln, die es gibt, werden nicht Minister und Parlamentarische Staatssekretäre, wenn es ei- konsequent angewendet. nen Zusammenhang zwischen bisheriger und zukünftiger Der „Drehtüreffekt“ bezeichnet den Wechsel von Politikern Tätigkeit gibt. Bei den Beamten ist es der bisherige Dienst- in nicht selten gut dotierte Jobs in Unternehmen, Kanzleien herr, der einen Wechsel genehmigt oder eben nicht. Bei Mi- oder Agenturen, mit denen sie zuvor als Politiker zu tun nistern ist zu überlegen, ob eine andere Konstruktion zu hatten. Bei der Beurteilung solcher Wechsel sind zwei Krite- wählen ist. Ein Vorschlag lautet, dass ein Ethikrat eine öf- rien wichtig. Wie viel Zeit vergeht zwischen dem Ausschei- fentliche Empfehlung ausspricht, ob ein Wechsel genehmigt den aus der Politik und der Aufnahme der neuen Tätigkeit? werden sollte oder nicht. Wie eng ist der Zusammenhang zwischen bisheriger und Die Gruppe der Abgeordneten ist am schwierigsten zu re- zukünftiger Tätigkeit? gulieren. Es ist gerade Sinn und Zweck, dass sich Menschen Für Beamte ist der Wechsel im Beamtengesetz geregelt. Da- für eine bestimmte Zeit ins Parlament wählen lassen und nach kann der bisherige Dienstherr für einen Zeitraum von danach in ihren Beruf zurückkehren. Inwieweit kann ihnen drei Jahren dem Wechsel die Zustimmung verweigern „wenn daher untersagt werden, sich ein neues Tätigkeitsfeld zu su- dienstliche Interessen besorgt sind“. Oft wird gezweifelt, mit chen? Dies gilt erst recht, wenn der Parlamentarier schon welcher Sorgfalt die Wechselabsicht geprüft wird und inwie- vor seiner Wahl als Lobbyist tätig war und nach seinem weit die Regelung konsequent angewandt wird. Jüngst wurde Ausscheiden aus dem Parlament dies fortsetzen möchte. In dies diskutiert, als der ehemalige Innenstaatssekretär des Lan- jedem Fall kann der Wechsel öffentlich kritisiert werden. des Berlin zur Pin Mail AG wechselte. Dabei hatte zuvor das Die nachfolgende Beispielliste von Politikern, die den Weg Landesverwaltungsamt, das dem Innensenator untersteht, der durch die Drehtür beschritten haben, verdeutlicht dies. | Pin Mail AG einen Großauftrag zugesprochen. Anders sieht es für Minister, Parlamentarische Staatssekre- Dr. Christian Humborg ist Geschäftsführer von Transparency täre und Abgeordnete aus: Hier gibt es keine Regelungen. Deutschland.

Eine Auswahl umstrittener Wechsel von der Politik in die Wirtschaft Name Aufgabe in der Politik gewechselt zu… Dieter Althaus (CDU) Thüringischer Ministerpräsident Magna Martin Bangemann (FDP) EU-Industriekommissar Telefonica (Grüne) Staatssekretär im Mars Bundesverbraucherschutzministerium Frank Bielka (SPD) Finanzstaatssekretär, Land Berlin Degewo (CDU) Mitglied des Bundestages Evonik Industries Ulrich Freise (SPD) Innenstaatssekretär, Land Berlin Pin Mail AG Volker Hoff (CDU) Hessischer Minister für Bundes und Opel Europaangelegenheiten Caio Koch-Weser Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Deutsche Bank AG Silke Lautenschläger (CDU) Landessozialministerin Hessen Deutsche Krankenversicherung (DKV) Bernd Pfaffenbach Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium JP Morgan Gerhard Schröder (SPD) Bundeskanzler North European Gas Pipeline Matthias von Randow (SPD) Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Air Berlin Ditmar Staffelt (SPD) Mitglied des Bundestages EADS (SPD) Mitglied des Bundestages Deutsche Post Otto Wiesheu (CSU) Bayerischer Verkehrsminister Deutsche Bahn AG Joachim Wuermeling (CSU) Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft

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Von Super-PACs und Registrierungspflichten – Wahlkampfspenden und Lobbying in den USA

Von Anja Schöne

Kurz vor dem Ende des US-Präsidentschaftswahlkampfes als hierzulande. Bereits 1946 wur- sorgte im Oktober die vierjährige Abigael Evans aus Colo- de mit dem „Federal Regulation of rado noch einmal für Aufregung. In einem Video, das ihre Lobbying Act“ eine allgemeine Re- Mutter im Internet veröffentlicht hatte, beschwerte sich gistrierungspflicht für Lobbyisten das Mädchen unter Tränen, sie sei genervt vom Wahlkampf eingeführt. Seit dem „Lobbying Dis- und habe genug von Mitt Romney und „Bronco Bamma“ closure Act“ von 1995 gelten nicht (so ihr Spitzname für Barack Obama). Innerhalb weniger nur Kongressabgeordnete, sondern Tage verbreitete sich das Video wie ein Lauf­feuer im Netz. auch hochrangige Regierungsmit- Offensichtlich hatte das kleine Mädchen den Nerv vieler glieder als potenzielle Adressaten Amerikaner getroffen. Nun ist der Wahlkampf in den USA von Lobbing. Vierteljährlich müs- endgültig vorbei. Barack Obama wurde am 6. November sen registrierte Lobbyisten in einem 2012 als Präsident der Vereinigten Staaten wiedergewählt. Bericht ihre Anschrift, ihre Kunden und die Einnahmen und Ausgaben im Rahmen ihrer Lob- Wahlkampf auf Rekordniveau bytätigkeit nennen. Der Bericht wird beim „Secretary of the Der Entscheidung am Wahlabend ging ein monatelanger Senate“ und beim „Clerk of the House of Representatives“ Wahlkampf voraus, der mit härtesten Bandagen ausgefoch- hinterlegt und ist im Internet abrufbar. Lobbyisten, die in ten wurde und insgesamt die Rekordsumme von rund sechs eigener Sache tätig sind, müssen lediglich die Ausgaben Milliarden US-Dollar verschlungen hat. Diese Summe um- ihrer Lobbyingaktivitäten nennen. Wer gegen die Offenle- fasst die Ausgaben von Barack Obama und Mitt Romney, gungspflichten verstößt, riskiert eine Geldstrafe von bis zu ihren Parteien und allen politischen Interessengruppen, die 200.000 US-Dollar oder bis zu fünf Jahren Gefängnis. beide Kandidaten unterstützen, sowie die Ausgaben für die Wahlen zum Kongress. Den Grund für die nochmalige Stei- Trotz dieser Vorgaben bleibt Lobbying auch in den USA gerung der Wahlkampfkosten im Vergleich zum Wahljahr ein hoch umstrittenes Thema. Ein Mangel der bestehen- 2008 sehen Experten vor allem in der Zulassung sogenann- den Regelungen ist zum Beispiel, dass die Registrierungs- ter Super-PACs. pflicht nur für hauptamtliche Lobbyisten gilt. Zahlreiche Nicht­regierungsorganisationen – unter ihnen das bereits PACs oder Political Action Committees sind in den USA erwähnte Center for Responsive Politics – schauen Poli- Lobby­gruppen, die einzelne Kandidaten mit eigenen Ak­ tik und Unternehmen auf die Finger. Auf ihrer Webseite tionen wie Flyern, Veranstaltungen und Wahlwerbespots opensecrets.org dokumentiert die Organisation die Geld- unterstützen oder bekämpfen. Denn eigentlich können nur ströme aus der Wirtschaft in die Politik und nutzt dafür die Einzelpersonen für den Wahlkampf spenden. Im Präsident- veröffentlichten Informationen. Skandale wie 2006, als der schaftswahlkampf sind maximal Spenden bis 5.000 US-Dol- damalige Star-Lobbyist Jack Abramoff zu einer Gefäng- lar pro Person erlaubt. Firmen, Verbände oder Gewerkschaf- nisstrafe verurteilt wurde, weil er unter anderem Politiker ten dürfen die Kandidaten nicht mit Spenden unterstützen. mit Sach- und Geldgeschenken bestochen haben soll, sorg- Doch 2010 hat das Oberste Gericht zugelassen, dass Super- ten auch in den USA immer wieder für Aufsehen und eine PACs Spenden von Firmen und Individuen in unbegrenzter graduelle Verschärfung der bestehenden Gesetze, die mehr Höhe erhalten dürfen; vorausgesetzt, sie halten eine forma- Transparenz schaffen soll. le Distanz zu den Kandidaten. Die Super-PACs nutzen das Geld, um auf eigene Rechnung für die von ihnen favorisier- Sicherlich: die Transparenz im Lobbyingprozess ist auch in ten Kandidaten zu werben. Rund 970 Millionen US-Dollar den USA nicht perfekt. Aber fast wünscht man sich einen haben die Organisatoren laut Schätzungen des Center for Abramoffschen Skandal für Deutschland, damit die urzeit- Responsive Politics dafür im zurückliegenden Wahlkampf lich anmutende, vom Bundestag seit 1972 geführte Ver- ausgegeben. bändeliste endlich in ein modernes Lobbyregister überführt werden kann. | Lobbying im politischen Normalbetrieb Abseits des Wahlkampfes verläuft Lobbying in den USA im Anja Schöne ist Mitglied der Arbeitsgruppe Politik bei Rahmen gesetzlicher Regeln, von denen Deutschland noch Transparency Deutschland und hat den Schwerpunkt dieser meilenweit entfernt ist. Ein Grund dafür mag sein, dass Ausgabe redaktionell betreut.

Foto: Andrea Damm / pixelio.de es in den USA eine viel längere Lobbying-Tradition gibt

Scheinwerfer 57 | Transparency Deutschland | 10 | Themenschwerpunkt: Politische Korruption

Richtigstellung

Wir, der Transparency International Deutschland e.V., haben Weiter haben wir an gleicher Stelle verbreitet, dass die taz den Artikel „Wirtschaft küsst Wissenschaft“ in unserer Zeit- recherchierte, „welche Rolle die geschäftlichen Kontakte schrift „Scheinwerfer“, Ausgabe September 2012, auf der des Kanzlers zur Firma Rheinzink bei der Vergabe eines Seite 9 unter anderem mit folgender Behauptung verbreitet: Millionenauftrages für die Fassade des neuen Audimax- Gebäudes der Uni Lüneburg an die Firma Rheinzink spiel- „Der Korruptionsverdacht, den der Landesrechnungshof ten“. Niedersachsen gegen den Kanzler der Universität Lüneburg hegte...“ Dazu müssen wir richtig stellen: „Es handelte sich nicht um einen Auftrag an die Fa Rheinzink, sondern um einen Spon- Auf Aufforderung der Leuphana Universität Lüneburg sorenvertrag zwischen der Fa Rheinzink und der Universi- stellen wir richtig: Es gibt keinen „Kanzler der Universi- tät. Der wirtschaftliche Wert der Sponsoringleistung beläuft tät Lüneburg“. Uns sind keine Nachweise bekannt, dass der sich laut Vertrag auf € 297.000 brutto“. | niedersächsische Landesrechnungshof den Verdacht der Korruption gegen den Präsidenten oder den Vizepräsiden- ten gehegt hat.

Politik

Positionspapier an sitzende deutscher Großunter­nehmen die Parlamentari- die Politiker dazu auf, die dringend schen Geschäfts- notwendige Neuregelung des Straftat- führer der Bun- bestandes der Abgeordnetenbeste- destagsfraktionen chung endlich umzusetzen. Da es sich die längst über- dabei um Rechte der Abgeordneten fällige Verschär- handelt, sollte der Gesetzentwurf aus fung des Para- der Mitte des Bundestages kommen. grafen 108e im Bis dato gab es insgesamt drei Geset- Strafgesetzbuch zesvorschläge zur Neuregelung des zum Verbot der betroffenen Paragrafen 108e im Straf- Abgeordnetenbe- gesetzbuch. Vorgelegt wurden sie von stechung ange- SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN und mahnt. Mit seinen der Linken. Doch keiner davon fand im im Positionspa- Bundestag eine Mehrheit. Und so bleibt pier dargelegten die UN-Konvention gegen Korruption Vorschlägen zur im Exportland Deutschland weiter im Neuregelung lehnt Wartestand, während 161 Länder sie sich Lammert eng inzwischen längst ratifziert haben. Aus an den seit Feb- Sicht von Transparency Deutschland Lammert nimmt Parlamentarier bei ruar vorliegenden Gesetzentwurf der ist die Initiative von Bundestagspräsi- Abgeordnetenbestechung ins Gebet SPD an. dent Lammert daher sehr zu begrüßen. Neun Jahre nach Unterzeichnung der Transparency Vorstandsmitglied Jo- Vielleicht ist die Erde ja doch keine UN-Konvention gegen Korruption chen Bäumel: „Lammerts Vorstoß un- Scheibe. Diesen Eindruck könnte man (UNCAC) steht deren Ratifizierung und terstreicht, wie wichtig es ist, dass sich bekommen, wenn man Mitte Novem- damit die Umsetzung in gültiges, deut- das Parlament endlich auf ein Vorge- ber die Zeitungen aufschlägt. So war sches Recht auch heute noch aus. Im hen zur Verschärfung der Abgeordne- in der Financial Times Deutschland zu August rief dieses Versäumnis sogar tenbestechung einigt.“ as | lesen, Bundestagspräsident Norbert die Wirtschaft auf den Plan: In einem Lammert (CDU) habe in einem eigenen Schreiben riefen über 30 Vorstandsvor- Foto: Deutscher Bundestag / Lichtbilck/Achim Melde

| Transparency Deutschland | Scheinwerfer 57 Nachrichten und Berichte I 11

Die Uni Lüneburg und ein Sponsoringvertrag

Von Christian Humborg

sich ein (wirtschaftlicher) Vorteil für die Leuphana einstel- Im Scheinwerfer 56 war in zwei Beiträgen auch über die Uni len wird.“ Lüneburg berichtet worden. Dabei waren tatsachenwidrige Aussagen gemacht worden, was wir bedauern. Inzwischen Weiterhin verweist der Landesrechnungshof darauf, „dass konnte der Scheinwerfer in die unveröffentlichte Prüfungs- die Fa. Rheinzink und der Architekt Libeskind mit der Fa. mitteilung des Niedersächsischen Landesrechnungshofes Proportion GmbH … in enger privatwirtschaftlicher Verbin- Einsicht nehmen. dung stehen oder standen. […] Diese gegenseitigen wirt- schaftlichen Interessenlagen – insbesondere unter Beteili- gung des Vizepräsidenten der Leuphana – zeichnen ein Bild, Der Bericht des Niedersächsischen Landesrechnungshofes das das geforderte objektive Beschaffungshandeln einer öf- vom 19.07.2011 trägt den unscheinbaren Titel: „Maßnah- fentlich-rechtlichen Stiftung in Zweifel ziehen konnte“. meprüfung; Zentralgebäude der Leuphana Universität Lü- neburg“. 26 Seiten ist er lang. Insbesondere im Kapitel 3.6. Das Kapitel 3.6 des Berichtes schließt mit der Bewertung: unter der Überschrift „Sponsoring der Privatwirtschaft für „Unter diesen Rahmenbedingungen hätte sich das MWK die Fassadenverkleidung“ wird das Handeln der Uni be- [Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kul- schrieben, das als mitunter ungewöhnlich bewertet werden tur, die Red.] im Stiftungsrat dafür einsetzen müssen, dass könnte. einer wettbewerblichen Lösung bei der Fassadenbeschaf- fung der Vorrang eingeräumt und auf die vorliegende Spon- Im Bericht taucht ein prominenter Name auf: Libeskind. Im soringvereinbarung schon zur Vermeidung eines bösen An- Jahr 2007 nahm er einen Ruf auf eine Professur der Uni Lü- scheins verzichtet wird.“ In der niedersächsischen Richtlinie neburg an. Daniel Libeskind entwarf als Architekt das neue, zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung sich im Bau befindliche Zentralgebäude der Universität. werden die Grundsätze für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben aufgezählt. Einer davon lautet: „Vermeidung ei- Ebenfalls im Bericht wird die – inzwischen liquidierte – nes bösen Anscheins bei der Wahrnehmung öffentlicher Berliner Firma proportion GmbH genannt, deren Geschäfts- Aufgaben“. führer bis März 2008 Holm Keller war. Holm Keller, M.A. MPA, Theater- und Verwaltungswissenschaftler, ist seit Die Uni Lüneburg erklärte auf ihrer Website dazu, dass die 2006 Vizepräsident der Uni Lüneburg. Die proportion GmbH permanenten Gerüchte um eine Verbindung dienstlicher wurde im Frühjahr 2007 in das Handelsregister eingetra- und privater Interessen von Holm Keller jeder Grundlage gen, damals noch mit Holm Keller als Geschäftsführer. Die- entbehren. Er sei zwar Gründungsgeschäftsführer der pro- se Firma arbeitete mit Daniel Libeskind und mit der Firma portion GmbH gewesen, habe aber mit Beginn ihrer operati- Rheinzink zusammen. Die Firma Rheinzink schloss einen ven Geschäftsaufnahme im Jahr 2008 diese Funktion aufge- Sponsorenvertrag mit der Uni Lüneburg hinsichtlich einer geben. Seine Nebentätigkeiten seien vom Niedersächsischen großflächigen Zinkverkleidung des Zentralgebäudes ab. Wissenschaftsministerium geprüft und genehmigt worden Der Landesrechnungshof schreibt dazu: „Im Gegenzug zur und bewegten sich innerhalb des engen, rechtlich vorgese- Sponsoringleistung räumt die Leuphana der Fa. Rheinzink henen Rahmens. Sie stünden in keiner Beziehung zu seiner das Recht ein, mit dem Objekt (Zentralgebäude) Maßnah- Tätigkeit als Vizepräsident der Uni. men zur Vermarktung ihrer Titanzinkprodukte durchzufüh- ren. Zusätzlich hat sich die Universität verpflichtet, in ver- Insgesamt kann der Eindruck gewonnen werden, dass es zu schiedenen Veröffentlichungsmedien auf die Fa. Rheinzink verschiedenen äußerst kritikwürdigen Entscheidungen der und die von Rheinzink bereitgestellte Zinkfassade hinzu- Uni kam. Der Uni Lüneburg sei empfohlen, den Landesrech- weisen.“ Im Bericht heißt es weiter: „Besonders erschwerend nungshof zu bitten, seinen damaligen Bericht offenzulegen, ist jedoch, dass mit dem Sponsoringvertrag der Wettbewerb damit Bürger und Universitätsangehörige die Sachverhalte unterlaufen wurde. […] Insofern ist es bei der getroffenen selbst bewerten können. | Sponsoringvereinbarung fraglich, ob und in welcher Höhe

Scheinwerfer 57 | Transparency Deutschland | 12 | Nachrichten und Berichte

Der bessere Wissenschaftler bekommt den Job? Eine Anmerkung zu Wolfgang B. Schünemann

Von Sebastian Wolf

In einem Interview mit dem Scheinwerfer (Nr. 56, S. 7–8) Noch weniger nachvollziehbar ist Schünemanns Bemerkung antwortet Prof. Dr. Wolfgang B. Schünemann auf die Frage zum akademischen Mittelbau. Die allermeisten Stellen für nach der Höhe der Intransparenz bei der Vergabe wissen- Doktoranden und Postdoktoranden werden freihändig ver- schaftlicher Stellen an deutschen Hochschulen: „[…] Bei der geben, nur ein Bruchteil wird überhaupt öffentlich ausge- Vergabe der Professuren existiert ein sehr gutes System der schrieben. Sehr häufig „bedienen“ sich ProfessorInnen bei Checks and Balances. Jeder Versuch der Einflussnahme führt eigenen ehemaligen guten StudentInnen. Das bedeutet in zur Mobilisierung von Gegenkräften, was die Vergabe sehr der Regel, dass sie keine schlechte Wahl treffen, aber nicht transparent macht. Ähnlich ist dies im akademischen Mit- unbedingt die beste. Denn in vielen Fällen würde ein ech- telbau […] Der Leistungsdruck der Lehrstühle ist sehr groß, tes kompetitives und transparentes Verfahren vermutlich daher sind persönliche Netzwerke […] nicht bedeutend. Der zu anderen Ergebnissen führen. Die letztendliche Auswahl Bessere bekommt den Job“. liegt in der Mehrzahl der Fälle einzig und allein bei einem Professor oder einer Professorin mit weitem Entscheidungs- Das kann und darf man so nicht stehen lassen. Die Intrans- spielraum. Der Umstand, dass die meisten Wissenschaft­ parenz bei der Stellenvergabe an Hochschulen in Deutsch- lerInnen in Deutschland nur befristet beschäftigt sind (oft land ist teilweise enorm. Wer einige Jahre Arbeitserfahrung nur mit Ein- oder Zweijahresarbeitsverträgen), schafft zu- im Wissenschaftsbetrieb hat, kennt mit an Sicherheit gren- dem eine enorme Abhängigkeit vom Lehrstuhlinhaber und zender Wahrscheinlichkeit mindestens einen Fall fragwür- somit günstige Voraussetzungen für Machtmissbrauch sei- diger Stellenbesetzung. Und wer schon einmal Mitglied tens der ProfessorInnen. einer Berufungskommission war, hat möglicherweise Erfah- rungen in Sachen Klüngelei gemacht, die er Nichtwissen- Das Wissenschaftssystem verbittet sich zu Recht zu star- schaftlern lieber nicht mitteilt, um die schöne Fassade der ke Eingriffe seitens der Politik oder der Wirtschaft. Seine Wissenschaft nicht zu beschädigen. Dabei gibt es bei der Selbstregulierung ist indes mitunter suboptimal, etwa die Vergabe von Professuren in der Tat noch die meisten forma- Rekrutierung des wissenschaftlichen Personals. Eine Verbes- len Sicherungen: Stellen müssen überregional ausgeschrie- serung (Rationalisierung) der oben skizzierten Prozesse mit ben werden, Kommissionen bestehen auch aus externen gängigen Mitteln der Korruptionsprävention liegt zwar auf Mitgliedern und NichtprofessorInnen, es sind Gutachten zu der Hand, ist aber nicht unbedingt im Interesse der deutschen den aussichtsreichsten Kandidaten zu erstellen, Frauen- und ProfessorInnen, die trotz aller Hochschulreformen nicht sel- Schwerbehindertenbeauftragte haben ein Mitspracherecht, ten noch immer kleine Fürsten sind: „Unsere Universitäten verschiedene Universitätsgremien und schließlich ein Minis- […] sind beinahe in jeder Hinsicht die Nachbildung eines terium müssen zustimmen. Dennoch ist es ein Leichtes, etwa Feudalsystems […] Die Professoren sind natürlich die Grafen Beurteilungskriterien so schwammig zu halten und wichtige und Barone […] Assistenten! Die niedrigsten Untertanen von Vorentscheidungen in informalen Gruppen zu treffen, dass allen, da die Abhängigkeit von ihren Herren und Meistern akademische Netzwerke und letztlich auch persönliche Be- so vollständig ist. Nach Jahren […] der Knechtschaft selber kanntschaften eine beträchtliche und schwer nachprüfbare Professor zu werden ist, als stiege man über Nacht von der Rolle spielen. In seinem Roman „Der Fall Steinmann“ (Mün- Leibeigenschaft in den Adel auf, eine Veränderung, die so chen, 2000) schreibt der Juraprofessor Joseph Weiler tref- dramatisch ist, dass sie für gewöhnlich die schlechtesten Ei- fend: „Das Verfahren der Auswahl eines neuen Professors genschaften der Menschen zum Vorschein bringt“ (J. Weiler ist sehr lang und streng. So sollte man jedenfalls glauben 2000, S. 12/13). | […] Das Auswahlritual ist eben dies: ein Ritual, das ersonnen worden ist, um denen, die es praktizieren, ein gutes Gefühl PD Dr. Sebastian Wolf ist Co-Koordinator des wissenschaft- zu verschaffen“ (S. 13). lichen Arbeitskreises von Transparency Deutschland.

| Transparency Deutschland | Scheinwerfer 57 Nachrichten und Berichte I 13

POLITIK

Moderne Software für Gesetzeslage konsolidiert werden. Es dann zur Übernahme vorschlagen. transparente Gesetze ist unübersichtlich, wie sich Änderun- Interessengruppen wie die Digitale Ge- gen im Kontext auswirken werden und sellschaft oder die Piratenpartei nutzen Das Schreiben von Software und von wer welche Änderung aus welchem diese Funktionalität schon, um ihre Gesetzen hat viele Gemeinsamkeiten: Grund beigesteuert hat. Gesetzesänderungsvorschläge maschi- es geht um Texte, die komplex mitein­ Das Projekt Bundes-Git möchte jetzt nenlesbar und konsolidiert anzubieten. ander verknüpft sind, die stetig aktu- die effizienten Werkzeuge und offenen Noch sind diese Werkzeuge auf die alisiert werden und bei denen kleinste Prozesse der Softwareentwicklung auf Entwicklung von Software ausge- Änderungen große Auswirkungen ha- Gesetze anwenden. Im ersten Schritt richtet und dementsprechend nicht so ben. Wie diese Texte jedoch entstehen, wurden alle Bundesgesetze und -ver- leicht verständlich. Die Open Know- unterscheidet sich bisher gravierend. ordnungen unter Versionskontrolle auf ledge Foundation Deutschland möch- Open-Source-Software wird heute mit GitHub verfügbar gemacht. Jede Zeile te diese Werkzeuge nun einfacher und Hilfe von Versionskontrollsystemen eines Gesetzes lässt sich damit auto- zugänglicher gestalten. Es ist höchste wie Git kollaborativ und offen auf matisch zurückverfolgen – zumindest Zeit, dass die Nachverfolgbarkeit, Of- Plattformen wie GitHub entwickelt. in der Theorie. Das Datenangebot des fenheit und Effizienz der Softwareent- Gesetze entstehen hingegen immer Bundesjustizministeriums ist dafür je- wicklung auch Teil unseres Gesetzge- noch wie in den 1950ern: Änderungs- doch leider noch zu unvollständig. bungsprozesses wird. gesetze werden intransparent in Mi- Weiterhin kann sich jetzt jeder sehr Stefan Wehrmeyer (Aktivist der „Open nisterien geschrieben, werden dann einfach eine komplette Kopie der aktu- Knowledge Foundation“ und Entwick- in Ausschüssen geändert und müssen ellen Gesetzeslage anlegen, gewünsch- ler für die Open Knowledge Foundation dann noch aufwendig in die aktuelle te Änderungen vornehmen und diese Deutschland) |

Wirtschaft

Transparency International legt für eine Erfolg versprechende Umset- chung. Dennoch kritisiert der Bericht, „Exporting Corruption“-Bericht vor zung der OECD-Konvention voraus- dass die längst überfällige Umsetzung setzt, müssten sich zusätzliche Länder der Forderungen bislang ausgeblieben Der diesjährige Fortschrittsbericht „Ex- in hohem Umfang engagieren. Die ist. Neben der Ratifizierung der UN- porting Corruption?“, der Anfang Sep- Stag­nation der Anzahl von sieben Län- Konvention gegen Korruption betrifft tember von Transparency International dern seit drei Jahren zeigt laut Studie dies vor allem die verbindliche Einfüh- veröffentlicht wurde, kri- rung eines Unternehmens- tisiert, dass keine wesent­ strafrechtes. Deren Dring- lichen Entwicklungsschritte lichkeit formulierte Edda in der Strafverfolgung von Müller, Vorsitzende von Auslandsbestechungsde- Transparency Deutschland, likten zu verzeichnen sind. anlässlich der Veröffentli- Der aktive Einsatz gegen chung des Berichtes erneut: Bestechung von Amtsträ- „Wir brauchen in Deutsch- gern im ausländischen Ge- land endlich ein Unter- schäftsverkehr von OECD- nehmensstrafrecht. Der Ländern müsse künftig Strafrahmen muss auf die verstärkt werden. Höhe der Kartellstrafen an- Der Bericht kategorisiert gehoben werden. Für Groß- 37 OECD-Länder nach unternehmen würden auch vier Stufen und bewertet Strafen von maximal zehn so ihr Engagement gegen Millionen Euro keinen Ab- Auslandsbestechung. Der schreckungseffekt haben.“ höchsten Kategorie „Active Die Abänderung der Rechts- Enforcement“ können weiterhin nur eine höchst negative Tendenz, obwohl grundlage würde den derzeitigen ba- sieben Länder zugeordnet werden, die andererseits der Anstieg von Ermitt- gatellisierenden Tatbestand aufheben, mit insgesamt 28 Prozent nur gering- lungsverfahren positiv zu verzeichnen wonach die Strafbarkeit juristischer fügig am weltweiten Export beteiligt ist. Personen bislang lediglich durch das sind. Um diesen Anteil auf über 50 Deutschland zählt zu den aktiven Län- Ordnungswidrigkeitenrecht geregelt

Foto: Gerd Altmann / pixelio.de Prozent zu erhöhen, was der Bericht dern im Kampf gegen Auslandsbeste- wird. Lena Thomsen |

Scheinwerfer 57 | Transparency Deutschland | 14 | Nachrichten und Berichte

Mehr Transparenz im Rohstoffsektor – Einen konkreten Vorschlag für mehr alle im Rohstoff- und Forstsektor täti- auch in der EU? Transparenz im Rohstoffsektor hat gen Unternehmen Zahlungsströme ab der Gründer von Transparency In- etwa 80.000 Euro nach Ländern und ternational, Peter Eigen, schon 2002 Projekten aufgeschlüsselt offenlegen gemacht. Auf Initiative der britischen müssen. Die Fraktion Bündnis 90/ Regierung wurde die „Extractive In- Die GRÜNEN hat einen entsprechen- dustries Transparency Initiatives“ den Antrag in den Bundestag einge- (EITI) gegründet. Ziel ist, die Zah- bracht. Der wurde jedoch im April lungsströme bei der Förderung von 2012 mit Mehrheit von CDU/CSU und Rohstoffen offenzulegen und dadurch FDP abgelehnt. Mittlerweile läuft der der Zivilgesellschaft die Möglichkeit Abstimmungsprozess auf EU-Ebene zur Kontrolle zu geben. Einen ähn- weiter. Der Rechtsausschuss des EU- lichen Weg geht die ebenfalls 2002 Parlamentes hat die EU-Transparenz- von Nichtregierungsorganisationen richtlinie befürwortet. Jetzt folgt die gegründete Initiative „Publish What Abstimmung zwischen Parlament, You Pay“. Sie fordert eine weiterge- Kommission und Rat. hende Offenlegung der Zahlungsströ- Transparency Deutschland hat sich Bodenschätze könnten ein Reichtum me bis hin zum einzelnen Projekt. politisch auf allen Ebenen und mit sein, auf den sich die Entwicklung ei- In den USA wurde bereits 2010 eine Kampagnenarbeit für die Umsetzung nes Landes gründen ließe. Die Indus- gesetzliche Regelung beschlossen. Der der EU-Transparenzrichtlinie einge- trienationen sind auf Rohstoffe ange- „Dodd-Frank Wall Street Reform and setzt. Dabei plädiert Transparency da- wiesen und zahlen gute Preise. Für Consumer Protection Act“, schreibt für, die Berichtspflicht nach Projekten die Öl-, Gas- und Mineralexporte des in Absatz 1504 allen bei der ameri- zu erhalten. Es bleibt zu hoffen, dass afrikanischen Kontinents flossen im kanischen Börsenaufsicht SEC regis- die EU nicht hinter den Dodd-Frank- Jahr 2008 insgesamt 393 Milliarden trierten Rohstoffunternehmen vor, Act zurückfällt. Dafür wird weiterhin Dollar. Das ist das Neunfache dessen, vom Jahr 2013 an alle Zahlungen viel Aufmerksamkeit und Druck der was diese Länder an Entwicklungs- von mindestens 100.000 US-Dollar zu Zivilgesellschaft notwendig sein. hilfe erhalten haben. Dennoch leben veröffentlichen, aufgeschlüsselt nach Christa Dürr | Dreiviertel der Menschen in roh- Ländern und Projekten. stoffreichen Ländern unterhalb der Die EU-Kommission folgte im Oktober Mehr zum Thema Transparenz im Armutsgrenze. Korruption, Missma- 2011 mit einer überarbeiteten Versi- Rohstoffsektor lesen Sie in der nächs- nagement, intransparente Strukturen on der Transparenz- und Buchhal- ten Ausgabe des Scheinwerfers. und schlechte Regierungsführung tungsrichtlinie (KOM (2011)683 und sind die Hauptursachen. KOM(2011)684). Sie sieht vor, dass

Transparency-Studie: Transparenz in Deckmantel der Geheimhaltung ab- men, deren Weltmarkanteil bei ins- der Rüstungsindustrie mangelhaft gewickelt – Transparenz Fehlan- gesamt rund 90 Prozent liegt, knapp zeige. Dabei liegt der Schaden, der 40 Fragen über interne Antikor- Wie schnell Korruption in der Rüs- jährlich durch Korruption im Rüs- ruptionsmaßnahmen beantworten. tungsindustrie zum Politikum wer- tungssektor verursacht wird, bei Das Urteil ist vernichtend: Zwei den kann, zeigt ein Eurofighter-Ge- rund 20 Milliarden US-Dollar. Zu Drittel der Firmen informieren Mit- schäft zwischen der österreichischen diesem Ergebnis kommt eine An- arbeiter und Öffentlichkeit nur un- Regierung und dem deutsch-fran- fang Oktober vorgelegte Studie von zureichend darüber, wie sie gegen zösischen Luftfahrt- und Rüstungs- Transparency International Groß- Korruption vorgehen. Nur zehn Pro- bauer EADS. Für 1,7 Milliarden britannien. Die Organisation hatte zent der Firmen weltweit gehen aus Euro wollte die Regierung in Wien die öffentlich zugänglichen Infor- Sicht von Transparency Großbritan- 15 Eurofighter kaufen. Seit lan- mationen von insgesamt 129 Rüs- nien mit gutem Beispiel voran und gem halten sich Gerüchte, beim Zu- tungsfirmen aus den USA, Russland, bieten „gute Informationen über ihr standekommen des Geschäfts seien Deutschland, Frankreich, Großbri- Anti-Korruptionssystem“. Unter ih- Schmiergelder geflossen. Nun er- tannien und China untersucht. Ana- nen ist der amerikanische Konzern mittelt die Staatsanwaltschaft, und lysiert wurden die Firmen darauf Fluor Corporations. Deutsche Rüs- in Österreich überlegt man, von dem hin, welche ethischen Regeln und tungsfirmen wie Krauss-Maffei Weg- Deal zurückzutreten. Das berich- Systeme zur Korruptionsbekämp- mann, Rheinmetall AG und Thyssen- tet Spiegel Online Mitte November. fung sie aktiv einsetzen. Zusätzlich Krupp AG positionieren sich eher am

Viele dieser Deals werden unter dem sollten die untersuchten Unterneh- unteren Ende oder im Mittelfeld. as | Foto: Dieter Schütz / pixelio.de

| Transparency Deutschland | Scheinwerfer 57 Nachrichten und Berichte I 15

INFORMATIONSFREIHEIT

Das Grundrecht auf Informationsfreiheit, soweit dies, insbesondere zum Schutz bericht, dem es an Tiefgang fehlt, in Deutschland immer noch in der der Verbraucher oder der natürlichen gelobt. Es gab niemanden, der das Diskussion Lebensgrundlagen, den überwiegen- Rad zurückdrehen und die neuen In- den Interessen der Allgemeinheit formationsfreiheitsrechte wieder ab- dient. Das Nähere wird bundesgesetz- schaffen wollte. Die Anhörung kann lich geregelt.“ auf der Webseite des Bundestages live Am 24. September 2012 hatte der nacherlebt werden. Innenausschuss des Bundestages zu Das Ausland sieht den Mangel an einer öffentlichen Anhörung gela- Informationsfreiheit in Deutschland den. Und zwar nicht nur zu dem nach schon seit langem kritisch: Im Ok- fünf Jahren nunmehr evaluierten tober befasste sich bereits der UN- Informationsfreiheitsgesetz des Bun- Menschenrechtsausschuss auf seiner des. Vielmehr war auch die schlichte Tagung in Genf mit der Situation bei Frage Thema, ob das Informations- uns, auch damit, dass noch immer recht der Bürgerinnen und Bürger fünf Bundesländer kein Informations- als Grundrecht in das Grundgesetz freiheitsgesetz haben. „Jeder hat das Recht auf Zugang zu aufgenommen werden sollte, so wie Dieter Hüsgen | Informationen öffentlicher Stellen so- in dem oben zitierten Wortlaut von wie zu Informationen nicht öffentli- den Grünen beantragt. Die Gutach- Link zur Anhörung im Innenaus- cher Stellen, soweit diese öffentliche ter waren unterschiedlicher Meinung, schuss des Bundestages: http://www. Aufgaben wahrnehmen. Der Zugang die Gegner der Grundgesetzänderung bundestag.de/dokumente/textar- zu Informationen sonstiger nichtöf- überzeugten jedoch nicht. chiv/2012/40412887_kw39_pa_inne- fentlicher Stellen ist zu gewährleisten, Ansonsten wurde der Evaluations- res/index.html

AUS DEN LÄNDERN

Nordrhein-Westfalen: delikte, wovon 99,5 Prozent der struk- Landeskorruptionsbericht vorgelegt turellen Korruption zuzuordnen waren. Gelingt es den Strafverfolgungsbehör- Das nordrhein-westfälische Innenmi- den in strukturelle Tätergruppen ein- nisterium hat das Lagebild Korruption zudringen, steigen die Fallzahlen, ins- des Landeskriminalamtes für das Jahr besondere die Anzahl der Einzeldelikte, sowie zivile Angestellte der Britischen 2011 veröffentlicht. Danach lässt sich deutlich an. Rheinarmee. Tätigkeitsschwerpunkte die Entwicklung im Bereich Korruption Der Schwerpunkt der korruptiven der Nehmerseite lagen im Beschaf- wie folgt zusammenfassen: Handlungen lag mit 243 (266) Meldun- fungs- und Genehmigungswesen, wäh- Die Zahl der Korruptionsverfahren ist gen im Bereich der Wirtschaft, während rend die Geber wie üblich überwiegend um 8,3 Prozent gestiegen. ein deutlicher Rückgang der Verfahren auf die Erlangung von Aufträgen und Umfangsverfahren haben zu einer Stei- in der öffentlichen Verwaltung zu ver- Genehmigungen zielten. gerungsrate von 571,6 Prozent bei den zeichnen war. Dies ist aber kein Grund Es ist weiterhin von einem sehr großen Einzeldelikten geführt. für Entwarnung im öffentlichen Be- Dunkelfeld im Bereich der Korruptions- Der Trend, dass Korruptionsdelikte reich. Die Ursache könnte vielmehr in und Wirtschaftskriminalität auszuge- überwiegend den Bereich der Privat- der Verlagerung der Untersuchungs- hen. Insofern sind neben präventiven wirtschaft betreffen, hat sich bestätigt. schwerpunkte liegen: Eine große An- Maßnahmen auch repressive Maßnah- Im Jahr 2011 ist ein erneuter Anstieg zahl von Ermittlungsverfahren wird men zur Aufhellung des Dunkelfeldes der erfassten Korruptionsverfahren ver- zunehmend im „Zielbereich“ Wirtschaft erforderlich. Ein Ansatz zur Aufhellung zeichnet worden. Die Anzahl der Ver- geführt. des Dunkelfeldes bei Korruptionsdelik- fahren stieg um 8,3 Prozent von 289 Die Korrumpierenden gehörten vor- ten ist die Hinweisgewinnung durch auf 313. Knapp 96 Prozent der Ermitt- nehmlich der Leitungsebene (Leitende sogenannte „Whistleblower“, die ver- lungsverfahren sind struktureller Kor- Angestellte, Geschäftsführer oder -in- dächtiges Verhalten beobachtet haben. ruption zuzuordnen, also in der Regel haber) an, während die Korrumpierten Gelingt es, diese zur Mitteilung ihrer Er- langlebigen, sehr schadensträchtigen überwiegend Einkäufer und Projektver- kenntnisse zu ermutigen, bedeutet dies Korruptionsnetzwerken. Die im Jahr antwortliche verschiedener Wirtschafts- oft einen Einstieg in die Aufdeckung 2011 gemeldeten Korruptionsverfahren bereiche waren, städtische und kommu- krimineller Handlungen.

Foto unten: TUBS / wikipedia.de Foto oben: Helene Souza / pixelio.de umfassten 40.894 (6.089/2010) Einzel- nale Bedienstete aller Hierarchieebenen Andreas Riegel (Leiter RG Rheinland) |

Scheinwerfer 57 | Transparency Deutschland | 16 | Nachrichten und Berichte

Thüringen plant neues MDR Innenminister Jörg Geibert; Bür- lungen zum Informationsregister mo- Informationsfreiheitsgesetz ger könnten diese etwa bei Bauprojek- niert. Hauptkritikpunkt sind nach wie ten, aber auch bei strittigen Fragen zu vor die vorgesehenen Verfahrensregeln Den Entwurf für ein neues Landes-In- Gebührenforderungen nutzen. Ziel sei mit erheblich zu langen Bearbeitungs- formationsfreiheitsgesetz hat Thürin- es, den freien Zugang zu amtlichen In- fristen (drei bis zu sechs Monate) und gens Landesregierung Ende September formationen zu ermöglichen, so Geibert der den Behörden eröffneten Mög- dem Landtag vorgelegt. Anstelle des laut MDR. Die Opposition kommentier- lichkeit, dass sich Informationsanfra- bisherigen Gesetzes – das als Verweisge- te den Gesetzentwurf erwartungsgemäß gen durch Liegenlassen gleichsam von setz auf das Informationsfreiheitsgesetz kritisch. Verbände und Organisationen, selbst erledigen. Transparency hat dies des Bundes ausgestaltet war – sollen darunter auch Transparency Deutsch- als „informationsfreiheitsfeindlich“ be- jetzt eigene landesgesetzliche Regelun- land, waren zu einer Stellungnahme zeichnet und alternativ einen konkre- gen treten. Thüringen werde als erstes aufgefordert. Bereits am ersten Entwurf ten Formulierungsvorschlag für eine Flächenland ein Informationsregister der Landesregierung vom Juli hat- bürgerfreundliche Regelung gemacht. im Internet aufbauen, das den Bürgern te Transparency die zu weitgehenden hm | einen Überblick über vorhandene Ak- Ausnahmeregelungen und andererseits ten und Informationen gebe, zitiert der die nicht weit genug gehenden Rege-

Baden-Württemberg verstärkt niert. Ob das Landeskriminalamt für 2009 einen „Vertrauensanwalt“ zur Antikorruptionsbemühungen durch die Bearbeitung von Korruptions- und Korruptionsverhütung, der ebenfalls internetbasiertes Hinweisgebersystem Wirtschaftsdelikten personell gestärkt anonyme Hinweise entgegennimmt. wird, bleibt abzuwarten. Während das Land Baden-Württem- Baden-Württemberg hat zum 1. Sep- Laut Innenministerium ist die Einfüh- berg in Sachen Hinweisgeberschutz tember 2012 ein anonymes Hinweis- rung eine Reaktion auf den stetigen voranschreitet, hat Transparency gebersystem zur Bekämpfung von Rückgang der Ermittlungsverfahren Deutschland in der Vergangenheit im- Korruption, Wirtschaftskriminalität gegen Korruption in der polizeilichen mer wieder Nachholbedarf in anderen und rechtsextremistisch motivierter Kriminalstatistik. 2011 Bereichen angemahnt. Gefordert Kriminalität eingeführt. Das Land folgt wurden nur noch wird die Veröffentlichung ei- damit dem Beispiel des niedersächsi- 89 Fälle gezählt nes Sponsoringberichts der schen Landeskriminalamtes, das seit – die niedrigs- Landesregierung und ein zehn Jahren über ein internetbasiertes te Zahl seit Lobbyistenregister für System für Hinweisgeber verfügt. Da- zehn Jahren. den Landtag. Auch das rüber hinaus nutzt die Polizei Baden- Insbesondere im Koalitionsvertrag Württemberg das System als erstes bei der Zahl vereinbarte Informati- Bundesland für die Aufklärung von der Verfah- onsfreiheitsgesetz lässt Kapitaldelikten. ren wegen weiterhin auf sich war- Hinweisgeber können über anony- Bestechlichkeit ten. Sylvia Stützer | me Postfächer mit der Polizei Kontakt und Bestechung aufnehmen. Das internetbasierte Dia- im geschäftlichen Anonyme Hinweise für den logsystem ist über die Webseiten des Verkehr ist ein Rück- Bereich „Korruption und Wirt- Innenministeriums, des Landeskrimi- gang zu verzeichnen. Ins- schaftkriminalität“ können hier ab- nalamtes und der Polizeidienststellen gesamt liegt der Rückgang bei über 30 gegeben werden: https://www.bkms- zugänglich. Die eingehenden Hinweise Prozent im Vergleich zum Jahr 2010. system.net/bw-korruption werden vom Landeskriminalamt ge- Neben diesem Hinweisgebersystem prüft und deren Bearbeitung koordi- gibt es in Baden-Württemberg seit

Hamburger Transparenzgesetz schreibt Transparenzgesetz vor. Innerhalb der die Verpflichtung natürlicher und ju- Veröffentlichung von Informationen vor nächsten zwei Jahre soll ein umfas- ristischer Personen des Privatrechts sendes Informationsregister im In- auf Offenlegung von Informationen Die Hamburger Verwaltung muss ternet Zugriff auf Daten, Dokumente gemäß Transparenzgesetz, soweit die- künftig einen großen Teil ihrer Un- und Verträge erlauben. Nach dem zu- se öffentliche Aufgaben wahrnehmen terlagen von vorn herein veröffent- vor geltenden Informationsfreiheits- oder öffentliche Dienstleistungen lichen. Dies schreibt das am 6. Ok- gesetz mussten Behörden nur auf erbringen und dabei der Kontrolle

tober in Kraft getretene Hamburger Antrag Auskunft geben. Neu ist auch der Hansestadt unterliegen. Dadurch Foto: Osman Zöllner / pixelio.de

| Transparency Deutschland | Scheinwerfer 57 Nachrichten und Berichte I 17

werden zum Beispiel Verträge der Da- Baugenehmigungen sowie Subven- etwa dort, wo persönliche Daten Ein- seinsvorsorge und die wesentlichen tions- und Zuwendungsvergaben. zelner und damit das informationelle Daten städtischer Beteiligungen so- Informationen könnten nicht mehr Selbstbestimmungsrecht in Gefahr wie die jährlichen Vergütungen für einfach mit Verweis auf Betriebs- und geraten. die Leitungsebene im Register erfasst. Geschäftsgeheimnisse zurückgehal- Das Gesetz war unter maßgebli- Auf dem Onlineportal soll eine Fülle ten werden. Vielmehr müssen die Be- cher Beteiligung der Volksinitiative an Informationen bereitgestellt wer- hörden das Informationsinteresse in „Transparenz schafft Vertrauen“ zu- den: Verwaltungsinterna, wie zum jedem Einzelfall gegen das Geheim- stande gekommen. Das Bündnis, zu Beispiel in öffentlichen Sitzungen haltungsinteresse abwägen. Gleich- dessen Gründungsmitgliedern auch gefasste Beschlüsse, Verwaltungsvor- zeitig ziehe das Transparenzgesetz Transparency Deutschland zählt, hat schriften, Haushalts- und Aktenplä- klare Grenzen, so Johannes Caspar, bereits einen Tag vor Inkrafttreten ne, aber auch konkrete Datenbestän- Hamburgischer Beauftragter für Da- des Regelwerks Einsicht in die Elb- de wie Geodaten, das Baumkataster, tenschutz und Informationsfreiheit in philharmonie-Verträge beantragt. rf | die wesentlichen Regelungen erteilter einem Gastkommentar in der Welt –

Sport

Konsequenzen aus dem Fall Lance Geheimniskrämerei bei Geldzahlungen Armstrong und Reform des Radsport- in Verbindung mit den verdächtigen Weltverbands gefordert Proben von Armstrong zerstöre jegliche Glaubwürdigkeit. Darüber hinaus sei In einem Ende Oktober in der Süddeut- eine grundlegende Reform der UCI im schen Zeitung veröffentlichten Gastbei- Hinblick auf Transparenz und insbeson- trag fordert Sylvia Schenk, die mögliche dere den Umgang mit der Dopingpro- Verquickung von Führungspersonen blematik notwendig, so Schenk. Dieser des Radsport-Weltverbands (UCI) mit Prozess müsse ebenfalls von einer un- dem Dopinggeschehen um den früheren abhängigen Kommission begleitet wer- Radprofi Lance Armstrong aufklären den. Nur so könne Vertrauen entstehen. zu lassen. Sylvia Schenk war Präsiden- Eine neue Kultur setze auch personelle tin des Bund Deutscher Radfahrer und Veränderungen voraus – bei den akti- Mitglied im Direktionskomitee des UCI, ven Radfahrern, den Sportdirektoren sie ist jetzt Sportbeauftragte von Trans- der Teams und den Funktionären an parency International. In den Jahren führender Stelle. Darüber hinaus fordert 2001 und 2002 habe es je eine „ver- Transparency International ein besseres dächtige Probe“ des US-Amerikaners System und Schutz von Hinweisgebern. gegeben. 2004 sei bekannt geworden, Die UCI hat dem siebenmaligen Tour- dass Armstrong der UCI Geld gespendet de-France-Sieger Ende Oktober alle Titel hat. Wie viel Geld auf welchem Wege aberkannt und ihn lebenslang gesperrt, von Armstrong an die UCI floss, sei un- nachdem die US-Anti-Doping-Agentur klar. Präsident Pat McQuaid und sein USADA einen Tausend-Seiten-Bericht Vorgänger Hein Verbruggen lieferten über die Dopingpraktiken Armstrongs darüber verschiedene Versionen. Die veröffentlicht hatte. rf |

Pannen kann es geben, Pardon

Leider haben sich in unsere Meldung 2. Wir haben geschrieben, dass eine „Etappensieg auf Informationszugang Berufung abgelehnt wurde. Die bei Anwendungsbeobachtungen“ verklagte kassenärztliche Bundes­ (Scheinwerfer 56, Seite 25) zwei Un- vereinigung hat das Urteil aber ange- richtigkeiten eingeschlichen: nommen, ohne in Berufung zu gehen. 1. Die Meldepflichten bei Anwendungs­ Eine weitere Klage gegen das Bun- beobachtungen werden in § 67 AMG desinstitut BfArM ist anhängig. geregelt, nicht in § 68. amy | Foto unten: s.media / pixelio.de Foto oben: Christa Nöhren / pixelio.de

Scheinwerfer 57 | Transparency Deutschland | 18 | Über Transparency

Mit internationaler Rückendeckung im Kampf gegen Korruption

Bericht von der internationalen Generalversammlung von Transparency International und der Internationalen Antikorruptionskonferenz im November in Brasília

Dilma Ruosseff, die Präsidentin von Brasilien, bei der Eröffnung der Konferenz. Von Christian Humborg

Einmal im Jahr treffen sich die natio- nutzen, um Aktionsraum und Sicher- elle Mitglieder ein gleichberechtigtes nalen Organisationen (genannt: Chap- heit aller Chapter und Transparency- Stimmrecht. Das Nominierungsproze- ter) von Transparency International, Aktivisten zu verteidigen. Weitere dere, das Stimmrecht und die Funkti- um gemeinsam über Strategie und Po- Resolutionen befassten sich mit Afgha- on der individuellen Mitglieder sollen sitionen zu diskutieren und diese zu be- nistan, dem Finanzsektor und den UN- in der Arbeitsgruppe diskutiert und schließen, aber auch zu Vorstandswah- Milleniumszielen. Beschlussvorschläge der kommenden len und Budgetbeschlüssen. In diesem AMM unterbreitet werden. Jahr fand die internationale General- Aus der Perspektive des deutschen versammlung (genannt: Annual Mem- Chapters war die Verabschiedung von Neben den Resolutionen waren zwei bership Meeting/AMM) an zwei Tagen zwei weiteren Resolutionen besonders der zwölf Sitze im internationalen Vor- im November in Brasilia, der Haupt- erfreulich, da sie durch das deutsche stand neu zu besetzen. Iftekhar Zaman stadt Brasiliens, statt. Chapter entworfen und in einem lan- von Transparency Bangladesch wurde gen Prozess federführend abgestimmt in den Vorstand gewählt und Sergej Die Diskussionen in den Sitzungen, aber worden waren. In der Resolution „Buil- Muravjov von Transparency Litauen auch beim Essen oder am Abend, zwi- ding Transparency and Accountability wurde wiedergewählt. schen den Aktivisten aus allen Teilen in the Natural Resources Industries“ der Welt dienten dem Austausch, aber wurden die verschiedenen Akteure, Im Anschluss an die AMM fand am vor allem der gegenseitigen Bestärkung wie Regierungen, Unternehmen und selben Ort die viertägige Internationa- im Kampf gegen Korruption. Es ist fas- Börsen, aufgefordert, für verbindli- le Antikorruptionskonferenz statt. Hier zinierend, wie verschieden auf der ei- che Transparenz der Zahlungsströme waren es nicht mehr 200, sondern über nen Seite die gesellschaftliche Realität beim Abbau und der Nutzung der na- 1.500 Personen, die sich weltweit mit für Pablo Secchi aus Argentinien, für türlichen Ressourcen wie zum Beispiel dem Kampf gegen Korruption befas- Emir Djikic aus Bosnien-Herzegowina, Öl und Gas zu sorgen. Konkret wurde sen. Die Konferenz wurde von Dilma für Annatolia Chimunye aus Zimbabwe gefordert, dass die Europäische Union Rousseff, der Präsidentin Brasiliens, er- und Anupama Jha aus Indien ist, wie angesichts der aktuellen Beratungen ei- öffnet. Ein herzlicher Empfang wurde aber auf der anderen Seite sich Motiva- ner verbindlichen Veröffentlichung der Friedensnobelpreisträgerin Tawakkul tion, Strategien und Instrumente doch Zahlungsströme auf Projektbasis den Karman bereitet, die auch Mitglied von ähneln. Weg ebnet. Damit ist auch die Bundes- Transparencys Kontaktgruppe im Je- regierung angesprochen, ihre Blocka- men ist. In zahlreichen Podiumsdiskus- Beim Treffen der Chapter aus Europa dehaltung innerhalb der Europäischen sionen und Workshops wurde deutlich, und Zentralasien wurde sehr deutlich, Union aufzugeben und ein internati- wie international Korruption oft auf- unter welch erschwerten Bedingun- onales Transparenzregime in diesem tritt und wie wichtig daher ein länder­ gen Transparency Russland arbeitet. von Korruption geprägten Bereich zu übergreifend koordiniertes Vorgehen In einer Resolution der Chapter dieser ermöglichen. im Kampf gegen Korruption ist. | Region wurde die russische Regierung aufgefordert, internationale Menschen- Verabschiedet wurde auch eine weite- Dr. Christian Humborg ist Geschäfts- rechtsstandards und die Freiheit der Zi- re Resolution, die durch das deutsche führer von Transparency International vilgesellschaft zu respektieren. In einer Chapter eingebracht worden war. Sie Deutschland. Resolution der AMM wurde allgemein sieht die Einrichtung einer Arbeits- die weltweit wachsende Einschränkung gruppe zur individuellen Mitglied- Die Resolutionen der Generalversamm- der Zivilgesellschaft scharf kritisiert schaft auf internationaler Ebene vor. lung sind unter www.transparency.org und versichert, dass Transparency be- Neben den 91 Chaptern haben auf in- abrufbar.

reit ist, alle Kraft und Ressourcen zu ternationaler Ebene auch 32 individu- Foto: Guilherme KardelDivulgação

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Der Beirat stellt sich vor: Ernst Elitz

Der Journalist und Hochschullehrer Ernst Elitz gehört seit einem Jahr dem Beirat von Transparency Deutschland an. Seine eindrucksvolle journalistische Karriere umfasst Positionen beim SPIEGEL, dem ZDF, dem Süddeutschen Rundfunk. Von 1994 bis 2009 war Ernst Elitz Intendant des Deutschlandradio. Er lebt in Berlin.

Sie haben als Journalist am Ende Ihres kein Journalist begegnet, der für einen blikum eine andere Meinung vertritt Berufslebens lange eine Führungsposi- Rabatt, für ein Mittagessen oder für ein als auf der Parteiversammlung. Oder tion innegehabt. Hatten Sie konkrete paar Flaschen Wein im Weihnachtspa- wenn er ständig Parlamentssitzungen Erfahrungen mit Korruption in Ihrem ket, wider besseren Wissen freundlich schwänzt. Mir persönlich sind Politiker Arbeitsfeld? über eine Firma berichtet hätte. Eher lieber, die außerhalb des eigenen Orts- Beim Deutschlandradio und bei ARD das Gegenteil. Da kam ein Firmenchef vereins gefragt sind. Ich schätze Ab- und ZDF habe ich glücklicherweise auf mich zu und beklagte sich, dass er geordnete, die neben der parlamenta- solche Erfahrungen nicht gemacht. zwei Leute aus der Wirtschaftsredakti- rischen Arbeit im angestammten Beruf In den Sportredaktionen des Fernse- on eingeladen hätte – ich war bei dem oder in ähnlichen Berufen tätig sind. hens hat es das in einigen Fällen ge- Essen dabei – und anschließend hät- Das bewahrt sie vor dem Schicksal der geben. Die ständige Einbindung in die ten sie wieder kritisch über seine Firma Funktionäre, die nach der Pfeife der Absprachen mit Sportveranstaltern berichtet. „Sehen Sie“, habe ich ihm Fraktionsspitze tanzen müssen, weil sie über Platzierung von Werbeblogs und gesagt, „Undankbarkeit ist die Tugend sonst vielleicht nicht wieder aufgestellt Sponsoring hat bei schwachen Cha- des Journalisten.“ Redaktionsstatuten werden. Auch das ist Korruption. Doch rakteren die Hemmschwelle sinken las- können wenig gegen Korruption aus- darüber redet man ungern. Wer Erfah- sen - nach dem Motto: Alle verdienen richten. Das ist keine Verhandlungssa- rung in der Berufswelt hat, lässt sich dran, nur ich nicht. Die Verhandlungen che mit Redakteursvertretern. Es muss auch nichts von Lobbyisten einflüs- darüber, wie viele Millionen an Ge- einen Konsens geben, der auf klaren tern. Die leben von den Ahnungslosen. bührengeldern wieder für die Übertra- Vorgaben des Verlags oder der Inten- gungsrechte einer bestimmten Sportart danz gründet. Transparency Deutschland könnte ohne locker gemacht werden müssen, lässt die saubere journalistische Recherche bei manchem den Eindruck entstehen, Im Augenblick sind Vortragshonorare seine Arbeit nicht machen. Welche dass Geld wichtiger sei als Journalis- für Politiker stark in der Diskussion. Wünsche haben Sie an Ihre journalisti- mus. Was außerhalb des Senders pas- Hohe Honorare für Vorträge erhalten schen Kollegen? siert, das kann auch kein Revisor ent- aber auch bekannte Journalisten. Sit- Journalisten müssen ein kritisches decken. Auch kein Intendant. Das ist zen die beiden Gruppen da nicht im Gegenüber sein. Sie würden ihren kriminelles Verhalten. Hier haben die selben Boot? Beruf falsch verstehen, wenn sie die Gerichtsurteile hoffentlich abschre- Da könnte ich mit der Frage kontern: Pressemitteilungen von Transparen- ckend gewirkt. Darf eigentlich ein Journalist, der Ge- cy unhinterfragt abschreiben würden. werkschaftsmitglied ist, einen Tarifab- Transparency kann Hinweise zum Re- Die Maßstäbe hinsichtlich Vorteilsan- schluss kommentieren, der aller Regel cherchieren geben und sollte sich dafür nahme von Journalisten haben sich im nach auf den öffentlich-rechtlichen einsetzen, dass die Verlage den Jour- Laufe der letzten Jahrzehnte ziemlich Rundfunk übertragen wird? Das habe nalisten die Möglichkeit zu mehr Ei- verändert. Journalistenrabatte und Ge- ich einem Gewerkschaftschef entge- genrecherche geben. Das ist ja gerade schenke sind die eine Seite der Medail- gengehalten, der meinte, es würde zu das Problem: Wer keine Zeit hat, um le, Redaktionsstatuten die andere. Wel- unternehmerfreundlich berichtet. Da selber investigativ zu arbeiten, betreibt che Veränderungen sehen Sie? war Ruhe. Unabhängig davon, wie viel copy and paste. Das ist das Grundpro- Es gibt eine höhere Sensibilität für Ge- ein Journalist verdient – ob nach Ta- blem des Journalismus, nicht dass der fälligkeiten. Journalistenrabatte wer- rif, mit Tantieme oder mit Vorträgen Journalist mal auf Kosten einer Firma den zurückgeführt. Aber so lange ande- – darf er Politiker kritisieren, aber bit- einen über den Durst trinkt. | re Berufsgruppen von Versicherungen te nicht, was die Höhe eines Honorars etc. Sondertarife angeboten bekom- angeht. Es wäre kritikwürdig, wenn Die Fragen stellte Anke Martiny. men, wird der Journalist sich fragen: der Politiker der einladenden Institu-

Foto: Guilherme KardelDivulgação Foto: Deutschlandradio-Thomas Mayer Warum gerade ich nicht? Mir ist auch tion nach dem Munde redet, vor Pu-

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Transparency-Einführungsseminar in Berlin

Von Martin Eggers

Ob Student oder Pensionär, Freibe- rufler oder Angestellter, Jurist oder Kaufmann – eine wunderbar bunte Mischung traf sich Anfang September zum „Einführungsseminar für (Neu-) Mitglieder und Interessierte“ der Re- gionalgruppe Berlin-Brandenburg un- ter Leitung von Dr. Astrid Wokalek. Vielerlei Informationen waren im be- grenzten Zeitrahmen unterzubringen, zumal sich die Teilnehmer als ebenso gruppe beschrieb Dr. Rainer Frank, der Geschäftsstelle den Bogen zu den Ar- sympathisch wie diskussionsfreudig er- sowohl über die Arbeitsgruppe Hin- beits- und Regionalgruppen und den wiesen. So wurden gleich zu Beginn an weisgeber als auch allgemein über die Möglichkeiten zu aktivem Engagement. verschiedenen Beispielfällen ganz un- Thematik „Whistleblowing“ zwischen Der Dank für die Organisation gilt ins- terschiedliche Sichtweisen beleuchtet. moralischen und juristischen Ansprü- besondere Katja Schmalenberger, die als Einen Überblick zu Historie und Struktur chen informierte. Der Überblick mach- Praktikantin wesentlich zur Durchfüh- von Transparency bot der Vortrag der te deutlich, dass Hinweisgeber in ihrem rung des Seminars beigetragen hat. | Vorsitzenden Prof. Dr. Edda Müller, die uneigennützigen Engagement besser auch vielerlei eigene Erfahrungen zum geschützt werden müssen. Ombusd- Martin Eggers ist Mitglied der Regio- Thema Korruptionsbekämpfung ergänz- stellen, je nach Konzeption und perso- nalgruppe Berlin-Brandenburg und hat te und lebhaften Gesprächsstoff bot. neller Besetzung, können einen ganz im Rahmen des Seminars die Diskus­ Zivilcourage trotz eigener Risiken? unterschiedlichen Schutz liefern. sion „Was ist Korruption“ geführt. Die praktische Tätigkeit einer Arbeits- Danach schlug Sylvia Stützer aus der

Kommentar zum Einführungsseminar Sven Raak, 27, Mitglied und Teilnehmer aus Lüneburg

möglicherweise korrupte Vorgänge zu dass das empfundene Unrecht, eine befinden. Der ersten Intention folgend: vergleichbar klare und repressive Wer- Klar, das ist Korruption! Dieses ge- tung im Strafgesetzbuch findet, blieb meinschaftsschädliche Abweichen von aus. (ungeschriebenen) Redlichkeitsnormen musste einfach Korruption sein. Je- Korruption ist offenbar mehr, als es Was unter Korruption zu verstehen doch, an was sollte man das konkret strafrechtliche Tatbestände nahelegen. ist, dem glaubten alle Teilnehmer – festmachen und wo lässt sich die Gren- Auf das „Geschmäckle“ kommt es an. mit jeweils unterschiedlicher Gewiss- ze ziehen? Je intensiver wir die unter- Deutlich wurde, dass die Vielschich- heit – Ausdruck verleihen zu können. schiedlichen Interessen der handelnden tigkeit von Korruption eine eindeutige Einschlägige Begriffe wie Ämterpatro- Parteien und die Lebenswirklichkeit begriffliche Wesensbestimmung er- nage, Anfüttern oder Kick-Back-Zah- des Sachverhalts durchdrangen, desto schwert. Daraus folgend erfährt auch lungen waren so oder in verwandten komplexer wurde die Ausgangsfra- die Tätigkeit von Transparency Inter- Umschreibungen in unseren Köpfen. ge und gleichzeitig durchlässiger die national ihre besonderen Herausforde- Das Handwerkzeug lag demnach vor, vermeintliche Grenzziehung zwischen rungen. um mit klarem Blick einen Sachver- korrupt und nicht-korrupt. Wenn die halt als korrupt oder nicht-korrupt geschilderten Sachverhalte derart dia- Wir haben Transparency Deutschland werten zu können. Sollte dies nicht metral der Überzeugung von Anstand als eine Organisation erfahren dürfen, ausreichen, ließe sich im Zweifel das und Recht gegenüberstehen, muss dies die sich diesem Auftrag mit Herz und „Bauchgefühl“ zu Hilfe nehmen, mit entsprechenden Einzug ins Strafge- Verstand annimmt. Wir sind uns daher dem zielsicher die letzte Unsicherheit setzbuch gefunden haben. So glaub- sicher, dass aus diesem Tag Mitglied- ausgeräumt werden könnte. Entspre- ten wir. Die Blicke richteten sich also schaften, Engagement und eine gestei- chend selbstgewiss nahmen wir uns hoffnungsvoll zu den anwesenden Ju- gerte Sensibilisierung im Kampf gegen

der Aufgabe an, über verschiedene risten. Doch die gewünschte Antwort, Korruption resultieren wird. | Deutschland Foto oben: Transparency

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Transparency Bangladesch: 5.000 Freiwillige im Kampf gegen Korruption

Von Sylvia Stützer „Baby Corner“ im Büro von Transparency Bangladesh

Korruption ist ein allgegenwärtiges Arbeit. Der Fokus liegt insbesondere staltungen in der Regel von Informati- Problem in Bangladesch und durch- in den lebensnahen, alltäglichen Be- onsständen und Theateraufführungen. dringt den Alltag der Menschen. Ein reichen Gesundheit, Bildung und der Die Gruppen erleichtern durch diese Blick in das Globale Korruptionsbaro- kommunalen Verwaltung. Veranstaltungen den Bürgerinnen und meter zeigt: 46 Prozent der Befragten Bürgern in Bangladesch den Zugang zu denken, dass Korruption in den letzten Seit der Gründung im Jahr 1996 hat Amtsträgern und Verantwortlichen im drei Jahren zugenommen hat. Doch TI Bangladesch zahlreiche Initiativen öffentlichen Dienst. Durch dieses Kon- immerhin scheinen die Menschen op- ins Leben gerufen: Mit den sogenann- zept des „Edutainment“ sind öffentli- timistisch zu sein: Die Mehrheit (61 ten „Comittees of Concerned Citizens che Veranstaltungen stets gut besucht Prozent) ist der Meinung, dass die ak- (CCCs)“ existiert ein landesweites und bieten insbesondere Frauen in dem tuellen Maßnahmen der Regierung zur Netz aus lokalen Gruppen, das vor Ort islamisch geprägten Land die Möglich- Bekämpfung von Korruption wirksam durch vielfältige Aktivitäten über Kor- keit, sich Gehör zu verschaffen. sind. ruptionsbekämpfung informieren und motivierend wirken will. Besonderes Neben dem Civic Engagement Pro- Im Korruptionswahrnehmungsindex Augenmerk legt das Chapter auf die gramm liegt ein weiterer Schwerpunkt 2011 belegt Bangladesch mit einer Mobilisierung von Jugendlichen, etwa der Arbeit von Transparency Bangla- Punktzahl von 2,7 (von 10) den 120. mit dem Programm „Youth Engage- desch im Bereich „Research & Policy“. Platz (von 182). Da ist es nachvollzieh- ment & Support (YES)“ . Regelmäßig werden Befragungen in bar, dass die Arbeit eines Transparen- der Bevölkerung und Analysen zu An- cy-Chapters anders aussehen muss als Im Rahmen des People Engagement ti-Korruptionsmaßnahmen durchge- in Deutschland. Gelegenheit, Transpa- Workshops fand ein Ausflug nach führt, sowie Berichte und Policy-Paper rency Bangladesch kennenzulernen, Rajshahi and Chapainawabganj statt. zu verschiedenen Themen erstellt. bot der Workshop „Tools and Tactics So konnten sich die Teilnehmenden for People Engagement“ im September ein besseres Bild vor Ort machen. Auf Auch was die hauptamtlich Angestell- 2012, den das Internationale Sekreta- der Veranstaltung „Face the Public“ ten betrifft, ist das Chapter gut auf- riat mit dem Chapter in Bangladesch stellte sich ein Bürgermeister den kri- gestellt: Im Büro in Dhaka sind 120 veranstaltete. Ziel war es, Erfahrungen tischen Fragen seiner Bürgerinnen und Angestellte beschäftigt, weitere 140 in der Freiwilligenarbeit auszutau- Bürger und informierte über die Mit- sind auf drei Büros im Rest des Lan- schen und neue Ansätze zur Förderung telverwendung seiner Kommune. An des verteilt. Das Chapter finanziert sich des ehrenamtlichen Engagements zu einer Grundschule waren die Mütter über einen Treuhandfonds, Mitglieds- entwickeln. Und dass dieser Workshop der Schülerinnen und Schüler eingela- beiträge und Verkaufserlöse aus Publi- in Bangladesch stattfand, hat seinen den, den Verantwortlichen der Schule kationen. Für einzelne Projekte werden Grund: Im Rahmen des Civic Enga- und zuständigen Behörden ihre Wün- Entwicklungshilfegelder eingeworben. gement Programms von Transparen- sche vorzutragen. Schließlich nahmen cy Bangladesch engagieren sich über die Gäste an einem Gespräch in einem Zu Guter Letzt wird im Büro in Dha- 5.000 Freiwillige im Kampf gegen Kor- Krankenhaus zur Medikamentenver- ka auch an die Jugend von morgen ruption. sorgung teil, zu dem sich Vertreter der gedacht: In der „Baby Corner“ küm- Gesundheitsbehörde, der Ärzteschaft mern sich drei Mitarbeiter um die Das Chapter versucht, zivilgesellschaft- und der Krankenhausverwaltung zu- Kinderbetreuung ihrer Kolleginnen. liches Engagement gegen Korruption sammengefunden hatten. als partizipative, soziale Bewegung vo- Mehr: http://www.ti-bangladesh.org | ranzutreiben. Es möchte die Bevölke- Die lokalen Gruppen planen ihre Akti- rung für das Thema sensibilisieren und vitäten selbstständig und führen diese Sylvia Stützer ist Mitarbeiterin bei eine „Nachfrage“ für Korruptionsbe- weitgehend unabhängig durch. Trans- Transparency Deutschland. Sie be- kämpfung schaffen. Dafür setzt es auf parency Bangladesch unterstützt sie treut die Regionalgruppen und hat am einen Dreiklang aus Bewußtseinsbil- hierbei lediglich programmatisch und People Engagement Workshop im Sep-

Foto: Transparency Deutschland Foto: Transparency dung, Kommunikation und Advocacy- technisch. Begleitet werden die Veran- tember 2012 teilgenommen.

Scheinwerfer 57 | Transparency Deutschland | 22 | Über Transparency

Treffen der Scheinwerfer-Redaktion in Kochel am See

Von Tilman Höffken

Die Scheinwerfer-Redaktion arbeitet Am Samstagnachmittag teil- hauptsächlich virtuell. Umso wichtiger, te sich die Gruppe: Die einen dass es wenigstens einmal im Jahr Zeit verfeinerten ihre Fertigkeiten und Gelegenheit gibt, damit die Re- in einer Schreibwerkstatt, daktionsmitglieder sich leibhaftig be- während die anderen einen gegnen und im persönlichen Gespräch Leitfaden für Autorinnen und austauschen können. In diesem Jahr Autoren erarbeiteten. Die fand das Treffen in der Georg-von- Schreibwerkstatt half nicht Vollmar-Akademie im oberbayerischen nur bei konkreten journalis- Kochel am See statt. Und obwohl die tischen Fragen (zum Beispiel herbstliche Berglandschaft zu einer „Wie schreibe ich eine Glosse?“). Auch ren für ihr Verständnis danken, wenn Wanderung einlud, fehlte den zehn die Kreativität der Teilnehmer war wir ihre Texte kürzen. Wir sind sicher, Teilnehmerinnen und Teilnehmern da- gefragt, um zu erörtern, welche Far- unsere Leserinnen und Leser danken es für die Zeit. Denn am Samstag stand be Korruption hat oder wie sie riecht. Ihnen auch. zunächst ein Schreibseminar mit der Übungen, die die Aufmerksamkeit für Journalistin Christa Burkhardt an. ein Thema und Sensibilität im Umgang Der Sonntag stand anschließend ganz mit Wörtern schulen sollten. im Zeichen der Redaktionsplanungen. Frau Burkhardt machte konstrukti- Vorschläge für die Scheinwerfer-Titel ve Vorschläge für die Arbeit in einer Die Schulung machte deutlich, dass im kommenden Jahr wurden gesam- ehrenamtlichen Redaktion. Insbeson- die Arbeit des Redigierens viel Kon- melt und Artikel für die anstehende dere für die noch weniger Erfahrenen zentration erfordert und sich an den Ausgabe vergeben. Die abschließen- waren ihre Schreibtipps sehr hilfreich: Interessen der Leserinnen und Leser de Feedbackrunde zeigte, dass alle „Hauptsachen gehören in Hauptsätze“ orientieren muss. Vor allem wurden Teilnehmerinnern und Teilnehmern war nur eine der Faustregeln, die sie wir darin bestärkt, dass die wichtigsten das Wochenende als sehr bereichernd der Redaktion an die Hand gab. Zwei Botschaften zu einem Thema auf einer wahrgenommen haben. Jetzt kann die weitere: Substantivierungen vermei- Heftseite unterzubringen sein müssen. Arbeit virtuell weitergehen. | den und Füllwörter nur, wenn sie wirk- Wie bei so vielen Dingen ist weniger lich benötigt werden. oft mehr. Wir möchten daher an die- Tilman Höffken ist Mitglied der Schein- ser Stelle allen Autorinnen und Auto- werfer-Redaktion.

impressum

Herausgeber: Transparency International Transparency International Deutschland e.V. Besuchen Sie uns bei Facebook! Deutschland e.V. Alte Schönhauser Straße 44 www.facebook.com/TransparencyDeutschland Verantwortlich: Dr. Anke Martiny 10119 Berlin Kontakt: [email protected] Tel: 030/ 5498 98-0 Fax: 030/ 5498 98-22 Folgen Sie uns bei Twitter! Redaktion: [email protected] Mail: [email protected] @transparency_de Redaktionsleitung: Dr. Heike Mayer www.transparency.de Editorial: Dr. Anke Martiny Abonnieren Sie unseren RSS-Feed! Themenschwerpunkt dieser Ausgabe: Stärken Sie die Koalition gegen Korruption Anja Schöne durch Ihren Förderbeitrag oder Ihre Spende! Kennen Sie schon unseren Podcast? Nachrichten, Berichte, Kurzmeldungen: HypoVereinsbank Berlin Anja Schöne (as) (verantwortlich), BLZ 100 208 90 Die von Transparency Anke Martiny (amy), Robert Fröhlich (rf), Konto 56 11 679 Deutschland genutzte Heike Mayer (hm), Maria Schröder (ms), Lizenz CC BY-NC-ND 3.0 legt fest, dass die Ver- Dorthe Siegmund (ds) ISSN: 1864-9068 vielfältigung und Verbreitung nur dann erlaubt Über Transparency: Ricarda Bauch (rb) wird, wenn der Name der Autorin/des Autors Rezensionen: Dr. Christian Humborg (ch) Layout: Julia Bartsch genannt wird, wenn die Verwendung nicht fur Druck: Umweltdruckerei Hannover kommerzielle Zwecke erfolgt und wenn keine Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Papier: Circle Matt White, 100% Recyclingpapier Bearbeitung, Abwandlung oder Veränderung Meinung des Verfassers / der Verfasserin wieder. Auflage: 1.400 erfolgt. Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 14.11.2012

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Stadt Halle startet eVergabe-Portal

Von Ralf Borries

Nach einer mehrjährigen Projektlauf- tive Handlungen nicht verhindern. Die -- Der Vergabemanager ermöglicht sta- zeit ist die Stadt Halle (Saale) in die größeren Korruptionspräventionsan- tistische Analysen zu den Vergaben, elektronische Vergabe gestartet. Seit sätze liegen nach unserer Auffassung zum Vergabeverfahren und zu den Mai dieses Jahres bietet die Verwaltung vor und nach dem technischen Verga- Bietern. Auffälligkeiten können so- aktuelle Ausschreibungen und Verga- beprozess. Um ein Mehr an Effizienz in mit schneller festgestellt werden. beunterlagen nach der Vertrags- und der Verwaltung tatsächlich erreichen -- Nachträgliche Änderungen der An- Vergabegabordnung für Leistungen zu können, stellt sich im Bereich des gebotsunterlagen können umgehend (VOL) auch digital an. Für Vertrags- Vergabeprozesses nicht die Frage, ob festgestellt werden. Eine Kennzeich- und Vergabegabordnung für Bau- dieser digital abgebildet wird, sondern nung (Perforierung) der elektroni- leistungen (VOB) wird dieser Service vielmehr wie die Standards der Kor- schen Angebotsunterlagen im klas- voraussichtlich bis zum Jahresende ruptionsprävention mit der eVergabe sischen Sinn findet zwar nicht mehr bereitgestellt werden. Umgesetzt wur- umgesetzt werden können. statt, aber mit Hilfe des Hash-Wertes de das Projekt vom Rechtsamt, Haupt- werden nachtägliche Änderungen amt der Stadt Halle (Saale) und dem Im Fokus der Projektteilnehmer stand sichtbar. städtischen IT-Dienstleister. Das Rech- mit Einführung der elektronischen -- Die Angebote werden signiert. Die nungsprüfungsamt hat dieses Projekt Vergabe die Umsetzung nachfolgend elektronische Signatur trägt ebenso ausdrücklich unterstützt. aufgeführter Standards: zu einer rechtssicheren und manipu- lationsfreien Vergabe bei. Der Bieter Mit Nutzung des Vergabeportals ent- -- Mit Hilfe eines hinterlegten Berech- kann sich für eine fortgeschrittene steht eine Win-win-Situation. Der Bie- tigungskonzeptes wurden die jewei- oder für eine qualifizierte Signatur ter kann zum Beispiel ohne Papierauf- ligen Rollen in der Verwaltung der entscheiden. wand und Wege zur Post rechtsgültige Stadt Halle so definiert, dass Angebote abgeben. Die Stadt kann im -- das Vier-Augen-Prinzip als Ge- Abschließend kann festgestellt werden, Rahmen ihrer E-Government-Strategie genkontrolle bei den jeweiligen dass die eVergabe als Bestandteil des die Prozessabläufe zeitlich reduzieren Arbeitsvorgängen bei allen Aus- elektronischen Geschäftsverkehrs zu und somit die Effizienz steigern. schreibungen sichergestellt ist einer höheren Rechtssicherheit der Be- (zum Beispiel die Öffnung der An- schaffungsvorgänge führt. Für öffent- Die Zentrale Submissionsstelle der gebote); liche Auftraggeber liegen die Vorteile Stadt Halle (Saale) wird jetzt mit Hilfe -- eine Funktionstrennung gewähr- in der guten Systematik des Verga- des Vergabemanager im Intranet neben leistet ist. Die Verantwortlichkei- beprozesses und der Rechtssicherheit der Erstellung von Vergabeunterlagen ten für die Abwicklung der Ge- durch Hinterlegen vergaberechtlicher und der Veröffentlichung von Bekannt- schäftsprozesse wurden festgelegt Regelungen. Die Vorteile für die Un- machungen elektronisch durch einen (etwa Trennung zwischen IT- und ternehmen ergeben sich unter ande- Ausschreibungsprozessablauf geführt. Fachaufgabe; dem Rechnungsprü- rem aus dem vereinfachten Zugang zu Dieser selbst wird regelmäßig an das fungsamt wurde eine umfassende Ausschreibungen und der Transparenz neue Vergaberecht angepasst und ga- Leseberechtigung eingeräumt, um des eVergabeprozesses selbst. Insge- rantiert so eine gleichmäßige, rechtlich weitere Kontrollen zu ermögli- samt sind sowohl für die Stadt Halle fundierte und sichere Vergabepraxis chen). (Saale) als auch für die Unternehmen auf Bieter- und Auftraggeberseite. -- Im Vergabemanager wurden die ein- mit der Installation der elektronischen zelnen Arbeitsschritte laut Vergabe- Vergabe höhere Standards der Korrup- Neben positiven Auswirkungen auf handbuch Sachsen-Anhalt zwingend tionsprävention als bisher gesetzt. | die Arbeitsorganisation, einer Ver- vorgegeben. Jeder Arbeitsschritt ist waltungsvereinfachung und einem durchzuführen und wird protokol- Ralf Borries ist Leiter des Rechnungs- Effizienzgewinn hat das elektronische liert. Die permanente Dokumentation prüfungsamtes der Stadt Halle (Saale). Vergabeverfahren auch eine erhebliche aller Aktivitäten im System verhilft Die Stadt ist korporatives kommunales Bedeutung für die Korruptionspräven- zu einem lückenlosen Nachweis und Mitglied bei Transparency Deutsch- tion. damit zur Erhöhung der Transparenz land. des Vergabeverfahrens. Manipulative Aber die elektronische Abbildung des Verfahrenseingriffe werden auf die- Vergabeprozesses allein kann korrup- sem Wege schnell sichtbar.

Scheinwerfer 57 | Transparency Deutschland | 24 | Über Transparency

Zehn Jahre im Kampf für Transparenz im Rohstoffsektor: Publish what you pay richtet sich neu aus

Von Heidi Feldt

Vor gut zehn Jahren wurde die interna- eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung im Rohstoffsektor (zumindest im Ab- tionale Kampagne für Transparenz im der Industrie und PWYP gebildet, die bau) auf und stellt auch die Frage, ob Rohstoffsektor gegründet. Ausgangs- verbindliche Transparenzregeln für die überhaupt abgebaut werden soll. Dies punkt waren Studien vor allem von kanadische Bergbau- und Erdölindust- ist für viele Mitgliedsorganisationen Global Witness zu mehreren afrikani- rie entwickeln soll. ein zentrales Thema. schen Ländern, die belegten, dass die Bevölkerung in rohstoffreichen Län- Sollten die Transparenzregeln auch PWYP gibt mit diesem breiten Zugang dern kaum von diesem Reichtum pro- in Europa und Kanada verabschiedet zur Rohstoffproblematik die punktbe- fitierten, da Bestechung und Korrup- werden, dann wäre das Ziel der Kam- zogenen Forderungen auf und verliert tion dies verhindern. Global Witness pagne weitgehend erreicht. dadurch vielleicht etwas an politischer und einige andere britische Organisa- Schlagkraft. Allerdings war die strate- tionen wie Save the Children, CAFOD Vor diesem Hintergrund trafen sich gische Erweiterung dringend notwen- und Christian Aid forderten daher, die vom 17. bis zum 19. September 2012 dig und hat sich aus der Arbeit selbst Offenlegungspflicht der Zahlungen 250 Vertreterinnen und Vertreter von ergeben. Die Mitglieder werden in den von Rohstoffunternehmen an öffentli- PWYP – Mitgliedsorganisationen aus nächsten Monaten diskutieren, wie sie che Instanzen. Zuerst belächelt (noch 61 Staaten (darunter auch zum ersten ihre nationale Arbeit strategisch erwei- 2002 sagte ein Weltbankvertreter, dass mal Vertreter aus Myanmar) zur 3. In- tern. Transparenz im Rohstoffsektor an zu ternationalen PWYP Konferenz. großen Widerständen scheitern würde) Für die anwesenden Organisationen Und noch eine Neuerung wurde auf hat sich Publish what you pay (PWYP) stand die Frage im Raum, ob die Kam- der Konferenz beschlossen: Zum ers- zu einer sehr erfolgreichen internatio- pagne sich in absehbarer Zeit auflösen ten Mal gibt es ein gewähltes interna- nalen Koalition von Nichtregierungs- soll, sich langfristig auf die Umsetzung tionales Entscheidungsgremium – das organisationen entwickelt. von EITI in dessen Mitgliedsländern PWYP Global Steering Committee – beschränken will oder aber ob der For- gebildet aus sieben Repräsentantinnen Die Extractive Industry Transparency derungskatalog und das Kampagnen- und Repräsentanten der Koalition so- Initiative (EITI) wäre ohne den Druck mandat erweitert werden sollen. wie zwei Vertreterinnen und Vertretern von PWYP nicht gebildet worden. Zu- von Geberorganisationen. dem spielt PWYP auf internationaler Der Konferenz waren ein fast ein- Ebene wie in den jeweiligen EITI Um- jähriger Evaluierungs- und Refle- Die nächste Konferenz wird in drei setzungsländern eine sehr aktive Rolle. xionsprozess sowie umfangreiche Jahren stattfinden. Beim diesjähri- 2011 wurde in den USA der Dodd- Strategiedebatten in der Kampagne gen Treffen wurde (insbesondere auch Frank Financial Reform and Consumer vorausgegangen, der externe Evaluie- durch das internationale Sekretariat in Protection Act verabschiedet. Der Ab- rungen, Befragungen der nationalen London) eine gute Grundlage geschaf- schnitt 1504 verpflichtet alle Bergbau-, Koalitionen und regionale Workshops fen, dass die Kampagne sich von einer Erdöl- und Erdgaskonzerne, die an den umfasste. Punktbewegung zu einer Koalition Börsen in den USA gelistet werden, weiterentwickelt, die die grundsätz- ihre Zahlungen an Regierungen auf Die Mitgliedsorganisationen haben lichen Probleme des Rohstoffsektors Projektbasis offenzulegen. Ab Sep- dafür gestimmt, die PWYP Kampagne angeht. | tember 2013 müssen sie dieser Pflicht weiterzuentwickeln und das Aufga- nachkommen. benfeld zu erweitern: Dr. Heidi Feldt ist Leiterin der Ar- beitsgruppe „Internationale Verein- In Europa befindet sich zur Zeit ein War auf früheren Treffen bereits das barungen“ und hat für Transparency ähnlicher Vorschlag im Abstimmungs- Motto von Publish what you pay um Deutschland an der Konferenz teilge- prozess zwischen EU Kommission, Rat Publish what you earn and how you nommen. und Parlament. Transparency Deutsch- spend it erweitert worden, so umfasst land setzt sich gemeinsam mit PWYP PWYP jetzt auch Publish why you für eine weitgehende Regelung ein. pay and how you extract. Damit greift In Kanada wurde in diesem Sommer PWYP die gesamte Entscheidungskette

| Transparency Deutschland | Scheinwerfer 57 Rezensionen I 25

rezensionen

Ich habe mich entschieden, es einige Monate liegen zu las- sen und immer dann danach zu greifen, wenn in der Ar- beit für Transparency ein Begriff auftauchte, von dem ich glaubte, ihn in dem Nachschlagewerk finden zu müssen. Ich wurde immer fündig und dem Klappentext ist zuzustimmen, dass die Erläuterungen „kurz, präzise und verständlich“ und „Vorkenntnisse nicht erforderlich“ seien, „so dass die Erläu- terungen auch für Nicht-Juristen (zu denen ich mich zähle) verständlich sind“. Auf die Arbeit von Transparency und auf seine verschiede- München: C.H.Beck 2010 nen Indizes wird verwiesen, auch findet sich ein Beitrag zur ISBN 978-3-406-60698-4 Abgeordnetenbestechung. Hier hätte sich der Transparen- 160 Seiten. 28 Euro cy-Rezensent natürlich den Hinweis gewünscht, dass diese nicht ausreichend geregelt ist. Allerdings ist das Werk mit 160 Seiten durchaus schmal und Dr . Thomas Grützner & für 28 Euro nicht ganz preiswert. Es bietet für „Unbeleck- te“ eine allererste Orientierung, wird allerdings versierten Dr. Alexander Jakob (Hrsg.): Compliance-Interessierten oder gar Compliance-Beauftrag- Compliance von A-Z ten kaum Neues bieten. Dass die Ausführungen richtig sind, davon muss ich ausgehen – bei einem renommierten Verlag Wie rezensiert man ein Nachschlagewerk? Ohne es von wie dem C.H.Beck Verlag hoffe ich, das tun zu können. A-Z durchgelesen zu haben, denn dazu ist die Materie zu Andreas Novak | trocken.

verantwortung von Betriebsinhabern und Führungskräften im Rahmen des § 130 OWiG dar und beleuchtet deren straf- rechtliche Haftung außerhalb des Anwendungsbereichs die- ser Norm. Anhand einer empirischen Erhebung zeigt sie in nicht zu übertreffender Klarheit auf, dass § 130 OWiG ein trauriges Schattendasein in der Praxis der Strafverfolgungs- behörden führt. Die Arbeit belegt, dass sowohl Unkenntnis des Ordnungswidrigkeitenrechts als auch die Schwierigkeit in der Anwendung der Norm hierfür tragende Gründe sind. In diesem Zusammenhang untersucht sie die Frage nach Baden-Baden: Nomos 2012 der Zukunft der Norm. Geismar setzt sich hierbei sowohl ISBN 978-3-8329-7496-1 mit der Einbindung der Norm in das Strafgesetzbuch als 191 Seiten. 49 Euro auch mit Effektivierung des Ordungswidrigkeitenrechts auseinander. Diese Gedanken werden durch Überlegungen zum Unternehmensstrafrecht abgerundet. Die Arbeit kommt Anne-Gwendolin Geismar: Der Tatbe- letztlich zu dem Ergebnis, dass eine Abschaffung des § 130 OWiG nicht zwingend geboten sei und es keiner präzisier- stand der Aufsichtspflichtverletzung bei ten Umschreibung betriebsbezogener Pflichten bedürfe. Sie der Ahndung von Wirtschaftsdelikten gibt den Argumenten den Vorzug, wonach zunächst eine Effektivierung des Ordnungswidrigkeitenrechts angestrebt Eine Untersuchung zu § 130 OWiG unter Berücksichtigung des Kartell- werden sollte. Eine Aufnahme eines Straftatbestandes der ordnungswidrigkeitenrechts Aufsichtspflichtverletzung in das Strafgesetzbuch mit ei- ner damit einhergehenden erhöhten Präventionswirkung Im Zuge der Harmonisierung und Erweiterung der Europä- schließt sie grundsätzlich nicht aus. Im Rahmen der Aus- ischen Union kommt der Bekämpfung der Wirtschafts- und einandersetzung zur Beschreitung eines gangbaren Weges Korruptionskriminalität im finanziellen Interesse des Staates der Bekämpfung der Wirtschafts- und Korruptionsdelikte und der Europäischen Union eine immer größere Bedeutung im finanziellen Interesse des Staates und der Europäischen zu. In diesem Rahmen ist der Arbeit ein hoher Stellenwert Union leistet die Autorin hierzu einen wichtigen und emp- beizumessen. Sie stellt in anschaulicher Weise die Haftungs- fehlenswerten Beitrag. Reiner Hüper |

Scheinwerfer 57 | Transparency Deutschland | 26 | Rezensionen

Analyse der verschiedenen Ausprägungen von Lobbyismus (Kapitel 3). Sehr lesenswert sind seine Ausführungen über weiße, schwarze und graue Methoden des Lobbyismus, zur Asymmetrie der Interessenvertretung sowie zu den Grün- den für die unterschiedlichen Einflusspotentiale von „Pro- fitlobbyisten“ sowie ideellen Nichtregierungsorganisationen (S. 27). Während Vertreter von Wirtschaftsinteressen gerne den persönlichen Kontakt zu politischen Entscheidern pfle- gen, beschränken sich Nichtregierungsorganisationen häu- Wiesbaden: Springer VS 2012 fig auf die schriftliche Übermittlung ihrer Stellungnahmen ISBN 978-3-531-18348-0 sowie die Nutzung formeller Einflussmöglichkeiten. Grün- 118 Seiten. 29,95 Euro dinger rezipiert hier die einschlägige Lobbyismus-Literatur. Neu und von besonderem wissenschaftlichen Interesse ist seine Analyse der Rolle von Interessengruppen im politi- Wolfgang Gründinger: schen System Deutschlands (Kapitel 5) sowie zu den „spe- zifischen institutionellen Gelegenheitsstrukturen“ (S. 45), Lobbyismus im Klimaschutz in denen die komplexen Verteilungskämpfe stattfinden. Die nationale Ausgestaltung des europäischen Die Ergebnisse sind geeignet, eine Reihe von Fehleinschät- Emissionshandelssystems zungen des politischen Prozesses zu korrigieren. Weder sei die Parteizugehörigkeit eines zuständigen Ministers für po- Gründinger erläutert das Emissionshandelssystem der EU- litische Ergebnisse entscheidend, noch sei „Politik auf ein Klimapolitik und dessen Umsetzung in Großbritannien, Spielfeld mächtiger Lobbyisten“ (S. 106) zu reduzieren. Im den Niederlanden und Deutschland. Untersucht wird der deutschen politischen System mit seinen zahlreichen Veto- Einfluss von Interessen auf die nationale Ausgestaltung punkten beeinflussten stattdessen „institutionelle Arrange- der CO2-Allokationspläne für die Handelsperioden 2005 ments und situative Faktoren die Durchsetzungsfähigkeit bis 2007 sowie 2008 bis 2012. Angesichts der großen Un- der Verbände“ (S. 106). Die Lektüre ist in dreifacher Hinsicht terschiede im klimapolitischen Anspruchsniveau der Allo- empfehlenswert: Zur raschen Information über eine kom- kationspläne der drei Länder interessiert Gründinger „das plexe klimapolitische Materie, zur Weiterbildung in Sachen Zusammenspiel von Interessen, Institutionen und der Logik Lobbyismus sowie zum Verständnis der Besonderheiten des politischen Wettbewerbs“ (S.8). Ihm gelingt eine instruktive deutschen politischen Systems. Edda Müller |

der Politik mögliche Gegenleistungen von Privatinteressen gegenübergestehen. Dies gelingt meist sehr gut, in manchen Fällen wird die Argumentation etwas pauschal. Viele be- kannte Sachverhalte werden aufgearbeitet, wie die Partei­ spenden des Spielautomatenherstellers Gauselmann oder der Kampf der Verlage für ein Leistungsschutzrecht. Nicht immer wird deutlich, ob die Lobbyisten fragwürdige Metho- den der Einflussnahme angewandt haben oder ob die Erfol- ge von Lobbyisten kritisch von den Autoren der Beiträge gesehen werden. Frankfurt/Main: Westend Verlag 2012 Auch weniger bekannte Sachverhalte werden an das Licht ISBN 978-3-86489-024-6 der Öffentlichkeit gezerrt. Hervorzuheben ist der Beitrag 224 Seiten. 14,99 Euro über die „Stiftung Lebendige Stadt“ mit prominenten Bei- ratsmitgliedern, die von der Shoppingcenterlobby gesteuert wird. Ein anderer Beitrag widmet sich der Internationalen Ines Pohl (Hg.): Atomenergie-Agentur, die mit dem vorrangigen Ziel des Ausbaus der Atomenergie gegründet wurde, und den Frie- Schluss mit Lobbyismus! 50 einfache densnobelpreis gewinnen konnte. Da so viele unterschied- Fragen, auf die es nur eine Antwort gibt liche Fakten zusammengetragen wurden, funktioniert das Buch auch als Nachschlagewerk. Daher hätte man sich ein Sachverzeichnis gewünscht. Trotz der genannten kleinen Ines Pohl, Chefredakteurin der taz, hat mit ihrer Redaktion Einschränkungen ist das Buch sehr lesens- und empfehlens- ein Buch veröffentlicht, das lange überfällig war. Anhand wert. Es füllt eine Lücke der Literatur über Lobbyismus in von 50 konkreten Beispielen wird gezeigt, wo Leistungen Deutschland. Christian Humborg |

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