Plenarprotokoll 16/108 (Zu diesem Protokoll folgt ein Nachtrag)

Deutscher

Stenografischer Bericht

108. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Inhalt:

Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- Dr. Reinhard Göhner (CDU/CSU) ...... 11068 A neten Helga Kühn-Mengel und Dr. Rainer Andrea Wicklein (SPD) ...... 11070 B Stinner ...... 11049 A () (CDU/CSU) ...... 11071 D Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung ...... 11049 B Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 11072 B Absetzung der Tagesordnungspunkte 13, 17 a, 22 und 35 a ...... 11051 A Begrüßung des Parlamentspräsidenten der Tagesordnungspunkt 4: Republik Namibia, Herrn Dr. Gurirab . . . . . 11063 D a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Be- Tagesordnungspunkt 3: kämpfung des Dopings im Sport Abgabe einer Erklärung durch die Bundesre- (Drucksachen 16/5526, 16/5937) ...... 11073 D gierung: Aufschwung für Deutschland – Gute b) Beschlussempfehlung und Bericht des Zeiten entschlossen nutzen Sportausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten in Verbindung mit Detlef Parr, Joachim Günther (Plauen), Miriam Gruß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Bekämp- Zusatztagesordnungspunkt 6: fung des Dopings im Sport voran- Antrag der Abgeordneten Rainer Brüderle, treiben und Optimierungsmöglich- Paul K. Friedhoff, Gudrun Kopp, weiterer keiten ausschöpfen Abgeordneter und der Fraktion der FDP: – zu dem Antrag der Fraktion des „Goldener Schnitt 2012“ verwirklichen BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: (Drucksache 16/5901) ...... 11051 B Bekämpfung des Dopings im Sport , Bundesminister (Drucksachen 16/4738, 16/4166, 16/5937) 11073 D BMWi ...... 11051 C (CDU/CSU) ...... 11074 A Rainer Brüderle (FDP) ...... 11054 B Detlef Parr (FDP) ...... 11075 B (SPD) ...... 11056 D Dr. (SPD) ...... 11076 D Dr. (DIE LINKE) ...... 11058 D Katrin Kunert (DIE LINKE) ...... 11078 C Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU) ...... 11061 D (BÜNDNIS 90/ (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . 11064 A DIE GRÜNEN) ...... 11080 B Dr. (SPD) ...... 11066 B (Altötting) (CDU/CSU) . . . . 11082 A II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. , Donnerstag, den 5. Juli 2007

Joachim Günther (Plauen) (FDP) ...... 11084 A Dörmann, Dr. Ditmar Staffelt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Fritz Rudolf Körper (SPD) ...... 11085 A Die Zukunft der deutschen Luftfahrt- (BÜNDNIS 90/ industrie sichern DIE GRÜNEN) ...... 11086 B (Drucksache 16/5908) ...... 11091 B Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister b) Antrag der Abgeordneten Hartwig Fischer BMI ...... 11087 B (Göttingen), , (Lübeck), weiterer Abgeordneter (SPD) ...... 11088 C und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Katrin Kunert (DIE LINKE) ...... 11089 D Abgeordneten Brunhilde Irber, (Wiesloch), , Dagmar Freitag (SPD) ...... 11090 A weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Demokratische Entwicklung Simbabwes unterstützen – Arbeit der Tagesordnungspunkt 35: internationalen Nichtregierungsorgani- b) Antrag der Abgeordneten sationen ermöglichen (Bayreuth), Jan Mücke, Patrick Döring, (Drucksache 16/5907) ...... 11091 C weiterer Abgeordneter und der Fraktion c) Antrag der Abgeordneten , der FDP: Mehr Park- und Stellplätze für Katrin Kunert, Dr. Gesine Lötzsch, weite- Lkw auf Bundesautobahnen rer Abgeordneter und der Fraktion der (Drucksache 16/5278) ...... 11090 D LINKEN: Humboldt-Forum statt Fassa- c) Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich denschloss – Schlossplatz mit Zukunfts- (Bayreuth), Jan Mücke, Patrick Döring, orientierung weiterer Abgeordneter und der Fraktion (Drucksache 16/5922) ...... 11091 C der FDP: Neues Verkehrssicherheits- konzept für Bundesautobahn 12 zusam- men mit dem Land um- Tagesordnungspunkt 36: setzen a) Beratung der Fünften Beschlussempfeh- (Drucksache 16/5611) ...... 11090 D lung und des Berichts des Wahlprüfungs- d) Antrag des Abgeordneten Patrick Döring, ausschusses: zu 27 gegen die Gültigkeit Hans-Michael Goldmann, , der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag weiterer Abgeordneter und der Fraktion eingegangenen Wahleinsprüchen der FDP: Toxische Rückstände in Trans- (Drucksache 16/5700) ...... 11091 D port-Containern – Herausforderung für (Heilbronn) (CDU/CSU) . . . . 11091 D Arbeits- und Verbrauchersicherheit (Drucksache 16/5612) ...... 11091 A b) Zweite und dritte Beratung des vom Bun- desrat eingebrachten Entwurfs eines Ge- e) Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting- setzes zur Änderung des Waffengesetzes Uhl, Rainder Steenblock, Nicole Maisch, (Drucksachen 16/1991, 16/5924) ...... 11093 A weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: c) Zweite Beratung und Schlussabstimmung Antifoulingabkommen unverzüglich ra- des von der Bundesregierung eingebrach- tifizieren ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem (Drucksache 16/5777) ...... 11091 A Internationalen Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. April 2005 f) Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, zur Bekämpfung nuklearterroristischer Wolfgang Gehrcke, Monika Knoche, wei- Handlungen terer Abgeordneter und der Fraktion der (Drucksachen 16/5336, 16/5935) ...... 11093 B LINKEN: Deutsche Kolumbien-Politik auf die Stärkung ziviler Friedensinitia- d) Zweite und dritte Beratung des von der tiven und der sozialen, demokratischen Bundesregierung eingebrachten Entwurfs und Menschenrechte ausrichten eines Gesetzes zur Umsetzung des VN- (Drucksache 16/5678) ...... 11091 A Übereinkommens vom 13. April 2005 zur Bekämpfung nuklearterroristischer Handlungen Zusatztagesordnungspunkt 7: (Drucksachen 16/5334, 16/5936) ...... 11093 C a) Antrag der Abgeordneten Laurenz Meyer e) Zweite und dritte Beratung des von der (Hamm), Dr. , Veronika Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Bellmann, weiterer Abgeordneter und der eines Gesetzes zu dem Europäischen Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- Übereinkommen vom 26. Mai 2000 ordneten Dr. Rainer Wend, Martin über die internationale Beförderung Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 III

von gefährlichen Gütern auf Binnen- Tagesordnungspunkt 17: wasserstraßen (ADN) b) Zweite und dritte Beratung des von den (Drucksachen 16/5389, 16/5789) ...... 11093 D Abgeordneten , Dr. f) Zweite und dritte Beratung des von der Hans-Peter Uhl, Kristina Köhler (Wiesba- Bundesregierung eingebrachten Entwurfs den), weiteren Abgeordneten und der eines Gesetzes zu dem Protokoll vom Fraktion der CDU/CSU sowie den Abge- 22. April 2005 zur Änderung des Über- ordneten Fritz Rudolf Körper, Maik einkommens vom 11. Oktober 1973 zur Reichel, , weiteren Errichtung des Europäischen Zentrums Abgeordneten und der Fraktion der SPD für mittelfristige Wettervorhersage eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes (Drucksachen 16/5577, 16/5773) ...... 11094 A zur Änderung des Mikrozensusgesetzes 2005 und des Bevölkerungsstatistikge- g) Beschlussempfehlung und Bericht des setzes Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- (Drucksachen 16/5239, 16/5923) ...... 11096 D gie zu der Verordnung der Bundesregie- rung: Neunundsiebzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschafts- Zusatztagesordnungspunkt 9: verordnung Wahlvorschläge der Fraktionen der CDU/ (Drucksachen 16/5328, 16/5487 Nr. 2.1, CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und 16/5709) ...... 11094 B des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Wahl h) Beschlussempfehlung und Bericht des der vom Deutschen Bundestag zu benen- Ausschusses für Ernährung, Landwirt- nenden Mitglieder des Wissenschaftlichen schaft und Verbraucherschutz zu dem An- Beratungsgremiums gemäß § 39 a des Stasi- trag der Abgeordneten , Unterlagen-Gesetzes , Ulrike Höfken, weiterer (Drucksache 16/5883) ...... 11097 A Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Land- wirtschaftliche Krankenversicherung ab Zusatztagesordnungspunkt 4: 2009 weiter an Bundesmitteln zur land- Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion wirtschaftlichen Krankenversicherung der FDP: Ergebnisse des Dritten Energie- beteiligen gipfels der Bundesregierung (Drucksachen 16/5427, 16/5892) ...... 11094 C Gudrun Kopp (FDP) ...... 11097 B i) Beschlussempfehlung des Rechtsaus- Dr. (CDU/CSU) ...... 11097 B schusses: Übersicht 7 – über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) ...... 11099 B Streitsachen vor dem Bundesverfas- Rolf Hempelmann (SPD) ...... sungsgericht 11100 A (Drucksache 16/5756) ...... 11094 D Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 11101 A j) – r) Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- BMWi ...... 11102 C schusses: Sammelübersichten 242, 243, 244, 245, 246, 247, 248, 249 und 250 zu Michael Kauch (FDP) ...... 11104 A Petitionen (SPD) ...... 11105 A (Drucksachen 16/5741, 16/5742, 16/5743, 16/5744, 16/5745, 16/5746, 16/5747, Franz Obermeier (CDU/CSU) ...... 11106 C 16/5748, 16/5749) ...... 11094 D Dr. (SPD) ...... 11107 B Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) ...... 11108 C Zusatztagesordnungspunkt 8: , Bundesminister BMU ...... 11109 C a) – k) Philipp Mißfelder (CDU/CSU) ...... 11111 D Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- Marco Bülow (SPD) ...... 11112 C schusses: Sammelübersichten 251, 252, 253, 254, 255, 256, 257, 258, 259, 260 und 261 zu Petitionen Tagesordnungspunkt 5: (Drucksachen 16/5911, 16/5912, 16/5913, 16/5914, 16/5915, 16/5916, 16/5917, Antrag der Abgeordneten Jürgen Koppelin, 16/5918, 16/5919, 16/5920, 16/5921) . . . . 11095 D Ulrike Flach, , weiterer Abgeord- IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 neter und der Fraktion der FDP: Mangelnder (CDU/CSU) ...... 11135 C Ehrgeiz bei der Konsolidierung des Bun- Ulrike Flach (FDP) ...... 11136 D deshaushalts (Drucksache 16/4606) ...... 11113 D (Spandau) (SPD) ...... 11137 D Otto Fricke (FDP) ...... 11113 D Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU) ...... 111390000 AC Steffen Kampeter (CDU/CSU) ...... 11115 D Ulrike Flach (FDP) ...... 11140 A Jürgen Koppelin (FDP) ...... 11117 A Jörg Tauss (SPD) ...... 11141 D Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) ...... 11118 B Ulrike Flach (FDP) ...... 11143 A (Erfurt) (SPD) ...... 11119 D Jürgen Koppelin (FDP) ...... 11121 C Tagesordnungspunkt 7: (BÜNDNIS 90/ a) Zweite und dritte Beratung des von der DIE GRÜNEN) ...... 11122 B Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Regelung Steffen Kampeter (CDU/CSU) ...... 11123 C des Urheberrechts in der Informations- gesellschaft (CDU/CSU) ...... 11124 D (Drucksachen 16/1828, 16/5939) ...... 11144 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ b) Beschlussempfehlung und Bericht des DIE GRÜNEN) Rechtsausschusses zu dem Antrag der Ab- (Hildesheim) (SPD) . . . 11126 B geordneten Sabine Leutheusser- Schnarrenberger, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), , weiterer Tagesordnungspunkt 6: Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Die Modernisierung des Urheberrechts a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: muss fortgesetzt werden Bericht zur technologischen Leistungs- (Drucksachen 16/262, 16/5939) ...... 11144 B fähigkeit Deutschlands 2007 – und – Stellungnahme der Bundesregierung , Bundesministerin (Drucksache 16/5823) ...... 11128 A BMJ ...... 11144 C b) Antrag der Abgeordneten Johann-Henrich Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . 11145 B Krummacher, Ilse Aigner, Dorothee Bär, Dr. Günter Krings (CDU/CSU) ...... 11146 D weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. (DIE LINKE) ...... 11149 C Jörg Tauss, René Röspel, Dr. Ernst Dieter Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ Rossmann, weiterer Abgeordneter und der DIE GRÜNEN) ...... 11150 C Fraktion der SPD: IKT 2020: Gezielte Forschungsförderung für zukunfts- Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP) . . . 11151 C trächtige Innovationen und Wachs- Jörg Tauss (SPD) ...... 11152 C tumsfelder im Bereich der Informa- tions- und Kommunikationstechnologien Carsten Müller (Braunschweig) (IKT) (CDU/CSU) ...... 11153 D (Drucksache 16/5900) ...... 11128 A Dirk Manzewski (SPD) ...... 11154 D c) Antrag der Abgeordneten Priska Hinz (CDU/CSU) ...... 11157 A (Herborn), Grietje Bettin, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Tagesordnungspunkt 8: Innovationsfähigkeit stärken durch Bil- dungs- und Forschungsoffensive Große Anfrage der Abgeordneten Eva Bulling- (Drucksache 16/5899) ...... 11128 B Schröter, Dr. , Dr. , weiterer Abgeordneter und der Dr. , Bundesministerin Fraktion der LINKEN: Nachhaltiger Schutz BMBF ...... 11128 C der Meeresumwelt (FDP) ...... 11130 A (Drucksachen 16/3069, 16/4782) ...... 11158 B René Röspel (SPD) ...... 11131 A Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) ...... 11158 C Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) . . . . . 11159 C Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) ...... 11132 C Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . 11160 A Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 11134 A (FDP) ...... 11161 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 V

Holger Ortel (SPD) ...... 11162 B Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 11180 C Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 11163 C René Röspel (SPD) ...... 11181 C Heinz Schmitt (Landau) (SPD) ...... 11164 D Tagesordnungspunkt 11: Tagesordnungspunkt 9: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Zweite und dritte Beratung des von der Bun- eines Gesetzes zur Neuregelung des desregierung eingebrachten Entwurfs eines Rechts der Verbraucherinformation Gesetzes zur Reform des Versicherungs- (Drucksachen 16/5723, 16/5928) ...... 11182 D vertragsrechts (Drucksachen 16/3945, 16/5862) ...... 11165 D – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes BMJ ...... 11166 A zur Neuregelung des Rechts der Ver- Mechthild Dyckmans (FDP) ...... 11167 A braucherinformation (Drucksachen 16/5404, 16/5928) ...... 11183 A (CDU/CSU) ...... 11168 B Ursula Heinen (CDU/CSU) ...... 11183 B Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) ...... 11169 B Hans-Michael Goldmann (FDP) ...... 11184 B Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 11170 B Elvira Drobinski-Weiß (SPD) ...... 11185 D Dirk Manzewski (SPD) ...... 11171 C (DIE LINKE) ...... 11186 D Julia Klöckner (CDU/CSU) ...... 11172 D Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 11187 D Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) ...... 11173 B Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) ...... 11188 C Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) ...... 11174 A

Tagesordnungspunkt 25: Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Peter Rzepka, Ingo a) Beschlussempfehlung und Bericht des Schmitt (Berlin), Monika Grütters und weite- Ausschusses für Ernährung, Landwirt- rer Abgeordneter: Flugverkehrskonzept für schaft und Verbraucherschutz zu dem An- den Großraum Berlin überprüfen – Flug- trag der Abgeordneten Ulrike Höfken, hafen Berlin-Tempelhof offen halten Bärbel Höhn, Cornelia Behm, weiterer (Drucksache 16/4813) ...... 11189 D Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Schutz von Mensch und Umwelt bei in Verbindung mit Freisetzungsexperimenten gewährleis- ten (Drucksachen 16/4556, 16/5755) ...... 11175 B Zusatztagesordnungspunkt 10: b) Beschlussempfehlung und Bericht des Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Ausschusses für Ernährung, Landwirt- Wolfgang Wieland, Hans-Christian Ströbele, schaft und Verbraucherschutz zu dem An- weiterer Abgeordneter und der Fraktion des trag der Abgeordneten Ulrike Höfken, BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Einstel- Bärbel Höhn, Cornelia Behm, Undine lung des Flugbetriebs in Tempelhof – Sinn- Kurth (Quedlinburg) und der Fraktion des volle Nachnutzung des Flughafenareals BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Keine (Drucksache 16/5897) ...... 11190 A Freisetzung von gentechnisch veränder- Peter Rzepka (CDU/CSU) ...... 11190 A ten Pflanzen auf dem Gelände des Insti- tuts für Pflanzengenetik und Kultur- Hellmut Königshaus (FDP) ...... 11192 A pflanzenforschung in Gatersleben Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ (Drucksachen 16/4904, 16/5893) ...... 11175 C DIE GRÜNEN) ...... 11193 A Dr. Max Lehmer (CDU/CSU) ...... 11175 D Peter Rzepka (CDU/CSU) ...... 11193 C Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) ...... 11177 C Dr. () Elvira Drobinski-Weiß (SPD) ...... 11178 D (CDU/CSU) ...... 11194 A Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) ...... 11179 D Petra Merkel (Berlin) (SPD) ...... 11195 A VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Roland Claus (DIE LINKE) ...... 11197 C Tagesordnungspunkt 19: Hellmut Königshaus (FDP) ...... 11197 D Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau und Stadtentwick- Peter Rzepka (CDU/CSU) ...... 11198 B lung Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ – zu dem Antrag der Abgeordneten Renate DIE GRÜNEN) ...... 11199 A Blank, Dirk Fischer (Hamburg), Dr. Klaus W. Lippold, weiterer Abgeordneter und (Berlin) (CDU/CSU) ...... 11200 A der Fraktion der CDU/CSU sowie der Ab- Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ geordneten Annette Faße, Hans-Joachim DIE GRÜNEN) ...... 11200 D Hacker, Sören Bartol, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD: Attrakti- vität des Wassertourismus und des Tagesordnungspunkt 15: Wassersports stärken Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- – zu dem Antrag der Abgeordneten Patrick schusses für Bildung, Forschung und Tech- Döring, Hans-Michael Goldmann, Detlef nikfolgenabschätzung Parr, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Sport- und Freizeitschiff- – zu dem Antrag der Abgeordneten Johann- fahrt in Deutschland erleichtern Henrich Krummacher, Ilse Aigner, , weiterer Abgeordne- (Drucksachen 16/5416, 16/4061, 16/5770) . . 11203 C ter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Swen Schulz (Span- in Verbindung mit dau), Jörg Tauss, René Röspel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Geistes- und Sozialwissenschaften stär- Zusatztagesordnungspunkt 11: ken Antrag der Abgeordneten Detlef Parr, – zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Joachim Günther (Plauen), Miriam Gruß, Pieper, , Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der weiterer Abgeordneter und der Fraktion FDP: Sportschifffahrt und Wassersport der FDP: Geistes-, Sozial- und Kultur- wirksam fördern und von überflüssigen wissenschaften stärken Beschränkungen befreien (Drucksache 16/5609) ...... 11203 D – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Cornelia Hirsch, Volker Schneider (Saarbrücken), weiterer Abge- Tagesordnungspunkt 16: ordneter und der Fraktion der LINKEN: Perspektiven für die Geistes- und Antrag der Abgeordneten , Sozialwissenschaften verbessern Irmingard Schewe-Gerigk, , wei- terer Abgeordneter und der Fraktion des – zu dem Antrag der Abgeordneten Krista BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Mehr Sager, Kai Gehring, Priska Hinz (Her- Qualität und Exzellenz durch mehr Chan- born), weiterer Abgeordneter und der cengerechtigkeit und Gender-Perspektiven Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE in Wissenschaft und Forschung GRÜNEN: Die Geistes- und Sozialwis- (Drucksache 16/5898) ...... 11204 A senschaften in Forschung und Lehre fördern (Drucksachen 16/4161, 16/4153, 16/4154, Tagesordnungspunkt 21: 16/4406, 16/5931) ...... 11201 C Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom Tagesordnungspunkt 14: 25. Juni 2003 zwischen der Europäischen Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Union und den Vereinigten Staaten von , , und der Amerika über Auslieferung, zu dem Ab- Fraktion der LINKEN: Für die zügige Vor- kommen vom 25. Juni 2003 zwischen der lage eines qualifizierten Berichts über die Europäischen Union und den Vereinigten Lage der Ausländerinnen und Ausländer Staaten von Amerika über Rechtshilfe, zu in Deutschland dem Vertrag vom 14. Oktober 2003 zwi- (Drucksache 16/5788) ...... 11202 B schen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika Sevim Dağdelen (DIE LINKE) ...... 11202 C über die Rechtshilfe in Strafsachen, zu dem Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 VII

Zweiten Zusatzvertrag vom 18. April 2006 Tagesordnungspunkt 24: zum Auslieferungsvertrag zwischen der Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- Bundesrepublik Deutschland und den Ver- schusses für Wirtschaft und Technologie zu einigten Staaten von Amerika sowie zu dem dem Antrag der Abgeordneten Laurenz Zusatzvertrag vom 18. April 2006 zum Meyer (Hamm), Dr. Martina Krogmann, Vertrag zwischen der Bundesrepublik Hans-Joachim Fuchtel, weiterer Abgeordneter Deutschland und den Vereinigten Staaten und der Fraktion der CDU/CSU sowie der von Amerika über die Rechtshilfe in Straf- Abgeordneten Dr. Uwe Küster, Dr. Rainer sachen Wend, Dr. h. c. Susanne Kastner, weiterer Ab- (Drucksache 16/4377, 16/5825) ...... 11204 B geordneter und der Fraktion der SPD: Den Wettbewerb stärken, den Einsatz offener Dokumentenstandards und offener Doku- mentenaustauschformate fördern Tagesordnungspunkt 18: (Drucksachen 16/5602, 16/5927) ...... 11206 A Antrag der Abgeordneten Frank Schäffler, , Dr. , weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Konse- Zusatztagesordnungspunkt 12: quenzen aus dem Entschädigungsfall Phoe- nix Kapitaldienst GmbH Antrag der Abgeordneten (Drucksache 16/5786) ...... 11205 A (Bremen), (Köln), , weiterer Abgeordneter und der Frak- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Michael Link (Heil- Tagesordnungspunkt 23: bronn), Harald Leibrecht, , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der Beschlussempfehlung und Bericht des Haus- FDP: Ermäßigung der Visumgebühr für haltsausschusses Menschen aus Belarus (Drucksache 16/5905) ...... 11206 B – zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Entlastung der Bundesre- gierung für das Haushaltsjahr 2005 – in Verbindung mit Vorlage der Haushalts- und Vermögens- rechnung des Bundes (Jahresrechnung 2005) Zusatztagesordnungspunkt 13: – zu der Unterrichtung durch den Bundes- Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der rechnungshof: Bemerkungen des Bun- SPD: Ermäßigung der Visumgebühr für desrechnungshofes 2006 zur Haushalts- Bürgerinnen und Bürger aus Belarus und Wirtschaftsführung des Bundes (Drucksache 16/5909) ...... 11206 C (einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung 2005)

(Drucksachen 16/1122, 16/3200, 16/5774) . . . 11205 A Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Cornelia Pieper, Gudrun Kopp, Michael Kauch, weiterer Ab- Tagesordnungspunkt 20: geordneter und der Fraktion der FDP: Deutschland, Energieland der Zukunft – a) Antrag der Abgeordneten Volker Schneider Energieforschung und Wettbewerb stärken (Saarbrücken), , Dr. Martina (Drucksache 16/5729) ...... 11206 C Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Keine Leistungs- kürzungen bei der gesetzlichen Unfall- Nächste Sitzung versicherung (Drucksache 16/5616) ...... 11205 C Anlage 1 b) Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 11207 A , Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Die Anlage 2 gesetzliche Unfallversicherung leis- tungsstark und zukunftssicher gestalten Erklärung der Abgeordneten Dr. Dagmar (Drucksache 16/5896) ...... 11205 D Enkelmann (DIE LINKE) zur Abstimmung: VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Sammelübersicht 256 zu Petitionen (Zusatzta- Regelung des Urheberrechts in der Informa- gesordnungspunkt 8 f) ...... 11207 B tionsgesellschaft (Tagesordnungspunkt 7 a) . 11207 C

Anlage 3 Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Erklärung des Abgeordneten Volker Beck Grietje Bettin, Ekin Deligöz, Kai Gehring, (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Katrin Göring-Eckardt, (Augs- Abstimmung über die Beschlussempfehlung burg) und Britta Haßelmann (alle BÜND- zu dem Antrag: Sport- und Freizeitschifffahrt NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung in Deutschland erleichtern (Tagesordnungs- über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur punkt 15) ...... 11207 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11049

(A) (C) Redetext

108. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Beginn: 9.00 Uhr

Präsident Dr. : ZP 5 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion des BÜNDNIS- Die Sitzung ist eröffnet. SES 90/DIE GRÜNEN zu der Antwort der Bundesregierung auf die Frage 32 auf Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle Drucksache 16/5854 herzlich und wünsche uns einen guten Morgen und gute (siehe 107. Sitzung) Beratungen. ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainer Brüderle, Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, gibt es ei- Paul K. Friedhoff, Gudrun Kopp, weiterer Abgeordneter und nige Mitteilungen. Es beginnt ganz fröhlich: Der Kol- der Fraktion der FDP lege Dr. Rainer Stinner feierte am 26. Juni seinen „Goldener Schnitt 2012“ verwirklichen 60. Geburtstag, und die Kollegin Helga Kühn-Mengel – Drucksache 16/5901 – feierte am 1. Juli ebenfalls ihren 60. Geburtstag. Im Na- men des ganzen Hauses gratuliere ich dazu herzlich und ZP 7 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren (Ergänzung zu TOP 35) (B) wünsche alles Gute. (D) a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Laurenz Meyer (Beifall) (Hamm), Dr. Heinz Riesenhuber, , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene sowie der Abgeordneten Dr. Rainer Wend, Martin Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufge- Dörmann, Dr. Ditmar Staffelt, weiterer Abgeordneter und führten Punkte zu erweitern: der Fraktion der SPD ZP 1 Vereinbarte Debatte Die Zukunft der deutschen Luftfahrtindustrie sichern zur vorgesehenen Änderung der vertraglichen Grund- – Drucksache 16/5908 – lagen der EU Überweisungsvorschlag: ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Markus Löning, Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f) Dr. , Michael Link (Heilbronn), weiterer Abge- Finanzausschuss ordneter und der Fraktion der FDP Ausschuss für Arbeit und Soziales EU-Regierungskonferenz schnell zum Erfolg führen Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und – Drucksache 16/5882 – Reaktorsicherheit Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Tourismus Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f) Haushaltsausschuss Auswärtiger Ausschuss Rechtsausschuss b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hartwig Fischer Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (Göttingen), Eckart von Klaeden, Anke Eymer (Lübeck), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainder Steenblock, sowie der Abgeordneten Brunhilde Irber, Gert Jürgen Trittin, , weiterer Abgeordneter und Weisskirchen (Wiesloch), Niels Annen, weiterer Abge- der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ordneter und der Fraktion der SPD EU-Regierungskonferenz – Für eine handlungsfähige und Demokratische Entwicklung Simbabwes unterstüt- demokratische EU zen – Arbeit der internationalen Nichtregierungsorga- – Drucksache 16/5888 – nisationen ermöglichen (ZP 1 bis ZP 3 siehe 107. Sitzung) – Drucksache 16/5907 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) ZP 4 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP: Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ergebnisse des Dritten Energiegipfels der Bundesregie- Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und rung Entwicklung 11050 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heidrun Bluhm, ZP 10 Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried Hermann, (C) Katrin Kunert, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordne- Wolfgang Wieland, Hans-Christian Ströbele, weiterer Ab- ter und der Fraktion der LINKEN geordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE Humboldt-Forum statt Fassadenschloss – Schloss- GRÜNEN platz mit Zukunftsorientierung Einstellung des Flugbetriebs in Tempelhof – Sinnvolle – Drucksache 16/5922 – Nachnutzung des Flughafenareals Überweisungsvorschlag: – Drucksache 16/5897 – Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss (f) Haushaltsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ZP 8 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Ergänzung zu TOP 36) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit a) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus- ZP 11 Beratung des Antrags der Abgeordneten Detlef Parr, Joachim schusses (2. Ausschuss) Günther (Plauen), Miriam Gruß, weiterer Abgeordneter und Sammelübersicht 251 zu Petitionen der Fraktion der FDP – Drucksache 16/5911 – Sportschifffahrt und Wassersport wirksam fördern und b) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus- von überflüssigen Beschränkungen befreien schusses (2. Ausschuss) – Drucksache 16/5609 – Sammelübersicht 252 zu Petitionen Überweisungsvorschlag: – Drucksache 16/5912 – Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) Innenausschuss c) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus- Sportausschuss schusses (2. Ausschuss) Finanzausschuss Sammelübersicht 253 zu Petitionen Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – Drucksache 16/5913 – Ausschuss für Tourismus d) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus- ZP 12 Beratung des Antrags der Abgeordneten Marieluise Beck schusses (2. Ausschuss) (Bremen), Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE Sammelübersicht 254 zu Petitionen GRÜNEN sowie der Abgeordneten Michael Link (Heil- – Drucksache 16/5914 – bronn), Harald Leibrecht, Jens Ackermann, weiterer Abgeord- e) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus- neter und der Fraktion der FDP schusses (2. Ausschuss) Ermäßigung der Visumgebühr für Menschen aus Belarus Sammelübersicht 255 zu Petitionen – Drucksache 16/5905 – – Drucksache 16/5915 – (B) Überweisungsvorschlag: (D) f) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus- Auswärtiger Ausschuss (f) schusses (2. Ausschuss) Innenausschuss Sammelübersicht 256 zu Petitionen Rechtsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe – Drucksache 16/5916 – Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union g) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus- ZP 13 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und der schusses (2. Ausschuss) SPD Sammelübersicht 257 zu Petitionen Ermäßigung der Visumgebühr für Bürgerinnen und Bür- – Drucksache 16/5917 – ger aus Belarus h) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus- – Drucksache 16/5909 – schusses (2. Ausschuss) Überweisungsvorschlag: Sammelübersicht 258 zu Petitionen Auswärtiger Ausschuss (f) – Drucksache 16/5918 – Innenausschuss i) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus- Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe schusses (2. Ausschuss) ZP 14 Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Kauch, Sammelübersicht 259 zu Petitionen Angelika Brunkhorst, Horst Meierhofer, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP – Drucksache 16/5919 – Perspektiven für eine sektorale Ausweitung des Emis- j) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus- sionshandels sowie für die Nutzung erneuerbarer Ener- schusses (2. Ausschuss) gien im Wärmesektor Sammelübersicht 260 zu Petitionen – Drucksache 16/5610 – – Drucksache 16/5920 – Überweisungsvorschlag: k) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus- Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f) schusses (2. Ausschuss) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Sammelübersicht 261 zu Petitionen ZP 15 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Aus- – Drucksache 16/5921 – schusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ZP 9 Wahlvorschläge der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der (1. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Jens FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Kerstin Andreae, Hüseyin-Kenan Aydin und weiterer Abgeordneter Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benennenden Mit- glieder des Wissenschaftlichen Beratungsgremiums Ergänzung des Untersuchungsauftrages des 1. Untersu- gemäß § 39 a des Stasi-Unterlagen-Gesetzes chungsausschusses – Drucksache 16/5883 – – Drucksache 16/5751 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11051

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) ZP 16 Beratung des Antrags der Abgeordneten , Michael Glos, Bundesminister für Wirtschaft und (C) Alexander Bonde, Katrin Göring-Eckardt, weiterer Abgeord- Technologie: neter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Das würdige Gedenken der Toten in Friedenseinsätzen Herren! Unsere Wirtschaft steht unter Volldampf. braucht eine breite Debatte Deutschland ist wieder Wachstumslokomotive in Europa – Drucksache 16/5894 – geworden. Die Stagnation ist vorbei. Auf den Reform- Überweisungsvorschlag: baustellen gibt es weder hitze- noch kältefrei. Wir müs- Verteidigungsausschuss (f) sen nach vorne blicken und diesen Aufschwung stabili- Auswärtiger Ausschuss sieren. Innenausschuss Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Entwicklung Ausschuss für Kultur und Medien Hindernisse müssen aus dem Weg geräumt werden. Der ZP 17 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der LINKEN: Aufschwung muss vor allen Dingen nachhaltig werden. Datenvernichtung bei der Wir freuen uns darüber, dass der Wachstumsprozess fes- ten Tritt gefasst hat. Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, so- weit erforderlich, abgewichen werden. Dieser Wachstumsprozess ist nicht allein auf die Schubkraft der Weltkonjunktur angewiesen, sondern Die Tagesordnungspunkte 13, 17 a, 22 und 35 a wer- trägt inzwischen aus eigener Kraft. In diesem wie auch den abgesetzt. Zum Tagesordnungspunkt 17 b ist eine im kommenden Jahr kommt der stärkste Wachstumsim- Aussprache nicht mehr vorgesehen. Er soll zusammen puls von der Binnenwirtschaft. Ich finde, das ist etwas, mit den Ohne-Debatte-Punkten aufgerufen werden. Die was uns Hoffnung gibt, dass wir ein Stück unabhängiger Tagesordnungspunkte 12 und 25 werden getauscht. Die von Schwankungen der Weltwirtschaft werden. Tagesordnungspunkte 15, 19, 21, 23 und 24 werden jeweils (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- vorgezogen und nach den Tagesordnungspunkten 25, 14, neten der SPD) 16, 18 und 20 aufgerufen. Ich vermute, Sie haben das al- les mitgeschrieben, In diesem wie auch im kommenden Jahr geht der stärkste Wachstumsimpuls, wie gesagt, von der Kraft (Ludwig Stiegler [SPD]: Wir haben ein gutes aus, die die deutsche Wirtschaft auch im Inland wieder Gedächtnis! Der Alzheimer ist noch nicht im entfaltet. Hinzu kommt, dass die Verbraucherinnen und Saale, Herr Präsident!) Verbraucher wieder mehr Kaufkraft haben und sie auch sodass über die Reihenfolge der Tagesordnungspunkte nutzen. (B) (D) nun kein Zweifel mehr besteht. Falls noch Orientie- Wir kalkulieren vorsichtig. Großmäuligkeit ist zum rungsbedarf besteht, steht das Präsidium für Auskünfte Fremdwort geworden. Die Bundesregierung erwartet für gerne zur Verfügung. – Ansonsten stelle ich dazu Ein- dieses Jahr ein Wachstum von 2,3 Prozent. Ich weiß, vernehmen fest. Dann ist die Tagesordnung mit diesen dass andere seriöse Institutionen schon jetzt deutlich hö- Veränderungen so beschlossen. here Wachstumserwartungen haben. Besser abzuschnei- Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 3 und den als angekündigt, ist uns lieber, als den umgekehrten Zusatzpunkt 6: Weg zu gehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- 3 Abgabe einer Erklärung durch die Bundesregie- neten der SPD) rung Unsere Zuversicht, dass das Wachstum trotz der Um- Aufschwung für Deutschland – Gute Zeiten satzsteuererhöhung anhält, hat sich erfüllt. Der befürch- entschlossen nutzen tete Preisschub ist – gottlob – ausgeblieben. Das sind für ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainer diejenigen, die Schauderszenarien lieben, schlechte Brüderle, Paul K. Friedhoff, Gudrun Kopp, wei- Nachrichten; aber für die Deutschen sind das gute Nach- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP richten. Diese Nachrichten schmerzen die Untergangs- propheten. Heiligendamm war auch deshalb ein so gro- „Goldener Schnitt 2012“ verwirklichen ßer Erfolg, Frau Bundeskanzler, weil eine starke Bundeskanzlerin ihre Gäste als Vertreterin eines wirt- – Drucksache 16/5901 – schaftlich starken Landes hat empfangen können. Das Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für gibt uns in der Welt wieder Gewicht. die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklä- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- rung eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen neten der SPD) Widerspruch. Dann ist auch das so beschlossen. Wer im eigenen Land erfolgreich ist, dessen Stimme hat Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat auch anderswo Gewicht. der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Michael Glos. Jetzt, wo das Wachstum nicht mehr zu leugnen ist, be- haupten Miesmacher, von dem Aufschwung profitierten (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie nur einige wenige. Auch das ist falsch. Die Wirklichkeit bei Abgeordneten der FDP) sieht vollkommen anders aus. Der Aufschwung kommt 11052 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Bundesminister Michael Glos (A) überall an. Für die Bundesregierung sage ich in Anleh- Gerade jetzt im Aufschwung gilt es, auf Reformkurs (C) nung an : Wir erleben den Aufschwung zu bleiben. Der Aufschwung hat viele Gründe: die gute für alle. Niemals in der Geschichte der Bundesrepublik Weltkonjunktur, eine zurückhaltende Lohnpolitik und gab es so viele Beschäftigte wie heute: fast 40 Millionen. vor allen Dingen die Anstrengungen der Unternehmun- Der Anstieg an Beschäftigung entfällt übrigens ganz gen. Das allein hätte jedoch nicht gereicht, um auf einen überwiegend auf sozialversicherungspflichtige, also gute nachhaltigen Wachstumskurs zurückzukehren. Der kon- Vollzeitstellen. sequente Kurs der Großen Koalition – unsere Strategie mit den drei Elementen Sanieren, Reformieren und In- Auch die Zahl der Arbeitslosen sinkt. Allein in den vestieren – trägt jetzt Früchte. letzten zwölf Monaten ist sie um weit über 700 000 zu- rückgegangen; sie liegt nun bei 3,7 Millionen. Bis Ende (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- 2008 wird die Arbeitslosenzahl auf weniger als neten der SPD) 3,5 Millionen sinken. Das wäre dann der tiefste Stand – Ich habe das extra gesagt, damit auch die SPD noch seit über zehn Jahren. überzeugter klatschen kann. Das zeigt: Der Aufschwung kommt auch bei den Be- (Ludwig Stiegler [SPD]: Wir haben dich in schäftigten an. Deren Arbeitsplätze werden nicht zuletzt den Klub aufgenommen!) aufgrund der Lohnzurückhaltung in den letzten Jahren erhalten. In den Tarifverhandlungen ist erstmals wieder Der Aufschwung ist kein Selbstläufer, sondern muss ein deutliches reales Plus erreicht worden. Das wird sich wie eine empfindliche Pflanze gepflegt werden. Wie auf den Konsum natürlich positiv auswirken. teuer es wird, wenn der Aufschwung erlahmt, haben wir in den Jahren 2001 bis 2005 erleben müssen. Trotzdem (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und gibt es immer welche, die versuchen, das Rad zurückzu- der SPD) drehen. Dem halte ich allerdings Ministerpräsident Platzeck entgegen, der gesagt hat: Allerdings werden die Insolvenzverwalter – darüber freue ich mich – weniger zu tun haben. Ich glaube, dass Für mich war der Hauptfehler, dass wir mit den Re- wir auch mit dieser Tatsache gut leben können. formen zu spät begonnen haben. Womit wir allerdings nur schwer leben können, ist der Darüber hinaus zitiere ich jetzt Herrn Gorbatschow, der Fachkräftemangel, den es in Deutschland inzwischen gesagt hat: gibt. Das ist etwas, was uns besorgt macht. Obwohl in Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Deutschland 20 000 Ingenieure arbeitslos gemeldet sind, (B) sucht die Wirtschaft händeringend nach Fachkräften. (Dr. Rainer Wend [SPD]: Da hat er Helmut (D) Das passt nicht zusammen; das bremst den Aufschwung. Kohl gemeint! – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/ Deshalb brauchen wir mehr Investitionen in Bildung, in DIE GRÜNEN]: Zitieren Sie doch einmal Ausbildung, aber auch in Weiterbildung. Stoiber! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aller guten Dinge sind drei! Wir (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- lechzen nach einem guten Zitat! – Fritz Kuhn neten der SPD) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stoiber wol- len wir hören!) Wir müssen in allererster Linie diejenigen Menschen weiterbilden und aktivieren, die in unserem Land leben, Deswegen war es richtig, dass es zu einem Regie- die in unserem Land nach Arbeit suchen, und wir müs- rungswechsel gekommen ist. Wir fühlen uns dem Auf- sen ihnen Chancen geben. Außerdem muss selbstver- schwung verpflichtet. ständlich die Frage der gesteuerten Zuwanderung von (Beifall bei der CDU/CSU) Fachkräften aus anderen Ländern auf die Tagesordnung. Eine solche Zuwanderung lässt sich nicht von heute auf Wären wir noch später gekommen, dann wären wir jetzt, morgen herbeiführen; deswegen müssen wir die Wei- um mit den Worten Platzecks zu sprechen, gesellschaft- chen rechtzeitig stellen. Deutschland muss im globalen lich und ökonomisch vor der Wand. Wettbewerb um die besten Köpfe mithalten können, um Eine Hauptaufgabe muss natürlich die Konsolidie- den globalen Wettbewerb besser zu bestehen. rung der öffentlichen Haushalte sein. Dem hat sich (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Kollege Steinbrück nachhaltig gewidmet. Wann, wenn neten der SPD) nicht jetzt, sollten wir sonst das Ziel ausgeglichener öf- fentlicher Haushalte ins Visier nehmen? Wir werden das Damit Deutschland weiter die Nase vorn hat, steigert auch erreichen. Das ist möglich. die Bundesregierung kontinuierlich die Investitionen in (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Forschung und Entwicklung. Das zeigt die gestern be- neten der SPD) schlossene mittelfristige Finanzplanung. Auch die Län- der und die Wirtschaft bleiben aufgerufen, mehr für For- Zuerst profitieren die öffentlichen Kassen von der schung und Entwicklung zu tun. Wir alleine als Staat Konjunktur. Wir müssen jetzt alles daransetzen, dass es können das 3-Prozent-Ziel von Lissabon nicht erreichen, auch so bleibt. Die Steuer- und Beitragsquellen sprudeln, sondern wir brauchen selbstverständlich das Mittun der doch wächst mit dem Aufschwung der Wirtschaft auch Wirtschaft. der Wunsch nach neuen konsumtiven Ausgaben, die mit Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11053

Bundesminister Michael Glos (A) Zukunftsgestaltung oft nichts zu tun haben. Ich bin der kratiekosten durch Vorschläge und Maßnahmen der (C) Meinung, wir müssen eine Politik betreiben, die dafür Europäischen Union wieder rückgängig gemacht wer- sorgt, dass die Finanzquellen länger sprudeln. Fast täg- den. Wir müssen den Weg bei uns in Deutschland natür- lich kommen neue Forderungen. Diese Forderungen lich selbst verstärkt gehen. Wir haben bereits ein Mittel- muss man natürlich in dem Licht sehen, ob wir uns das standsentlastungsgesetz verabschiedet, und ein weiteres alles in Zeiten, in denen Nachhaltigkeit eine große Rolle ist im parlamentarischen Prozess. spielt, leisten können. Ich zitiere nun das Bundesfinanz- ministerium, das in seinem jüngsten Monatsbericht Wichtig ist auch mehr Wettbewerb, beim Schienen- schreibt: verkehr – im Interesse der Mobilität der Bürgerinnen und Bürger – und ebenso im europäischen Briefmarkt. Das Ziel eines mittelfristig ausgeglichenen Haus- halts hat nach wie vor hohe Priorität. Legt man die Damit uns in Zukunft schmerzhafte Konsolidierungs- jüngste Steuerschätzung zu Grunde, ist dazu eine programme erspart bleiben, brauchen wir zudem eine weitere Rückführung der Staatsquote unabdingbar. wirksame Schuldenbremse für die öffentlichen Haus- halte. Sie zu finden, ist Aufgabe der Kommission von Ich habe vorhin den Antrag der FDP gelesen. Sie befin- Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund- den sich offensichtlich ein Stück weit im Einklang mit Länder-Finanzbeziehungen. dem Bundesfinanzministerium. Ich meine, es ist genau der richtige Ansatz, um die Staatsfinanzen nachhaltig Wir sind entschlossen, auch die Mitarbeiterbeteili- auf eine feste Grundlage zu stellen. Denn der Auf- gung auszubauen. Ich finde, das ist ein richtiger Weg. schwung muss dem Bürger gehören und nicht dem Staat. Die Arbeitnehmer sollen am wirtschaftlichen Erfolg ih- Das ist meine feste Überzeugung. rer Betriebe spürbar beteiligt werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Guido des Abg. Dr. [FDP]) Westerwelle [FDP]: Na endlich, es geht doch!) Das fördert die Streuung des Produktivkapitals und Wir müssen die Arbeitnehmer und Betriebe, die hohe schafft neue Motivation. Die Entscheidung darüber, wie Abgaben und Steuern von ihrem hart verdienten Geld dies individuell am besten und am effizientesten erreicht bezahlen, am Konsolidierungserfolg beteiligen. werden kann, sollte man nach meiner festen Überzeu- gung in allererster Linie den Tarifpartnern überlassen. (Zuruf von der FDP: Sehr wahr!) Mein Haus ist dabei, die Förderprogramme für den in- Professor Hans-Werner Sinn vom Münchner ifo-Insti- novativen Mittelstand einfacher und transparenter zu ge- (B) tut nennt es ein „Gebot der Vernunft, die Entlastung der stalten. (D) Bürger jetzt schnell auf die Tagesordnung zu setzen“. Es ist und bleibt unser Ziel, die paritätisch finanzierten Bei- Auf dem Arbeitsmarkt gilt es, die richtige Balance tragssätze zu den Sozialversicherungen unter 40 Prozent zwischen Flexibilität und Sicherheit zu finden. Mit Blick des beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgeltes zu sen- auf mehr Beschäftigung werden wir Effizienz und Effek- ken. Das ist gelungen, aber das muss immer wieder ver- tivität des arbeitsmarktpolitischen Instrumentariums er- teidigt werden. Durch die Arbeitsmarktreformen und höhen. den gegenwärtigen wirtschaftlichen Aufschwung haben wir den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung von Noch etwas braucht unsere Wirtschaft, damit sie wei- 6,5 auf 4,2 Prozent zurückführen können. Wenn es auf ter auf einem Wachstumspfad bleibt, nämlich eine zuver- dem Gebiet weitere Spielräume gibt, müssen wir diese lässige, kostengünstige und gleichzeitig klimafreundli- nutzen. che Energieversorgung. Darüber haben wir sehr viel diskutiert, Der Wirtschaftsaufschwung zeigt eine klare Bot- schaft: Reformen zahlen sich aus. Die Bundesregierung (Zuruf von der FDP: Und nichts gemacht!) ist daher entschlossen, in der zweiten Hälfte der Legisla- auch auf dem Energiegipfel. Die Probleme lassen sich turperiode weitere Wege für Wachstum und Arbeits- natürlich am allerbesten im Konsens mit der Wirtschaft plätze zu eröffnen. Wir müssen die Unternehmensteuer- lösen, weil dort diejenigen sind, die die Investitionen da- reform um eine Reform der Erbschaftsteuer und ein für tätigen müssen. umfassendes Wagnis- und Finanzierungsgesetz ergän- zen. (Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Hat das Herr Gabriel verstanden?) (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was Sie machen, das sind doch alles Wagnis- Wir müssen auf der anderen Seite natürlich auch die gesetze!) Verbraucherinnen und Verbraucher im Blick behalten. Die Entwürfe liegen vor. Damit meine ich nicht nur die industriellen Verbraucher von Energie, sondern auch die Millionen Haushalte. Als weiteres wichtiges Ziel nenne ich den Bürokratie- Deswegen müssen wir die Energiepreise kritisch be- abbau. Wir haben den Bürokratieabbau in Europa zum obachten. Ich fühle mich nicht als Bundesminister der Thema gemacht. Das war fast ein Fremdwort für die Wirtschaft, sondern als Bundesminister für Wirtschaft, Europäische Kommission. Wir konnten durchsetzen, und das schließt die Verbraucherinnen und Verbraucher dass 25 Prozent der von der EU hervorgerufenen Büro- mit ein. 11054 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Bundesminister Michael Glos (A) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- che Entwicklung. Darüber freuen wir uns als deutsche (C) neten der SPD) Patrioten. Wir haben auf diesem Gebiet vieles geschafft, zumin- (Zuruf von der SPD: Na, na!) dest regierungsseitig. Es war durch die Abwägung vieler Interessen manchmal natürlich nicht ganz leicht, in der Der Aufschwung ist weder den Schwarzen noch den Ro- Regierung die GWB-Novelle, die Kraftwerksnetzan- ten zuzurechnen, schluss- sowie die Anreizregulierungsverordnung auf (Zuruf von der SPD: Nur Ihnen?) den Weg zu bringen. Gegenwärtig liegt es an Ihnen, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wie rasch er ist der Leistung der Menschen zu verdanken. zum Beispiel die GWB-Novelle umgesetzt wird, die uns (Beifall bei der FDP) erlaubt, den großen Energieerzeugern oder Strom- und Gasverteilern stärker auf die Finger zu schauen. Ich halte Diesen müssen wir sagen: Danke, ihr macht das prima. das nach wie vor für notwendig und nutze die Gelegen- Wir möchten euch dabei helfen. heit, an Sie zu appellieren, die Bremsklötze auf dem Ge- Der Bundeswirtschaftsminister hat richtig erkannt: biet wegzunehmen. Die jetzige Wirtschaftslage muss genutzt werden, um (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- durch finanz- und wirtschaftspolitische Maßnahmen NEN]: Weg mit den Netzen! Seien Sie mal langfristig Deutschland auf dem Wachstumspfad zu hal- mutig, nicht immer Lobbyist! – Dr. Peter ten und das Wachstum möglichst noch zu steigern. Haus- Struck [SPD]: Na, na, na! Wir bremsen nicht, haltssanierung und Steuersenkungen sind die entschei- Herr Minister! Wir unterstützen Sie in vollem denden Mittel dazu. Umfang! Ohne uns könnten Sie das alles gar nicht machen!) (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Steuer- senkungen? Für wen denn?) – Ich bedanke mich ganz herzlich für die Unterstützung und nehme alles zurück. Ich bitte um noch stärkere und Daran, Herr Glos, müssen Sie sich nun messen lassen. noch raschere Unterstützung als bisher. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU) Ihre heutige Rede beinhaltete ein Stück weit auch Meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere Re- einen Appell in die Koalition hinein, eine vernünftige formagenda bietet trotz aller Fortschritte noch reichlich Politik zu unterstützen. Ich denke, das ist so ein bisschen Stoff für die zweite Hälfte der Legislaturperiode. Inso- wie bei Harry Potter, der im eigenen Laden gegen das (B) fern ist die Arbeit nicht zu Ende. Übel und die Reformmüdigkeit kämpfen muss. Ich (D) hoffe, Sie haben die richtige Strategie und nicht bloß (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: wirkungslose Zaubersprüche ohne Chancen darauf, dass Schade!) etwas passiert. Vielmehr müssen konkrete Maßnahmen Die Bundesregierung ist fest entschlossen, sich nicht auf Schritt für Schritt umgesetzt werden. den Lorbeeren des Aufschwungs auszuruhen und den er- Die Bundesregierung glaubt offensichtlich, ange- folgreichen Reformweg weiterzugehen. Über den Weg sichts sprudelnder Steuereinnahmen und gefüllter So- können und müssen wir selbstverständlich streiten, aber zialkassen neue Subventionstatbestände erfinden zu über das Ziel sollten wir uns einig sein: Es geht um die müssen. Das ist bei Ihren Vorschlägen zur Mitarbeiter- Menschen in unserem Land. Für deren Wohl zu arbeiten, beteiligung bis hin zur Förderung von Energiesparmaß- dazu lade ich Sie alle ganz herzlich ein. nahmen bei Kühlschränken und Ähnlichem der Fall. Die Vielen Dank. Investitionen erreichen nach den Planungen des Finanz- ministers 2011 einen historischen Tiefstand; sie betragen (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) dann nur noch 8,2 Prozent des Haushaltsvolumens. Zu- gleich werden aber die Ausgaben kräftig erhöht, nämlich Präsident Dr. Norbert Lammert: um 4,7 Prozent. Sie haben natürlich recht: Dieser Auf- Ich eröffne die Aussprache. schwung darf nicht Anlass sein, die Hände in den Schoß zu legen, also sozusagen vom Winterschlaf direkt in die Das Wort erhält zunächst der Kollege Rainer Brüderle Sommerpause zu gehen. Wir brauchen aber keine neuen für die FDP-Fraktion. Ausgabenprogramme. Der DIHK-Präsident Braun warnt (Beifall bei der FDP – Hartmut Koschyk davor. Er vermutet, dass der Deutschlandfonds der SPD [CDU/CSU]: Tata! Tata! Tata! – Gegenruf des ein Modell sei, das dazu beitragen soll, dass die Gewerk- Abg. Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Herr Prä- schaften zu Heuschrecken werden. Bei den diskutierten sident, wir werden von rechts gestört! – Ge- Konzepten ist deswegen sicherlich Vorsicht geboten. genruf des Abg. [CDU/CSU]: Gute Wirtschaftspolitik besteht darin, die Zeit des Das ist ein Irrtum! Das machen wir nicht!) Aufschwungs zu nutzen, um für die Zeit des Ab- schwungs vorbereitet zu sein. Rainer Brüderle (FDP): (Beifall bei der FDP) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Wirt- schaft brummt. Wir haben eine erfreuliche wirtschaftli- Schauen wir uns einmal einzelne Bereiche an. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11055

Rainer Brüderle (A) Arbeitsproduktivität: Die Steigerung betrug 2006 ist für mich ein Zickzackkurs, und Zickzack ist nicht (C) 1,9 Prozent. Das ist verglichen mit den Jahren zuvor er- wachstumsfördernd. Deshalb brauchen wir Klarheit. freulich, verglichen mit der Entwicklung in den Verei- nigten Staaten oder bei uns in den 90er-Jahren immer Viele Bürger sind gar nicht mehr in der Lage, zu über- noch bescheiden. Hier muss weiter zugelegt werden. Es sehen, wie sich die Regelungen der Wirtschaftsgesetze handelt sich übrigens überwiegend um Rationalisie- auswirken, die sie befolgen müssen. Das müsste man rungsinvestitionen. Diese allein werden nicht genügen, vereinfachen, um es verstehbar und nachvollziehbar zu um langfristig bzw. dauerhaft mehr Wohlstand zu entwi- machen. Wenn die Steuererklärung nach bestem Wissen ckeln. und Gewissen ausgefüllt wird, heißt das noch nicht, dass sie richtig ist. Kaum einer kann unser Steuerrecht ver- Langfristig Wachstum stimulieren und Wohlstand stehen. Die Bürger unterschreiben ihre Steuererklärung, entwickeln würden Reformen am Arbeitsmarkt. Herr können letztlich aber gar nicht nachvollziehen, was sie Glos fordert zu Recht mehr Flexibilität auf dem Arbeits- unterschreiben. Das müsste man jetzt, wo es wirtschaft- markt. Wenn man das intelligent macht und mehr Ein- lich besser geht, in Ordnung bringen, verstehbar machen stellungschancen eröffnet, gibt es nicht nur mehr Ar- und redemokratisieren, damit die Menschen wieder in- beitsplätze, sondern auch mehr Sicherheit, weil nerlich dabei sein können. Angebote vorhanden sind. Sie haben zu Recht oft auf Dänemark verwiesen. Das ist ein gutes Beispiel. Davon (Beifall bei der FDP) kann man eine Menge lernen. Hier geschieht aber eher Jeder kleine Häuslebauer weiß: Das Dach repariert man etwas anderes. Sie gehen nicht daran, den kleinen Betrie- am besten, wenn die Sonne scheint, und nicht, wenn es ben die Angst vor der Einstellung zu nehmen, den Kün- regnet. Technisch geht das auch bei Regen. Es ist aber digungsschutz zu modernisieren und betriebliche Bünd- ungleich schwieriger. nisse für Arbeit auf den Weg zu bringen. Sie haben einige Maßnahmen zum Bürokratieabbau Für langfristig bessere Wachstumspfade brauchen Sie beschlossen. Gleichzeitig machen Sie aber Gesetze, die ein Klima des Vertrauens. Sie müssen die Unsicherheit außerordentlich kompliziert, bürokratisch, unverständ- über die weitere Entwicklung nehmen und mehr Be- lich und intransparent sind. In diesem Zusammenhang rechenbarkeit geben. In der sogenannten Großen Koali- denke ich an das Antidiskriminierungsgesetz, aber auch tion gibt es viele Widersprüche. Der Bundeswirtschafts- an die unsystematische Unternehmensteuerreform, bei minister spricht von flexiblen Arbeitsmärkten, und diese der es keine Rechtsform- und Finanzierungsneutralität Regierung führt faktisch Mindestlöhne ein. Das ist ein gibt. Damit tragen Sie nicht dazu bei, das Ganze einfa- inhaltlicher Widerspruch. Was wollen Sie denn – Min- cher und verstehbarer zu machen. destlöhne oder Flexibilisierung? (B) (Beifall des Abg. Jörg van Essen [FDP]) (D) (Beifall bei der FDP) – Zu Recht klatschen Sie, Herr Kollege. Schwarz-Rot will die Erbschaftsteuer für Unterneh- men abschaffen. In der Koalition wird aber laut nachge- Die Bundesregierung führt die Abgeltungsteuer auf dacht, ob man diese Abschaffung nicht unterlassen und Kapitalerträge ein. Gleichzeitig belässt sie es bei der die Erbschaftsteuer sogar noch erhöhen sollte. Auch das staatlichen Kontoschnüffelei. Sie wird nicht abgeschafft, gibt keine Klarheit für die Entscheidungen der Wirt- obwohl es logisch wäre, bei der Abgeltungsteuer diesen schaft. Unsinn zu lassen und nicht weiter in die Konten der Bür- ger hinein zu spionieren. Zu Recht wollen Sie international wettbewerbsfähige Unternehmensteuern. Sie bringen aber ein Modell auf (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten den Weg, das außerordentlich kompliziert ist, sodass Be- der CDU/CSU) triebe vor Ort sich fragen: Zahlen wir am Schluss denn Die Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit wer- weniger oder mehr Steuern? Das ist kein Beitrag zum den in den Bundeshaushalt umgeleitet, anstatt sie den Bürokratieabbau und kein Beitrag zu einer leichteren Beitragszahlern, denen dieses Geld gehört, zurückzuge- Berechenbarkeit. ben. Auch das ist kein Ansatz, Klarheit zu schaffen. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Die Bürger sollen privat stärker für ihr Alter vorsor- Herr Glos hat zu Recht erklärt, dass wir den Auf- gen. Sie kürzen aber den Sparerfreibetrag; Steuern auf schwung entschlossen nutzen müssen. Aber bitte nicht Kursgewinne werden eingeführt; durch die kräftige für neue Ausgabenprogramme! Vielmehr müssen Sie die Mehrwertsteuererhöhung haben Sie vielen den für die Weichen richtig stellen, damit der Wachstumspfad wirk- verstärkte Altersvorsorge notwendigen Spielraum ge- lich erreicht wird. nommen. Bei der Kranken- und Pflegeversicherung schaffen (Beifall bei der FDP) Sie, statt auf Kapitaldeckung und damit auf zukunfts- Jetzt diskutieren Sie, ob Freibeträge für Mitarbeiterbetei- feste Strukturen zu setzen, mit dem Gesundheitsfonds ligungen wieder angehoben werden sollen. Das ist die neue Geldsammelstellen. Zudem gibt es Leistungsaus- Methode: Erst nimmt man denjenigen viele Euro weg; weitungen. Auch das ist ein Herumdoktern am System jetzt bekommen sie ein paar Cent zurück und sollen sich und keine klare Politik, die dem eigentlichen Ziel ent- artig bedanken. Machen Sie es doch gleich richtig! Das spricht. 11056 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Rainer Brüderle (A) Uns geht es darum, die Balance zwischen Privat und festzustellen, dass er richtig handelt und etwas Vernünf- (C) Staat, zwischen Eigenverantwortung und staatlicher tiges gesagt hat. Haben Sie den Mut, bei der Abstim- Gängelung, zwischen Freiheit und Bürokratie zugunsten mung über diesen Antrag die Hand zu heben! Sie können von Privat, Eigenverantwortung und Freiheit zu verän- für das Land etwas Gutes tun, indem Sie diese vernünf- dern, damit wir zukunftsfähig sind. tige Denke unterstützen. Mit dieser Abstimmung wird sich zeigen, ob Sie es ernst meinen mit der Unterstüt- (Beifall bei der FDP) zung einer im Prinzip richtig angelegten Konzeption Von der Haushaltskonsolidierung ist auch nichts zu oder ob es nur eine Inszenierung Ihrerseits ist oder gar merken, im Gegenteil: Die Schulden werden in den der Entwurf der Scheidungsurkunde der Großen Koali- nächsten Jahren kräftig weiter aufgebaut. Man nimmt tion der kleinen Trippelschritte. sich viel Zeit, die Konsolidierung anzugehen. Heute ist eine Sternstunde des Parlaments. Die Regie- Ich nenne in diesem Zusammenhang auch den Ener- rungskoalition hat die Chance, eine vernünftige Konzep- giegipfel, zu dem es heute Mittag noch eine Aktuelle tion zu unterstützen. Haben Sie den Mut dazu! Ich Stunde gibt. Das Kernproblem ist, dass die Wettbe- schaue gerade in Richtung der Wirtschaftspolitiker der werbsstrukturen nicht richtig funktionieren. Da muss Union, die doch mutige Männer aus Franken, Bayern man ansetzen; das wäre der richtige Weg. Als Ultima und anderen Regionen sind. Heben Sie die Hand, und Ratio müsste man auch das Instrument der Entflechtung unterstützen Sie die Konzeption, die im Prinzip richtig in das Kartellrecht einführen; denn ein funktionierender ist! Wettbewerb sichert eine ausreichende Energieversor- (Beifall bei der FDP) gung. Der Handel mit Zertifikaten für Emissionen schafft Anreize für mehr Umweltschutz und Energieeffi- zienz. Trauen Sie sich ein bisschen mehr zu, wenn es um Präsident Dr. Norbert Lammert: Markt und Freiheit geht. Das würde Fortschritte in Nächster Redner für die SPD-Fraktion ist der Kollege puncto Berechenbarkeit bringen. Ludwig Stiegler. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der SPD) Was wir brauchen, ist mehr Wirtschaftswachstum und Ludwig Stiegler (SPD): nicht Staatswachstum. Mit rund 5 Prozent Ausgabenstei- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer den gerung gehen Sie deutlich in Richtung Staatswachstum. Kollegen Brüderle in den letzten Jahren gehört hat, der Den Menschen gehört das, was sie erwirtschaften. Die kann erkennen, dass er heute bemerkenswert moderat ist, Dividende des Aufschwungs muss in der Breite bei den weil er gegen den wirtschaftlichen Erfolg der Großen (B) Menschen in Deutschland ankommen: bei den Arbeit- (D) Koalition nur schlecht anreden kann. nehmern und bei den Selbstständigen. Deshalb brauchen wir eine umfassende Steuerreform und steuerliche Ent- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) lastungen und nicht mehr Belastungen. Das ist das Wich- Ich hätte ihn sehen mögen, wenn er mit seiner Wunsch- tigste. Herr Glos, Sie haben diesbezüglich völlig recht. partnerschaft diesen Erfolg hier hätte feiern können. Er Aber diese Regierung unternimmt nichts. Frau Merkel, hätte sich gebläht, bis der Kragen platzt. von Glos lernen heißt besser werden. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD – (Beifall bei der FDP) Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Ihre Bilder sind Fair wäre es, die Bürger zu entlasten, indem das Geld, leicht unappetitlich!) das die drastische Mehrwertsteuererhöhung bringt, an Das wäre sicher der Fall gewesen. Aber so ist es der die Bürger zurückgegeben wird. Fair wäre es, das Geld, Neid der Besitzlosen, die anderen den Erfolg streitig ma- das die Ökosteuer bringt, zurückzugeben. Sie ist mit der chen wollen. Herr Brüderle, freuen Sie sich mit uns, Einführung des Emissionshandels von der Sache her dann finden Sie auch Ihre innere Ruhe wieder. überflüssig. Das wäre eine vernünftige Richtung. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Herr Minister Glos, wir wollen Ihnen helfen. Deshalb Abgeordneten der CDU/CSU) haben wir den vorliegenden Antrag eingebracht, der der Koalition die Gelegenheit bietet, Ihre Politik und Ihr Der Wirtschaftsminister hat hier mit Recht einen gro- Konzept „Goldener Schnitt 2012“ zu unterstützen. Unser ßen Erfolg verkündet. Er hat nicht viel von den Vätern Konzept ist noch ambitionierter und noch anspuchsvol- des Erfolges geredet. Ich hatte ja das Vergnügen, unter ler. Aber immerhin weist Ihr Konzept in die richtige der Leitung von Franz Müntefering von meiner Seite an Richtung. Deshalb stellen wir unseren Antrag heute zur den Koalitionsverhandlungen zum Thema Wirtschaft Abstimmung. Wir brauchen eine Steuer- und Abga- mit beteiligt zu sein. Michael ist als bensenkung. Wir brauchen Haushaltskonsolidierung. Spätberufener nach einiger Zeit hinzugekommen. Er Wir brauchen mehr Investitionen und weniger staatliche wollte ursprünglich mehr auf der Ausgabenseite tätig Konsumausgaben. sein. Er hat dann vorgefunden, was wir zur Wirtschafts- politik verabredet haben. Unser Antrag ist Glos pur, ohne Regierungslyrik und ohne Beamtenarithmetik. Sie, insbesondere die Kolle- Das war ein Beitrag, der den Urknall ermöglicht hat. ginnen und Kollegen von der CDU/CSU, haben heute Ich erinnere zum Beispiel daran, dass wir in einer Nacht- die Chance, den Wirtschaftsminister zu unterstützen und sitzung die Förderung der energetischen Gebäude- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11057

Ludwig Stiegler (A) sanierung durchgesetzt haben. Herr Brüderle, der von Wachstumsgesetzes ist, dass wir eine öffentliche Verant- (C) Ihnen so gescholtene Staat hat allein über die Förderung wortung für diesen Bereich haben. der energetischen Gebäudesanierung im Jahre 2006 ei- Nun ist viel von der Staatsquote geredet worden. Da nen Wachstumsbeitrag von mehr als 1 Prozentpunkt ge- liegen wir im europäischen Vergleich weit unten. Nun ist leistet, aber die Staatsquote – ich habe den entsprechenden (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Kommentar von Alex Möller noch einmal nachgelesen – der CDU/CSU) kein Wert an sich. Vielmehr ist wichtig, dass wir unsere öffentlichen Aufgaben erfüllen, Forschung und Entwick- Hunderttausende von Arbeitsplätzen gesichert, die lung betreiben, die Energieeffizienz voranbringen und Handwerks- und die Bauunternehmen gestützt und die Investitionen mit hoher Multiplikatorwirkung durchfüh- Investitionen getragen. Hier ist also eine ganze Menge ren. geschehen. Herr Brüderle, wir sollten Bürger und Staat nicht in Ich erinnere an die steuerliche Förderung des einen Gegensatz bringen. Wir sind für einen Staat der Handwerks. Ich erinnere an die Steuerförderung im Bürger. Hinblick auf Investitionen. Kollege Rainer Wend war dabei. Es war nicht leicht mit der Union; denn sie hatte (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten bloß den Bierdeckel von . Darauf stand der CDU/CSU) das alles nicht; das muss man einfach sehen. Auf dem Nur mit den richtigen Rahmenbedingungen können wir Bierdeckel war zu wenig Platz. Auch in den Kirchhof- allen die Chancen geben, sich zu entwickeln und zu bil- Papieren war nichts zur steuerlichen Förderung des den. Handwerks vorgesehen. Insofern war es ein schönes Er- lebnis, als Edmund Stoiber und vor allem sein Wirt- Herr Brüderle hat gemahnt, dass die Bundesagentur schaftsminister damals gesagt haben: Gott sei Dank kön- für diejenigen etwas leisten muss, die sie nicht integriert. nen wir unser altes Gelumpe wegwerfen und zu dieser Als der Bund Zuschüsse in Milliardenhöhe an die Bun- neuen Programmatik übergehen. – Es ist Ihr Verdienst, desanstalt gegeben hat, hat kein Mensch von Beitragser- dass Sie mitgemacht haben. Herzlichen Dank! Der ge- höhungen gesprochen. Man war selig im Nehmen, ist meinsame Erfolg ist da. aber geizig im Geben. Ich finde, da man früher in Zeiten der Not der Bundesagentur aus dem Bundeshaushalt (Beifall bei der SPD – Dr. Norbert Röttgen mehr als 30 Milliarden hat zukommen lassen, kann man [CDU/CSU]: Gleich platzt der Kragen!) in Zeiten des Überschusses dem Kaiser geben, was des Lieber Michael Glos, auf einer Menge sozialdemokrati- Kaisers ist. (B) (D) scher Dünger ist dein Weizen gewachsen. Du darfst zwar (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ernten und verkaufen; das ist okay. Aber man soll dem der CDU/CSU) Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden; so steht es schon in der Bibel. Deshalb geht dieser Angriff fehl. Nun ist der arme Kerl von Zimmermann beschuldigt Ich danke ausdrücklich dem Finanzminister, der zu- worden, er sei Opfer linkskeynesianischer Umtriebe. sammen mit dem Wirtschaftsminister eine gestaltende Das ist ein starkes Stück. Michel ist weder links noch Haushaltspolitik betreibt und Investitionen begünstigt. keynesianisch, und Umtriebe macht er zwar, aber auf an- Derzeit brauchen wir noch keine antizyklische Haus- derer Ebene. haltspolitik. Eine solche dürfen wir auch in Zukunft nicht betreiben; der Haushalt darf allenfalls neutral sein. (Heiterkeit bei der CDU/CSU) Insgesamt ist aber noch eine ganze Menge zu tun. Nein, das ist wirklich zu viel. Wer seine Jahresgabe zum Das Entscheidende ist, dass der Aufschwung bei al- 40-jährigen Jubiläum des Stabilitäts- und Wachstumsge- len ankommt und nicht mit Sozialabbau verbunden ist. setzes anschaut, der sieht, dass er mit Linkskeynesianis- Was haben uns die Professoren und Sachverständigen mus nichts zu tun hat. Er deutet all das, was wir nachfra- gesagt? Ihr müsst den Kündigungsschutz lockern, den georientiert gemacht haben, in Angebotsmaßnahmen Arbeitsmarkt flexibilisieren und die Rigiditäten aufbre- um. Das würde ich meinem Staatssekretär austreiben. chen. Alle, die das gesagt haben, sind jetzt ganz verzwei- felt; denn der Aufschwung ist gekommen, ohne dass wir (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Sozialabbau betreiben mussten. Ich danke allen, die da- SPD) ran mitgewirkt haben. Aber immerhin steht einiges in dem von ihm vorge- (Beifall bei der SPD) legten Papier. Er hat den Wert der öffentlichen Investi- tionen erkannt. Er hat einen neuen Investitionsbegriff. Daran sieht man, dass stimmt, was die Bank für Interna- Wir haben seit langem von Karlsruhe den Auftrag, im tionalen Zahlungsausgleich in ihrem 77. Jahresbericht Stabilitäts- und Wachstumsgesetz den Investitionsbegriff geschrieben hat: Volkswirtschaft ist keine exakte Wis- zu reformieren und darin nicht nur Investitionen in Be- senschaft. Das muss man den Professoren entgegenhal- ton, sondern auch in Bildung, Forschung und Entwick- ten, die ihre ideologischen Vorstellungen mit schönen lung vorzusehen. Also, auf geht’s! Packen wir es an, da- Rechenmodellen abgleichen, die am Ende meistens hin- mit wir hier vorankommen und öffentliche Investitionen ten und vorne nicht stimmen. Der beste Computer hilft nachgeholt werden. Die Botschaft des Stabilitäts- und nichts, wenn die Parameter falsch gesetzt sind. 11058 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Ludwig Stiegler (A) Wir wollen Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt; denn erreichen. Deswegen unterstützen wir es, dass die Vertei- (C) mit Flexibilität haben die Menschen bereits verdammt lungsgerechtigkeit in Deutschland in den Tarifrunden viel zu tun. Hier war von weiterer Liberalisierung die angegangen wird. Rede. Lasst uns erst einmal dafür sorgen, dass die Nach- Zurzeit wird über den Fachkräftemangel diskutiert. folgeunternehmen der Post ihre Mitarbeiter nach dem Dazu sage ich: Solange wir 30 000 arbeitslose Ingenieure Postgesetz bezahlen und nicht länger versuchen, sich mit haben, erwarte ich von der deutschen Wirtschaft, dass Dumpinglöhnen im Wettbewerb zu behaupten. sie diesen Ingenieurinnen und Ingenieuren, jungen wie (Beifall bei der SPD) alten, eine Chance gibt, bevor sie sich an den gedeckten Tischen anderer Länder bedient. Wir wollen einen Wettbewerb unter Leistungsgesichts- punkten und nicht hinsichtlich der Knechtschaft der Ar- (Beifall bei der SPD) beitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Deswegen werden Das ist unser Auftrag. Jetzt müssen die Hausaufgaben wir keine Ruhe geben. gemacht werden durch Qualifizierung und Fortbildung. (Beifall bei der SPD) Jetzt müssen wir vorangehen. Wann, wenn nicht jetzt? Das ist unsere Hauptaufgabe. Wir dürfen nicht anders- Bevor wir die Liberalisierung weiter vorantreiben, gilt es wohin flüchten. die Kollateralschäden der Liberalisierung zu beseitigen. Wir haben viele öffentliche Aufträge zu erfüllen. Der Minister sprach von 40 Millionen Erwerbstäti- Energieeffizienz ist ein wichtiger Auftrag. Die energeti- gen, nicht von Beschäftigten; das ist ein kleiner Unter- sche Gebäudesanierung war eine ganz wichtige Rah- schied. Bei der Zahl der Beschäftigten gibt es einen Zu- menbedingung. Dennoch sollten wir uns bewusst sein: wachs, der aber – und das ist dramatisch – aus der Die Weltwirtschaft ist und bleibt unser Schicksal, dem Leiharbeit resultiert. Wir wollten die Leiharbeit zwar wir uns nicht demütig unterwerfen. Wir haben internati- aus der Schmuddelecke herausholen – darüber haben wir onalen Einfluss und sollten ihn nutzen. In Fragen der schon einmal im Vermittlungsausschuss, quasi in einer Währung ist der Rat gefordert. Der Kurs des Euro geht Großen Koalition, verhandelt –; es war aber nicht unsere seit einem Monat schnurstracks in die Höhe. Das bringt Intention, dass die Leiharbeit missbraucht wird, um die erhebliche Probleme mit sich. Hier ist nicht nur die Eu- Stammbelegschaften massiv unter Druck zu setzen. Wir ropäische Zentralbank gefordert, sondern auch der Rat. wollten den Unternehmen die notwendige Flexibilität Darauf müssen wir in den internationalen Gesprächen bieten, aber nicht große Teile der Beschäftigten in Leih- achten. Jede Tarifrunde und jede Einsparung wird zu- arbeits- und damit in unsichere Verhältnisse bringen. schanden, wenn es zu Währungsverwerfungen kommt. Darüber müssen wir reden. Hier haben wir eine große Aufgabe vor uns. (B) (D) (Beifall bei der SPD – Dr. Gesine Lötzsch Wir appellieren an die Europäische Zentralbank, es [DIE LINKE]: Aber genauso haben wir es vo- mit der Zinspolitik nicht zu übertreiben. Es ist schon ein- rausgesagt! Damals haben Sie sich darüber lä- mal ein Aufschwung abgewürgt worden. Das hatte er- cherlich gemacht!) hebliche Folgen: Arbeitsplätze gingen verloren, es gab – Was Sie da erzählen, ist doch Unsinn. 1 Million Konkurse. Das muss man im Auge behalten. Lasst uns deshalb dagegen ankämpfen! (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ein bisschen Selbstkritik würde Ihnen gut anstehen!) Wir wollen, dass der Aufschwung allen nützt. Wir wollen eine solidarische Gesellschaft, mit der wir uns in Die Auflockerung gibt es aufgrund der Tarifverträge. der Welt von Morgen behaupten. Dafür brauchen wir gut Das hatte seinen Grund. Wer einen Rentenversiche- qualifizierte Arbeitnehmer, sichere Arbeitsplätze und rungsbeitrag in Höhe von 28 Prozent fordert und damit Verteilungsgerechtigkeit. Das werden wir gemeinsam 1 Million Arbeitsplätze gefährdet, der sollte in einer sol- auf den Weg bringen, Herr Bundeswirtschaftsminister. chen Debatte still sein. Wir werden gemeinsam voranschreiten. Herr Brüderle darf uns von der Seite Beifall klatschen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Herzlichen Dank. Wir werden weiter über das Thema Mindestlohn bera- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) ten. Hier gab es einen Ruck. Wir haben einen Sprung nach vorn gemacht. Uns geht das noch nicht weit genug. Mit Präsident Dr. Norbert Lammert: Interesse nehme ich zur Kenntnis, dass Herr Almunia alle Das Wort erhält nun Dr. Gregor Gysi, Fraktion Die europäischen Staaten mahnt, den Mindestlohn einzufüh- Linke. ren. (Beifall bei der LINKEN) Die Tarifrunden helfen uns. Der private Verbrauch spielte im ersten Halbjahr dieses Jahres noch längst nicht Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): die Rolle, die Michael Glos ihm zugedacht hat. Es wird Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! der Tarifrunde bedürfen, um die Kaufkraft zu steigern, Herr Bundesminister Glos, ich muss sagen: Der Auf- um den Schrittwechsel von der Förderung der Binnen- schwung in Deutschland hat eine Spur mehr Elan als Sie. nachfrage durch Investitionen, Ausrüstungen und Bau- ten auf eine Förderung durch den privaten Konsum zu (Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11059

Dr. Gregor Gysi (A) Ich hätte mir gewünscht, dass Sie das hier etwas mehr (Beifall bei der LINKEN – Dr. Norbert Röttgen (C) zum Ausdruck bringen. [CDU/CSU]: Das ist ja ganz schlimm! – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Oh ja! Ganz Herr Stiegler, ich war sehr verwundert, als Sie sich schlimm! Eine Erhöhung von 34 auf 38 Stun- über den Neid der Besitzlosen aufgeregt haben. Früher den!) hat die SPD die Interessen der Besitzlosen vertreten. Nun komme ich auf die Rentnerinnen und Rentner (Beifall bei der LINKEN) zu sprechen. Sie hatten seit vier Jahren Nullrunden zu Wir haben einen wirtschaftlichen Aufschwung; das verzeichnen. Sie wissen ganz genau: In Anbetracht der stimmt. Aber man muss sich einmal ansehen, für wen Preissteigerungen sind Nullrunden in Wirklichkeit Minus- sich dieser Aufschwung positiv auswirkt. Was ist denn runden. Nun kam es zu einer Steigerung von „gewalti- von 2000 bis 2006 passiert? Die Einkommen aus Ver- gen“ 0,54 Prozent. Dem ist gegenüberzustellen, dass die mögen und Gewinnen sind um 161 Milliarden Euro ge- Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur stiegen, das heißt um 38 Prozent. Von den 206 Milliar- Pflegeversicherung steigen werden. Dabei müssen auch den Euro, die mehr erwirtschaftet worden sind, gingen die Mehrwertsteuererhöhung und die Inflationsrate be- 161 Milliarden Euro an diese Bevölkerungsgruppe. Sie rücksichtigt werden. Wenn man all das einbezieht, stellt macht 10 Prozent der Bevölkerung aus. Sie machen also man fest: Für die Rentnerinnen und Rentner kommt wie- einen Aufschwung für 10 Prozent der Bevölkerung; derum eine Minusrunde heraus, nichts anderes. 90 Prozent haben nichts davon. Das ist das eigentliche (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Genau!) Problem. (Beifall bei der LINKEN) Das ist der Aufschwung für die Rentnerinnen und Rent- ner. Das war in der alten Bundesrepublik Deutschland an- ders. In den 50er-Jahren, in den 60er-Jahren, in den 70er- (Beifall bei der LINKEN) Jahren, selbst in den 80er-Jahren hat ein Aufschwung Ich möchte noch etwas weiter in die Vergangenheit immer dazu geführt, dass es auch Rentnerinnen und blicken. Unter Kanzler Kohl wurde die alte Rentenfor- Rentnern, Beschäftigten, Kranken etc. besser ging. mel verändert. Nach der alten Rentenformel wurden die Heute kann davon überhaupt keine Rede mehr sein. Mit Rentnerinnen und Rentner an Lohnsteigerungen und an dieser Veränderung der Politik müssen wir uns auseinan- Produktivitätssteigerungen beteiligt. Union und FDP be- dersetzen. schlossen damals eine neue Formel. Dann kam eine neue (Beifall bei der LINKEN) Regierung unter Kanzler Schröder – damals war , wenn ich Sie daran erinnern darf, übrigens (D) (B) Die Veränderung begann mit der Regierung von SPD noch Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei und Grünen und setzt sich jetzt in der Großen Koalition Deutschlands und Bundesfinanzminister –, und siehe da: von Union und SPD fort. Das heißt, das galt unter Was beschloss die damalige Koalition? Sie beschloss, Schröder und gilt auch jetzt unter Frau Merkel. die neue Rentenformel nicht in Kraft treten zu lassen, Schauen wir uns die einzelnen Gruppen an! In den sondern es bei der alten Formel zu belassen, um die letzten zehn Jahren gab es einen Rückgang der Löhne Rentnerinnen und Rentner weiterhin an Lohnsteigerun- und Gehälter der abhängig Beschäftigten – ich möchte gen und Produktivitätssteigerungen zu beteiligen. Sie daran erinnern – von 5,1 Prozent. Wenn man die (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der Preissteigerung in Höhe von 10 Prozent berücksichtigt, CDU/CSU: Allerdings! Das war einer der gro- macht der Rückgang 6 Prozent aus. In allen anderen In- ßen Fehler von Lafontaine!) dustriegesellschaften – USA, Großbritannien und Frank- reich – gab es Lohnsteigerungen. Nur in Deutschland Nachdem etwas Zeit vergangen war, stellte sich Herr gab es einen Rückgang von 6 Prozent. Schröder allerdings hier hin, entschuldigte sich bei Union und FDP dafür, dass er die neue Kohl’sche Ren- (Otto Fricke [FDP]: Wollen Sie amerikanische tenformel zurückgenommen hatte, und führte sie wieder Verhältnisse?) ein. Seitdem werden die Rentnerinnen und Rentner an Schauen wir uns einmal den Aufschwung in diesem Jahr Lohn- und Produktivitätssteigerungen nicht mehr betei- an! Die neuen Lohnabschlüsse gleichen nicht einmal die ligt. Verluste der letzten zehn Jahre aus. Von Aufschwung (Beifall bei der LINKEN) kann in diesem Zusammenhang überhaupt keine Rede sein. Deshalb erleben sie keinen Aufschwung. Korrigieren Sie das, wenn Sie diesen Zustand ändern wollen! (Beifall bei der LINKEN) (Ludwig Stiegler [SPD]: Die Sache mit der Sagen Sie den 50 000 Mitarbeitern der Telekom doch Rentenformel haben Sie wirklich nicht ver- einmal, dass sie einen Aufschwung erleben! Der Auf- standen!) schwung besteht darin, dass sie ausgegliedert werden und pro Woche vier Stunden länger arbeiten müssen, – Sie haben etwas geändert. Sie haben dafür gesorgt, ohne dafür einen einzigen Cent mehr Lohn zu erhalten. dass man heutzutage noch später als früher Rente be- Das ist unverschämt, und das hat mit Aufschwung nichts kommt. Dazu kann ich nur sagen: Das ist ja ein toller zu tun. Aufschwung! 11060 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Dr. Gregor Gysi (A) (Beifall bei der LINKEN) diese Arbeitsverhältnisse drücken übrigens auch auf die (C) Situation der anderen Beschäftigten. Zweitens werden Insofern verstehe ich nicht, wie Sie, Herr Stiegler, viele von ihnen extrem schlecht bezahlt. Sie bekommen darauf kommen, dass hier kein Sozialabbau stattgefun- nur 800 oder 900 Euro netto und leben am Existenzmini- den habe. Lohnkürzungen sind Sozialabbau. Rentenkür- mum. Darauf kann man nicht so stolz sein, wie Sie es zungen sind Sozialabbau. Die Belastungen der Kranken, sind. die aus Ihren Gesetzen resultieren, sind Sozialabbau. Sie können doch nicht so tun, als hätte es all das nie gege- (Beifall bei der LINKEN – Dr. Reinhard Göhner ben. [CDU/CSU]: Aber auf die Arbeitslosen, oder was?) (Beifall bei der LINKEN) – Nein, das habe ich nicht gesagt. Wir sollten uns darum Jetzt frage ich Sie: Gibt es einen Aufschwung für die kümmern, dass die Leute anständig und würdig bezahlt Kranken? Die Praxisgebühren und die Zuzahlungen zu werden. Führen Sie einen gesetzlichen Mindestlohn von Medikamenten bleiben. Nichts hat sich für die Kranken 8 Euro brutto pro Stunde ein! Dann wären wir viele Pro- verbessert. Selbst die ehemaligen Härtefallregelungen bleme in Deutschland los. haben Sie aufgehoben. Wir werden beantragen, dass Sie die Härtefallregelungen, durch die Patienten von Zuzah- (Beifall bei der LINKEN – lungen befreit werden, in der gleichen Form wie früher [CDU/CSU]: Fangen Sie damit doch bei den wieder einzuführen. Ich bin sehr gespannt, ob Sie die Mitarbeitern Ihrer Fraktion an!) Kranken zumindest insoweit am Aufschwung teilneh- Unerfreulich ist außerdem, dass die Zahl der Lang- men lassen oder nicht. zeitarbeitslosen so gut wie gar nicht zurückgegangen (Beifall bei der LINKEN) ist. Das sind gerade jene, die Hartz IV beziehen. (Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: Auch Jetzt komme ich auf die Zahl der Arbeitslosen zu das ist falsch! Sie haben überhaupt keine Ah- sprechen, auf die Zahl, auf die Sie immer stolz hinwei- nung!) sen. Das Schicksal derjenigen, die heute arbeitslos sind, verbessert sich um keinen Deut. Gibt es eine einzige – Es sind rund 2,4 Millionen geblieben, Herr Meyer. Sie Entscheidung von Ihnen, die zur Folge hat, dass die Ver- können die Tatsachen hier nicht einfach wegreden. mittlung verbessert wird, die Weiterbildungsmöglichkei- ten erweitert werden oder die materielle Ausstattung der (Beifall bei der LINKEN – Hartmut Koschyk Arbeitslosen verbessert wird? Gibt es eine einzige Ent- [CDU/CSU]: Und so jemand war in Berlin (B) scheidung von Ihnen, die dazu führt – das wurde sogar Wirtschaftssenator!) (D) aus den Reihen der Union gefordert –, dass jemand, der Für die haben Sie keine einzige Verbesserung beschlos- 25 Jahre oder länger in die Arbeitslosenversicherung sen. eingezahlt hat, auch länger Arbeitslosengeld I bekommt? Nichts dergleichen! Sie beschließen nicht eine einzige (Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: Keine Verbesserung für Arbeitslose. Deshalb nehmen sie am Ahnung! Wer hier so redet, hat das letzte Mal Aufschwung nicht teil. vor vier Wochen Zeitung gelesen!) (Beifall bei der LINKEN – Dr. Reinhard Es gibt einen Effekt des Aufschwungs – das ist wahr –: Göhner [CDU/CSU]: Doch! Das tun sie! Wir Die Zahl der ALG-I-Empfänger ist deutlich gesunken. schaffen nämlich mehr Arbeitsplätze!) Die Bundesagentur für Arbeit verfügt daher über Überschüsse. Nun ist die spannende Frage: Was machen – Das ist mir klar; dazu sage ich jetzt etwas. wir mit diesem Geld? Da streitet sich die Koalition. Die einen möchten, dass der Beitrag zur Arbeitslosenversi- Zum Rückgang der Zahl der Arbeitslosen. Die eine cherung gesenkt wird; dann wissen wir nachher wieder Hälfte derjenigen, die gegenwärtig beschäftigt sind, ar- nicht, wie wir die Arbeitslosen bezahlen sollen. Herr beitet im Unterschied zu ihrer vorherigen Situation in Steinbrück schlägt vor, die Überschüsse für den Bundes- Mini- und Midijobs. Keiner von uns würde je einem sol- zuschuss zur Krankenversicherung zu verwenden. Ich chen Job nachgehen; denn dann wären wir nicht mehr in sage: Beides geht nicht. Wir fordern stattdessen, mit den der Lage, unsere Familien zu versorgen. Überschüssen statt Arbeitslosigkeit Arbeit zu finanzie- (Beifall bei der LINKEN) ren. Wir brauchen einen öffentlich geförderten Beschäf- tigungssektor, Die andere Hälfte derjenigen, die nun beschäftigt sind, (Beifall des Abg. Oskar Lafontaine [DIE ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Dabei han- LINKE]) delt es sich um mehr als 500 000 Personen. Zu den 500 000 Personen, die sozialversicherungspflichtig be- und zwar in erster Linie, damit wichtige Tätigkeiten auf schäftigt sind, möchte ich Ihnen zwei Dinge sagen: Ers- den Gebieten der Ökologie, der Bildung und der Kultur tens sind unter ihnen viele, die sich in Leiharbeitsver- endlich verrichtet werden, aber auch damit die Arbeits- hältnissen befinden. Das ist eine moderne Form der losigkeit endlich abgebaut werden kann. Sklaverei, die wir überwinden müssen; (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der FDP: (Beifall bei der LINKEN) Endlich wieder volkseigene Betriebe!) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11061

Dr. Gregor Gysi (A) Herr Müntefering hat diesbezüglich einen guten Vor- Präsident Dr. Norbert Lammert: (C) schlag gemacht. Er hat gesagt, er will den Kommunen Vielleicht sollten Sie sich auf eine beschränken. Geld geben, damit die Kommunen Leute öffentlich ge- fördert beschäftigen etc. Wir leugnen nicht, dass dieser Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Vorschlag gut ist. Er hat allerdings zwei extreme Schön- Aber die gehören eng zusammen, Herr Präsident, die heitsfehler: Der eine ist, dass Herr Müntefering sagt: wollen Sie beide hören. Dann schließe ich auch. Wer drei Jahre gefördert beschäftigt wurde, bekommt, wenn er arbeitslos wird, kein Arbeitslosengeld I. Das (Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN) müssen Sie korrigieren. Sonst bekommt das wieder ei- nen unmenschlichen Zug. Präsident Dr. Norbert Lammert: (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Nein. Der andere ist, dass er sagt: Das meiste müssen natürlich Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): die Kommunen bezahlen. Der Bund bezahlt nur das, was Von Januar bis Mai 2007 hatten wir im Einzelhandel wir bei Hartz IV einsparen. – Auch das ist nicht gerecht. einen „Aufschwung“ von minus 1,5 Prozent, bei großen Der Bund kann sich nicht zulasten der Kommunen aus Warenhäusern sogar von minus 8,4 Prozent. Das ist die seinen Aufgaben herausstehlen. Realität. Sorgen Sie endlich dafür, dass es einen Auf- (Beifall bei der LINKEN) schwung gibt, der zu mehr Wohlfahrt für die breite Mehrheit der Bevölkerung führt! Aber das scheinen Sie Aber die Idee ist vernünftig. Wir brauchen einen sol- konsequent zu verhindern. Das ist Ihr Problem, und des- chen, öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. halb wächst Ihre Akzeptanz nicht, und zwar zu Recht. Dann stellen wir noch die spannende Frage, ob Ost- (Beifall bei der LINKEN) deutschland von dem Aufschwung etwas hat. Wie sieht es aus? Kein einziger Vorschlag von Ihnen, damit Ost- deutsche endlich den gleichen Lohn für gleiche Arbeit in Präsident Dr. Norbert Lammert: gleicher Arbeitszeit erhalten! Kein einziger Vorschlag Nächster Redner ist der Kollege Dr. Norbert Röttgen von Ihnen, damit Rentnerinnen und Rentner im Osten für die CDU/CSU-Fraktion. für die gleiche Lebensleistung endlich die gleiche Rente (Beifall bei der CDU/CSU) erhalten! Kein einziger Vorschlag von Ihnen, damit im Os- ten Deutschlands und in strukturschwachen Regionen Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Westdeutschlands die Kommunen Investitionsmittel erhal- (B) ten, um eigene Wirtschaftskreisläufe in Gang zu setzen! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die (D) Menschen im Osten und in strukturschwachen Regionen Rede, die wir gerade gehört haben, hat deutlich gemacht, spüren vom Aufschwung nichts. dass es in diesem Land eine Gruppe gibt, die ein Pro- blem mit dem Aufschwung und dem Wachstum, die un- Der Aufschwung, den wir jetzt haben, wird haupt- ser Land und die Menschen erleben, hat: die Linkspopu- sächlich durch den Export getragen; das festzuhalten ist listen in der deutschen Politik. Sie haben damit ein wichtig. Die Exporte haben im letzten Jahr um Problem, weil ihre Fraktion und ihre Partei politisch 12,5 Prozent zugenommen, die Exporte nach China und vom Ressentiment leben. Ihre Taktik ist es, Ängste zu Russland sogar um etwa 30 Prozent. Übrigens nahmen schüren und die Sorgen der Menschen auszunutzen, da- die Exporte in die USA erstmalig ab; auch darüber lohnt mit sie parteipolitisches Kapital daraus schlagen können. es sich nachzudenken. Zugenommen haben auch die In- (Widerspruch bei der LINKEN – Hartmut vestitionen in Anlagen und Ausrüstung und im Bau. Koschyk [CDU/CSU]: So ist es!) Aber jetzt kommt das Spannende: Die Steigerung der Ausgaben für den privaten Konsum in Deutschland liegt Wenn die Menschen Zuversicht fassen und wieder Ver- bei 0,4 Prozent; sie findet so gut wie überhaupt nicht trauen schöpfen, dann haben sie ein parteipolitisches statt. In diesem Jahr wird sie noch niedriger sein, weil im Problem. Darum gilt: Gute Zeiten für das Land sind Januar die Mehrwertsteuererhöhung hinzukam. Nun schlechte Zeiten für die PDS. Das ist ein Grund, weshalb müssen Sie wissen, dass vier Fünftel der Unternehmen wir gute Zeiten für dieses Land wollen. in Deutschland von der Binnenkonjunktur leben. Nur ein Fünftel lebt vom Export und von den anderen Bereichen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der Für vier Fünftel gibt es also keinen oder nur einen gerin- FDP) gen Aufschwung. Selbst in der Wirtschaft geht es extrem Das führt mich zur ersten von drei etwas grundsätz- ungerecht zu. licheren Anmerkungen, die ich machen möchte. Die (Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der erste Frage ist: Welches Wachstum wollen wir? Wir, die CDU/CSU: Absoluter Schwachsinn! Stimmt CDU/CSU, sind der Auffassung, dass Wachstum nicht nicht! 40 Prozent!) allein eine ökonomische Größe ist. Wachstum ist kein Selbstzweck, sondern muss sich als Ziel legitimieren. Vier Fünftel der Wirtschaft und die große Mehrheit der Wir wollen Wachstum, wenn und weil es den Menschen arbeitenden und arbeitslosen Bevölkerung haben vom dient. Wir freuen uns über die Entwicklung, die wir der- Aufschwung wenig oder nichts. Ich nenne Ihnen zwei zeit haben, und befördern sie, weil dieses Wachstum Zahlen – die können Sie nicht leugnen –: – – zum Arbeitsplatzwachstum in diesem Land geführt 11062 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Dr. Norbert Röttgen (A) hat. Das ist das Wichtigste, was Wachstum den Men- erfolgreich ist. Wir haben Sozialreformen in die Wege (C) schen vermittelt, weil es Sinn und Teilhabe bedeutet. Da- geleitet, und wir brauchen weitere Sozialreformen. Wir rum mäkeln wir nicht am Arbeitsplatzwachstum herum. haben die Instrumente zum Bürokratieabbau geschaffen. Die Zeitarbeit profitiert ebenfalls vom Arbeitsplatz- Jetzt müssen wir die Bürokratie auch abbauen. Darum wachstum, was wir begrüßen. Auch geringfügige Be- sage ich für unsere Fraktion: Wir wollen in dieser Legis- schäftigungsverhältnisse sind besser als Arbeitslosigkeit, laturperiode das Ziel, die Bürokratie bis 2009 messbar weil sie eine Brücke in den Arbeitsmarkt bedeuten. Ge- abzubauen, erreichen. Bei diesem Ziel muss es bleiben. rade für die Schwächeren ist das eine wesentliche Brü- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- cke. neten der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU) Zweitens: Teilhabe der Schwächeren. Durch die Glo- Wir wollen und befördern ökologisches Wachstum. balisierung wurde der Automatismus, den es unter den Das bedeutet, dass wir zur Erreichung wirtschaftlicher Bedingungen des Nationalstaates und der Nationalöko- Ziele die Natur immer weniger in Anspruch nehmen dür- nomie noch gab, dass sich nämlich volkswirtschaftliches fen. Wir wollen qualifiziertes Wachstum durch neue Wachstum im Grunde eins zu eins zu einem breiten indi- Ideen und Innovationen. Ich betone den Begriff des qua- viduellen Wohlstandswachstum transponiert, aufgelöst. litativen, gesunden Wachstums deshalb, weil wir der Unser Land ist Gewinner. Wir haben viele Gewinner. Überzeugung sind, dass wir Wachstum nur dann sichern, Globalisierung bedeutet aber auch, dass es Verlierer wenn wir es auch wollen. Dann müssen wir aber die Dis- und Verluste gibt. Das müssen wir, die wir ein positives kreditierung, Ablehnung und Infragestellung des Wachs- Verhältnis dazu haben, verantwortlich ansprechen, damit tums als Ziel – wie sie auch in unserem Land in den mit den Sorgen und Ängsten, die mit dem Prozess der 70er-Jahren begonnen hat – durch die Einführung eines Globalisierung verbunden sind, kein Schindluder getrie- Konzeptes für qualifiziertes und gesundes Wachstum ben wird. Wir müssen denjenigen, die sich durch die überwinden. Wir brauchen eine solche Definition von Globalisierung bedroht fühlen, eine Heimat geben; denn Wachstum und einen neuen Wachstumsbegriff. Gesun- am häufigsten sind es psychologische Verluste. Die An- des Wachstum ist unser Ziel für unser Land. forderung an Mobilität und Flexibilität, der Verlust von (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Berechenbarkeiten, Sicherheiten und Lebensroutinen – das macht den Menschen und insbesondere den Schwä- Zweite Bemerkung: Was ist unsere Strategie, um die- cheren zu schaffen. Ich finde, auch wir, die CDU/CSU, ses Ziel zu erreichen? Genauer gesagt: Wie sichern wir müssen dies aussprechen, weil wir die Globalisierung unter den Bedingungen der Globalisierung nachhaltiges gestalten wollen. Darum muss das ein Teil unserer Stra- Wachstum für unser Land? Ich glaube, dass man dafür (B) tegie sein. (D) eine Doppelstrategie braucht. Es sind zwei strategische Ziele, die wir erreichen müssen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD) Das erste Ziel lautet: Wir wollen und brauchen für un- ser Land die besten Wettbewerbsbedingungen. Wir wol- Ich möchte das, was Michael Glos gesagt hat, aus- len weiter Gewinner der Globalisierung sein. Unser drücklich betonen. Man kann vieles dazu sagen, aber Land ist ein klassischer Gewinner der Globalisierung, eines ist das Wichtigste und für diejenigen, die vom und wir wollen die Bedingungen schützen, erhalten und Menschen und seiner Würde ausgehen, auch program- fördern, damit wir weiterhin Gewinner der Globalisie- matisch: Mit dieser Strategie wird auf die Befähigung rung sein werden. der Einzelnen gesetzt und in das menschliche Vermö- gen investiert, damit die Menschen befähigt werden, mit Das zweite strategische Ziel lautet: Teilhabe der diesem Prozess klarzukommen. Darum ist die Erziehung Schwächeren an diesem Prozess. Es ist kein Automatis- der Kleinen wichtig, und deshalb geht es bei der Betreu- mus, dass alle davon profitieren, sondern es bedarf der ung nicht nur um den Aufenthaltsort der Kinder, sondern aktivierenden und brückenbauenden Rolle des Staates, auch um die Qualität. Vorschulische Bildung, schulische um die Schwächeren vom Rand in die Mitte zu bekom- Bildung, Qualifikation, Forschung und Wissenschaft – men. das ist der goldene Weg für unser Land, den wir gehen Das ist unsere Doppelstrategie: Wir wollen Wettbe- und befördern müssen. werb und die Teilhabe der Schwächeren erreichen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sie haben sich herauskatapultiert!) In Bezug auf den ersten Punkt, den Wettbewerb, muss die Große Koalition das fortsetzen, was sie begonnen Sie haben recht: Wir müssen nicht nur noch besser hat. Es gibt eben auch politische Gründe für den Wachs- werden, wir sind zum Teil auch schlecht, nicht gut ge- tumsprozess, den wir haben. Wir haben eine Unterneh- nug, und wir genügen den Anforderungen nicht. Ich will mensteuerreform beschlossen und müssen sie durch eine ein Beispiel nennen und formuliere es nicht als Vorwurf, Regelung für Wagniskapital fortsetzen; der Bundeswirt- aber das Problem muss beschrieben werden: Nach dem, schaftsminister hat es angesprochen. Wir haben mit der was ich gerade gesagt habe, ist es nicht akzeptabel – ich Haushaltskonsolidierung begonnen. Das ist aber ein stehe nicht an, zu sagen, es ist skandalös –, dass jedes Prozess, der nicht beendet ist. Es gibt keine Volkswirt- Jahr nach wie vor fast jeder zehnte Jugendliche in die- schaft, die ohne konsolidierte Staatsfinanzen nachhaltig sem Land die Schule ohne Abschluss verlässt. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11063

Dr. Norbert Röttgen (A) (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ Wir werden diese Debatte führen und nachweisen, (C) DIE GRÜNEN]: Woran liegt das denn?) dass Wettbewerb nicht nur rational das bessere System ist, sondern auch in ethischer Hinsicht begründet und Wir dürfen das nicht hinnehmen, weil wir dadurch Au- überlegen ist. Es gibt kein System, das besser und mehr ßenseiter in unserer Gesellschaft programmieren. Das ist Information und Transparenz ermöglicht, Innovation nicht akzeptabel. schafft und für die Kontrolle und Begrenzung von Macht (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sorgt. Auch das entspricht nicht Ihren Vorstellungen und sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Erfahrungen. Vielleicht darf ich nach theoretischer Beschäftigung (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- – fast würde ich sagen: trotz praktischer Beschäftigung – neten der FDP) mit dem Föderalismus sagen: Wenn es sich erweisen sollte, dass die Länderzuständigkeit dazu führt, dass wir Wir wollen Wettbewerb, weil er auch zur Begrenzung übergreifende Probleme auf diesem Gebiet nicht lösen, der wirtschaftlichen Macht beiträgt. dann gerät der Föderalismus in unserem Land in eine Le- gitimationskrise. Präsident Dr. Norbert Lammert: (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der Herr Kollege, denken Sie bitte an die Zeit. FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich weiß, wer das eingeführt hat! Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Das waren Sie!) Ich komme zum letzten Punkt. Wettbewerb bedeutet Für mich bedeutet die Konsequenz aber nicht die Ab- nicht Schutzlosigkeit. Protektionismus bedeutet etwas schaffung von Länderkompetenzen, sondern wir appel- anderes als Protektion. Der Staat muss Schutz gewähren. lieren, dass die Länderkompetenzen zur Problemlösung Darin liegen – historisch wie aktuell – der Sinn und der wahrgenommen werden. Die höchste Form der Wahr- Grund, warum Staatlichkeit begründet worden ist. Der nehmung von Länderkompetenzen besteht nicht darin, Staat kann Schutz gewähren: bei der behutsamen und nach Bundesgesetzen oder Bundesgeld zu rufen. Wir differenzierten Kontrolle außereuropäischer, staatlich wollen auch bei der Wahrnehmung von Kompetenzen gelenkter Direktinvestitionen und beim Schutz des Föderalismus. Rechts auf geistiges Eigentum. Auch in vielen anderen Fällen hat der Staat in Zeiten der Globalisierung eine ak- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. tuelle und vielleicht noch stärkere Schutzfunktion als Ludwig Stiegler [SPD] und Beifall bei der früher. Das ist die Herausforderung. Es geht nicht da- (B) FDP) rum, die Globalisierung abzuwehren, sondern darum, in (D) dem Willen, sie bewältigen und gewinnen zu können, Das gehört zur Wettbewerbsfähigkeit; die Effizienz der die Chancen zu nutzen, sie menschlich zu gestalten. Organisation des Staates ist Teil der Wettbewerbsfähig- keit unseres Staates. Danke. Eine dritte und letzte Bemerkung, die wegen der Zeit (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Bei- kürzer ausfallen muss, als ich möchte. Eine Wettbe- fall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der werbsstrategie bzw. eine Wachstumsstrategie für unser FDP) Land kann nie nur national definiert sein, sondern sie muss eine europäische, eine internationale Dimension haben. Nach meiner festen Überzeugung stehen wir Präsident Dr. Norbert Lammert: diesbezüglich in unserem Land, in Europa und weltweit Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf der Ehrentri- am Beginn einer Debatte über Wettbewerb und Protek- büne hat soeben der Parlamentspräsident der Repu- tionismus, in der sich neue Fragen stellen. Es ist auch blik Namibia, Herr Dr. Gurirab, mit seiner Delegation nur scheinbar paradox, dass die Globalisierung diese De- Platz genommen. Im Namen aller Kolleginnen und Kol- batte mit sich bringt, weil die Haltung vieler Menschen legen des Deutschen Bundestages, von denen Sie eini- zur Globalisierung ambivalent ist. gen schon im Laufe Ihres Besuches begegnet sind, be- grüße ich Sie sehr herzlich. Wir freuen uns, nach Jahrzehnten der Selbstverständ- lichkeiten wieder eine Debatte über Wettbewerb führen (Beifall) zu können. Unsere Fraktion wird diese Debatte offensiv, positiv und engagiert führen. Wir werden in dieser De- Herr Präsident, es ist uns eine große Freude, Sie und batte nachweisen können, dass wir der Globalisierung Ihre Begleitung zu einem offiziellen Besuch in Deutsch- nicht ausgeliefert sind, sondern dass auch unter den Be- land zu Gast zu haben. Seit der Unabhängigkeit Ihres dingungen der Globalisierung eine Politik der ordnenden Landes 1990 haben sich freundschaftliche und umfas- Gestaltung ebenso nötig wie möglich ist. Nur diejenigen, sende Beziehungen zwischen unseren Ländern ent- die auf Abwehr, Aversion und Angst setzen, sind gestal- wickelt. Dazu haben sicherlich auch die beiden Nami- tungsunfähig zulasten der Schwachen, die auf eine Poli- biaentschließungen des Deutschen Bundestags aus den tik der Gestaltung angewiesen sind. Jahren 1989 und 2004 beigetragen. Ich habe Ihnen ges- tern in unserem Gespräch bereits versichert, dass der (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der Bundestag der Zusammenarbeit unserer Parlamente FDP) große Bedeutung beimisst. Für Ihren Aufenthalt und Ihr 11064 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) weiteres parlamentarisches Wirken begleiten Sie unsere Ich kann im Namen meiner Fraktion dazu nur sagen: Sie (C) besten Wünsche. als oberster Tugendbold dieses Tugendkreislaufs, Herr Wirtschaftsminister, das ist schon ein starkes Stück, das Wir setzen die Debatte fort. Nächster Redner ist der im Parlament – zu Recht – nur auf Gelächter stoßen Kollege Fritz Kuhn für Bündnis 90/Die Grünen. kann.

Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Glos, uns ärgert, dass Sie kein Konzept zur Ver- Lieber Herr Röttgen, Sie haben eine, wie ich finde, er- stetigung des Wachstums vorlegen, das vorausschauend freulich programmatische Rede gehalten. Insbesondere Bedingungen festlegt, die sicherstellen, dass wir in der freut uns übrigens, dass Sie sich langsam dem Begriff nächsten Konjunkturkrise besser dastehen als in der Ver- des qualitativen Wachstums nähern. gangenheit. Sie schlagen keine strukturellen Änderungen (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Wollen Sie vor. Wenn Sie etwas Neues machen wie bei der Kinder- den übernehmen?) betreuung, dann finanzieren Sie das mit Steuermehrein- nahmen aus dem gestiegenen Wachstum, aber nicht Ich bin gespannt, ob Sie dem Anspruch, den Sie formu- durch den Abbau bestehender Strukturen wie beim Ehe- liert haben, auch in Bezug auf das Verhältnis von Ökolo- gattensplitting, um den Haushalt strukturell zu konsoli- gie und Ökonomie tatsächlich genügen werden. dieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Erlauben Sie mir aber eine Feststellung, Herr Was wird denn aus Ihren Programmen, wenn die Kon- Röttgen: Mit den großen Zügen, die die Bundesregie- junktur wieder einbricht? Dann werden die Mittel für In- rung – insbesondere der Wirtschaftsminister über dessen vestitionen, Bildung und Kinderbetreuung wieder gestri- Regierungserklärung wir heute diskutieren – macht, ha- chen werden müssen. Herr Röttgen, deswegen handelt es ben Ihre Ausführungen nicht viel zu tun. sich um keine nachhaltige Politik – Sie sehen lediglich (Widerspruch des Abg. Dr. Norbert Röttgen zu, dass Sie mit dem zusätzlichen Geld aus dem Wirt- [CDU/CSU]) schaftsboom schöne Tage verbringen –, sondern um eine Politik, die nicht auf eine strukturelle Konsolidierung Das werde ich jetzt im Einzelnen aufzeigen. Wir haben abzielt. uns gewundert, was uns Herr Glos präsentiert hat. (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sie haben nicht (B) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) aufgepasst, Herr Kuhn!) (D) Das Ganze steht unter der Überschrift „Goldener Schnitt Frau Bundeskanzlerin, es wäre notwendig, in einer 2012“. Er hat aber nicht näher ausgeführt, was er eigent- Aufschwungphase – dann ist es leichter – die Sozialsys- lich damit meint. Laut Werbebroschüre handelt es sich teme in Ordnung zu bringen und weiter zu reformieren, dabei um ein Programm, das bis zum Jahr 2012 keine das heißt, mehr Qualität aus den vorhandenen Mitteln neuen Schulden, massive Steuer- und Abgabensenkun- und unter Beachtung der Lebenschancen künftiger Ge- gen sowie Investitionen in Höhe von 70 Milliarden Euro nerationen – auch das bedeutet qualitatives Wachstum – vorsieht. Das ist das Vorhaben des Wirtschaftsministe- herauszuholen. Aber wo sind die großen Reformen? Die riums. Die zugrunde liegenden Annahmen sind ein jähr- Gesundheitsreform ist Murks. Das haben Sie inzwischen liches Wachstum von 3 Prozent selber eingesehen. Bei der Pflegeversicherung haben Sie keine Reform der Struktur, sondern eine Beitragssteige- (Dr. Reinhard Göhner [CDU/CSU]: Sie haben rung beschlossen. Auf Arbeitsmarktreformen, die vor al- das nicht gelesen!) lem die Chancen der Langzeitarbeitslosen, wieder einen und ein Ausgabenwachstum von 2 Prozent innerhalb der Einstieg zu finden, verbessern, warten wir noch immer. nächsten fünf Jahre. Im nächsten Jahr werden schon Und welch ein Theater führen Sie beim Einwanderungs- 4,9 Prozent erreicht. Das heißt, der Fünfjahresplan ist – so gesetz auf? Herr Glos und Frau Schavan sagen nun, man ist es nun einmal mit Fünfjahresplänen, Herr Glos; da hät- müsse Gutqualifizierten die Einwanderung erleichtern. ten Sie sich bei Herrn Gysi erkundigen können – schon im Aber, Herr Glos, bei der Verschärfung des Einwande- ersten Jahr Makulatur, da Sie ihn im Rahmen der Haus- rungsgesetzes haben Sie den Mund nicht aufgemacht. haltsaufstellung durch den Bundesfinanzminister nicht Sie sind damals in die Furche gegangen und haben nichts durchhalten. in dem Sinn bewegt, wie Sie es aufgeschrieben oder heute wortreich verkündet haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Menschen sollten einmal Ihre Broschüre lesen. Dort stehen so schöne Sätze wie folgender: „Staat und Was Sie machen, ist zu wenig. Sie wollen zwar den Wirtschaft befinden sich zurzeit in einem Tugendkreis- Aufschwung verlängern, führen aber keine Strukturre- lauf.“ Wer das nicht versteht, erfährt, dass das auf Latei- formen durch. Soll man diese Reformen während der nisch „Circulus virtuosus“ heißt. Solche Geschichten er- nächsten Konjunkturdelle machen, wenn es viel schwie- zählt uns dieser Wirtschaftsminister. riger ist? Hier vergibt die Große Koalition Chancen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11065

Fritz Kuhn (A) Herr Glos, nun komme ich zu dem Punkt, den ich in Im Rahmen der Effizienzstrategie der Bundeskanzlerin (C) Ihrer Politik für völlig unverständlich halte. Sie sind in und der Energieszenarien soll diese Branche weiter der Bundesregierung und der EU der oberste Bremser, wachsen. Aber der Chefbremser sitzt im Wirtschafts- wenn es um ökologische Modernisierung geht, und ministerium zwar auf allen Feldern. Für den Gebäudepass haben Sie (Ludwig Stiegler [SPD]: Das macht der fast zwei Jahre gebraucht. Sie haben ihn so gemacht, Gabriel!) dass er nicht das bringt, was er hätte bringen können. Frau Bundeskanzlerin, nun wird es wichtig, gerade im und soll dies jetzt, wie ich gelesen habe, bis Sommer zu- Hinblick auf die Diskussionen auf dem Energiegipfel: sammen mit dem Umweltminister ausarbeiten. Frau Herr Glos hat noch nicht einmal die Blaupause für ein Kanzlerin, da haben Sie wirklich den Bock zum Gärtner Energieeffizienzprogramm in der Schublade, das er bis gemacht. Herr Glos will gar nicht, dass diese Branche Ende Juni bei der EU vorlegen sollte. Er hat gepennt. Er wächst. Er hält das für Spinnerei. Dazu hätten Sie, Herr will gar nicht mehr Energieeffizienz. Das ist jedenfalls Glos, in Ihrem „goldenen Schnitt“ etwas sagen sollen, unser Eindruck. anstatt über Tugend zu philosophieren, wofür Sie meines Erachtens wahrhaft der Ungeeignetste sind, den die Bun- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) desregierung aufzubieten hat. Ein Gesetz zur regenerativen Wärme? Keine Spur! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ein Gesetz zur Verbesserung der Kraft-Wärme-Kopp- lung? Keine Spur! Wer steht mit beiden Beinen auf der Eine Story war, dass Sie, Herr Glos, uns erzählt ha- Bremse, wenn es um die für einen effektiven Klima- ben, Sie seien der oberste Wettbewerbshüter im Sinne schutz notwendige Festlegung von Verbrauchsobergren- der sozialen Marktwirtschaft à la Ludwig Erhard. Wir zen für Fahrzeuge geht? Michel Glos, der Chefinnovator haben uns einmal angesehen, was Sie, Herr Glos, tat- Deutschlands, was ökologisches Bremsen angeht. Den sächlich geleistet haben. Beim Telekommunikationsge- Titel haben Sie sich zu Recht verdient. setz haben Sie Ihr ursprüngliches Vorhaben aufgegeben. Jetzt klagt die EU, damit das, was Sie beschlossen ha- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ben, nicht stattfinden kann. In Sachen Bahn haben Sie, Herr Glos, sich monatelang in den Medien als Wettbe- Das ist auch kein Wunder: Sie sind gegen Energieeffi- werbshüter dargestellt, aber jetzt sind Sie eingeknickt. zienz, weil Sie der Sprecher der großen Energiekonzerne Wenn dem großen Veranstalter Bahn für 18 Jahre das und insbesondere der Konzerne, die die Laufzeit der Netz überlassen werden soll, dann frage ich mich, wo Atomkraftwerke verlängern wollen, im Wirtschaftsmi- der Wettbewerbshüter Michel Glos war, als es darum nisterium sind. Uns erzählen Sie immer etwas von der ging, das Netz, das ich als öffentliches Gut betrachte, (B) (D) tollen, verlässlichen Atomkraft. Schauen Sie einmal auf wirklich allen zur Verfügung zu stellen – wieder in der das Kraftwerk Krümmel. Was hat man uns vor wenigen Furche. Tagen erzählt? Der Vorfall habe sich nur außerhalb des Reaktors ereignet. Gestern haben wir erfahren, dass es (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zum Druckabfall im Reaktordruckbehälter kam. Dies Jetzt komme ich zu Ihrer Arbeitsweise. Sie machen wurde noch verschwiegen. Ich würde der Bundesregie- einige Monate ein bisschen Wind, schauen, dass Sie ein rung – das geht auch an den Umweltminister – den Rat bestimmtes Image bekommen, und wenn es hier im geben, einmal die Verlässlichkeit des Betreibers Hause, in der Bundesregierung oder in der EU zum Vattenfall für Atomkraftwerke nach dem Atomgesetz zu Schwur kommt, dann geht Michel Glos als Erster in die prüfen und nicht dauernd auf der Bremse zu stehen, Furche und weiß nicht mehr, wovon er geredet hat. Wett- wenn es um neue Fragestellungen geht. bewerbshüter sind Sie mit dieser Politik nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich bringe ein weiteres Beispiel. sowie des Abg. Dr. Hakki Keskin [DIE (Dr. h. c. [CDU/CSU]: Re- LINKE]) den Sie mal zur Sache!) Ich komme zur Energieeffizienz. Frau Merkel, Sie Als Wirtschaftsminister sind Sie dafür verantwortlich, haben einen Wirtschaftsminister, der am 24. Novem- ob die Doharunde – die WTO-Verhandlungen – erfolg- ber 2004, also vor nicht allzu langer Zeit, in diesem reich wird oder nicht. Die Verhandlungen sind jetzt ge- Haus gesagt hat – ich zitiere –: scheitert. Einer der wesentlichen Gründe dafür war, dass die Europäer und die Amerikaner nicht in der Lage wa- Mit dem so genannten EEG und Ähnlichem sind im ren, von der Subventionierung ihrer Agrarexporte abzu- Grunde Steuern für Spinnereien verbunden, die Ih- sehen und so den Entwicklungsländern eine neue rer Ideologie entsprechen, die aber an der wirt- Chance auf dem Weltmarkt zu geben. Wo war der Vor- schaftlichen Wirklichkeit der Welt ein ganzes Stück schlag des Wettbewerbshüters Michel Glos an dieser vorbeigehen. Stelle? Er hat keinen einzigen gemacht, um die Doha- Wir haben fast 300 000 neue Arbeitsplätze im Bereich runde flottzumachen. der erneuerbaren Energien geschaffen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie Er hat sich hinter den Subventionen für die bayerischen haben gar nichts geschaffen!) Großbauern versteckt, aber Wettbewerb hat es nicht 11066 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Fritz Kuhn (A) gebracht, was Sie gemacht haben. Sie haben völlig dabei Erstens. Sie haben gesagt – ich verstehe das, weil es (C) versagt, einen positiven deutschen Beitrag zur Doha- aus parteitaktischen Gründen geschehen ist –, dieser runde zu leisten. Deswegen, so finde ich, haben Ludwig Aufschwung sei nicht bei den Bürgerinnen und Bürgern Erhard, Walter Eucken, Müller-Armack, die Sie als Ihre angekommen. Meine Erwiderung ist ganz einfach: Wenn Ahnen reklamiert haben, in Ihnen jedenfalls bislang kei- heute 1 Million Menschen mehr in Arbeit sind als vor ei- nen positiven Nachfahren gefunden. nem Jahr, dann ist bei diesen Menschen der Aufschwung angekommen. Der Aufschwung ist nicht nur bei ihnen (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- angekommen, sondern auch bei denen, die in Arbeit sind SES 90/DIE GRÜNEN – Dr. h. c. Hans und ein Stück weit weniger Angst um ihren Arbeitsplatz Michelbach [CDU/CSU]: Das ist ja peinlich!) als früher haben müssen. Ich wiederhole: Auch bei de- Der „goldene Schnitt“, den Sie hier vorgelegt haben, nen ist der Aufschwung angekommen, Kollege Gysi. Herr Glos – damit komme ich zum Schluss –, (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das CDU/CSU) ist nur noch peinlich!) Zweitens. Sie haben sich mit der – dieser Punkt ist ist ein ziemlich großer Mist. Es ist Lyrik, eine Samm- fast noch wichtiger – Veränderung der Rentenformel in lung von Zahlen und Sachen, die sich nicht bestätigt ha- der rot-grünen Koalition auseinandergesetzt. Wer den ben. Deswegen haben übrigens der Finanzminister und Bürgerinnen und Bürgern angesichts der Globalisierung die Bundeskanzlerin gesagt, dass sie Ihre Zahlen, näm- und der demografischen Entwicklung – ein sich immer lich 70 Milliarden Euro zu investieren, die Steuern zu rascher wandelnder Arbeitsmarkt, Variabilität von Inves- senken, die Sozialabgaben zu senken und erst 2012 zu titionen; durch einen Knopfdruck können auf der ganzen konsolidieren, nicht nachvollziehen können. Sie sind mit Welt innerhalb von Sekunden Milliardenbeträge ver- diesem Programm eigentlich auch in der Bundesregie- schoben werden; wir leben zum Glück immer länger und rung vollständig auf die Nase gefallen – ich finde, zu können immer länger Rente in Anspruch nehmen; es Recht. wachsen immer weniger junge Leute nach, die in die Rentenversicherung einzahlen – verspricht, es könne al- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) les so bleiben, wie es gewesen sei, versündigt sich an den Menschen. Das Gegenteil ist richtig. Präsident Dr. Norbert Lammert: (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Nächster Redner für die SPD-Fraktion ist der Kollege CDU/CSU) Dr. Rainer Wend. Wer jetzt keine Reformen der sozialen Sicherungssys- (B) (D) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) teme in Angriff nimmt und darauf verzichtet, eine ent- sprechende Wirtschafts- und Finanzpolitik zu betreiben, Dr. Rainer Wend (SPD): wird den Wohlstand für künftige Generationen in Wahr- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten heit verspielen. Weil wir das nicht wollen, glauben wir, Sie mir, zunächst auf drei meiner Vorredner einzugehen. dass die Linkspartei in unserer Republik nicht koali- Das ist in einer Debatte ja auch sinnvoll. tionsfähig ist. Herr Kollege Brüderle, Sie haben zu Beginn der Aus- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Jörg sprache gesagt, der Aufschwung sei nicht der Politik zu van Essen [FDP]: Das gilt auch für Berlin!) verdanken, sondern den Bürgerinnen und Bürgern. Es ist widersprüchlich, in Zeiten des konjunkturellen Ab- Kollege Röttgen, zu Ihrer bemerkenswerten Rede ei- schwungs die Fehler und Ursachen ausschließlich bei nes aufgeklärten Konservativen: Ich würde mich freuen, der Politik zu suchen und in Zeiten des konjunkturellen wenn es Ihnen gelänge, mit dieser Positionierung auch Aufschwungs zu behaupten, die Politik habe damit über- die Kolleginnen und Kollegen in Bayern und Baden- haupt nichts zu tun. Was haben Sie, Herr Kollege Württemberg zu erreichen. Ich finde, Sie haben mit Ih- Brüderle, eigentlich für ein Demokratieverständnis? rem Ansatz völlig recht: Wirtschaftspolitik ist auch Die demokratisch gewählten Abgeordneten des Deut- Geldpolitik, ist auch Investitionspolitik, ist auch Haus- schen Bundestages sind die Repräsentanten der Bürge- haltskonsolidierung. rinnen und Bürger. Sie sind nichts Fremdes, sie sind kein Wirtschaftspolitik ist aber immer auch Gesellschafts- Neutrum, sondern die Vertretung der Bürgerinnen und politik. Was heißt das konkret? Die Wirtschaft kann nur Bürger. Einen Gegensatz zwischen Bürgern und Politik erfolgreich sein, wenn Bildung erfolgreich vermittelt zu konstruieren, ist in Wahrheit demokratieschädlich und wird. Damit meine ich nicht nur – das haben Sie zu falsch, Kollege Brüderle. Dieser Versuch muss deutlich Recht angesprochen – die Bildung im oberen Qualifika- zurückgewiesen werden. tionsbereich. Bildung heißt auch, dass die Kinder in un- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der serer Gesellschaft, die in benachteiligten Familien leben, CDU/CSU) eine Chance auf Bildung und Ausbildung bekommen, damit es aufhört, dass in unserer Gesellschaft nur die Ich möchte gern einige Worte zum Kollegen Gysi sa- studieren können, deren Eltern ihrerseits auch schon stu- gen. Er hat hier eine Rede gehalten, durch die mir wieder diert haben. Wir wollen, dass sich das ändert. Das muss sehr deutlich geworden ist, warum uns, die Linkspartei man dann konkret machen. Das bedeutet zum Beispiel und die Sozialdemokratie, eigentlich Welten trennen. Ganztagsschulen, Ganztagsbetreuung und Ganztags- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11067

Dr. Rainer Wend (A) kindergärten. Deswegen ist es richtig, was die Große chen. In Zeiten des Aufschwungs müssen wir die struk- (C) Koalition in diesem Bereich beschlossen hat. Das heißt turellen Mehreinnahmen für Investitionen nutzen. aber auch, dass man Kinder nicht schon mit zehn Jahren Konjunkturelle Mehreinnahmen müssen wir aber für die selektiert und ihnen sagt: Die einen sind nur gut für die Konsolidierung des Haushaltes einsetzen, damit wir in Hauptschule, und die anderen sind gut für das Gymna- anderen Zeiten, die zwangsläufig kommen werden, den sium. – Wir wollen, dass sie zusammen länger erzogen Spielraum haben, antizyklische Politik zu machen und und individuell besser gefördert werden. Investitionen in unserem Land zu fördern. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wirtschaftspolitik heißt auch, sich die Frage zu stel- Denn bei den Investitionen gibt es Nachholbedarf. len, welche menschlichen Ressourcen wir nicht ausrei- (Ludwig Stiegler [SPD]: Sehr wahr!) chend ausschöpfen. Hier frage ich: Tun wir eigentlich al- les, um den Frauen in unserer Gesellschaft, in der Die Investitionsquote in Deutschland ist derzeit mit Wirtschaft die Stellung zu geben, die ihnen zusteht? Wir 1,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes nur halb so hoch leisten es uns, qualifizierte Frauen mit Hochschulab- wie der EU-Durchschnitt. Das kann auf Dauer nicht so schlüssen, mit guten Ausbildungen im Arbeitsmarkt au- bleiben. Dies gilt übrigens auch für die Bildungsinvesti- ßen vor zu lassen. Deswegen hat die Koalition recht, tionen. Deutschland investiert 4 Prozent des BIP in das wenn sie die Betreuung von Kindern um der Kinder und Bildungswesen. 8,3 Prozent investieren beispielsweise der Mütter willen verbessert, damit sie in unserer Gesell- die Dänen. Das ist vorbildlich. Deswegen sage ich Ihnen schaft und in unserer Wirtschaft den ihnen zustehenden als Sozialdemokrat: Haushaltskonsolidierung in guten Platz gewinnen. Zeiten, aber auch in schlechten Zeiten. Investieren in In- frastruktur und in Bildung ist die Voraussetzung dafür, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dass wir die konjunkturellen Zyklen, die es in unserer der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE Gesellschaft immer geben wird, möglichst gut im Griff GRÜNEN) behalten. Wenn das richtig ist, dann frage ich, wie es damit ver- Lassen Sie mich zum Abschluss noch eines anspre- einbar ist, einen finanziellen Anreiz dafür zu setzen, dass chen: Arbeitnehmerbeteiligung. Dabei ist sich die Ko- die Mütter zu Hause bleiben, anstatt ihre Qualifikationen alition im Ziel einig. Über die Methoden diskutieren wir in Arbeit zu nutzen. Deswegen, meine ich, ist der Ansatz noch. Sie sagen: Wer im eigenen Betrieb investiert, be- der Betreuungsprämie gesellschafts- und wirtschaftspo- kommt steuerliche Vorteile; die sollen ihn dazu anreizen. litisch falsch. Ich finde, Ihr Vorschlag hat einen großen Vorteil, näm- (B) lich die Förderung der Identifikation der Arbeitnehme- (D) (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- rinnen und Arbeitnehmer mit ihrem eigenen Betrieb. SES 90/DIE GRÜNEN) Das ist das Gute an diesem Modell. Wirtschaftspolitik ist Gesellschaftspolitik, aber auch Dieses Modell hat aber drei Probleme. Problem Nr. 1: Umweltpolitik. Denn wie können wir uns angesichts der die Portabilität; auf Deutsch: Wie wird es geregelt, wenn Klimakatastrophe eine wirtschaftliche Entwicklung vor- ein Arbeitnehmer den Betrieb verlässt? Problem Nr. 2: stellen, ohne alle Potenziale für Energieeinsparung und das doppelte Risiko von Arbeitsplatzverlust und Kapital- alternative Energien zu nutzen? Ein „Weiter so“ in der verlust. Das dritte Problem schließlich: Ihr Modell ist Energiepolitik ist nicht nur klimaschädlich, sondern verdammt teuer, weil viele Steuervorteile damit verbun- auch wirtschaftspolitisch schädlich. Wir brauchen den den sind. Es belastet den Haushalt mit mindestens ganzheitlichen Ansatz in der Wirtschaftspolitik. 1 Milliarde Euro. Wenn das Modell gut angenommen würde, kostete es sogar noch viel mehr. (Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP: Und nicht selektieren!) Angesichts dieser drei Probleme muss ich sagen: Das Modell, das wir vorgeschlagen haben, das auf den ersten Meine Damen und Herren, mit den Beispielen ver- Blick nicht so perfekt erscheint, sichert vor Insolvenz, es suchte ich, deutlich zu machen, dass der Ansatz des Kol- hilft den Arbeitnehmern bei einem Betriebswechsel, und legen Röttgen richtig ist: Wirtschaftspolitik ist auch Ge- am Ende ist es für den Haushalt, den wir ja konsolidieren sellschaftspolitik. Dann müssen wir es in dieser Großen wollen, verträglicher. Koalition aber auch bis zum Ende durchdeklinieren und uns auf den harten Weg machen, diesen richtigen Aussa- Die Große Koalition streitet viel. Das muss auch so gen die praktische Politik folgen zu lassen. Wir Sozial- sein, weil wir für die nächsten Wahlen Konkurrenten demokraten sind dazu bereit, Kollege Röttgen. bleiben. Wir bekommen zusammen aber auch viel hin, und darauf können wir gemeinsam stolz sein. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich gehe nun auf das Papier von Herrn Glos ein. Wie geht es jetzt weiter? Die Ökonomen haben recht: In Pha- Präsident Dr. Norbert Lammert: sen des wirtschaftlichen Aufschwungs kann man die Nun erhält voraussichtlich zum letzten Mal in diesem größten Fehler machen. Der größte Fehler wäre jetzt, das Hause der Kollege Dr. Reinhard Göhner, CDU/CSU- Geld mit vollen Händen zum Fenster hinauszuwerfen. Fraktion, das Wort. Deswegen ist der Haushaltsentwurf des Bundesfinanz- ministers genau der, den wir in dieser Situation brau- (Beifall bei der CDU/CSU) 11068 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

(A) Dr. Reinhard Göhner (CDU/CSU): Verlässlichkeit und Nüchternheit in die Politik eingezo- (C) So ist es. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und gen sind. Das ist für Marktbeteiligte in einer sozialen Kollegen! Herr Wend, Sie haben recht: Wir sind uns im Marktwirtschaft ein Signal, auf dem sich Investitionen Ziel der Mitarbeiterkapitalbeteiligung einig. Ich finde, und bessere Zukunftsaussichten aufbauen lassen. auch Sie haben einen bemerkenswerten Vorschlag vor- gelegt – darüber kann man reden –: Arbeitnehmerspar- Nachdem hier eine kritische Bemerkung zum Verhält- zulage erhöhen, einen neuen Investmentfonds schaffen. nis von Angebots- und Nachfragepolitik gemacht Das Problem ist nur, dass das nichts mit Mitarbeiterkapi- wurde, Herr Stiegler, möchte ich doch auf Folgendes talbeteiligung zu tun hat. hinweisen: Wenn die klassische Nachfragetheorie, also die neosozialistische Theorie der Linken zuträfe, müss- (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: ten wir jetzt Rezession und explodierende Arbeitslosen- So ist es!) zahlen haben. Was ist nämlich passiert? Die Löhne sind Wir wollen tatsächlich die Beteiligung am eigenen in den letzten Jahren – das ist wahr – nur mäßig gestie- Unternehmen fördern und so die Motivation erhöhen, gen, die Lohnstückkosten sind drei Jahre in Folge gesun- die Identifikation der Arbeitnehmer mit dem eigenen ken, die Staatsquote und das Staatsdefizit sind gesunken, Unternehmen und die Beteiligung am Gewinn des eige- die Neuverschuldung wurde halbiert, die Notenbank- nen Unternehmens ermöglichen. Wer am Gewinn betei- zinsen steigen. All das sind Umstände, die nach der klas- ligt sein will, muss allerdings das Risiko des Verlusts sischen Nachfragetheorie eigentlich zu Rezession und hinnehmen. explodierenden Arbeitslosenzahlen führen müssten. Diese Theorie ist durch die Fakten widerlegt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es ist wichtig, daran zu erinnern, was die Politik zum Ich bin sicher: Wir werden bei gleicher Zielsetzung Aufschwung beigetragen hat, weil wir diese Politik jetzt – stärkere Mitarbeiterkapitalbeteiligung – auch in dieser fortsetzen müssen. Die Neigung, angesichts voller Kas- Frage eine Lösung finden. sen und höherer Beschäftigungsquote, also in einem Diese Debatte wird von zwei Fragen durchzogen: Aufschwung, wieder andere Pfade einzuschlagen, ist lei- Wem nutzt dieser Aufschwung? Was ist eigentlich die der nicht zu übersehen. Ursache für diesen Aufschwung? Beides sind wichtige (Zuruf von der FDP: Sehr wahr!) Fragen, weil sich daraus Konsequenzen für die künftige Politik ableiten lassen. Deshalb möchte ich einige Punkte beleuchten. Mal ehrlich: Wer vor 20 Monaten bei Antritt dieser Erstens. Die moderaten Lohnabschlüsse haben zu (B) Regierung prognostiziert hätte „1 Million weniger Ar- diesem wirtschaftlichen Aufschwung beigetragen. Das (D) beitslose, 600 000 zusätzliche sozialversicherungspflich- ist, wie ich glaube, unstreitig; alle Ökonomen sagen das. tig Beschäftigte,“ – so viele waren es allein in den letz- In der Konsequenz mögen uns die Politik der Tarifpart- ten 12 Monaten – „Senkung des Staatsdefizits von ner und die Tarifvertragsabschlüsse manchmal nicht ge- 3,7 auf 1,7 Prozent, doppelt so viele offene Stellen, fallen: Den einen sind sie zu hoch, den anderen zu nied- 100 000 mehr angebotene Ausbildungsplätze“, den hätte rig; den einen sind sie nicht flexibel genug, den anderen ich für unzurechnungsfähig erklärt. zu locker. Einen Schluss können wir aber aus der Ent- Warum ist es trotzdem so gekommen? Das ist in der wicklung der letzten Jahre ziehen: Die Tarif- und Be- Tat – darüber sind wir uns völlig einig – nicht allein das triebspartner können das allemal besser, als wir Politiker Werk der Regierung. Der Welthandel? Jawohl, das ist bzw. der Staat es jemals könnten. eine wesentliche Ursache. Aber der Welthandel ist auch (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) von 2001 bis 2005 expandiert, (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr wahr! Zweitens. Zu der positiven Entwicklung auf dem Ar- Und trotzdem kein Aufschwung!) beitsmarkt haben die Arbeitsmarktgesetze der letzten Jahre ganz sicher beigetragen. als wir in einem Wechsel von Rezession und Stagnation in unserem Land zugesehen haben, wie andere Länder Es ist wahr – damit komme ich zu der Frage, wie es hohe Wachstumsraten erreichten und wir in der EU auf sich mit dem Nutzen dieser Reformen verhält –: Wir ha- die hinteren Plätze zurückgefallen sind. ben in den Vorjahren vielen Menschen viel zugemutet. Die Arbeitsmarktreformen erschienen zumindest vielen (Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: als Zumutung, zum Beispiel weil wir die Bezugsdauer Richtig! Ganz genau!) für Arbeitslosengeld gekürzt haben. Die Tarifpolitik er- Was also ist eigentlich passiert, dass wir jetzt wieder schien zumindest vielen als Zumutung, weil es für viele eine solide Wachstumsentwicklung haben? keine Steigerung des Realeinkommens gab und manche für das gleiche Geld länger arbeiten mussten. Aber jetzt Seit Ludwig Erhard wissen wir: Die Hälfte einer er- stellt sich heraus: Solche Zumutungen bringen Ertrag, folgreichen Wirtschaftspolitik ist Psychologie. und zwar – das ist meine These bezüglich der Frage, (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr wahr!) wem der Aufschwung nutzt – Ertrag für die Schwächs- ten in unserem Lande, die Arbeitslosen und die Älteren, Der Dreiklang von Sanieren, Reformieren und Investie- deren Beschäftigungsquote in Deutschland jahrelang ren war die richtige Stimmungslage, mit der eine neue sehr niedrig lag. Erfreulicherweise steigt die Erwerbs- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11069

Dr. Reinhard Göhner (A) quote der älteren Beschäftigten rasant an, und wir haben Das Gegenteil dieser richtigen Strategie wäre, Bei- (C) 350 000 Langzeitarbeitslose weniger. träge aus der Kasse in Nürnberg in den Bundeshaushalt umzulenken – (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Hört! Hört!) (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also die schwächste Gruppe, das heißt die Arbeitslosen, Überflüssig!) die am schwierigsten einen Arbeitsplatz finden, profi- tiert. Deshalb kann man ganz eindeutig sagen, die Ar- und das auch noch mit der Begründung, eindeutig versi- beitsmarktreformen zeigen im jetzigen Aufschwung cherungsfremde Leistungen durch lohnbezogene Bei- positive Auswirkungen gerade bei den Schwächsten in träge finanzieren zu wollen. unserem Lande. (Zuruf von der FDP: Das habt ihr doch gestern (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- beschlossen!) neten der SPD) Die Erfindung eines Eingliederungsbetrages wäre völ- Das sollte uns ermutigen, den bisherigen arbeitsmarkt- lig konträr zu den von uns in der Koalition gemeinsam politischen Kurs fortzusetzen, statt in alte Fehler zurück- formulierten Zielen. Hartz IV ist keine Versicherungs- zufallen. leistung, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Grundsicherung. Und Eingliederungsleistungen, die Zu diesem Kurs gehört auch – das hat sich die Große ja auch für erwerbsfähige Arbeitslose erbracht werden, Koalition von Anfang an klar vorgenommen – die Redu- die noch nie einen Cent in die Arbeitslosenversicherung zierung der Abgabenlast. Das Konzept, das Michael eingezahlt haben, sind so versicherungsfremd, wie es gar Glos vorgelegt hat, vollzieht hier wirklich einen Golde- nicht mehr versicherungsfremder sein kann. nen Schnitt und ist damit goldrichtig. Es bleibt richtig, neben dem Abbau des Defizits als Priorität Nummer eins Ich plädiere dafür, an der Zielsetzung der Großen und neben der Verstärkung der Investitionen durch Um- Koalition festzuhalten, die extrem hohen Sozialabgaben schichtung die Abgabenlast, also die Lohnnebenkosten zu senken und zumindest die versicherungsfremden und die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge, zu Leistungen durch Steuern zu finanzieren. senken, um Beschäftigung durch Wachstum, wie (Beifall bei der CDU/CSU) Norbert Röttgen richtig abgeleitet hat, zu fördern. Das ist der beschlossene Weg in der Krankenversiche- Die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversiche- rung. rung von 6,5 auf 4,2 Prozent war ein solcher Beitrag zu mehr Wachstum und Beschäftigung. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (B) Wird aber nicht umgesetzt!) (D) (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mehrwertsteuererhöhung!) Das war zu Beginn der Koalition unser Weg in der Ar- beitslosenversicherung. Heute wird die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg eine mittelfristige Finanzplanung vorlegen, aus der zu Wir sollten jetzt nicht das Gegenteil machen. Wir ersehen ist, wie realistisch und nachhaltig, also für meh- sollten die Strategie des Bundeswirtschaftsministers rere Jahre gesichert, bei gleichzeitigem Aufbau einer all- konsequent umsetzen: gemeinen Liquiditätsrücklage und einer Rücklage für Pensionen bzw. einer Vorsorge für künftige Rentenlasten (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: eine Beitragssenkung um einen vollen Prozentpunkt ist. Schauen Sie sich einmal den Haushaltsentwurf Wir können nicht nur auf 3,5 Prozent, sondern sogar von gestern an!) weiter absenken; da bin ich ganz zuversichtlich. Um es weiteren Defizitabbau; Investitionen durch Umschich- klar zu sagen: Die durch zuviel gezahlte Beiträge ent- tungen fördern, vor allen Dingen für Forschung und Ent- standenen Überschüsse gehören niemand anderem als wicklung; Abgaben senken; die Sozialversicherung den Beitragszahlern. möglichst weit gehend vom Arbeitsverhältnis entkop- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – peln und danach Steuersenkungen vornehmen. Das sind Ludwig Stiegler [SPD]: Und wie ist es mit die richtigen Prioritäten. dem Bundeszuschüssen, die wir gezahlt ha- Diese Strategie ist mit realistischen Zahlen unterfüt- ben? Wem gehören die?) tert. Bei der Kalkulation wurde ein Wachstum von – Herr Stiegler, wir haben zu Beginn dieser Legislatur- 1,75 Prozent zugrunde gelegt. Ich habe bis heute nie- periode gemeinsam einen wichtigen Grundsatz festge- manden gehört, der diese Rechnung in Zweifel gezogen legt. Wir wollen die Beiträge zur Arbeitslosenversiche- hat. rung senken, versicherungsfremde Leistungen in Deshalb glaube ich, dass dies die Strategie ist, die uns Nürnberg durch Steuern finanzieren und dafür 1 Prozent nicht nur mittelfristig weiter auf Wachstum und Beschäf- Mehrwertsteuer in die Kasse geben. tigung hoffen lässt, sondern auch dazu beitragen kann, (Ludwig Stiegler [SPD]: Das haben wir auch dass wir mit der richtigen Psychologie einer verlässli- getan!) chen, geradlinigen und konsequenten Politik ohne Zick- zackkurs auch weiterhin die Marktbeteiligten zu Investi- – Das haben wir in der Tat getan. tionen, aber auch zu Konsum ermuntern können, um 11070 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Dr. Reinhard Göhner (A) damit zu mehr Wachstum und Beschäftigung in unserem (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (C) Lande zu kommen. der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Schlussbe- Das verarbeitende Gewerbe konnte sogar um merkung lautet: Hier macht niemand in wirtschaftspoliti- 11,6 Prozent zulegen. Die Auftragsbücher vieler Unter- scher Wachstumseuphorie. Wir haben wieder Wachstum. nehmen sind voll. In der ostdeutschen Metall- und Elek- Wir liegen aber unter dem Durchschnitt der Europäi- troindustrie wächst die Zahl der neuen Arbeitsplätze schen Union. überproportional. Laut Gesamtmetall ist im Osten die Zahl der Arbeitslosen innerhalb der vergangenen zwölf (Jörg van Essen [FDP]: Genauso ist es! – Monate sogar um 32 Prozent zurückgegangen. Die Zahl Ludwig Stiegler [SPD]: Nicht mehr!) der offenen Stellen nahm um 85 Prozent zu. Der Export Wir liegen gerade einmal im Durchschnitt des Euro- entwickelt sich weiter positiv. In wichtigen Wachstums- raums. Ich bin ganz sicher: Deutschland kann mehr. Wir branchen legt der Osten deutlich zu, zum Beispiel im können wieder Lokomotive in der EU werden, Bereich der erneuerbaren Energien. Ostdeutschland hat sich zum weltweit führenden Standort der Solarbranche (Ludwig Stiegler [SPD]: Wir sind es schon!) entwickelt. wenn wir den eingeschlagenen Weg konsequent fortset- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) zen. Frankfurt an der Order oder Freiberg in Sachsen sind Vielen Dank. beste Beispiele dafür. Es geht vorwärts in Ostdeutsch- land. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die gemeinsamen Anstrengungen der letzten Jahre für den Aufbau Ost zahlen sich aus. Dieser Trend ist er- Präsident Dr. Norbert Lammert: mutigend. Aber die Arbeitslosenquote ist im Osten im Lieber Kollege Göhner, da ich in Kenntnis Ihres und Durchschnitt nach wie vor doppelt so hoch wie im Wes- meines Terminkalenders für den heutigen Vormittag da- ten. Hier gibt es also noch viel zu tun. von ausgehe, dass auf diese gerade vorgetragene Rede in knapper weiterer Frist die Niederlegung Ihres Mandats Es ist aber wichtig, das Positive, das sich im Osten folgt, will ich diese Gelegenheit nutzen, Ihnen für eine Deutschlands entwickelt hat, noch besser zu vermarkten. außergewöhnlich langjährige Mitgliedschaft im Deut- Ostdeutschland ist ein attraktiver Standort. Investoren schen Bundestag und die hier geleistete Arbeit – auch im schätzen nicht nur die guten Förderbedingungen und die Namen der Kolleginnen und Kollegen – ganz herzlich zu moderne Infrastruktur, sondern auch die gut qualifizier- (B) danken. ten Facharbeiter, die hohe Flexibilität und die gute Moti- (D) vation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das sind Ich verbinde das mit dem ausdrücklichen Wunsch und beste Voraussetzungen für Investitionen. der Erwartung, dass Sie der Politik ganz gewiss nicht Die Standortwerbung für die neuen Länder hat sich verloren gehen und an anderer Stelle weiter eifrig daran bereits ausgezahlt. Die Standortmarketinggesellschaft mitwirken, dass sich die Hoffnung erfüllt, die Sie am IIC, die bis Ende 2006 für die Investorenwerbung in Ost- Schluss formuliert haben: dass dieses Land noch mehr deutschland zuständig war, hat eine Investitionssumme leisten kann, als es gegenwärtig leistet. Herzlichen Dank von 4,7 Milliarden Euro eingeworben und damit 21 000 und alles Gute für Ihre weitere Arbeit! neue Arbeitsplätze in Ostdeutschland geschaffen. Die (Beifall) Entscheidung war richtig, die IIC und die für die alten Bundesländer zuständige Gesellschaft zu einer gemein- Nun erhält die Kollegin Andrea Wicklein für die samen schlagkräftigen Institution unter dem Namen „In- SPD-Fraktion das Wort. vest in “ zusammenzuführen. Herr Minister Glos, von der neuen Gesellschaft ver- Andrea Wicklein (SPD): spreche ich mir eine noch bessere Positionierung Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Deutschlands im internationalen Wettbewerb der besten Kollegen! Die Fakten belegen es: Der wirtschaftliche Standorte. Das wünsche ich mir für Deutschland insge- Aufschwung ist da – nicht nur im Westen, sondern auch samt, aber im besonderen Maße für die ostdeutschen im Osten unseres Landes –, auch wenn das einige Bundesländer. Leute hier nicht wahrhaben wollen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Ludwig Stiegler [SPD]: Sie sind blind!) der CDU/CSU) Das Wirtschaftswachstum liegt in den ostdeutschen Trotz der guten Nachrichten aus Ostdeutschland gibt Ländern bei rund 3 Prozent und damit über dem gesamt- es zweifelsohne nach wie vor große Herausforderungen. deutschen Durchschnitt. 200 000 Arbeitslose haben seit Ich erinnere an die anhaltende Abwanderung von jun- dem vergangenen Jahr wieder eine feste Beschäftigung gen, gut qualifizierten Menschen, insbesondere von im Osten gefunden. Die Kurzzeitarbeitslosigkeit, Herr Frauen, aus den strukturschwachen Regionen. Dieser Gysi, ist um 20 Prozent und die Langzeitarbeitslosigkeit Trend verschärft die demografische Entwicklung in vie- ist um 8 Prozent zurückgegangen. Das kann uns noch len Landstrichen Ostdeutschlands zusätzlich und gefähr- nicht zufriedenstellen. Aber das ist viel mehr als nichts. det dort die Zukunftschancen der Menschen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11071

Andrea Wicklein (A) Die schon jetzt vorhandene Lücke bei Fachkräften in Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich (C) vielen Branchen wird durch den wirtschaftlichen Auf- noch einen Aspekt ansprechen. Um die positive Ent- schwung noch weiter vergrößert. Die Nachfrage nach wicklung in Ostdeutschland fortzuführen, brauchen wir diesen Fachkräften wird steigen. Deshalb sage ich ganz verlässliche finanzielle Rahmenbedingungen. Wir disku- klar: Die Lohnunterschiede zwischen Ost und West wer- tieren derzeit über die Föderalismusreform II. Es muss den vor diesem Hintergrund zu einer Wachstumsbremse. unser gemeinsames Interesse sein, dass die ostdeutschen Gute Fachkräfte gehen dorthin, wo sie für ihre Arbeit gut Bundesländer nach 2019 auf eigenen Füßen stehen kön- bezahlt werden. Wenn also die ostdeutsche Wirtschaft nen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen der Soli- weiter am Aufschwung teilhaben will, wird sie bei den darpakt II und der Länderfinanzausgleich erhalten blei- Löhnen zulegen und verstärkt aus- und weiterbilden ben. müssen. Präsident Dr. Norbert Lammert: (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Frau Wicklein! der CDU/CSU) Die Bundesregierung hat gerade den Bericht zur tech- Andrea Wicklein (SPD): nologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands verab- Ich komme zum Schluss. schiedet. Das Fazit daraus: Nur innovative Unternehmen Die Fakten sprechen für sich. Der wirtschaftliche werden Gewinner der Globalisierung sein und sich am Aufschwung ist da – auch in Ostdeutschland. Es gibt Markt behaupten können. In Ostdeutschland besteht noch immer sehr viel zu tun. Wir dürfen in unseren Be- nach wie vor das Problem, dass es bei den überwiegend mühungen nicht locker lassen. Packen wir es gemeinsam kleinen Unternehmen große Defizite im Bereich von an! Forschung und Entwicklung gibt. Kommen in den al- ten Bundesländern auf 10 000 Erwerbstätige 85 Mitar- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) beiter aus dem Bereich Forschung und Entwicklung, so sind es in den ostdeutschen Bundesländern lediglich 46. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister, ich hoffe daher sehr, dass Sie beim Um- Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege bau der Innovationsprogramme für Ostdeutschland keine Laurenz Meyer, CDU/CSU-Fraktion. Abstriche machen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU): (B) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich (D) Ich hoffe, dass die positiven Erfahrungen mit den be- glaube, dass diese Debatte sehr wichtig gewesen ist, weil währten Programmen Inno-Watt und NEMO, die wir un- wir uns etwas grundsätzlicher mit der Strategie und dem ter Rot-Grün beschlossen haben, weiter genutzt werden. Grundgedanken beschäftigt haben – dies gilt insbeson- Wir brauchen diese Programme, um die Akteure vor Ort dere für die Rede des Kollegen Röttgen; auch Kollege zu vernetzen und den Wissenstransfer in die Regionen Wend hat dies getan –, wie wir vorangehen wollen und zu unterstützen. wie vernetzt die Bereiche sind, die auf das Einfluss ha- Auch die Anstrengungen für neue Existenzgründun- ben, was sich hinterher in Bezug auf Wachstum und Be- gen in Ostdeutschland müssen wir fortsetzen. Es ist da- schäftigung für alle Menschen als Erfolg niederschlägt. her ausdrücklich zu begrüßen, dass die KfW seit Januar Im Zusammenhang mit dem Stichwort Arbeitsplätze dieses Jahres die Initiative „Kleiner Mittelstand“ ins Le- ist deutlich zu machen – dies ist hier aufgekommen; Kol- ben gerufen hat. Ich konnte mich bei Gesprächen mit lege Röttgen hat darauf hingewiesen –, dass Wachstum Banken selber davon überzeugen, dass diese Programme kein Selbstzweck ist. Es ist nämlich so: Immer dann, greifen, nachgefragt werden und von den Hausbanken wenn mehr Menschen in Arbeit kommen – es gibt ja aktiv unterstützt werden. So gute Rahmenbedingungen jetzt einen riesigen Erfolg am Arbeitsmarkt –, dann ist für Existenzgründer gab es noch nie. das nicht nur für die Betroffenen selbst eine sehr wich- tige Veränderung, die sie erfahren – nämlich dass sie Von großer Bedeutung für Investitionen in den ost- wieder Arbeit haben und in Beschäftigung sind –, son- deutschen Bundesländern ist auch die Förderung durch dern weit über die Betroffenen hinaus auch für alle dieje- die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen nigen, die in den vergangenen Jahren Angst hatten, ihren Wirtschaftsstruktur“. Allein von 2004 bis 2006 konnten Arbeitsplatz zu verlieren: Sie verlieren diese Angst nach Investitionen in Höhe von 27 Milliarden Euro in der ge- und nach. werblichen Wirtschaft mit Fördermitteln von nur 4,9 Milliarden Euro angestoßen werden. Die Gemein- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) schaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt- Das ist ganz wichtig für den Aspekt, in welcher psycho- schaftsstruktur“ ist damit eines der erfolgreichsten För- logischen Situation die Arbeitnehmer ihrer Arbeit nach- derinstrumente für strukturschwache Regionen in Ost gehen. und West und muss daher auch in Zukunft auf sehr ho- hem Niveau fortgeführt werden. Zusätzlich ist dies nicht nur für den Einzelnen, son- dern auch für die Volkswirtschaft gut. Derjenige, der Ar- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) beit hat, zahlt in die Sozialsysteme ein. Derjenige, der 11072 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Laurenz Meyer (Hamm) (A) seine Angst verliert, auch von einem Arbeitsplatzverlust Herr Meyer, Sie haben gesagt, es sei wichtig, dass die (C) betroffen sein zu können, gibt wieder mehr Geld aus, gut ausgebildeten Frauen erwerbstätig sind und dass wir statt aus Angst jeden Euro, der übrig ist, für schlechte für die Kinderbetreuung sorgen. Da bin ich sofort bei Ih- Zeiten oder aufgrund dieses Grundgefühls auf die Seite nen. Wie verhält sich das aber zu Ihrem Vorschlag, den zu legen. Deswegen ist das, was für den einzelnen Men- Frauen, die ihre Kinder zu Hause selbst betreuen und schen gut ist, immer auch für die Volkswirtschaft gut. nicht in eine Kinderbetreuung geben – eine – ich sage Das ist die eigentliche Philosophie der sozialen Markt- einmal – Zuhausebleibprämie oder Herdprämie in Höhe wirtschaft. Wir kümmern uns um den Einzelnen, und von 150 Euro zu zahlen? Es ist doch klar, dass jede Frau wenn es dem Einzelnen gut geht, geht es auch der Volks- mit einem kleinen Einkommen oder eine Hartz-IV-Emp- wirtschaft gut. fängerin davon absehen wird, ihr Kind in die Kinderbe- treuung zu geben, weil sie dann 150 Euro bekommt. Ich (Beifall bei der CDU/CSU) würde gerne Ihre Position dazu kennenlernen. Deswegen ist es wichtig, dass wir die Themen Wachs- (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: tum, Beschäftigung und Wirtschaftspolitik nicht nur vor Und die der SPD!) dem Hintergrund von Zahlen diskutieren, sondern die Vernetzung der einzelnen Bereiche berücksichtigen. Nehmen Sie das Stichwort – der Kollege Wend hat es Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU): angesprochen – Familienpolitik. Wir werden uns darüber unterhalten, wie das im Ein- zelnen auszugestalten ist. Der Grundgedanke, der dahin- (Vorsitz: Vizepräsidentin Katrin Göring- tersteht, ist aber völlig klar: Wir wollen den jungen Eckardt) Frauen nicht vorschreiben, wie sie sich zu verhalten ha- Das Gesagte gilt auch in diesem Zusammenhang: Wir ben. müssen den jungen Frauen in unserem Land, von denen (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. viele gut qualifiziert sind und eine gute Berufsausbil- Detlef Parr [FDP]) dung haben, mehr Wahlmöglichkeiten bieten, damit sie ihren Beruf nicht aufgeben müssen, weil sie keine aus Politik hat die Entscheidung von jungen Familien, wie ihrer Sicht adäquate, gute Betreuung für ihre Kinder fin- sie sich organisieren, überhaupt nicht zu beeinflussen. den. Wir haben aber die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass eine Entscheidung in beide Richtungen möglich ist. (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ Das genau wollen wir. Wir wollen die Entscheidung DIE GRÜNEN]: Dann verzichtet auf die möglich machen. Herdprämie!) (B) Ich will Ihnen ein Beispiel dazu bringen: Im Rahmen (D) – Ich finde es ganz schön krude, wenn Sie dazwischen- einer Veranstaltung wurden Unternehmen ausgezeich- rufen. Sie haben doch verdammt noch einmal Jahre Zeit net, die in diesem Bereich besonders aktiv waren. Der gehabt, etwas zu tun. Sie haben aber nichts getan, und Professor einer großen Uni in Bayern, die ausgezeichnet jetzt maulen Sie rum; das ist doch wirklich unglaublich. wurde, berichtete in diesem Zusammenhang von folgen- Herr Kuhn, auch Ihr Redebeitrag – qualitatives Wachs- der Situation: Die Jahrgangsbesten werden ausgezeich- tum – war wirklich nicht besonders gut. Das muss ich net, sechs Professoren sitzen auf der Bühne, alles Män- einmal sagen. ner, und die sechs Jahrgangsbesten dieser Universität (Beifall bei der CDU/CSU) sind ausschließlich junge Frauen. Wir möchten, dass diese jungen Frauen die Entscheidung, ob sie später ei- Wenn wir für die jungen Frauen etwas machen, dann nen Beruf ausüben und Kinder haben, selbst treffen kön- machen wir nicht nur etwas für die jungen Frauen nen. Darum geht es hier, und nicht darum, dass der Staat – mehr Betreuungsmöglichkeiten, mehr Wahlmöglich- Vorgaben macht. keiten –, sondern auch etwas für das ganze Land, weil die Volkswirtschaft auf diese gut qualifizierten jungen (Beifall bei der CDU/CSU) Frauen überhaupt nicht verzichten kann – wenn sie denn mitmachen wollen und im Beruf bleiben wollen. Hier ist ein Stichwort gefallen, das aus meiner Sicht, auch von den Kollegen der SPD, insbesondere vom Kol- legen Stiegler, viel zu negativ gesehen wird: Zeitarbeit. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben die Zeitarbeit abqualifiziert und in eine Ecke Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage von gestellt, in die sie aus Sicht der CDU/CSU nicht gehört. Frau Schewe-Gerigk zulassen? Es gab einen Zuwachs an Zeitarbeitsverhältnissen, weil die Unternehmen die Zeitarbeit aufgrund des sehr starren Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU): Arbeitsmarktes in Deutschland als Ventil nutzen. So Aber natürlich, da ich sie wegen ihrer Maulerei ange- steuern sie gegen. Aber die Entwicklung zeigt doch griffen habe, darf sie auch fragen. – Herr Stiegler, die Zahlen müssen Sie sich einfach zu Gemüte führen –, dass der Prozess in vollem Gang ist und dass gerade die Zeitarbeit der Durchlauferhitzer in Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE die Unternehmen hinein ist. GRÜNEN): Wenn es um die richtigen Sachen geht, ist es vernünf- Es gab zunächst ein ganz starkes Anwachsen der Zahl tig, zu maulen. der Zeitarbeitsplätze zu Beginn des konjunkturellen Auf- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11073

Laurenz Meyer (Hamm) (A) schwungs, zu Beginn dieser Legislaturperiode. Seit eini- ist. Dieses Phänomen ist eine Technologie- und Technik- (C) gen Monaten stagniert die Zahl der Zeitarbeiter. Das feindlichkeit, die sich auch in der geringen Zahl an Inge- liegt nicht daran, dass keine neuen eingestellt werden, nieuren niederschlägt. Wenn Technologie und Technik sondern daran, dass ein Drittel derer, die eingestellt wor- in der Politik und auch in der Bevölkerung so schlecht den sind, inzwischen in Unternehmen angekommen angesehen sind, dann ist es klar, dass weniger junge sind, Leute ein Studium ergreifen, das mit diesen Bereichen zu tun hat und in der Öffentlichkeit nicht so angesehen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) ist, und eher ein Studium, durch das man Jurist oder Di- und zwar entweder in denen, in denen sie tätig waren, plomkaufmann wird. oder in anderen. Die Brücke Zeitarbeit hat sich bewährt. (Beifall des Abg. Dr. Rainer Wend [SPD]) Wir werden deshalb alles tun, um die Beweglichkeit zu erhalten und die Zeitarbeit weiterhin als den Motor in die Deswegen ist es eine ganz wichtige Voraussetzung, sich Unternehmen hinein nutzbar zu machen. mit dem Grundphänomen zu beschäftigen. (Beifall bei der CDU/CSU) Dies betrifft auch die Steuerpolitik, zum Beispiel ver- sicherungsfremde Leistungen in den sozialen Siche- Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, der in rungssystemen zukünftig stärker aus Steuern zu finan- der Diskussion zum Teil eine Rolle gespielt hat. Dies be- zieren. Diese ganze Vernetzung müssen und wollen wir trifft das Stichwort qualitatives Wachstum und die sehen. Unter diesen Gesichtspunkten ist eine solche De- Frage, was das eigentlich ist. Darüber, dass wir die Defi- batte wie die heutige nicht nur unbedingt notwendig, nition von qualitativem Wachstum nicht den Grünen sondern wir sollten sie zum Wohl der Menschen in überlassen, brauchen wir, glaube ich, nicht lange zu re- Deutschland auch fortsetzen, und zwar mit dieser Ge- den. samtkonzeption mit Blick über den Tellerrand der Poli- tikfelder hinaus. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Doch, doch!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD) Ich will auf Folgendes hinweisen – ich glaube, dass wir in SPD und Union dabei zumindest von der Grundan- sicht her völlig auf einer Linie sein können –: Qualitati- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: ves Wachstum wird häufig verbunden mit Arbeitsplätzen Ich schließe die Aussprache. im Dienstleistungsbereich, mit Arbeitsplätzen in soge- nannten weichen Industrien. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der (B) Fraktion der FDP auf Drucksache 16/5901 mit dem Ti- (D) Ich will hier klipp und klar für uns sagen: Deutsch- tel: „Goldener Schnitt 2012“ verwirklichen. Wer stimmt land ist Industrieland. Deutschland muss Industrieland für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun- bleiben. Wenn Deutschland nicht Industrieland mit mo- gen? – Damit ist dieser Antrag abgelehnt bei Zustim- dernen Technologien und mit modernen Arbeitsplätzen mung der FDP und Ablehnung des Rests des Hauses. in der Industrie bleibt, dann werden wir die ganzen Dienstleistungsarbeitsplätze nicht finanzieren können. Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 4 a und 4 b Deshalb bekennen wir uns zum Industriestandort auf: Deutschland. a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und regierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- der SPD) zes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport Das ist in dieser Diskussion wichtig. Denn Industrie- – Drucksache 16/5526 – arbeitsplätze sind in vielen Bereichen in Deutschland ge- fährdet. Wir müssen jetzt zum Beispiel im Rahmen der Beschlussempfehlung und Bericht des Sportaus- CO2-Problematik hinsichtlich der Aluminiumhütten auf- schusses (5. Ausschuss) passen, dass nicht alles, was mit NE-Metallen zu tun hat, plötzlich bruchstückhaft aus Deutschland verschwindet. – Drucksache 16/5937 – Wir müssen Vorsorge treffen. Wir müssen in allen Poli- Berichterstattung: tikbereichen darauf achten, dass es nicht zu bruchhaften Abgeordnete Klaus Riegert Entwicklungen kommt, dass die Entwicklungen stetig Dagmar Freitag verlaufen und dass wir zu Veränderungen kommen, die Detlef Parr wir wollen. Aber dabei dürfen wir keine Brüche in Kauf Katrin Kunert zu nehmen, die Arbeitsplätze gefährden, insbesondere Winfried Hermann Industriearbeitsplätze. b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Deswegen unser Bekenntnis zum Industrieland: richts des Sportausschusses (5. Ausschuss) Deutschland gehört für uns dazu. In den modernen Be- reichen müssen wir für moderne Arbeitsplätze sorgen. – zu dem Antrag der Abgeordneten Detlef Parr, Deswegen müssen wir uns als Parlament mit einem Phä- Joachim Günther (Plauen), Miriam Gruß, wei- nomen beschäftigen, das in Deutschland vorherrschend terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP 11074 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (A) Bekämpfung des Dopings im Sport voran- Die Erklärungen zeigen mir, dass die geplanten Rege- (C) treiben und Optimierungsmöglichkeiten lungen des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung ausschöpfen der Bekämpfung des Dopings im Sport richtig sind. Die Anstrengungen des organisierten Sports allein reichen – zu dem Antrag der Fraktion des BÜNDNIS- nicht aus. Der Staat muss mit seinen Ermittlungsbehör- SES 90/DIE GRÜNEN den in den Fällen eingreifen, in denen kriminelles Bekämpfung des Dopings im Sport Unrecht geschieht. Er ist in der Lage, die hinter dem do- penden Sportler verdeckt arbeitenden Netzwerte aufzu- – Drucksachen 16/4738, 16/4166, 16/5937 – decken und zu zerschlagen. Genau hier greifen die von Berichterstattung: uns verabredeten und geplanten sowie vom Kabinett be- Abgeordnete Klaus Riegert reits im März dieses Jahres verabschiedeten Regelungen. Dagmar Freitag Zu den Inhalten. Erstens: Strafverschärfungen für Detlef Parr banden- und gewerbsmäßige Dopingstraftaten und Ab- Katrin Kunert schöpfung der Vermögensvorteile. Die Erhöhung der Winfried Hermann Höchststrafe von heute drei Jahren auf zehn Jahre ist ein Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen ein klares Signal. Änderungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen sowie je ein Entschließungsantrag der Fraktion (Beifall des Abg. Dr. Peter Danckert [SPD]) der FDP und der Fraktion Die Linke vor. Ein Blick ins Strafgesetzbuch zeigt: Eine Höchststrafe Zwischen den Fraktionen ist verabredet, eineinviertel von zehn Jahren ist schon etwas. Das ist zum Beispiel im Stunden zu debattieren. – Dazu höre ich keinen Wider- Jugendstrafrecht die Höchststrafe für Mord. Mit der Er- spruch. höhung der Höchststrafe auf zehn Jahre haben wir wirk- lich ein Signal gesetzt. Ich eröffne jetzt die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Klaus Riegert für die CDU/CSU-Frak- Zweitens: die Nutzung der Telefonüberwachung bei tion. schweren Dopingdelikten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Drittens: die Übertragung der Ermittlungsbefugnisse auf das Bundeskriminalamt. Klaus Riegert (CDU/CSU): Viertens: die Verpflichtung zur Aufnahme von Warn- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Doping hinweisen bei Arzneimitteln, die für Doping geeignet (B) zerstört die Grundwerte des Sports. Ein unfairer und ma- sind. (D) nipulierter Wettkampf hat auch nichts mehr mit dem olympischen Gedanken gemeinsam. Doping täuscht die Auch die von uns beschlossene Strafbarkeit des Besit- Mitstreiter im Wettkampf und die Zuschauer und gefähr- zes einer nicht geringen Menge bestimmter Dopingsub- det nicht zuletzt die Gesundheit der Sportlerinnen und stanzen ermöglicht eine wirksamere Strafverfolgung des Sportler. Handels mit gefährlichen und häufig verwendeten Do- pingmitteln. Damit, lieber Kollege Hermann, können wir Wie die jüngsten Dopingbekenntnisse im Radsport den Trainer, den Betreuer oder den Sportler mit dem belegen, verläuft die unerlaubte Leistungssteigerung im Kofferraum oder Schrank voller Dopingmittel bestrafen, Spitzensport zunehmend in organisierten Strukturen. ohne ihm Handel nachweisen zu müssen. Diese können nur durch gezielte, auch strafrechtliche Maßnahmen bekämpft werden. Der Fokus der Medien (Beifall des Abg. Dr. Peter Danckert [SPD] – liegt beim Doping naturgemäß auf dem Leistungs- und Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Spitzensport. Das darf aber nicht darüber hinwegtäu- NEN]: Das können wir jetzt schon! – Gegen- schen, dass Doping auch im Breitensport bis hin zu ruf des Abg. Dr. Peter Danckert [SPD]: Nein! sportlichen Betätigungen im Fitness- und Freizeitbereich Das ist doch Quatsch!) anzutreffen ist. Doping ist damit ein Problem des Sports Dadurch wird auch der Tatbestand des Handels kon- insgesamt und bedarf der breit angelegten und gemeinsa- kretisiert, wie Sie, lieber Kollege Parr, immer richtig an- men Bekämpfung durch Sport, Politik, Justiz, Wirt- merken. Im Übrigen sind wir uns, wie wir gestern im schaft, Medien und nicht zuletzt die ganze Gesellschaft. Ausschuss festgestellt haben, bis auf das Piktogramm (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der auf der Packung einig, lieber Kollege Parr. Deshalb: FDP) Stellen Sie sich nicht so an, und stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu! Meine Damen und Herren, die Dopingbeichten der Radsportler sind zu begrüßen. Wo aber bleibt die inter- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- nationale Diskussion? Findet endlich ein Umdenken der neten der SPD – Lachen bei der FDP) Sportler statt? Es ist nicht allein damit getan, sich als Von einem Tatbestand, mit dem der Besitz geringer Dopingsünder zu outen. Die Fahrer müssen nun auch die Mengen von Dopingmitteln zum Eigengebrauch unter Hintermänner und die Strukturen aufzeigen. Strafe gestellt würde, halten wir nichts. Wollen Sie wirk- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und lich jeden Pillenschlucker im Fitnessstudio mit Gefäng- der SPD) nis bedrohen? Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11075

Klaus Riegert (A) Von parallelen Verfahren – vor dem Sportgericht und tungen geworfen oder Fernsehen geschaut hat, könnte (C) vor einem ordentlichen Gericht – halte ich auch nichts. meinen, der Sport in unserem Lande bestünde nur noch Das Sportgericht sperrt sofort für zwei Jahre, und es gilt aus Lug und Trug: Doping war und ist das beherr- Beweislastumkehr. Das ordentliche Gericht urteilt nach schende Thema und Schlagwort dieser Tage. vielen Monaten, vielleicht gibt es sogar einen Frei- Wenn wir über Sport in Deutschland reden, reden wir spruch. Das würde auf Dauer die Beweislastumkehr der aber auch über die 27 Millionen Mitglieder in zigtausen- Sportgerichtsbarkeit zerstören. Damit würden wir ein den Vereinen, über annähernd 8 Millionen im Interesse granatenmäßiges Eigentor schießen, wie es Innenminis- unserer Gesellschaft und unseres Landes ehrenamtlich ter Schäuble so treffend formulierte. Tätige, dann reden wir über Menschen, denen Sport ein- Auch ein Tatbestand des Sportbetrugs, wie ihn die fach Spaß macht und die sich bewegen wollen. Niemand Grünen plötzlich so vehement fordern, von uns darf in dieser Diskussion dazu beitragen, dass Eltern ihre Kinder nicht mehr in die Obhut unserer Ver- (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- eine geben wollen. Die Vereine haben nach wie vor un- NEN]: Nicht plötzlich, schon lange!) ser Vertrauen verdient. ist schlicht Unsinn. Oberstaatsanwalt Kirkpatrick hat es Natürlich wird der Breitensport vom Spitzensport er- Ihnen bei der Anhörung doch erklärt: Selbst wenn man heblich beeinflusst: Wir brauchen Vorbilder wie aus dem rechtliche, verfassungsrechtliche und tatsächliche Be- Sommermärchen 2006, die dem Sport neue Impulse ge- denken hintanstellt, wird kein Richter aufgrund dieses ben und dazu auffordern, selbst aktiv zu werden. Deswe- Tatbestandes verurteilen, weil er dazu negative Proben gen diskutieren wir heute über einen Gesetzentwurf, der aller am Wettkampf beteiligten Sportler bräuchte. Das dazu beitragen soll, den Betrügern im Spitzensport end- funktioniert nicht. lich das Handwerk zu legen. Lassen Sie mich noch auf eines hinweisen: Es Der Bundesregierung ist es gelungen – allerdings funktioniert nicht, zu denken, wir machen nun ein Ge- nach einer quälend langen Zeit der Untätigkeit –, setz, und Doping ist ab morgen kein Problem mehr. So wird es nicht gehen. Politik und Sport, aber auch die (Dagmar Freitag [SPD]: Das lag nicht an uns!) Sponsoren und die Medien stehen zusammen in der Ver- einen Entwurf mit einer Reihe von richtigen Lösungsan- antwortung, den Kampf gegen Doping zu führen. Wir sätzen vorzulegen, der, ergänzt durch das Maßnahmen- haben über das Gesetz hinaus ein Maßnahmenpaket vor- paket, in vielen Bereichen mit unserem Antrag identisch bereitet: Wir werden bei den Beratungen über den Haus- ist. haltsplan über die Mittel für die NADA und über die (Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: (B) Mittel für Prävention reden. Wir haben den WADA- (D) Code unterzeichnet. Wir fordern Schwerpunktstaatsan- Dann können Sie ja zustimmen!) waltschaften in den Ländern. Wir wollen mehr Präven- Das hat uns Klaus Riegert gestern im Sportausschuss tion. Wir tun also einiges. noch bestätigt. Gut, dass er unsere Ideen aus gemeinsa- Meine Frage an die Fachleute – an Sportler, Sportwis- mer Oppositionszeit in die Regierung hinübergerettet senschaft und Forschung – lautet: Gibt es heute Sportar- hat. Vielen Dank dafür, Klaus! ten, in denen Weltklasseleistungen und Olympiasiege (Beifall bei der FDP – Stephan Mayer [Altötting] nur noch mit Doping erreichbar sind? Wenn ja, welche? [CDU/CSU]: Dann stimmen Sie zu!) Sollte es solche Sportarten geben, müssen wir unsere Spitzensportförderung grundsätzlich überdenken. Wir In den Sportverbänden ist vieles zur Dopingbekämp- stehen zu Leistung und Erfolg, aber fördern nur und for- fung auf den Weg gebracht worden. Die Sponsoren be- dern sauberen, manipulationsfreien Sport. ginnen, stärker Verantwortung zu übernehmen. Aber sind wir uns eigentlich an den verschiedenen Stellen un- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und serer Gesellschaft schon klar geworden über gewisse der SPD sowie des Abg. Winfried Hermann Mittäterschaften? Über die Folgen von Sensationsgier? [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Über falsch gesetzte Anreize für vermeintlich grenzen- Dazu wird unser heute zu verabschiedendes Gesetz ei- lose Leistungssteigerungen? Über Rekordmanie und nen Beitrag leisten. überzogene Zahlenfixiertheit? – Wir alle: Zuschauer, Medienvertreter, Sponsoren, Verbandsfunktionäre, Sport- Danke schön. großveranstalter, Politiker. Wir alle tragen Verantwor- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- tung für Fehlentwicklungen, die wir allzu lange hinge- neten der SPD) nommen und durch Wegsehen sogar geduldet haben; vorweg gab es zudem sieben Jahre rot-grüner Enthalt- samkeit. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der nächste Redner ist der Kollege Detlef Parr für die (Dagmar Freitag [SPD]: Davor war auch FDP-Fraktion. schon eine Zeit, Herr Kollege! Reden wir ein- mal über 16 Jahre Kohl!) Detlef Parr (FDP): Keiner von uns, Kollegin Dagmar Freitag, darf sich zu- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer künftig unschuldig in sportlichen Höchstleistungen son- heute und in den letzten Wochen einen Blick in die Zei- nen, ohne dass wir uns vorher in einer Grundsatz- 11076 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Detlef Parr (A) debatte darüber einig werden, welche Rolle wir dem „Law and order“-Denken und staatliche Repressionen (C) Sport in unserer Leistungsgesellschaft zukünftig beimes- führen nicht zum Ziel. Da ist zu viel CSU drin und zu sen wollen, was wir von ihm erwarten und welche An- wenig FDP. sprüche wir an ihn stellen. (Beifall bei der FDP) (Dagmar Freitag [SPD]: Lassen Sie doch mal Vielmehr wird es in der Zukunft national und interna- hören!) tional besonders auf unsere Forschungsanstrengungen „Schneller, höher, weiter.“ – Die Grenzen sind in vie- ankommen. So wichtig Investitionen in die Verbesse- len Sportarten aber längst erreicht; das sollten wir ehr- rung der Dichte des Kontrollsystems sind, muss es uns lich zugeben. Statt den Weg zu ungezügelten Gladiato- auch gelingen, Nachweismethoden zu entwickeln, die renspielen zu bereiten, sollten wir nach einem neuen dem Hase-und-Igel-Spiel ein Ende bereiten. Da macht Mittelweg suchen zwischen dem genannten olympischen mich ein Blick in die Antwort der Bundesregierung auf Motto und Coubertins Feststellung: Die Teilnahme ist unsere kleine Anfrage vom 5. Februar 2007 mit Blick wichtiger als der Sieg. auf das Stichwort Gendoping allerdings nachdenklich. Vereinzelte Forschungsaufträge gehen auf das Jahr 2002 Der Anstoß zu einer bundesweiten Generaldebatte zurück. Abschlussberichte liegen noch nicht vor. Aktu- muss aus Berlin kommen, elle Initiativen sind nicht aufgeführt. Der runde Tisch bleibt eine bloße Ankündigung. Diese Anstrengungen (Klaus Riegert [CDU/CSU]: Genau!) reichen nicht aus. Auf diesem Gebiet müssen wir deut- so wie die gesetzgeberischen Impulse, denen die FDP, lich an Tempo zulegen. lieber Klaus, gerne als Paket zugestimmt hätte. Aber ge- Ähnlich ist es um Aufklärung und Prävention bestellt. nau zwei Punkte lassen uns zu einer Stimmenthaltung Dopingprävention ist sicher in der Kampagne der Bun- kommen. Wir sind nicht dagegen, aber wir werden uns deszentrale für gesundheitliche Aufklärung – „Kinder der Stimme enthalten. stark machen“ – gut aufgehoben. Ein Handbuch mit dem Titel „Gemeinsam gegen die Sucht“ und Unterrichtsma- (Dagmar Freitag [SPD]: Das ist ja toll! – Dr. Peter terialien zum Thema des Medikamentenmissbrauchs Danckert [SPD]: Wie gnädig!) deuten aber darauf hin, dass wir damit unsere Jugendli- Der erste Punkt betrifft die Prävention und die Auf- chen wohl nur sporadisch erreichen. Wir brauchen in den klärungsarbeit, die in diesem Gesetzentwurf so gut wie Schulklassen fünf und zehn dringend eine bundesweite keine Rolle spielen. Die Anhörung hat jedoch bewiesen, Kampagne der BZgA in Zusammenarbeit mit der Kul- dass ein wesentlicher Baustein einer effektiven Antido- tusministerkonferenz und den Sportorganisationen, ins- (B) pingpolitik die Prävention bei Kindern und Jugendlichen besondere auch auf Länderebene. Wir müssen die Ein- (D) sein muss. stellung gegen medizinische Leistungsmanipulationen schon in jungen Jahren festigen. Zweitens. Die als genial gefeierte Strafbarkeit des Sportlers, der im Besitz nicht geringer Mengen von Do- Einstellungen werden nicht zuletzt auch von den Me- pingsubstanzen ist, dien geprägt. Gerade jetzt darf sich der Journalismus nicht hinter einem Boykott verstecken. Er muss vielmehr (Klaus Riegert [CDU/CSU]: Nicht nur des kritisch berichten und seine investigativen Stärken aus- Sportlers! Von jedem!) spielen. Hinblicken und Durchblicken ist besser als Wegblicken. Das sollte auch die Leitlinie unseres weite- halten wir nach wie vor für überflüssig. In der Praxis ren Handelns sein. wird sich – das hat die Anhörung auch gezeigt – so gut wie nichts ändern. Wir bekennen uns zum Grundsatz der Ich danke Ihnen für das Zuhören. „strict liability“ und zu dem Vorrang der Sportgerichts- (Beifall bei der FDP) barkeit, die schnell und durchgreifend entscheiden kann. (Beifall bei der FDP – Klaus Riegert [CDU/ Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: CSU]: Wir auch!) Jetzt hat der Kollege Dr. Peter Danckert für die SPD- Fraktion das Wort. Gegen banden- und gewerbsmäßigen Handel muss der Staat dagegen mit aller Härte vorgehen können; da sind (Beifall bei der SPD) wir uns wieder einig. Wir freuen uns auch, dass der Sportbetrug keinen Ein- Dr. Peter Danckert (SPD): zug in den Entwurf gefunden hat. Wer sein Heil – wie in Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolle- Bayern und jetzt leider auch bei den Grünen – in „law gen! Ich glaube, dass heute mit der Verabschiedung die- and order“ sucht, wird scheitern, wie sucht- und drogen- ses Gesetzentwurfes, den die Regierung und die Koali- politische Strategien in der Vergangenheit mehr als deut- tion hier vorgelegt haben, ein wichtiger Meilenstein lich gezeigt haben. erreicht wird. Man kann nicht verkennen, dass es ein lan- ger, mühsamer und quälender Prozess war, auch in der (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- öffentlichen Diskussion. Ich finde es aber bemerkens- NEN]: Am besten gleich das ganze Strafrecht wert, dass wir heute feststellen können, dass nicht nur abschaffen!) diese Regierung und diese Koalition hinter dem Gesetz- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11077

Dr. Peter Danckert (A) entwurf stehen, der heute verabschiedet wird, sondern, Ich glaube – damit komme ich wieder auf den Gesetz- (C) lieber Kollege Parr, auch der organisierte Sport. Die entwurf zurück –, dass die neue Zuständigkeit des Bun- circa 28 Millionen Menschen, die sich unter dem Dach deskriminalamtes als Ermittlungsbehörde zusammen des DOSB verbunden haben, haben unserem Vorschlag mit den Dingen, die Klaus Riegert schon angesprochen zugestimmt. hat, eine wichtige Hilfe ist. Das hat es bisher nicht gege- ben. Das ist ein entscheidender Schritt. Ich bin dem Mi- (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nister sehr dankbar, dass er uns hier geholfen hat; denn NEN]: Ach was! Gab es eine Abstimmung?) es ist keine Selbstverständlichkeit, an dieser Stelle das Das ist doch ganz bemerkenswert, vor allen Dingen, Bundeskriminalamt einzusetzen. wenn man die Diskussion vorher im Auge hat. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich hätte mir gewünscht, dass sich die FDP heute Dort sitzen Experten, von denen ich glaube, dass sie uns nicht nur enthält, sondern sich vielleicht selber über die weiterhelfen. Hürde hilft und hier mitmacht; Wir werden sehen, ob wir die Schwerpunktstaatsan- (Beifall der Abg. Dagmar Freitag [SPD]) waltschaften brauchen. Wir haben die Länder aufgefor- denn wenn der Sport, für den wir ja gemeinsam reden, dert, an dieser Stelle auch einen Beitrag zu leisten. Dies das, was wir hier heute verabschieden wollen, akzeptiert, wäre ein Beitrag zur Unterstützung der Ermittlungsar- dann müsste es doch eigentlich auch die FDP, die sich beit. Wir haben also gute Voraussetzungen geschaffen. zumindest mit einigen Persönlichkeiten des DOSB sehr Ich denke, auch durch den Strafrahmen – Klaus verbunden fühlt, Riegert hat zu Recht darauf hingewiesen – kommen wir (Fritz Rudolf Körper [SPD]: So viele sind das an dieser Stelle weiter, weil es natürlich eine eindeutige aber nicht! – Dagmar Freitag [SPD]: Die Zahl Aussage unseres Parlaments ist, dass das keine Bagatell- ist überschaubar!) kriminalität mehr ist, die mit bis zu drei Jahren bestraft wird, sondern dass der Strafrahmen dem bei Verbrechen schaffen, das heute mitzutragen. Überlegen Sie doch ein- ähnlich ist. mal, ob Sie bei diesem Gesetz nicht zustimmen können! Hierdurch ergibt sich auch ein Ansatz für die Telefon- Lieber Kollege Parr, wenn Sie der Meinung sind, dass überwachung. Ich glaube, dass wir mit der Telefonüber- die Besitzstrafbarkeit nicht zu dem führt, was wir uns wachung auch hinter die Elemente kommen, die für die vorstellen Dopingstrukturen verantwortlich sind. Das ist ein Bau- (B) stein. Es muss am Ende nicht immer notwendig sein, (D) (Detlef Parr [FDP]: Das ist eine Mogel- dass alle bestraft werden. Wir werden ja sehen, wie sich packung!) das beim Vollzug ergibt, Herr Kollege Parr. Ich finde es – Sie sagen „Mogelpackung“ –, dann können Sie sagen, aber wichtig, dass wir durch eine Telefonüberwachung, dass das Ihrer Meinung nach nicht funktioniert, und durch Zeugenvernehmungen und durch Hausdurchsu- doch mitmachen. chungen Ermittlungsergebnisse erzielen, (Detlef Parr [FDP]: Das kann doch wohl nicht (Dagmar Freitag [SPD]: Das ist das Entschei- wahr sein!) dende!) Wir werden ja sehen, wozu das Gesetz im Vollzug füh- also an Informationen herankommen, durch die uns ein ren wird. klares Bild über die Strukturen geliefert wird. Ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Baustein ist. (Otto Fricke [FDP]: Kronzeugen!) Er ist aber nicht ausreichend, um den Kampf gegen Do- Von daher glaube ich, dass das auch aus diesem Grund ping insgesamt zu gewinnen. Das ist ja eine endlos lange der richtige Weg ist. Geschichte. Wer sich einmal mit der Historie beschäf- tigt, der weiß, dass das beim Radrennen Bordeaux–Paris Jetzt komme ich zum Stichwort Besitzstrafbarkeit. im Jahre 1886 angefangen hat. Den ersten Todesfall ei- Wir haben eine Anhörung durchgeführt, die teilweise be- nes Radfahrers gab es aufgrund von Trimethyl. Das ist merkenswert war. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. In eine lange Kette, die bis in die letzten Jahre hineinreicht. der Anhörung haben wir acht qualifizierte Sachverstän- Dabei brauche ich gar nicht an den spektakulären Tod dige gehört, die acht verschiedene Meinungen vertreten von Birgit Dressel zu erinnern, der 20 Jahre her ist. haben. Wenn sich diese sehr qualifizierten Herrschaften als Gesetzgeber betätigt hätten, dann hätten sie gar (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nichts zustande gebracht. Denn mit acht verschiedenen NEN]: Eine lange Zeit des Nichtstuns der Poli- Meinungen erzielt man keine Mehrheit im Parlament. tik!) (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Es gab immer wieder solch schlimme Ereignisse, die mit NEN]: Die Mehrheit war kritisch!) Doping verbunden waren. Das muss doch der Impuls sein, der uns antreibt und weshalb wir sagen: Wir müs- Wir haben das Machbare erledigt und werden den Ge- sen staatlicherseits alles geben, um in diesem Kampf be- setzentwurf heute verabschieden. Ich denke, das ist der stehen zu können. richtige Weg. 11078 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Dr. Peter Danckert (A) Es reicht aber noch nicht aus. Ich will an dieser Stelle Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (C) ausdrücklich darauf hinweisen – weil ich hin und wieder Für die Linke spricht jetzt Katrin Kunert. dafür kritisiert worden bin, dass ich dem DOSB nicht al- les zutraue –, dass auch der DOSB Maßnahmen einge- (Beifall bei der LINKEN) leitet hat, die den Kampf gegen Doping erleichtern sol- len. Ich appelliere deshalb an den DOSB, die zusätzliche Katrin Kunert (DIE LINKE): Zahlung von 260 000 Euro, die in diesem Jahr beschlos- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! sen ist, zu einer regelmäßigen Leistung zu machen, da- Sehr geehrte Gäste! Nur wer dopt, gewinnt. Nur wer ge- mit der Beitrag des Sports an dieser Stelle noch deutli- winnt, ist in den Medien. Nur wer in den Medien ist, cher wird. macht seine Sponsoren glücklich. Nur glückliche Spon- Ich finde es sehr gut, dass in dem Kabinettsentwurf, soren geben auch im nächsten Jahr noch frisches Geld. der gestern beraten wurde, in zweierlei Hinsicht klare Si- Wenn dies so zutrifft, wie es Jaksche beschreibt, dann gnale gegeben werden. Zum einen soll die Förderung empfehlen wir dem Veranstalter, die Tour de France ab- des Spitzensports deutlich erhöht werden. Dazu sind zusagen. wir meines Erachtens verpflichtet, wenn wir in Deutsch- land Spitzensport wollen. Angesichts der Einsparmaß- (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. nahmen ist das ein echtes Signal an den Sport, dass wir Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ihm zutrauen, noch mehr zu leisten. Dafür sind zusätzli- NEN] – Klaus Riegert [CDU/CSU]: Mehrheit- che finanzielle Mittel nötig, auch um die Trainer – vor lich oder einstimmig?) allem diejenigen, die sonst vom Ausland abgeworben Die gesamte Gesellschaft watet im Dopingsumpf und werden – besser bezahlen zu können. Das steht außer erwartet vom Sportler, den Wettkampf in trockenen Frage. Strümpfen zu absolvieren. In den letzten Monaten wurde Ich bin zum anderen auch sehr dankbar – wenn es viel darüber diskutiert, wie ein Sportler bestraft werden nicht schon im Kabinettsentwurf enthalten wäre, käme könnte, der letztlich doch mit nassen Strümpfen erwischt es wahrscheinlich zu einer entsprechenden Initiative der wird. Ich finde das scheinheilig. Koalitionsfraktionen –, dass deutlich mehr Mittel für die Das Thema Doping ist uralt. Der erste Dopingtote NADA zur Verfügung gestellt werden. Auch das ist wichtig. Wir waren uns immer darüber einig, dass Hand- wurde vor 115 Jahren beerdigt. Darauf haben Sie bereits lungsbedarf besteht, wenn sich die Wirtschaft praktisch hingewiesen, Herr Danckert. In diesem Jahrhundert wird nicht an dem Stiftungsmodell beteiligt, zu dem der Bund dem Publikum immer wieder ein großes Staunen und insgesamt 7 Millionen Euro beigetragen hat. Wir müssen Entsetzen präsentiert. Der letzte Höhepunkt war der wei- nende Zabel vor der Kamera, der eine höhere Einschalt- (B) vielleicht noch einmal den Gedanken aufgreifen, mit der (D) Unterstützung der Regierung und vielleicht auch der quote hatte als die Tour de France im vergangenen Jahr. Bundeskanzlerin zu versuchen, die Sponsoren dazu zu Im Radsport jagt ein Geständnis über Dopingprakti- bringen, ihren Beitrag zum Stiftungskapital zu leisten. ken das andere. Vom Sportler über Ärzte hin zu einigen Es kann nicht sein, dass nur der Staat einen Beitrag dazu Funktionären fällt das Kartenhaus zusammen. Mancher leistet. Wir werden sehen, wie sich das entwickelt. schweigt beharrlich, weil ein Geständnis viel Geld kos- Ich denke aber, dass die zusätzlichen Mittel für die ten würde. Aber bisher wurde nur zugegeben, was offen- NADA ein richtiger und wichtiger Schritt sind. Denn wir kundig oder verjährt ist. Lediglich Jaksche bricht sein brauchen eine unabhängige Kontrolleinrichtung, die für Schweigen, für viel Honorar wohlgemerkt. Aber deut- Trainings- und Wettkampfkontrollen und Präven- lich wird: Es gibt kein Unrechtsbewusstsein. Der eigent- tion zuständig ist. Das gehört nämlich zum Auftrag der liche Skandal ist, dass sich die Geständnisse und Tränen NADA, Herr Parr. Mit den zusätzlichen Mitteln von ins- auch noch super vermarkten lassen. Mediendemokratie gesamt 2,8 Millionen Euro bieten wir der NADA die nennt man das. Ich nenne es Sittenverfall. notwendigen Voraussetzungen. Es handelt sich dabei nicht um eine einmalige Zahlung; sie ist in der mittelfris- (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Winfried tigen Planung regelmäßig vorgesehen. Damit hat die Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) NADA die Möglichkeit, besser zu agieren als bisher. Sie Sie werden mir als Abgeordnete der Linken abnehmen muss sich personell besser aufstellen. Dafür stellen wir müssen, dass ich mich dem Erstaunen und Entsetzen die notwendigen Mittel bereit. Wenn sich die Sponsoren nicht anschließen kann. ebenfalls beteiligen, dann haben wir auch an dieser Stelle etwas Wesentliches erreicht und können hoff- Ich möchte drei Dinge klarstellen: Erstens. Die Frak- nungsfroher in die Zukunft schauen. tion Die Linke lehnt Doping im Sport konsequent ab. Der Kampf gegen Doping, der schon 100 Jahre an- (Beifall bei der LINKEN – Dagmar Freitag dauert, wird sich noch lange hinziehen. Aber mit dem [SPD]: Auch Herr Nešković?) Gesetzentwurf, den wir heute verabschieden werden, mit der Kabinettsvorlage, der sicherlich auch im Plenum zu- – Auch Herr Nešković. gestimmt wird, sind wir einen bedeutenden Schritt vor- (Dagmar Freitag [SPD]: Das ist ja was ganz angekommen. Ich bin sehr froh darüber. Neues! Er ist für die Freigabe!) Vielen Dank. Zweitens. In der DDR wurde gedopt, ein unrühmli- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) ches Kapitel in ihrer Geschichte ohne Wenn und Aber. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11079

Katrin Kunert (A) (Beifall des Abg. Winfried Hermann [BÜND- tige Nahrung Sie im Allgemeinen zu sich nehmen, wenn (C) NIS 90/DIE GRÜNEN]) Sie nicht erkennen, dass die Ursachen des Dopings im Sport auch in der Gesellschaft zu finden sind. Doch die vielen wissenschaftlichen Studien, die nach 1989 zu diesem Thema durch Steuergelder finanziert (Beifall bei der LINKEN) wurden, haben in keiner Weise zur Aufhellung, ge- Doping im Leistungssport ist aber nur die Spitze des schweige denn zu einer besseren Dopingbekämpfung ge- Eisberges. Vom Umfang her sind Medikamentenmiss- führt. Das ist absolut inakzeptabel. brauch und Doping im Freizeit- und Amateursport (Beifall bei der LINKEN) viel größer als im Leistungssport. Aber das wird viel- fach tabuisiert. Im Durchschnitt greifen 200 000 Besu- Drittens. Für uns ist die entscheidende Frage, ob es cherinnen und Besucher in den Fitnessstudios zu Ana- gelingt, konsequent und transparent alle Hintergründe bolika und anderen Präparaten. Jährlich werden über des Verhältnisses von Spitzensport zu Doping und die 100 Millionen Euro Umsatz mit illegalen Dopingmit- damit verbundene Gier nach Geld aufzudecken. Haupt- teln gemacht. Gewinner ist auch hier die Pharmaindus- dopinggrund sind das Geld und sein Einfluss auf den trie. Sie hat eine starke Lobby. Im aktuellen Drogen- Sport. Solange der Kommerz den Sport bestimmt, so und Suchtbericht der Bundesregierung wird davon aus- lange wird es Doping geben, behaupte ich. gegangen, dass bis zu 1,9 Millionen Menschen medika- (Dagmar Freitag [SPD]: Das passt ja zu Herrn mentenabhängig sind. Zum ersten Mal wird in diesem Nešković!) Bericht der Medikamentenmissbrauch im Sport als Problem erkannt. Der Profiradsport ist ein Sumpf. Er rangiert beim Doping noch vor der Leichtathletik, dem Kraftsport Die Bundesregierung will mit ihrem Gesetz, das als und den nordischen Wintersportarten. Entwurf vorliegt, Doping jedoch nur im Leistungssport bekämpfen. Das ist uns zu wenig. Nur weil sich die Öf- Das sagte ARD-Dopingexperte Seppelt. Hand aufs Herz, fentlichkeit betrogen fühlt, werden strafrechtliche Sank- liebe Kolleginnen und Kollegen: Das wissen wir alle. tionen verschärft. Über medikamentenabhängige Mana- Wir wissen auch, dass einige Instrumente im Kampf ge- gerinnen und Manager, Lehrerinnen und Lehrer oder gen Doping nur unzureichend greifen. Die alles ent- Politikerinnen und Politiker regt sich in der Öffentlich- scheidende Frage ist: Sehen wir weiter zu? Sind wir so- keit niemand auf. Das wird billigend in Kauf genommen. gar machtlos, oder kümmern wir uns endlich um die Ursachen? Wollen wir an den Symptomen herumdoktern (Dr. Peter Danckert [SPD]: In Kauf nimmt das oder den Erreger bekämpfen? keiner!) (B) Der erste Dopingtote hatte die Ermüdungsschwelle Nicht nur der Leistungssport hat also ein Dopingpro- (D) seines Körpers mit Strychnin hinausgeschoben. Heute blem, sondern die gesamte Gesellschaft. verdient die globalisierte Pharmaindustrie Milliarden. Die Fraktion Die Linke schlägt in ihrem Entschlie- Das große Geld wird nicht nur während des Tour-de- ßungsantrag Maßnahmen vor, die das System des Sports France-Monats verdient, sondern während des gesamten für die Sportlerinnen und Sportler stärken sollen. Jahres unter anderem in Fitnessstudios zwischen San- tiago de Chile und Reykjavik. Im Profisport und auch im (Beifall bei der LINKEN) Freizeit- und Amateursport blüht der Handel mit Anabo- Die Sportlerinnen und Sportler dürfen nicht als Geg- lika, Wachstumshormonen und vielem anderen. ner, sondern müssen als Mitstreiterinnen und Mitstreiter Das weltweit produzierte Epo wird nur zu einem im Kampf gegen Doping gesehen werden. Fünftel für Kranke benötigt. Warum belegt man den Ich möchte an dieser Stelle ein aktuelles Beispiel Handel von Epo nicht mit Sanktionen, beginnend beim bringen. Wir erwarten von unseren Sportlerinnen und Pharmariesen? Warum belegt man nicht die Produktion Sportlern, dass sie dopingfrei, also sauber trainieren und mit Quoten? Während ein Medikament wie Epo über das sich an Wettkämpfen beteiligen. Ich finde es daher kon- notwendige Maß hinaus produziert und missbraucht traproduktiv, wenn die Normen für die Teilnahme an wird, sterben Menschen gerade in unterentwickelten der Leichtathletik-WM so hoch gesetzt werden, dass Ländern an Krankheiten, die zu wenig erforscht sind, einige Sportlerinnen und Sportler sie nicht mehr erfüllen weil es hier offensichtlich zu wenig Profit bringt. können. Wir erwarten, dass sie sauber sind, und erhöhen gleichzeitig die Normen! Wenn wir die Normen zum (Zuruf von der LINKEN: Genau das ist es, Beispiel für diese WM an den derzeitigen Ranglisten ori- richtig!) entieren, dann birgt das die Gefahr, dass die sauberen Wir stellen als Fraktion die Grundsatzfrage: Muss der Leistungen unserer Sportlerinnen und Sportler mit mög- Leistungssport dem totalen Kommerz unterliegen? Leis- licherweise manipulierten Leistungen verglichen wer- tungsdruck und das in der Gesellschaft gezeichnete den. Das passt nicht. Bild eines erfolgreichen und dynamischen Menschen mit (Beifall bei der LINKEN) überzogenen Ansprüchen an seine Leistungen macht ei- nen Teufelskreis auf, in den viele Menschen geraten. Manche Teilnahme – das muss ich aus eigener Erfahrung Süchte entstehen, und die Gesellschaft zahlt die Folgen. sagen – an wichtigen Wettkämpfen ist schon leistungs- Frau Kollegin Freitag, wenn Sie unseren Gesamtansatz fördernd genug, und zwar auf eine gesunde und ehrliche als Lyrik bezeichnen, dann frage ich mich, welche geis- Art. 11080 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Katrin Kunert (A) Wir schlagen unter anderem die Einführung eines (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – (C) Athletenpasses vor. Die darin erfassten Daten sollen Dr. Peter Danckert [SPD]: Nein, so war es zum Beispiel die immer höher werdende Zahl plötzlich nicht! – Dagmar Freitag [SPD]: Das ist doch medikamentenbedürftiger Athletinnen und Athleten mit Unsinn!) Ausnahmegenehmigung eindämmen. Bei der letzten Schwimm-WM in Australien gab es auffällig viele aner- – Doch, so ist es auch diesmal wieder. kannte Asthmatiker, die ganz legal leistungssteigernde Die spannende Frage, die wir uns heute stellen müs- Asthmamittel einnehmen können. Hier sind in Zukunft sen, lautet: Ist das, was in den letzten Tagen und Wochen auch und gerade die Ärztinnen und Ärzte gefragt. an Bekenntnissen über Dopingnetzwerke herausgekom- Wir halten die Karriereplanung für Sportlerinnen men ist, etwas, was mit der neuen Novelle bekämpft und Sportler für besonders wichtig. Wer Beruf und Sport werden kann? Kommt dabei etwas heraus? Da kann man vereinbaren kann oder eine Perspektive nach dem Sport sagen: Bisher haben sich die Kollegen im Sport nicht hat, gerät auch nicht in finanzielle Abhängigkeit von strafbar gemacht. Jaksche sagt ganz offen: Ich gehe mit Siegprämien. meinem Bekenntnis vor jedes Gericht. Das kann er na- türlich tun, weil er von keinem Gericht eine Strafe be- (Beifall bei der LINKEN) fürchten muss, da er sich nicht strafbar gemacht hat. Das wäre auch nach der neuen Novelle gar nicht anders. Eine breite Aufklärungskampagne in Schulen, Vereinen und bei Wettkämpfen wird das A und O sein. (Dr. Peter Danckert [SPD]: Das stimmt ja gar nicht! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Wieland Die NADA, die in der vergangenen Zeit – gelinde ge- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich!) sagt – finanziell an der kurzen Leine gehalten wurde, braucht einfach mehr Mittel. Diese müssen grundlegend Ein Sportler, der sich des Dopings schuldig bekennt, aufgestockt werden, damit die NADA effizient und macht sich nach dem neuen Gesetz wiederum nicht straf- nachhaltig agieren kann. Die angekündigte Erhöhung im bar. Das ist doch die Quintessenz Ihres Gesetzes. So ha- Haushalt 2008 reicht aus meiner Sicht nicht aus. Eine ben Sie doch auch argumentiert. zehnprozentige Gewinnabgabe der Pharmakonzerne wäre ein konsequenter Schritt, meine ich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir wollen erstens eine umfassende Aufklärung aller Sie haben das Arzneimittelgesetz novelliert und nicht ein Dopingpraktiken in Deutschland und eine Überprüfung umfassendes Antidopinggesetz vorgelegt. Sie haben ein der Strukturen des Sports. Wir wollen zweitens eine De- seit zehn Jahren erwiesenermaßen schwaches Arzneimit- batte über den Sport in der Gesellschaft. Welchen Sport telgesetz – die Kollegen von der SPD werden mir zu- (B) wollen wir? Welche Werte verbinden wir mit ihm? Wir stimmen; wir haben es immer als eine schwache Me- (D) wollen drittens, dass für alle auf internationaler Ebene thode und als schwaches Werkzeug kritisiert – etwas gleiche Regeln gelten, das heißt ein Maß für alle. Wer gestärkt, Sie haben diesem zahnlosen Tiger zugegebe- die Regeln verletzt, ist raus aus dem Spiel. Ebenso wich- nermaßen ein, zwei Zähne beigefügt, aber aus diesem In- tig ist die Qualität der Kontrollen zur Einhaltung dieser strument kein wirklich bissiges Gesetz gemacht. Regeln. (Dr. Peter Danckert [SPD]: Das werden wir Ich danke Ihnen. mal abwarten! – Dagmar Freitag [SPD]: So ist es!) (Beifall bei der LINKEN – Klaus Riegert [CDU/CSU]: Also stimmen Sie unserem Ge- Mit diesem Gesetzentwurf machen Sie einen weiten setzentwurf zu?) Bogen um die Verantwortlichkeit des Sportlers selber. (Dr. Peter Danckert [SPD]: Das ist ja über- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: haupt nicht wahr!) Jetzt spricht Winfried Hermann für das Bündnis 90/ Die Grünen. Das ist die eigentliche Schwachstelle dieses Gesetzent- wurfs. Nicht zuletzt deswegen sagen auch verschiedene Journalisten: Die Politiker reden zwar groß daher, aber Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): am Schluss sind sie milde. Dieser Gesetzentwurf ist Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und reichlich zahm. Wenn er verabschiedet wird, haben wir Herren! Alle Vorrednerinnen und Vorredner haben da- kein wirklich scharfes Antidopinggesetz. rauf hingewiesen, dass es eine richtig lange Geschichte des Dopings im Sport gibt, vor allem im Radsport. Es (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gibt aber auch eine sehr lange Geschichte des nicht kon- Vor allem die Kolleginnen und Kollegen von der SPD sequenten Kampfes gegen Doping bei den Sportorgani- betonen, es sei ein Meilenstein, dass der Besitz nicht ge- satoren, in den Sportverbänden und übrigens auch in der ringer Mengen von Dopingmitteln strafbar werde. Wir Politik. Das müssen wir selbstkritisch konzedieren. Wir finden, das ist weiße Salbe; denn der Besitz nicht gerin- haben lange, zu lange zugesehen und immer darauf ver- ger Mengen ist für diejenigen, die damit handeln, auch traut, dass der Sport das schon selber in den Griff be- heute schon strafbar. kommt. Ich halte es für einen Fehler, dass sich die Poli- tik immer nur so viel traut, wie die Spitzenfunktionäre (Dagmar Freitag [SPD]: Händler! Nachgewie- des Sports der Politik zugestehen. sener Händler!) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11081

Winfried Hermann (A) Sie werden mit Ihrem Vorgehen die schon heute sicht- Wenn sie die Regeln des Rechts verletzen, dann müssen (C) bare Tendenz verstärken. Sicherlich lesen auch Sie die sie dafür belangt werden. Das ist das Mindeste. entsprechenden Berichte im „Spiegel“ und anderswo, in (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) denen Sportler beschreiben, wie das ganze System funk- tioniert. Die Portionen, mit denen Sportler umgehen, Deswegen haben wir nach einer Konstruktion ge- werden zukünftig kleiner sein. Das ist es nämlich. sucht, die dafür sorgt, dass auch der Sportler – die Zen- tralfigur im Dopinggeschehen; das muss man einmal (Dr. Peter Danckert [SPD]: Aber viele kleine ganz deutlich sagen; auch die Experten haben festge- Positionen sind auch eine große!) stellt, dass der Sportler der Kern des Geschehens ist – Es wird nicht mehr so sein, dass ein Trainer oder ein belangt wird. Deswegen schlagen wir vor, den Tatbe- Arzt eine große Tasche mit Dopingmitteln dabeihat; stand des Sportbetrugs in das Wettbewerbsrecht einzu- vielmehr wird der Sportler kleine Portionen an Doping- führen. Im modernen Spitzensport geht es um sehr viel mitteln mitnehmen, weil er sich dadurch nicht strafbar Geld und damit um Betrug des Gegners. Wer manipu- macht. liert, versucht, sich Vorteile zu verschaffen. Was wir vor- schlagen, soll auf die, wie ich finde, „moderne“ Ent- (Dagmar Freitag [SPD]: Gut, dass Sie das alles wicklung des Dopings in Form von ganz neuen wissen!) Netzwerken und Methoden Einfluss nehmen. Einer Ihrer Experten hat bei der Anhörung gesagt: Auch (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) in Zukunft verstößt ein Sportler nicht gegen das Recht, Wir Grünen haben immer gesagt: Wir brauchen nicht wenn er etwa bei der Radrennweltmeisterschaft in nur eine Novelle des Arzneimittelgesetzes, sondern auch Deutschland mit einer Epo-Ampulle um den Hals ins eine umfassende neue Antidopinggesetzgebung, ein Ar- Ziel fährt; ihm wird nichts passieren, weil das nicht tikelgesetz, das klar regelt, unter welchen Bedingungen strafbar ist. der saubere Sport gefördert wird. Der Staat sollte sich (Klaus Riegert [CDU/CSU]: Das ist schlicht- eindeutig dazu verpflichten, Aufklärung, Information weg Unsinn! Gesperrt wird er! Der wird gar und Prävention im Bereich Doping anzubieten. Ich rege nicht fahren! Sie haben es einfach nicht begrif- an, das Amt eines Antidopingbeauftragten zu schaffen, fen!) der hier im Bundestag darüber berichtet. (Klaus Riegert [CDU/CSU]: Wo ist denn Ihr Genau das ist es. Die Verabschiedung Ihres Gesetzent- Entwurf dazu?) wurfs wird zu einer Neuproportionierung der dezentra- len Dopingmittelvergabe führen, zu nichts anderem. Wir fordern ein rechtliches Paket, etwa ein Straf- (B) rechtspaket. Einige Elemente eines solchen Pakets sind (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – in dem vorliegenden Gesetzentwurf enthalten. Wir for- Dr. Peter Danckert [SPD]: Der Besitz wird dern, dass das Element des Sportbetrugs hinzugenom- auch saktioniert!) men wird. Es gibt auch noch offene Fragen: Was ist eigentlich Wir müssen die Wissenschaft, die Forschung und die Blutdoping? Was sind nicht geringe Mengen an Blutdo- Kontrolle fördern, damit sie besser werden und nicht im- ping? Wie viel Liter Blut dürfen es denn sein? mer hinterherhinken. In Freiburg haben selbst Wissen- schaftler und Mediziner staatliche Mittel missbraucht. (Dagmar Freitag [SPD]: Steht alles im Ge- Auch das macht deutlich, dass wir im Blick auf die Wis- setz!) senschaft selbst die Mittelvergabe im Kampf gegen Do- Wird es in Zukunft so sein, dass die Beutel zwar nicht ping besser kontrollieren müssen. mehr bei Fuentes gelagert werden, sondern dass jeder (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Radsportler seine Beutel im eigenen Kühlschrank lagert? Auch das wird dieses Gesetz nicht erfassen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (Dr. Peter Danckert [SPD]: Das stimmt doch Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. alles gar nicht!) Ich sage noch einmal in aller Deutlichkeit: Sie ma- Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): chen einen weiten Bogen um den Sportler selber. Sie zie- Ich komme zum Schluss. hen ihn nicht zur Verantwortung. Sie stricken an der Mär Wie Sie gesehen haben, haben wir sehr viel Kritik an vom unschuldigen Sportler, der getrieben von Trainern, einem unzulänglichen, nicht weit genug gehenden Ge- Medien und Netzwerken zum Doping greift, weil er setzentwurf der Großen Koalition geübt. Trotzdem wer- nicht anders kann. den wir ihn nicht ablehnen. Er enthält einige Verbesse- (Widerspruch des Abg. Dr. Peter Danckert rungen. Es wäre falsch, dagegen zu sein. Wir enthalten [SPD]) uns, weil das, was erreicht wird, nicht weit genug geht, denn beim Sportler, der die zentrale Figur ist, wird nicht Natürlich gibt es solche Strukturen, und trotzdem muss angesetzt. man sagen: Sportler sind erwachsene, verantwortungsfä- Danke schön. hige Menschen, von denen man erwarten muss, dass sie darüber entscheiden können, was gut und richtig ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 11082 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

(A) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: eine Verschärfung des Strafrechts, den Schutzzweck zu (C) Stephan Mayer spricht jetzt für die CDU/CSU-Frak- erfüllen, der uns aufgegeben wurde. Hier muss man eine tion. ganz klare Aufgabenteilung zwischen dem organisierten Sport auf der einen Seite und dem Staat auf der anderen Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Seite vornehmen. Ich vertraue nach wie vor der Fähig- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen! keit des organisierten Sports, dem Dopingmissbrauch Sehr geehrte Kollegen! Die Geständnisse und Enthüllun- erfolgreich zu Leibe zu rücken. Es gibt den Strict-liabi- gen der letzten Tage und Wochen über den Dopingmiss- lity-Grundsatz und die Beweislastumkehr. Der Sportler brauch im Radsport waren erschreckend und schockie- macht sich strafbar, sobald steroide Mittel, Anabolika in rend. Jetzt mag man vielleicht meinen, ich sei naiv oder seinem Körper festgestellt werden. Lieber Kollege zu gutgläubig, da es Dopingfälle im Radsport schon im- Hermann, es stimmt nicht, was Sie sagen. Sie werfen mer gegeben habe; die neue Qualität, die meines Erach- hier unablässig Nebelkerzen. Wenn der Fall, den Sie ge- tens durch diese jüngsten Dopingbeichten vieler ehema- schildert haben, eintritt, wenn also ein Radsportler mit liger Telekom-Fahrer zutage getreten ist, ist aber, dass es einer Dopingampulle um den Hals aufgegriffen wird, ein planvolles, kollusives Zusammenwirken im ehemali- dann ist das ein Versuch von Doping und somit strafbar. gen Telekom-Team gab, dass hochprofessionell gearbei- Der Sportler wird beim ersten Mal sofort für mindestens tet wurde und dass es eine Selbstverständlichkeit und zwei Jahre gesperrt. teilweise unausgesprochen klar war, dass man dopte. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Dies macht einen fassungslos und vielleicht sogar NEN]: Gesperrt schon, aber es ist nicht straf- sprachlos. bar! – Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE Es wäre jetzt aber falsch, die Sportler, die gedopt ha- GRÜNEN]: Ich habe „nicht strafbar“ gesagt!) ben und dies einräumen, an den Pranger zu stellen. Sie Er kann dann seinen Sport für zwei Jahre nicht ausüben. haben auch nicht verdient, zu Heroen stilisiert zu wer- den. Es war mit Sicherheit kein großer Ausweis von Hel- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) dentum, sich jetzt zu offenbaren, nachdem die meisten An dieser Stelle muss man darauf hinweisen, was das Delikte verjährt sind. Aber es wäre meines Erachtens das schärfste Schwert ist. Das schärfste Schwert ist doch, falsche Signal, jetzt daraus den Schluss zu ziehen, dem wenn der Sportler seine geliebte Sportart nicht ausüben Radsport öffentliche Fördermittel zu entziehen und kann, von der er vielleicht auch finanziell abhängig ist. möglicherweise sogar die öffentlich-rechtliche Bericht- erstattung über Radsportereignisse wie beispielsweise (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie die Tour de France einzustellen. bei Abgeordneten der SPD) (B) (D) (Dr. Peter Danckert [SPD]: Na, da kann man Herr Hermann, Sie betreiben hier reinen Populismus auch anderer Meinung sein!) und werfen Nebelkerzen. Das Gegenteil dessen, was Sie gesagt haben, ist der Fall. Das schärfste Schwert ist die Meine sehr verehrten Damen und Herren, Doping ist Sportgerichtsbarkeit. Die Sportgerichtsbarkeit und die eine Krake oder eine Hydra, die zumindest den Profirad- Sportverbände sind auch in der Verantwortung, und in sport und möglicherweise auch andere Sportarten fest im dieser Verantwortung müssen wir sie in Zukunft in aller Griff hatte und vielleicht immer noch hat. Ich halte den Deutlichkeit belassen. Vergleich mit der Hydra insoweit für authentisch, als sich herausgestellt hat, dass, obwohl es in der jüngsten (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Zeit immer wieder neue Ermittlungsmethoden gab und neten der FDP – Widerspruch beim BÜND- neue technische Möglichkeiten erfunden wurden, um NIS 90/DIE GRÜNEN) dem Dopingmissbrauch zu Leibe zu rücken, immer wie- Ich begrüße es sehr, dass es immer mehr Verbände der schnell neue Medikamente entwickelt wurden, um gibt, zum Beispiel den Internationalen Radsportverband, den Dopingmissbrauch zu verschleiern. die UCI, die ihren Spitzensportlern Selbstverpflichtun- Es muss das Ziel aller Beteiligten sein, dass das, was gen auferlegen. Ich würde mich freuen, wenn auch an- dem Radsport derzeit an Glaubwürdigkeitsverlust und dere Verbände – ich weiß, der Schwimmsportverband in meines Erachtens mittel- und langfristig auch an Bedeu- Deutschland ist auf dem Weg dorthin; auch die Leicht- tungsverlust widerfährt, anderen Sportarten erspart athletik ist in diesem Bereich tätig – in Form von freiwil- bleibt. Es muss unser aller Ziel sein, dass Eltern ihre ligen Selbstverpflichtungen ihren Sportlern klarmachten, Kinder wieder bedenken- und sorglos in Radsport-, dass sie bestimmte Regularien einhalten müssen. Leichtathletik- und andere Vereine geben können. Auf der anderen Seite muss man auch klarmachen, für (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie was der Staat zuständig ist, für was er in diesem Fall nur bei Abgeordneten der SPD) zuständig ist. Es ist in der deutschen Rechtsordnung nun einmal so, dass Selbstgefährdung und auch Selbstschä- Vor diesem Hintergrund ist das heute zur Verabschie- digung straflos sind. Dies gilt auch für Sportler. So dung anstehende Gesetz zur Verbesserung der Bekämp- schön es wäre, hier weitergehende Möglichkeiten im fung des Dopingmissbrauchs ein wichtiger Schritt. Man Strafrecht zu schaffen – einer der Sachverständigen hat muss an dieser Stelle ganz klarmachen, für was das von einem Anti-Dealing-Gesetz gesprochen –: Es ist nun staatliche Gewaltmonopol, für was der Gesetzgeber zu- einmal so, dass die Chancengleichheit und die Fairness ständig ist. Wir sind dafür zuständig, vor allem durch im Sport nicht Schutzzweck im Sinne des Strafrechts Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11083

Stephan Mayer (Altötting) (A) sind. Nur ein solcher Schutzzweck würde dazu anhalten, In diesem Zusammenhang muss man natürlich sehen: (C) die Besitzstrafbarkeit bei Sportlern generell zu imple- Wir haben hier Nachholbedarf. Die Mittel, die der mentieren. NADA zur Verfügung stehen, belaufen sich derzeit auf 1,8 Millionen Euro im Jahr. Wenn man einen Blick ins Wir schaffen mit diesem neuen Gesetz die Besitz- Nachbarland Frankreich wirft, dann stellt man fest, dass strafbarkeit bei nicht geringen Mengen, weil dies ganz die dortige Organisation 7 Millionen Euro hat. deutlich Handel indiziert. Bei internationalem illegalen Handel von Arzneimitteln, die zum Zwecke des Dopings (Dr. Peter Danckert [SPD]: Genau!) verwendet werden, werden endlich auch Ermittlungsbe- fugnisse für das Bundeskriminalamt geschaffen. Gerade Ich bin der Wirtschaft und insbesondere dem DOSB sehr der Fall des Dopingarztes Fuentes hat in aller Deutlich- dankbar, dass sie sich hier deutlich beteiligen, keit gezeigt: Doping ist mittlerweile kein nationales Phä- (Dr. Peter Danckert [SPD]: Könnte aber mehr nomen, Doping ist ein internationales Phänomen. sein!) (Beifall des Abg. Dr. Peter Danckert [SPD]) und würde mir wünschen, dass die Erhöhung der Mittel, Deswegen ist es auch sehr fraglich, ob man nur mit na- die der DOSB für dieses Jahr in Aussicht gestellt hat und tionalen Regularien und nationalen Normen dem Doping tatsächlich gibt, für die nächsten Jahre sozusagen verste- wirklich langfristig und effizient zu Leibe rücken kann. tigt wird, sodass weiterhin Mittel in dieser Höhe zur Ver- fügung stehen. Ich würde mich freuen, lieber Kollege Parr, wenn die FDP diesem sehr wegweisenden und zukunftsgerichte- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) ten Gesetzentwurf zustimmen könnte. Ich habe mir Ihren Die Kontrolle ist das Entscheidende. Derzeit werden Entschließungsantrag angesehen und festgestellt: Von 8000 Kontrollen bei ungefähr 9 000 Spitzensportlern 14 Einzelpunkten, die Sie aufführen, werden 13 im Ge- durchgeführt. Bisher waren es hauptsächlich Zufallskon- setzentwurf verwirklicht. Der einzige Punkt, der nicht trollen. Wir müssen in Zukunft verstärkt intelligente verwirklicht ist, ist Ihr Ansinnen, dass auch auf der Kontrollen, wirklich zielgenaue Kontrollen durchführen, Packung eines Arzneimittels ein Piktogramm aufzudru- die sich daran orientieren: Wann wäre es aus Sicht des cken ist, das ausweist, dass das Medikament für Doping Sportlers sozusagen „am vernünftigsten“, zu dopen? Da- verwendet werden kann. Vielleicht geben Sie Ihrem Her- ran muss sich ermessen, wann die Dopingkontrollen zen einen Stoß und stimmen dem Gesetzentwurf doch durchgeführt werden. noch zu, nachdem 13 von 14 Punkten Ihres Entschlie- ßungsantrages erfüllt sind. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (B) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (D) neten der SPD) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Wir schaffen erstmals die Besitzstrafbarkeit beim Sportler oder generell bei Personen, die nicht geringe Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Mengen von anabolen Steroiden, Hormonen, wozu auch Epo-Mittel gehören, bei sich führen, wobei ich der Ehr- Ich komme zum Schluss. lichkeit halber klarmachen möchte: Das beste Dopingbe- Entscheidend ist natürlich auch die Prävention. Ge- kämpfungsgesetz ist wirkungslos, wenn es uns nicht ge- rade in diesem Zusammenhang könnten sich die gestän- lingt, eine wirksame Prävention zu betreiben und digen ehemaligen Telekom-Fahrer sehr verdient machen, entsprechend stringente Kontrollen durchzuführen. Des- indem sie in Schulklassen, Sportverbände und Vereine wegen ist es wichtig, dass die Dopinganalytik und die gehen, um dort entsprechend zu berichten. Dopingprävention verbessert werden. (Dr. Peter Danckert [SPD]: Das ist auch Ich begrüße in diesem Zusammenhang sehr, dass sich vorgesehen!) der Bundesinnenminister in den Haushaltsverhandlun- gen durchsetzen konnte. Als letzten Punkt möchte ich noch Folgendes anspre- chen: Die vorgesehene Evaluation des Gesetzes in fünf (Dr. Peter Danckert [SPD]: Wir haben ihn Jahren ist richtig. unterstützt!) Die Mittel, die insgesamt für den Sport zur Verfügung Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: stehen, werden deutlich erhöht, nämlich um Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen. 20 Millionen Euro. Insbesondere die Mittel, die für die NADA zur Verfügung stehen, werden deutlich erhöht. Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Wenn sich aber wirklich herausstellen sollte, dass das neten der SPD) Gesetz nicht greift oder nicht in der Form greift, wie wir es uns wünschen, muss die Evaluation auch früher mög- Eine Steigerung um 1 Million Euro ist hier angedacht. lich sein. Das ist ein sehr erfreuliches und sehr mutiges Signal. Des Weiteren ist vorgesehen, 2 Millionen Euro zusätz- Es ist eine wichtige Etappe, die wir mit diesem Gesetz lich für Analytik und für Prävention zur Verfügung zu zurücklegen. Ob es die Königsetappe ist – um im Jargon stellen. der Tour de France zu sprechen –, wird sich erst in der 11084 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Stephan Mayer (Altötting) (A) Zukunft erweisen. Auf jeden Fall kann ich nur allen basis der NADA in den kommenden Jahren kontinuier- (C) empfehlen, diesem Gesetz zuzustimmen. lich ausgebaut werden. Herzlichen Dank. (Dagmar Freitag [SPD]: Das machen wir ja!) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Es wurde hier richtigerweise schon angemerkt, dass diese erhöht wurde. Ich bin aber der Überzeugung, dass Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: wir alle uns auch dafür einsetzen sollten, dass ein be- Jetzt spricht Joachim Günther für die FDP-Fraktion. stimmter prozentualer Anteil von allen Sponsoringgel- dern ebenfalls der NADA zur Verfügung gestellt wird. Damit hätten wir eine viel breitere Grundlage und könn- Joachim Günther (Plauen) (FDP): ten damit viel besser und auch im internationalen Ver- Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol- gleich hochwertiger agieren. legen! Wenn man in der heutigen Debatte über Doping Vorschläge unterbreiten will, ist man eventuell gut bera- (Dagmar Freitag [SPD]: Das hat der Kollege ten, vorher Fernsehen zu schauen. Man weiß ja nie, wer Danckert schon lange vorgeschlagen!) gerade welches Geständnis abgelegt hat und wer wen be- Es lohnt sich aber auch, über ein paar weitere Grund- lastet hat. sätze nachzudenken und sie in die gesellschaftliche De- (Dagmar Freitag [SPD]: Was gibt es Neues?) batte einzubringen. Zählt in der Wirklichkeit denn nur noch der Sieg? Sind wir, die Öffentlichkeit und die Dies sage ich auch vor dem Hintergrund dessen, was Presse nicht auch daran beteiligt, dass die Zweiten und Herr Jaksche vorgetragen hat und dass in zwei Tagen die Dritten eines Wettkampfes bereits als Verlierer darge- Tour de France beginnt. Hoffen wir, dass aus dieser stellt werden? Bei der Tour de France wird der Etappen- Richtung nicht noch mehr auf uns zukommt. sieger geehrt. Das Ereignis liegt vor uns. Schauen Sie Gegenwärtig schlägt alles auf den Radsport ein. Es einmal genau hin: Da gibt es gar kein Podium mehr für wäre aber blauäugig zu glauben, dass in allen anderen den zweiten und dritten Platz. Gehen wir in Deutschland Sportarten, vor allem in Kraft- und Ausdauersportarten, mit dem olympischen Gedanken richtig um? Auch alles völlig rein, völlig sauber und völlig clean zugeht. diese Frage muss einmal gestellt werden. Wir selbst sa- gen doch: Nur wer eine reelle Medaillenchance hat, darf (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – zur Olympiade fahren. Dr. Peter Danckert [SPD]: Stimmt! Da kommt auch noch etwas auf uns zu!) (Dagmar Freitag [SPD]: Das sagt Ihr Frak- tionskollege auch!) (B) Vielleicht haben wir uns zu lange vor der Realität ge- (D) duckt, nach dem Motto, was nicht sein darf, das kann Eine offene Diskussion über die Qualifikationskriterien nicht sein. – Nicht selten gab es in der Vergangenheit für Olympische Spiele muss meines Erachtens nach Diskussionen – das wissen wir alle; diese haben wir ja noch einmal stattfinden und möglich sein. auch im Sportausschuss geführt –, dass vor allem früher (Dagmar Freitag [SPD]: Das ist interessant! – im Ostblock, in China und anderswo auf dieser Welt ge- Klaus Riegert [CDU/CSU]: Wir wollen doch dopt wurde. Richtig ist, dort wurde gedopt; da wird viel- keine Touris oder bloße Mitmacher hin- leicht auch noch gedopt. Aber ebenso wird in den hoch- schicken!) entwickelten Ländern aufgrund des wissenschaftlichen Standards gedopt, und zwar nicht viel weniger als Wer von vornherein nur auf Siege setzt, wer alle anderen anderswo auf der Welt. Bei so manchem 100-Meter- Leistungen ausblendet, der darf sich im Endeffekt über Läufern konnte man, wenn man ehrlich ist und sich die Doping nicht wundern. Auch der Sport muss hier Bilder von Olympia noch einmal vor Augen führt, den- manchmal wieder zur Normalität zurückkommen. ken, sie kämen direkt aus einer Muskelfabrik. In der Re- alität hinken leider die Prüfmethoden meist hinter der (Beifall bei der FDP) Spitzentechnologie des Dopings hinterher. Dies wurde ja In diesem Zusammenhang lohnt es sich auch, einen gerade im Radsport deutlich. Hier wurde ja Blutdoping Blick in die Fernsehübertragungen zu werfen und über zugegeben und dabei deutlich gemacht, dass es in den das Sponsoring generell zu sprechen. Fernsehübertra- ersten Jahren nicht nachzuweisen war. Das darf in Zu- gungen, die Wettkämpfe hochspielen, weil Weltrekorde kunft nicht mehr passieren. Deswegen fordern wir als vorher angekündigt werden oder hohe Geldbeträge für FDP zu Recht, mehr in die Antidopingforschung zu ge- bestimmte Wettkämpfe eingesetzt werden, um Jahres- ben, um den Antidopingkampf auf Augenhöhe führen zu weltbestleistungen zu erzielen, geben geradezu den können. Grund dazu, auf dieses Ereignis hinzudopen. Darüber (Beifall bei der FDP) sollte gesprochen werden. Sport muss wieder zur schönsten Nebensache der Welt werden. Ich weiß, das Wir können und müssen einige Rahmenbedingungen bekommen wir nicht so einfach hin. Aber es wäre schön, aufstellen, die den normalen und fairen Sport wieder in wenn wir in Zukunft wieder über wahre Sieger und nicht die eigentliche Spur zurückbringen. Neben der For- über den besten Arzt oder den besten Chemiker sprechen schung müssen auch die Dopingkontrollen verbessert würden. werden: weg vom Urintest, hin zum Bluttest. Das ist ja etwas, was 2008 bereits durchgeführt wird. All das (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ bringt Kosten mit sich; hierfür muss die Finanzierungs- DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11085

(A) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Besitzstrafbarkeit betrifft den Besitz zu Doping- (C) Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege Fritz zwecken im Sport. Ziel des Dopens ist die heimliche Rudolf Körper das Wort. Verzerrung der Wettbewerbssituation. (Beifall bei der SPD) (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Also Wettbewerbsbetrug!) Fritz Rudolf Körper (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Der Dopende sucht weder den Rausch noch die Selbst- Kolleginnen und Kollegen! Ein Satz vorweg: Doping im zerstörung. Er will zum Nachteil der Mitwettbewerber Sport ist Betrug – den Sieg in einem gesellschaftlich organisierten Wettbe- werb. Damit übt er Druck auf sämtliche Mitbewerber (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ aus. Zur Wahrung der Chancengleichheit müssen alle DIE GRÜNEN – Winfried Hermann [BÜND- dopen, wenn sie nicht verlieren wollen. Doping ist von NIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Einsicht freut seiner Logik her deshalb kein Einzelphänomen. Doping uns!) führt wegen des auf alle Wettkämpfer ausgeübten Betrug an den sportlichen Mitwettbewerbern, an den Zu- Drucks zwangsläufig zu einem System des allgemeinen schauern, an den Preisverleihern und an denen, die in gu- Dopens. tem Glauben den Sport als Vorbild für Disziplin und Meine Damen und Herren, die Sturzflut der neuen Er- Fairness genommen haben. Dopingmissbrauch ist nicht zu relativieren und nicht zu verharmlosen. kenntnisse, Enthüllungen und Geständnisse kann nur den überraschen, der in seiner Wahrnehmung Doping auf (Beifall bei der SPD) die Selbstschädigung des Einzelsportlers verkürzt hat. Doping ist auch nicht nur gesundheitsschädlich. Es kos- (Dagmar Freitag [SPD]: Richtig!) tet im Extrem das Leben und führt zum Tod. Was folgt daraus? (Dagmar Freitag [SPD]: Oh ja!) Es ist viel über die Geschichte gesagt worden. 1886 (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE ist erwähnt worden. Übrigens gab es im Jahre 1967 bei GRÜNEN]: Nichts!) der Tour de France ein einschneidendes Erlebnis zum Doping ist nicht nur Selbstschädigung, sondern ein sys- Thema Doping. Bei dieser Tour de France starb der eng- tematischer Zwang zur Schädigung aller Beteiligten. Die lische Radsportler Tom Simpson an einer Mischung aus Besitzstrafbarkeit dient daher dem Schutz der Gesund- Amphetaminen und Alkohol. Dieses Ereignis hat in der (B) Frage von Doping und Dopingbekämpfung natürlich ei- heit sämtlicher Sportler sowohl im Spitzen- als auch im (D) niges ausgelöst. Es kam zur Gründung der medizini- Breitensport. schen Kommission des IOC, um die Dopingbekämpfung (Beifall bei der SPD) voranzutreiben, international zu vereinheitlichen und den Dopinggebrauch mit Sanktionen zu belegen. Das Diesen Zusammenhang herzustellen, ist mir sehr wich- war allerdings nicht sehr erfolgreich. Dieses Beispiel tig. Denn die Vorbildfunktion des Spitzensports führt be- zeigt aber, wie bestimmte Ereignisse Entscheidungen kanntlich auch im Breitensport zu einer Welle des Arz- herbeiführen. neimittelmissbrauchs. Schließlich dient die Vorschrift Ich muss zugeben, dass wir hier in Deutschland im der Sicherheit des Arzneimittelverkehrs. Vergleich zwischen Februar dieses Jahres und heute eine Es ist auch ganz wichtig, festzuhalten, dass diese ge- erheblich unterschiedliche Debattenlage haben. Diejeni- fundene gesetzliche Regelung nicht im Widerspruch zu gen, die im Februar die Notwendigkeit eingefordert ha- ben, in Sachen Dopingbekämpfung etwas zu machen, den sportgerichtlichen Sanktionen zu sehen ist. Man sind zum Teil milde belächelt worden. Die Ereignisse muss wissen, dass die sportgerichtlichen Sanktionen un- haben ihre eigene Sprache gesprochen. ter anderen Bedingungen ausgesprochen werden. Sie knüpfen an die positive Probe an. Sie folgen anderen Be- (Beifall bei der SPD) weisregeln. Dem Sportler muss nicht ein schuldhafter Deswegen ist es richtig, dass wir ein Gesetzgebungs- Vorsatz nachgewiesen werden. Es gibt andere Strafen: vorhaben auf den Weg gebracht haben, bei dem die Ausschluss und Sperren statt Geld- oder Freiheitsstrafen. Strafbarkeit des Besitzes nicht geringer Mengen be- Unterschiedliche Resultate der jeweiligen Verfahren sind stimmter Dopingmittel im Vordergrund steht. Uns ist im- möglich und nachvollziehbar. Sie schaden also nicht. mer wieder das Argument entgegengebracht worden, es Der Hinweis auf die angebliche Behinderung der gehöre zur grundgesetzlich garantierten Freiheit, sich sportgerichtlichen Verfahren war ein Hauptargument, den eigenen Körper ruinieren zu dürfen, auch mit Todes- das uns immer wieder entgegengeschleudert worden ist. folge. Dieses Argument ist falsch, absurd und nicht ak- Ich denke, dass das damit ausgeräumt ist. zeptabel. (Beifall bei der SPD) Die Sportgerichtsbarkeit ist alleine offensichtlich zur effektiven Bekämpfung des Dopings nicht in der Lage. Es geht nämlich vom einzelnen Individuum aus und ver- kennt den gesellschaftlichen Zusammenhang, in dem (Beifall bei der SPD – Detlef Parr [FDP]: Jetzt Doping angewendet wird. geht das wieder los!) 11086 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Fritz Rudolf Körper (A) Nur die Staatsanwaltschaft kann mit den ihr vorbehal- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- (C) tenen Ermittlungsmaßnahmen die Hintermänner ausfin- SES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und dig machen. der FDP) (Detlef Parr [FDP]: Schon einmal etwas vom In der Anhörung gab es unterschiedliche Auffassun- Schulterschluss zwischen Sport und Staat ge- gen; Kollege Danckert – er sitzt dort hinten – hat es an- hört?) gesprochen. Aber in einem Punkt, lieber Herr Kollege Danckert, waren sich die Sachverständigen in der Mehr- Ich denke, das ist ganz wichtig. Die Besitzstrafbarkeit, heit schon einig. Ich will einen von ihnen zitieren – Pro- Herr Kollege Parr, gibt den Staatsanwaltschaften einen fessor Dr. Jahn, Richter am Oberlandesgericht –: ersten Anknüpfungspunkt für Ermittlungen. Der An- fangsverdacht kann sich nun auch allein auf den Besitz Selbstgefährdende und selbstverletzende Verhal- gründen. Die Beschränkung auf die nicht geringe tensweisen einer frei verantwortlich handelnden Menge macht die Vorschrift nicht wirkungslos. Die Be- Person, die die Tragweite ihrer Handlungen über- schränkung auf die nicht geringe Menge betrifft zwin- blickt, dürfen als solche gend nur Anklage und Verurteilung. Der Anfangsver- – ich betone: als solche – dacht kann im Zusammenhang mit anderen Tatsachen auch auf den Besitz einer geringen Menge gestützt wer- nicht strafrechtlich sanktioniert werden. Dies ent- den. spräche nicht dem Menschenbild des GG und wäre verfassungswidrig. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Peter Danckert [SPD]: Genau!) Herr Kollege Körper, in Ihrem Beitrag sind Sie über Ihren Gesetzentwurf hinausgegangen. Das muss man hier noch einmal deutlich machen. (Detlef Parr [FDP]: Ja, genau!) Ich bin froh, dass wir diese Regelung gefunden ha- ben. Die Systematik dieses Gesetzentwurfes, nämlich Denn Sie sehen darin ja keine Besitzstrafbarkeit vor dass die Stoffe in der Anlage aufgeführt sind und dass es – für diese haben Sie sich hier sehr engagiert –, weil Sie Veränderungen in der Aufzählung durch Rechtsverord- erkannt haben, dass das nicht geht. Aber die gleichen nungen geben kann, gibt uns die Möglichkeit, flexibel zu verfassungsrechtlichen Probleme haben Sie natürlich handeln. Wir können relativ schnell reagieren. beim Besitz nicht geringer Mengen von Dopingmitteln. Deswegen steht in Ihrem Gesetzentwurf, die Intention (Dagmar Freitag [SPD]: Ja!) der Strafbarkeit sei nicht deswegen gegeben, weil sie auf den Konsum gerichtet ist, sondern deswegen, weil sie (B) Außerdem kann die nicht geringe Menge über eine (D) Rechtsverordnung definiert werden. Das zeigt die Prak- auf die Verbreitung gerichtet ist. tikabilität dieses Gesetzentwurfes. (Klaus Riegert [CDU/CSU]: Ja, genau! – Dagmar Freitag [SPD]: Das ist Unsinn!) Ich hoffe, dass wir eine breite Mehrheit finden. Der Sport hätte es verdient. Er soll weiterhin Vorbildfunktion – Das ist richtig. – Aber damit ist Ihr Vorschlag nur ein insbesondere für unsere Jugend haben. Placebo; denn schon das Verbreiten, Verabreichen und Weitergeben von Dopingmitteln ist ja strafbar. Herzlichen Dank. (Detlef Parr [FDP]: So ist es! – Klaus Riegert (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) [CDU/CSU]: Eben nicht! Sie haben es auch nicht verstanden!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: So wie im Drogenrecht der Drogenhändler, der mit Jetzt spricht Jerzy Montag für Bündnis 90/Die Grü- 1 Kilogramm Drogen in der Tasche erwischt wird, nicht nen. wegen des Besitzes, sondern wegen des Handeltreibens verurteilt wird, so kann auch heute schon derjenige Arzt, Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): der einen Koffer voller Drogen in seinem Arztschrank Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolle- hat, nicht wegen Besitzes, sondern wegen der Abgabe ginnen und Kollegen! Doping muss entschieden be- und des Inverkehrbringens verurteilt werden. kämpft werden. Darüber gibt es in diesem Haus über- (Klaus Riegert [CDU/CSU]: Nein, eben nicht! haupt keinen Dissens. Aber dies muss natürlich mit Heute nicht!) rechtsstaatlichen Mitteln und mit Mitteln, die vor der Verfassung unseres Staates bestehen können, geschehen. Ihr Angebot ist also ein reines Placebo. Sie handeln da- Es ist daher wichtig, noch einmal auf die Besitzstraf- mit nach außen und glauben, Sie würden Aktivität ent- barkeit zu sprechen zu kommen. Ich habe eine völlig falten, tun es aber in Wirklichkeit nicht. andere Überzeugung als Sie, Herr Kollege Körper. Im Gegensatz dazu ist unser Vorschlag, der Vorschlag Selbstverständlich kann und muss die Sportgerichts- des Sportbetrugs, die richtige Antwort auf Ihren ersten barkeit jeden Konsum und jeden Besitz von Doping ahn- Satz, Herr Kollege Körper: Jawohl, Doping ist Betrug. den. Das sollte sie viel konsequenter als bisher tun. Dazu Da, wo die Triebfeder für Doping Geld ist, wo es um braucht sie aber Mittel und Möglichkeiten. Das Straf- wirtschaftliche Werte geht, ist die Möglichkeit gegeben, recht kann und darf das nicht. mit einer Strafvorschrift im Sinne des Sportbetrugs vor- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11087

Jerzy Montag (A) zugehen. Das ist der Vorschlag der Grünen. Wir wären nicht durch einen totalitären Staat, durch kein staatliches (C) froh gewesen, Sie hätten diesen Vorschlag aufgenom- System lösen, sondern nur durch die Wahrnehmung von men. Freiheit, also Verantwortung. Der Staat muss den Rah- men setzen. Das tun wir in dem Maße, wie es möglich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – ist, aber genau in dem Zusammenwirken von Staat und Klaus Riegert [CDU/CSU]: Das ist ja ein noch Sport. größeres Placebo!) Herr Kollege Körper, ich habe Ihnen ganz aufmerk- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: sam zugehört; Sie sprachen vom Druck. Sie haben ge- Jetzt spricht der Bundesminister Dr. Wolfgang sagt, wenn einer dopt, müssen es die anderen auch. Schäuble. Wenn der Kollege Danckert in seiner anwaltlichen Tä- tigkeit als Verteidiger damit befasst wäre, könnte er Ihre (Beifall bei der CDU/CSU) Argumentation aufgreifen und sagen: Allenfalls der Erste, der jemals gedopt hat, kann strafrechtlich belangt Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister des In- werden; alle anderen haben gewissermaßen nur darauf nern: reagiert. Sie haben fast ein strafrechtliches Entschuldi- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die De- gungsargument geliefert. batte heute unterscheidet sich, wie ich finde, sehr positiv von manchen Beiträgen in der ersten Lesung. Dies zeigt, Herr Kollege Montag, deswegen ist es wichtig, dass dass die zügige Beratung des Gesetzentwurfes, für die der Sport selber sanktioniert; Stichwort „strict liability“. ich mich bedanke, offensichtlich bei allen in diesem Das funktioniert. Weil es kein harmloses Alltagsdelikt Hause dazu geführt hat, dass wir die Tragweite und die ist, sondern hochkriminell, brauchen wir ergänzend die Tiefe dieses Problems noch deutlicher spüren und dass Vernetzung. Deswegen brauchen wir die Ausdehnung wir, wenn wir ehrlich sind – gerade die letzten Beiträge, des Strafrahmens, deswegen die Zuständigkeit des auch mit dem juristischen Argumenten, von Herrn Bundeskriminalamtes und der Einsatz des ganzen Instru- Körper und Herrn Montag zeigen dies –, niemals eine mentariums, auch um Kommunikationsstrukturen zu hundertprozentige Lösung finden werden, übrigens auch überwachen. Wir brauchen auch die Telekommunika- nicht mit noch so vielen Forschungsmitteln, Herr Kol- tionsüberwachung und die Möglichkeit, in Räume einzu- lege Günther. Die Menschheitsgeschichte ist ein ewiger dringen. Wir müssen die Informationen auch entspre- Wettlauf zwischen solchen, die Gesetze verletzen wollen chend vernetzen. Ich sage das mit Blick auf andere und denjenigen, die versuchen, sie einzuhalten. Der frei- Debatten, die wir im Bereich der Innenpolitik noch füh- heitliche Staat läuft hinterher und nicht voraus; das ist so ren wollen. Wir müssen das ganze Instrumentarium ein- (B) gewollt. setzen, um diese hochkriminellen Strukturen bekämpfen (D) zu können. Deswegen ist es gut, dass wir uns darauf verständigt haben: Der Staat allein – die Staatsanwaltschaften, die Die Sportler, die Teil dieses Systems sind, sind von Strafverfolgungsbehörden, der Gesetzgeber – kann und diesem Strafrahmen erfasst, auch strafrechtlich. Der wird dieses Problem nicht lösen. Er braucht vielmehr die Sportler wird nicht privilegiert. Wenn er Teil des Sys- Unterstützung derjenigen, die im Sport Verantwortung tems ist, ist auch er Täter. Die Einbeziehung des Sport- tragen. Deswegen ist es richtig und gut, dass wir dies ge- lers ist notwendig. meinsam machen, deswegen ist diese Partnerschaft keine Kumpanei, sondern das richtige Verständnis einer Ich möchte eine weitere Bemerkung machen. Der freiheitlichen Lebens- und Gesellschaftsordnung. Kollege Riegert hat am Anfang der Debatte eine sehr be- denkenswerte Frage aufgeworfen, die wir aber nicht be- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) antworten können, sondern die der Sport selbst, auch auf Die einfachen Lösungen sind alle gefährlich. internationaler Ebene, beantworten muss. Wenn man be- rücksichtigt, welch kleine Rolle Doping auf der Tagung Frau Kollegin Kunert, Sie haben für die Linksfraktion des Internationalen Olympischen Komitees gespielt hat, gesagt, das Übermaß des Kommerzes verursache das. weiß man, dass wir noch viel Arbeit vor uns haben. Es gab und gibt auf der Welt Sportsysteme, die gar nicht Klaus Riegert hat gefragt: Gibt es Sportarten, in denen viel mit Kommerz zu tun haben, die staatlich gelenkt man ohne den missbräuchlichen Einsatz von leistungs- sind. Man kann aber nicht behaupten, dass in diesen Sys- fördernden Mitteln, also ohne Doping, gar nicht in der temen nicht gedopt worden sei. Weltspitze mithalten kann? Wenn es die gibt, müssen wir (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der daraus Konsequenzen ziehen. FDP – Zurufe von der LINKEN) Wir können das nicht definieren, nicht als Gesetzge- Ich sage das ganz zurückhaltend, weil die andere Seite ber und nicht als Politiker. Auch in diesem Zusammen- manchmal genauso zu Überheblichkeiten neigt. Ursache hang brauchen wir die Zusammenarbeit mit denen, die ist nicht allein der Kommerz. Der ist zwar auch mit ur- im Sport Verantwortung tragen. Wahr ist: Wenn das sächlich, aber man kann beim besten Willen nicht sagen, Prinzip des Wettbewerbs im Sport, im Leistungssport dass in staatlich gelenkten Systemen, in denen es nicht diffamiert wird, weil das nur noch Schmu ist, weil es nur um den Kommerz ging, nicht gedopt wurde. Das ist noch Missbrauch gibt und er nur noch gesundheitsschäd- nämlich nicht wahr. Vielleicht ist die Neigung des Men- lich ist, dann verliert der Sport das Großartige, was ihn schen nach Maßlosigkeit die Ursache. Das können wir ausmacht und was er bewahren muss. Die freiheitliche 11088 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble (A) Organisationsform des Sportes kann das viel besser ge- Dagmar Freitag (SPD): (C) währleisten als jedes staatlich gelenkte System. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Trotz aller Kritik aus den Reihen der Opposition: Wir neten der SPD und der FDP) leiten mit dem heutigen Gesetzentwurf durchaus einen Paradigmenwechsel ein. Heute ist es so – das sage ich Ich bin mir mit den Verantwortlichen im deutschen insbesondere in Richtung der Fraktion der Grünen –, Sport, auch im deutschen Radsport, auch mit dem Präsi- dass man den Dealer, das heißt den Besitzer von uner- denten des Bundes Deutscher Radfahrer, völlig einig. In laubten Substanzen, mehr oder weniger auf frischer Tat diesem Jahr findet die Straßenweltmeisterschaft in ertappen muss. Herr Kollege Montag, nur als Beispiel Stuttgart statt. Wir werden die Tour de France und alles, der Fall Springstein. Herr Springstein ist nicht verurteilt was damit zu tun hat, genau beobachten. Die Straßen- worden, weil man bei ihm zu Hause Dopingsubstanzen weltmeisterschaft in Stuttgart bietet eine Möglichkeit für gefunden hat, und zwar in einer erheblichen Menge, er einen Neuanfang – das ist vielleicht die letzte Chance für ist verurteilt worden aufgrund der nachgewiesenen Ab- den professionellen Radsport –, eine Möglichkeit, den gabe von Dopingsubstanzen an Minderjährige. Es ist Sport mit unserer Hilfe aus diesem Sumpf zu befreien. nicht richtig, dass Sie sagen: Der Besitz allein ist heute Die Politik kann das nicht alleine leisten. Bund, Land schon strafbar. Nein, Sie müssen die Personen beim und die Stadt Stuttgart sind da in enger Abstimmung. Handel, bei der Weitergabe, beim Inverkehrbringen, er- wischen. Das ist der entscheidende Unterschied. Ich Wir stimmen uns auch mit den Verantwortlichen des denke, Sie sollten sich einfach einmal das Springstein- Radsportes ab. Ich werde am Montag mit den Präsiden- Urteil zu Gemüte führen. Dann sind wir an dieser Stelle ten des deutschen und des internationalen Radsportes einer Meinung. sprechen. Nein. Das ist die letzte Chance. Darüber muss man reden. Ich weiß noch gar nicht, ob wir das hinrei- Dieser Gesetzentwurf ist ein Fortschritt. Es soll an chend sicherstellen können. Deswegen sage ich ganz dieser Stelle ruhig noch einmal erwähnt werden: Auch klar: Wir werden sehr genau beobachten, was während die Grünen – gemessen an der ungeheuren Zahl ihrer öf- der Tour de France passiert. Das ist das letzte große in- fentlichen Erklärungen zu diesem Thema sind sie ja die ternationale Ereignis vor der Straßenweltmeisterschaft. vermeintlich größten und besten Dopingbekämpfer aller Danach werden wir entscheiden. Das muss jeder wissen. Zeiten – sehen in ihrem Antrag keine Form einer Besitz- Es wäre jammerschade. strafbarkeit vor. Kollege Hermann musste einräumen, dass das in dieser Fraktion nicht mehrheitsfähig war. Ich sage Ihnen voraus: Die Debatte konzentriert sich im Augenblick zu sehr auf den Radsport. Das ist not- Daraus folgt: Diese Regelung, die – auch das soll ein- (B) wendig und richtig. Aber es sollte niemand glauben, dass mal erwähnt werden – übrigens die Koalitionsfraktionen (D) sie sich auf den Radsport beschränkt. Deswegen machen in den Gesetzentwurf der Bundesregierung eingebracht wir die strengen Untersuchungen in allen Bereichen, haben, wäre mit Ihrer Fraktion, Herr Kollege Hermann, denn Steuergelder können wir dafür nicht einsetzen. Da definitiv nicht machbar gewesen. Von daher täte ein we- sind wir uns alle einig. nig mehr Bescheidenheit bei der Bewertung unserer Maßnahmen gut. Deswegen bedanke ich mich. Ich glaube, diese De- batte zeigt, dass wir mit dem Gesetzentwurf, den wir (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ heute verabschieden, nicht alle Probleme lösen. Das CSU und der FDP) kann der Gesetzgeber nie. Aber er kann einen wichtigen Beitrag leisten und klarmachen: Wir geben das Großar- Lassen Sie mich kurz einen Blick auf die NADA wer- tige im Sport nicht auf. Wir vertrauen darauf, dass frei- fen. Nennen wir sie ein Sorgenkind, das nach wie vor heitliche Gesellschaften, die wissen, dass es hundertpro- nicht aus dem Gröbsten heraus ist. zentige Lösungen nicht gibt, besser in der Lage sind, (Detlef Parr [FDP]: So ist es!) Missstände zu korrigieren, und dass der Prozess von try and error auch da funktioniert. Aber ein Neuanfang ist in Sicht. Es ist eine Gemein- Deswegen ermutigen wir den Sportler und nehmen schaftsaufgabe – ich betone das an dieser Stelle aus- ihm seine Verantwortung nicht weg, indem wir sagen, drücklich –, die Arbeit der NADA zu unterstützen. Der dass wir das jetzt allein machen. Denn das können wir Bund wird in den kommenden Jahren wesentlich mehr nicht. Wir leisten vielmehr unseren Beitrag und fordern Geld zur Finanzierung der NADA bereitstellen, obwohl das andere ein. Wir werden mit diesem Problem noch – das ist an dieser Stelle nicht unwichtig – es eigentlich weiter zu tun haben. nicht die originäre Aufgabe des Bundes ist, hier eine Art institutionelle Förderung aufzubauen. Aber der unbe- Herzlichen Dank. strittenen Notwendigkeit folgend stellen wir uns dieser Aufgabe in Zeiten, in denen andere weiterhin vornehme (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Zurückhaltung üben oder sich ihrer Einmalzahlungen neten der SPD) rühmen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Schlussendlich muss die NADA die Aufgaben, die ihr Jetzt spricht Dagmar Freitag für die SPD-Fraktion. übertragen sind, auch leisten können. Wir werden nach Kräften dazu beitragen, dass sie dies auch zukünftig (Beifall bei der SPD) kann. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11089

Dagmar Freitag (A) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Detlef Parr [FDP]: Um diese Differenzen ging (C) es dabei nicht, Frau Kollegin!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenden wir uns einmal der medizinischen Abteilung des Sports zu. Was Herr Kollege Parr, das schlichte Infragestellen bestimm- ist eigentlich die Aufgabe von Ärzten? Volkstümlich ter Normen haben Sie mit folgendem Hinweis abgebü- ausgedrückt besteht sie darin, Krankheiten zu heilen, gelt – ich zitiere –: Die Befürworter geringerer Normen aber auch darin, Krankheiten nach Möglichkeit zu ver- sollten konsequenterweise ganz auf eine Entsendung von hindern. An dieser Stelle frage ich: Kann man als Arzt Athleten verzichten und sich auf Dorfsportfeste konzen- die aktive Teilnahme an der Verabreichung von Doping- trieren. substanzen, ohne den Eid des Hippokrates zu verletzen, guten Gewissens damit begründen, dass man diese Wi- (Detlef Parr [FDP]: Ich meinte damit dras- derwärtigkeiten nur deshalb medizinisch begleitet, um tische Einschnitte!) beispielsweise Spätfolgen unkontrollierten Dopings zu Lieber Herr Kollege, sauberen Athletinnen und Athleten, verhindern, dass man also angeblich sogar etwas Gutes die hart für ihre Ziele – bei manchen.sind es sogar noch tut? Wir sagen dazu ganz eindeutig Nein. Träume – trainieren, müssen solche Bemerkungen wie Jüngste Stellungnahmen von Medizinern und Dopern blanker Hohn vorkommen. legen diese unerträgliche Lesart allerdings nahe. Doping (Beifall bei der SPD) und Beihilfe widersprechen zutiefst dem ärztlichen Be- rufsethos. Daher ist zu überlegen – das ist eine Anre- Noch ein Wort zur Kollegin Kunert. Frau Kunert, gung –, ob sich dies nicht auch in der Musterberufsord- nach wie vor steht die öffentliche Äußerung Ihres Frak- nung der Ärzte widerspiegeln sollte. Damit sich Haus- tionsmitgliedes Nešković im Raum, dass Dopingmittel und Fachärzte, die Athleten im Krankheitsfall bestimmte einfach freigegeben werden sollten. Solange Sie das Arzneimittel verschreiben, nicht länger auf Unwissen- nicht widerrufen und sich nicht öffentlich davon distan- heit berufen können, ist es auch richtig, dass Warnhin- zieren, müssen Sie es uns nachsehen, dass wir Ihren An- weise nicht nur in die Beipackzettel, sondern auch in die trag als Lyrik bezeichnen. Wenn Ihnen diese Bezeich- sogenannten Fachinformationen aufgenommen werden. nung nicht passt, Frau Kollegin, kann ich ihn auch inhaltsleer nennen; vielleicht gefällt Ihnen dieser Aus- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) druck besser. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Zeit der (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Lippenbekenntnisse ist vorbei. Gefragt ist ein grundle- gender Mentalitätswechsel in Sport, Politik und Gesell- Die vorgelegten Regelungen sind besser und gehen (B) schaft. weiter als all das, was bislang im Gesetz steht. Wir hof- (D) fen gemeinsam, dass alle an der Dopingbekämpfung be- Was ist Erfolg? Welcher Sportler, welche Sportlerin teiligten Institutionen und Personen den Ernst der Lage ist in der heutigen öffentlichen Wahrnehmung erfolg- erkannt haben. reich? Saubere Sportler von heute sehen sich Fabelrekor- den aus längst vergangenen testfreien Dopingzeiten aus- (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gesetzt. Die Sportler wissen, dass sie diese Leistungen NEN]: Die Hoffnung stirbt zuletzt, Frau Kolle- vermutlich nie erreichen, geschweige denn verbessern gin!) können. Ähnliches gilt für manche Qualifikationsnor- Sollten wir nämlich zu der Erkenntnis kommen – dazu men, die für die Teilnahme an Weltmeisterschaften oder brauchen wir vermutlich keine fünf Jahre –, dass die Olympischen Spielen zu erreichen sind. Ist ein Sportler, Staatsanwaltschaften ihre Ermittlungen weiterhin – las- der eine solche Qualifikationsnorm knapp verfehlt, ein sen Sie es mich so sagen – mit großer Zurückhaltung be- Versager? Wir sagen: Nein. treiben, kommen sehr schnell neue Stichworte auf die (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Tagesordnung der politischen Diskussion. Wer eine Qualifikation nur um wenige Zentimeter Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. oder Bruchteile von Sekunden verpasst, gehört jeden- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) falls nach unserem Verständnis immer noch zur erweiter- ten Weltspitze. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie Bevor ich die Debatte schließe, gebe ich das Wort zu des Abg. Detlef Parr [FDP] – Winfried einer Kurzintervention der Kollegin Kunert für die Frak- Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: tion Die Linke. Warum streicht der DLV dann nicht all die Do- pingweltrekorde?) Katrin Kunert (DIE LINKE): – Ich freue mich über Ihren Beifall, Herr Kollege. – Sol- Frau Kollegin Freitag, ich habe hier für die Fraktion chen Leistungen gebührt Respekt und Anerkennung. Die Linke zu unserem Entschließungsantrag gesprochen. Oder doch nicht? Sind solche Athleten bestenfalls reif Wenn Sie sich wegen Wortäußerungen oder Wortmel- für Dorfsportfeste? Wenn ich Aussagen aus den Reihen dungen oder wegen eines Interviews mit dem Kollegen der FDP richtig interpretiere, muss ich feststellen, dass Nešković auseinandersetzen wollen, können Sie das Sie eindeutig dieser Auffassung sind. gerne tun. Aber ich bin nicht seine persönliche Spreche- 11090 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Katrin Kunert (A) rin. Wie gesagt: Dieser Antrag ist ein Mehrheitsbe- gen? – Der Entschließungsantrag ist bei Zustimmung (C) schluss der Fraktion; insofern muss ich hier für nieman- durch die FDP, Gegenstimmen der Koalition und Enthal- den sprechen. tung bei Der Linken und Bündnis 90/Die Grünen abge- lehnt. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Frak- tion Die Linke auf Drucksache 16/5941? – Gegenstim- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: men? – Enthaltungen? – Dieser Entschließungsantrag ist Zur Antwort, Frau Freitag, bitte. bei Zustimmung durch Die Linke, Gegenstimmen durch die Koalition und Enthaltung bei Bündnis 90/Die Grü- nen und FDP ebenfalls abgelehnt. Dagmar Freitag (SPD): Sehr geehrte Frau Kollegin, es ist schon ein bemer- Wir setzen die Abstimmung über die Beschlussemp- kenswerter Vorgang, dass Sie diese öffentliche Äuße- fehlung des Sportausschusses auf Drucksache 16/5937 rung, die Ende Mai in der „Welt“ nachzulesen war – ich fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner glaube, es war der 27. Mai –, abtun, dass Sie tun, als ob Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der es sie nie gegeben hätte. Was spricht dagegen, Frau Kol- Fraktion der FDP auf Drucksache 16/4738 mit dem Titel legin, dass sich die Fraktion Die Linke öffentlich von „Bekämpfung des Dopings im Sport vorantreiben und dieser unsäglichen, menschenverachtenden Äußerung Optimierungsmöglichkeiten ausschöpfen“. Wer stimmt des Linke-Abgeordneten Nešković distanziert? Auf für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – diese Frage, Frau Kollegin Kunert, habe ich bis heute Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist bei Zu- keine Antwort bekommen, auch von Ihnen nicht. stimmung durch die Koalition, Gegenstimmen der FDP und Enthaltung bei Bündnis 90/Die Grünen und Die (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Linke angenommen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Unter Buchstabe c empfiehlt der Ausschuss die Ab- Ich schließe die Aussprache. lehnung des Antrags der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/4166 mit dem Titel „Be- Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- kämpfung des Dopings im Sport“. Wer stimmt für diese desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport. Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Ko- (B) Der Sportausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner alition und der FDP und Gegenstimmen von Bündnis 90/ (D) Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/5937, den Die Grünen, bei Enthaltung der Fraktion Die Linke an- Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache genommen. 16/5526 in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion des Bündnis- Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 35 b bis 35 f ses 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst abstimmen. sowie die Zusatzpunkte 7 a bis 7 c auf: Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 35 b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst 16/5938? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist Friedrich (Bayreuth), Jan Mücke, Patrick Döring, der Änderungsantrag bei Zustimmung von Bündnis 90/ weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Die Grünen und Gegenstimmen im übrigen Haus abge- lehnt. Mehr Park- und Stellplätze für Lkw auf Bun- desautobahnen Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um ihr Hand- – Drucksache 16/5278 – zeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist Überweisungsvorschlag: der Gesetzentwurf in zweiter Beratung bei Zustimmung Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) durch die Koalition, Gegenstimmen durch Die Linke Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie und Enthaltung bei Bündnis 90/Die Grünen und FDP an- Haushaltsausschuss genommen. c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst Dritte Beratung Friedrich (Bayreuth), Jan Mücke, Patrick Döring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Neues Verkehrssicherheitskonzept für Bun- Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetz- desautobahn 12 zusammen mit dem Land entwurf in dritter Beratung mit dem gleichen Stimmen- Brandenburg umsetzen verhältnis wie zuvor angenommen. – Drucksache 16/5611 – Wir stimmen jetzt über die Entschließungsanträge ab. Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) Wer stimmt für den Entschließungsantrag der FDP auf Innenausschuss Drucksache 16/5942? – Gegenstimmen? – Enthaltun- Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11091

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (A) d) Beratung des Antrags des Abgeordneten Patrick b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hartwig (C) Döring, Hans-Michael Goldmann, Michael Fischer (Göttingen), Eckart von Klaeden, Anke Kauch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Eymer (Lübeck), weiterer Abgeordneter und der der FDP Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Toxische Rückstände in Transport-Contai- Brunhilde Irber, Gert Weisskirchen (Wiesloch), nern – Herausforderung für Arbeits- und Ver- Niels Annen, weiterer Abgeordneter und der brauchersicherheit Fraktion der SPD – Drucksache 16/5612 – Demokratische Entwicklung Simbabwes un- terstützen – Arbeit der internationalen Nicht- Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) regierungsorganisationen ermöglichen Ausschuss für Wirtschaft und Technologie – Drucksache 16/5907 – Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales Auswärtiger Ausschuss (f) Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Rainder Steenblock, Nicole Maisch, c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heidrun weiterer Abgeordneter und der Fraktion des Bluhm, Katrin Kunert, Dr. Gesine Lötzsch, weite- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN rer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN Antifoulingabkommen unverzüglich ratifizie- Humboldt-Forum statt Fassadenschloss – ren Schlossplatz mit Zukunftsorientierung – Drucksache 16/5777 – – Drucksache 16/5922 – Überweisungsvorschlag: Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f) Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Kultur und Medien Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Haushaltsausschuss Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Es handelt sich um Überweisungen im vereinfach- Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ten Verfahren ohne Debatte. f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heike Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an (B) Hänsel, Wolfgang Gehrcke, Monika Knoche, die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu (D) weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LIN- überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der KEN Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Deutsche Kolumbien-Politik auf die Stärkung Ich rufe auf die Tagesordnungspunkte 36 a bis 36 r, ziviler Friedensinitiativen und der sozialen, die Zusatzpunkte 8 a bis 8 k sowie den Tagesordnungs- demokratischen und Menschenrechte ausrichten punkt 17 b. Es handelt sich um Beschlussfassungen zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. – Drucksache 16/5678 – Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 36 a: Überweisungsvorschlag: Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Beratung der Fünften Beschlussempfehlung und Entwicklung (f) des Berichts des Wahlprüfungsausschusses Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu 27 gegen die Gültigkeit der Wahl zum ZP 7a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Laurenz 16. Deutschen Bundestag eingegangenen Wahl- Meyer (Hamm), Dr. Heinz Riesenhuber, Veronika einsprüchen Bellmann, weiterer Abgeordneter und der Frak- – Drucksache 16/5700 – tion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Rainer Wend, Martin Dörmann, Dr. Ditmar Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Staffelt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Es ist verabredet, dass der der SPD Vorsitzende des Wahlprüfungsausschusses das Wort zur Berichterstattung erhalten soll. Herr Kollege Strobl, Sie Die Zukunft der deutschen Luftfahrtindustrie haben das Wort. sichern – Drucksache 16/5908 – Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Überweisungsvorschlag: Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f) Kollegen! Sie entscheiden heute über die Fünfte Be- Finanzausschuss schlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses. Sie Ausschuss für Arbeit und Soziales betrifft 27 von ursprünglich 195 gegen die Gültigkeit der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Bundestagswahl 2005 eingelegte Wahleinsprüche. Wenn Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Tourismus Sie der Empfehlung des Ausschusses folgen und die Ein- Haushaltsausschuss sprüche zurückweisen, ist die Wahlprüfung für die 11092 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Thomas Strobl (Heilbronn) (A) 16. Wahlperiode abgeschlossen, jedenfalls im Hinblick lichen Verhandlung abgesehen werden kann, wenn der (C) auf den Deutschen Bundestag. Denn in einigen Fällen, Einspruch offensichtlich unbegründet ist. Dabei konnte über die der Deutsche Bundestag bereits entschieden hat, sich die Ausschussmehrheit, auf die seit der 8. Wahl- haben die Einspruchsführer von ihrem Recht Gebrauch periode praktizierte und vom Bundesverfassungsgericht gemacht, Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesver- gebilligte Auslegung des Wahlprüfungsgesetzes stützen. fassungsgericht einzulegen. Gleichwohl bestand im Ausschuss Einigkeit darüber, Gegenstand dieser Verfahren sind die Kandidatur von dass es grundsätzlich unbefriedigend ist, auch rechtlich Mitgliedern der WASG auf den Landeslisten der Links- komplexe Fälle als offensichtlich unbegründet einzustufen. partei, der Einsatz von elektronischen Wahlgeräten, die Nicht nur bei juristischen Laien – seien es Einspruchsführer Nachwahl in Dresden im Oktober des Wahljahres und oder Teile der interessierten Öffentlichkeit – können so schließlich die im Zusammenhang mit Überhangmanda- Missverständnisse und Irritationen hervorgerufen werden. ten auftretende Besonderheit des sogenannten negativen Deshalb hat der Wahlprüfungsausschuss eine fraktions- Stimmengewichts, das – vereinfacht gesagt – bedeutet, übergreifende Initiative zur Änderung der einschlägigen dass man der Partei seiner Wahl unter Umständen da- Bestimmungen des Wahlprüfungsgesetzes angeregt und durch schaden kann, dass man ihr seine Zweitstimme auch ausformuliert. Künftig soll in Anlehnung an die für gibt. das Bundesverfassungsgericht geltenden Bestimmungen Weitere bedeutende Themen der Wahlprüfung wa- des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes eine mündliche ren zum einen die Verwechslung der Stimmzettel bei der Verhandlung nur noch dann durchgeführt werden, wenn Versendung der Briefwahlunterlagen an die Wähler der davon eine weitere Förderung des Verfahrens zu erwarten beiden Dortmunder Wahlkreise, die zur Ungültigkeit der ist. betroffenen Stimmen geführt hat. Zum anderen war die Ich plädiere übrigens dafür, dass wir diesen gemein- Kritik vieler Einspruchsführer, dass bei der vorgezoge- sam gefundenen Text konsequent im Deutschen Bundes- nen Neuwahl 2005 genauso viele Unterstützungsunter- tag einbringen und eine Änderung des Wahlprüfungsge- schriften für Wahlvorschläge beizubringen waren wie setzes in diesen Punkten rasch herbeiführen. bei einer regulären Bundestagswahl, ein Thema. Damit ist eine weitere wesentliche Funktion der Diese Auflistung von Themen macht deutlich, was Wahlprüfung angesprochen. Zum einen und zuvörderst das Kennzeichen der Wahlprüfung der 16. Wahlperiode geht es natürlich darum, die rechtmäßige Zusammen- war: nicht so sehr eine große Zahl von Einsprüchen, da- setzung des Parlaments zu prüfen. Zum anderen geht für aber eine Vielzahl diffiziler Rechtsfragen mit weitrei- es aber auch darum, die bei dieser Prüfung gewonnenen chenden Folgen. Wäre zum Beispiel in der Kandidatur (B) Erfahrungen für eine Verbesserung des geltenden Rechts (D) von WASG-Mitgliedern auf den Listen der Linkspartei und seiner Anwendung nutzbar zu machen. ein Wahlfehler gesehen worden, hätte dies unweigerlich die Feststellung der Ungültigkeit der Wahl zum Diesem Anliegen dienen die in der Beschlussempfeh- 16. Deutschen Bundestag und Neuwahlen zur Folge ge- lung enthaltenen und an die Bundesregierung gerichteten habt. Prüfbitten. Wie Sie sehen, werden dort die bedeutenden Themen der Wahlprüfung erneut aufgegriffen, diesmal Vor diesem Hintergrund ist die sachliche Atmosphäre, jedoch mit Blickrichtung auf künftige Wahlen. De lege die bei den Beratungen im Ausschuss herrschte, ebenso ferenda wollen wir so zu Verbesserungen unseres Wahl- hervorzuheben wie die Tatsache, dass im Hinblick auf rechts und der Wahlrechtspraxis beitragen. das Ergebnis der Entscheidungen durchweg Konsens be- stand. Dissens gab es lediglich im Hinblick auf die ver- Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich mich bei fahrensmäßige Behandlung einiger Einsprüche. Bei ei- den Kolleginnen und Kollegen im Wahlprüfungsaus- nigen großen Themen – wie der Nachwahl in Dresden schuss für die kollegiale und konstruktive Zusammenar- und den Listen der Linkspartei – hielt es die Fraktion beit herzlich bedanken. Bündnis 90/Die Grünen für unangemessen, die jeweili- Ich bitte Sie, der Beschlussempfehlung des Wahlprü- gen Einsprüche ohne öffentliche mündliche Verhandlung fungsausschusses zuzustimmen. zurückzuweisen. Besten Dank. Sie hätte der Bedeutung dieser Einsprüche gern durch eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beteili- (Beifall bei der SPD, der FDP und der LIN- gung der Einspruchsführer Rechnung getragen. Für die KEN) Ausschussmehrheit indessen war ausschlaggebend, dass zwar schwierige Rechtsfragen zu entscheiden waren, in Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: tatsächlicher Hinsicht jedoch kein weiterer Aufklärungs- Der Beifall macht deutlich, dass das gesamte Haus für bedarf bestand. Ferner hätte eine mündliche Verhand- die Arbeit des Ausschusses dankbar ist. lung zu einer Verzögerung der Entscheidung des Bun- destags geführt, was letztlich nicht im Interesse der Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Be- Einspruchsführer gelegen hätte. schlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses auf Drucksache 16/5700. Wer stimmt für diese Beschluss- Aus diesen Gründen wurde auf eine mündliche Ver- empfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das handlung verzichtet. Die Rechtsgrundlage hierfür bildet ist nicht der Fall. Damit ist die Beschlussempfehlung § 6 des Wahlprüfungsgesetzes, wonach von einer münd- einstimmig angenommen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11093

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (A) Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschluss- (C) ßungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen empfehlung auf Drucksache 16/5935, den Gesetzent- auf Drucksache 16/5943. Wer stimmt für diesen Ent- wurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/5336 an- schließungsantrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – zunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf Der Entschließungsantrag ist bei Zustimmung des Bünd- zustimmen wollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen? – nisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Koalition Enthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig und der FDP sowie bei Enthaltung durch Die Linke ab- angenommen. gelehnt. Tagesordnungspunkt 36 d: Tagesordnungspunkt 36 b: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre- Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- zur Umsetzung des VN-Übereinkommens vom derung des Waffengesetzes 13. April 2005 zur Bekämpfung nuklearterro- – Drucksache 16/1991 – ristischer Handlungen Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus- – Drucksache 16/5334 – schusses (4. Ausschuss) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus- – Drucksache 16/5924 – schusses (6. Ausschuss) Berichterstattung: – Drucksache 16/5936 – Abgeordnete Berichterstattung: Michael Hartmann (Wackernheim) Abgeordnete Siegfried Kauder (Villingen Schwen- Hartfried Wolff (Rems-Murr) ningen) Petra Pau Dr. Peter Danckert Jörg van Essen Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschluss- Sevim Dağdelen empfehlung auf Drucksache 16/5924, den Gesetzent- Jerzy Montag wurf des Bundesrates auf Drucksache 16/1991 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschluss- dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen empfehlung auf Drucksache 16/5936, den Gesetzent- wollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Ent- wurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/5334 an- haltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Be- zunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf (D) (B) ratung bei Zustimmung durch die Koalition, die FDP zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegenstim- und das Bündnis 90/Die Grünen und Gegenstimmen men? – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf in durch die Fraktion Die Linke angenommen. zweiter Beratung und einstimmig angenommen. Dritte Beratung Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem und Schlussabstimmung. Diejenigen, die dem Gesetz- Gesetzentwurf zustimmen wollen, aufzustehen. Gegen- entwurf zustimmen wollen, mögen sich bitte erheben. – stimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetzent- Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetz- wurf mit dem gleichen Ergebnis wie vorher angenom- entwurf auch in dritter Beratung einstimmig angenom- men. men. Tagesordnungspunkt 36 c: Tagesordnungspunkt 36 e: Zweite Beratung und Schlussabstimmung des Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre- von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes eines Gesetzes zu dem Internationalen Über- zu dem Europäischen Übereinkommen vom einkommen der Vereinten Nationen vom 26. Mai 2000 über die internationale Beförde- 13. April 2005 zur Bekämpfung nuklearterro- rung von gefährlichen Gütern auf Binnen- ristischer Handlungen wasserstraßen (ADN) – Drucksache 16/5336 – – Drucksache 16/5389 – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus- Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- schusses (6. Ausschuss) ses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung – Drucksache 16/5935 – (15. Ausschuss) Berichterstattung: – Drucksache 16/5789 – Abgeordnete Siegfried Kauder (Villingen Schwen- Berichterstattung: ningen) Abgeordneter Peter Hettlich Dr. Peter Danckert Jörg van Essen Der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwick- Sevim Dağdelen lung empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Jerzy Montag Drucksache 16/5789, dem Gesetzentwurf der Bundes- 11094 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (A) regierung auf Drucksache 16/5389 anzunehmen. Diejeni- fehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Be- (C) gen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, mögen schlussempfehlung ist bei Zustimmung des gesamten bitte die Hand heben. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Hauses ohne Gegenstimmen bei Enthaltung der Fraktion Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen. Die Linke angenommen. Dritte Beratung Tagesordnungspunkt 36 h: und Schlussabstimmung. Diejenigen, die dem Gesetz- Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- entwurf zustimmen wollen, mögen sich bitte erheben. – richts des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetz- schaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu entwurf auch in dritter Beratung einstimmig angenom- dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Behm, men. Birgitt Bender, Ulrike Höfken, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ Tagesordnungspunkt 36 f: DIE GRÜNEN Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre- Landwirtschaftliche Krankenversicherung ab gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu 2009 weiter an Bundesmitteln zur landwirt- dem Protokoll vom 22. April 2005 zur Änderung schaftlichen Krankenversicherung beteiligen des Übereinkommens vom 11. Oktober 1973 zur Errichtung des Europäischen Zentrums für mit- – Drucksachen 16/5427, 16/5892 – telfristige Wettervorhersage Berichterstattung: – Drucksache 16/5577 – Abgeordnete Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- Waltraud Wolff (Wolmirstedt) ses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Dr. Edmund Peter Geisen (15. Ausschuss) Dr. Kirsten Tackmann Cornelia Behm – Drucksache 16/5773 – Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh- Berichterstattung: lung auf Drucksache 16/5892, den Antrag auf Abgeordneter Peter Hettlich Drucksache 16/5427 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltun- Der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwick- gen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen (B) lung empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Koalition gegen die Stimmen der Opposition und (D) Drucksache 16/5773, den Gesetzentwurf der Bundesre- ohne Enthaltungen angenommen. gierung auf Drucksache 16/5577 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. – Tagesordnungspunkt 36 i: Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetz- entwurf in zweiter Beratung einstimmig angenommen. Beratung der Beschlussempfehlung des Rechts- ausschusses (6. Ausschuss) Dritte Beratung Übersicht 7 und Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zu- über die dem Deutschen Bundestag zugeleite- stimmen will, möge sich erheben. – Gegenstimmen? – ten Streitsachen vor dem Bundesverfassungs- Enthaltungen? – Es gibt keine Enthaltungen und keine gericht Gegenstimmen. Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Beratung einstimmig angenommen. – Drucksache 16/5756 – Tagesordnungspunkt 36 g: Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Ge- genstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist die Beschluss- Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- empfehlung einstimmig angenommen. richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie (9. Ausschuss) zu der Verordnung der Wir kommen jetzt zu den Beschlussempfehlungen des Bundesregierung Petitionsausschusses. Neunundsiebzigste Verordnung zur Änderung Tagesordnungspunkt 36 j: der Außenwirtschaftsverordnung Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- – Drucksachen 16/5328, 16/5487 Nr. 2.1, 16/5709 – ausschusses (2. Ausschuss) Berichterstattung: Sammelübersicht 242 zu Petitionen Abgeordneter Rolf Hempelmann – Drucksache 16/5741 – Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie emp- fiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- Drucksache 16/5709, die Aufhebung der Verordnung tungen? – Die Sammelübersicht ist einstimmig ange- nicht zu verlangen. Wer stimmt für diese Beschlussemp- nommen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11095

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (A) Tagesordnungspunkt 36 k: Tagesordnungspunkt 36 p: (C) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- ausschusses (2. Ausschuss) ausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 243 zu Petitionen Sammelübersicht 248 zu Petitionen – Drucksache 16/5742 – – Drucksache 16/5747 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- tungen? – Die Sammelübersicht ist bei Gegenstimmen tungen? – Die Sammelübersicht ist bei Gegenstimmen durch die Linke und Enthaltung durch Bündnis 90/Die durch Bündnis 90/Die Grünen und die Linke und bei Zu- Grünen und bei Zustimmung aller übrigen Fraktionen stimmung der übrigen Kolleginnen und Kollegen ange- angenommen. nommen. Tagesordnungspunkt 36 l: Tagesordnungspunkt 36 q: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- ausschusses (2. Ausschuss) ausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 244 zu Petitionen Sammelübersicht 249 zu Petitionen – Drucksache 16/5743 – – Drucksache 16/5748 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltun- tungen? – Die Sammelübersicht ist einstimmig ange- gen? – Die Sammelübersicht ist bei Zustimmung durch nommen. Koalition und Bündnis 90/Die Grünen und Gegenstim- Tagesordnungspunkt 36 m: men durch die Linke und die FDP angenommen. Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Tagesordnungspunkt 36 r: ausschusses (2. Ausschuss) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Sammelübersicht 245 zu Petitionen ausschusses (2. Ausschuss) (B) – Drucksache 16/5744 – Sammelübersicht 250 zu Petitionen (D) Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- – Drucksache 16/5749 – tungen? – Die Sammelübersicht ist bei Gegenstimmen durch die Linke und Zustimmung der übrigen Fraktionen Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- angenommen. tungen? – Die Sammelübersicht ist bei Zustimmung durch die Koalition und Ablehnung durch die Opposi- Tagesordnungspunkt 36 n: tion angenommen. Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Zusatzpunkt 8 a: ausschusses (2. Ausschuss) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Sammelübersicht 246 zu Petitionen ausschusses (2. Ausschuss) – Drucksache 16/5745 – Sammelübersicht 251 zu Petitionen Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- – Drucksache 16/5911 – tungen? – Die Sammelübersicht ist bei Gegenstimmen durch die FDP und Zustimmung der übrigen Fraktionen Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- angenommen. tungen? – Die Sammelübersicht ist einstimmig ange- nommen. Tagesordnungspunkt 36 o: Zusatzpunkt 8 b: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- ausschusses (2. Ausschuss) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- ausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 247 zu Petitionen Sammelübersicht 252 zu Petitionen – Drucksache 16/5746 – – Drucksache 16/5912 – Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltun- gen? – Die Sammelübersicht ist bei Gegenstimmen Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- durch die Linke und Zustimmung der übrigen Fraktionen tungen? – Die Sammelübersicht ist ebenfalls einstimmig angenommen. angenommen. 11096 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (A) Zusatzpunkt 8 c: Zusatzpunkt 8 h: (C) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- ausschusses (2. Ausschuss) ausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 253 zu Petitionen Sammelübersicht 258 zu Petitionen – Drucksache 16/5918 – – Drucksache 16/5913 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltun- Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- gen? – Die Sammelübersicht ist bei Gegenstimmen tungen? – Die Sammelübersicht ist bei Gegenstimmen durch Bündnis 90/Die Grünen und die Linke und bei Zu- durch die Linke und Enthaltung von Bündnis 90/Die stimmung der übrigen Fraktionen angenommen. Grünen und bei Zustimmung der übrigen Fraktionen an- genommen. Zusatzpunkt 8 i: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Zusatzpunkt 8 d: ausschusses (2. Ausschuss) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Sammelübersicht 259 zu Petitionen ausschusses (2. Ausschuss) – Drucksache 16/5919 – Sammelübersicht 254 zu Petitionen Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- – Drucksache 16/5914 – tungen? – Die Sammelübersicht ist mit den Stimmen der Koalition und der Fraktion Die Linke gegen die Stim- Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltun- men von Bündnis 90/Die Grünen und FDP angenom- gen? – Die Sammelübersicht ist einstimmig angenom- men. men. Zusatzpunkt 8 j: Zusatzpunkt 8 e: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- ausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 260 Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- zu Petitionen ausschusses (2. Ausschuss) – Drucksache 16/5920 – Sammelübersicht 255 zu Petitionen Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- – Drucksache 16/5915 – tungen? – Die Sammelübersicht ist mit Zustimmung der (B) Koalition, bei Gegenstimmen der FDP und des Bündnis- (D) Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- ses 90/Die Grünen und bei Enthaltung der Fraktion Die tungen? – Die Sammelübersicht ist bei Gegenstimmen Linke angenommen. durch die FDP und sonstiger Zustimmung angenommen. Zusatzpunkt 8 k: Zusatzpunkt 8 f: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- ausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 261 ausschusses (2. Ausschuss) zu Petitionen Sammelübersicht 256 zu Petitionen – Drucksache 16/5921 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- – Drucksache 16/5916 – tungen? – Die Sammelübersicht ist mit Zustimmung der Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- Koalition und bei Gegenstimmen der Opposition ange- tungen? – Die Sammelübersicht ist bei Enthaltung durch nommen. die Linke und Zustimmung der übrigen Fraktionen ange- Tagesordnungspunkt 17 b: nommen.1) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord- Zusatzpunkt 8 g: neten Wolfgang Bosbach, Dr. Hans-Peter Uhl, Kristina Köhler (Wiesbaden), weiteren Abgeord- Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions- neten und der Fraktion der CDU/CSU sowie den ausschusses (2. Ausschuss) Abgeordneten Fritz Rudolf Körper, Maik Reichel, Klaus Uwe Benneter, weiteren Abgeord- Sammelübersicht 257 zu Petitionen neten und der Fraktion der SPD eingebrachten – Drucksache 16/5917 – Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mikrozensusgesetzes 2005 und des Bevölke- Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- rungsstatistikgesetzes tungen? – Die Sammelübersicht ist bei Gegenstimmen – Drucksache 16/5239 – durch Bündnis 90/Die Grünen und Zustimmung der üb- rigen Fraktionen angenommen. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus- schusses (4. Ausschuss) 1) Siehe Anlage 2 – Drucksache 16/5923 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11097

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (A) Berichterstattung: strumente für die Umsetzung dieser Ziele schlicht außer (C) Abgeordnetete Kristina Köhler (Wiesbaden) Acht gelassen werden. Maik Reichel Gisela Piltz (Beifall bei der FDP) Jan Korte Ich nenne als Beispiel den Energiemix und eine Zahl. Silke Stokar von Neuforn Es ist vereinbart worden, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschluss- 2020 um bis zu 40 Prozent zu senken. Dies ist, um das empfehlung auf Drucksache 16/5923, den Gesetzent- ganz klar zu sagen, ohne den Einsatz der Kernenergie wurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf nicht erreichbar, utopisch. Drucksache 16/5239 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, (Beifall bei der FDP – Marco Bülow [SPD]: die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Sie haben die Studie nicht gelesen!) Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Da- mit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung bei Zu- Die Folgen dieses Ausstiegs aus der Kernenergie wer- stimmung der Koalition und der FDP und bei Gegen- den der vermehrte Neubau von Kohle- und Gaskraftwer- stimmen des Bündnisses 90/Die Grünen und der Linken ken, damit ein erhöhter CO2-Ausstoß, erhöhte Energie- angenommen. kosten für Verbraucher und Unternehmen und eine vermehrte Abhängigkeit von Importen sein. Diese nega- Dritte Beratung tiven Folgen sind vor dem Hintergrund zu betrachten, und Schlussabstimmung. Wer zustimmen will, möge dass die Kanzlerin sehr richtig an dem Dreierkanon fest- sich bitte erheben. – Gegenstimmen – Enthaltungen? – gehalten hat, der aus Klimaschutz, Bezahlbarkeit von Der Gesetzentwurf ist in dritter Beratung mit dem glei- Energie, also Wirtschaftlichkeit, und Versorgungssicher- chen Stimmenergebnis wie vorher angenommen. heit besteht. Sie hat interessanterweise drei Szenarien durchrechnen lassen und diese mit Zahlen belegt. Ich Zusatzpunkt 9: nenne nur zwei. Aus den Studien geht hervor, dass durch den Verzicht des Einsatzes der Kernenergie bis 2020 Wahlvorschläge der Fraktionen der CDU/CSU, Mehrkosten von etwa 5 Milliarden Euro entstehen wer- der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜND- den. NISSES 90/DIE GRÜNEN Wahl der vom Deutschen Bundestag zu benen- Zweitens geht aus der Studie hervor, dass bei einem 50-prozentigen Anteil der Versteigerung von Emissions- nenden Mitglieder des Wissenschaftlichen zertifikaten ab 2013 wohl nur noch Gaskraftwerke gebaut Beratungsgremiums gemäß § 39 a des Stasi- werden. Das ist das Gegenteil von Stärkung der Wettbe- Unterlagen-Gesetzes (B) werbsfähigkeit, und es ist das Gegenteil einer Minderung (D) – Drucksache 16/5883 – der Importabhängigkeit des Standortes Deutschland. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen (Beifall bei der FDP) daher gleich zur Abstimmung. Wer stimmt für den inter- fraktionellen Wahlvorschlag auf Drucksache 16/5883? – Sie müssen die Frage beantworten, wie Sie diese Defi- Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist der zite beseitigen wollen. Wahlvorschlag einstimmig angenommen. (Vorsitz: Vizepräsidentin ) Jetzt rufe ich den Zusatzpunkt 4 auf: In der Wirtschaftsdebatte heute Morgen spielte auch Aktuelle Stunde die Investitionstätigkeit in Deutschland eine Rolle. auf Verlangen der Fraktion der FDP 1,3 Prozent des BIP werden in Deutschland investiert. Das ist die Hälfte des EU-Durchschnitts. Heute Morgen Ergebnisse des Dritten Energiegipfels der wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass der Standort Bundesregierung Deutschland mehr Investitionen braucht. Ich wiederhole: Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin Das ist richtig. Für mehr Investitionen brauchen wir, Gudrun Kopp für die FDP-Fraktion das Wort. liebe Mitglieder der rot-schwarzen Koalition, Investi- tionssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen. (Beifall bei der FDP) Vergessen Sie nicht: In Kraftwerke kann man auch au- ßerhalb des Standortes Deutschland investieren. Das Gudrun Kopp (FDP): heißt, wir geraten auch in Versorgungsdefizite, wenn wir Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren und Damen! nicht aufpassen und die drei Ziele, die ich eben genannt Angesichts der großen Bedeutung der Energiepolitik für habe, tatsächlich zueinanderführen. unseren Wirtschaftsstandort und für die Verbraucher im Ich bemängele ganz ausdrücklich, dass die Kanzlerin Land ist es, so glaube ich, notwendig, auf den Energie- den offenkundigen Konflikt zwischen den Ministern gipfel, der vor zwei Tagen stattgefunden hat, zurückzu- Gabriel und Glos einfach nur moderiert hat. Sie hat auf- blicken und zu schauen, was er gebracht hat. Die hohen gegeben, sie hat resigniert, und sie hat nicht das umge- Ziele wie Klimaschutz, Energiesparen und Energieeffi- setzt, was eigentlich ihre Pflicht gewesen wäre: darauf zienz mit all den Zahlen, die dort genannt und vereinbart zu drängen, dass hier ein in sich konsistentes Ener- wurden und die wir als FDP-Bundestagsfraktion vom gieprogramm tatsächlich aufgelegt wird. Grundsatz her unterstützen, bleiben schlicht und ergrei- fend unerreichbar und unbezahlbar, wenn wichtige In- (Beifall bei der FDP) 11098 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Gudrun Kopp (A) Was die Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraft- Es bedeutet, dass wir alle Anstrengungen zur Stärkung (C) werke angeht, hätte ich mir mehr Engagement und Ide- der Energieeffizienz, also zum Einsparen von Energie, enreichtum gewünscht. Wir schlagen in einem Antrag, unternehmen. Darüber sind wir uns wahrscheinlich alle über den im weiteren Verlauf der Sitzung debattiert wer- in diesem Hause einig. den wird, in Bezug auf die Steuervorteile, die sich durch (Beifall bei Abgeordneten der SPD) kürzere Abschreibungszeiten für Kernkraftwerksbetrei- ber ergeben haben, vor, dass die Kernkraftwerksbetrei- Ob wir das ambitionierte Ziel, 3 Prozent des bisherigen ber freiwillig vereinbaren, eine bestimmte Summe, näm- Energieverbrauchs einzusparen, erreichen, wird sich zei- lich ihren Steuervorteil, in eine Stiftung einzuzahlen, gen. Aber die bisherigen 0,9 Prozent sind eindeutig zu durch die Energieforschung befördert wird. Zudem sollte wenig. Das Ziel muss es sein, die 3 Prozent zu erreichen, auf der anderen Seite ermöglicht werden, dass kosten- um bis 2020 zu einer Einsparung in einer Größenord- günstig erzeugte Energie verkauft werden kann, sodass nung von 15 bis 20 Prozent zu kommen. beispielsweise Stadtwerke besonders günstige Energie kaufen können. Des Weiteren sagt dieses Szenario: Wir wollen wie bisher die erneuerbaren Energien ausbauen. Das bedeu- (Beifall bei der FDP) tet sehr dynamische Wachstumsraten mit zunehmenden Lösungsbeiträgen sowohl für den Klimaschutz, für die All das wäre zugunsten der Verbraucher und auch der Wirtschaftlichkeit als auch für die Versorgungssicher- Unternehmen an unserem Standort. Wir müssen unsere heit. Aber es sagt auch, dass wir, wie politisch beschlos- Wettbewerbsfähigkeit stärken. Das ist absolut erforder- sen und gesetzlich verankert, bis 2020 aus der Kernener- lich. gie aussteigen. Summa summarum bleibt für mich festzustellen: Dies Das zweite Szenario ist, aus der Kernenergie auszu- war ein Gipfel der Orientierungslosigkeit und der Unver- steigen, die Energieeffizienz genauso zu steigern und die bindlichkeit. In der Energiepolitik hat er uns nicht wei- erneuerbaren Energien massiv auszubauen, und zwar so tergebracht. massiv wie möglich. Danke sehr. Das dritte Szenario ist: Wir bauen die erneuerbaren (Beifall bei der FDP) Energien massiv aus, wir verbessern die Energieeffi- zienz, und wir verlängern die Laufzeit der Kernkraft- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: werke. Nächster Redner ist der Kollege Dr. Joachim Pfeiffer Das sind die drei Szenarien. Das sind die Fakten. für die CDU/CSU-Fraktion. Adam Riese lässt sich dort nicht betrügen. Was ist das (B) (D) Ergebnis? Wir können unsere Klimaschutzziele interna- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) tional und national erreichen. Unser nationaler Beitrag von 40 Prozent wird nicht nur erreicht, sondern sogar Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): mit 45 Prozent Reduktion der Treibhausgase bis 2020 Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten übererfüllt. Dies erreichen wir aber nur mit dem Szena- Damen und Herren! Frau Kopp, ich muss Ihnen wider- rio drei, indem wir also die Laufzeit der Kernkraftwerke sprechen, wenn Sie sagen, der Gipfel habe nichts ge- verlängern. bracht oder er sei durch Orientierungslosigkeit geprägt gewesen. (Zuruf von der FDP: So ist es!) (Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Kosten hat Das heißt, wir können das Klimaschutzziel nicht nur er verursacht!) erfüllen, sondern sogar übererfüllen, und das sogar wirt- schaftlich. Wir erreichen nämlich mit diesem Szenario Auf dem Gipfel sind in der Tat keine Beschlüsse gefasst geringere Kosten – Frau Kopp hat die Zahl genannt –, worden. Das war aber auch nicht die Aufgabe eines und zwar in einer Größenordnung von 5 Milliarden Euro solchen Energiegipfels. Das Parlament und die Bundes- pro Jahr. Jeder hier – auch der Bundesumweltminister – regierung sollten für sich in Anspruch nehmen, das appelliert, dass man für den Verbraucher und den Wett- Energieprogramm für Deutschland zu gestalten. Der bewerb etwas tun möge. Hier können wir etwas für die Energiegipfel hat wichtige Hinweise gegeben, wie wir Verbraucher und den Wettbewerb tun. Mit diesem Sze- dieses Energieprogramm und die Energiezukunft nario entlasten wir nämlich die Energieverbraucher, also Deutschlands und Europas gestalten können. die Haushalte, die Menschen und die Wirtschaft, in einer Größenordnung von 6 Prozent. Durch diesen Gipfel ist eine Basis geschaffen worden, auf der wir aufbauen können. Wir sollten in der Tat ein- (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: mal bei den Fakten verweilen; manchmal hilft nämlich Das will ich aber genauer wissen!) das Betrachten der Fakten beim Nachdenken über das Handeln. Diesbezüglich sollte insbesondere unser Koali- während wir bei den anderen Szenarien von einem An- tionspartner ein bisschen aufpassen. stieg um 5 Prozent ausgehen. Last, but not least leisten wir auch einen Beitrag zur (Marco Bülow [SPD]: Wir passen immer auf!) Versorgungssicherheit, denn wenn wir die erneuerbaren Wir haben eindeutig drei Szenarien. Wir haben zum ei- Energien massiv ausbauen – Beispiel ist jetzt die Strom- nen das im Koalitionsvertrag festgeschriebene Szenario. erzeugung –, dann können wir 30 bis 35 Prozent errei- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11099

Dr. Joachim Pfeiffer (A) chen, und wenn wir die Kernenergie weiterlaufen lassen, blick auf weltweit knapper werdende fossile Res- (C) dann sind es auch 30 Prozent. So erreichen wir dann sourcen beinhaltet. 70 Prozent CO -freie Stromproduktion, und die Import- 2 Was bedeutet das? Durch zunehmende Ressourcen- abhängigkeit wird nicht erhöht – das geschieht bei allen knappheit – neben rasant steigenden Energiepreisen – anderen Szenarien –, sondern sie wird sogar noch redu- vor allem internationale Konflikte und Kriege. In die ziert. wird Deutschland zunehmend hineingezogen, und das ist Lassen Sie uns die richtigen Schlüsse ziehen, und schlecht. zwar nicht ideologisch, sondern klar sachorientiert! An Für Konfliktprävention sehe ich bei der Bundesregie- erster Stelle steht die Energieeinsparung. Zweitens. Wir rung keine Priorität. Nach dem Verteidigungsweißbuch brauchen heute und in Zukunft einen Energiemix. Die 2006 will die Bundesregierung auf nationaler Ebene Si- Mischung macht’s nämlich. Drittens – darüber wurde bis cherheitsvorsorge durch präventives Handeln gewähr- jetzt zu wenig gesprochen; das ist auch ein eindeutiges leisten. Dabei sollen auch – hört, hört! – militärische Ergebnis des Gipfels – können wir eine Win-win-Situa- Mittel bis hin zu bewaffneten Einsätzen einbezogen tion bei der Erfüllung unserer Ziele beim Klimaschutz werden. Bei den G 8 und auf EU-Ebene zielt die Bun- und im Wirtschaftsbereich nicht nur für Deutschland, desregierung darauf ab, bestehende Märkte und die vor- sondern für die ganze Welt schaffen, indem wir nämlich handenen Energiestrukturen zu schützen. Dazu sollen die technologische Leistungsfähigkeit Deutschlands so- vorrangig bilaterale Beziehungen zu Förder- und Durch- wohl bei der Stromerzeugung – sei es bei den erneuerba- leitungsländern verstärkt werden, um den Zugang zu ren Energien, wo wir sehr gut aufgestellt sind, sei es fossilen Ressourcen zu sichern. Das alles ist das Gegen- durch Clean-Coal-Technologie, die vielleicht ab 2020 teil von Friedenspolitik. Das ist aggressiv und gefähr- auch wirtschaftlich zur Verfügung steht – als auch im lich. Gebäudebereich mit Einsparungen, Wärmedämmung und anderen Dingen sowie im Transportbereich nutzen. (Beifall bei der LINKEN) Mit dieser Strategie können wir ohne Ideologie nicht nur Außerdem heißt es im Koalitionsvertrag, man wolle in Deutschland Klimaschutz betreiben und einen welt- am Atomkonsens nicht rütteln. Was erleben wir hier? weiten Beitrag leisten, sondern wir können auch noch et- Täglich das Gegenteil, so auch heute Morgen. was für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts tun sowie Arbeitsplätze und eine gute Zukunft für Deutsch- (Widerspruch bei der SPD) land schaffen. Packen wir es also an! Die Energiestrategie soll nun auf Grundlage eines Gut- (Beifall bei der CDU/CSU) achtens entstehen, das die Bundesregierung beim Kölner Energie-Institut in Auftrag gab. Allerdings basiert das (B) (D) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Papier auf sehr einseitigen Annahmen. Die Klimaschutz- Der nächste Redner ist der Kollege Hans-Kurt Hill für ziele und eine sichere Versorgung sind danach – welch die Fraktion Die Linke. eine Überraschung! – am besten mit der Atomenergie er- reichbar. Dabei wurden die enormen Kosten und Gefah- (Beifall bei der LINKEN) ren der Atomenergienutzung aber komplett ausgeklam- mert. Hans-Kurt Hill (DIE LINKE): Einziger Rettungsanker für Minister Gabriel ist die Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Festlegung, die Energieeffizienz bis 2020 zu verdoppeln. Drei Gipfeltreffen – und die Bundesregierung ist wieder Nur dann wird das erreicht, was die Regierung plant, da, wo sie 2005 schon einmal war. Das ist das Ergebnis nämlich ohne die Atomkraft auszukommen. des dritten Gipfels. Man ist keinen Deut weitergekom- men. Was vor fast zwei Jahren im Koalitionsvertrag ver- Bei den erneuerbaren Energien lebt die Große Koali- abredet wurde, wollen Sie jetzt angehen. Wer das glaubt, tion völlig an der Realität vorbei. Dies erklärt auch, wa- wird selig. rum die Zukunftsenergien beim Gipfel am sogenannten Katzentisch abgefrühstückt wurden. Die Vorgaben aus Die Bürgerinnen und Bürger müssen währenddessen dem Koalitionsvertrag für das Jahr 2010 sind bereits für die Strom- und Gasrechnungen immer tiefer in die jetzt von der Branche übertroffen worden. Im Interesse Tasche greifen. Und was macht die Bundesregierung? der Verbraucherinnen und Verbraucher fordere ich Sie Sie lässt sich von den Bossen der Energiekonzerne an auf, endlich zu handeln und nicht den Stillstand zu regie- der Nase herumführen. Wir müssen miterleben, wie sich ren. die Minister Glos und Gabriel fast wöchentlich in die Haare geraten, anstatt endlich Energiepolitik umzuset- (Beifall bei der LINKEN) zen. Für die Linke ist der Weg klar: (Beifall bei der LINKEN) Erstens. Wir wollen die Energiewende, sozial fair und ökologisch. Ein genauer Blick in das Koalitionspapier zeigt, dass mit dieser Regierung kein Energiekonzept machbar ist. (Dr. Rainer Wend [SPD]: Friedlich!) Ich zitiere aus Ihrem Koalitionsvertrag: Zweitens. Deshalb setzen wir auf die clevere Nutzung Deutschland braucht ein energiepolitisches Ge- von Strom, Wärme und Kraftstoffen sowie den Ausbau samtkonzept, das eine Vorsorgestrategie im Hin- der erneuerbaren Energien. 11100 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Hans-Kurt Hill (A) Drittens. Das schafft Beschäftigung, Klimaschutz und für gesorgt, dass für Arbeitnehmer und Verbraucher eine (C) bezahlbare Energie aus heimischer Produktion. Menge herausspringt. Das ist, wie ich denke, ein inte- grierter Ansatz und entspricht auch genau dem Signal, Danke schön. das der Gipfel ausgesendet hat: Diese Art von Politik (Beifall bei der LINKEN) soll fortgesetzt werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: der CDU/CSU) Das Wort hat nun der Kollege Rolf Hempelmann für die SPD-Fraktion. Wir haben das auch im Zusammenhang mit einer Ver- ordnung zur Anreizregulierung getan, die in diesem Fall (Beifall bei der SPD) vom Wirtschaftsministerium erarbeitet worden ist und die ebenfalls zwei Zielen dient: Zum einen sorgt sie da- Rolf Hempelmann (SPD): für, dass die Kosten und damit auch die Preise in diesem Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle- Bereich sinken können, zum anderen stellt sie Versor- gen! Lieber Herr Hill, namentlich verkörpern Sie gera- gungssicherheit auf Basis einer hohen Qualität der Netze dezu den Energiegipfel der Linken. Die fünf Minuten durch entsprechende Investitionen her. haben aber auch gereicht, um all das darzustellen, was Ihnen zu dem Thema einfällt. Selbst das, was Sie an Kri- Ein weiteres Signal, das vom Gipfel ausgegangen ist, tik geäußert haben, zum Beispiel in Richtung erneuerba- lautet allerdings auch: Die Hausaufgaben sind noch nicht rer Energien, ist so weit von den Realitäten entfernt, dass gemacht. Wir sind erst dabei. man sich von dieser Seite nicht ernsthaft damit befassen (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- muss. NEN]: Das stimmt!) Bei der FDP hat man den Eindruck, als sei sozusagen Wir müssen diesen Kurs fortsetzen. Deswegen ist auch das Kernthema bzw. die Kernessenz dieses Gipfels, dass die Verständigung auf die Ziele, die etwa im Bereich der es unbedingt notwendig ist, die Laufzeit der Kernkraft- erneuerbaren Energien oder der Energieeffizienz erreicht werke zu verlängern. Wer den Gipfel ein wenig verfolgt werden sollen, besonders hervorzuheben. hat und die Verlautbarungen aus dem Gipfel heraus kennt, der wird sofort erkennen, dass die Reduzierung (Gudrun Kopp [FDP]: Die muss man auch der Botschaft dieses Gipfels genau auf diesen Punkt umsetzen können!) fehlgeht. Ich denke, dass die Botschaft wesentlich kom- Es ging aber nicht nur um Ziele, sondern es wurde plexer ist. auch klar angekündigt, dass das Kabinett bereits im Sep- (B) (D) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten tember, also im Frühherbst, konkrete Vorschläge vorle- der CDU/CSU – Gudrun Kopp [FDP]: Lassen gen wird, die wir dann hier im Parlament zu beraten ha- Sie doch einmal Ihre Botschaft hören!) ben. Insbesondere wird es dabei um ein Paket gehen, in dessen Mittelpunkt die Energieeffizienz steht. Ich nenne Der Energiegipfel hat eines sehr deutlich gemacht: Es hier die Stichworte KWK, Ausbau von Nah- und Fern- gibt eine große Einigkeit sowohl zwischen den beteiligten wärmenetzen, Weiterentwicklung des Gebäudesanie- politischen Kräften als auch der betroffenen Wirtschaft rungsprogramms, die Ökodesignrichtlinie und Mindest- und den Stakeholdern, dass wir eine Energiepolitik brau- standards für elektrische Geräte, Energieberatung und chen, die zugleich den Zielen Umweltverträglichkeit, vieles andere mehr. Insbesondere wird es auch um die Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit verpflich- Umsetzung der europäischen Energiedienstleistungs- tet ist. Ich glaube, dass das Tagesgeschäft, das ja im richtlinie gehen. Das wird ein großes Paket und stellt da- Deutschen Bundestag weitergelaufen ist, beweist, dass mit eine große Herausforderung dar. Aber wenn wir eine unsere aktuelle Politik genau diesen Zielen untergeord- Effizienzsteigerung von 3 Prozent jährlich bis zum Jahr net ist. 2020 schaffen, dann haben wir, wie ich glaube, einerseits Ich erinnere an drei große Projekte, die wir vorange- unsere Wirtschaft fit gemacht und andererseits ökolo- trieben haben. Da ist zum einen der Emissionshandel. Im gisch ehrgeizige Ziele erreicht. Zuteilungsgesetz ist, wie ich denke, sehr deutlich gewor- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten den, dass wir ambitionierte Klima- und Umweltpolitik der CDU/CSU) betreiben, Bei diesem Gipfel wurden manche Bedenken ausge- (Widerspruch bei Abgeordneten des BÜND- räumt. So hatten die energieintensiven Industrien Be- NISSES 90/DIE GRÜNEN) sorgnisse geäußert. Es ist aber deutlich geworden, dass dass wir aber gleichzeitig durch die Sicherung auch ei- sich die Effizienzstrategie nicht in erster Linie an die nes konventionellen Energiemixes dafür sorgen, dass richtet, die schon Effizienzanstrengungen unternommen auch die Versorgungssicherheit im Lande gewährleistet haben, sondern dass der Schwerpunkt genau in den Be- bleibt. reichen gesetzt wird, wo noch nicht so viel passiert ist und es deswegen hohe Potenziale gibt. Wir freuen uns Auch mit dem energetischen Gebäudesanierungspro- auf dieses Effizienzprogramm. Das wird uns, wie ich gramm erreichen wir die umweltpolitischen Zielsetzungen. denke, einen ganz wesentlichen Schritt voranbringen. Gleichzeitig haben wir im Sinne von Wirtschaftlichkeit, Schaffung von Arbeitsplätzen und Kostensenkungen da- Vielen Dank. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11101

Rolf Hempelmann (A) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (C) der CDU/CSU) und bei der FDP) Gestern habe ich den Staatssekretär gefragt, warum er Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: diesen Maßnahmenkatalog eigentlich nicht zum 30. Juni Nächste Rednerin ist die Kollegin Bärbel Höhn für an die EU weitergeleitet habe. Darauf hat er gesagt, die die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen. meisten anderen Staaten hätten das auch noch nicht ge- macht. Das finde ich eine tolle Erklärung. Offensichtlich reicht es der Bundesregierung schon, dass sie nicht Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schlusslicht in der EU ist. Ich dachte, Sie wollten beim Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Klimaschutz immer vorneweg sein. Der Energiegipfel hat in der Tat für Wirbel gesorgt. Dort wurde kräftig ausgeteilt. Da hat sich Rot mit Schwarz (Rolf Hempelmann [SPD]: Haben Sie Ihre Haus- angelegt. Da hat Gabriel mit Glos gekämpft. Da waren aufgaben immer pünktlich abgegeben?) die Energiekonzerne gegen die Politik. Der Umgangston Das kriegen Sie aber offensichtlich nicht hin, meine Da- hat uns einige neue Begriffe beschert. Die einen haben men und Herren. die anderen als Öko-Bolschewisten beschimpft; die an- deren haben mit „Wirtschaftsstalinisten“ zurückgekeilt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP) Das war in der Tat eine „Bereicherung“ der politi- schen Kultur in diesem Land. Es wurde geholzt. Es war Die zweite Frage ist der Atomausstieg. Dieser Punkt lautstark. Nur eines war es nicht: Es war kein Beitrag zu ist hier ja stark diskutiert worden: Atomausstieg, ja oder nein? Das ist ein Dauerstreit in dieser Koalition. Da einer zukunftsfähigen Klima- und Energiepolitik in die- muss ich sagen: Solange sich die Bundesregierung nicht sem Land. Das war es nicht, meine Damen und Herren. eindeutig und klar zum Atomausstieg bekennt, so lange (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden Investitionen in erneuerbare Energien und in de- und bei der FDP) zentrale Strukturen verhindert. Warum? Ziele sind gut. Aber wenn die entsprechenden (Zuruf von der CDU/CSU: Steter Tropfen Maßnahmen nicht kommen, dann sind Ziele nichts wert. höhlt den Stein!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Das ist das Problem. Deshalb sage ich Ihnen: Wir Marco Bülow [SPD]: Die kommen aber!) brauchen Planungssicherheit. Planungssicherheit be- steht darin, dass das einmal Beschlossene und Zugesagte Deshalb müssen wir Maßnahmen vorlegen. In diesem auch eingehalten werden muss. Das muss die Bundesre- (B) Sinne hat der Energiegipfel nichts gebracht – kein Be- gierung auch mit vollem Herzen unterstützen. Deshalb: (D) schluss, keine Maßnahmen, keine neuen Initiativen. Ja zum Atomausstieg. (Marco Bülow [SPD]: Das macht das Parla- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ment immer noch, Frau Kollegin!) Dann schauen wir uns einmal die Alternative an. Was Für die drängenden Fragen des Klimaschutzes hat dieser ist denn mit den alten AKWs? Pünktlich zu jedem Ener- Gipfel null und nichts gebracht. Das müssen wir feststel- giegipfel haben wir einen neuen Störfall. In diesem Fall war es Krümmel. Gestern haben wir erfahren, dass es len. eben nicht, wie Vattenfall gesagt hatte, ein kleiner Stör- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) fall war, sondern dass der Reaktor davon betroffen war. Letztes Jahr war es ein Beinahe-GAU im schwedischen Lassen Sie mich einmal die einzelnen Punkte durch- Forsmark, 20 Minuten an einem GAU vorbei. Der Chef gehen. Sie haben recht, Herr Pfeiffer; wir müssen die von Vattenfall hat damals gesagt: Wir müssen uns ent- Einzelpunkte in der Tat durchgehen. schuldigen, weil wir die Sicherheitskultur vernachlässigt Der Schwerpunkt dieses Gipfels war Energieeffi- haben, weil wir alkoholisierte Mitarbeiter hatten, weil wir falsch verlegte Kabel hatten und weil wir falsch ein- zienz. Die Bundesregierung spricht von 3 Prozent mehr gestellte Ventile hatten. Energieeffizienz pro Jahr. Auch wir als Grüne halten das für machbar; 3 Prozent sind ehrgeizig, aber durchaus er- Meine Damen und Herren, so sieht es mit den alten reichbar. AKWs aus. So sicher sind die AKWs von Schweden und von Deutschland! Wir wollen aus diesen alten AKWs Liebe Damen und Herren von der Großen Koalition, aussteigen, von nichts kommt aber nichts. Herr Hempelmann hat hier so schön erklärt, das große Maßnahmenpaket zur (Gudrun Kopp [FDP]: Sie haben ja viel Energieeffizienz komme im Herbst. Herr Hempelmann, abgeschaltet!) da sind Sie schon zu spät; denn tatsächlich hätten Sie ge- weil wir dieses Sicherheitsrisiko nicht mitmachen kön- nau dieses Maßnahmenkonzept, diesen Aktionsplan, am nen. 30. Juni der EU melden müssen. Und der 30. Juni ist vorbei. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Rolf Hempelmann [SPD]: Das läuft schon!) Deshalb sage ich Ihnen, Frau Kopp, und auch den ande- ren: Wenn Sie behaupten, Laufzeitverlängerungen Sie kommen mit Ihren Hausarbeiten nicht nach. brächten Preisminderungen für die Verbraucher, dann 11102 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Bärbel Höhn (A) haben Sie die Wirtschaftspolitik eindeutig nicht verstan- Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bun- (C) den. desminister für Wirtschaft und Technologie: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herren! Sehr geehrte Frau Höhn, ich erinnere mich an (Durchsage: Wegen eines Brandes ist das unsere gemeinsame Düsseldorfer Zeit. Da Sie als Erstes Rechenzentrum vollständig ausgefallen. Sie bei diesem Thema beklagen, dass eine lautstarke Aus- können lokal weiterarbeiten, aber Intranet und einandersetzung in der Großen Koalition stattgefunden E-Mail-Systeme sind nicht verfügbar. Wir sind hat, muss ich Ihnen bei allem Respekt entgegnen, dass bemüht, den Schaden schnellstmöglich zu be- Sie noch nie eine Meisterin des leisen Wortes waren. heben.) Ihre Bemerkung ist also vor diesem Hintergrund nicht verständlich. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Wir haben rechtzeitig gehandelt und den Energiegip- Ich konnte die Durchsage von hier oben aus nicht ver- fel richtig terminiert; denn er fand nach dem EU- und hindern. Ich bitte um Verständnis. nach dem G-8-Gipfel statt, die sich zum großen Teil mit den Themen Energie und Klima beschäftigten. Es war Frau Kollegin, ich habe Ihre Redezeit angehalten. Ich einfach klug, diesen Gipfel abzuwarten und den Energie- mache aber darauf aufmerksam, dass Sie langsam zum gipfel auf den dort gewonnenen Erkenntnissen aufzu- Schluss kommen müssen. bauen. Es war auch klug, auf den Energiegipfel nicht mit fertigen Ergebnissen zu gehen; denn es musste erst ein- Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): mal eine Basis hergestellt werden, auf der man nun kon- Gestern Brand in Krümmel und in Brunsbüttel und kret entscheiden kann. Genau das ist der Weg. heute im Rechenzentrum des Bundestages. Vielleicht ist Dass die Opposition meint, sie könne schneller han- es besser, auf dezentrale Systeme umzusteigen. deln, ist in Ordnung. Wenn Sie an der Regierung wären, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wären Sie möglicherweise noch langsamer. Im Übrigen, sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- Frau Höhn, haben wir vor der Großen Koalition im KEN) BMU von Ihren Effizienzstrategien nichts vorgefunden. Jetzt noch einmal zurück zum Wettbewerb. Die ver- (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: sprochenen Preissenkungen wird es natürlich nicht ge- Das stimmt nicht! Das wissen Sie auch! Sie ben, weil es keinen Wettbewerb gibt. Frau Kopp, auch haben es doch nicht umgesetzt!) Sie wissen das. Frau Merkel hat auf dem Energiegipfel Aus Ihrer Regierungszeit ist dazu nichts vorhanden ge- (B) (D) einen schweren Fehler gemacht. Sie hat nämlich gesagt: wesen. Deswegen sollten Sie sich ein wenig zurückhal- Die eigentumsrechtliche Trennung von Netz und Ener- ten. gieproduktion – das fordern wir –, wird von der Bundes- regierung nicht mehr unterstützt. Sie hat damit den (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Atomkonzernen auf dem Silbertablett etwas präsentiert, Was machen Sie denn? Zwei Jahre hatten Sie was nicht in Ordnung ist. Damit halten wir an überholten Zeit!) Strukturen fest, wozu die vier großen Energiekonzerne Wir wollen konkrete Maßnahmen ergreifen, die unab- gehören. Das Oligopol bleibt bestehen, was zu unfairen hängig davon, ob es eine Zukunft mit oder ohne Kern- und zu hohen Preisen beiträgt. Wir haben keinen Wettbe- energie geben wird, richtig und notwendig sind. Ich werb auf den Energiemärkten. Das ist das Problem für bitte, Folgendes zu bedenken: Es gibt unterschiedliche die Verbraucherinnen und Verbraucher. Bewertungen zwischen CDU/CSU und SPD in dieser (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frage. Obwohl wir in diesem Punkt unterschiedlicher sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Meinung sind, sind wir aber nicht so töricht, das, was Abg. Dr. Axel Berg [SPD]) jetzt getan werden muss, nicht mit aller Kraft in Angriff zu nehmen. Handeln ist das Gebot der Stunde. Letzte Bemerkung. Wir als Grüne haben anders als die Bundesregierung ein Maßnahmenpaket vorgelegt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Darüber werden wir morgen beraten. Ich appelliere an neten der SPD) alle Kollegen, dass wir in diesem Sinne gemeinsam nach Wer immer sich in dieser Frage bei den Wählern durch- vorne gehen. Wir müssen den Stillstand überwinden. setzt, wird sich erst später entscheiden. Bei einer Verlän- Wer die CO2-Emissionen um 40 Prozent reduzieren will, gerung der Erzeugung von Kernenergie fallen die An- der muss hier und heute Maßnahmen auf den Weg brin- strengungen, die unternommen werden müssen, gen und darf dies nicht auf später verschieben. vielleicht nicht so schwer wie im Falle ohne Kernener- gie. Darum dreht sich die streitige Diskussion, die wir Vielen Dank. miteinander führen. Die Frage ist nun, wie wir diesen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Prozess effizient steuern können. Wir haben uns ein unglaublich ehrgeiziges Ziel ge- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: setzt; da kann einem fast schon schwindelig werden. Wir Für die Bundesregierung hat nun der Parlamentari- haben uns eine Effizienzsteigerung um 3 Prozent pro sche Staatssekretär Hartmut Schauerte das Wort. Jahr vorgenommen. Das muss man doch realisieren. Ich Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11103

Parl. Staatssekretär Hartmut Schauerte (A) behaupte, dies ist das ehrgeizigste Klimaziel eines gro- der Wirtschaftsminister auf die Kunst der Ingenieure. Ich (C) ßen Industriestaates in der Welt. glaube, dass wir die Klimafragen ganz überwiegend mit Ingenieurleistung beherrschen werden können und be- (Gudrun Kopp [FDP]: Das Ziel ja, aber keine herrschen werden müssen. Dies ist die Stunde der Inge- Realisierung!) nieure. Da muss entwickelt werden, da müssen Innova- Das kann man nur verantworten, wenn an allen Ecken tionen gefunden werden. Da müssen wir die Bildung, die und Enden sorgfältig geschaut wird, wie wir diesen Pro- Erziehung und die Forschung an den Universitäten opti- zess akkordieren, wie wir ihn unter mehrfachen Effi- mieren. Hierzu haben wir eine Serie von Programm- zienzgesichtspunkten steuern. Das ist ein riskantes punkten gestartet, die man in einer Redezeit von neun Unternehmen. Wir können dabei Wachstum und Arbeits- Minuten gar nicht alle vorstellen kann. Das ist der eine plätze in Deutschland gefährden. wichtige Weg. (Gudrun Kopp [FDP]: Richtig!) Dann brauchen wir Steuerungselemente. Darauf kann man nicht ganz verzichten. Hier gibt es keinen ideologi- Deswegen sollten wir mit aller Aufmerksamkeit und schen Streit; das ist eine Frage des Mischungsverhältnis- hoffentlich möglichst wenig Streit vorgehen. ses zwischen den beiden Gestaltungsmöglichkeiten. In Die Industrie in Deutschland muss weiterhin wettbe- diesem Zusammenhang ist besonders wichtig: Diese bei- werbsfähig produzieren können. Die Verbraucher klagen den Methoden des Vorgehens müssen miteinander koor- über steigende Strom- und Energiekosten. Das sind doch diniert werden. Sie müssen widerspruchsfrei zueinander Klagen, die wir ernst nehmen. Wie gehen wir damit um? bestehen. Sie müssen wirkungsmächtig sein. Sie müssen Die eine Antwort lautet: mehr Effizienz beim Strom- auch immer wieder auf Effizienz untersucht werden: Ist und Energieeinsatz. Je mehr es uns gelingt – um es ein- die gesetzliche Regelungsmechanik wirklich effizient mal einfach zu sagen –, den Strom- und Energiever- und zielführend? Ist die ingenieurmäßige Entwicklung brauch zu reduzieren, desto günstiger wird die Rechnung effizient und zielführend? Deswegen bleibt in dieser für die Verbraucher. ganzen Debatte die Effizienz der Schlüsselbegriff in je- der Himmelsrichtung. Daran arbeiten wir. Ich denke, das (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: bekommen wir miteinander hin. Das ist eben falsch!) – Vorsicht, ich bin noch nicht fertig. Ich denke in Schrit- Wir planen ein wirtschaftlich tragfähiges Energie- ten; Sie denken ja immer nur im Ganzen. Das ist der effizienzgesetz, eine Rechtsetzung, in der wir Energie- Unterschied. effizienzfragen bündeln wollen. Dazu gehören die Regelungen, die im Rahmen der Umsetzung der EU- (B) (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Energiedienstleistungsrichtlinie notwendig sind. Wir (D) Im Ganzen zu denken, ist nicht falsch!) werden einen Energieeffizienzfonds einrichten, mit dem Da aber die Preisgestaltung im Rahmen der Energie- Energieeffizienzpotenziale bei kleinen und mittleren Un- erzeugung, zum Beispiel bei den regenerativen Ener- ternehmen schneller erschlossen werden sollen. Wir gien, teurer wird, wird die Energierechnung für den Ver- werden die bereits gestartete Exportinitiative im Hin- braucher möglicherweise nicht niedriger ausfallen. blick auf Energieeffizienz beschleunigen. Damit wollen Vielmehr wird er durch einen geringeren Verbrauch ei- wir Marktchancen und Absatzmöglichkeiten für deut- nen höheren Preis ertragen können, ohne deswegen wirt- sche Produkte entwickeln. Das alles gehört dazu. Es ist schaftliche Abläufe zu gefährden. Das ist doch die ei- ein unglaublich komplexer Bereich, in dem wir hier ar- gentliche Kernaufgabe, die wir zu lösen haben. Es wird beiten. nicht wirklich billiger werden. Wer dies den Menschen Mit einzelnen und schnellen Schlüssen kommen wir sagt, sagt etwas Falsches. Aber Energie wird unendlich nicht weiter. Ich glaube, eine sorgfältige Abstimmung viel teurer, wenn wir nicht in gleicher Geschwindigkeit der Instrumente – einige habe ich genannt – ist jetzt ge- die Energieeffizienz, die Energieproduktivität erhöhen. boten und vernünftig. Dann haben wir Chancen; denn Das sind die Schlüsselbegriffe, die wir miteinander in wir starten – das erkennen wir, wenn wir uns in der Welt Verbindung bringen müssen. umsehen – von einem technologisch und regulativ intel- Da ist das Wirtschaftsministerium mindestens so ge- ligenten Niveau. Auf diesem Niveau können wir im fragt wie das Umweltministerium. Es gibt Anreizsys- Wettbewerb standhalten. teme, Verordnungen und Vorschriften. Das ist die eine (Rolf Hempelmann [SPD]: Da haben wir gut Gestaltungsmöglichkeit, über die die Politik verfügt. Die vorgearbeitet!) andere Gestaltungsmöglichkeit ist jene über die Förde- rung von Erfindungen, über die technologische Erneue- – Der eine oder andere schon, Herr Hempelmann. Wir rung unserer Produktionsweisen und Prozessketten, all erfinden das Rad ja nicht jeden Tag neu. Auch wir haben dessen, was Teil des volkswirtschaftlichen und betriebs- hinzugelernt; das ist völlig unstreitig und auch in Ord- wirtschaftlichen Prozesses ist. nung. Es gibt ja keinen Bruch, sondern wir entwickeln uns evolutionär nach vorne. Um einmal einen kleinen Unterschied deutlich zu ma- chen, der zwischen den Ansätzen des Umweltministe- Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen: Wie riums und denen des Wirtschaftsministeriums besteht können wir unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes – vielleicht sehe ich zu große Unterschiede; ich würde den Energieverbrauch in Grenzen halten? Wir haben ei- mich freuen, wenn es nicht so wäre –: Im Zweifel setzt nen konkreten Vorschlag zur Novellierung des Kraft- 11104 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Parl. Staatssekretär Hartmut Schauerte (A) Wärme-Kopplungsgesetzes auf den Tisch gelegt, der (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ (C) sich genau mit diesem Thema beschäftigt und eine Lö- DIE GRÜNEN) sung anbietet. Wir sollten die Belastungen, die aus dem Ich finde es schon sehr bemerkenswert, dass die bei- EEG und dem KWK-Gesetz resultieren, zusammen be- den Minister, die sich aufführen, als wären sie in einer trachten, weil der Verbraucher von beidem betroffen ist. Soapopera, von der Kanzlerin den Auftrag bekommen Wir brauchen eine wirtschaftlich sinnvolle und effiziente haben, sich zusammenzusetzen und gemeinsam ein Kon- Ausgestaltung dieser Maßnahmen. Nur so können wir zept auszuarbeiten. Ich frage mich, was Sie in den letz- den wirklich anspruchsvollen Klimaschutzzielen gerecht ten Monaten getan haben. Spätestens seit dem EU-Gip- werden und die Belange der Wirtschaft und der Verbrau- fel im März – nicht erst seit dem G-8-Gipfel – sind die cher beachten. Das ist eine große Aufgabe. Lasst sie uns Hausaufgaben dieser Bundesregierung klar; seitdem ist möglichst gemeinsam anpacken! klar, welche Ziele umgesetzt werden müssen. Sie haben Herzlichen Dank. schlichtweg gepennt und sich nur öffentlich auseinan- dergesetzt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (Beifall bei der FDP – Rolf Hempelmann Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: [SPD]: Sie müssen auch mal ein bisschen lo- Nächster Redner ist der Kollege Michael Kauch für ben!) die FDP-Fraktion. Ich möchte auf eine Sache eingehen, die von der Kol- legin Höhn angesprochen worden ist, nämlich auf die Si- (Beifall bei der FDP) cherheit der Atomkraftwerke. Sie haben gesagt: Pünkt- lich zu jedem Energiegipfel haben wir einen Störfall. Sie Michael Kauch (FDP): haben dargestellt, dass möglicherweise mehr passiert ist, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu- als zunächst gesagt wurde; das werden die weiteren Un- nächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass ich es tersuchungen zeigen müssen. Sie haben dann – über sehr bemerkenswert finde, dass der für die Energiepoli- Schweden zu Deutschland – die Schlussfolgerung gezo- tik zuständige Minister es nicht für nötig hält, hier selbst gen, dass alle Kernkraftwerke in Deutschland nicht si- über den Energiegipfel zu berichten. Herr Schauerte, das cher betrieben werden können. Frau Höhn, wer war denn geht nicht gegen Sie persönlich, aber das Ministerium der Minister, der in den letzten Jahren die Atomaufsicht fährt hier die B-Besetzung auf, und das ist eine Missach- hatte? Das war Ihr Kollege Trittin. Wenn es bei diesen tung des Parlaments. Kraftwerken solche Sicherheitsprobleme gibt, wie Sie (Beifall bei der FDP – Klaus Uwe Benneter [SPD]: uns gerade erzählt haben, dann hat er seine Amtspflich- (B) Der eigentlich Zuständige ist doch da!) ten verletzt, weil er sie nicht stillgelegt hat. Wäre es tat- (D) sächlich so, hätte er sie stilllegen müssen. Aufgrund der öffentlichen Debatte könnte man ver- (Beifall bei der FDP) muten, Herr Gabriel sei zuständig. Mit großem Tamtam haben sich die Minister Gabriel und Glos in den vergan- An die Adresse unseres amtierenden Umweltminis- genen Tagen öffentlich untereinander und mit der Wirt- ters, der auch für die Atomaufsicht zuständig ist, möchte schaft gestritten, und zwar in einer Form, die – da muss ich sagen: Man kann das nicht so locker handhaben, wie ich der Kollegin Höhn widersprechen – nicht erfreulich, Sie es letzte Woche gemacht haben, und sich als zustän- sondern der Sache abträglich war. Ich finde, dass die bei- diger Minister in eine Pressekonferenz setzen und sagen: den Minister PR-Arbeit in eigener Sache betrieben ha- Unsere Kernkraftwerke sind die sichersten der Welt, ben, dabei aber in keiner Weise an die Zukunft unseres aber manchmal knallt und brennt es eben. – An dieser Landes gedacht haben. Stelle sage ich: Wenn die Störfälle so ernst sind, dass sie die Sicherheit der Menschen systematisch gefährden, (Beifall bei der FDP) dann müssen Sie diese Kraftwerke stilllegen. Ansonsten Bei diesem Gipfel ist rein gar nichts herausgekom- dürfen Sie nicht solche Bemerkungen machen, ohne die men. Das gilt für die Themen Klimaschutz, Energieeffi- Fälle vorher untersucht zu haben. zienz und erneuerbare Energien. Zum wiederholten Male (Beifall bei der FDP) werden uns von der Bundesregierung Überschriften bzw. Ziele präsentiert, aber keine einzige abgestimmte Maß- Auf diesem Energiegipfel gab es eine positive Aus- nahme. Auf dem Energiegipfel ist von dieser Koalition sage, nämlich dass die Kanzlerin sich klar dazu bekannt kein Problem gelöst worden. Sie sagen, Sie wollen er- hat, dass wir die CO2-Abscheidetechnologie in Deutsch- neuerbare Energien und die Kraft-Wärme-Kopplung för- land voranbringen müssen. Das ist wichtig; denn daran dern. Rund um den Energiegipfel und auf dem Energie- hängt die Frage, ob wir die Kohle in Deutschland in Zu- gipfel haben Sie aber nicht gesagt, wie Sie das tun kunft noch verantwortlich nutzen können. Letztendlich wollen. Sie haben kein Konzept zur Förderung erneuer- wird dies nur mit der CO2-Abscheidetechnologie gelin- barer Wärme auf dem Markt. Sie haben kein Konzept gen, also dadurch, dass wir Kohlekraftwerke bekommen, zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung. Es fehlen die kaum noch CO2 emittieren. Ich finde, das ist ein auch konkrete Ansätze, beispielsweise wie man unsere positiver Fortschritt in dieser Debatte. Aber was hat ges- solaren Spitzentechnologien in die Entwicklungsländer tern der Umweltstaatssekretär Müller im Umweltaus- bringen könnte. Zu all dem hat dieser Energiegipfel schuss gemacht? Er hat mit seiner Aussage wieder alles nichts als Sprechblasen produziert. relativiert, indem er darauf hinwies, es müsse geforscht, Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11105

Michael Kauch (A) geprüft und über die Vor- und Nachteile nachgedacht gierung bemühen, ein Urteil über den Energiegipfel ab- (C) werden. Nein, wir müssen jetzt gemeinsam die Anstren- zugeben. Man muss sich aber nur einmal ansehen, was gung unternehmen, dafür zu sorgen, dass wir die Kohle die Umweltverbände nach dem Energiegipfel gesagt ha- auch in den nächsten Jahrzehnten noch verantwortlich ben. Es gab zum Beispiel Interviews mit Vertretern von nutzen können. WWF und BUND. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: der CDU/CSU) Auch von anderen!) Herr Gabriel hat völlig recht: Es ist illusorisch, zu glau- Alle haben deutlich gemacht, dass das, was die Bundes- ben, aus der Kohle und der Kernkraft gleichzeitig aus- regierung beim Energiegipfel erreicht hat, deutlich mehr steigen zu können, wie die Grünen immer wieder be- ist, als sie für möglich gehalten haben. Wenn sie es als haupten. Erfolg feiern, dann sollten auch Sie sich das zu eigen machen und den Erfolg anerkennen. Vielen Dank. (Gudrun Kopp [FDP]: Was ist denn erreicht (Beifall bei der FDP) worden?)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Wenn Sie selbst in der Regierung wären, würden Sie Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Dirk diese Ergebnisse mit Stolz vertreten. Becker das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Gudrun (Beifall bei der SPD) Kopp [FDP]: Was denn für Ergebnisse? – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nennen Sie uns ein Ergebnis!) Dirk Becker (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nenne einmal einige Eckpunkte. Es gibt ein klares Zunächst darf ich mich bei der FDP sehr herzlich dafür Bekenntnis bedanken, dass Sie die Aktuelle Stunde heute beantragt (Gudrun Kopp [FDP]: Das reicht nicht!) haben; zum 40-Prozent-Ziel. In der Erklärung wurde deutlich (Gudrun Kopp [FDP]: Gerne!) betont, dass das 40-Prozent-Ziel für Deutschland gilt. denn Sie geben der Regierungskoalition damit die Gele- Wir haben weiter eine Effizienzsteigerung um 3 Prozent genheit, die wirklich erfolgreiche Arbeit, die beim Ener- pro Jahr bis 2020 vereinbart. Das Ziel des Ausbaus im (B) giegipfel geleistet wurde, noch einmal zu würdigen. Bereich der erneuerbaren Energien auf 27 Prozent gilt (D) ebenfalls; Sie sind bisher von 20 Prozent ausgegangen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Primärener- der CDU/CSU – Lachen bei der FDP) gie soll 16 Prozent betragen. Ein regelmäßiges Monito- Ich will eines sehr deutlich sagen, Frau Kopp und ring wurde vereinbart, um Jahr für Jahr zu überprüfen, Herr Kauch: Ich finde es abenteuerlich, dass nach dem ob wir noch in der Spur sind, um die Ziele zu erreichen. Energiegipfel Ihr Vertreter der Güteklasse A – er ist (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: heute bei der FDP ebenso wenig anwesend – Wo sind die Maßnahmen? Ohne Maßnahmen (Gudrun Kopp [FDP]: Da seien Sie einmal ist das alles nichts!) ganz vorsichtig! – Otto Fricke [FDP]: Welcher – Haben Sie ein bisschen Geduld! Ich habe noch zwei- denn jetzt? Wir haben so viele!) einhalb Minuten Redezeit. Ich werde noch auf die Maß- vor die Presse getreten ist und verkündet hat, nahmen eingehen. (Gudrun Kopp [FDP]: Da seien Sie mal ganz All das hat dazu geführt, dass bis zum Ende der Som- vorsichtig!) merpause im Kabinett ein Maßnahmenpaket mit der Überschrift „Klimaschutz und Energie“ beraten wird. Es dass die FDP enttäuscht sei. Für den Klimaschutz sei gibt ein Bündel von Maßnahmen. Ich will Ihnen nur drei nichts erreicht worden, die FDP sei doch die Klima- nennen, weil es sonst den Rahmen meiner Rede spren- schutzpartei. Ausgerechnet diese Fraktion ist die einzige, gen würde. die bei der Selbstverpflichtung der Mitglieder des Deut- schen Bundestages, etwas für den Klimaschutz zu tun, Erstens. Wir werden das Thema Kraft-Wärme-Kopp- nicht mitmacht. Überdenken Sie doch bitte schön einmal lung im Hinblick auf die Effizienzmaßnahmen explizit Ihr eigenes Handeln! aufgreifen. Der Kollege Pfeiffer hat bereits innerhalb der Koalition aufseiten der Union mit uns verhandelt. Ich (Beifall bei der SPD – Michael Kauch [FDP]: denke, in den Eckpunkten sind wir uns einig. Das ist doch absurd! – [FDP]: Das ist doch lächerlich! Haben Sie (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: auch etwas Ernsthaftes zu bieten? Haben Sie Ach was! Es wird doch gestritten in dem nur noch Witze auf Lager?) Punkt!) Ich möchte zum Urteil der Grünen etwas sagen, Frau – Es wird nicht gestritten, sondern es wird diskutiert, Kollegin Höhn. Ich will jetzt niemanden aus dieser Re- Frau Höhn. 11106 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Dirk Becker (A) (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: steuern und untersuchen, wie unsere Maßnahmen wir- (C) Ja, aber sehr lange! – Hans-Josef Fell [BÜND- ken. NIS 90/DIE GRÜNEN]: Allerdings! Wahr- Ihr Verhalten möchte ich mit einem Zitat von Victor scheinlich noch zwei Jahre lang!) Hugo beschreiben, der da sagte: Wir werden mit Blick auf die Kraft-Wärme-Kopplung Die Zukunft hat viele Namen. Für die Zögernden ist ein ambitioniertes Paket vorlegen. Ebenso werden wir sie das Unerreichbare. Für die Furchtsamen ist sie ein Paket erarbeiten, mit dem wir uns intensiv dem Wär- das Unbekannte. Für die Mutigen ist sie die memarkt widmen. Wir alle wissen, dass der Wärme- Chance. markt, was seine energiepolitische Bedeutung angeht, der größte Markt in Deutschland ist. Es wird nicht nur Die Große Koalition wird diese Chance nutzen. weitere Prüfungen steuerlicher Anreize oder möglicher Ich danke Ihnen. Verschärfungen der EnEV und der Betriebskostenver- ordnung geben, sondern auch ein Erneuerbare-Wärme- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Manfred Gesetz. Darüber werden wir nach der Sommerpause im Grund [CDU/CSU]) Deutschen Bundestag diskutieren. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nächster Redner ist der Kollege Franz Obermeier für Ach was! Das sind doch immer nur Ankündi- die CDU/CSU-Fraktion. gungen! – Zuruf von der LINKEN: Hoffent- lich!) (Beifall bei der CDU/CSU)

Der Bundesumweltminister hat heute den Erfahrungs- Franz Obermeier (CDU/CSU): bericht zum EEG vorgelegt. Ich denke, man kann ohne Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle- Wenn und Aber sagen: Das EEG ist eines der erfolg- gen! Was hat uns der Energiegipfel gebracht? Wo stehen reichsten Gesetze, die der Deutsche Bundestag verab- wir heute? Man kann es vielleicht so umschreiben: Er schiedet hat. hat uns klare Leitlinien in Bezug auf unser Ziel gebracht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hans- Hinsichtlich des Weges sind wir uns in der Großen Ko- Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: alition weitgehend einig. Dank wem?) (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wir werden dieses erfolgreiche Instrument weiterführen. NEN]: Aha! Das ist neu! Ich dachte, Sie strei- ten noch!) Ich möchte nur einige Beispiele anführen: Ich habe be- (B) reits darauf hingewiesen, dass die Zielerreichung für Mit den Unterschieden in den Nuancen sollten wir uns (D) 2010 bereits heute übertroffen ist, sodass wir die Aus- nicht so sehr beschäftigen. bauziele weiter anheben können. Bis heute konnten Ich möchte mich in den nächsten Minuten auf die 45 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Frage konzentrieren, welche Chancen eine zukunfts- 125 000 Menschen haben durch das EEG einen Job be- orientierte Energiepolitik für unser Land bietet. Von kommen. – Insgesamt gilt es, diese Instrumente beispiel- Chancen spreche ich deswegen, weil es uns gelingen haft weiterzuentwickeln. An dieser Stelle wären noch muss, die Umstellung der deutschen Energiewirtschaft viele weitere Effizienzmaßnahmen zu nennen. Wir wer- so zu gestalten, dass keine nachteiligen Wirkungen für den ein Gesamtpaket von Effizienzmaßnahmen ent- die Wirtschaft im Allgemeinen und für die guten An- wickeln. sätze in Richtung Wirtschaftswachstum entstehen. Wir Frau Kopp, weil Sie das Thema Atomenergie pushen müssen bestimmte Prozesse, die Kosten verursachen, wollten und mussten, haben Sie das Effizienzziel bis umdrehen. Darüber hinaus müssen wir dafür sorgen, 2020 grundsätzlich infrage gestellt. dass neue Technologien auf den Markt gebracht werden, damit wirtschaftlicher Nutzen entsteht. Das ist in den (Gudrun Kopp [FDP]: Nein! Nur ohne Kern- kommenden zwei Jahren die enorme Herausforderung energie!) für alle Energie- und Umweltpolitiker der Großen Koali- tion. – Ja, ohne Kernenergie. Sie haben es ohne die Kernener- gie als unerreichbar bezeichnet. Diesen Rahmen hat uns die Bundeskanzlerin in Form von klaren Leitplanken vorgegeben. Ich weiß nicht, wie (Gudrun Kopp [FDP]: Ja, das ist nicht realis- man auf den Trichter kommen kann zu sagen, dass der tisch!) Energiegipfel keine griffigen Ergebnisse gebracht habe. Eine Steigerung der Energieeffizienz um 3 Prozent pro Dazu will ich Ihnen Folgendes sagen: Bei den Prognosen Jahr ist nicht nur für die deutsche Ingenieurskunst, son- hinsichtlich der erneuerbaren Energien haben wir ähnli- dern auch für die gesamte Gesellschaft eine enorme He- che Erfahrungen gemacht. Damals haben viele gesagt: rausforderung. Es ist im Übrigen nicht nur für die Inge- Ihr werdet die Ziele, die ihr euch gesetzt habt, nie errei- nieure, sondern auch für die Biologen eine riesige chen. – Bereits heute wissen wir, dass wir viele unserer Herausforderung; denn wir werden auf dem Sektor der Ziele schon übertroffen haben. Ich denke, wenn wir die erneuerbaren Energien mit dem, was wir mittlerweile Technologien im Effizienzbereich in den nächsten zwölf mittels Biomasse erzeugen können, nicht auskommen. Jahren weiterentwickeln, werden wir unser Ziel errei- chen. Wir werden auch in diesem Bereich jährlich nach- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11107

Franz Obermeier (A) Potenziale gibt es genügend. Denken wir nur daran, sen in der Energiepolitik zu einem langfristigen, (C) welche Potenziale wir nutzbar machen würden, wenn es nationalen Energiepaket für den Zeitraum bis 2020 zu- uns gelänge, dass der Austausch der vorhandenen Elek- sammenzuschnüren. Das ist ein mutiges, ein wichtiges trogeräte – sowohl derer in den privaten Haushalten als Vorhaben, schon deswegen, weil wir im Angesicht des auch derer in den Betrieben, in den Produktionsunter- Klimawandels handeln müssen; eigentlich hätten wir nehmen – schneller vor sich ginge! schon vor 20 Jahren damit anfangen müssen. Trotzdem war dieses Vorhaben von Anfang an fast unmöglich zu (Gudrun Kopp [FDP]: Das ist aber ein biss- erreichen, weil die Interessen einfach zu sehr divergie- chen wenig!) ren. Das war übrigens unter Rot-Grün nicht einfacher. Denken wir an die Kraft-Wärme-Kopplung, in der natür- Dass das Ergebnis des Gipfels nicht nur Einigkeit und lich erhebliche Potenziale stecken! Dabei meine ich we- Harmonie ausstrahlt, ist deshalb nicht verwunderlich. niger die Fernwärmeversorgung, sondern das große Schön ist wiederum, dass es etliche hoffnungsvolle Potenzial bei der Prozesswärme. Wenn es uns gelingt Ansätze gibt. Lassen Sie mich deswegen kurz auf die öf- – wir müssen die Anreize entsprechend setzen –, dass fentliche Diskussion im Vorfeld eingehen. Dabei hat sich die Industrieunternehmen, die große Mengen Prozess- ja eines gezeigt, was durchaus interessant ist: Die nu- wärme brauchen, diese über Kraft-Wärme-Kopplung be- klear-fossile Energiewirtschaft wollte eigentlich gar kommen, haben wir schon viel erreicht. keine Einigung. Gebetsmühlenartig wurde wiederholt, (Beifall des Abg. [CDU/ dass die Szenarien, die das Kanzleramt hatte durchrech- CSU]) nen lassen, nicht machbar seien. Daran zeigte sich ihre wahre Absicht, die da lautet: Business as usual, bloß Oder denken wir an die großen Potenziale bei der Ge- keine Veränderungen. Die Bundesregierung hat dem wi- bäudesanierung! Ich sage in unserer Arbeitsgruppe im derstanden und sich nicht in die Ecke drängen lassen. Sie Ausschuss regelmäßig mit aller Deutlichkeit: Wir haben hat an den Klimaschutzzielen festgehalten und die Effi- immer noch mehr als 20 Millionen Wohnungen in zienzvorgaben aufrechterhalten. Das ist ein Erfolg, der Deutschland, die nicht der Energieeinsparverordnung nicht wegzureden ist. entsprechen. Angesichts dessen ist es ein sehr positives Ergebnis des Energiegipfels, dass die Mittel für das CO2- (Beifall bei der SPD) Gebäudesanierungsprogramm von 1,4 Milliarden auf ungefähr 3 Milliarden Euro erhöht werden. Das ist doch Es ist schon fast erpresserisch, dass die Atomkraft- etwas. Deswegen bin ich schon der Meinung, dass dieser werksbetreiber ihre Gesprächsbereitschaft beim Gipfel Energiegipfel des Schweißes der Edlen wert war. unterschwellig davon abhängig machen wollten, dass der Atomausstieg revidiert wird. Genauso verhält es sich (B) Ich komme zu den Reduktionszielen hinsichtlich der mit den permanenten und damit inflationären Drohun- (D) Mobilität. Ein Ergebnis des Energiegipfels ist, dass an- gen, ins Ausland abzuwandern, nur um den notwendigen gestrebt werden soll, dass Fahrzeuge maximal Strukturwandel zu umgehen. Diese ewige „business as 130 Gramm CO2 je Kilometer ausstoßen. Das ist eine usual“-Mentalität der großen Versorgungsunternehmen klare Definition, die für die deutsche Automobilwirt- gleicht einem Tanz auf dem Vulkan. Störfälle sind All- schaft eine große Herausforderung darstellt. Wir müs- tag, auch wenn es erfreulicherweise noch nicht bis zur sen, ohne Kollateralschäden zu verursachen, darauf hin- Kernschmelze kam. Den Müll überlässt man, wie üblich, arbeiten, dafür zu sorgen, dass dies für Neuwagen im den nächsten Generationen. Das ist der Hauptgrund, Flottenverbrauch gilt. weshalb wir aus der atomaren Verschwendungswirt- Ich habe den Eindruck, dass wir mit dem Klimagipfel schaft herauswollen. eine klare Orientierung bekommen haben. Es liegt jetzt (Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP: Ich am Parlament, es liegt an uns, die Energiepolitik ideolo- denke, Sie wollen das Problem jetzt endlich lö- giefrei, an den Fakten orientiert zu einem guten Ergebnis sen!) zu führen. Dass die Umsetzung ambitionierter Ziele auch in gro- Herzlichen Dank. ßen Versorgungsunternehmen machbar ist, beweisen (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeord- zum Beispiel „meine“ wunderbaren Stadtwerke in Mün- neten der SPD) chen; das ist ein riesiger Laden. Sie müssen den Strom aus ihrer Beteiligung am Atomkraftwerk Isar II inner- halb von – soweit ich weiß – 15 Jahren ersetzen. Da geht Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: es um 350 Megawatt; das ist eine große Menge Strom. Nun hat das Wort der Kollege Dr. Axel Berg für die Diese Leistung werden die Münchener nicht durch SPD-Fraktion. Kohle ersetzen. Sie sind dabei, sich alternative Lösungen (Beifall bei der SPD) zu erarbeiten; das finde ich klasse. Dabei kommt den Stadtwerken bei uns in München Dr. Axel Berg (SPD): die Strategie der Stadt entgegen, bis zum Jahr 2020 Einen fröhlichen guten Tag, Frau Präsidentin, liebe 20 Prozent der Stromproduktion aus erneuerbaren Ener- Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, dass das Vorha- gien zu gewinnen. Das ist ein ambitionierter Weg für ben der Kanzlerin auf dem Energiegipfel extrem ambi- eine Großstadt, der aber durchaus machbar ist. Stadt- tioniert war. Sie hat versucht, die divergierenden Interes- werke sollen bitte schön auch damit Geld verdienen, 11108 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Dr. Axel Berg (A) ihren Kunden das Sparen schmackhaft zu machen, statt Klima- und Energiepolitik, wie es die Kanzlerin so (C) immer nur darüber nachzudenken, wie man ihnen mehr schön formuliert, endlich umzusetzen. Es ist höchste Kilowattstunden verkaufen kann. Zeit, und wir sollten nicht noch mehr davon verlieren. Wir in München – entschuldigen Sie das Eigenlob – Abschließend muss ich auch sagen: Wenn es nicht mit versuchen gerade, eine lokale Stromstrategie für unsere den großen Energieversorgern geht, dann müssen wir Stadt in einem Klimaschutzbündnis hinzubekommen, in uns überlegen, wie es ohne sie geht. dem alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen der Stadt (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: vertreten sind. Solch ein guter Ansatz, der in einer Kom- Aber schnell!) mune funktioniert – jedenfalls hoffe ich, dass er funktio- nieren wird; es sieht aber gut aus –, kann doch auch in Mir wäre es aber lieber, es ginge mit ihnen. einem größeren Maßstab umgesetzt werden; die Systeme Ich danke Ihnen. sind doch vergleichbar. München versucht, eine Vorrei- tergroßstadt zu sein, und wird hoffentlich ein gutes Bei- (Beifall bei der SPD) spiel für andere Städte in Deutschland abgeben. Aber wir haben noch ein Problem: Ständig blockiert Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: die CSU. Ich verstehe das nicht ganz. Wir haben eben Nächster Redner ist nun der Kollege Andreas Herrn Obermeier gehört; das klang doch alles sehr ver- Lämmel für die CDU/CSU-Fraktion. nünftig. Warum blockieren dann noch so viele? In Mün- (Beifall bei der CDU/CSU) chen macht die CSU Front gegen die Stadtwerke; sie sol- len komplett weg. In den meisten unionsgeführten Städten sind die Stadtwerke schon privatisiert. Damit Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): verliert eine Stadt doch komplett ihren Einfluss und be- Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und gibt sich freiwillig in die Hand der Kartelle, die hier im Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer Wanderer Bundestag dann fröhlich beschimpft werden. ist, der weiß, wie schwierig es ist, den Gipfel eines ho- hen Berges zu erklimmen. Wenn man oben ist, ist man Im Bayerischen hat der Fraktionsvorsitzende manchmal ganz außer Puste und muss erst einmal wieder der CSU, Herrmann, in den vergangen Tagen – während tief Luft holen. des Energiegipfels! – gesagt, dass es mit der CSU keine Einigung ohne Kernenergie geben wird. Sie erpressen Es gibt natürlich sehr verschiedene Wege, wie man ei- vor lauter Ideologie sogar die eigene Kanzlerin, weil nen Gipfel erreichen kann. Genau das hat sich auch bei diese sich wiederum an den Koalitionsvertrag hält. Das dem Energiegipfel vor zwei Tagen gezeigt. Eines kann (B) ist schon eine irre Welt. Im Bund unterminiert die man, wie ich glaube, allerdings nicht tolerieren, nämlich (D) Unionsfraktion auch immer wieder die Klimapolitik der die Wortwahl vor dem Gipfel. Herr Kollege Gabriel, Sie Kanzlerin; wir haben Herrn Dr. Pfeiffer vorhin gehört. haben den Vorstandsvorsitzenden eines international agierenden deutschen Unternehmens als „Wirtschaftssta- Statt das Problem jetzt endlich einmal anzupacken, linisten“ bezeichnet. Ich glaube, diese Wortwahl stammt müssen wir permanent Diskussionen über Laufzeitver- aus der tiefsten Schublade. Wenn Sie vielleicht gar nicht längerungen führen. Die FDP sekundiert dabei und for- wissen, was ein Stalinist ist, weil Sie noch keinem be- dert stur Laufzeitverlängerungen. Sie sprechen von gegnet sind, dann sollten Sie sich entschuldigen. Wenn Missachtung des Parlaments, obwohl nur vier Leute von Sie aber wissen, was ein Stalinist ist, weil Sie vielleicht der FDP dieser Ansicht sind. Ohne „Staatsknete“, liebe doch schon einmal einen getroffen haben, dann sollten Freunde von der FDP, gäbe es weltweit kein Atomkraft- Sie sich erst recht entschuldigen. Wenn es in diesem werk. Sie bekämpfen damit einen langsam entstehenden Land nämlich einreißt, dass Leute, die eine andere Mei- Markt, als wären Sie von der Sowjetunion ferngesteuert. nung vertreten oder vorsichtig auf Probleme hinweisen, (Widerspruch bei der FDP – Dr. Joachim als Stalinisten bezeichnet werden, dann sind wir tief ge- Pfeiffer [CDU/CSU]: Jetzt wird es abenteuer- sunken. lich!) (Beifall bei der CDU/CSU – Bärbel Höhn Sie fordern das Gegenteil von Liberalität. Das ist ein [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorsichtig hat er nicht auf Probleme hingewiesen, sondern krasser Etikettenschwindel. Kriegen Sie sich am besten wieder ein und arbeiten Sie mit! mit dem Holzhammer!) Zum Gipfel selbst. Ich finde es am wichtigsten, dass (Zuruf von der FDP: Ich glaube, wir brauchen auf diesem Gipfel das Gleichgewicht zwischen Versor- dringend eine Sommerpause!) gungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträg- Das fände ich prima. Niemand von uns behauptet, dass lichkeit betont wurde. Wenn wir dieses Gleichgewicht es einfach wird. Aber ich habe größtes Vertrauen in das immer wieder vor Augen haben und darauf setzen, dann Potenzial unseres Landes und unserer Bevölkerung, die wird es in unserem Lande auch zu einer vernünftigen riesige Menschheitsherausforderung des Klimawandels Energiepolitik kommen. endlich in den Griff zu bekommen. Bei der Wirtschaftlichkeit geht es schließlich um den Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, aber Standort Deutschland und um die heutige, aber auch um auch von der FDP: Lasst uns bitte endlich ambitioniert die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit. Es nutzt unserem Rahmenbedingungen setzen, die notwendig sind, um die Land eben nicht unbedingt etwas, wenn wir zwar bei den Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11109

Andreas G. Lämmel (A) regenerativen Energien oder bei der Energieeinsparung Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (C) absolute Weltspitze sind, aber die höchsten Preise zahlen (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeord- müssen. Bei der Wirtschaftlichkeit geht es darum, das neten der SPD) Interesse der Verbraucher – hier geht es vor allem um die soziale Verträglichkeit der Energiepreise – und die In- teressen der Wirtschaft im Blick zu behalten. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Für die Bundesregierung erteile ich nun das Wort Wenn zwischen den Kosten der einzelnen Szenarien Herrn Bundesminister Sigmar Gabriel. – darauf wurde schon hingewiesen – eine Differenz von 5,3 Milliarden Euro pro Jahr besteht, dann lohnt es sich (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten doch, über die einzelnen Szenarien zu diskutieren; denn der CDU/CSU) das kann niemand aus der Portokasse zahlen. Ich habe gehört und in Pressemeldungen gelesen, dass man zum Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur- Beispiel im Bereich der Einspeisevergütungen schon schutz und Reaktorsicherheit: wieder große Umgruppierungen plant. Ich möchte noch Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn einmal deutlich machen: Für uns muss es bei dem Sub- ich verfolge, was die Opposition über den Energiegipfel ventionsrahmen, der jetzt besteht, bleiben. Wenn, dann und die Energie- und Klimapolitik sagt, dann kann ich kann man innerhalb dieses Rahmens umrangieren, wie gegenüber den Koalitionsfraktionen nur feststellen, dass man will, es darf aber zu keinen weiteren Belastungen wir eigentlich alles richtig gemacht haben müssen. Stel- der Energiepreise kommen. len Sie sich vor, die Opposition hätte uns heute gelobt; Zwei Dinge, die mich bei dem Energiegipfel sehr er- das wäre für uns schlimm gewesen. freut haben, möchte ich noch kurz ansprechen. Das erste Ich glaube, wir können beruhigt feststellen: Was wir Thema ist die Exportinitiative Energieeffizienz. Wir in diesem Bereich machen, gehört zu 100 Prozent auf die legen großen Wert darauf, unsere Technologien zu ex- Habenseite der Großen Koalition. portieren, auch die Kraftwerkstechnologie. Wenn alle Kraftwerke in Russland, China, Indien und sonst wo auf (Gudrun Kopp [FDP]: Was machen Sie denn?) der Welt mindestens den Standard deutscher Kraftwerke Herzlichen Dank an alle, die uns dabei unterstützt ha- hätten, dann wäre mehr für das Klima getan, als wenn ben! wir uns hier über ein Zehntel mehr oder weniger Ener- gieeffizienz unterhalten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – DIE GRÜNEN]: So einfach ist es nicht!) (B) Gudrun Kopp [FDP]: Das stimmt! – (D) Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wir sind – Doch, Frau Höhn, es ist leider – Parlamentsdebatten hier aber nicht im chinesischen Parlament, sollten ja eigentlich auch eine intellektuelle Herausfor- sondern im deutschen!) derung sein – heute sehr einfach, mit Ihnen umzugehen. Ich kann Ihnen berichten, wie zum Beispiel der BUND – Es geht aber um die Exportinitiative Energieeffizienz. und die Ökoenergiebranche den Energiegipfel bewerten: Ich denke, ich hatte das deutlich gemacht. Der Bund für Umwelt und Naturschutz und die Ökoener- Das zweite Thema ist die Energieforschung. Die Auf- giebranche haben die Ergebnisse des Energiegipfels von wendungen für die Energieforschung sind bis 2005 Bundesregierung und Wirtschaft begrüßt. kontinuierlich zurückgegangen. 2005 hatten wir den ab- (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: soluten Tiefpunkt erreicht. Das Ergebnis ist, dass die Dann lesen Sie auch mal DUH vor! Dann le- Forschung in verschiedenen Technologiebereichen nicht sen Sie mal alle anderen vor, die Sie kritisiert in dem Maße vorangetrieben worden ist, wie es notwen- haben!) dig gewesen wäre. – Die, die Sie sonst hier gerne zitieren, sagen: Das habt Ich glaube, wenn sich jetzt alle politisch Beteiligten ihr gut gemacht; wir kommen voran. – Das ist doch ein darauf einigen, die Energieforschung voranzutreiben, Ergebnis, über das Sie sich im Zweifel freuen sollten. dann werden wir nicht auf die Kohle verzichten müssen, die 50 Prozent der Stromerzeugung im Grundlastbereich (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) erbringt. Deshalb sind neben allen Beschlüssen, die Sie machen es uns auch deshalb einfach, Frau Höhn, heute diskutiert worden sind, gerade diese Punkte für weil Sie nicht mehr inhaltlich argumentieren, sondern mich sehr wichtig. Jetzt gilt es, aus diesen Beschlüssen sich langsam zu einer professionellen Anscheinserwe- das Programm zu schneidern, das die Kanzlerin im Sep- ckerin entwickeln. Denn wenn Sie feststellen, wir wür- tember vorlegen wird. den nichts tun, dann verschweigen Sie die 1,4 Milliarden Der Energiegipfel ist, um das noch einmal deutlich zu Euro für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Das machen, kein politisches Entscheidungsgremium. Der ist das Vierfache gegenüber Ihrer Regierungszeit. Sie Deutsche Bundestag ist das politische Entscheidungsgre- verschweigen, dass wir die erneuerbare Wärme mit mium. Deswegen ist es der richtige Weg, dass die Kanz- 80 Millionen Euro zusätzlich fördern, dass wir die Mittel lerin nach der Sommerpause das Energieprogramm für für Forschung und Entwicklung im Bereich erneuerbarer Deutschland vorlegen wird, über das wir dann im Bun- Energien verdoppelt und das Zuteilungsgesetz verab- destag diskutieren werden. schiedet haben. 11110 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Bundesminister Sigmar Gabriel (A) (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie ärgern sich doch einzig und allein darüber, Frau (C) Ja, aber nur auf Druck der EU!) Höhn – deswegen rufen Sie ständig dazwischen –, dass die Große Koalition bei diesem zentralen Thema Ihrer – Darauf habe ich gewartet. Sie sagen, auf Druck der Eu- Politik mehr zustande bringt, als Sie sich jemals zuge- ropäischen Union – einverstanden. Wir hatten vorge- traut haben. schlagen, den CO2-Ausstoß bei uns selber um 48 Millio- nen Tonnen zu senken. Jetzt sind es 57 Millionen Tonnen (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – geworden. Wissen Sie noch, was Sie geleistet haben? Sie Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: haben nur 2 Millionen Tonnen pro Jahr hinbekommen. Was haben Sie denn erreicht? Nichts!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der – Frau Höhn, seien Sie doch nicht so maulig. Wenn Sie CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE so in den Wald hineinrufen, dann gibt es auch eine Ant- GRÜNEN]: Das war Clement! Das wissen Sie wort, jedenfalls wenn ich die Möglichkeit habe, zu re- auch!) den. – Ich weiß, dass Sie das ärgert. Wir haben die Verdopplung der Energieeffizienz Wir haben eine Lernprobe hinter uns. Sie sollten aber vereinbart. Frau Höhn, wir haben 67 Maßnahmen dazu auch anerkennen, dass wir es im Gegensatz zu Ihnen ge- auf dem Energiegipfel vorgeschlagen. Der Kollege schafft haben und dass es gut ist, dass es jetzt funktio- Schauerte hat absolut recht: Es wäre für uns einfacher niert. gewesen, wenn wir die Akten hätten aufmachen und auf Vorschläge der Grünen hätten zurückgreifen können und (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: diese nur hätten einbringen müssen. Aber nichts war da. So einfach ist für Sie die Welt!) Erst der Energiegipfel hat entsprechende Vorschläge er- – Das ist doch die Wahrheit, Frau Kollegin Höhn. Ma- arbeitet. So viel zum Thema Energieeffizienz. Nicht nur chen Sie es uns doch nicht nur dadurch so einfach, dass reden, sondern auch etwas Konkretes auf den Weg brin- Sie versuchen, alles zu verschweigen, was Sie selber gen, Frau Kollegin Höhn! Das haben wir dort gemacht. nicht geschafft und was wir erreicht haben. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit dem Maßnahmepaket?) Wir werden den Kraftwerkspark modernisieren. Wir haben eine ganze Reihe dessen, was wir vereinbart ha- – Sie wollten doch wissen, was wir schon getan haben, ben, auf dem Energiegipfel durchgesetzt. Vorhin hat Frau Höhn. Sie haben uns hier vorgehalten, dass wir nur mich der Kollege, der für die CDU/CSU gesprochen hat, reden, ohne dass etwas passiert. Jetzt habe ich Ihnen vor- (B) kritisiert. Aber wenn jemand sagt: „Ich treffe mich nur (D) getragen, was wir bereits alles getan haben. Das ist we- dann mit der Regierung, wenn sie das macht, was ich sentlich mehr, als Sie in Ihrer Regierungszeit zustande von ihr will“, dann – so habe ich es gesagt – argumen- gebracht haben. tiert derjenige wie ein Wirtschaftsstalinist. Das meine (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: ich ganz ernst. Ich nehme übrigens Ihre Argumente Das EEG war viel besser!) ebenfalls ernst. Sie haben einen bestimmten politischen Erfahrungshintergrund und haben vorhin sinngemäß ar- – Sie verweisen auf das EEG. Es macht heute richtig gumentiert: Junge, pass auf; rede nicht von Dingen, von Spaß, Frau Höhn. Sie haben im Strombereich das Ziel denen du nichts verstehst! – Das finde ich in Ordnung. verfolgt, den Anteil der erneuerbaren Energien auf Aber nehmen Sie mich bitte beim Wort. Es kann nicht 20 Prozent zu erhöhen. sein, dass Industrievertreter sagen: Wir reden nur dann mit der Regierung, wenn sie macht, was wir wollen. – (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht nicht. Das stimmt doch nicht!) – Natürlich! Das haben Sie in die Koalitionsvereinba- (Beifall bei der SPD) rung aufgenommen, und Sie können es auch in Ihren Re- Übrigens habe ich mich mit Herrn Hambrecht getroffen. den nachlesen. Die Große Koalition hat das Ziel, den Es gab keine Probleme. Wir hatten vier Boxhandschuhe Anteil der erneuerbaren Energien im Strombereich auf mitgebracht und hatten trotzdem keine blauen Augen. 27 Prozent zu erhöhen. Das sind 7 Prozent mehr, als Sie Manchmal ist Politik keine Klosterschule; das ist wohl sich zugetraut haben, Frau Höhn. so. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Ich zitiere Erhard Eppler aus dem Jahr 1972: der CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Lesen Sie das doch einmal Weil über die Qualität des Lebens wie nie zuvor richtig! Sie verkennen die Fakten!) politisch entschieden werden muss, wird dies eine politische Epoche sein. Es wird gestritten werden Wir haben beim Energiegipfel das Ziel der Bundesre- um politische und gesellschaftliche Strukturen. Was gierung beibehalten, den CO -Ausstoß gegenüber 1990 2 hier getan werden muss, kann nur ein funktions- um 40 Prozent zu senken. Das haben Sie in Ihrer Regie- tüchtiger, ein starker Staat leisten. Ein Staat, der rungszeit nicht ansatzweise für möglich gehalten. nicht mehr wäre als ein lächerlicher Spielball von (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sonderinteressen, würde das Gemeinwohlinteresse Aber sicher! Wir schon, aber Sie nicht!) nicht wahrnehmen können. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11111

Bundesminister Sigmar Gabriel (A) Genau darum ging es beim Energiegipfel: nicht Ein- Wissen Sie, auch das gehört zur Wahrheit: Wir erle- (C) zelinteressen, sondern das Gemeinwohlinteresse an ben zurzeit eine Strompreiserhöhung, ohne dass wir alle Versorgungssicherheit, preiswerter Energie und Klima- Klimaschutzziele umgesetzt hätten und ohne dass wir schutz in den Mittelpunkt der Debatte zu stellen. Der aus der Kernenergie ausgestiegen wären. Das geschieht Energiegipfel ist deshalb ein Erfolg, weil exakt das das nur aus einem einzigen Grund, nämlich weil wir zu we- Ergebnis ist: Die Bundesregierung hat dafür gesorgt, nig Wettbewerb auf dem Strommarkt haben. dass das Gemeinwohlinteresse im Mittelpunkt steht. Das (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ist der Grund, warum der Energiegipfel ein Erfolg ist. der CDU/CSU) Wir haben uns nicht den Einzelinteressen, die vorher massiv auf uns einprügelten, hingegeben. Das ist der einzige Grund. Auch da leistet die Große Ko- alition wesentlich mehr, als vorangegangene Regierun- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten gen in diesem Bereich geleistet haben. der CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Mein Gott! Da klatscht ja (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) noch nicht mal Ihr Koalitionspartner!) Aus meiner Sicht gehört die Energie- und Klimapoli- Lassen Sie mich eine Bemerkung zur Kernenergie tik ungeachtet der Debatten, die wir sonst manchmal in machen. Ich glaube, dass das, was der Kollege Schauerte der Großen Koalition haben, eindeutig auf die Haben- gesagt hat, absolut richtig ist. Es wäre ein riesengroßer seite. Die Fortschritte, die wir machen, sind ein Riesen- Fehler, sich bei einem Teil der Energiepolitik, der um- erfolg. Anders als die Opposition im Deutschen Bundes- stritten ist, so zu verhalten wie das Kaninchen vor der tag respektiert das der Rest der Welt, der über Schlange, indem wir beim anderen Teil der Energiepoli- Klimaschutz verhandelt, und sagt: Wir können nicht tik, in dem wir viel bewegen können, nichts tun, weil wir mehr Mikado spielen. Die Europäer und die Deutschen uns in einer Frage nicht einig werden. Das umgekehrte gehen voran. Jetzt müssen auch wir uns bewegen. – Verfahren ist richtig. Genau das wurde beim Energiegip- Auch das ist ein Erfolg des Energiegipfels. Ich finde, wir fel gemacht. Wir haben uns um die Steigerung der Ener- können alle miteinander zufrieden sein. Wenn Sie es gieeffizienz, den Ausbau der erneuerbaren Energien und nicht sind, dann kann ich das verstehen, weil das Ihrer den Emissionshandel gekümmert. In diesen Zusammen- Rolle geschuldet ist. Objektiv aber hat das mit der Reali- hang gehören auch die GWB-Novelle und die Regelun- tät nichts zu tun. gen betreffend die Strompreise. Die offene Debatte über (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: die Kernenergie wird sicherlich weitergeführt. Erstaunt Nicht mehr als heiße Luft!) hat aber alle, dass die Atomenergie ganze 4 Prozent zum Klimaschutz beiträgt. Wenn wir bei der Energieeffizienz Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (D) (B) von 3 auf 2 Prozent heruntergegangen wären, hätte uns (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) das 11 Prozent gekostet. An diesem Vergleich sieht man, welche Bedeutung die Energieeffizienz hat und wie rela- tiv gering der Anteil der Kernenergie ist. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Das Wort hat nun der Kollege Philipp Mißfelder für Jeder kann natürlich an seiner Meinung festhalten. die CDU/CSU-Fraktion. Darüber wird sowieso noch öffentlich beraten. (Beifall bei der CDU/CSU) (Gudrun Kopp [FDP]: 50 Prozent Grundlast!) – Entschuldigung, Frau Kollegin Kopp, es ist Unfug Philipp Mißfelder (CDU/CSU): – wenn ich das so offen sagen darf –, zu behaupten, der Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen Beitrag der Kernenergie im Rahmen der Energiepolitik und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich die Gelegen- zum Klimaschutz liege bei 50 Prozent. Sie haben doch heit nutzen, unserer Bundeskanzlerin für die Ausrich- auf die Energieszenarien verwiesen und sozusagen mit tung des vergangenen Energiegipfels zu danken. Ich dem Streit begonnen. Dann müssen Sie aber auch sagen, glaube, der Bundesumweltminister hat richtigerweise dass in allen drei Szenarien davon ausgegangen wird, beschrieben, dass man alle drei Energiegipfel als vollen dass der Beitrag der Kernenergie zum Klimaschutz Erfolg bezeichnen kann. Deshalb stehen diese absolut ganze 4 Prozent beträgt, mehr nicht. auf der Habenseite der Großen Koalition. (Beifall bei der SPD – Gudrun Kopp [FDP]: (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Nein, das stimmt nicht!) neten der SPD) Es macht daher keinen Sinn, die Atomenergiedebatte in Natürlich kann man in Einzelfällen unterschiedlicher den Mittelpunkt zu stellen. Meinung sein; aber ich glaube, wir haben in vielen Be- reichen einen tragfähigen Kompromiss erreicht. Gerade (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Rund was die Energieeffizienz angeht, haben wir sehr viel auf 5 Milliarden Euro pro Jahr!) den Weg gebracht. Einige Fragen, über die auch wir in – Das sagen diejenigen, die in der aktuellen Debatte be- der Großen Koalition uns nicht in jedem einzelnen Punkt haupten, die Kernenergie trage dazu bei, die Strompreise einig sind, bleiben offen, müssen aber aus meiner Sicht stabil zu halten bzw. zu senken, die aber gleichzeitig die weiter angegangen werden. Deshalb möchte ich den Mi- Strompreise erhöhen, obwohl die Kernkraftwerke lau- nister zumindest darauf hinweisen, dass er, als er über fen. die Strompreise gesprochen hat, zwar absolut richtig in 11112 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Philipp Mißfelder (A) der Beschreibung der Tatsache lag, dass wir zu wenig dies eine Rechnung ist, die nicht aufgehen wird. Ich (C) Wettbewerb haben – dagegen tut die Große Koalition glaube, dass wir mit dem Energiegipfel ein Stück weiter- auch etwas; wir sind hier auf dem richtigen Weg, auch gekommen sind, was eine realistische Betrachtungs- wenn wir noch weit von unserem Ziel entfernt sind –, weise der Energiepolitik in unserem Land angeht. Die man aber auch festhalten muss, dass der Strompreis Frage der Nutzung der Kernkraft wird sich aber auch auf heute bereits zu 40 Prozent aus Steuern und Abgaben be- Dauer stellen. Wir sollten weiterhin versuchen, die bei- steht. Wenn man sich überlegt, wie Klimaschutz in Zu- den von mir genannten Ziele zu erreichen. Das wird nur kunft erreicht werden kann, dann muss man sicherlich möglich sein, wenn wir an der Nutzung der Kernenergie auch bei den erneuerbaren Energien in Zukunft wesent- festhalten. lich mehr wirtschaftliche Aspekte einbeziehen, und man darf sich nicht auf Dauer auf Subventionen verlassen. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Das ist auch mein Hinweis an die Grünen. Ich glaube, (Beifall bei der CDU/CSU) wenn man die Bilanz zieht, Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie mal, was in AKWs geflossen ist! Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege 100 Milliarden!) Marco Bülow. was Deutschland seit 1998 im Bereich der erneuerbaren (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Energien erreicht hat, dann stellt man fest, dass wir mitt- lerweile Subventionen, wenn man alles zusammenrech- Marco Bülow (SPD): net, in Höhe von 270 Milliarden Euro ausgegeben ha- Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! ben. Das ist doch eine stolze Zahl. Insofern muss man Als Erstes möchte ich einmal feststellen: Ein Energie- sich überlegen, ob alle Gelder, die in diesem Bereich gipfel ist dazu da, Leitlinien zu erstellen. Die Entschei- ausgegeben worden sind, zielgerichtet ausgegeben wur- dungen werden dann aber natürlich hier im Parlament den oder ob nicht eine wirtschaftliche und teilweise effi- und im Kabinett getroffen. Wenn die FDP das begriffen zientere Steuerung notwendig wäre. hätte, dann wären wir einen Schritt weiter. Die Klimaziele selbst sind nicht aufgrund der hohen (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Subventionen erreicht worden, sondern vor allem auf- grund der Tatsache, dass wir in Ostdeutschland einen Die Leitlinien, die auf dem Energiegipfel beschlossen Zusammenbruch der Wirtschaft erlebt haben. Das heißt, worden sind, waren gut, und deswegen glaube ich, dass wir sind von unseren ehrgeizigen Zielen, die wir uns er ein Erfolg war. Das gilt vor allen Dingen deshalb, weil (B) (D) beim Klimaschutz gesetzt haben, noch sehr weit ent- durch diesen Energiegipfel deutlich gemacht worden ist: fernt. Deshalb ist das, was auf den Weg gebracht worden Wir wollen jetzt auch national das engagiert angehen, ist – Stichwort: Ausbau der erneuerbaren Energien –, was wir international zu Recht eingefordert haben, und richtig. Aber vor allem im Bereich der Energieeffizienz zwar durch den Umweltminister und die Bundeskanzle- müssen wir deutlich erfolgreicher werden, als das bisher rin. Das verleiht auch unserem internationalen Engage- der Fall war. ment einen höheren Stellenwert. Das ist der richtige Weg; diesen Weg müssen wir beschreiten. Ich möchte noch auf das eingehen, was die Linksfrak- tion gesagt hat. Herr Hill, man hört immer wieder auch Ich bin der Kanzlerin und dem Umweltminister sehr von Ihnen, dass die Frage der Höhe der Strompreise dankbar, dass sie diese Position so klargemacht haben. auch eine soziale Frage ist. Da haben Sie absolut recht. Die SPD wird das natürlich unterstützen. Klar ist aber Es ist wirklich eine Frage, wie Menschen an unserer Ge- auch, dass diese Unterstützung bitter nötig ist; denn lei- sellschaft teilhaben können, auch wenn sie nur einge- der gibt es unionsgeführte Länder – bekanntlich gehört schränkte finanzielle Möglichkeiten haben. Aber wenn die Kanzlerin der Union an –, die für Sperrfeuer sorgen. man diese Frage aufwirft, dann muss man sie auch rich- Sie versuchen, die guten Ergebnisse – sie sind auch von tig beantworten. Es kann nicht das einzige Ziel von Um- Ihnen gelobt worden – zu konterkarieren. Das hat zum welt- und Energiepolitik sein, die Strompreise weiter an- Beispiel mein Landesvater, Ministerpräsident Jürgen zuheben, indem man weitere Subventionen fordert. Man Rüttgers, in den letzten Tagen zu tun versucht. muss vielmehr versuchen, eine Stabilität der Preise zu (Beifall bei Abgeordneten der SPD) erreichen, um dadurch der sozialen Frage gerecht zu werden. Die Instrumente zur Erreichung der angestrebten Ziele liegen auf dem Tisch. Wir haben über viele Berei- (Beifall bei der CDU/CSU) che gesprochen. Wir haben über KWK gesprochen; dazu Vor diesem Hintergrund muss natürlich die Frage ge- wird es Vorschläge geben. Wir haben unsere Vorschläge stellt werden: Wie will man die Klimaschutzziele und schon vor längerem auf den Tisch gelegt. Ich glaube, wir diese wichtige soziale Frage damit in Übereinstimmung werden da zu einer Einigung kommen. Wir werden das bringen, indem man fordert, sich aus der Nutzung be- Erneuerbare-Energien-Gesetz fortentwickeln. Wir wer- stimmter Energieträger sukzessive zu verabschieden? Es den ein Wärmegesetz verabschieden. Außerdem wer- wird nicht gelingen, sich gleichzeitig aus der Nutzung den wir das erfolgreiche Gebäudesanierungsprogramm der Braunkohle und aus der Nutzung der Kernenergie zu fortführen. Darüber hinaus werden wir uns dafür einset- verabschieden. Wer dies versucht, wird feststellen, dass zen, dass die Effizienz auch auf europäischer Ebene ins- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11113

Marco Bülow (A) gesamt gesteigert wird, beispielsweise durch den Top- ist ein Faktor, den wir bei der Diskussion einmal zur (C) Runner-Ansatz. Kenntnis nehmen sollten. Wenn wir all die Vorschläge – es sind insgesamt 64; der Dritter entscheidender Faktor ist: Klar ist doch, die Minister hat darauf gerade noch einmal hingewiesen – Investoren warten darauf, welche Signale wir setzen. wirklich umsetzen, engagiert vortragen und auch auf die Wenn wir weiter die Signale setzen, dass wir vielleicht europäische Ebene übertragen können, dann werden doch die Atomkraft länger beibehalten, dann werden sie diese Ziele nicht nur in Deutschland, sondern auch in ihre Gelder, ihre Investitionen nicht in erneuerbare Ener- Europa und international erreicht werden können. Das gien, nicht in Effizienttechnologien stecken. Das Geld ist noch viel mehr wert, als sie nur in Deutschland zu fehlt uns dann am Ende, wenn wir abrechnen, ob wir un- verfolgen. Deutschland muss deshalb auf diesem Gebiet sere Ziele erreicht haben oder nicht. Wir brauchen diese vorangehen. Investitionen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich stelle fest: Die Ziele sind vorgegeben. Ich bin sehr dafür, dass wir gemeinsam in der Großen Koalition das Herr Mißfelder, ich kann mir nicht verkneifen, auf umsetzen, bei dem wir Anknüpfungspunkte haben, bei Folgendes hinzuweisen: Sie haben immer noch nicht be- dem wir uns einig sind, zum Beispiel im Bereich der Ef- griffen, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz ein Um- fizienz und der erneuerbaren Energien. Darauf sollten lagemodell ist. Es ist also etwas anderes als die Subven- wir uns konzentrieren. Dass es Themen gibt wie die tionen, die gezahlt werden. Atomkraft, den Mindestlohn – es gibt sicherlich noch andere Themen –, die wir nicht lösen können, worüber (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des vielleicht die Bürgerinnen und Bürger entscheiden müs- BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) sen, soll so sein. Ansonsten wäre es vielleicht auch ein Schauen Sie sich einmal den Erfahrungsbericht zum bisschen langweilig. Ich kann nur auffordern, dass wir Erneuerbare-Energien-Gesetz an. Darin steht, dass die im alle Ministerien, nicht nur das Wirtschafts- und das Um- Jahre 2006 eingesparten Kosten bei 2 Milliarden Euro lie- weltministerium, und alle Ausschüsse bemühen, Klima- gen. Volkswirtschaftlich gerechnet, liegen die eingespar- schutzmaßnahmen auf den Weg zu bringen, so wie das ten Kosten bei über 9 Milliarden Euro. Das ist die Rech- von der Regierung angegangen worden ist und wie der nung, die wir aufmachen müssen. Manchmal ist es so, Gipfel das gezeigt hat. Dann, glaube ich, werden wir un- dass der Nutzen von etwas weitaus größer ist als die ein- sere Ziele nicht nur ernst nehmen, sondern auch durch- gesparten Kosten. Übrigens sind die entstehenden Ener- setzen können. giekosten nicht unbedingt identisch mit den Preisen, die Danke schön. (B) die Verbraucher zu zahlen haben. Auch das sollten wir an (D) dieser Stelle vielleicht noch einmal festhalten. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Hasselfeldt: Damit bin ich beim nächsten Punkt. Ich halte es für Damit ist die Aktuelle Stunde beendet. sinnvoll, dass wir gemeinsam das umsetzen, worüber Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 5 auf: zwischen uns in der Großen Koalition Einigkeit besteht. Wir sollten also über das diskutieren, was bis 2020 mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen der Atomkraft noch passieren soll. Angeblich werden Koppelin, Ulrike Flach, Otto Fricke, weiterer Ab- die dann zu erbringenden Leistungen Mehrkosten in geordneter und der Fraktion der FDP Höhe von 4 Milliarden Euro mit sich bringen. Doch Mangelnder Ehrgeiz bei der Konsolidierung diese Rechnung ist zu einfach. Auch dabei muss man auf des Bundeshaushalts ein paar Punkte achten: – Drucksache 16/4606 – Erstens. Die erneuerbaren Energien wirken schon Überweisungsvorschlag: jetzt teilweise preisdämpfend. Dies ist vor allen Dingen Haushaltsausschuss dann häufig der Fall, wenn Atomkraftwerke ausgeschal- tet werden, wenn es im Sommer zu warm ist. Da haben Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die wir eine Preisdämpfung, die leider in diesen 4 Milliarden Aussprache eine Stunde vorgesehen. Ich höre dazu kei- Euro noch nicht eingerechnet worden ist. nen Widerspruch. Dann werden wir so verfahren. Ferner wissen wir, dass Prognosesysteme bei erneuer- Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red- baren Energien immer besser werden. Durch die soge- ner dem Kollegen Otto Fricke das Wort. nannten Kombinationskraftwerke werden wir es schaf- (Beifall bei der FDP) fen, auch da grundlastfähig zu sein. Auch das sollte man langsam einmal zur Kenntnis nehmen. Otto Fricke (FDP): Der zweite wichtige Punkt ist Folgender: Wenn wir Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol- volkswirtschaftliche Kosten berechnen, dann ist festzu- legen! „Mangelnder Ehrgeiz bei der Konsolidierung des stellen, dass die Atomkraft am wenigsten arbeitswirk- Bundeshaushalts“, so lautet der Antrag aus dem April sam ist. Das ist also der Bereich, wo die wenigsten Men- diesen Jahres, also weit vor Steuerschätzungen und vor schen pro erzeugter Kilowattstunde arbeiten. Auch das dem nun vom Kabinett beschlossenen Haushalt. Warum 11114 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Otto Fricke (A) haben wir diesen Antrag eingebracht? Ich weiß, Sie wer- nen verhält. Was stellen wir fest, seitdem wir die Große (C) den sagen: Die Ziele, die ihr dort hineingeschrieben Koalition haben? Was stellen wir auch für das Jahr 2008 habt, sind nicht ehrgeizig genug. Wir haben den Antrag fest? Die Sozialkassen haben kein Defizit mehr. Die eingebracht, um frühzeitig eine Warnung in Richtung Länder werden, bereinigt, auch kein Defizit mehr haben. Koalition zu schicken, nicht – wenn die Gelder, die Ein- Die Kommunen hatten schon im letzten Jahr kein Defizit nahmen, also das, was der Bürger, die Unternehmen be- mehr – es gab Sondereffekte; das will ich nicht bestrei- zahlen, steigen – mit dem Sparen, mit dem Konsolidie- ten –, aber sie werden das auch in diesem Jahr erreichen. ren aufzuhören. Was Sie aber gemacht haben – das zeigt Der Einzige, der in diesem Staat noch kräftig Schulden der Entwurf –, ist genau das Gegenteil: Sie haben das macht, ist der Bund. Daran kann man genau sehen, wo- Sparen vergessen. Sie haben Ihren Ehrgeiz verloren, für rauf sich Ihr Ehrgeiz richtet. Ihr Ehrgeiz richtet sich da- den Haushalt des Bundes etwas zu tun. rauf, nicht ganz so schlecht zu sein. Aber faktisch sind Sie immer noch das Schlusslicht. Das kann man dem (Beifall bei der FDP) Steuerzahler nicht zumuten. Woran kann man eigentlich messen, ob eine Koalition (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten bei der Konsolidierung ehrgeizig ist? Sie werden sagen: des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Mensch, ihr Miesepeter von der FDP. Daran, dass das Ausgabenwachstum über dem Wirt- (Zurufe von der SPD: Genau!) schaftswachstum liegt, kann man auch erkennen, dass Ihr müsst immer erst die anderen miesmachen. Wir ha- Sie meinen: Ein bisschen mehr Staat ist doch gar nicht ben doch die Neuverschuldung gesenkt. Ich kann Ihnen schlecht; wir schenken hier was und schenken da was. und den Bürgern nur sagen: Glauben Sie keinem Politi- Das Schlimme daran ist: Das ist die alte Überlegung, ker, der Ihnen sagt, wir haben die Neuverschuldung ge- mehr Geld ist bessere Politik. Ich kann dazu nur sagen: senkt. Fragen Sie ihn erst einmal, wie viel mehr Geld er Richtiges Geld ist bessere Politik, und das muss eben euch vorher abgenommen hat, um dann zu sagen, wir ha- nicht immer mehr Geld sein. ben die Schulden gesenkt. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Sie werden sagen: In Ihrem Antrag sind Sie doch Sie haben entgegen Ihren Haushaltsplanungen – wir noch von soundso viel ausgegangen; das ist ehrgeizig, haben im April noch nicht zu hoffen gewagt, dass die und jenes ist ehrgeizig. Bei dem, was Sie jetzt an Steuer- Wirtschaft so gut anspringt; wir sind froh darüber, dass mehreinnahmen vom Bürger und von der Wirtschaft be- sie es tut – circa 20 Milliarden Euro mehr an Steuern kommen, sollte Ihre erste Überlegung doch sein: Wie kann ich vermeiden, dass ich dem Bürger so viel weg- (B) eingenommen. Dann müsste gegenüber der Planung ja (D) auch die Neuverschuldung um ungefähr diese unerwar- nehme? Wie kann ich vermeiden, dass der Bürger so viel teten 20 Milliarden Euro heruntergehen. Das passiert mehr bezahlen muss? Ihre Überlegung ist aber eher: Wie aber nicht. Sie senken die Neuverschuldung um kann ich dem Bürger mehr Geld geben? Denn ich habe 8 Milliarden Euro. Aber wo sind die 12 Milliarden es ihm ja faktisch schon genommen. Ihre Denke in der Euro? Diese geben Sie zusätzlich aus. Daran kann man Großen Koalition ist weiterhin davon geprägt, dass für messen, ob Sie bei der Konsolidierung Ehrgeiz haben. die Haushaltspolitik gilt: Wir brauchen das Geld; denn ohne Geld können wir keine Geschenke machen, und Dann kann man noch feststellen: Die Ausgaben erhö- ohne Geschenke werden wir nicht gewählt. hen sich genau um diese 12 Milliarden Euro. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) (Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: Das ist reiner Zufall!) Zum Stichwort Ehrgeiz ist noch eine Sache wichtig: die Investitionen, ein immer sehr beliebtes Thema. Wir 12 Milliarden Euro Mehrausgaben im Jahr 2008, das ist müssen mehr investieren. Heute Morgen haben wir vom Ihre Planung. 12 Milliarden Euro mehr, das ist fast eine Kollegen Stiegler von der SPD gehört, was zu den Inves- Steigerung um 5 Prozent. Sie behaupten zwar, in den titionen gesagt werde, sei alles ganz falsch; Investitionen nächsten Jahren sinke das wieder auf 1,5 oder 1,4 Pro- in Köpfe, Investitionen in Personal, Investitionen in zent und sagen wie weiland : In Zukunft BAföG, das alles seien Investitionen. Das ist genau wird alles besser; wir machen es in kleinen Schritten. falsch. Investitionen sind etwas, was man dann auch hat Das Merkwürdige ist nur: Sie geben jedes Jahr mehr aus. (Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: Ich werde Ihnen gleich noch nachweisen, dass Sie im Das gilt auch für kluge Köpfe!) Jahr 2008 eigentlich sogar noch viel mehr ausgeben und das mit kleinen Tricks ein bisschen umgehen. und im Notfall für andere Zwecke einsetzen kann. (Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: Der Minister sagte im Haushaltsausschuss: Die Inves- Na, na!) titionen steigen. Das hört sich gut an. Jeder denkt; Mensch, das ist ja toll. Dann fragt man, wie viel wird Woran kann man den Ehrgeiz noch messen, liebe denn prozentual mehr ausgegeben, wo doch so viel Geld Kolleginnen und Kollegen der Koalition? Man kann ihn zusätzlich vom Bürger eingenommen wird, und stellt daran messen, wie der Bund sich in Zukunft bei der Ver- fest: Merkwürdig, genau das Gegenteil ist der Fall. Ihr schuldung im Vergleich zu den Sozialkassen, im Ver- Ehrgeiz geht nicht dahin, die Investitionsquote hochzu- gleich zu den Ländern und im Vergleich zu den Kommu- fahren; selbst in guten Zeiten geht die Investitionsquote Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11115

Otto Fricke (A) bei Ihnen runter. Das lässt für die Zukunft Deutschlands (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Liberale Luft- (C) Schlimmes ahnen. buchungen machen Sie hier!) Im Einzelnen müsste man jetzt eigentlich auf den Das bedeutet nichts anderes, als dass Sie jetzt zugeben, GKV-Zuschuss eingehen. Da ist etwas verräterisch. Ich dass als Erträge aus dem Mehrwertsteuerpunkt 6 Mil- empfehle jedem, sich die Kabinettsvorlage einmal genau liarden in die BA hineingeschoben werden und diese anzuschauen. In der Kabinettsvorlage gibt diese Regie- dann von der BA für Hartz IV ausgegeben werden. rung bekannt, (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Es sind fast (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Der redet gar 8 Milliarden!) nicht zu seinem Antrag, Frau Präsidentin!) Das heißt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Gro- dass sie schlicht nicht weiß, wie sie diesen Zuschuss in ßen Koalition: Der aus der Erhöhung der Mehrwert- Zukunft finanzieren will. Ich weiß, dass auch die Haus- steuer kommende Punkt dient nicht der Absenkung der hälter der beiden großen Fraktionen hier im Bundestag Sozialbeiträge, sondern Ihr Mehrwertsteuerpunkt dient das genauso wenig wissen und sich deswegen über die inzwischen der Finanzierung von Hartz IV; zu nichts an- Vorlage geärgert haben. Faktisch bekommen Sie den derem dient er. GKV-Zuschuss nicht finanziert. Ich bin schon sehr ge- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten spannt, was Sie sonst noch an Tricksereien machen. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die U-3-Betreuung, die Betreuung der unter Dreijäh- Ich komme zum Schluss. rigen: ehrgeizig. Sie machen das, weil Ihr blonder Engel gesagt hat: Das ist doch eine gute Sache. Das ist auch (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das wird eine gute Sache. auch langsam Zeit!) (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Kein Chau- – Das wird Zeit, weil der Kollege Kampeter es kaum er- vinismus!) warten kann, dranzukommen. – Der Minister hat leider gesagt, Komasparen sei völlig falsch. Ich sage dem – Zu einer Dame „blonder Engel“ zu sagen, lieber Kol- Minister von hier aus – ich weiß, er hätte heute gerne ge- lege Kampeter, halte ich für etwas Positives. Wenn Sie redet –: Es geht nicht um Komasparen, es geht um das nicht so sehen, würde ich darüber noch einmal nach- Rehasparen. Das sollten Sie machen, wenn Sie einen denken. ehrgeizigen Weg bei der Konsolidierung der Haushalte Diese Frau sagt: 4 Milliarden Euro mehr. Was macht einschlagen wollen. (B) der Bundesfinanzminister? Er sagt: Das geben wir so Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (D) nicht, diese 4 Milliarden Euro geben wir noch in 2007 aus. Faktisch sind das Ausgaben, die Sie eigentlich in (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten 2008 tätigen würden. Wenn diese 4 Milliarden Euro in des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 2008 noch dazukämen – dahin gehören sie –, dann würde aber jeder erkennen, dass Sie in 2007 faktisch we- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: niger Schulden machen als in 2008. Da gilt auf jeden Nächster Redner ist nun der Kollege Steffen Fall: überhaupt kein Ehrgeiz. Kampeter für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU) Ich will dann auch noch kurz auf das Thema Bun- desagentur für Arbeit hinweisen. Steffen Kampeter (CDU/CSU): Charmante Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wo steht Damen und Herren! Wir debattieren heute über den An- denn das im Antrag?) trag der Liberalen vom 7. März 2007. In diesem Antrag Ich habe heute von Herrn Göhner – Kollege Kampeter werden zwei Dinge gefordert: erstens den Bundeshaus- wird mir zustimmen – eine sehr gute Rede zu diesem halt mit dem Ziel ausgeglichener Haushalte stärker zu Thema gehört. Ich kann nicht Gelder der Beitragszahler, konsolidieren und zweitens den Bundeszuschuss an die also von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, nehmen, um gesetzlichen Krankenkassen anständig zu finanzieren. eine gesamtstaatliche Aufgabe, nämlich die Betreuung An sich, Herr Kollege Fricke, hätten Sie für die FDP von Langzeitarbeitslosen, zu finanzieren. Es kann doch heute hier erklären müssen, dass durch den Regierungs- nicht sein, dass Selbstständige, Beamte und Abgeordnete entwurf vom vergangenen Mittwoch beide zentralen sich nicht vollständig an dieser Finanzierung beteiligen, Forderungen der FDP bereits erfüllt und umgesetzt wor- sondern all das beispielsweise der Bahnmitarbeiter, die den sind Friseurin und andere aufbringen müssen, aber nicht die (Beifall bei der CDU/CSU – Otto Fricke [FDP]: genannten Gruppen. Ich hätte es so gerne getan!) (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Was ist mit und von daher dieser Antrag gegenstandslos ist. dem Mehrwertsteuerpunkt?) Ich bedanke mich aber auch dafür, dass Sie es nicht – Ja, der Mehrwertsteuerpunkt. Danke für den Hinweis, getan haben; denn nach der Aktuellen Stunde, in der die Kollege Schneider. Erfolge der Bundesregierung in der Energiepolitik 11116 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Steffen Kampeter (A) dargelegt wurden, nutzen wir diese Möglichkeit gerne, Nach 40 Jahren Nettokreditaufnahmepolitik unter den (C) die bisherigen gemeinsamen Erfolge der unionsgeführ- unterschiedlichsten Mehrheitsbedingungen und politi- ten und von der SPD getragenen Großen Koalition in der schen Verhältnissen soll nun eine Wende eingeleitet wer- Haushaltspolitik darzulegen. Das ist ein willkommener den. Dies werden wir durch kluge politische Entschei- Anlass. dungen absichern. (Beifall bei der CDU/CSU) Beim Einbringen des Antrags der FDP im Frühjahr dieses Jahres, die die Haushaltspolitik unter einem kriti- Lassen Sie mich daher festhalten, dass wir im Jahr schen Diktum analysiert, konnte man nicht wissen, dass 2006 im ersten Haushalt, der ein Übergangshaushalt war, wir entgegen den bisherigen Planungen, in den nächsten aufgrund von Erblasten und schwierigen Rahmenbedin- Jahren etwa 80 Milliarden Euro Schulden aufzunehmen, gungen mit einer Schuldenaufnahme in Höhe von bis 2011 eine Schuldenaufnahme von insgesamt nur 27,9 Milliarden Euro und einer vorläufigen Haushalts- rund 29 Milliarden Euro haben werden – also ungefähr führung gestartet sind. das, was wir allein im Jahre 2006 am Kapitalmarkt netto neu aufgenommen haben. Das sind 50 Milliarden Euro (Otto Fricke [FDP]: Wer waren denn da die weniger als bisher geplant. Das sind allerdings noch Erblasser? – Gegenruf des Abg. Bernhard 29 Milliarden Euro Schulden zu viel. Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: Die Freien Demokraten! 16 Jahre!) (Zuruf von der FDP: Sehr gut!) Wir müssen darauf hinwirken, dass wir diesen Schul- Im Jahre 2007 hat der Haushalt schon die politische denrahmen durch politische Entscheidungen sowie Akzentuierung der Großen Koalition aufgezeigt. Der durch eine kluge Wachstums- und Arbeitsmarktpolitik laufende Haushalt ist ein solider Wachstums- und Kon- wie auch bisher nicht ausnutzen. solidierungshaushalt. Schon im Entwurf war mit 19,6 Milliarden Euro die niedrigste Neuverschuldung (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) seit der Wiedervereinigung vorgesehen. Es ist heute, im Das bedeutet eine erhebliche Verbesserung der entspre- Juli, bereits erkennbar, dass wir eine Nettokreditauf- chenden Rahmenbedingungen. nahme in dieser Höhe nicht benötigen werden, dass wir also im laufenden Jahr besser abschneiden werden, als Ferner ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, wir es noch im November gehofft hatten. dass diese Konsolidierungsstrategie mit dem Setzen von politischen Schwerpunkten einhergeht, die deutlich (Otto Fricke [FDP]: Warum?) machen, dass Sparen und Konsolidieren auf der einen Seite und Zukunftsgestaltung sowie Investitionen in die- Anders gesagt: Die Politik der Union und der SPD, also (B) selbe auf der anderen Seite keinen Widerspruch darstel- (D) der Großen Koalition insgesamt, ist so erfolgreich, dass len. Ich weise darauf hin, dass beispielsweise mit diesem die Nettokreditaufnahme in diesem Jahr deutlich niedri- Haushalt und dieser mittelfristigen Finanzplanung zen- ger liegen wird als veranschlagt. trale Investitionen im Bereich der Entwicklungshilfe vorgenommen werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD – Otto Fricke [FDP]: Und wa- (Zuruf von der FDP: Für China!) rum?) Wir stehen zu den internationalen Verpflichtungen, die Der dritte Etat, den wir jetzt betrachten können, ist die Bundesregierung für die Bundesrepublik Deutsch- der, der am vergangenen Mittwoch vorgestellt worden land eingegangen ist. Wir investieren an dieser Stelle er- ist, den wir sehr kritisch, aber zugleich konstruktiv be- heblich. gleiten. Ich meine den Etat für das Jahr 2008. Er weist nicht nur eine noch niedrigere Kreditaufnahme auf – es Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: sind im Entwurf weniger als 13 Milliarden Euro vorge- Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage? sehen –, sondern in der mittelfristigen Finanzplanung wird für das Jahr 2011 unter realistischen Rahmenbedin- Steffen Kampeter (CDU/CSU): gungen sogar ein ausgeglichener Haushalt vorgesehen, Selbstverständlich. Wenn der Kollege Koppelin sich das heißt ein Haushalt ohne neue Schulden. Dies ist ein noch etwas geduldet und mich noch einige Erfolge auf- historischer Einschnitt. Wir hatten das in diesem Jahrtau- zählen lässt, darf er anschließend gerne seine Zwischen- send noch nicht und wahrscheinlich das letzte Mal im frage stellen. Jahre 1969. Wir investieren in den Abbau des Staus auf deutschen Sie sehen, auf der Habenseite der Großen Koalition Straßen. Wir erweitern die Möglichkeiten für Investitio- steht nicht nur die Klimaschutzpolitik. Auf der Haben- nen in diesem Bereich um über 2 Milliarden Euro. seite der Großen Koalition stehen auch eine erfolgreiche Angesichts der steigenden internationalen Verpflich- Strategie zur Konsolidierung der Haushalte und zur Ver- tungen unserer Bundeswehr ist es gut und richtig, dass ringerung neuer Schulden sowie die Perspektive zum wir unsere Investitionen in die Sicherheit der Soldatin- Schuldenabbau mit Beginn des nächsten Jahrzehnts. nen und Soldaten im In- und Ausland noch einmal deut- lich ausweiten und 2 Milliarden Euro ebenso dort wie (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Otto auch in Bereiche der inneren Sicherheit investieren. Fricke [FDP]: Hast du in der Zeitung nicht et- was anderes gesagt?) (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11117

Steffen Kampeter (A) Das zeigt, dass sich unsere Konsolidierungsstrategie tionen nicht so hohe Schulden und nicht eine so hohe (C) und kluge Investitionen nicht ausschließen. Zinslast hinterlassen, dass sie keinen Handlungsspiel- raum mehr haben. Das wäre eine Verletzung der Genera- Der Kollege Koppelin kann dies jetzt gerne positiv tionengerechtigkeit. kommentieren. (Otto Fricke [FDP]: Sehr wahr!) Jürgen Koppelin (FDP): Das nächste Ziel nach Erreichen eines ausgeglichenen Ich habe nur eine Sachfrage, Herr Kollege Kampeter, Haushaltes ist im Geiste des europäischen Stabilitäts- nachdem Sie von den politischen Schwerpunkten ge- und Wachstumspaktes das Produzieren von Überschüs- sprochen haben, die diese Koalition immer aufzeigt. sen. Allen, die da sagen, das gehe nicht, entgegne ich: Kann ich die Äußerungen des Finanzministers so verste- Selbst das Land Berlin, das sich noch vor kurzem im Zu- hen, dass diese politischen Schwerpunkte durch die sammenhang mit einer Entscheidung des Bundesverfas- Frettchen vertreten werden, die an seinem Kleidersaum sungsgerichts als arm, aber sexy präsentiert hat, zerren? (Ute Kumpf [SPD]: Es ist immer noch sexy!) Steffen Kampeter (CDU/CSU): hat in diesen Tagen Überschüsse in seinem Landeshaus- Herr Kollege Koppelin, gestern haben wir im Haus- halt angekündigt. Der Bund sollte trotz einer ungleich haltsauschuss eine biologische Diskussion über das Hal- schwierigeren Ausgangslage und gesetzlich gebundener ten von Frettchen geführt. Dabei ist deutlich geworden, Ausgabenpositionen den Berlinern hinsichtlich des Ehr- dass das Beißen von Frettchen an Hosenbeinen oder geizes nicht nachstehen. Wir müssen perspektivisch Körperteilen eines Menschen ein Angebot zum Spielen nicht nur an einen Abbau der Neuverschuldung, sondern ist. Wir haben festgestellt, dass weder Regierung noch auch an einen Abbau des Schuldenstandes in den nächs- Opposition mit dem Finanzminister zu spielen geden- ten Jahren denken. Die Große Koalition ist angesichts ken. In diesem Sinne haben wir dann im Haushaltsaus- ihrer Größe befähigt, diese Aufgabe gut zu meistern. schuss insgesamt festgestellt, dass im Parlament offen- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- kundig niemand mit diesem Frettchenvergleich gemeint neten der SPD) sein kann. Der Antrag, über den wir heute debattieren, hat den Für nähere Erläuterungen zur Biologie und zum Ein- Titel „Mangelnder Ehrgeiz bei der Konsolidierung des fluss von Frettchen auf die Haushaltspolitik und die Stra- Bundeshaushaltes“. Es handelt sich um einen veralteten tegie der Bundesregierung im Hinblick auf die Konsoli- FDP-Antrag. Denn mangelnden Ehrgeiz kann man uns dierung im nächsten Jahrzehnt bitte ich Sie, eine offensichtlich, wie hinreichend belegt, nicht mehr vor- (B) entsprechende Frage bei Gelegenheit direkt an den Bun- (D) werfen. desfinanzminister zu richten. Er wird dann sicherlich für Aufklärung sorgen und genauso überzeugend, wie er Gleichwohl will ich auf einen Punkt im Haushaltsent- seine mittelfristige Finanzplanung im Haushaltsaus- wurf hinweisen. Mit der Langzeitarbeitslosigkeit gibt schuss vorgestellt hat, wahrscheinlich auch seinen biolo- es einen besonderen Risikobereich. Im Bereich der gisch-finanzpolitischen Exkurs erläutern können. Kurzzeitarbeitslosigkeit gibt es zwar eine erfreuliche (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der FDP: Entwicklung. Aber es muss noch eine ganze Menge ge- Herr Diller kann etwas dazu sagen!) tan werden, um die verabredeten Einsparungen beim Arbeitslosengeld II zu realisieren. Wir werden in diesem – Es ist sicherlich möglich, dass der Kollege Diller hier Jahr beim ALG II voraussichtlich etwa 23,5 Milliarden im Rahmen einer Kurzintervention noch etwas zur Er- Euro ausgeben. Im neuen Regierungsentwurf haben Herr läuterung der Frettchenfrage beiträgt. Die Frage der Fi- Müntefering und Herr Steinbrück dem Parlament den nanzpolitik ist ja auch mit alkoholischen Dimensionen Vorschlag gemacht, nur noch 21 Milliarden Euro für die- hinreichend beschrieben worden. Das ist aber nicht sen Bereich auszugeben. Ich verstehe dies als einen Ar- Thema dieser Debatte. beitsauftrag des Kabinetts an die Arbeitsmarktpolitik, durch entsprechende Maßnahmen diese Lücke von Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch auf 2,5 Milliarden Euro gegenüber dem Istzustand entspre- einen anderen Aspekt hinweisen. Ich habe in einer Zei- chend zu schließen. tung von einer Schuldenuhr gelesen, die in Richtung null läuft. Wir von der Union vertreten die Auffassung, dass Die Erfahrungen des letzten Jahres haben gezeigt, es gut und richtig ist, die sinkende Nettokreditaufnah- dass auch die sehr gute Konjunktur und die bisherigen men optisch deutlich zu machen. Nach meiner Auffas- Gesetzesänderungen im SGB II nicht zu den erhofften sung hat das Bild der Uhr allerdings eine Macke. Wenn Einsparungen geführt haben. Auch die seit diesem Jahr sie auf null ist, läuft sie nämlich nicht weiter. Wir wollen in Kraft getretene Halbierung der Rentenversicherungs- aber – das ist der gemeinsam getragene Wille der Gro- beiträge für Arbeitslose hat nicht ausreichend dazu bei- ßen Koalition – nach Erreichen des Ziels ausgeglichener getragen, den Ansätzen des Finanzplanes näher zu kom- Haushalte in der nächsten Legislaturperiode perspekti- men. Dies bedeutet, dass wir in der Zukunft weitere visch Überschüsse zum Abbau der enorm hohen Ver- politische Schritte zur Umsetzung dessen, was Herr schuldung in der Bundesrepublik Deutschland als Inves- Müntefering und Herr Steinbrück dem Parlament vor- tition in die Zukunft nachfolgender Generationen schlagen, unternehmen müssen. Der Arbeitsminister, das einsetzen. Wir dürfen nämlich den zukünftigen Genera- gesamte Kabinett und das Parlament tragen hierfür die 11118 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Steffen Kampeter (A) Verantwortung. Ich rechne damit, dass wir uns noch im (Heiterkeit bei der LINKEN sowie bei Abge- (C) Herbst mit diesen Dingen beschäftigen werden. ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN – Otto Fricke [FDP]: Das war kein Lob!) Abschließend will ich noch einen Sachverhalt auf- greifen, den der Kollege Fricke angesprochen hat. Es hat mich fast gerührt. Ich hoffe nicht, dass das als Todes- geht um die Finanzierung der Betreuung von unter kuss gemeint war. Sollte es so gemeint gewesen sein: Dreijährigen. Es ist zwar klar, dass es sich nicht um Das wird nicht funktionieren. eine originäre Bundeskompetenz handelt, die zur Folge (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- hat, dass der Bund in diesem Bereich tätig wird. Aber neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – diese Aufgabe ist so groß, dass ich es in der schwierigen Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Frau Kollegin finanzpolitischen Situation für ein gutes Angebot des Lötzsch, Sie haben heute meinen Humor nicht Bundesfinanzministers und der Bundesfamilienministe- ganz mitbekommen!) rin halte, den Einstieg in ein flächendeckendes, bedarfs- gerechtes Kinderbetreuungsangebot in einer Größenord- Der Antrag der FDP ist FDP pur. Schuldenabbau, nung von bis zu 4 Milliarden Euro zu unterstützen. koste es, was es wolle, auch wenn die soziale Infrastruk- tur den Bach runtergeht – das ist das Motto der FDP. Die (Otto Fricke [FDP]: Dauerhaft! Nicht FDP entwickelt wenig Ehrgeiz, die Arbeitslosigkeit ab- Einstieg!) zubauen, die Armut zu bekämpfen oder die Wissenschaft Dass wir ab dem Jahr 2013 zu einer Lösung kommen in unserem Land zu stärken. Das ist rückwärtsgewandt, müssen, die die dauerhafte Finanzierung dieses Einstie- unsozial und ökonomisch unsinnig. ges garantiert, (Beifall bei der LINKEN – Otto Fricke [FDP]: (Otto Fricke [FDP]: Aha!) So viel zum FDP-Antrag!) ist eine Selbstverständlichkeit. Das sichert dauerhaft die Im vorliegenden Antrag wird der Bundesregierung Vereinbarkeit von Familie und Beruf. mangelnder Ehrgeiz bei der Konsolidierung des Bundes- haushaltes vorgeworfen. Wir von den Linken werfen der Schließlich müssen wir auch über die Ausgestaltung Bundesregierung vor, dass sie zu wenig Ehrgeiz ent- eines sogenannten Betreuungsgeldes ab dem Jahr 2013 wickelt, um die soziale Spaltung in unserer Gesellschaft nachdenken und entsprechende finanzielle Rahmenbe- zu überwinden. dingungen setzen, um den Familien, die sich gegen eine Betreuungseinrichtung entscheiden und ihre Kinder zu (Beifall bei der LINKEN) Hause erziehen wollen, ein klares Signal zu geben. Das ist ein differenziertes Angebot, das die Lebenssituation Die Bundesregierung verschärft mit ihrer Haushaltspoli- (B) (D) junger Familien berücksichtigt. Ich finde die Art und tik sogar die gespaltene Konjunktur und treibt die Ge- Weise unangemessen, wie der Kollege Fricke dieses An- sellschaft weiter auseinander. Die Konjunktur läuft nur gebot und die Diskussion darüber zwischen Bund und für DAX-Konzerne und deren Vorstände rund; aber sie Ländern schlechtgeredet hat. kommt nicht bei den Telekom-Mitarbeitern und Bahnbe- schäftigten, den Familien, Alleinerziehenden, Rentnern, (Otto Fricke [FDP]: Moment! Das ist eine Auszubildenden und Arbeitslosengeldempfängern an. Ausgabe!) Das ist ungerecht. Dagegen setzen wir uns zur Wehr. Auch dies gehört eindeutig zur Habenseite der Großen (Beifall bei der LINKEN) Koalition. Die Opposition kann das durch Mäkelei nicht kleinreden. Stellen Sie sich vor: Das Arbeitslosengeld II ist jetzt erhöht worden, und zwar um ganze 2 Euro pro Monat. Die drei Themen – Haushaltspolitik, Klimaschutz- Auf einen Tag umgerechnet sind das etwas weniger als politik und Familienpolitik – stehen auf der Habenseite 7 Cent. Insgesamt kostet diese Erhöhung des Arbeits- der Großen Koalition. Das ist erwähnenswert und ein losengeldes II – um die Zahlen einmal ins Verhältnis zu gutes Signal für Deutschland. setzen – rund 150 Millionen Euro. Das hört sich zwar viel an, ist aber noch immer weniger als die Kosten für Herzlichen Dank. den geplanten Prestigebau des Bundesinnenministers. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dieser soll laut Planung 175 Millionen Euro kosten und wird mit Sicherheit – das wissen wir aus Erfahrung – Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: teurer. Das ist eine Schieflage. Nächste Rednerin ist nun die Kollegin Dr. Gesine (Beifall bei der LINKEN) Lötzsch für die Fraktion Die Linke. Selbst diese hohe Summe ist immer noch weniger als (Beifall bei der LINKEN) das, was die Bundesregierung für Auslandseinsätze der Bundeswehr ausgibt. Diese kosten uns mehr als Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): 1 Milliarde Euro pro Jahr und sind schlecht angelegtes Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Geld. Herren! Bevor ich auf den FDP-Antrag zu sprechen (Beifall bei der LINKEN) komme, kurz ein Wort zu meinem Vorredner. Herr Kampeter, dass aus Ihrem Munde einmal ein Lob für das Die Bundesregierung setzt ihre Prioritäten ganz ein- Land Berlin zu hören ist, deutig, wenn es um die Geldverteilung geht: Erst kom- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11119

Dr. Gesine Lötzsch (A) men die Lobbyisten, dann der brave Steuerbürger. Die (Otto Fricke [FDP]: Wer ist denn Neolibera- (C) Steuermehreinnahmen sind kein Ergebnis kluger Politik, list? – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Besser sondern erstens Ergebnis der anziehenden Konjunktur Neoliberalist als Neosozialist!) und zweitens Ergebnis des dreisten Griffs der Bundes- Was haben denn unsere Enkel davon, verehrte Kollegen regierung in die Taschen der Bürgerinnen und Bürger. Fricke und Kampeter – nach heftigen Auseinanderset- Die Bundesregierung hat doch alles unternommen, um zungen wieder verbündet –, wenn sie zwar keine Schul- das Anziehen der Konjunktur zu verhindern. Die Mehr- den, aber gleichzeitig keine Kindergärten, keine Regio- wertsteuererhöhung – diese will ich hier herausstel- nalzüge und schlecht ausgestattete Universitäten haben? len – ist nicht nur unsozial, weil sie insbesondere dieje- Ist das ein gutes Erbe? nigen Menschen trifft, die durch die gespaltene Kon- junktur sowieso benachteiligt sind, sondern bremst auch (Beifall bei der LINKEN – Steffen Kampeter die Konjunktur, wie wir an der zurückhaltenden Binnen- [CDU/CSU]: Aber wir haben doch Kindergär- nachfrage erkennen können. Mein Kollege Dr. Gysi hat ten! Wir haben gute Universitäten! Wir haben das in der Debatte heute Morgen anhand von Zahlen einen Hochschulpakt!) schon belegt. Die Bundesregierung muss mehr Ehrgeiz entwickeln, um die Zukunft unserer Kinder und Enkel langfristig zu (Vorsitz: Vizepräsidentin Petra Pau) sichern. Denjenigen, die von der Konjunktur reichlich profi- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) tieren, hat der Finanzminister mit der Unternehmen- steuerreform das Geld hinterhergeschmissen. Dass die Ich will kurz andeuten, was wir in den Mittelpunkt der Haushaltsberatungen stellen, welche Anträge wir Konjunktur so gut läuft, obwohl die Bundesregierung al- stellen werden. les getan hat, um sie hinauszuzögern und zu drosseln, grenzt schon an ein kleines Wunder. (Otto Fricke [FDP]: Sparen! Sparen! Sparen!) (Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: Wir fordern, den öffentlichen Beschäftigungssektor zu Wunder gibt es immer wieder!) fördern – darauf ist Herr Dr. Gysi heute Morgen schon eingegangen –, das Arbeitslosengeld II auf mindestens Jetzt zeigt sich auch, wie unsinnig die verbissene 420 Euro im Monat zu erhöhen, die Investitionen für die Haushaltskonsolidierungspolitik der Bundesregierung in soziale und ökologische Infrastruktur zu erhöhen, die Zeiten der wirtschaftlichen Krise war. Der Sparkurs der Extragewinne der Energiekonzerne zu besteuern, alter- Bundesregierung hat die Krise und das soziale Ungleich- native Energien stärker zu fördern und auf Mehrausga- (B) gewicht weiter verschärft. Richtig ist der Ansatz, den wir ben für Auslandseinsätze der Bundeswehr zu verzichten. (D) von der Linken vertreten: In Zeiten der wirtschaftlichen (Beifall bei der LINKEN) Krise darf sich der Staat eben nicht zurückziehen, son- dern muss in die soziale, ökologische, wirtschaftliche Haushaltskonsolidierung ist kein Selbstzweck. Der und wissenschaftliche Infrastruktur investieren. Staat muss in der Lage sein, seine Aufgaben zu erfüllen. Immer noch gilt der Satz: Nur Reiche können sich einen (Beifall bei der LINKEN) armen Staat leisten. Da in den letzten Jahren der Fehler gemacht wurde, (Otto Fricke [FDP]: Nein, genau umgekehrt!) zu wenig in diese Infrastruktur zu investieren, hat sich in Die Linke ist keine Lobbyorganisation für Reiche. Wir unserem Land ein Investitionsstau aufgebaut, der nun treten vielmehr für Gerechtigkeit und Solidarität ein. Wir aufgelöst werden muss. Ich denke nur an die fehlenden haben gemerkt, dass viele Menschen in diesem Land das Kindergärten in den westlichen Bundesländern. Es ist sehr gut finden. ja wirklich ein Trauerspiel, dass fast 60 Jahre nötig wa- ren, um zu erkennen, dass es in diesem Land einen Man- Vielen Dank. gel an Kindergärten gibt und dass das ein Problem ist. (Beifall bei der LINKEN) Augenscheinlich haben das alle Fraktionen bis auf die FDP, die heute diesen Antrag zum Thema Konsolidie- Vizepräsidentin Petra Pau: rung zur Debatte stellt, verstanden. Das Wort hat der Kollege Carsten Schneider für die SPD-Fraktion. Ich will auf einen Trugschluss aufmerksam machen. Einige Kollegen hier im Haus meinen, dass sich der (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Staat jetzt bei den Investitionen zurückhalten könne, da CDU/CSU) jetzt die Wirtschaft investiere. Angesichts unserer Erfah- rungen ist das aber ein riesiger Denkfehler. Die Wirt- Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): schaft investiert eben nicht freiwillig in die soziale Infra- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich be- struktur; aber wir brauchen gerade diese Investitionen, danke mich ganz herzlich bei der FDP dafür, dass sie wenn wir der Enkelgeneration eine Chance geben wol- diesen Antrag im Frühjahr gestellt hat. Er ist, wie Kol- len. Es ist doch blanker Populismus, wenn von den neo- lege Kampeter schon ausgeführt hat, die Bestätigung des liberalen Parteien immer wieder beklagt wird, dass wir Kabinettsentwurfs für den Haushalt 2008 mit einer unseren Enkeln nur Schulden überlassen. Finanzplanung bis 2011 und bietet die Möglichkeit, 11120 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Carsten Schneider (Erfurt) (A) heute im Parlament noch einmal darüber zu debattieren 2008 sind es 3 Milliarden Euro mehr als 2007. Wir ha- (C) und zu sagen: Dieser Antrag ist wirklich sinnlos und ist ben 43 Milliarden Euro Zinsausgaben. Das heißt, wenn nicht zu begründen. wir 2011 einen ausgeglichenen Haushalt erreichen, zah- len wir das immer noch ab. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) (Otto Fricke [FDP]: Mehr!) All das, was Sie fordern, basiert nicht auf der Realität. Die wirtschaftliche Lage ist sehr gut. Frau Kollegin Ich teile die Einschätzung, dass wir dann einen Über- Lötzsch, Sie telefonieren zwar gerade, ich möchte Ihnen schuss brauchen, um diese Zahlungen zu reduzieren und aber trotzdem sagen, dass ich Ihre Argumentation ein mehr Spielräume zu gewinnen. Man muss dann aber wenig krude fand. Wenn Sie sagen, dass die Entwick- auch dafür sorgen, dass es Einnahmen gibt. lung sehr gut ist und alle ein Verdienst daran haben, nur Sie haben die Gerechtigkeitsfrage aufgeworfen, wer die Politik nicht, dann ist das stark um die Ecke gedacht. von der Konjunktur profitiert. Wenn ich mir die Ab- Ich bin zwar der Auffassung, dass man sich nicht zu sehr schlüsse der vergangenen Lohnrunden ansehe, dann beweihräuchern sollte, aber dennoch resultiert doch ein muss ich sagen, dass sie sehr ordentlich sind. Wir kön- Gutteil der wirtschaftlichen Dynamik, die wir verzeich- nen das als Politiker nicht steuern. Ich finde es gut, dass nen können, die auch mittelfristig vorhanden sein wird, wir die Tarifautonomie haben; sie scheint ja an diesem wenn man den Konjunkturforschern glauben kann, aus Punkt zu funktionieren. der Politik. Machen Sie uns nicht kleiner, als wir sind. Wir haben Möglichkeiten, und wir haben diese Möglich- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Tarifautono- keiten genutzt, um zu gestalten. mie ist gut! – Otto Fricke [FDP]: Sehr gut! Richtig!) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich bitte Sie also, sich das an der Stelle noch einmal ge- Die Ursachen sind vielschichtig: der Reformkurs der nauer anzusehen. Es würde mich freuen, wenn wir uns vergangenen Jahre – vor allem die Agenda 2010 – und hinsichtlich der Verschuldung einig werden. Wenn man die Verstetigung dieser Politik; Impulse, die die Große das Interesse hat, Politik zu gestalten, wenn man den Koalition 2005 mit ihrem Programm gegeben hat; die Auftrag zur politischen Gestaltung hat und dieses Land starke Nachfrage – das ist eigentlich Keynes pur –; eine verändern und bestimmen will, dann braucht man dafür starke Fokussierung auf wirtschaftlich dynamische Be- natürlich auch öffentliche Mittel. reiche, zum Beispiel Forschung und Entwicklung – wir haben hier intensiv über die Hightechstrategie und die (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/ Investitionen in erneuerbare Energien diskutiert. All das CSU – Otto Fricke [FDP]: Sehr wahr!) (B) hat dazu geführt, dass die Wachstumsrate bei über Die hat man nur, wenn man auch Einnahmen hat. Das (D) 2,9 Prozent liegt. Darauf kann man doch stolz sein. muss ausgeglichen sein. Sie haben einen Punkt, der für mich zentral ist, in- Herr Fricke, Sie haben gesagt, dieser Haushalt sei frage gestellt. Ich weiß nicht, ob es wirklich die Position ganz furchtbar, es gehe zu langsam. der PDS ist, dass Schulden gut sind. (Otto Fricke [FDP]: Nein! Teile!) (Otto Fricke [FDP]: Stimmt! Wurde gesagt! – Widerspruch bei der LINKEN) Gut, ich wünsche mir auch, dass es uns bei den Beratun- gen gelingt – das wird unser Auftrag sein –, das Ganze – Sie haben eben gesagt, dass Schulden gut sind. Sie noch zu beschleunigen. Ich sehe mich da auf einer Linie müssten das vielleicht noch einmal erklären; aber im mit dem Bundesfinanzminister. Alles, was uns ermög- Kern habe ich das so herausgehört. licht, zügiger zu dem Ziel der Reduzierung der Schulden Ich kann Ihnen nur sagen: 2011 wollen wir einen aus- zu kommen, hilft. geglichenen Bundeshaushalt haben. Wir wollen mit Kollege Kampeter hat darauf hingewiesen: In der den Einnahmen, die wir haben, die Ausgaben finanzie- alten Finanzplanung waren sogar noch 92 Milliarden ren und damit auskommen. Das betrifft nicht die Diskus- Euro Schulden bis 2010 vorgesehen. Jetzt sind bis 2011 sion, dass die FDP ganz wenig Staat will und die Linke nur noch 29 Milliarden Euro Schulden vorgesehen. Das ganz viel. Das ist vielmehr eine Frage der Qualität. Das erspart uns allein 3 Milliarden Euro Zinsausgaben pro muss passen. Jahr. Das sind 3 Milliarden Euro, die wir jedes Jahr mehr (Otto Fricke [FDP]: Wenig Staat! Hohe Quali- zur Verfügung haben, die uns mehr Spielraum geben und tät!) die wir auch nicht durch Einnahmeerhöhungen finanzie- ren müssen. Im Konjunkturzyklus muss es einen Ausgleich geben. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit 1969 – Herr Kampeter hat darauf hingewiesen – Das ist aber eine virtuelle Rechnung!) sind wir in der Situation, dass es immer wieder Verschul- dungen gibt. Heute haben wir 3 Milliarden Euro Mehr- Das zeigt: Dieser Haushalt ist zukunftsgewandt. Die ausgaben für Zinsen aufgrund der Steigerung der Zinsen Koalition hat dies zu einer politischen Priorität gemacht. durch die EZB. Ich sehe mich – ich glaube, dass das auch in der Bevöl- kerung akzeptiert wird – durch die Meinungsumfragen (Otto Fricke [FDP]: Das habt ihr vorher unterstützt, die man zu diesem Punkt durchaus zurate gewusst!) ziehen kann. Wir werden 2008 eine Kreditfinanzie- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11121

Carsten Schneider (Erfurt) (A) rungsquote, das heißt die Aufnahme neuer Schulden be- (Otto Fricke [FDP]: Die sind aber noch nicht (C) zogen auf die Gesamtausgaben, von nur noch 4,6 Pro- da!) zent haben. Das ist der niedrigste Wert seit 1973. – für 2008 betragen sie 5 Milliarden Euro –, Wir sollten nicht nur die Zinsausgaben in Höhe von (Otto Fricke [FDP]: Ich kann auch die Zinsen 43 Milliarden Euro hinzurechnen – die hatte ich Ihnen herausrechnen!) genannt –, die wir heute finanzieren müssen und die man früher nicht hatte, sondern man sollte auch die deutsche liegt die Steigerungsrate bei 1,2 Prozent. Einheit beachten, die viele immer wieder vergessen. Wir alle stehen dazu, dass wir diese Ausgaben haben. Sie (Otto Fricke [FDP]: Nein! Falsch!) sind eine besondere Belastung für diese Volkswirtschaft. Das ist unterhalb der Inflationsrate. Wir kriegen das gewuppt. Von daher ist das eine sehr große Leistung, auf die man stolz sein kann. (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Was soll ich denn noch alles heraus- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten rechnen? – Otto Fricke [FDP]: Rechnet doch der CDU/CSU) auch noch die Zinsen heraus! Dann seid ihr so- Kollege Fricke hat behauptet – ich habe gehört, auch gar im Plus!) Herr Göhner hätte das heute Morgen gesagt; Das heißt, de facto ist festzustellen, dass die öffentlichen (Otto Fricke [FDP]: Stimmt! Kann Kollege Ausgaben real gesenkt werden. Kampeter bestätigen!) Vizepräsidentin Petra Pau: das weiß ich nicht, er wird sich sicher eines Besseren be- Kollege Schneider, gestatten Sie eine Zwischenfrage lehren lassen –, wir würden Beitragsmittel der BA ver- des Kollegen Koppelin? wenden, um den Bundeshaushalt zu sanieren. (Otto Fricke [FDP]: Nein! Um Hartz IV zu fi- Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): nanzieren!) Bitte sehr. Seit Jahren hatten wir bei der Bundesagentur für Arbeit Defizite, die wir mit Steuergeldern ausgeglichen haben. Jürgen Koppelin (FDP): Wenn wir eine Plus-Minus-Rechnung machen würden, Lieber Herr Carsten Schneider, darf ich Sie fragen: hätten wir dort ein Guthaben, das man zurückzahlen Wer ist eigentlich die BA? Sind das die Beitragszahler, müsste. Das haben wir aber nicht gemacht. Jetzt sind oder ist das irgendein anonymes Gebäude in Nürnberg? (B) (D) wir in der Situation, dass wir bis 2011 30 Milliarden Euro Steuermittel in die BA zur Senkung des Arbeitslo- Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): senversicherungsbeitrages geben und dass wir die Ver- Die Bundesagentur für Arbeit ist eine öffentliche Ein- antwortung der Arbeitslosenversicherung – das war die richtung, die durch Beiträge der Arbeitnehmerinnen und Verabredung bei den Hart-IV-Gesetzen – für die Lang- Arbeitnehmer und der Arbeitgeber finanziert wird, zeitarbeitslosigkeit in Rechnung stellen und 20 Milliar- den Euro Beitrag zur Finanzierung der Langzeitarbeits- (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: losigkeit durch den Eingliederungsbeitrag bezahlt „Der Versicherten“ heißt das!) werden. Das heißt, in Summe bleibt der BA ein Über- die zur Absicherung des Risikos der Arbeitslosigkeit ge- schuss von über 10 Milliarden Euro Steuermitteln. zahlt werden; in diesem Fall erhalten sie eine Versiche- (Otto Fricke [FDP]: Was heißt: der BA?) rungsleistung. Darüber hinaus wird die BA durch einen Steuerzuschuss in Höhe von 7 Milliarden Euro aus dem Wie das Beitragsmittel sein können, ist mir nicht erklär- Bundeshaushalt finanziert. bar. (Jürgen Koppelin [FDP]: Das sind doch wieder (Jürgen Koppelin [FDP]: Sanieren! die gleichen Leute! Nämlich auch die Steuer- Abkassieren!) zahler! – Gegenruf des Abg. Bernhard – Herr Kollege Koppelin, Sie haben die Möglichkeit, Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: Nein, nicht eine Zwischenfrage zu stellen, um zu erklären, wie Ihre nur! Da sind noch ein paar mehr mit dabei! Position zustande kommt. Zum Beispiel auch die Selbstständigen! – Ge- genruf des Abg. Jürgen Koppelin [FDP]: Ja, (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: die auch! Ihr Abkassierer!) Bitte nicht!) – Natürlich sind das die gleichen Leute. Wir alle sind Sie ist jedenfalls in diesem Punkt nicht verständlich. dieses Land; das ist doch logisch. Da fehlen mir ein we- (Jürgen Koppelin [FDP]: Abkassierer!) nig die Worte, Herr Koppelin. Ich finde, das ist ziemlich offensichtlich. Wenn wir wollen, dass es in wichtigen Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen: den an- Bereichen wie der öffentlichen Daseinsvorsorge, der geblichen Aufwuchs der Ausgaben. Das Gegenteil ist Forschung, dem sozialem Ausgleich und der Herstellung der Fall: Wenn man den um die Steigerungen bei den von Chancengerechtigkeit öffentliche Ausgaben gibt, Postpensionsunterstützungskassen bereinigt dann muss man Steuern erheben. 11122 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Carsten Schneider (Erfurt) (A) (Zuruf von der SPD: Genau! Selbst die FDP dazu beitragen, dass die öffentlichen Finanzen eine Ent- (C) macht das!) spannung erfahren. Die Steuerquote liegt in Deutschland im internationa- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, len Vergleich mit knapp 22 Prozent im unteren Bereich. bei der CDU/CSU und der SPD) Sie hat also eine unterdurchschnittliche Höhe. – Da klatscht sogar die CDU/CSU. – Nicht gut ist aller- (Otto Fricke [FDP]: Und was ist mit der dings, dass die Große Koalition die Chance – ich würde Abgabenquote?) sogar sagen: die historische Chance – vertut, Wenn man die Steuer- und Abgabenquote zusammen- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Schade! Sie rechnet, befindet sich Deutschland im internationalen haben so gut angefangen!) Vergleich im Mittelfeld. Unsere Staatsquote führen wir den Bundeshaushalt bis 2009, also noch in dieser Legis- insgesamt sogar zurück. Den Höhepunkt haben wir im laturperiode, auszugleichen. Jahre 1997 erreicht. Nun nähern wir uns in der Finanz- planung wieder einer Staatsquote von 44 bis 45 Prozent. Sie sind sicherlich genauso realistisch wie ich und wissen daher: Man kann sich nicht ganz sicher sein, dass (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wie bei der Aufschwung bis 2011 anhält. Stoltenberg! Und das mit euch! Wer hätte das gedacht!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP – Steffen Kampeter [CDU/ Ich finde, das sind große Erfolge der Koalition. Auf die- CSU]: Anja Kassandra!) sem guten Weg können wir in die Beratungen gehen. Unser Maßstab sollte aber sein, dass wir den Haushalts- Lassen Sie mich die Situation, in der sich Deutsch- ausgleich bis 2009 realistisch schaffen können, dass das land befindet, international einordnen: Deutschland ist eine historische Chance ist und dass unsere europäi- die größte Volkswirtschaft der Europäischen Union. Es schen Nachbarländer in diesen Boomzeiten schon mit wurde viel über den blauen Brief diskutiert, den Überschüssen wirtschaften. Deutschland von der EU-Kommission erhalten hat. Dass das Verfahren allerdings von der Kommission eingestellt (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ja! Die hatten worden ist, das ist ein bisschen untergegangen. Es gibt aber auch keine Grünen in der Regierung!) kein Verfahren mehr, da Deutschland den veränderten Unser Maßstab darf nicht die Angst der Großen Koali- Maastrichtpakt, der ökonomisch vernünftiger ist, einge- tion oder von Herrn Steinbrück sein, dass irgendwann halten hat. Im Jahre 2006 hatten wir eine Defizitquote einmal ein Ziel, das man sich gesetzt hat, nicht erreicht von nur noch 1,7 Prozent. Im Jahre 2007 werden es (B) werden könnte. Genau das, Herr Schneider, machen wir (D) 0,6 Prozent sein und 2008 nur noch 0,3 Prozent. Im Ihnen zum Vorwurf. Aber ich weiß ja, dass sich Ihre öf- Jahre 2009 werden wir gesamtstaatlich einen Ausgleich fentlichen Äußerungen und auch die von Herrn zu verzeichnen haben. Ich finde, das alles kann sich se- Kampeter mit unseren Forderungen – Haushaltsaus- hen lassen. gleich bis 2009 – im Wesentlichen decken und diese Die gute Politik der Bundesregierung und insbeson- stützen. dere des Bundesfinanzministers hat dazu geführt, dass (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Menschen wieder Vertrauen in dieses Land, in sich sowie der Abg. Ulrike Flach [FDP]) selbst, aber auch in die öffentlichen Finanzen gewonnen haben. Das ist eine Grundvoraussetzung für wirtschaftli- Ich möchte noch etwas dazu sagen, wo mir der Haus- ches Wachstum. Damit, Frau Kollegin Lötzsch, hat die halt, der gestern vorgelegt wurde, gefällt: Ich finde es in Politik sehr viel zu tun. Auf die SPD, aber auch auf die Ordnung, dass Sie mit dem Schwerpunkt der For- Union können sich die Leute in unserem Land verlassen. schungspolitik und mit der Finanzierung der in der Ent- wicklungszusammenarbeit gegebenen Zusagen – eine (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – ODA-Quote von 0,7 Prozent des BIP bis 2015 – einen Jürgen Koppelin [FDP]: Oh ja! Das haben wir globalen, internationalen Ansatz verfolgen. Das finden bei der Mehrwertsteuererhöhung gesehen!) wir Grünen richtig; ich sage das ausdrücklich.

Vizepräsidentin Petra Pau: Ich begrüße auch, dass die CDU/CSU verstanden hat – auch wenn sie lange gebraucht hat, um aus ihrer ideo- Das Wort hat die Kollegin Anja Hajduk für die Frak- logischen Verstellung herauszukommen –, dass eine bes- tion Bündnis 90/Die Grünen. sere Kinderbetreuungsinfrastruktur wichtig ist: für (Jürgen Koppelin [FDP]: Los, Anja! Wir würden das Land, für die Frauen, für die Familien – und für un- sogar klatschen, wenn du das möchtest!) sere Wirtschaft. Das ist gut. (Beifall der Abg. Anna Lührmann [BÜNDNIS 90/ Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): DIE GRÜNEN]) – Ja, damit rechne ich sogar fast. Aber hier sieht man eine typische Schwäche der Großen Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Koalition. Wir Grünen haben vorgerechnet, dass man die Herren! Es ist unbestritten gut, dass die wirtschaftliche Kinderbetreuung finanzieren kann, indem man überflüs- Entwicklung und die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt sige Subventionstatbestände beim Ehegattensplitting ab- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11123

Anja Hajduk (A) schafft. Dann hat man auch eine Lösung für das Länder- (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Oder (C) problem, die Einrichtungen zu finanzieren. Wir haben privatisieren!) gezeigt, wie man durch Umfinanzierung ab sofort die Wenn man jetzt einen Abbaupfad bei der Konsolidie- Kinderbetreuung gewährleisten kann, und zwar in einer rung beschreiben will, kann man doch nicht allen erns- viel besseren Qualität, als für nächstes Jahr geplant – Sie tes sagen: Wir wissen schon jetzt, im Sommer, wir brau- müssen um Sondervermögen feilschen, müssen auf kon- chen dieses Jahr 10 Milliarden Euro neue Schulden, aber junkturelle Steuermehreinnahmen in diesem Jahr setzen. 2008, wo die Wirtschaft genauso gut weiterlaufen soll Das ist eine typische Schlechterlösung der Großen Ko- – so Ihre Annahme –, brauchen wir wieder ein bisschen alition: Sie können nicht umfinanzieren, Sie können lei- mehr Schulden. Das passt nicht zusammen, und das der nur obendrauf packen. zeigt, dass Sie – an dieser Stelle ist der Titel richtig – (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) mangelnden Ehrgeiz bei der Konsolidierung haben. Ich komme jetzt im engeren Sinne zur Haushaltspoli- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tik der Großen Koalition. Die Zahlen von Herrn sowie des Abg. Otto Fricke [FDP]) Steinbrück sehen so aus: Die Ausgaben steigen zum nächsten Jahr um 4,7 Prozent. Früher hatten wir Ausga- Vizepräsidentin Petra Pau: bensteigerungen um 1 Prozent. Man gönnt sich also et- Herr Kollege Kampeter, Sie haben das Wort. was! (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ Steffen Kampeter (CDU/CSU): DIE GRÜNEN und der FDP) Frau Kollegin Hajduk, vor etwa einer Minute haben Sie in Ihrer Rede ausgeführt, dass wir im nächsten Jahr Ich finde, das ist fahrlässig, wenn man die historische entsprechend dem Regierungsentwurf in Absolutbeträ- Chance hat, den Haushalt auszugleichen. Man kann es gen ungefähr 12 Milliarden Euro mehr ausgeben wollen. auch anders bebildern: Sie steigern die Ausgaben um Ist es nicht zutreffend, dass diese Steigerung um 12,7 Milliarden Euro. Das ist ungefähr die Nettokredit- 12 Milliarden Euro, wenn man von den etwa aufnahme, die für nächstes Jahr vorgesehen ist. Da kann 3 Milliarden Euro Zinsen absieht, vor allen Dingen auf doch jeder, ohne dass er im Haushaltsausschuss sitzt, einen Ausgabeposten zurückgeht, nämlich auf die schnell erkennen: Im Prinzip könnten wir nächstes oder 6 Milliarden Euro für die Postpensionskassen? übernächstes Jahr ohne neue Schulden auskommen. (Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Die sind nur einmalig! – Otto Fricke [FDP]: sowie bei Abgeordneten der FDP – Steffen (B) Die sind dauerhaft!) (D) Kampeter [CDU/CSU]: Wie halten Sie es ei- gentlich mit den Postpensionen, Frau Kolle- – Die sind dauerhaft, Herr Kollege Brinkmann. – Diese gin?) 6 Milliarden Euro Mehrausgaben sind also die Konse- quenz von politischen Entscheidungen, die unter Ihrer Das ist doch ein Ziel, das einfach zu erreichen wäre: mit Beteiligung getroffen worden sind und deren Folgen wir Disziplin. Das wäre eine Aufgabe, die Sie sich stellen als Große Koalition jetzt nachzuvollziehen haben. Muss sollten! man deswegen nicht sagen, dass Ihre Kritik an den Mehrausgaben halbherzig ist? Ich lasse es Ihnen nicht (Abg. Steffen Kampeter [CDU/CSU] meldet durchgehen, sich hier hopplahopp aus der Verantwor- sich zu einer Zwischenfrage) tung zu stehlen. Ich bitte Sie deshalb in Form dieser Ich bin Realistin genug, zu sagen: Die günstige wirt- Frage, das noch einmal aufzugreifen. schaftliche Entwicklung gibt Ihnen eine bessere Basis, (Beifall des Abg. Dr. Klaus W. Lippold [CDU/ als wir sie unter Rot-Grün hatten, keine Frage. Aber ehr- CSU]) geizig sind Sie an dieser Stelle nicht. Auch mit Blick auf die Nachbarländer kann ich sagen: Sie vertun hier eine Chance. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Kampeter, ich leugne überhaupt nicht, dass es manchmal Ausgabenbereiche gibt, die schwerer Vizepräsidentin Petra Pau: zu steuern sind oder die man erbt. Aber ist das, was Sie Kollegin Hajduk, gestatten Sie eine Zwischenfrage? sagen, nicht ein bisschen kleinlich? (Zuruf von der FDP: Naja, aber es sind schon Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 6 Milliarden Euro!) Ich würde gerne noch einen Gedanken zu Ende füh- ren; dann gerne, Herr Kollege Kampeter. In den beiden Jahren 2006 und 2007 steigen unter der Großen Koalition die Ausgaben im Haushalt zusammen- Für 2007 ist geplant, 19,5 Milliarden Euro neue genommen um fast 18 Milliarden Euro. Durch Steuerer- Schulden aufzunehmen. Es gibt, glaube ich, niemanden höhungen und guten Subventionsabbau – der endlich hier im Haus, der bestreiten wollte, dass es möglich einmal geklappt hat – haben Sie in zwei Jahren wäre, mit den Steuermehreinnahmen von über 11 Milliar- 37 Milliarden Euro Mehreinnahmen. Ist es dann bei ei- den Euro die Nettokreditaufnahme in diesem Jahr 2007 nem Haushalt von insgesamt 270 Milliarden Euro nicht auf ungefähr 10 Milliarden Euro zu senken. ein bisschen kleinlich, zu sagen, dass Sie diese 11124 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Anja Hajduk (A) 6 Milliarden Euro nicht anders aussteuern oder kompen- lesen können, dass es keinen Grund zur Überheblichkeit (C) sieren können? bei der Großen Koalition gibt. Manche – wie heute die „“ – sagen, der Bundesfinanzminister (Zuruf von der FDP: 6 Milliarden Euro, das ist profitiere von der Gnade der späten Ernennung; dazu nicht kleinlich!) will ich gar nichts weiter sagen. Aber Überheblichkeit ist Ich erhalte meine Kritik aufrecht. Wenn Sie diesen klei- nicht am Platz. Es müsste vielmehr eine schlichte finanz-, nen Bereich herausgreifen, gebe ich zu, dass es da auch haushalts- und wirtschaftspolitische Wahrheit stärker be- ein kleines bisschen Erblast gibt. Aber Sie haben durch rücksichtigt werden: In guten konjunkturellen Zeiten die gute konjunkturelle Entwicklung Steuerungsmög- muss man sanieren, und zwar so, dass man für die Zu- lichkeiten im zweistelligen Milliardenbereich. Diese kunft und für den Fall vorsorgt, dass die Konjunktur vergeben Sie einfach. Deshalb komme ich zu derselben wieder kippt. Konsequenz: Sie sind nicht ehrgeizig und in einem sehr wichtigen Bereich nicht verlässlich. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das leisten Sie viel zu wenig. Deswegen bin ich froh, Ich komme jetzt zu zwei weiteren Punkten, die ich dass wir vom Bündnis 90/Die Grünen Ihnen in dieser noch anmerken möchte. Woche einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundge- setzes und der Bundeshaushaltsordnung zuleiten. Damit Vizepräsidentin Petra Pau: soll eine Schuldenbremse eingeführt werden, die si- Frau Kollegin Hajduk, gestatten Sie noch eine Zwi- cherstellt, dass in konjunkturell guten Zeiten Über- schenfrage? schüsse erwirtschaftet werden und in konjunkturell schlechten Zeiten Defizite zulässig sind. Ihre Haushalts- Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): politik hält einer solchen Schuldenbremse nicht stand. Ich glaube, dass wir dies jetzt genug diskutiert haben, Ich sehe aber mit Sympathie, dass auch der Finanzminis- Herr Kampeter. Wir setzen das dann im September fort. ter weiß, dass er eigentlich eine solche Schuldenbremse Sie kommen auf die Postunterstützungskassen bestimmt bräuchte. Ich hoffe, dass wir in der Föderalismuskom- noch dreimal zurück. mission II und bei den Haushaltsberatungen in diesem Herbst in diesem Punkt weiterkommen. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Es ist klar, dass Ihnen das unangenehm ist, Frau Kolle- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das hoffen wir gin!) auch! Da sind wir auf der gleichen Seite!) (B) Ich komme jetzt zum Arbeitsmarkt. Kollege Wir Grüne haben dazu eine Initiative vorgelegt. Ich (D) Schneider hat gesagt, dass noch über 10 Milliarden Euro bin gespannt, wie Sie die bewerten und ob Sie da mitzie- an Überschüssen bei der Bundesagentur für Arbeit hen. bleiben werden. Ich kann Ihnen nur zurufen: Hätten Sie Schönen Dank. sich doch in diesem Punkt ruhig einmal gegen die CDU durchgesetzt! Es ist klar, dass die Bundesagentur für Ar- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – beit das Geld aus der Mehrwertsteuererhöhung definitiv Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wir sind uns nicht braucht. Sie schonen damit , die die einig in der Hoffnung!) 6 Milliarden Euro weiter in die Bundesagentur für Ar- beit hineinpumpt, und ziehen jetzt auf anderer Ebene Vizepräsidentin Petra Pau: 5 Milliarden Euro wieder ab. Daran kann man sehen, dass es zur Senkung der Lohnnebenkosten struktureller Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Georg Arbeitsmarktreformen bedurfte, die wir mit der rot-grü- Fahrenschon das Wort. nen Koalition unter ziemlich starken Belastungen durch- (Beifall bei der CDU/CSU) geführt haben. Das Mehrwertsteuergeld in der Bundes- agentur ist überflüssig. Wenn man für Haushaltsklarheit, Haushaltswahrheit und Transparenz ist, würde man das Georg Fahrenschon (CDU/CSU): auch zugeben und diesbezüglich nicht so kleinmütig Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und sein. Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Dinge sind am Ende der Debatte klar: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Erstens. Vor dem Hintergrund des gestern im Kabinett Ganz zum Schluss möchte ich Folgendes sagen, wo- verabschiedeten Haushaltsplans für das kommende Jahr mit ich sicherlich nicht allein stehe: ist der Antrag der FDP nicht mehr der aktuellste. Er ist (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Aber sicher- durch die erfolgreiche Arbeit des Bundeskabinetts quasi lich etwas Nettes, Frau Kollegin!) überholt. Wenn Sie in den letzten Tagen die Kommentierungen Zweitens. Wir sind Ihnen trotzdem dankbar, weil Sie der Haushaltspolitik und des Haushaltsentwurfes für uns – passend zur letzten Sitzungswoche vor der Som- 2008 aufmerksam gelesen haben, dann haben Sie zur merpause – die Gelegenheit geben, noch einmal die drei Kenntnis genommen, dass es besser wird, als wir ge- wesentlichen und guten Meldungen bzw. Nachrichten dacht haben. Aber Sie haben in den Kommentaren auch deutlich herauszuarbeiten: Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11125

Georg Fahrenschon (A) Erstens. Das Defizitverfahren der Europäischen Die dritte gute Nachricht lautet, dass infolge der Kon- (C) Kommission gegen Deutschland ist endgültig eingestellt solidierungsmaßnahmen der Großen Koalition und da- worden. Die Europäische Union bestätigt damit den fi- mit infolge richtiger Politik, mit der die Weichen gleich- nanzpolitischen Kurs der Großen Koalition. Dabei ist zeitig auf Wachstum und Beschäftigung sowie auf besonders bemerkenswert, dass wir die notwendige Re- Konsolidierung gestellt wurden, das gesamtstaatliche duzierung bzw. Rückführung des Defizits ein Jahr vor Defizit mittlerweile auf nur noch ein halbes Prozent des der uns gesetzten Frist erreicht haben. Und das ist gut so. Bruttoinlandsprodukts gesunken ist. Binnen zwei Jahren haben wir das strukturelle Defizit Deutschlands von über (Beifall bei der CDU/CSU) 3 Prozent auf nur noch ein halbes Prozent absenken kön- Zweitens. Wir arbeiten mit voller Kraft daran, die nen. Das heißt nicht, dass wir hier aufhören, aber das Nettokreditaufnahmen zu reduzieren. Im Jahr 2006 ha- heißt, dass die richtige Politik zu guten Ergebnissen ge- ben wir sie im Vergleich zum Plan schon um führt hat. 10 Milliarden Euro zurückgeführt, und wir werden wei- (Beifall bei der CDU/CSU – Steffen Kampeter ter fortschreiten. Der Ausblick auf das kommende Jahr [CDU/CSU]: Sehr richtig! Das musste auch mit knapp 13 Milliarden Euro und auf die darauf fortfol- einmal klargestellt werden!) genden Jahre ist entsprechend positiv. Liebe Frau Kolle- gin Hajduk, Sie wissen selber, dass wir an dieser Stelle Angesichts eines Schuldenbergs in Höhe von nach der mittelfristigen Finanzplanung noch auf die kom- wie vor unvorstellbaren 1 500 Milliarden Euro müssen mende Steuerschätzung warten müssen, um den Daten wir aber weiterarbeiten. Wir können nicht stehen blei- für die kommenden Jahre eine entsprechende Grundie- ben. Aufgrund der guten konjunkturellen Lage dürfen rung zu geben. Es macht überhaupt keinen Sinn, jetzt mit wir nicht bis 2011 mit einem ausgeglichenen Haushalt Wunschzahlen zu operieren. Es macht viel mehr Sinn, warten, sondern wir wollen ihn so schnell, so passend die Steuerschätzung abzuwarten und dann entsprechend und so tragfähig wie möglich erreichen. zu korrigieren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- wie des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] neten der SPD) [SPD]) Dabei gilt für uns einerseits eine strikte Ausgaben- Vizepräsidentin Petra Pau: disziplin, andererseits glauben wir, dass es bei einem Kollege Fahrenschon, gestatten Sie eine Zwischen- Anhalten des konjunkturellen Aufschwungs möglich ist, frage der Kollegin Hajduk? noch im laufenden Jahrzehnt, also vor dem Jahre 2011, einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen; denn (B) (D) Georg Fahrenschon (CDU/CSU): nur dadurch können wir – der Freistaat Bayern macht es Ja, gerne. uns in diesem Jahr doch bereits erfolgreich vor – endlich die Schaufel in die Hand nehmen und damit beginnen, (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Jede Redezeitver- den Schuldenberg abzubauen. längerung wird dankend angenommen!) (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Von Bayern – An dieser Stelle. lernen heißt sparen lernen, Herr Kollege Fahrenschon!) Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir laufen Gefahr, dass uns hier die Zeit davonläuft. Sehr geehrter Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass Ihr Finanzminister, Herr Steinbrück, nicht so sehr auf die (Beifall der Abg. Ilse Aigner [CDU/CSU]) Zahlen der Steuerschätzung angewiesen ist, sondern dass Der vorgelegte Entwurf enthält bereits zwei bemer- er gerne noch eigene Schätzungen vornimmt und diese kenswerte Alarmzeichen: Zahlen dann in seine Finanzplanung und den Haushalt einbaut? Das steht in einem gewissen Widerspruch zu Erstens. Der Anstieg der Zinsausgaben um 2,6 Mil- der Äußerung, die Sie gerade gemacht haben. liarden Euro. (Otto Fricke [FDP]: Ja! Das habt ihr immer be- Georg Fahrenschon (CDU/CSU): stritten!) Aber liebe Frau Kollegin, Ihnen ist doch auch be- Dies ist zwar noch überschaubar, bedeutet aber – das kannt, dass wir nach dem Beschluss des Kabinetts gleich muss uns umtreiben –, dass wir im kommenden Jahr in der ersten Woche nach der Sommerpause hier im Par- 42,2 Milliarden Euro nicht für politische Maßnahmen lament mit den Arbeiten am Haushaltsplan starten wer- zur Verfügung haben, den und dass wir als Parlament in guter Tradition – bei uns liegt nämlich das Budgetrecht gegenüber der Regie- (Otto Fricke [FDP]: Mindestens!) rung – die Steuerschätzung abwarten und dann entspre- sondern für die Zinsen der bereits in der Vergangenheit chend korrigieren werden. vom Bund aufgetürmten Schulden aufwenden müssen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- (Otto Fricke [FDP]: Sehr wahr!) neten der SPD – Alexander Bonde [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Steinbrück hat aber Zum anderen muss uns beschäftigen, dass trotz real vorkorrigiert!) steigender Investitionsausgaben die Investitionsquote 11126 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Georg Fahrenschon (A) im Bundeshaushalt am Ende des Planungszeitraums bei zogen wird. Das ist leider nicht der Fall. Darum möchte (C) nur noch 8,2 Prozent liegt. ich gerne im zweiten Teil meiner Rede auf den einen oder anderen Punkt eingehen. Nicht nur, aber insbesondere aufgrund dieser beiden Alarmzeichen liegt noch viel Arbeit vor uns. Arbeit be- Zu Beginn will ich aber auf das eingehen, was die deutet insbesondere, zu sparen und die Konsolidierung Kollegin Lötzsch und ihre Fraktion in den letzten Wo- weiter voranzubringen. Denn solide Staatsfinanzen und chen und Monaten ständig zum Besten gegeben haben. eine nachhaltige Konsolidierung sind kein Selbstzweck. Sie machen mit Ihren Ausführungen den Menschen Sie sind unumgängliche Voraussetzung zur Wiederge- weis, dass die Probleme, die bei der Telekom und der winnung von haushaltspolitischen Spielräumen, die wir Deutschen Bahn bestehen, an uns und die positiven Zei- zur Finanzierung wichtiger Zukunftsinvestitionen chen in der Wirtschaftsentwicklung, auf dem Arbeits- und zur weiteren Rückführung der Steuerbelastung markt und auch in der Haushalts- und Finanzpolitik an dringend brauchen. den Menschen vorbeigehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Ich habe in diesem Zusammenhang eine herzliche neten der SPD) Bitte. Tun Sie doch nicht so, als könnten die Bundesre- gierung oder dieses Hohe Haus durch Beschlüsse dafür Zudem sind sie wichtige Voraussetzungen für eine sorgen, dass die Probleme bei der Telekom und der Steigerung von Wachstum und Beschäftigung. Deutschen Bahn AG so gelöst werden, wie Sie es gerne (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Hört! Hört!) hätten, geschweige denn, dass der Staat in der Lage wäre, durch seine Haushalts- und Finanzpolitik Geleit- Denn am Ende wird das Wachstum durch Sparen geför- schutz zu geben. Damit machen Sie den Menschen etwas dert. Umgekehrt gilt, dass ohne ein erhöhtes Wirtschafts- vor. wachstum der Abbau der Arbeitslosigkeit, die Stabilisie- rung der sozialen Sicherungssysteme und die (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Blinde Staats- Konsolidierung der öffentlichen Haushalte nicht gelin- hörigkeit da drüben!) gen können. Hierfür werden wir in den anstehenden par- Das würde – wenn überhaupt – nur kurzfristig zum lamentarischen Beratungen genügend Zeit haben, und Erfolg führen. In welchem Maße das schiefgehen kann, wir werden uns auch den nötigen Raum nehmen. haben wir bis zur Wiedervereinigung unseres Vaterlan- des erlebt. Wir sind entschlossen, den Weg der Tugend, den Bun- desminister Michael Glos klar beschrieben hat, zu unter- (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ja, das sollte stützen. die Kollegin Lötzsch eigentlich besser wis- sen!) (B) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (D) Was den Ehrgeiz angeht, ist es in der Tat gut, wenn Dieser Weg sieht vor, erstens die Defizite in den öffentli- man ihn hat. Übertriebener Ehrgeiz führt aber nicht im- chen Haushalten über den Konjunkturzyklus dauerhaft mer zu dem Ziel, das man erreichen möchte, Herr Kol- und vollständig zu vermeiden, um damit die öffentliche lege Fricke. Verschuldung Schritt für Schritt abzubauen. Zweitens soll die Belastung durch Steuern und Abgaben gesenkt (Otto Fricke [FDP]: Sehr wahr!) werden; denn wir müssen jetzt die Gelegenheit nutzen, Ich habe in Ihrer Rede vermisst, dass Sie neben den an- den Beitrag zur Konsolidierung, den die Bürger in die- gesprochenen Punkten, wo man auf der Ausgabeseite sem Land geleistet haben, in besseren Zeiten wieder zu- sparen oder Einschnitte vornehmen kann, auch das Lied rückzugeben. Drittens wollen wir öffentliche Investitio- von weiteren Steuersenkungen gesungen haben. nen vor allem in Bildung, aber auch in Innovationen erhöhen; denn darin liegt unsere Zukunft. Nur so kann es (Otto Fricke [FDP]: Hier geht es um Haushalt, uns gelingen, den Schuldenberg in absehbarer Zeit abzu- nicht um Finanzen!) tragen. Dieses Lied singen Sie anscheinend nicht mehr. Zumin- Herzlichen Dank. dest in diesem Bereich scheinen Sie zu einer anderen Überzeugung gekommen zu sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD – Steffen Kampeter [CDU/ Ich erkläre hier ganz deutlich, dass sich der im Herbst CSU]: Eine sehr gute Rede!) 2005 begonnene Dreiklang von Reformieren, Investie- ren und Konsolidieren als sehr erfolgreich erwiesen hat und dass wir zumindest einen bestimmten Anteil an die- Vizepräsidentin Petra Pau: ser erfolgreichen Wirtschafts- und Finanzpolitik in Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Bernhard Deutschland haben. Brinkmann das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Wenn die Arbeitslosigkeit steigt, dann sind die Poli- Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was den man- tiker schuld. Wenn die Arbeitslosigkeit sinkt, dann ist gelnden Ehrgeiz angeht, hatte ich eigentlich damit ge- die Wirtschaft alleine verantwortlich. Ich glaube, in der rechnet, dass die Steilvorlage vom März dieses Jahres Mitte liegt die Wahrheit. Wir sollten uns jedenfalls von den Freien Demokraten noch rechtzeitig zurückge- darüber freuen, dass die Arbeitslosigkeit seit November Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11127

Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (A) 2005 jeden Monat zurückgeht, und das quer durch alle dazu beitragen, seit 1990 Sonderkosten für die deut- (C) Bereiche. Auch bei der Langzeitarbeitslosigkeit und der sche Einheit und Kosten für den Solidarpakt II bis 2019 Jugendarbeitslosigkeit sind Erfolge zu verzeichnen. Ich zu finanzieren haben. Das leistet keine andere Volkswirt- füge hinzu: Wir dürfen dabei nicht aus den Augen verlie- schaft, weder in Europa noch auf der Welt. Auf diese ren, dass jemand, der arbeiten geht, am Ende des Monats Leistung sollten wir – völlig zu Recht – sehr stolz sein. so viel nach Hause bringen muss, dass er davon sich und seine Familie ernähren kann. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Darum ge- setzlichen Mindestlohn! Da haben Sie nicht Die wachsende Wirtschaft und die Erfolge auf dem zugestimmt!) Arbeitsmarkt bestätigen die erfolgreiche Politik der Bun- desregierung und der sie tragenden Koalitionsfraktionen. – Frau Kollegin Lötzsch, mit dem gesetzlichen Min- Eine erste Rendite zeichnet sich nun ab. Wir haben damit destlohn werden wir uns noch eine bestimmte Zeit aus- eine historische Chance, den Haushalt zukunftsgerecht einandersetzen. Ich habe nur den Eindruck, dass Sie hier auszurichten und erstmals nach über 40 Jahren den versuchen, kurzfristig politische Erfolge zu erzielen, ge- Schuldenberg nicht weiter wachsen zu lassen, sondern nauso wie in anderen Punkten. Ich sage Ihnen schon abzubauen. Lassen Sie uns diese Chance gemeinsam jetzt: Das wird Ihnen auch hier nicht gelingen. nutzen. Wir werden in den nächsten Wochen und Mona- Was die Steigerung der Ausgaben angeht, möchte ten bei den Beratungen im Haushaltsausschuss noch die ich drei Bereiche ansprechen; die anderen wurden zum Möglichkeit haben, das eine oder andere zu verändern. größten Teil schon erwähnt. Erster Punkt. Ich glaube, Wir unterstützen den Finanzminister bei seinen Bemü- niemand in diesem Hohen Haus wird ernsthaft bestrei- hungen und bedanken uns, dass der Bundeshaushalt ten, dass weitere Ausgaben für Bildung und Forschung 2008 die bisher erzielten Erfolge festigt und fortschreibt. richtig sind. Hier zu sparen, wäre falsch. Noch ein Wort zu den Kolleginnen und Kollegen von (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der der FDP, was die Produktion von Papier angeht. Wir ha- CDU/CSU) ben bei den letzten Haushaltsberatungen immer erlebt, dass der Kollege Fricke oder der Kollege Koppelin mit Demzufolge sollten wir es im Rahmen der Haushaltsbe- einem Riesenbuch hier vorne aufgetreten sind und dieses ratungen, die nach der Sommerpause beginnen, auch als Sparbuch bezeichnet haben. Um nicht missverstan- nicht tun. den zu werden: Das war nicht das Sparbuch, das wir alle Der zweite Punkt betrifft die Bundeswehr. Wir alle kennen und das in der Regel ein Guthaben hat, sondern wissen – vielleicht bis auf die linke Seite dieses Hauses, das war das Sparbuch, um Haushaltskonsolidierung zu (B) die die Friedenseinsätze und die humanitären Einsätze betreiben, (D) der Bundeswehr massiv kritisiert –, dass hier etwas ge- (Otto Fricke [FDP]: Auch ein Guthaben für tan werden muss. Die ständig steigende Präsenz bei den Steuerzahler!) Hilfsmaßnahmen im Ausland und humanitären Maßnah- men zur Sicherung des Friedens erfordert erhöhte Aus- auf der Ausgabeseite zu sparen und massive Einschnitte gaben. Deshalb muss man bereit sein, dafür mehr Mittel vorzunehmen. Selbst das, was Sie mit dem großen Berg zur Verfügung zu stellen, von der Sanierung der Liegen- an Papier und dem dicken Buch hier vorgelegt haben schaften der Bundeswehr im Lande ganz zu schweigen. – um das einmal deutlich zu machen –, hätte nicht dazu Auch da muss noch einiges passieren. geführt, dass wir in 2006/2007, geschweige denn in den Jahren danach – warten wir einmal ab, was im Jahr 2008 Der dritte Punkt betrifft die Infrastruktur. Alle wollen kommt –, zu einem ausgeglichenen Bundeshaushalt ge- möglichst gute Straßen, insbesondere gute Autobahnen, kommen wären. gute Schienenwege und gute Wasserwege. Dass die Bun- desregierung dafür mehr Mittel in den Bundeshaushalt (Ulrike Flach [FDP]: Aber die Postpensionen 2008 eingestellt hat, ist eine richtige und für jeden nach- hätten Sie damit bezahlt!) vollziehbare Entscheidung. Frau Kollegin Flach, lassen Sie mich noch eine Be- Für einen ausgeglichenen Haushalt, also seit vielen merkung zum Schluss machen. Wer mehr als vier Jahr- Jahrzehnten zum ersten Mal den Punkt zu erreichen, an zehnte an dem Aufbau dieses Schuldenberges maßgeb- dem sich Einnahmen und Ausgaben wieder decken, ist lich beteiligt war, das Jahr 2011 angepeilt. Wenn es früher geht, sollten wir es in Angriff nehmen. Allerdings ist angesichts des ehr- (Ulrike Flach [FDP]: Meinen Sie uns beide?) geizigen Ziels, einen ausgeglichenen Haushalt zu errei- sollte sich, was den Ehrgeiz angeht, auf der Ausgabe- chen, ein größerer Zeitraum besser, als sich letztendlich seite Einschnitte vorzunehmen, ein wenig zurückhalten. zu verheben. Damit meine ich die Freie Demokratische Partei. Sie wa- Der Kollege Schneider hat darauf hingewiesen – Frau ren einmal mit uns und einmal mit der Union zusammen, Kollegin Hajduk ist leider nicht mehr da –, dass man un- aber Sie waren eigentlich immer dabei, als die Schulden ser Land nicht eins zu eins mit den europäischen Nach- gemacht worden sind, übrigens auch bei der falschen barländern vergleichen darf, wenn es um Haushaltskon- Finanzierung der deutschen Einheit 1990. solidierung und Erzielung von Überschüssen geht. Es ist Vielen Dank. besonders wichtig, in dieser Debatte darauf hinzuweisen, dass wir, unsere Volkswirtschaft und alle anderen, die (Beifall bei der SPD) 11128 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die (C) Ich schließe die Aussprache. Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre dazu kei- nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/4606 an den Haushaltsausschuss vorge- Das Wort hat die Bundesministerin für Bildung und schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Forschung, Dr. Annette Schavan. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das lässt sich nicht verhindern, Frau Präsidentin!) Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil- dung und Forschung: Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlos- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! sen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a bis 6 c auf: heute Morgen nach der Regierungserklärung von Herrn Kollegen Glos über den wirtschaftlichen Aufschwung in a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre- Deutschland diskutiert. Der Bericht zur technologischen gierung Leistungsfähigkeit Deutschlands bestätigt: Die deutsche Wirtschaft befindet sich auf einem klaren Expansions- Bericht zur technologischen Leistungsfähig- keit Deutschlands 2007 und kurs. Er behandelt die Faktoren, die bedeutsam sind, um Stellungnahme der Bundesregierung die Innovationskraft in Deutschland als Grundlage für anhaltende wirtschaftliche Entwicklung zu stärken, und – Drucksache 16/5823 – er beschreibt Stärken und Schwächen. Überweisungsvorschlag: Er beschreibt erstens – lassen Sie mich insgesamt sie- Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) ben Punkte aufgreifen –, in welchen Bereichen Potenzial Finanzausschuss noch besser genutzt werden kann, zum Beispiel durch Ausschuss für Wirtschaft und Technologie die stärkere Nutzung der Informations- und Kommuni- Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit kationstechnologien etwa in den Bereichen der Dienst- b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Johann- leistungen neuer Medien, im Bereich von E-Health und Henrich Krummacher, Ilse Aigner, Dorothee Bär, Logistik. Das sind drei besondere Bereiche, die Nieder- weiterer Abgeordneter und der Fraktion der schlag in der von der Bundesregierung vor wenigen Mo- CDU/CSU naten veröffentlichten Strategie IKT 2020 finden, die sowie der Abgeordneten Jörg Tauss, René als Treiber für Innovation wirken soll und deshalb auf Röspel, Dr. , weiterer Ab- Anwendungen von Informations- und Kommunika- (B) geordneter und der Fraktion der SPD tionstechnologie ausgerichtet ist. (D) IKT 2020: Gezielte Forschungsförderung für Zweitens beschreibt der TLF die starke Position zukunftsträchtige Innovationen und Wachs- Deutschlands und deutscher Unternehmen auf den Welt- tumsfelder im Bereich der Informations- und märkten der Technologiegüter. Es wird nicht nur auf Kommunikationstechnologien (IKT) eine Zahl hingewiesen, die schon aus den letzten Jahren bekannt ist, wonach 65 Prozent der deutschen Unterneh- – Drucksache 16/5900 – men zu den innovativen Unternehmen gehören, sondern Überweisungsvorschlag: es wird auch von einer weiter steigenden Zahl der Patent- Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) anmeldungen und davon gesprochen, dass im Jahr 2005 Innenausschuss forschungsintensive Industriewaren im Wert von Rechtsausschuss 428,3 Milliarden Euro exportiert wurden und Deutsch- Finanzausschuss land damit der Welt größter Technologieexporteur noch Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Gesundheit vor den USA und Japan ist. Als ein herausragendes Bei- Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union spiel für erfolgreiche Entwicklung in den vergangenen Haushaltsausschuss Jahren wird das Beispiel der Umwelttechnologie ge- c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Priska nannt, das jetzt wieder im Kontext unserer Debatten über Hinz (Herborn), Grietje Bettin, Ekin Deligöz, Energieforschung und den positiven Einfluss auf den weiterer Abgeordneter und der Fraktion des Energiewandel eine große Rolle spielt. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Drittens. Man blickt natürlich – das ist die große poli- Innovationsfähigkeit stärken durch Bildungs- tische Aufgabe, vor der wir stehen – auf, wie es so schön und Forschungsoffensive heißt, Aufhol-Länder wie China, Indien oder die Tiger- staaten, die mit ihren Investitionen in Forschung und – Drucksache 16/5899 – Entwicklung, mit ihrer Präsenz in der Wissenschafts- Überweisungsvorschlag: gesellschaft, etwa im Bereich der wissenschaftlichen Ausschuss für Bildung, Forschung und Publikationen, oder mit ihrer Präsenz auf dem Gebiet Technikfolgenabschätzung (f) des Handels mit Spitzentechnologien große Fortschritte Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie erzielt haben. Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Viertens. Eines der Hauptthemen dieses Berichtes wie Ausschuss für Kultur und Medien der Berichte der Vorjahre ist die Notwendigkeit, in For- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11129

Bundesministerin Dr. Annette Schavan (A) schung und Entwicklung ausreichend zu investieren. Es war richtig, die Novelle des Zuwanderungsgeset- (C) Das ist eine Bestätigung des 3-Prozent-Ziels. Ich bin zes – sie wird morgen im Bundesrat beraten – zu verab- sehr zufrieden damit, dass wir bei den jetzt abgeschlos- schieden. Dieses Gesetz enthält wichtige Fortschritte für senen Beratungen über den Haushalt 2008 zwischen dem ausländische Studierende. Sie können hier künftig beruf- Finanzministerium und dem Forschungsministerium lich einsteigen. Außerdem enthält dieses Gesetz wich- Konsens darüber erzielen konnten, dass bei einem stei- tige Fortschritte für ausländische Wissenschaftlerinnen genden BIP auch steigende Ausgaben notwendig sind. und Wissenschaftler. Sie haben mich gefragt: Warum Wir werden in diesem und in den folgenden Haushalten stimmen Sie dem zu? Ich stimme dem zu, weil diese eine Steigerung erleben, die dem neuen BIP gerecht Fortschritte zustande kommen müssen. Wir können da- wird. Wir werden dem 3-Prozent-Ziel wieder etwas nä- mit nicht länger warten. Punkte, die noch strittig sind, herkommen. Die Bundesregierung steht über alle Res- werden wir in den nächsten Wochen und Monaten inner- sorts hinweg zum 3-Prozent-Ziel. halb der Koalition und zwischen Regierung und Parla- ment diskutieren. Mein Hauptsatz zu dem Ganzen lautet: (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Auch Deutschland muss Interesse an Talenten aus aller Fünftens. Welche Instrumente sind zur Förderung von Welt haben, Deutschland muss für Talente aus aller Welt Forschung und Entwicklung geeignet? Die Diskussion attraktiv sein. darüber ist bei uns bereits eröffnet. Wichtig ist die För- derung exzellenter Forschungsinstitutionen. Wir kön- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- nen stolz sein – wir sollten es auch in diesem Hause sa- neten der SPD und der FDP) gen – auf Tausende Forscherinnen und Forscher in Max- Siebtens. Der Bericht zur technologischen Leistungs- Planck-Instituten, in Helmholtz-Instituten, in Leibniz-In- fähigkeit in Deutschland bestätigt: Das Konzept der stituten und an unseren Universitäten. Hightechstrategie empfiehlt ausdrücklich, dass Wissen- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) schaft und Wirtschaft nahe beieinander sind, natürliche Partner sind, dass forschungspolitische Zukunftskon- Institutionelle Förderung ist wichtig. Diese Forsche- zepte ganz klar darauf ausgerichtet sein müssen, dass rinnen und Forscher tun viel für unser Land. sich das, was aus exzellenter Grundlagenforschung an Ein weiterer großer Bereich, in dem wir in dieser Le- Möglichkeiten, Erkenntnissen, Wissen zur Verfügung gislaturperiode enorm zugelegt haben, sind die Projekt- gestellt wird, auch in der Wertschöpfungskette entfalten fördermittel. Viele dieser Mittel fließen in die High- und umsetzen lässt. Wir sind auf dem richtigen Weg. Die techstrategie. Forschungsunion ist gleichsam die Institutionalisierung dieser Partnerschaft zwischen Wissenschaft und Wirt- Es stellt sich außerdem die Frage, wie wir mit guten (B) schaft, ist die Institutionalisierung von Innovations- (D) Erfahrungen in anderen Ländern, in denen der Grundsatz allianzen, die wir wollen. Ich bin froh, dass auch auf der „Steuerpolitik ist Innovationspolitik“, umgehen. Unsere Ebene der Europäischen Union zunehmend neue Instru- Aufgabe in den nächsten Jahren wird sein, Ausschau zu mente entstehen, um diese natürliche Partnerschaft zwi- halten, wo sich welches zusätzliche Instrument als wirk- schen Unternehmen einerseits und Forschungsinstitutio- sam erwiesen hat, wo der Instrumentenkasten durch zu- nen andererseits zuwege zu bringen. sätzliche Instrumente im Bereich der Steuergesetzge- bung zu erweitern ist. Meine persönliche Überzeugung (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- ist: Die Erweiterung des Instrumentenkastens wird in neten der SPD) Deutschland und in Europa notwendig sein, um die Die Instrumente, die wir zu Beginn der Legislatur- 3 Prozent und weitere Ziele zu erreichen. periode gewählt haben, die Hightechstrategie, die Ein- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und führung der Forschungsprämie fokussiert auf kleine und der SPD) mittelständische Unternehmen, der jetzt vorbereitete Spitzenclusterwettbewerb, die 17 Innovationsstrategien, Deshalb muss dieses Gespräch zu Erfolgen führen. die deutliche Erhöhung der Investitionen für Forschung Sechstens. In diesen Tagen nach der Vorlage des und Entwicklung, wirken sich aus und werden einen ent- OECD-Berichtes wird dieser wichtige Punkt öffentlich scheidenden Beitrag dazu leisten, dass die jetzt erreichte offensiv diskutiert: der Fachkräftemangel. Die demo- wirtschaftliche Dynamik anhält. Deshalb sage ich herz- grafische Entwicklung in Deutschland ist dabei der lichen Dank allen in der Koalition, im Parlament und in eine relevante Faktor. Der andere relevante Faktor ist: Je der Regierung, die zu diesem Innovationskurs beigetra- dynamischer die Wirtschaft sich entwickelt, umso mehr gen haben. Arbeitsplätze werden geschaffen, umso mehr geht die Vielen Dank. Arbeitslosigkeit glücklicherweise zurück. Was den Be- reich der neu geschaffenen Arbeitsplätze angeht, ist der (Beifall bei der CDU und der SPD) Anteil der hochqualifizierten Kräfte immer größer. Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen: im Zusammenhang Vizepräsidentin Petra Pau: mit Bildung, Ausbildung, mit der Reduzierung der Stu- Das Wort hat die Kollegin Cornelia Pieper für die dienabbrecherquoten. Wir brauchen klare Strukturen der FDP-Fraktion. Studiengänge. Das geht bis hin zur Weiterbildung als Teil von Personalentwicklungskonzepten in unseren Un- (Jörg Tauss [SPD]: Hat Ihr Computer ternehmen. funktioniert?) 11130 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

(A) Cornelia Pieper (FDP): Die eigentliche soziale Herausforderung des 21. Jahr- (C) Nein. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol- hunderts liegt ohne Zweifel in einer exzellenten Bil- legen! Zunächst die gute Nachricht: Nicht nur im Bericht dungs- und Forschungspolitik. Die demografische Ent- zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands, wicklung und der Fachkräftemangel fordern von uns sondern auch in einer jüngst veröffentlichten Studie von mehr Investitionen in Bildung und Forschung, als wir Ernst & Young zum Standort 2007 wird Deutschland als bisher gehabt haben. Wir müssen da noch an Tempo zu- der führende Wirtschaftsstandort in Europa anerkannt, legen. aber auch international auf Platz vier hinter China, den Nehmen wir als Beispiel doch einmal unsere europäi- USA und Indien gesehen. schen Nachbarn! Frau Ministerin, in Großbritannien (René Röspel [SPD]: Gute Arbeit der letzten werden die Forschungsinvestitionen von Unternehmen Jahre!) mit bis zu 150 Prozent gefördert; sie können steuerlich abgesetzt werden. Sie haben ein Energieforschungspro- International tätige Unternehmen sehen bei den Top-10- gramm angekündigt, das bis 2011 laufen und einen Um- Standorten für Forschung und Entwicklung und für den fang von 2 Milliarden Euro haben soll. Wir haben die Hauptsitz des Unternehmens Deutschland auf Platz Energieforschung bisher jährlich mit 500 Millionen Euro zwei, jeweils hinter den USA. Das ist zunächst einmal gefördert. Großbritannien hat gemeinsam mit der Wirt- die gute Botschaft. Deutschland ist auf Expansionskurs. schaft einen Energieforschungsfonds gegründet, in den Wir haben in der Tat Wachstum. Für Wirtschaftswachs- 1 Milliarde Pfund einfließen. tum brauchen wir mehr Investitionen in Bildung und Forschung. (Zuruf von der FDP: Hört! Hört!) Wo sind die Anreize, die Sie für die Energiewirtschaft Aber wo Licht ist, ist eben auch Schatten, Frau Minis- setzen? Wir haben Ihnen vorgeschlagen, eine Stiftung terin. Ich frage mich: Welche Spielräume hat die Bun- für Energieforschung ins Leben zu rufen, paketweise desregierung geschaffen, um diesen Aufschwung zu un- Laufzeiten für Kernkraftwerke zu verlängern und den terstützen? Sie nennen hier die Hightechstrategie als Großteil der Erträge in einen Stiftungsfonds für Ener- Kernaussage für die Wachstumsstrategie der Bundes- gieforschung fließen zu lassen, um die Investitionen in regierung. Ich kann Ihnen nur von unserer Seite aus sa- diesen Wachstumsbereich zu erhöhen. gen: Die Hightechstrategie bleibt ein Sammelsurium von Forschungsprogrammen und Forschungsprojekten. Die Deutschen sind laut OECD-Studie zu alt und zu wenig gebildet. Auch das kommt im Bericht zur techno- (Jörg Tauss [SPD]: Nein!) logischen Leistungsfähigkeit zum Ausdruck. Wir müs- (B) Wir brauchen aber in Deutschland wie in anderen euro- sen da zulegen. Wir haben zu wenig Akademiker. Wir (D) päischen Staaten das Bekenntnis zur Technologieführer- müssen bei der Bildung besser werden. Wir müssen bei schaft auf internationaler, auch auf europäischer Ebene. der Mobilität im eigenen Land besser werden. Immer noch sind Schulabschlüsse und auch Hochschulab- (Beifall bei der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Aber schlüsse unter den Bundesländern nicht gegenseitig an- nicht nur auf einem Feld!) erkannt. Hier vermisse ich die Leitthemen, auf die Sie sich (Zuruf von der FDP: Unglaublich!) auch haushaltspolitisch konzentrieren. Für die FDP sind das erstens, wie es die Bundeskanzlerin während der Vor allen Dingen müssen wir natürlich auch dafür sor- EU-Ratspräsidentschaft richtig gesagt hat, die Energie- gen, dass der Fachkräftemangel nicht zur Wachstums- und Klimaforschung, zweitens die Gesundheits- und bremse in Deutschland wird. Dazu kann ich Ihnen nur Umweltforschung und drittens die Informations- und sagen, Frau Ministerin: Da haben Sie eine Entwicklung Kommunikationstechnologie. verschlafen.

Wie sieht es denn mit der haushaltspolitischen Ver- Vizepräsidentin Petra Pau: stärkung aus, meine Damen und Herren? Sie nennen zu Kollegin Pieper, Sie müssen jetzt bitte zum Schluss Recht das 3-Prozent-Ziel, also das Ziel, 3 Prozent des kommen; sonst sprechen Sie auf Kosten der Redezeit der BIP für Forschung auszugeben. Sie gehen aber bei Ihren Kollegin Flach. Berechnungen immer noch vom alten Bruttoinlandspro- dukt aus. Deswegen werden wir, wenn wir nicht mehr Kraftanstrengungen anstellen, dieses 3-Prozent-Ziel in Cornelia Pieper (FDP): Deutschland nicht erreichen können. Wir haben im Juni die Ausländerrechtsreform ver- abschiedet. Sie haben die Chance dieser Reform nicht Wie sieht denn die Struktur des Haushalts im Gesamt- dafür genutzt, dass mehr Hochqualifizierte nach etat aus? Der Anteil des Einzelplans 30 – Bildung und Deutschland kommen können. Jetzt wird es eine Bun- Forschung – am Gesamthaushalt beträgt genau 3,2 Pro- desratsinitiative auch unserer Länder geben. zent, der des Einzelplans für Arbeit und Soziales fast die Hälfte. Das sind nicht die richtigen Prioritätensetzungen, (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Was heißt wie wir sie uns für die Zukunft in Deutschland eigentlich „unserer Länder“?) vorstellen. Wir werden diese Initiative unterstützen. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11131

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: welttechnologie einen Weltmarktanteil von 16 Prozent; (C) Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege René damit sind wir größter Exporteur von Umwelttechnolo- Röspel das Wort. giegütern vor den USA. Trotzdem verläuft die Entwick- lung der Branche – das steht ja auch im Bericht – schlep- (Beifall bei der SPD) pend. Sie könnte deutlich besser laufen.

René Röspel (SPD): Dynamische Komponenten im Umweltbereich gibt es Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und allein im Bereich Klimaschutz – das seit neuem, seitdem Herren! Schade, Frau Pieper, Sie fingen so gut an mit die Diskussion zu Recht aufgenommen worden ist – und dem berechtigten Lob für die Situation in Deutschland im Bereich regenerative Energien. In letzterem Bereich – die Selbstkritik haben wir noch vor uns; die werden ist unser Anteil am Welthandel seit der Jahrtausend- wir auch üben –, und dann verfielen Sie leider wieder in wende deutlich gestiegen und steigt weiterhin. Das ist das übliche Mäkeln und Schwarzmalen. übrigens ein gutes Beispiel für staatliche Lenkungs- und Regulierungsmaßnahmen. Das Erneuerbare-Energien- (Jörg Tauss [SPD]: Ja, unglaublich! Mäkeln Gesetz, unter Rot-Grün geschaffen, ist – das wird deut- macht hässlich! – Gegenruf des Abg. Rainer lich im Bericht hervorgehoben – nicht nur gut für Klima Brüderle [FDP]: Tauss ist wach! Guten Mor- und Umwelt. Dass wir in erneuerbare Energien, in Solar- gen, Herr Tauss!) und Windenergie investiert haben, ist auch gut für die Wirtschaft und damit für die Schaffung neuer Arbeits- Wenn Sie einmal in den Bericht hineingeschaut hätten plätze. – er ist wirklich schön bunt gedruckt, und man findet viele gute Statistiken –, dann hätten Sie gesehen, dass zu (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Zeit Ihrer Regierungsbeteiligung die Investitionen in der CDU/CSU – Beifall beim BÜNDNIS 90/ Forschung und Entwicklung zurückgegangen sind, ge- DIE GRÜNEN) senkt worden sind, am Boden lagen. Dennoch bleibt eine Vielzahl an Fragen offen. Wenn (Beifall bei der SPD) man sich den Anteil der Investitionen in Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt anschaut – das Erst wir haben es geschafft, die Investitionen seit weni- wird auch im Bericht ausgeführt –, so stellt man fest, gen Jahren, langsam genug, wieder nach oben zu fahren. dass wir hinter anderen Ländern hinterherhinken. Man kann zwar die Situation bemängeln, aber der Blick Schweden, Finnland, Japan, Korea, die Schweiz und die zurück und das Fassen an die eigene Nase sind mitunter USA investieren deutlich mehr in Forschung und Ent- sinnvoll und auch lehrreich. wicklung als Deutschland. Trotzdem sind wir Export- (B) Wir diskutieren heute über den Bericht zur techno- weltmeister. (D) logischen Leistungsfähigkeit Deutschlands 2007. Es ist zwar gut, mehr Investitionen in FuE zu tätigen, Deutschland ist zum vierten Mal hintereinander Export- es müssen aber auch andere Parameter eine Rolle spie- weltmeister. Frau Ministerin hat zu Recht gesagt: For- len, weil allein die Investitionen in Forschung und Ent- schungsintensive Industriewaren im Volumen von wicklung demnach nicht dazu führen können, dass man 428 Milliarden Euro sind im Jahr 2005 aus Deutschland Exportweltmeister wird. Auf dem Forum Bildung der in andere Länder geliefert worden. Damit sind wir Tech- SPD vor einigen Wochen hat Professor Bosch vom Insti- nologieexporteur Nummer eins in der Welt. Die Un- tut für Arbeit und Qualifizierung der Universität Duis- ternehmen, die viel in Forschung und Entwicklung burg-Essen einen interessanten Vortrag gehalten. Er hat investieren, die sogenannten F-und-E-intensiven Wirt- gesagt – ich darf zitieren –: Das Geheimnis unserer schaftszweige, sind der wesentliche Träger unseres Pro- Wettbewerbsstärke liegt in der Diffusion von Innovation duktionswachstums. durch die enge Kooperation von Entwicklern und quali- Deutschland ist gut bei den klassischen Industrie- fizierten Machern. zweigen Automobilbau, Chemie, Maschinenbau. Wir Was heißt das? Das heißt zum Beispiel, dass in den haben aber nur eine ausgeglichene Handelsbilanz – das USA und Großbritannien die mittlere Führungsebene ist natürlich per se nicht schlecht – bei den Spitzentech- in den Unternehmen von gut ausgebildeten Ingenieuren nologien in anderen Bereichen. Da haben wir deutlichen oder Wissenschaftlern, die an der Universität gelernt ha- Nachholbedarf. Der Kollege Tauss wird gleich über die ben, besetzt wird. Diese haben profunde Kenntnis in Initiative der Koalitionsfraktionen zu Informations- und theoretischen Fragen. In den deutschen Unternehmen ist Kommunikationstechnologien – da müssen wir wirklich das häufig anders: In der mittleren Führungsebene fin- viel machen – berichten. den sich hochqualifizierte Meister und Techniker, die gut Ein Kapitel des Berichts bezieht sich auf die Umwelt- ausgebildet sind und eine lange Erfahrung haben. Das wirtschaft, ein sicherlich wichtiger Faktor: Rund sind die Macher, die Projekte umsetzen können. 5 Prozent aller Unternehmen in Deutschland befassen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten sich mit Umwelttechnik und Umwelttechnologien; der CDU/CSU) 4,8 Prozent der gesamten Industrieproduktion und drei Viertel aller wissens- und forschungsintensiven Unter- Das heißt, wenn wir an dieser Stelle von Technologie- nehmen entstammen diesem Bereich. Nach Auskunft förderung und Leistungsfähigkeit reden, dürfen wir uns des Berichts sind diese Unternehmen überdurchschnitt- nicht allein auf die Investitionen in Forschung und Ent- lich innovativ. Deutschland besitzt im Bereich der Um- wicklung konzentrieren, sondern wir müssten eigentlich 11132 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

René Röspel (A) diesen Bericht zusammen mit dem Bundesbericht For- (Beifall bei der SPD – Zuruf vom BÜNDNIS 90/ (C) schung und dem Nationalen Bildungsbericht zusammen DIE GRÜNEN: Aha!) diskutieren, weil das ein Gesamtpaket ist und eine Ge- eine Abkehr von der bisher auf Auslese ausgerich- samtbetrachtung notwendig ist. teten Bildungsphilosophie … zur größtmöglichen (Beifall bei der SPD) Förderung. Wichtig ist nämlich, dass gut ausgebildete Fachkräfte Das ist erforderlich, damit wir kein einziges Talent – un- von der Universität und solche aus dem dualen Berufs- abhängig davon, aus welchem Elternhaus es kommt – bildungssystem, für das Deutschland steht, zusammen- liegen lassen. kommen und zusammenarbeiten. Verantwortung dafür (Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD]) tragen gleichermaßen die Unternehmen und die Politik. Die Unternehmen haben die Ausbildungsplätze zur Ver- Wenn wir in die Menschen investieren, investieren wir in fügung zu stellen, damit möglichst viele junge Men- die Technologieförderung. Beste Bildung heißt beste schen – einige sind ja auch hier bei der Debatte anwe- Technologie. send – eine Chance haben, einen Ausbildungsplatz zu finden und anschließend einen Beruf zu ergreifen, Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD)

und vielleicht auch noch die Chance bekommen, sich Vizepräsidentin Petra Pau: weiterzuqualifizieren und gute Meisterinnen und Meister Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin sowie Technikerinnen und Techniker zu werden – genau Dr. Petra Sitte das Wort. die brauchen wir nämlich in der mittleren Führungs- ebene – oder ein Studium aufzunehmen. Dafür, jungen (Beifall bei der LINKEN) Leuten ein Studium zu ermöglichen, trägt im Wesentli- chen die Politik die Verantwortung. Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Das läuft leider nicht in allen Bundesländern gut. In Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will meinem Heimatland Nordrhein-Westfalen, CDU/FDP- gern zugeben, dass Berichtslektüre nicht unbedingt zu regiert, wird von der Abschaffung der Grundschulbe- meinen Lieblingsbeschäftigungen gehört. Der Technolo- zirke bis zur Einführung von Studiengebühren die Aus- giebericht war aber schon im letzten Jahr sehr interessant bildungsauslese leider verschärft. Das heißt, die Mög- und ist es auch in diesem Jahr. lichkeiten für Kinder aus Arbeitnehmerfamilien bis hin Trotz anhaltender Exporterfolge hat sich die technolo- (B) zu Familien aus der Mittelschicht, ein Studium aufzu- gische Leistungsfähigkeit Deutschlands auf längere (D) nehmen, verschlechtern sich deutlich. Sicht nicht gut entwickelt – das war der Alarmsatz des (Zuruf der Abg. Ulrike Flach [FDP]) vorherigen Berichtes. Offensichtlich hat sich die Ein- sicht verbreitet, dass es so nicht weiterlaufen kann. For- Aufgrund der schon vorliegenden Anmeldezahlen, Frau schungs- und Innovationspolitik sind gewissermaßen aus Flach, lassen sich schon Vergleiche anstellen: Die Zahl den Puschen gekommen. Jetzt hat man sich Hightech- der Studienanfänger in NRW ist um 3,9 Prozent zurück- laufschuhe hingestellt. gegangen. Das Talent zählt immer weniger und der Geldbeutel immer mehr. Der jetzige Bericht honoriert das auch. Er zeigt aber zugleich, wo auch diese Schuhe Blasen verursachen Für uns von der SPD bleibt dagegen klar: Wir wollen können. Manche dieser Kritiken kommt mir sehr be- mehr Ausbildung in den Betrieben als wesentlichen Be- kannt vor. Wir haben das hier schon sehr oft vorgetragen. standteil unseres Systems. Wir wollen mehr Bildung für alle von Anfang an. Deswegen haben wir frühkindliche (Jörg Tauss [SPD]: Hightechlaufschuhe?) Bildung und Förderung auf den Weg gebracht und für ei- – Darüber können wir gerne einmal reden. Davon ver- nen Ausbau von Ganztagsschulangeboten gesorgt. Wir stehe ich eine ganze Menge. haben das höhere BAföG durchgesetzt und werden daran festhalten, damit Bildung eben nicht vom Geldbeutel der Erstens wird in dem Bericht das Verhältnis von Eltern abhängt. staatlichen zu privatwirtschaftlichen Forschungsaus- gaben untersucht. Den wachsenden öffentlichen Ausga- (Beifall bei der SPD) ben steht keine vergleichbare Entwicklung bei den FuE- Wir werden uns auch für das Meister-BAföG einsetzen. Ausgaben der Unternehmen gegenüber. Im Gegenteil: Man beobachtet die Tendenz, dass die Unternehmen ei- Ich bin froh, dass in dem Bericht diese Gesamtbe- gene Ausgaben mindern, indem sie öffentliche Förder- trachtung nachvollzogen wird. Dort steht nämlich – die- mittel in Anspruch nehmen. Das ist eine absurde Ent- ses kurze Zitat sei mir erlaubt –: wicklung, der Einhalt geboten werden muss. Langfristig sollte ein deutlich höherer Anteil der Zweitens wird in dem Bericht kritisiert, dass der Lö- Schülerinnen und Schüler zur Studienberechtigung wenanteil öffentlicher Fördermittel bereits boomenden ausgebildet werden, was allerdings einen grundle- Großunternehmen gewährt wird. In diesem Zusammen- genden Wandel des deutschen Bildungssystems nö- hang werden Unternehmen aus der Automobilindustrie, tig macht: dem Maschinenbau, der Chemie, der Informations- und Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11133

Dr. Petra Sitte (A) Kommunikationstechnik sowie der Logistik genannt. Sie hervorragende Wettkampfstätten. Aber was fehlt, sind (C) werden sich erinnern, dass genau diese Unternehmen die Spitzensportler. So verpufft die ganze Investition. hervorragende Exportwerte erzielen. Das heißt also nichts weiter, als dass man fette Kröten noch fetter In dem Bericht werden auch Gründe genannt, die der macht und dass die öffentliche Förderung an anderen, Linken ausgesprochen bekannt vorkommen: Die Abbre- viel notwendigeren Stellen letztlich auf zu schmalen Fü- cherquoten an den Hochschulen sind dramatisch hoch. ßen steht. Das ist die logische Konsequenz einer verfehlten und un- terfinanzierten Studienreform. Drittens sollen laut Bericht innovative kleine und mittelständische Unternehmen ins Zentrum der Förde- (Beifall bei der LINKEN) rung gerückt werden. Ich bin den Verfassern des Be- Die Studiengebühren, so steht es im Bericht, schrecken richts an dieser Stelle überaus dankbar. Sie sagen näm- Studienbewerberinnen und Studienbewerber ab. Das ha- lich etwas, was wir uns hier nie trauen dürfen: dass die ben auch wir schon mehrfach gesagt. Unternehmensteuerreform für genau diese Unterneh- mensgruppe keine Impulse für eigenständige FuE-Akti- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) vitäten setzen wird. Dass es in dem Bericht ebenso gesehen wird, sollte end- (Ulrike Flach [FDP]: Das sagen wir aber stän- lich Anlass sein, einmal umzusteuern. dig, Frau Sitte!) Ebenso kontraproduktiv wirken schlechte Studienbe- – Prima; dann sind wir ja schon zu zweit. – Deshalb dingungen und natürlich auch zusätzliche Zulassungsbe- muss der Wissenstransfer zu innovativen kleinen und schränkungen der Hochschulen. Hochschulpakt und mittelständischen Unternehmen konsequent stimuliert Exzellenzinitiative als Gegenmaßnahmen der Bundesre- werden. Vor allen Dingen müssen auch die Startbedin- gierung reichen gemäß dem Bericht in dieser Form nicht gungen für innovative Unternehmensgründungen ver- aus. Der Bericht besagt auch noch – das ist ein sehr bessert werden. schöner Satz, Herr Röspel, den Sie herausgesucht haben; Als Instrumente werden in dem Bericht unter ande- ich habe ihn mir über den Spiegel gehängt –, dass das rem Wagniskapital und die Forschungsprämie unter- Prinzip der Auslese verlassen werden muss, um eine sucht. So erhalten Wissenschaftseinrichtungen mit der größtmögliche individuelle Förderung einzuräumen. Forschungsprämie zusätzliche Gelder auf ihre Einnah- (Beifall bei der LINKEN – René Röspel men aus Forschungsaufträgen aus der Wirtschaft. Sie be- [SPD]: Ich wusste, dass Sie das vorlesen wür- kommen also sozusagen den Blubb in den Spinat. den! – Jörg Tauss [SPD]: Das haben wir schon (B) Dort liegt aber nicht das Hauptproblem. Darauf habe immer gesagt! Das ist klassische SPD-Posi- (D) ich schon oft hingewiesen. Der Bericht bestätigt das end- tion!) lich. Dort heißt es nämlich – ich zitiere –: Insgesamt gilt, Das gehört natürlich alles zu dem Kanon, mehr Fach- dass die Forschungsprämie nicht an einer ausgemachten kräfte auszubilden. Schwachstelle der Wissenschafts-Wirtschafts-Koopera- tion ansetzt. Was können Sie wirklich ändern? Sie können in die- sem Hause nicht wirklich etwas ändern, weil Sie sich im Die Linke hält es für sinnvoll, die Forschungsprämie vergangenen Jahr mit der Föderalismusreform alle In- auf innovative kleine und mittelständische Unternehmen strumente selber aus der Hand geschlagen haben. Sie auszudehnen. Dabei wollen wir auch die gemeinnützi- müssen jetzt versuchen, zusammen mit den Ländern ein gen Forschungs-GmbHs im Osten einbeziehen, die einen Wissenschaftsförderprogramm aufzulegen – Sie müssen Großteil der Industrieforschung betreiben. Nun ist diese sozusagen darum bitten, dass man das gemeinsam macht –, Position endlich im Haushalt vermerkt. Sie nennt sich damit man an diesem Punkt entsprechende Ausgaben tä- dort Forschungsprämie II und soll mit 76 Millionen Euro tigen kann und damit endlich der Fachkräfte- und Aka- und weiteren Steigerungen in den Folgejahren ausgestat- demikermangel konsequent angegangen werden kann. tet werden. Das freut mich. Steter Tropfen höhlt den Stein; er hat Erfolg. Was lehrt uns dieser Bericht insgesamt? Er lehrt uns, Einen vierten Problemkreis, der im Bericht angespro- dass staatliche Bildung, Forschungs- und Technologie- chen wird, könnte man eigentlich auf eine tibetanische politik zusammengehören und dass man daraus keinen Gebetsmühle schreiben: Fachkräftemangel, Fachkräf- Flickenteppich machen darf, weil die angestrebten Ziele temangel, Fachkräftemangel. Seit Jahren wird darüber komplex sind. geredet. Aus eigener Erfahrung kenne ich entsprechende (Jörg Tauss [SPD]: Deshalb heißt es Bildung Debatten aus meiner Zeit als Landtagsabgeordnete; aber und Forschung!) auch im Bundestag ist dieses Thema schon längere Zeit aktuell. In diesem Punkt ist der Bericht mit Aussagen Nur so – ich will ausdrücklich daran erinnern, weil es aus den Vorgängerberichten deckungsgleich. Diese Fehl- um Steuergelder geht – kann ein echter Mehrwert für un- entwicklung reißt natürlich große Löcher in den High- sere Gesellschaft entstehen: mehr Beschäftigung, gesi- techbereich dieses Landes. cherte soziale Lebensverhältnisse und Minimierung des Ressourceneinsatzes. Kehren wir noch einmal zu dem Bild aus dem Sport- bereich zurück: Wir haben sehr gute Sportschuhe und Danke schön. 11134 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Dr. Petra Sitte (A) (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Swen endlich mehr tun, als immer nur Sonntagsreden zu hal- (C) Schulz [Spandau] [SPD]) ten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Priska Hinz für die Frak- Kritisiert wird in dem vorliegenden Bericht auch der tion des Bündnisses 90/Die Grünen. Mangel an Zuzug von ausländischen qualifizierten Fachkräften; darauf sind Sie ja kurz eingegangen, Frau Schavan. Sie haben mit dem Zuwanderungsgesetz nichts Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- verbessert. Die ausländischen Studierenden werden NEN): künftig nur für ein Jahr eine Aufenthaltserlaubnis erhal- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Be- ten. Diese Regelung führt zu einem hohen bürokrati- richt, über den wir heute diskutieren, zeigt sehr deutlich, schen und finanziellen Aufwand, zeigt aber auch, dass dass die Grundlage für die technologische Leistungsfä- ausländische Studierende hier nicht willkommen sind. higkeit in Bildung, Ausbildung und der Qualifizierung von Nachwuchswissenschaftlern liegt. Auch ich habe (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mir diesen vorhin schon mehrmals zitierten Satz des Be- sowie bei Abgeordneten der FDP) richts zu Gemüte geführt, Dass die Forschungsorganisationen verpflichtet werden, (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ich komme die Kosten für eine eventuelle Abschiebung der exzel- damit auch noch mal!) lenten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die aus dem Ausland nach Deutschland geholt wurden, zu dass wir einen Wandel im deutschen Bildungssystem zahlen, ist doch ein Rückschritt und kein Fortschritt. Das brauchen. Das wird der Bundesregierung ins Stammbuch ist doch kein Willkommensgruß für ausländische Wis- geschrieben. Ich finde, das sollte vor allen Dingen die senschaftler und Wissenschaftlerinnen. CDU einmal beherzigen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Im Übrigen haben Sie, Frau Schavan, mit Ihrer na- Das mehrgliedrige Schulsystem ist eine echte Innova- mentlichen Abstimmung über diesen Gesetzentwurf die tionsbremse. Absenkung der Einkommensgrenze für Höherqualifi- (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann zierte verhindert, um anschließend, nämlich eine Woche [SPD]) später, auf jeder Pressebühne lauthals zu verkünden, dass Sie das eigentlich ganz anders wollen. Dafür hätten Das steht in allen Studien. Auch alle Wirtschaftsinstitute Sie vorher lauthals im Kabinett werben sollen. Sie hätten (B) (D) werden Ihnen das bestätigen. in den Ausschuss kommen und unserem Antrag zustim- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN men sollen. Sie hätten vorher in der Koalition dafür sowie bei Abgeordneten der LINKEN) kämpfen sollen und sollten nicht hinterher sagen: Jetzt bin ich eigentlich dafür, dass das Gesetz noch einmal Nicht nur die Zahl der fehlenden Ausbildungsplätze verändert wird. – Wir wissen doch, dass das in den und die Tatsache, dass ein Konzept zur Weiterbildung nächsten Jahren nicht erfolgen wird. bislang fehlt, sondern auch der Anteil der Studienbe- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) rechtigten lässt zu wünschen übrig. Hier muss mehr ge- tan werden, um dem drohenden Fachkräftemangel in un- Das ist ein absurdes Spiel, was Sie hier vorführen. serem Land zu begegnen. Ich muss feststellen, dass auch die SPD dem nichts entgegenzusetzen hat; denn die Ko- Auch zeigt sich, dass die Bundesregierung in den ein- alition entfernt sich immer mehr von dem Ziel, eine An- zelnen Bereichen das Leistungspotenzial noch nicht fängerquote von 40 Prozent zu erreichen. Die Quote ausgeschöpft hat – auch nicht durch entsprechende För- liegt mittlerweile unter 35 Prozent. Auch das schwächt derinstrumente. Ich nenne zum Beispiel die Umwelt- die Leistungsfähigkeit dieses Landes. technik. Da gibt es immer noch jede Menge ineffektiver Energieforschungsförderung. Zum Beispiel werden Mil- (Jörg Tauss [SPD]: Was hat das mit der SPD lionen Euro durch falsche Planung und Verzögerungen zu tun?) beim Bau des Kernfusionsreaktors in Greifswald in den Sand gesetzt. – Sie sind doch mit in der Bundesregierung, oder nicht? Dem müssen Sie doch entgegenwirken. (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich! Da redet die Blinde von der Was tun Sie denn gegen den Mangel an Frauen in Farbe!) technischen und naturwissenschaftlichen Ausbildungs- gängen und Berufen? Auch hier ist keine Strategie zu se- Sie begreifen anscheinend trotz des Energiegipfels im- hen. Wir wissen doch: In allen Bereichen der wissen- mer noch nicht, dass wir eine Bildungs- und Forschungs- schaftlichen Forschung sind Frauen unterrepräsentiert. initiative im Bereich der erneuerbaren Energien brau- Frau Schavan, Sie müssen die Vergabe von Fördergel- chen und nicht auf Atomenergie setzen sollten. dern endlich daran knüpfen, dass Stellen mit Frauen be- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) setzt werden. Frauen gehören zu dem Potenzial, das für die technologische Leistungsfähigkeit auch in der Wis- Wahrscheinlich haben Sie die Debatte zur Energiefor- senschaft in Deutschland wichtig ist. Da müssen Sie schung auf die Nachtstunden gesetzt, damit die Reden Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11135

Priska Hinz (Herborn) (A) hierzu zu Protokoll gegeben werden können und nicht Sie sollten unseren Antrag nutzen, um Ihre Regie- (C) wieder vor dem versammelten Hause ein Streit in der rungspolitik zu verbessern. Setzen Sie hinsichtlich der Koalition ausbricht. Qualifizierungsstrategie für Ausbildung und in den Zu- kunftsfeldern Energie, IuK-Technologie, Nanotechnolo- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gie und Weiße Biotechnologie auf die von uns benannten Wir dagegen fordern in unserem Antrag, dass das Anreize, um das 3-Prozent-Ziel zu erreichen. Dann wer- Marktanreizprogramm zu einem Innovationsprogramm den wir die technologische Leistungsfähigkeit tatsäch- umgestaltet wird. Es muss auch für die Bereiche Strom lich nachhaltig ausbauen können. und Mobilität geöffnet werden, damit die Entwicklung einer nachhaltigen Energiegewinnung und alternativer Vizepräsidentin Petra Pau: Antriebssysteme im gesamten Verkehrsbereich gefördert Kollegin Hinz, Sie müssen bitte zum Schluss kom- werden kann. Davon können dann vor allen Dingen men. kleine und mittlere Unternehmen mit ihren Fachkräften profitieren. Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ich möchte noch auf einen anderen Punkt zu sprechen NEN): kommen, Herr Tauss, auf Ihre IKT-Strategie. Stimmen Sie unserem Antrag zu; dann sieht der (Jörg Tauss [SPD]: Zu der sage ich gleich et- nächste Bericht noch besser aus. was!) Danke schön. In Ihrem Antrag erklären Sie die IKT zum wichtigsten (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Innovationsmotor.

(Jörg Tauss [SPD]: Das ist eines der Felder! Vizepräsidentin Petra Pau: Richtig!) Das Wort hat die Kollegin Ilse Aigner für die Unions- – Sie sind die Nummer eins; so steht es in Ihrem An- fraktion. trag. – Dann behaupten Sie doch tatsächlich, dass ein (Beifall bei der CDU/CSU) wichtiges Element der IuK-Politik der Großen Koali- tion die Förderung der Exzellenzinitiative ist. Wen wol- len Sie hier eigentlich für dumm verkaufen? Ilse Aigner (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- nen und Kollegen! Erst vor wenigen Wochen konnten (B) SES 90/DIE GRÜNEN – Jörg Tauss [SPD]: (D) wir über den Bericht zur technologischen Leistungsfä- Niemanden!) higkeit 2006 diskutieren. Das war leider etwas spät. Die Exzellenzinitiative ist so gestaltet, dass die Bundes- Heute aber diskutieren wir über den fast druckfrischen regierung und auch die Koalition keinen Einfluss darauf Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit 2007. nehmen können, welche Cluster und welche For- schungsfelder von der Jury ausgewählt werden. (Ulrike Flach [FDP]: Aber auch nur bis 2005!) (Zuruf von der CDU/CSU: Das muss doch Ich begrüße das als ein Zeichen dafür, dass die technolo- nicht alles die Politik machen!) gische Entwicklung in diesem Land von diesem Haus, der Koalition und der Bundesregierung als wichtig er- Dann zu sagen: „Das ist Bestandteil unserer Forschungs- achtet wird. förderstrategie“, ist mehr als peinlich. Der Bericht befasst sich allerdings im Wesentlichen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) mit der Vergangenheit. Sehr geehrte Frau Hinz, die Kri- tik bezieht sich auf die Zeit, in der Sie mit Verantwor- Das steht in Ihrem Antrag. Sie sollten ihn vielleicht ein- tung getragen haben. Auch das sollte man einmal sagen. mal genauer lesen, bevor Sie ihn unterschreiben. Das Schönreden geht weiter: Sie brüsten sich damit, Wichtig ist aber, dass der Bericht auch Zukunftsfra- dass der funktionierende Wettbewerb in Deutschland zu gen berücksichtigt. Zum Beispiel geht er auf Aspekte einer ausgezeichneten Kommunikationsinfrastruktur führt. unserer Hightechstrategie ein und bewertet es als posi- Das stimmt leider nicht. Im Gegenteil: Deutschland hinkt tiv, dass wir uns um die Rahmenbedingungen für For- hinsichtlich des Breitbandausbaus im Vergleich mit den schung und Innovation kümmern. Wir wissen, dass das anderen europäischen Staaten weit hinterher. Insbeson- zwingend notwendig ist; denn die anderen Länder holen dere beim DSL-Ausbau steht Deutschland schlecht da. auf. Sie investieren nicht nur massiv in Forschung und Noch schlimmer ist aber, dass die Regierungsfraktionen Entwicklung, sondern haben meist auch günstigere Rah- ebendiesen funktionierenden Wettbewerb durch das neue menbedingungen, insbesondere was die Lohnnebenkos- Telekommunikationsgesetz verhindern. Wenn die Tele- ten und die Lohnstückkosten betrifft. Wie lange das ihr kom von der Regulierung ausgeschlossen wird, fördert einziger Vorteil sein wird, ist fraglich. Ich glaube, sie das den Wettbewerb nicht, sondern verhindert ihn. Das ist werden auch in den anderen Bereichen aufholen. In die- keine gute Botschaft für den Standort Deutschland. sem Hause sind wir uns einig, dass wir den Wettlauf um die billigsten Löhne nicht gewinnen werden und auch (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nicht gewinnen wollen. 11136 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Ilse Aigner (A) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Kompetenz unserer Wissenschaft und Wirtschaft bringt (C) neten der SPD und der Abg. Dr. Petra Sitte auch eine besondere Verantwortung mit sich. Weil wir es [DIE LINKE]) können, müssen wir eine internationale Schrittmacher- funktion bei der Begrenzung des Klimawandels und sei- Wir sollten uns aber auch darüber einig sein, dass wir um ner Folgen übernehmen. den Teil, den wir teurer sind, auch besser sein müssen. Vielleicht müssen wir in manchen Bereichen einfach nur In dem Bericht wird allerdings auch ein Absinken der schneller und etwas mutiger sein. FuE-Projektförderung im Umweltbereich im Berichts- zeitraum konstatiert, also deutlich in der Vergangenheit. Deutschland ist ein Land mit einem unwahrscheinli- Ich glaube, das können wir uns nicht leisten. chen Ideenreichtum. Das zeigen die nach wie vor her- vorragenden Patente, die angemeldet werden. Ob und (Beifall des Abg. René Röspel [SPD]) wie die Zahl der Patentanmeldungen gesteigert werden kann, ist eine wichtige Frage. Noch viel wichtiger ist Die Ministerin mit ihrem Haus hat deutliche Zeichen ge- aber die Frage, wie wir die Patente schnellstmöglich in setzt. In den vergangenen Haushalten wurden und in den erfolgreiche Produkte umsetzen können. nächsten Haushalten werden die Mittel für die Projekt- förderung deutlich aufgestockt. Der Bericht geht auch auf die gerade verabschiedete Unternehmensteuerreform ein. Einerseits wird aner- Unsere Unternehmen müssen immer neue Lösungen kannt – das halte ich nach wie vor für wichtig –, dass die anbieten können. Dazu brauchen sie Unterstützung. Es gesenkten Steuersätze auch in den Bereichen Forschung gibt noch viele Beispiele, gerade im Umweltbereich. In und Entwicklung positive Impulse mit sich bringen. An- dieser Woche, in der der Energiegipfel stattgefunden hat, dererseits sieht es der Bericht als problematisch an, dass sind wichtige Zeichen gesetzt worden. die Gegenfinanzierungsmaßnahmen insbesondere im Es gibt viel zu tun. Wir packen es auch an. Wir wollen Bereich der innovativen Unternehmen nicht nur positive mit unserer Ministerin und unseren Arbeitsgruppen die Auswirkungen haben. Das haben wir in der Debatte be- Forschung und Entwicklung für eine gute Zukunft nach reits angesprochen. Wir begrüßen, dass zeitgleich der vorne treiben. Entwurf eines Wagniskapitalgesetzes eingebracht wer- den soll, das genau diese Probleme aufgreift und ausbes- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- sert. neten der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich glaube, dass sich die Mitglieder unserer Arbeits- Das Wort hat die Kollegin Ulrike Flach für die FDP- (B) gruppe in diesem Bereich noch mehr vorstellen können. (D) Fraktion. Mehr war allerdings nicht möglich. Umso mehr möchte ich mich bei den Verhandlungsführern der Unionsfrak- (Beifall bei der FDP) tion bedanken, dass sie gerade hier wesentliche Verbes- serungen der ursprünglichen Eckpunkte des Wagniskapi- Ulrike Flach (FDP): talgesetzes erreicht haben. Das ist mit Sicherheit ein Schritt in die richtige Richtung. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das vor- liegende Zahlenwerk macht die Defizite der deutschen (Beifall bei der CDU/CSU) technologischen Leistungsfähigkeit der letzten Jahre wieder einmal sehr klar. Der Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands enthält erstmals ein eigenes Kapitel zur (Jörg Tauss [SPD]: Jetzt sagen Sie doch einmal Leistungsfähigkeit unserer Umweltwirtschaft. Ich denke, etwas Nettes!) das ist aus guten Gründen so. Denn der gesamte Bereich der Umwelttechnologien gehört zu den Zugpferden un- Erstens. In der rot-grünen Regierungszeit, lieber Herr serer Wirtschaft. Wir sind hier Exportweltmeister und Tauss, sind wir dem 3-Prozent-Ziel nicht wesentlich nä- wollen es auch bleiben. hergekommen, obwohl Sie deutlich mehr als vorher aus- gegeben haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Aber nähergekommen!) Der Klimawandel ist eine riesige technologische He- rausforderung. Die Kompetenz unserer Wirtschaft auf Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben jetzt eine etwas diesem Gebiet ist daher weltweit gefragter denn je. Die bessere Situation. Sie, Frau Schavan, geben mehr aus. Deutsche Bank hat gerade eine Studie mit dem Titel Aber, wie wir gestern im Haushaltausschuss besprochen „Manche mögen’s heiß!“ herausgegeben. Darin wird un- haben, gibt es auch in Ihren Reihen eine ganze Reihe tersucht, welche Branchen vom Klimawandel profitieren von Personen, die fest davon überzeugt sind, dass wir können. Dies sind natürlich in erster Linie CO2-freie das 3-Prozent-Ziel trotzdem nicht erreichen werden. An oder CO2-arme Energietechnologien und ein großer Teil dieser Stelle möchte ich Herrn Röspel auf Folgendes der Umwelttechnologien. hinweisen: Es ist immer einfach, zu sagen, dass vorher alles schlecht war. Ich will aber ausdrücklich hinzufügen: Hier geht es nicht nur um wirtschaftliche Exportchancen. Die hohe (Jörg Tauss [SPD]: Nicht alles, aber vieles!) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11137

Ulrike Flach (A) In den 80er-Jahren waren wir schon bei 2,9 Prozent, (Jörg Tauss [SPD]: Er erklärt es Ihnen gerne (C) übrigens unter einem liberalen Bildungsminister. Das noch einmal!) sage ich zu Ihrer Erinnerung. Aber wie Sie wissen, sehen Ihre eigenen Leute das nicht (Jörg Tauss [SPD]: Möllemann! Einmal so. An dieser Stelle möchte ich Herrn Meister zitieren, 1 Milliarde!) der gesagt hat, es sei „schade, dass eine Einigung mit der SPD nur für den Teilbereich des Wagniskapitals erzielt – Dreimal. werden konnte.“ Offensichtlich habe sich der Finanz- Zweitens. Der Zugang von jungen FuE-Unternehmen minister „nicht gegen die linken Kräfte seiner Partei und zu Wagniskapital ist im internationalen Vergleich man- Fraktion durchsetzen können.“ gelhaft. Das, was Sie unter Rot-Grün geboten haben, war (Jörg Tauss [SPD]: Was?) nicht gewaltig. Bei Ihnen, Frau Schavan, wird es besser. Aber es bleibt ein massives Manko. Lieber Herr Riesenhuber, ich wäre froh gewesen, wenn es anders gekommen wäre. Aber wir sind in Drittens. Die Absolventenquoten – darüber wurde Deutschland nach wie vor nicht in der Lage, vor allem vorhin schon viel geredet – an den deutschen Hochschu- die jungen und innovativen Unternehmen zu stützen. Ich len waren zu gering. Die Abbrecherquoten an Schulen wäre auch froh gewesen, wenn Sie an dieser Stelle dem und Hochschulen waren zu hoch. Hier sehen wir defini- Antrag der Grünen gefolgt wären. Die Grünen haben das tiv keinen Fortschritt. Ich glaube auch nicht, Frau Problem nämlich richtig erfasst. Daher werden wir ihnen Schavan, dass die Qualifizierungsoffensive im Herbst an dieser Stelle folgen. Der Schwerpunkt muss bei For- viel helfen wird. Ich denke, das ist der falsche Weg. schung und Entwicklung gesetzt werden. (Jörg Tauss [SPD]: Warten wir einmal ab!) Das, was Sie, Frau Schavan – offensichtlich gemein- Übrigens, lieber Herr Tauss, nicht die liberale Partei, sam mit Finanzminister Steinbrück –, machen, ist Fol- sondern die Stiftung Marktwirtschaft gendes: Sie stützen vor allen Dingen die mittelständi- sche Wirtschaft. Das ist ein honoriges Ziel. Im Prinzip (Jörg Tauss [SPD]: Noch schlimmer! – Rainer ist dagegen nichts einzuwenden. Brüderle [FDP]: Da sind Sozis dabei!) (Jörg Tauss [SPD]: Ja!) hat vor wenigen Tagen erklärt, die internationale Wett- bewerbsfähigkeit des Landes verschlechtere sich zwar Aber die technologische Leistungsfähigkeit unseres Lan- nur langsam, aber dennoch gebe es Anzeichen dafür, des werden Sie dadurch nicht exzessiv steigern. dass Deutschland seinen Vorsprung bei der technologi- (Jörg Tauss [SPD]: Warum das denn nicht? schen Leistungsfähigkeit zunehmend verliert bzw. teil- (B) Das ist doch ein zentrales Problem!) (D) weise verloren hat. Ich glaube nicht, dass ein solcher Satz in irgendeiner Weise das belegt, was Sie gerade ver- Zum Abschluss möchte ich noch auf das Zuwande- sucht haben, uns klarzumachen. Es geht offensichtlich rungsgesetz zu sprechen kommen. Hier nützt blühende nicht besser, sondern stagniert bzw. wird schlechter. Rhetorik wenig. Sie werden Ihre Anstrengungen deut- lich erhöhen müssen. Bereits am Freitag dieser Woche (Beifall bei der FDP) könnten Sie das Zuwanderungsgesetz im Bundesrat über Lassen Sie mich noch etwas dazu sagen, dass wir die Länder, in denen Sie regieren, entsprechend verän- mehr ausgeben sollen. Frau Schavan, wir haben darüber dern. schon sehr oft ziemlich ausführlich diskutiert. Sie haben (Jörg Tauss [SPD]: Oh! Macht das doch über Probleme, uns zu belegen, dass dadurch, dass Sie zuge- eure Länder! Was ist denn mit Baden- gebenermaßen mehr Geld investieren – wir finden es Württemberg? Dass da etwas passiert, be- gut, dass Sie das tun –, tatsächlich neue Arbeitsplätze zweifle ich aber!) entstehen. Darüber hinaus haben Sie Schwierigkeiten mit der Statistik. Das ist allerdings Ihr Problem; ich Unsere Unterstützung hätten Sie. Ich glaube, das würde hoffe, Sie können es lösen. unserem Standort insgesamt sehr nützen. Sie haben uns in diesem Hause und andernorts immer (Beifall bei der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Da wieder gesagt, dass Sie durch Ihre Aktion 1,5 Millionen bin ich aber auf Baden-Württemberg, Nord- zusätzliche Arbeitsplätze im wissensbasierten Bereich rhein-Westfalen und Niedersachsen gespannt! schaffen wollen. Daran sind Sie zu messen. Ich hoffe, – [SPD]: Sehr flach!) dass Sie dieses Ziel erreichen. Auch wir wollen natür- lich, dass so viele Arbeitsplätze entstehen. Aber wir kön- Vizepräsidentin Petra Pau: nen einfach nicht glauben, dass Sie dieses Ziel durch die Das Wort hat der Kollege Swen Schulz für die SPD- Maßnahmen, die Sie bisher auf den Weg gebracht haben, Fraktion. erreichen werden. (Beifall bei der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Das (Florian Pronold [SPD]: Sehr flach!) wird jetzt gut!) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf das Thema Wagniskapital zurückkommen. Herr Professor Swen Schulz (Spandau) (SPD): Riesenhuber hat uns bereits erklärt, dass all das ganz toll Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! sei. Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Vorbe- 11138 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Swen Schulz (Spandau) (A) reitung auf meine Rede fiel mir ein, dass ich im Jetzt hat die Bundesbildungsministerin einen Vorstoß (C) Jahre 2003 meine erste Rede im Deutschen Bundestag gemacht, um den Zuzug ausländischer Fachkräfte zu gehalten habe. erleichtern. Frau Ministerin, ich finde das gut, weil Sie damit ein Thema ansprechen, das für die politische (René Röspel [SPD]: Und die war gut!) Rechte schwierig ist. Allerdings stellt sich die grundle- Das Thema meiner damaligen Rede war der Bericht zur gende Frage, was getan wird, um das Bildungswesen in technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands. Ich Deutschland so zu verbessern, dass ein Fachkräfteman- möchte jetzt nicht in Erinnerungen an die guten alten rot- gel gar nicht erst entsteht. grünen Zeiten schwelgen, obwohl das sicherlich Spaß machen würde. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Denn es ist klar: Dieses Problem ist hausgemacht. Vielmehr möchte ich auf etwas hinweisen, was ich in Damit keine Missverständnisse entstehen: Der Bund meiner damaligen Rede gesagt habe – an dieser Stelle – Rot-Grün und nun die Große Koalition – hat Erhebli- möchte ich mich ausnahmsweise einmal selbst zitie- ches geleistet, und wir haben noch viel vor: vorschuli- ren –: sche Bildung und Betreuung. Das Ganztagsschulpro- gramm war ein Erfolg. Im Technologiebericht nimmt der Bereich Bildung diesmal zu Recht einen Schwerpunkt ein; denn (Beifall bei Abgeordneten der SPD) schließlich stellt das Bildungssystem das Funda- Es gibt den Hochschulpakt. Wir verbessern das BAföG, ment der technologischen Leistungsfähigkeit dar. ergreifen Initiativen zur Förderung der Aus- und Weiter- (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jörg bildung und vieles mehr. Der Bundeshaushalt für Bil- Tauss [SPD]: Da hattest du recht! – Florian dung und Forschung ist seit 1998 stark angestiegen. Pronold [SPD]: Super!) Auch im Entwurf für 2008 sind kräftige Zuwächse vor- gesehen. Doch wir dürfen im Tempo nicht nachlassen, – Ja, damit hatte ich schon damals recht. wir müssen weiter zulegen. Wir müssen aber auch sehen: (Jörg Tauss [SPD]: Ja, schon damals!) Die Bundesregierung, der Bundestag kann das nicht al- leine schaffen – dazu benötigen wir die Bundesländer Im weiteren Verlauf meiner Rede sagte ich etwas über und natürlich auch die Wirtschaft. die damalige Opposition; das lasse ich jetzt weg. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (B) (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Priska (D) Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Es ist doch aberwitzig, dass viele Unternehmen jahre- NEN]: Warum das denn? Das wäre doch jetzt lang ihren Ausbildungspflichten nicht nachkommen und einmal interessant! Bitte vorlesen!) nun von der Politik verlangen, sie möge den Weg frei- machen für die erleichterte Anwerbung von ausländi- Dann geht es wie folgt weiter: schen Fachkräften. Der Bericht beschreibt insbesondere im Bereich der Hochqualifizierten einen deutlichen Mangel, der zu (Beifall bei Abgeordneten der SPD) erheblichen Problemen führen wird, wenn wir nicht Ich meine, wir sollten das nur zulassen, wenn die Wirt- energisch gegensteuern. schaft im Gegenzug verpflichtet wird, sich endlich selbst (Beifall bei Abgeordneten der SPD) ausreichend um Aus- und Weiterbildung zu kümmern. In der Tat: Wo ich recht habe, habe ich recht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Im Ernst: Das Thema Fachkräftemangel war schon zum damaligen Zeitpunkt, im Jahre 2003, nicht neu. In Im Bericht wird von der realen Gefahr eines massiven jedem Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit Unterangebots an akademischen Fachkräften gespro- der letzten Jahre wurde dieses Problem beschrieben, und chen, und es wird als kurzfristige Maßnahme, gewisser- zwar als immer drängender. Die Botschaft lautete: Wir maßen zur Überbrückung aktueller Engpässe, die müssen erhebliche Anstrengungen unternehmen, damit Erleichterung der Beschäftigung ausländischer Fach- wir nicht abgehängt werden, damit wir unsere Volkswirt- kräfte vorgeschlagen. Vor allem aber hebt der Bericht schaft weiterentwickeln können und damit wir auch ge- auf langfristig wirkende Maßnahmen in Deutschland ab: sellschaftlich vorankommen. Das kommt übrigens auch Ein deutlich höherer Anteil der Ausländer, die an deut- in anderen Studien klar zum Ausdruck. schen Hochschulen einen Abschluss machen, sollen in Deutschland gehalten werden. Wir haben ja ausländi- In der letzten Woche haben wir im Ausschuss über die sche Studierende, aber eher zu wenige als zu viele. Erst Ergebnisse einer Studie des Büros für Technikfolgenab- investieren wir in ihre Bildung, dann schicken wir viele schätzung zur Zukunft der Arbeit diskutiert. In dieser von ihnen wieder weg – das ist Unsinn. Studie wurde ganz deutlich ein doppeltes Dilemma be- schrieben: Einerseits gibt immer weniger Tätigkeiten für (Beifall des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ Geringqualifizierte, und andererseits fehlen immer mehr DIE GRÜNEN] – Ulrike Flach [FDP]: Das ist Hochqualifizierte. kurzsichtig!) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11139

Swen Schulz (Spandau) (A) In dem Bericht wird darüber hinaus gefordert, die Ab- Wirtschaft und Länder müssen mitmachen. In diesem (C) brecherquoten an den Hochschulen zu senken. Zitat: Sinne wäre es sinnvoll – auch darüber steht im Bericht Dazu sind mehr Mittel für die Lehre notwendig. – Rich- einiges –, sich die Verteilung der Aufgaben zwischen tig: Wir müssen in die Qualität der Lehre investieren. Bund und Ländern anzuschauen. Bildung und Wissen- Die Studierendenquote – auch das steht im Bericht – schaft müssen endlich als Gemeinschaftsaufgabe begrif- muss erhöht werden. Dafür muss das Studium attraktiver fen werden. Dann klappt das auch mit der technologi- gemacht werden, und es darf keine unnötigen Zugangs- schen Leistungsfähigkeit! beschränkungen geben. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Wir brauchen den Ausbau der Kapazitäten. Der Hoch- schulpakt ist ein guter Auftakt; aber es muss schnell ei- Vizepräsidentin Petra Pau: nen Hochschulpakt II mit ausreichenden Mitteln und Das Wort hat der Kollege Dr. Heinz Riesenhuber für Planungssicherheit für den bedarfsgerechten Ausbau der die Unionsfraktion. Studienplätze geben. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall des Abg. René Röspel [SPD]) Völlig zu Recht werden in dem Bericht vor allem die Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU): Länder in der Pflicht gesehen – sie wollen das ja auch so. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das trifft insbesondere für den nächsten Punkt zu: Es Frau Flach, es war wieder ein Vergnügen, Ihnen zuzuhö- müssen deutlich mehr Schülerinnen und Schüler die Stu- ren. Sie haben freundlicherweise das Originalzitat von dienberechtigung erhalten. Im Bericht steht einiges zu , auf das Sie sich bezogen haben, vorge- diesem Thema. Mehrere meiner Vorrednerinnen und legt: Vorredner haben bereits von Seite 8 zitiert. Ich will jetzt aus einer anderen Seite zitieren: „Dazu ist allerdings ein Unionsfraktionsvize Meister ist ernüchtert, es sei grundlegender Wandel des deutschen Bildungssystems „schade“, nötig, das seine bisherige Bildungsphilosophie der Aus- – so sagt Herr Meister – lese zu einer fördernden wandeln müsste.“ – Das hört sich an wie ein Beschluss des SPD-Parteitages; „dass eine Einigung mit der SPD nur für den Teil- bereich des Wagniskapitals erzielt werden konnte.“ (René Röspel [SPD]: Es ist aber gut!) (B) Beim Wagniskapital haben wir also eine Einigung, (D) aber das ist original der Bericht zur technologischen richtig? Leistungsfähigkeit Deutschlands 2007. (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD) Um aber mehr SPD hineinzuwürzen, gehe ich noch auf die Chancengleichheit ein: Gestern haben wir im Das Wagniskapital – das haben Sie ja angesprochen – Ausschuss gehört, dass über 90 Prozent der Kinder von liegt uns gemeinsam am Herzen, und den Grünen, siehe Eltern mit akademischer Vorbildung studieren, aber nur den Antrag, auch. 17 Prozent der Arbeiterkinder. Was für eine Ungleich- heit! Was für eine soziale Ungerechtigkeit und was für (Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE ein volkswirtschaftlicher Irrsinn! GRÜNEN]: Stimmt! Ja! Dem haben Sie im- mer noch nicht zugestimmt!) (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]) Im Hinblick auf diesen ist es hier zu einer nächtlichen Stunde zu einer lediglich virtuellen Debatte gekommen; Darum kämpfen wir Sozialdemokraten für das BaföG, die Reden wurden zu Protokoll gegeben. Aber immerhin und darum sind wir gegen Studiengebühren: weil sie sind es bemerkenswerte Texte. Wir sind uns einig, dass finanzielle Hürden aufbauen, die insbesondere die sozial wir das wollen, sollen und können. Schwachen treffen. Dieser Weg, der in vielen Ländern beschritten wird, ist falsch. (Zuruf von der FDP: Dem haben Sie nicht zu- gestimmt!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Und siehe da: Michael Meister und die Unionsfrak- LINKEN) tion kamen im herzlichen Zusammenwirken mit dem Finanzminister – SPD – zu einer glanzvollen Einigung, über die Michael Meister mit Stolz berichtet. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Schulz, das war eigentlich ein schöner (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Schlusssatz. Man kann das jetzt im Einzelnen niederbrechen. (Ulrike Flach [FDP] meldet sich zu einer Swen Schulz (Spandau) (SPD): Zwischenfrage) Vielleicht noch ein letzter Satz: Der Bund hat eine Menge gemacht und wird mehr machen müssen; doch – Wenn sie etwas fragen ist das gut. 11140 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: haben rechtliche Rahmenbedingungen, die wir schritt- (C) Kollegin Flach, Sie haben das Wort. weise aufarbeiten müssen. Dann kommt der Finanz- minister in seiner Weisheit und Güte und sagt, er akzep- Ulrike Flach (FDP): tiere Steuerausfälle in Höhe von 500 Millionen Euro für Lieber Kollege Riesenhuber, Herr Meister hegt zu diese Präferenz für Wagniskapitalunternehmen. Gut, das Recht die Befürchtung, dass mit den Linken dieser Gro- sind „Finanzminster-Dollar“. Wie die sich dann in der ßen Koalition das so, wie er sich es vorstellt, nicht realen Welt darstellen, wird man sehen. Jedenfalls ist in durchzusetzen sei. den Verhandlungen wesentlich mehr als das erreicht worden, was sich das Finanzministerium ursprünglich (Jörg Tauss [SPD]: Ich bin ein Linker! Mit mir überlegt hatte. wäre das voll durchsetzbar!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn Sie diesen Artikel, der zu recht mit den schönen Worten „ein Papiertiger“ überschrieben ist, richtig inter- Das ist eine großartige Leistung dieser Koalition und ih- pretieren, sehen Sie, dass es diesbezüglich eine tiefe rer glänzenden Abgeordneten auf beiden Seiten des Hau- Kluft zwischen Rot und Schwarz gibt. Wenn ich Ihnen ses, die hier in einer klugen Weise die Wirklichkeit ver- diese Frage stelle, gehe ich davon aus, dass Sie so etwas bessert haben. gerne wollen. Nur sind Sie leider an den Herrschaften (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Jörg von der SPD da drüben gescheitert. Tauss [SPD]: Vielen Dank für die Frage, Frau Flach!) Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU): Das ist natürlich eine sehr unangenehme Frage. Ich freue mich, dass der Konsens hier, je länger ich rede, immer größer wird. Ich bin gerne bereit, das auch noch (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD) weiter zu verstärken. Frau Flach, der Artikel – vielen Dank für das Papier – ist (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD) überschrieben mit dem Titel „,Private-Equity-Gesetz‘ ein Papiertiger“. Und jetzt erlauben Sie mir einmal, dass Wir haben das mit den zwei Welten also geklärt. ich zur Sache spreche. Jetzt möchte ich aber doch noch auf einen Satz von Private Equity und Wagniskapital sind zwei völlig Frau Schavan zu sprechen kommen, den ich sehr beein- verschiedene Welten. Private Equity hat die wesentli- druckend finde. Sehr verehrte Frau Ministerin, wenn ich che Aufgabe – das ist seine Chance und macht es auch das richtig notiert habe, dann haben Sie gesagt, dass Sie mit dem Finanzminister eine grundsätzliche Einigung (B) manchmal unbeliebt –, in existierenden Unternehmen (D) verborgene Werte zu heben. Das kann in der Bilanz sein, dergestalt haben, dass die Forschungshaushalte – diese das können stille Rücklagen sein. Das kann auch eine befinden sich ja nicht nur bei Ihnen – wegen des 3-Pro- mangelnde Effizienz in der Organisation sein. Es kann zent-Ziels – die 6 Prozent kommen danach – schritt- auch eine Blindheit für neue Märkte sein. Es kann auch weise mit dem Wirtschaftswachstum wachsen sollen. das Risiko sein, dass man einfach irgendwelche neuen Liebe Freunde, diese Aussage sollten wir alle in unseren Techniken übersehen hat. Darum geht es bei Private Herzen bewahren und möglichst in jeder Debatte hier Equity. Private Equity hebt Werte, die in Firmen schlum- einbringen und nutzen. Diese Aussage ist von großem mern. Manchmal geht es da blutig zu, wie wir alle wis- Wert. sen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Aber was ist Wagniskapital? Wagniskapital schafft Wer bin ich, an der Aussage unseres vorzüglichen Werte neu. Wagniskapital setzt Geld in Ideen um und Finanzministers zweifeln zu wollen? Ich nehme das hier macht dann, wenn es gelungen ist, aus diesem neuen als Grundsatz. Dann kommen wir zu interessanten Fol- Wissen Geld. Das ist Wagniskapital. Das ist also eine gerungen. Wir kommen nämlich zu der Folgerung, dass völlig andere Geschichte. Ich sehe keine dringende Not- es in den vergangenen Jahren hier eine Stagnation gab. wendigkeit, Private-Equity-Gesellschaften mit Liebe Ich will jetzt nicht die Diskussion darüber aufgreifen, steuerlich zu fördern. wer wann wie wenig getan hat. Ich könnte das natürlich (Beifall bei der SPD) tun. Die Zahlen in dem wunderbaren Bericht enden in der Regel bei 2005. Damals haben wir gerade angefan- Aber ich sehe eine dringende Notwendigkeit, Wagniska- gen zu regieren. pitalgesellschaften dort, wo neues Wissen in die Märkte kommen soll, wo junge Unternehmer und Wissenschaft- (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Aber Sie ler ermutigt werden sollen, in jeder Weise zu fördern, haben vorher regiert!) weil wir in Deutschland eine Entwicklung hatten, die in Bis dahin war die Sache ein wenig spröde. Die Wachs- hohem Maße problematisch ist. tumsraten in der Wirtschaft und im Staatshaushalt wa- (Ulrike Flach [FDP]: Aber Sie haben es nicht!) ren mäßig. Das lag halt daran, dass Sie mit den Grünen regieren mussten. Dadurch wurde die ganze Sache so Die Zahl der Unternehmensgründungen geht zurück, furchtbar schwierig. der Wagniskapitalmarkt ist rückläufig, die Zahl der Gründungen von Fonds ist zurückgegangen, und die Dy- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – namik dieser ganzen Landschaft hat abgenommen. Wir Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Der Bundesrat Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11141

Dr. Heinz Riesenhuber (A) war es! – Priska Hinz [BÜNDNIS 90/DIE den Staat immer schwieriger wird, vorherzusagen, wo (C) GRÜNEN]: Sie müssen sich entscheiden, ob Neues entsteht, jeder, der will, ohne Bürokratie schnell Sie uns kritisieren oder loben!) und maßgenau in die Forschung gehen kann. Seitdem wir zusammen sind, wachsen die For- schungsaufgaben. Wir haben das 6-Milliarden-Euro- Vizepräsidentin Petra Pau: Programm, und die Ausgaben im jetzt vorliegenden Kollege Riesenhuber, wir haben nur einen beschränk- Haushalt für 2008 liegen noch über den Zahlen in der ten Instrumentenkasten, aber das Leuchten besagt, dass mittelfristigen Finanzplanung des letzten Jahres. Sie Ihre Redezeit überschritten haben. (Zuruf des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD]) Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU): Das Leuchten stört mich. – Entschuldigung, aber ich kann nicht gleichzeitig hören und reden. – Allein in den Haushalten der Ministerien für Wirtschaft und Technologie sowie für Bildung und Vizepräsidentin Petra Pau: Forschung steigen sie um 220 Millionen Euro. Das Ich weiß, dass Sie das stört. Aber es stört Sie offen- heißt, wir sind hier auf einem guten Weg. sichtlich nicht genug. Sie müssen bitte zum Schluss kommen. Ich muss jetzt leider eine ganz andere Rede als die halten, die ich mir überlegt habe. Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU): (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD) Ja gut, dann tue ich das. Trotzdem bleibt es irritie- rend. Frau Schavan, ein anderer Punkt ist, dass Sie in dem Kontext auch darüber gesprochen haben, dass wir uns Wir haben die Chance, den Schwung und die Dyna- unseren Instrumentenkasten ansehen müssen. Ich finde mik in einer offenen Welt, in der wir die Zukunft nicht den Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit un- vorhersagen können – denn sie muss von den Unterneh- gemein anregend. In dem ganzen Bericht gibt es kein mern und Wissenschaftlern erfunden werden –, zu be- Kapitel, das ausführlicher dargestellt und leidenschaftli- schleunigen. Wenn wir das Vorhaben mit unserer Minis- cher angesprochen wird als das Kapitel über die steuer- terin Frau Schavan, unserem Minister Michael Glos und liche Förderung von Forschung. unserem fantastischen Koalitionspartner SPD richtig an- legen, Es wird hier aufgeführt, was andere Länder tun, dass (B) die OECD dafür ist, dass die meisten OECD-Staaten das (Heiterkeit und Beifall bei der SPD) (D) tun, und dass die Europäische Union uns das empfiehlt. Es wird hier aber nicht darauf hingewiesen, dass die dann werden wir mit Unternehmergeist und Entschlos- Bundesregierung das auch in das Unternehmensteuer- senheit – wenn auch manchmal mit unterschiedlichen reformgesetz geschrieben hat, dass auch wir die steuerli- Akzenten – im demütigen Dienst der Politik für che Forschungsförderung prüfen wollen. Deutschlands Zukunft erreichen, dass Wissenschaft, Wirtschaft und alle, die etwas Neues schaffen wollen, Das ist ein fantastisches Instrument. fröhlich und entschlossen die Zukunft gestalten können. (Ulrike Flach [FDP]: Der Finanzminister ist Darauf arbeiten wir hin. aber anderer Meinung!) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Es wirkt sich weit in den Mittelstand hinein aus. Büro- kratie und Anträge sind dafür nicht nötig. Man braucht Vizepräsidentin Petra Pau: keine Innovationen zu verzögern, weil ein Rechtsan- Das Wort hat für die SPD-Fraktion der Kollege Jörg spruch darauf besteht. Es ist voll einplanbar. Wenn ich Tauss. mich als kleiner bzw. mittelständischer Unternehmer entschließe, einen Forscher zusätzlich einzustellen, dann (Beifall bei der CDU/CSU) weiß ich, was das bedeutet. Es ist ein Gerücht, dass heute die Redezeiten dem Le- Wir können von anderen lernen; denn andere Länder bensalter entsprechend berechnet werden. Aber nach- setzen auf dieses Instrument. In Großbritannien ist es be- dem Sie nun schon als fantastischer Koalitionspartner reits novelliert worden. Der Instrumentenkasten ist er- angekündigt wurden, möchte ich dem Hohen Hause probt und überprüfbar. Wir wollen ihn nicht übertragen nicht vorenthalten, dass Sie heute Ihren Geburtstag mit nicht kopieren, sondern kapieren. Die ganze Vielfalt, die uns verbringen. Ich gratuliere Ihnen im Namen des ge- wir in unseren Forschungsprogrammen haben, in der samten Hauses. Hightechstrategie, in den 17 Projektfeldern, in der gan- (Beifall) zen Fülle von Querschnittsfragen vom E-Government über die innovative Einkaufsstrategie bis hin zum Schutz des geistigen Eigentums – all dies bleibt erhalten und Jörg Tauss (SPD): geht in eine Gesamtstrategie ein. Es wird nicht beschä- Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Ich dachte schon, digt. Mit der steuerlichen Forschungsförderung kommt ich hätte 54 Minuten Redezeit; aber das scheint nicht der aber die Chance hinzu, dass in einer Zeit, in der es für Fall zu sein. 11142 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

(A) Vizepräsidentin Petra Pau: teil Ihrer IKT-Strategie sein! Das ist doch ab- (C) Vielleicht kann Ihr Koalitionspartner helfen. Die In- surd!) strumente sind schließlich bekannt. Deshalb ist gerade in diesem Bereich eine Stärkung zu verzeichnen. Das ist nicht verwunderlich. Jörg Tauss (SPD): Herzlichen Dank. Frau Kollegin Flach, Sie haben die KMUs angespro- chen und meinten, wir sollten die KMUs nicht überbeto- Ich bin nach der Liebeserklärung des Koalitionspart- nen. Das verstehe ich nicht ganz. Diese Auffassung teile ners regelrecht gerührt. Kollege Riesenhuber, es gibt in ich nicht, wenn ich Sie an dieser Stelle richtig verstan- der Tat Themen, die wir schon in den Koalitionsver- den habe; denn das war ein kritischer Punkt in der alten handlungen gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Forschungsförderung. Wir hatten immer Krach – weni- Der Korrektheit halber muss man aber darauf hinweisen, ger mit Herrn Riesenhuber als mit seinem Nachfolger dass man nicht alles, was man sich vorstellt und was Herrn Rüttgers –, weil die Großbetriebe sehr stark geför- wünschenswert wäre, auch sofort bei den Finanzpoliti- dert wurden. kern durchsetzt, die verständlicherweise Gestaltungs- missbräuche befürchten. Das ist auch der Hintergrund (Ulrike Flach [FDP]: Sie wissen, dass ich der dafür, dass wir über Private Equity diskutieren, Frau FDP angehöre!) Flach. – Stellen Sie eine Zwischenfrage wie beim Kollegen (Ulrike Flach [FDP]: Aber die sind gar nicht Riesenhuber! Tun Sie mir den Gefallen! Dann kann ich betroffen!) das noch länger ausführen. Es gibt sicherlich sehr viele positive Beispiele, es gibt Das Problem bei der technologischen Leistungsfähig- aber auch die sogenannten Heuschrecken. In meinem keit ist, dass der Anteil kleiner und mittlerer Betriebe bei Wahlkreis gibt es eine Reihe von hochinteressanten in- Forschung und Entwicklung in Deutschland zu gering novativen Betrieben, die durch den Einsatz solcher Ge- ist. Das ist der Hintergrund, warum wir beispielsweise sellschaften ihrer wertvollen Teile beraubt wurden und nach einem solchen Instrument wie der Forschungsprä- anschließend nicht mehr so innovativ waren, wie es ih- mie Ausschau gehalten haben. Der Anteil der kleinen nen möglich gewesen wäre. und mittleren Unternehmen wurde gerade im Technolo- giebereich erhöht. (Ulrike Flach [FDP]: Aber die sind doch gar nicht gemeint!) Kollege Riesenhuber, gerade wenn man Vergleiche bei der steuerlichen Förderung zieht, dann darf man (B) – Sie meinen nur die Guten. Das ist klar. Darauf können nicht vergessen, dass es hier um zwei Seiten ein und der- (D) wir uns sicherlich einigen. selben Medaille geht. Es gibt viele sinnvolle Instru- mente. Wir haben das Instrument der Projektförderung, (Ulrike Flach [FDP]: Nein! Steinbrück meint das andere Länder in vergleichbarer Form nicht kennen. sie!) Ich möchte nicht das eine gegen das andere ausspielen. Ich möchte nur auf zwei Punkte eingehen. Erstens Aber im Hinblick auf die Formulierung des gesellschaft- will ich wiederholen – in der Pädagogik sind Wiederho- lichen Bedarfs – hier haben wir positive Anreize gesetzt; lungen sehr wichtig –, dass unser selektives Schulsys- ich nenne als Beispiele die Nanotechnologie und die tem einen Großteil der Verantwortung dafür trägt, dass Mikrosystemtechnologie – waren wir es – nicht die wir nicht alle Begabungen in unserem Land erschließen. Wirtschaft oder das private Kapital –, die in der For- Darin sind wir uns noch nicht ganz einig, Frau Ministe- schungspolitik Schwerpunkte gesetzt haben. Kollege rin. Aber auch in diesem Punkt nähern wir uns schritt- Brüderle, ein solches Beispiel mag Ihnen vielleicht zei- weise an. Wir sind uns aber sicherlich einig, dass es da- gen, dass nicht alles, was vom Staat kommt, von Übel rum geht, alle Begabungen zu erschließen. Wo unser ist. Ohne Staat gäbe es übrigens noch nicht einmal das dreigliedriges Schulsystem dem im Wege steht, sollten Internet. Solche positiven Beispiele mögen Marktwirt- die Länder über Änderungen nachdenken. schaftsradikalen wie Ihnen als Erleichterung dienen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Rainer Brüderle [FDP]: Das Internet kam aus der CDU/CSU und der FDP) den USA!) Zweitens. Sie haben die Exzellenzinitiative im Zu- – Richtig. Ich sage doch gar nicht, dass alles, was aus sammenhang mit IKT – darauf komme ich noch zu spre- den USA kommt, von Übel ist. Bei uns in Europa wurde chen – kritisiert, Frau Kollegin Hinz. Die Exzellenzini- das Web entwickelt, genauso wie viele andere Dinge. tiative ist zwar nicht staatlich beeinflusst, aber wir haben die Universitäten in der Breite angesprochen. Insofern Nun komme ich zu ein paar anderen Punkten, die be- ist es kein Widerspruch, dass über die Exzellenzinitiative reits angesprochen wurden. Der Kollege Schulz hat als gerade auch im Bereich der IKT-Technologien Graduate Beispiel den Fachkräftemangel genannt. Das ist ein Schools im Bereich Aachen, in Karlsruhe, Erlangen und ganz wichtiger Punkt. Ich warne davor – das habe ich München gefördert werden. zum Teil den Medien entnommen –, Qualifizierung und Fachkräfteanwerbung als Gegensatz aufzufassen. Rich- (Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE tig ist aber in der Tat, dass zuallererst die Wirtschaft und GRÜNEN]: Aber das kann doch kein Bestand- die Bundesländer ihre Hausaufgaben zu erfüllen haben, Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11143

Jörg Tauss (A) auch wenn wir beispielsweise über Ausländerinnen und Schavan ganz konkret gesagt haben: In diesem Bereich (C) Ausländer reden. sehen wir Handlungsbedarf; darüber müssen wir weiter reden. In diesem Punkt wollen wir mitwirken. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir hätten exzellente ausländische Fachkräfte bereits im (Ulrike Flach [FDP]: Warum haben Sie es nicht gemacht?) Land, wenn gehandelt worden wäre. Wir haben sehr viele zugewanderte junge Menschen. In Baden- – Wie Sie wissen, ist der Fortschritt manchmal eine Württemberg und insbesondere in Berlin beispielsweise Schnecke. Hier gibt es sicherlich noch weiteren Diskus- gibt es Schulen, bei denen der Anteil der Kinder auslän- sionsbedarf. discher Herkunft bzw. mit Migrationshintergrund 50 Prozent und mehr beträgt. Aber bei den Universitäten Wie Sie wissen, betreibt die Landesregierung von Ba- liegt der Anteil nur noch bei 8 Prozent. Das heißt, wir den-Württemberg, an der Sie beteiligt sind, die reaktio- verschenken hier ein riesengroßes Potenzial an Zuwan- närste Politik. Deswegen ist die Frau Ministerin von derern, die bereits hier sind. Aber wir müssen das eine Baden-Württemberg weggegangen. Wäre sie Minister- tun und dürfen das andere nicht lassen. Wir müssen qua- präsidentin geworden, wäre die Politik viel weniger reaktionär. lifizieren und Fachkräfte, die spitze sind, ins Land holen. Darüber müssen wir diskutieren. Aber das ist ein ganz anderes Thema. Ich hoffe, ich schade Ihnen jetzt nicht, Frau Schavan. Vizepräsidentin Petra Pau: (Heiterkeit) Kollege Tauss, gestatten Sie sozusagen in allerletzter Sekunde eine Zwischenfrage der Kollegin Flach? Ich freue mich darauf, dass Baden-Württemberg ein Motor im Bundesrat wird. Jörg Tauss (SPD): (René Röspel [SPD]: Und Nordrhein- Ja, bitte eine umfangreiche, Frau Flach. Westfalen!)

Vizepräsidentin Petra Pau: – Das gilt auch für Nordrhein-Westfalen. Bitte, Kollegin Flach. Etwas habe ich nicht verstanden, Frau Pieper. Ich setze mich heute arg mit der FDP auseinander. Vielleicht Ulrike Flach (FDP): ist das wichtig, um Vorurteile zu überwinden, liebe Frau Da Sie heute Geburtstag haben, Herr Tauss, will ich Pieper. Sie haben kritisiert, dass wir 17 Felder hätten und Ihnen die Freude machen. Ich bin eigentlich davon aus- dass kein Schwerpunkt gesetzt würde. Mein Gott, dann (B) (D) gegangen, dass die SPD beim Ausländerrecht der FDP sagen Sie uns doch bitte ganz deutlich, auf welches der näher steht, als ich das gerade von Ihnen höre. Was sa- 17 Felder, die wir im Rahmen der Hightechstrategie för- gen Sie denn zu den Aussagen eines Vorstandsmitgliedes dern, Sie verzichten wollen. Wir sind ein Exportland und des Rates für Migration, der von einem inhumanen Aus- decken die gesamte Breite der Exporte ab. Deswegen länderrecht spricht und sagt, in der Gesamtbilanz laufe müssen wir versuchen, auf vielen Feldern Spitzentech- alles auf eine verbesserte Abwehr weiterer Zuwanderung nologien zu entwickeln und Spitze zu werden. hinaus? Ich kann das mit Ihren positiven Worten nicht in Ein Bereich ist eben die Informations- und Kom- Einklang bringen. munikationstechnologie. Finnland hat nur ein einziges Feld: Informations- und Kommunikationstechnologie. Jörg Tauss (SPD): Die Finnen haben gesagt: Wir wollen bei der Informa- Liebe Kollegin Flach, unabhängig davon, dass ich das tions- und Kommunikationstechnologie Nummer eins vollständige Zitat nicht kenne – der Kollege Riesenhuber werden. Dort ist auch noch eine einschlägige Firma an- hat es vielleicht zur Verfügung –, sässig. Das können wir in Deutschland nicht machen. Zu sagen, wir wollen nur auf einem Feld stark sein – diese (Ulrike Flach [FDP]: Ich gebe es Ihnen gerne!) Strategie nutzt Finnland –, nutzt uns nichts. Deswegen gibt es in Deutschland sozusagen die lebenslange Lüge, ist es gut, dass einer dieser Bereiche, über die wir reden, wir seien kein Einwanderungsland. Tatsächlich sind wir die Informations- und Kommunikationstechnologie ist. ein Einwanderungsland. Wir gingen an vielen Stellen Das ist eines der wichtigsten Teile dieses Programms. mit denjenigen, die eingewandert sind, nicht gut um. Wir Vielleicht können wir, da ich keine Redezeit mehr habe, haben die Chancen und Potenziale der Eingewanderten dazu eine eigene Debatte anberaumen. vertan, und zwar in verschiedener Hinsicht. Das ist Fakt. (Vorsitz: Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Wir brauchen hier keine Schuldzuweisungen vorzuneh- Thierse) men. Das wäre lohnend. Ich freue mich über die Beschlüsse der SPD, die – ge- nauso wie in anderen Einwanderungsländern – ein Ich kann nur sagen: In diesem Bereich gibt es viel zu Punktesystem vorsieht. Darüber müssen wir diskutie- tun. Denken Sie an den heutigen Schwelbrand im Deut- ren. Wir müssen schauen, wo wir in den Bereichen Bil- schen Bundestag! Wir sind von unseren Computern ab- dung, Wissenschaft und Forschung Hochqualifizierte gehängt. Im Grunde genommen ist das eine Schande. brauchen. Ich weiß nicht, ob Sie in der Debatte zugegen Ein bisschen Schwelbrand, und schon funktionieren die waren, aber ich bin froh, dass Herr Schäuble und Frau Computer nicht mehr. 11144 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Jörg Tauss (A) Wir setzen also die Schwerpunkte auf die Informa- Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt je (C) tions- und Kommunikationstechnologie, auf die Sicher- ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP, der heitsforschung und auf kleine und mittlere Unterneh- Fraktion Die Linke und der Fraktion des Bündnisses 90/ men, liebe Kollegin Flach, die innovativ sind und Die Grünen vor. Software entwickeln. Das sind Entwicklungen, die wir brauchen. Frau Hinz, das ist eine Treibkraft auch für den Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Maschinenbau, im Fahrzeugbau und in vielen anderen Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen Bereichen. Deswegen ist das ein richtiger Schwerpunkt. Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich glaube, wir sollten nicht über diesen Schwerpunkt Ich eröffne die Aussprache und erteile der Bundesmi- mäkeln, sondern froh sein, dass wir ihn haben. nisterin Brigitte Zypries das Wort. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz: (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit bei Abgeordneten der FDP – Dr. Günter der heutigen Beratung und Abstimmung bringen wir ein Krings [CDU/CSU]: Einmal klatschen wir wichtiges Projekt endlich an sein Ziel. Wir modernisie- heute bei Tauss! – Hans-Joachim Otto [Frank- ren das Urheberrecht und wir machen es fit für das digi- furt] [FDP]: Weil heute sein Geburtstag ist!) tale Zeitalter. Mit dieser Reform sorgen wir auch für ei- nen fairen Interessenausgleich zwischen Urhebern und Vizepräsident Dr. h. c. : Nutzern geschützter Werke, und wir schaffen ein Gesetz, Ich schließe die Aussprache. das die Selbstregulierung stärkt. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf Es war kein einfaches Projekt. Beim Urheberrecht den Drucksachen 16/5823, 16/5900 und 16/5899 an die geht es um geistiges Eigentum, und dabei geht es auch in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge- um viel Geld. Alle Betroffenen haben deshalb mit großer schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Verve für ihre jeweiligen Interessen geworben. Das ist Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. völlig in Ordnung. Ich bin gleichwohl froh, dass es uns gelungen ist, einen Kompromiss zu finden, von dem ich Ich rufe die Tagesordnungspunkte 7 a und 7 b auf: hoffe, dass alle Seiten damit gut werden leben können. a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- Drei Aspekte waren in den letzten Monaten ganz be- regierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten sonders umstritten. Der erste Aspekt ist die Pauschal- Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in vergütung. (B) der Informationsgesellschaft (D) Es bleibt mit diesem Gesetz dabei, dass die Privatko- – Drucksache 16/1828 – pie eines Werkes auch in der digitalen Welt erlaubt ist. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus- Als Ausgleich dafür gibt es für den Urheber weiterhin schusses (6. Ausschuss) die sogenannte Pauschalvergütung. Wie hoch diese Ver- gütung ist, werden die Beteiligten künftig selber festle- – Drucksache 16/5939 – gen. Das ist ein Paradigmenwechsel. Bisher hatte dies der Gesetzgeber festgelegt. Man muss allerdings hinzu- Berichterstattung: fügen, dass sich auf diesem Gebiet seit 1985 nichts mehr Abgeordnete Dr. Günter Krings geändert hat. Dieser Paradigmenwechsel entspricht aber Dirk Manzewski den allgemeinen wirtschaftlichen Strukturen in unserem Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Land. Ich hoffe, dass mit seiner Hilfe auch auf den im- Wolfgang Nešković mer rasanter werdenden technischen Fortschritt schnel- Jerzy Montag ler reagiert werden kann, als das bisher möglich ist. b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Urheber und Geräteindustrie werden sich bei diesen richts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu Verhandlungen auf Augenhöhe begegnen. Es gibt keine dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leutheusser- Obergrenze für die Vergütung. Trotzdem muss sie natür- Schnarrenberger, Hans-Joachim Otto (Frank- lich in einem angemessenen Verhältnis zum Preis des furt), Christian Ahrendt, weiterer Abgeordneter Gerätes oder des Speichermediums stehen. Das steht so und der Fraktion der FDP ausdrücklich im Gesetz. Man wird deshalb auf einen Die Modernisierung des Urheberrechts muss CD-Rohling für wenige Cent keine Vergütung von meh- fortgesetzt werden reren Euro erheben können. – Drucksachen 16/262, 16/5939 – Die Beteiligten sind jetzt aufgefordert, sich zu eini- gen. Sie müssen den Freiraum der Selbstregulierung nut- Berichterstattung: zen. Es wird am Anfang sicherlich nicht einfach sein, Abgeordnete Dr. Günter Krings sich nach einer über mehrere Jahre kontrovers geführten Dirk Manzewski Debatte auf einmal an einen Verhandlungstisch zu set- Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zen. Ich habe deshalb bei verschiedenen Moderationsge- Wolfgang Nešković sprächen, die ich in der vergangenen Zeit geführt habe, Jerzy Montag schon angeboten, dass das BMJ dabei als Moderator zur Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11145

Bundesministerin Brigitte Zypries (A) Verfügung steht. Ich möchte dieses Angebot hier gern (Beifall bei der FDP) (C) erneuern. Wir haben in dieses wirklich umfangreiche und sehr Ein zweiter wichtiger Punkt sind die künftigen Nut- schwierige Gesetzgebungsverfahren eine sehr konstruk- zungsarten. In Zukunft ist es erlaubt, dass Urheber und tive und sehr zielorientierte Mitarbeit eingebracht. Verwerter auch einen Vertrag über solche Nutzungsarten (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ abschließen, die bei Vertragsschluss noch unbekannt sind. Das hört sich futuristisch an, ist aber eine wichtige CSU und der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Ich Regelung; denn damit wird es leichter, die Werke auch habe die FDP heute schon gelobt!) in neuen Medien auf den Markt zu bringen. Hätte es das Ich freue mich sehr, dass es im Rahmen dieser sehr schon früher gegeben, dann wäre es heute nicht so langwierigen und sehr schwierigen Gespräche doch zu schwierig, eine alte Theateraufführung auch auf DVD grundlegenden Änderungen am Regierungsentwurf ge- anzubieten. Wir haben aber auch bei diesem Punkt die kommen ist. Von daher kann man dieses Gesetz, wie wir Belange der Urheber im Blick behalten, und wir haben es heute beschließen werden, als ein Parlamentsgesetz festgelegt, dass der Verwerter den Urheber informieren bezeichnen. muss, wenn er eine neue Art der Nutzung des Werkes plant, und dass der Urheber ein Widerrufsrecht hat. In den Kernpunkten haben wir trotz des schwierigen Weges einen fairen Ausgleich zwischen den Beteiligten, Der dritte Aspekt betrifft die zeitgemäße Nutzung von nämlich zwischen den Urhebern und Rechteinhabern auf geschützten Werken in Bibliotheken. Dabei geht es um der einen Seite und den Nutzern, nämlich den Verbrau- sogenannte elektronische Leseplätze und um den digita- chern, auf der anderen Seite, gefunden. Das ist ja immer len Versand von Kopien auf Bestellung. Für all das gibt die Kernaufgabe des Urheberrechts, und zwar eine Dau- es jetzt erstmals überhaupt eine gesetzliche Grundlage. eraufgabe. Schon heute wissen wir: Das Urheberrecht Wir achten auch da auf den gerechten Interessenaus- wird uns in dieser Legislaturperiode auch weiter be- gleich. Der Gesetzgeber darf den Verlagen durch das Ge- schäftigen. Wir haben noch offene Punkte genannt und setz das Onlinegeschäft nicht kaputt machen. Das wäre schon einen weiteren Gesetzentwurf zur Durchsetzung wirtschaftspolitisch ein falsches Signal, und rechtlich von Ansprüchen, die ein Urheber hat, vorliegen. wäre es zudem nicht vertretbar. Frau Ministerin, Sie haben eben einen Themenkom- Auch wenn es vonseiten des organisierten Wissen- plex genannt, der eigentlich mit am schwierigsten zu re- schaftsbetriebes manchmal vergessen worden ist: Es geln war, nämlich die Neuregelung der Vergütung der geht auch hier um geistiges Eigentum, und das ist verfas- Privatkopien in der Form einer Abgabe auf die Geräte. sungsrechtlich geschützt. Derzeit wird dies vom Staat durch eine Verordnung fest- (B) (D) (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ gelegt. Diese Vergütung ist seit Jahrzehnten nicht erhöht CSU und der FDP) worden. Denn es gibt für einen Minister oder eine Minis- terin keine unangenehmere Aufgabe, als einseitig Preise Durch diesen Gesetzentwurf wird ein Ausgleich zwi- festzusetzen. Dabei kann man es natürlich niemandem schen den Wissenschaftlern als Autoren und den Wis- recht machen. Von daher sind Sie bestimmt froh, dass senschaftlern als Lesern geschaffen. gerade wir als FDP-Fraktion den Paradigmenwechsel Im Urheberrecht sind alle Seiten aufeinander ange- hin zu einer Verhandlungslösung wollten. wiesen. Ohne Urheber gibt es nichts zu verwerten, und Frau Ministerin, Sie haben einen Punkt – ich verstehe ohne Verwerter wäre jedes Stück ein Unikat. Unsere Re- es aus Ihrer Sicht natürlich – hier nicht angesprochen, form des Urheberrechts wird meiner Meinung nach bei- den ich einbringen muss. Dass wir uns auf den neuen den Seiten gerecht. Sie ist ein fairer Kompromiss. Sie Weg der Verhandlung zwischen Vertretern der Geräte- schafft ein modernes Recht, und sie ist der gute Ab- industrie und der Verwertungsgesellschaften verständi- schluss einer langen Debatte. gen konnten, liegt daran, dass die ursprüngliche Vor- Ich möchte mich bei all denjenigen hier im Hause, die gabe, eine Deckelung bei der Festsetzung der Abgaben, insbesondere in den letzten Monaten daran mitgewirkt nämlich 5 Prozent des Gerätepreises, vorzunehmen, im haben, dass dieser Gesetzentwurf noch vor der Sommer- Konsens herausgenommen wurde. Ich habe für die FDP pause verabschiedet werden kann, recht herzlich bedan- immer gesagt: Das ist für uns einer der wichtigen ken, namentlich bei den beiden Berichterstattern der Ko- Punkte. Denn man kann nicht auf Augenhöhe verhan- alition. deln, wenn eine Seite schon am Anfang in eine schwieri- gere Situation gebracht wird. Deshalb sage ich: Mit der (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Einigung, hier eine grundlegende Änderung vorzuneh- men, dass nämlich künftig die tatsächliche Nutzung die Präsident Wolfgang Thierse: Grundlage für die Berechnung und damit für die Ver- Ich erteile das Wort Kollegin Sabine Leutheusser- handlung sein soll, war aus Sicht der FDP-Fraktion der Schnarrenberger von der FDP-Fraktion. Weg offen zu einem weitergehenden Kompromiss. Wir sind froh – das war kein Kernpunkt der Verhand- Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): lung –, dass die Bagatellklausel schon im Vorfeld des Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle- Gesetzgebungsverfahrens gestrichen worden ist. Gerade gen! Sehr geehrte Frau Ministerin, ein kleiner Dank an bei geringfügigen Verletzungen bietet das geltende die FDP-Fraktion wäre schon angemessen gewesen. Recht sehr wohl alle Möglichkeiten, dass es hier nicht zu 11146 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (A) einer Verurteilung kommt. Wir alle beklagen doch den halt an Leseplätzen digitalisiert nutzen wollen. Wir ha- (C) Bedeutungsverlust, den das geistige Eigentum, das Ur- ben eine Flexibilitätsklausel eingebaut. In der Begrün- heberrecht, das, was Kreative, was Künstler schaffen, in dung wird dazu etwas ausgeführt. Diese Regelung wird der Öffentlichkeit erlitten haben. Dem würden wir mit auch dem Ansturm in den Universitäten auf neue Werke einer Bagatellklausel natürlich noch einmal Vorschub gerecht werden. Die Juristen würden sagen: Mit einem leisten. Palandt kann man nicht das ganze juristische Semester versorgen. Das geht nicht. Das gilt genauso für andere (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Bereiche. der SPD) (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Damit hat mancher Dann möchte ich auf die unbekannten Nutzungsarten das ganze Studium bestritten!) zu sprechen kommen. Sie können dazu führen, dass wichtige Bestände, geschaffene Werte, Güter, die bisher – Den hat jeder von uns im Büro. Es gibt nicht nur ein nicht zugänglich gewesen sind, in einer neueren Form, einziges Exemplar im Bundestag. wie man sie vielleicht vor vielen Jahren nicht kannte, mit den modernen technologischen Möglichkeiten zugäng- Es ging um den Kopienversand. Frau Ministerin, da lich werden. Das ist gut für die Nutzer, die Urheber, die teile ich Ihre Einschätzung. Ich habe Ihren Ansatz in den Künstler, die Kreativen, für die, die die Rechte haben. nicht leichten Verhandlungen unterstützt. Jetzt wird eine Grundlage dafür geschaffen, dass Bibliotheken unter be- Es war für alle gemeinsam richtig, die Hürden aus stimmten Voraussetzungen elektronische Kopien versen- dem geltenden Urheberrecht zu nehmen. Deshalb haben den können. Das wäre ohne diese Regelung in der Form wir uns von Anfang an dafür eingesetzt. Da war ja der künftig nicht mehr zulässig gewesen. Jetzt wird also eine Regierungsentwurf auf dem richtigen Weg, zum Beispiel sichere Rechtsgrundlage geschaffen. Die bisherige Pra- bei der Widerspruchsregelung bei Verhandlungen, xis hätte in der Form nicht fortgesetzt werden können. nämlich dass es, wenn ein Urheber widersprechen möchte, zu einer anderen Form von Verwertung kommt, (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Doch! – Weiterer zu einer Form, die man bisher nicht kannte. Dies wird Zuruf von der CDU/CSU: Dürfen!) der Sachlage gerecht. Wir haben aber auch berücksichti- Zum Schluss bedanke ich mich sehr, auch für die Un- gen müssen, dass gerade im Bereich der Filmwerke mit terstützung aus dem Ministerium bei diesen Beratungen, sehr vielen Urhebern und Rechteinhabern eine einfache und sage klar: Wenn der Dritte Korb aufgemacht wird, Widerspruchsregelung in das Gesetz nicht Eingang fin- den kann; denn das würde es unmöglich machen, zu ei- (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Sind ner Verwertung im Interesse von Urhebern, von Verwer- wir wieder dabei!) (B) tern und besonders von Nutzern zu kommen. Es findet haben wir neben vielen anderen Punkten noch ein wich- (D) also auch in dieser Beziehung ein guter und angemesse- tiges Thema: die Kabelweitersendung. Die Regelung ner Interessenausgleich statt. versteht kein Mensch. Dabei wollen wir zu besseren und Ich sage denjenigen, denen das nicht passt und nicht angemessenen Regelungen kommen. weit genug geht: Niemand darf ein geistiges Werk ent- (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wir auch!) stellen, auch nicht bei einer neuen Nutzungsart oder an- deren Formen der Verwertung, etwa auf einer DVD, die Recht herzlichen Dank. es vor 20 oder 30 Jahren ja noch nicht gegeben hat. Des- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten halb braucht niemand Angst zu haben, dass zum Beispiel der CDU/CSU und der SPD) ein Film verfälscht wird. Das ist eine Regelung, die wirklich für alle Beteiligten zufriedenstellend ist. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Ich erteile das Wort Kollegen Günter Krings, CDU/ Dr. Günter Krings [CDU/CSU]) CSU-Fraktion. Der letzte Punkt, den ich hier noch ansprechen kann, (Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: ist einer, der für manche Fraktionen, gerade für die Ko- Zurückhaltung, Herr Kollege!) alitionsfraktionen, mit der schwierigste war: Wie findet man den Ausgleich zwischen den Interessen von Biblio- Dr. Günter Krings (CDU/CSU): theken an Universitäten oder Hochschulen, die mit ei- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und nem Buch am liebsten Hunderttausende von Studenten Herren Kollegen! Wenn generell gilt, was wir schon oft versorgen wollen, und den Interessen derjenigen, die erfahren haben: „Kein Gesetz verlässt den Deutschen diese wissenschaftlichen Werke oder Beiträge erstellen Bundestag so, wie es hineingekommen ist“, so gilt das in und verwerten? Auch Verlage müssen rechnen. Sie kön- ganz besonderem Maße für dieses Urheberrechtsände- nen nicht im Hinblick darauf, dass es um wissenschaft- rungsgesetz. Im Vorfeld haben wir als Unionsfraktion lich wichtige Arbeiten geht, auf Rechte verzichten. Sie zusammen mit unserem Staatsminister Neumann bereits müssen sehen, dass ihr Verlag am Leben bleibt. maßgeblich dafür gesorgt, dass die sogenannte Bagatell- Von daher war der Kompromiss gut und richtig, näm- klausel aus dem Gesetzentwurf genommen wird. Wir ha- lich festzulegen: Auch der Zugang zu den Werken in ei- ben im Gesetzgebungsverfahren zusammen mit dem Ko- ner Bibliothek wird mit davon abhängig gemacht, wie alitionspartner und anderen Fraktionen, namentlich der viele Bücher diese Bibliothek hat und wie viele den In- FDP, dafür gesorgt, dass die Begrenzung der Geräteab- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11147

Dr. Günter Krings (A) gabe auf 5 Prozent so nicht kommt, dass die Einstiegs- wie vor die klare Aussage enthalten, dass diese vor un- (C) schwelle, von der an überhaupt Abgaben erhoben wer- zumutbaren Belastungen geschützt werden, und im Ent- den dürfen, eben nicht bei 10 Prozent liegt. Wir stärken schließungsantrag ist noch einmal deutlich gemacht wor- die Rechte des Urhebers, wie bereits angesprochen, auch den, dass wir auch von den Verwertungsgesellschaften bei unbekannten Nutzungsarten, ohne dass wir von der erwarten, dass sie so moderate Vergütungssätze fordern, Idee, dass man auch Altinhalte auf neuen Formaten zu- dass es nicht zu einer Verlagerung des Handels ins Aus- gänglich machen muss, Abschied genommen hätten. land kommt. Die ominöse 5-Prozent-Klausel wäre je- Zuletzt – um nur vier Beispiele zu nennen – haben wir doch keine geeignete Methode gewesen, um das zu er- im Bereich von Wissenschaft und Bildung dafür gesorgt reichen. Sie ist systemfremd. Der Urheber hat einen – das ist § 52 b –, dass die neue Schranke nur in abge- Anspruch auf Entschädigung. Wenn er vom Gesetzge- schwächter Form Geltung erhält. Ein Buch, das in einer ber die Pflicht aufgegeben bekommt, Eingriffe in sein Bibliothek nur einmal vorhanden ist, darf man nicht dut- Urheberrecht zu dulden, dann muss er nach dem alten zendfach zugänglich machen. Grundsatz „Dulde und liquidiere“ auch liquidieren kön- nen. Er darf dann bei den Kompensationszahlungen für Diese umfassenden Änderungen belegen: Das Parla- die Nutzung seines geistigen Eigentums nicht Opfer der ment hat bei diesem Gesetz seine Rolle als Gesetzgeber Preispolitik der Industrie werden. ganz besonders ernst genommen. Das BMJ – das will ich ausdrücklich dankend erwähnen – hat mit umfangrei- Ich sage aber an die Adressen der Verwertungsgesell- chen Vorarbeiten den Weg bereitet. Dafür vielen Dank schaften und anderer Verwerter von Urheberrechten an die Ministerin und an die Mitarbeiter, die hier zahl- auch ganz deutlich: Eine Pauschalabgabe kann langfris- reich vertreten sind. Das waren umfassende, zeitrau- tig nicht die Lösung und die Antwort auf die Probleme bende und oft schwierige Vorarbeiten. sein. Jeder, der jetzt meint, sich auf den Regelungen zur Pauschalabgabe ausruhen zu können, muss wissen, dass Allerdings ist auch klar: Der Gesetzgeber bleibt das auf lange Sicht jedenfalls kein Weg an digitalen Rechte- Parlament. Das ist, wie ich finde, übrigens auch ein managementsystemen und Ähnlichem vorbeigeht. Auf wichtiges Signal an alle Lobbyisten, die dieses Gesetz- Dauer muss das Urheberrecht dafür sorgen, dass das gebungsverfahren mit großem Interesse verfolgt haben. geistige Eigentum seinen Gegenwert selbst erwirtschaf- (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: ten kann. Bis zum Schluss!) Ich verhehle nicht, dass ich persönlich eine gewisse Dieses Signal geht insbesondere von der Entscheidung Skepsis habe, ob die Verhandlungslösung, die wir heute bezüglich der 5-Prozent-Klausel aus. Das möchte ich einführen, funktioniert. Ich hoffe das aber und bin des- (B) ganz deutlich sagen. Diese Formel geht ja nicht auf sach- halb bereit, das auszuprobieren. Wenn aber wirklich Ver- (D) liche Erwägungen während der Vorarbeiten zurück, son- wertungsgesellschaften und die Verbände der Geräteher- dern auf eine Zusage von Altkanzler Schröder. So viel steller verhandeln sollen, dann dürfen wir nicht – das ist Wahrheit muss hier erlaubt sein. Die Entscheidung dage- eben schon gesagt worden – einerseits einem der Ver- gen ist somit ein gutes Signal, welches deutlich macht, handlungspartner eine Eisenkugel ans Bein binden und dass auch ein Bundeskanzler nicht über die Gesetzge- andererseits erwarten, dass auf Augenhöhe und gleich- bungsarbeit des Deutschen Bundestages disponieren berechtigt verhandelt wird. Falls das Ganze nicht funk- kann. tionieren soll – das sage ich ganz deutlich –, falls die (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Verhandlungen zu jahrelanger Rechtsunsicherheit führen Beifall bei der FDP – Hans-Joachim Otto sollten, dann muss der Bundestag die Sätze wieder selbst [Frankfurt] [FDP]: Wo er recht hat, hat er festlegen. recht!) Nach meiner Auffassung ist die Tatsache, dass seit Ich bin übrigens froh, dass entsprechende Versuche bei 1985 keine Anpassung erfolgt ist, weniger ein Beweis unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht erfolg- für ein schlechtes Gesetz als vielmehr ein Beleg für den reich waren, sondern sie an der Stelle standhaft geblie- Kleinmut aller Gesetzgebungsakteure. Da schließe ich ben ist. Jedenfalls hat mich kein Anruf aus dem Kanzler- alle ein, vom Bundestag bis zum Justizministerium. Ich amt mit der Aufforderung erreicht, hier müsse man noch persönlich habe durchaus noch Vertrauen in die Fähig- etwas ändern. keit zu schnellen Handlungen und Reaktionen von Bun- Ich bin auch froh, dass die neue Bundesregierung of- destag und Justizministerium. Ich hätte mir gewünscht, fenbar stärker die volkswirtschaftlichen Wertschöp- dass die Justizministerin mit etwas mehr Selbstvertrauen fungsmöglichkeiten erkannt hat, die in urheberrechtli- an diese Frage herangegangen wäre. Wir probieren es chen Maßnahmen für die Kreativwirtschaft insgesamt nun aber einmal auf die eben dargestellte Weise. liegen. Deutschland lebt nicht nur von Hardwareverkäu- Für die Union, meine sehr geehrten Damen und Her- fen, sondern eben auch von den Inhalten, die auf dieser ren, ist geistiges Eigentum eine wesentliche Grundlage Hardware transportiert werden. für Wohlstand und Freiheit in unserer Gesellschaft. Das Ich will allerdings auch betonen, um Besorgnisse ein gilt gerade auch für die moderne Informationsgesell- wenig auszuräumen: Wir haben durchaus einen Kom- schaft. Unsere Volkswirtschaft lebt insbesondere von promiss gesucht, der auch die Interessen der Geräte- und den Leistungen der Kreativen in unserem Lande. Die ha- Lehrmedienhersteller berücksichtigt. Im Gesetz ist nach ben auch Anspruch auf den entsprechenden Schutz. 11148 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Dr. Günter Krings (A) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Wichtig und gut – vielleicht nur nicht ausreichend – (C) neten der SPD – Beifall bei der FDP) ist daher, dass wir jetzt in § 53 die Klarstellung vorneh- men, dass ein Download aus offensichtlich illegalen Es reicht nicht aus, die Wahrung der Rechte von geis- Quellen keine zulässige Privatkopie ist. tigem Eigentum nur im Ausland anzumahnen. Es reicht nicht aus, den Blick nach China, Indonesien oder Indien Wichtig ist auch, dass wir im Vorfeld – ich habe es ge- zu richten und von diesen Ländern einen besseren sagt – die Bagatellklausel aus dem Gesetzentwurf ent- Schutz geistigen Eigentums einzufordern. Zugleich müs- fernt haben. Es wäre ein verheerendes Signal gewesen, sen wir hier in Deutschland mit gutem Beispiel vorange- wenn der Staat gesagt hätte: „Das ist alles eigentlich ver- hen. Ein wichtiger Testfall wird nach der Sommerpause boten“ und wenn er dann mit großem Augenzwinkern kommen. Dann geht es um die Umsetzung der soge- hinzugefügt hätte: Es ist nicht so schlimm. Macht ruhig nannten Durchsetzungsrichtlinie. Hier wird es zum weiter! – Diese Art der Kapitulation des Rechtsstaates Schwur kommen und sich herausstellen, ob die Bekennt- wird es mit der Union auch künftig nicht geben. Ich bin nisse zum Schutz geistigen Eigentums Lippenbekennt- froh, dass es das auch mit der SPD-Fraktion nicht geben nisse waren oder ob wir an der Stelle tatsächlich wirksa- wird. Dafür, dass sie uns hier zugestimmt hat, bedanke meren Schutz wollen. ich mich. Die Durchsetzungsrichtlinie trifft bekanntlich die ge- Wir haben sicherlich noch nicht alles getan. Dass samte Bandbreite des geistigen Eigentums. Das Justiz- auch der Gesetzentwurf noch einige Punkte offenlässt, ministerium bleibt mit seinen Vorschlägen meines Er- will ich nicht verhehlen. Ich bin sicher, dass der Gesetz- achtens am unteren Rand der europarechtlichen geber des Jahres 1965 sich Privatkopien in der heutigen Vorgaben, will aber zusätzlich diese Richtlinie mit einer Form so noch nicht vorgestellt hat – sowohl in quantita- Regelung befrachten, die eigentlich ins Anwaltsgebüh- tiver als auch in qualitativer Hinsicht. Heute geht es ei- renrecht gehört. Die Union plädiert hier für einen wirk- gentlich nicht mehr um Kopieren, sondern um Klonen – samen Schutz des geistigen Eigentums, also für mehr als einfach, schnell, ohne Qualitätsverlust und billig. nur einen Schutz auf dem Papier des Gesetzblattes. Das Beispiel anderer EU-Mitgliedstaaten sollte uns zu den- Deswegen müssen wir die verworrene Rechtslage auch ken geben. Sie haben nämlich einen wirksamen Aus- in einem nächsten Korb klarer machen. Die heutige ver- kunftsanspruch eingeführt, der dafür sorgen wird, dass worrene Rechtslage nutzt dem Dreisten, der die Grenze der Rechteinhaber seine Rechte auch erfolgreich geltend austestet. Der Ehrliche ist hier leider der Dumme. Deswe- machen kann. gen sind in einem nächsten Korb – auch im Interesse der Verbraucher und ihrer Rechtssicherheit – klare Grenz- Warum ist das so wichtig? Warum ist auch die Fort- ziehungen notwendig. Lassen Sie mich hier drei Punkte (B) entwicklung des Urheberrechtes in dieser Frage so wich- nennen. (D) tig? Neben der Schwarzarbeit ist heute nach meiner Ein- schätzung die Internetpiraterie eines der wichtigsten Erstens. Kopie nur vom Original. Das ist eine sehr Probleme für und einer der wichtigsten Angriffe auf un- vernünftige und von uns seit längerem erhobene Forde- sere Volkswirtschaft in Deutschland. rung. Nehmen wir einmal die Musikbranche. Auf einen ein- Zweitens. Wir sollten uns die Begründung zum § 52 b zigen Kauf eines Musikstücks im Internet kommen 14 il- des Gesetzentwurfes zum Vorbild nehmen und die An- legale Downloads. Das hat wirtschaftliche Folgen. Die zahl der zulässigen Privatkopien auf einen bestimmten jährlichen Verluste gehen schon gegen eine halbe Mil- Höchstwert begrenzen. liarde Euro. Jeder zehnte Arbeitsplatz in dieser Branche Drittens. Vor allem sollten wir uns bemühen, das Pro- ist seit 2003 verloren gegangen. blem der intelligenten Aufnahmetechniken relativ rasch Ähnliches droht der Filmbranche; es betrifft sie teil- in den Griff zu bekommen. Derzeit kann man mithilfe weise schon jetzt. Ein Beispiel: Wir alle erinnern uns einer Software Tausende von Internetradiostationen ab- noch an den Film „Good Bye, Lenin!“, der übrigens hören und auf diese Art und Weise sehr leicht und fast nicht von Hollywood, sondern von deutschen Regisseu- kostenlos so viele Musikstücke, wie man möchte, auf ren, Schauspielern und Produzenten produziert worden seinen eigenen Rechner herunterladen. Funktional ist ist. Er war einer der erfolgreichsten Filme der letzten das nichts anderes als eine illegale Musiktauschbörse. Jahre in Deutschland überhaupt. Aufgrund seines Erfol- Dem müssen wir Einhalt gebieten. ges hatten sich alle Beteiligten ausgerechnet, dass man Allerdings brauchen wir auch noch Aufklärungsarbeit beim DVD-Verkauf noch einmal – auch zu Recht – Geld – das hat das Gesetzgebungsverfahren gezeigt – in Rich- verdienen können müsste. tung des Bereichs Wissenschaft und Bildung. Wie ich Weit gefehlt! Bevor die erste DVD überhaupt in den mit Bedauern zur Kenntnis genommen habe, sehen ei- Handel gekommen ist, gab es schon 770 000 illegale nige Professoren das Urheberrecht offenbar eher als Be- Downloads. Zu einem Zeitpunkt, zu dem ein Film noch drohung denn als Chance, obwohl gerade die Wissen- nicht im Handel erhältlich ist, kann ein Download nicht schaftler von dem geistigen Eigentum und für das aus Versehen geschehen. Das sind wissentliche und wil- geistige Eigentum leben. lentliche Urheberrechtsverletzungen, gegen die wir vor- (Jörg Tauss [SPD]: Aber das erkläre ich Ihnen gehen müssen. einmal! Das machen wir in einem längeren (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Diskurs!) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11149

Dr. Günter Krings (A) Genauso wenig, wie man erwarten kann, dass ein Pri- Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): (C) vatmann ein Grundstück kostenlos für eine Universität Meine Damen und Herren! Ich will es gleich an den zur Verfügung stellt, nur weil man dort einen wichtigen Anfang meiner Rede stellen: Die Linke wird dem soge- Hörsaal bauen will, wird man erwarten können, dass Ur- nannten Zweiten Korb der Urheberrechtsnovelle nicht heber kostenlos ihr geistiges Eigentum für die Wissen- zustimmen. schaft zur Verfügung stellen. Dieser Freibier-Mentalität (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Dann müssen wir Einhalt gebieten. sind wir beruhigt!) (Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der Wie in diesem Hause üblich, haben auch wir Ver- FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) handlungswillen signalisiert. Auch wir wollten, dass das Faktum ist nun einmal, dass die meisten Wissen- Urheberrecht den unterschiedlichsten Interessen Rech- schaftler nicht nur auf der eigenen Homepage publizie- nung trägt: angefangen von den Urhebern über die Ver- ren möchten, sondern auch bei einem Verlag. Deshalb lage und Verwertungsgesellschaften bis hin zu den Ver- kann wissenschaftsfreundliches Urheberrecht gar nichts brauchern sowie Nutzern in Bildung und Wissenschaft. anderes heißen als auch wissenschaftsverlagsfreundli- Dies jedoch leistet aus unserer Sicht der Zweite Korb aus ches Urheberrecht. mehreren Gründen nicht. Nahezu die gesamte Wissenschaftslandschaft ist Der erste Grund betrifft die Urhebervergütung. In einer Zeit, in der die Entwicklung von Medien und Me- staatlich dominiert. Da tut ein privatrechtlich organisier- dienträgern eine unglaubliche Umschlagsgeschwindig- ter Tupfer ganz gut. Daher bin ich froh, dass wir – auch keit hat, in der Inhalte im Internet so schnell verfügbar in Zusammenarbeit mit den Bildungspolitikern; an die- sind und heute nicht absehbar ist, wie und in welchem ser Stelle haben wir uns aufeinander zu bewegt; das will Format beispielsweise ein Zeitschriftenartikel später ge- ich ausdrücklich sagen – einen vernünftigen Ausgleich nutzt werden kann, muss sich der Gesetzgeber um den der Interessen gefunden haben. Damit verhindern wir Schutz des geistigen Eigentums kümmern. Er muss da- eine schleichende Verstaatlichung der Wissenschaftsver- für Sorge tragen, dass die Kreativen in diesem Land, also lage. Das ist einer der größten Erfolge. die Urheber und Urheberinnen, ihr Auskommen haben. (Jörg Tauss [SPD]: Na, na!) Immerhin hat es Änderungen am ursprünglichen Ge- Abschließend möchte ich den Fraktionen, die mitge- setzentwurf gegeben. Dieser sah im Falle der Abgabe wirkt haben, meinen Dank aussprechen. Ich bedanke auf Kopiergeräte und Ähnliches noch vor, dass die Ver- mich vor allem bei dem Koordinator der Berichterstat- gütungen an Gerätepreise gekoppelt werden sollten. terrunden, Herrn Manzewski, der dies mit sehr viel Um- Dies aber – das können wir in jedem Elektronikmarkt (B) sicht und Kenntnis getan hat. Ich bedanke mich aus- beobachten – wäre mit einem ständigen Sinken der Ver- (D) gütungen verbunden gewesen. Die Einkommensspirale drücklich auch bei der FDP, insbesondere bei Frau wäre für die Urheber und Urheberinnen nach unten offen Leutheusser-Schnarrenberger, gewesen. Dass das nun nicht kommen soll, finden wir (Beifall des Abg. Hans-Joachim Otto [Frank- richtig. Aber auch die neue Regelung vollzieht, mit Ver- furt] [FDP]) laub gesagt, ebenjenen Systemwechsel. Statt Vergü- tungssätze pauschal und fest zu regeln, sollen Urheber die bis zum Schluss dabeigeblieben ist. Das ist eine und Verwerter bzw. die Geräteindustrie gemeinsam eine Standhaftigkeit, die die Grünen leider nicht an den Tag vertragliche Lösung finden. Das wirtschaftliche Un- gelegt haben. Sie sind auf der Zielgeraden ausgeschert. gleichgewicht der Vertragspartner wird aber auch hier zu Das wird vielleicht beim nächsten Mal besser. einer Schlechterstellung der Urheber und Urheberinnen führen. Das war bereits Gegenstand der Rede der Minis- Heute ist nicht der Schlusspunkt im Urheberrecht. terin. Auch Herr Krings hat auf Probleme im Zusam- Wir fassen zwar einen Beschluss zum Zweiten Korb. menhang mit dieser Regelung hingewiesen. Wir haben heute aber zugleich im Rechtsausschuss einen Entschließungsantrag aufgelegt, der die Richtung für Die gleichen Folgen hat die Streichung des § 31 den Dritten Korb weist. Es geht um viele wichtige Fra- Abs. 4 dieses Gesetzes. Danach ist es nun nicht mehr gen, beispielsweise um die Kabelweitersendung und in- verboten, Nutzungsrechte für Nutzungsarten einzuräu- telligente Aufnahmetechniken. Auch für die nächsten men, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch Schritte im Urheberrecht gilt: Das Urheberrecht braucht nicht bekannt sind. Das heißt also, ich kann im Zweifels- vielleicht bisweilen die Kreativität des Gesetzgebers; vor fall unter Druck gesetzt werden, ein Recht zu übertragen, allem aber brauchen die Kreativen das Urheberrecht. dessen wirtschaftlichen Wert ich nicht einschätzen kann. An jedem neuen Medium kann sich die Verwertungsin- Vielen Dank. dustrie so künftig eine goldene Nase verdienen. Die (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Linke findet, dass sich auch nach vielen Jahren Diskus- neten der SPD – Beifall bei der FDP ) sion über das Urheberrecht an der ursprünglichen Auf- gabe, bei der der Umstand beachtet werden muss, dass Urheber schutzbedürftig sind, nichts geändert hat. Wir Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: wollen, dass die bisherige Schutznorm des Gesetzes er- Nun hat das Wort Kollegin Petra Sitte, Fraktion Die halten bleibt. Linke. Der zweite Grund, warum der Zweite Korb aus Sicht (Beifall bei der LINKEN) der Linken nicht zustimmungsfähig ist, betrifft die Inte- 11150 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Dr. Petra Sitte (A) ressen von Wissenschaft und Bildung. Wir haben da- Das, meine Damen und Herren, sind im Wesentlichen (C) rüber gestern im Ausschuss noch einmal intensiv gere- die Gründe, weshalb wir dem Zweiten Korb nicht zu- det. Der Entwurf, über den wir abzustimmen haben, trägt stimmen werden. offiziell den Titel – ich erinnere daran – „Entwurf eines Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“. Wir haben den Eindruck, (Beifall bei der LINKEN) dass man die Informationsgesellschaft irgendwie aus den Augen verloren hat. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: In den letzten Jahren wurden an den Hochschulen Ich erteile das Wort dem Kollegen Jerzy Montag, über 4 Millionen lokale Netzwerke eingerichtet. Unibi- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. bliotheken wurden von jedem Arbeitsplatz auf dem Hochschulcampus virtuell zugänglich. Mit dem Zweiten Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Korb werden nun genau diese Investitionen in den Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben Onlinezugriff zunichte gemacht. Das heißt, künftig müs- es heute mit einem Zwischenergebnis bei der Reform sen Studierende sowie Wissenschaftlerinnen und Wis- des Urheberrechts zu tun. Zwischenergebnis deswegen, senschaftler wieder in die Bibliothek wackeln. Das ist weil viele Probleme nicht gelöst sind, weil wir ganz si- doch wohl kein Fortschritt. Die Linke sagt, dass das cher in Zukunft durch die technische Entwicklung neue Wissen zu den Nutzern kommen muss, nicht umgekehrt. Herausforderungen meistern werden müssen, aber auch Schneller Wissenszugang ist immerhin das A und O ei- weil Notwendiges nicht oder falsch gelöst worden ist. ner modernen Informationsgesellschaft. Deshalb sind Zwischenergebnis bedeutet auch Zwischenbilanz. Die wir für eine – wohlgemerkt – campusweite Nutzung. fällt aus unserer Sicht nicht eindeutig aus. Das Gesetz Außerdem hinkt der Gesetzentwurf selbst den EU- kennt Licht und Schatten und hat vor allem etliche Lö- Debatten hinterher. Anders als im Gesetzentwurf schlägt cher hinsichtlich der Regelungen. die EU-Kommission nämlich ein Open-Access-Modell Ich will zuerst die positiven Dinge erwähnen. Die Än- vor. Das heißt: Öffentlich finanzierte Forschungsergeb- derung der Pauschalvergütung ist ein Fortschritt. Wir nisse dürfen nicht privatisiert werden; sie sollen frei zu- sind weg von dem etatistischen Modell. Die Parteien des gänglich sein. Leser sind doch auch Steuerzahler und Verfahrens zur Festlegung der Pauschalvergütung kön- sollten als solche nicht doppelt zur Kasse gebeten wer- nen miteinander verhandeln. Die Bundesregierung – das den. Genau das würde aber passieren, wenn sie das ge- ist schon angesprochen worden – hat die eine Seite aber wonnene Wissen allein in gekauften Zeitschriften und (B) mit Hand- und Fußfesseln in die Verhandlungen ge- (D) Büchern nachlesen könnten. schickt. Lieber Herr Kollege Krings, so billig kommen Sie nicht davon. Ich kenne in Ihrer Koalitionsvereinba- Auch der Kopienversand durch öffentliche Biblio- rung keine Regelung, die besagt, dass die Anweisungen theken ist aus unserer Sicht nicht ausreichend geregelt. des alten Bundeskanzlers für Sie weiterhin gelten. Diese Der Kopienversand für Schüler, Studierende und For- Hand- und Fußfesseln waren nämlich Bestandteil des schende soll sich an den im Geschäftsverkehr geltenden Gesetzentwurfs Ihrer Bundesregierung. Es bedurfte der Bedingungen orientieren. Das bedeutet doch ehrlich ge- gemeinsamen Kraft auch der Oppositionsparteien, diese sagt nichts anderes, als dass es zu einer Verteuerung des Fuß- und Handfesseln loszuwerden. Wissenszugangs kommen wird. Wir wollen aber gerade nicht, dass es zusätzliche Preisbarrieren gibt und es zu (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) einer Verteuerung des Wissens kommt. Wir haben in diesem Gesetzentwurf zum ersten Mal (Zuruf von der CDU/CSU: Also kein Urheber- eine Regelung zum Open Content. Der Urheber behält recht!) ein einfaches Verwertungsrecht; das ist so festgehalten. Wir haben neue Schranken zugunsten von Bildung und Mein dritter und letzter Einwand betrifft die Privat- Wissenschaft. Das ist ein ganz gewichtiger Fortschritt. kopie. Sie ist nach wie vor nicht durchsetzungsfest im Auch bei den unbekannten Nutzungsarten ist ein Fort- Sinne der Verbraucher geregelt. Vielmehr nehmen tech- schritt erzielt worden. Dieser Fortschritt wurde aber erst nische Schutzmaßnahmen der Anbieter immer mehr zu, durch die Arbeit des Parlaments, insbesondere der Op- während der Datenschutz der Nutzer auf der anderen position, möglich. Die Opposition hat dafür gesorgt, Seite immer mehr abnimmt. Der Schutz von Verbrau- dass die Urheber – Frau Sitte hat völlig recht: sie sind cherdaten vor unzulässiger Weitergabe an die Anbieter die Schwächeren – vor Beginn der Verwertung die Mög- von Internetdiensten gehört nach Auffassung der Linken lichkeit zum Widerspruch haben. Erst dadurch haben sie sehr wohl zu den Aufgaben des Gesetzgebers. eine starke Position. Diese Änderung, dieses Wider- spruchsrecht haben wir im Parlament aber erst erstreiten Schließlich – es ist klar, dass ich das hier noch einmal müssen. anspreche – kritisieren wir die fehlende Bagatellklausel. Natürlich kann Strafrecht immer nur Ultima Ratio sein. Damit komme ich zur Kritik. Erstens. Meine Damen Gerade weil wir keine Kriminalisierung der Schulhöfe und Herren von der Koalition, Sie haben die Filmschaf- wollen, wäre ein Strafausschließungsgrund im Bagatell- fenden schlechter behandelt als andere Urheber und bereich echt angesagt gewesen. Künstler. Sie haben sie sehr effektiv diskriminiert. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11151

Jerzy Montag (A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): (C) Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Ach, Herr Kollege, auch wenn dieser Gesetzentwurf in ers- du lieber Gott!) ter Linie von der Großen Koalition getragen wird, muss ich sagen, dass Sie mich etwas verwirren. In Richtung der Kolleginnen und Kollegen von der SPD sage ich: Wir haben in dieser Sache vor einigen Tagen (Jörg Tauss [SPD]: Das darf nicht sein!) ein Schreiben des Bundesverbandes Regie erhalten. Ich Sie haben eben aus einem Brief vorgelesen, in dem von erlaube mir, einige Sätze daraus zu zitieren: der Enteignung der Filmschaffenden die Rede ist. In die- Seit es Film gibt, seit 1892, haben alle Gesetzgeber, sem Zusammenhang haben Sie Margarethe von Trotta ob sie in ihrer Mehrheit konservativ, liberal oder so- und andere genannt. Eine Minute später aber sprachen zial waren, Filmurheber wie andere Urheber ge- Sie davon, dass in Universitäten, Schulen und Bibliothe- schützt. Wir bitten Sie, den heutigen Gesetzgeber, ken ein unbegrenzter Zugang zu digitalen Dokumenten dringend, diese Tradition fortzusetzen. Verhindern zulässig sein sollte. Halten Sie das nicht für eine Enteig- Sie bitte unsere faktische Enteignung. nung der Urheber? Meine Damen und Herren von der SPD, die Namen, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten die unter diesem Schreiben stehen, sind interessant; sie der CDU/CSU und der SPD) sind Ihnen aus so manchen Künstlerinitiativen zur Un- terstützung der SPD und des früheren Bundeskanzlers Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schröder sehr gut bekannt: Margarethe von Trotta, Lieber Kollege Otto, es verwundert mich, dass Sie Volker Schlöndorff und Hark Bohm. Sie behandeln sie verwundert sind. so, dass sie sich als von Ihnen enteignet ansehen. (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) DIE GRÜNEN) Ich komme zum zweiten Kritikpunkt. Elektronische Ich kann das aber erklären, und zwar in einer Art und Leseplätze sind zum ersten Mal gesetzlich geregelt. Das Weise, dass auch Sie es verstehen werden. ist gut und richtig. Aber warum soll es sie nicht auch in (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Das ist Schulen und Hochschulinstituten geben, warum nicht in gut! Deswegen habe ich Sie gefragt!) allen öffentlich zugänglichen Bildungseinrichtungen? Natürlich wären es dann mehr geworden. Aber das wäre Lieber Kollege Otto, das Urheberrecht ist ein allge- doch nicht schlecht, sondern gut. meines, absolutes Recht, das gegen jedermann gilt. Das gilt auch für das Urheberrecht am geistigen Eigentum. (B) (D) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das soll nach meiner Meinung auch so bleiben. Aber sowie bei Abgeordneten der LINKEN) kein Eigentumsrecht gilt absolut. Wir hätten dann überlegen müssen, ob die eine oder die (Zuruf von der CDU/CSU: Nur das andere Institution unter die Regelung fällt. Das wäre mir Filmrecht!) aber lieber gewesen als Ihr ängstlicher, kleiner, erster Schritt in diese Richtung. In einer Gesellschaft wie der, in der wir leben, müssen sich alle Eigentumsrechte Schranken zugunsten anderer Warum gibt es eigentlich nur so viele Leseplätze wie gemeinwohlverpflichteten Institutionen gefallen lassen. Buchexemplare? Warum wird das nicht dem Bedarf der Nutzerinnen und Nutzer angepasst? Das wäre eine faire Der positive Aspekt dieses Gesetzentwurfs ist, dass es Lösung gewesen. eine neue Schranke des Urheberrechts gibt, und zwar zugunsten von Bildung, Forschung und Wissenschaft. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Eigentums- Diese neue Schranke ist notwendig, aber sie muss zu- schutz!) kunftsgerichtet sein. Deswegen wollen wir, dass so viele Leseplätze in öffentlichen Einrichtungen, zum Beispiel – Nein, lieber Kollege. Wir hätten natürlich zugestimmt, Hochschulinstituten, installiert werden, wie die Nutze- wenn Sie die Vergütung entsprechend angepasst hätten. rinnen und Nutzer, die Studentinnen und Studenten sie (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ihr Studium benötigen. Das ist keine Enteignung; sowie bei Abgeordneten der LINKEN) denn ich plädiere dafür, dass eine angemessene Vergü- tung gezahlt wird. Sie aber lehnen die Schranke offen- Sie greifen zu dem falschen Mittel und begrenzen so die sichtlich insgesamt ab. Daher müssen Sie sich gefallen Zukunft in der Bildungslandschaft. Das wird von uns lassen, gefragt zu werden, warum Sie bei der Förderung heftig kritisiert. von Bildung, Forschung und Wissenschaft so mickrig sind. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Herr Kollege Montag, gestatten Sie eine Zwischen- der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]) frage des Kollegen Otto? Ich komme zum dritten Kritikpunkt. Er betrifft den elektronischen Kopienversand. Dies ist ebenfalls eine Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): neue Schranke, und das ist gut und richtig so. Aber es Aber gerne. hätte auch hier eines fairen Ausgleichs der Interessen 11152 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Jerzy Montag (A) beider Seiten bedurft. Es geht einerseits um das Interesse Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (C) der Verlage – auch kleiner Wissenschaftsverlage –, ande- Ich erteile Kollegen Jörg Tauss das Wort, damit er an rerseits um das Interesse der Studentinnen und Studen- seinem Geburtstag unablässig reden darf. ten, Kopien auf einem Wege zu erhalten, der ihren öko- nomischen Umständen angemessen ist, so wie es heute (Beifall bei Abgeordneten der SPD) in einem juristischen Graubereich schon lange stattfin- det. Wir haben darum gekämpft und gerungen. Wir ha- Jörg Tauss (SPD): ben mit Ihnen darüber diskutiert, ob wir nicht auch so- Ich habe vorhin schon gefragt, Herr Präsident, ob das ziale und bildungspolitische Aspekte in den Begriff der Lebensalter am Tag des Geburtstags der Redezeit ent- Angemessenheit implementieren können. Aber nein, Sie spricht. Dann hätte ich die Gelegenheit, auf viel mehr haben nur die wirtschaftlichen Aspekte angesprochen. einzugehen, als in den vier Minuten Redezeit, die ich Dazu sage ich Ihnen: Wenn in diesem Bereich Angemes- jetzt habe. senheit nur bedeutet, dass die Regelung für die Verlage angemessen ist, aber nicht für die Studentinnen und Stu- Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal denten, dann bin ich eher dafür, dass das Verlagsprivileg recht herzlichen Dank an die Kolleginnen und Kollegen fällt. aus dem Bereich Recht, dass wir – ich habe jetzt zwei Hüte auf: einen aus dem Bereich Kultur und Medien, ei- Vierter Kritikpunkt – wieder an die SPD gewandt –: nen anderen aus dem Bereich Bildung, Wissenschaft und Wir haben den Bruch eines Versprechens zu konstatie- Forschung – noch einige Anmerkungen zu diesem ren. Sie haben beim Ersten Korb des Urheberrechts ver- Thema machen können. Vielleicht können wir auch die sprochen, dass wir uns beim Zweiten Korb des Urheber- eine oder andere Verwirrung, die aufgekommen ist, lie- rechts für eine durchsetzungsstarke digitale Privatkopie ber Kollege Otto und lieber Kollege Montag, klären. für redliche Nutzer starkmachen werden. Zunächst einmal zum Wegfall der Bagatellklausel. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Die Koali- Ich denke, wir sollten hier ein bisschen abrüsten. Ich tion hat gewechselt!) sehe hier weder den Untergang des Abendlandes, den die Wirtschaft als Popanz aufgebaut hat, noch eine Kri- Diese Position haben Sie verlassen; Sie sind vor der minalisierung der Schulhöfe. Es gibt immer noch Staats- Union in die Knie gegangen. Wir wissen, dass wir in die- anwälte, die auf vernünftige Weise abwägen. sem Hause mit der Forderung nach einer durchsetzungs- Allerdings gibt es ein Problem, dem wir uns zuwen- starken Privatkopie alleine dastehen. Aber wir wissen den müssen; das würde ich auch der FDP empfehlen. Ich auch: Draußen, in der Gesellschaft ist das ganz anders. (B) bin der Justizministerin sehr dankbar, dass sie die Ab- (D) Wir werden deshalb auch in Zukunft dafür streiten, dass mahnungen zu einem Thema macht. Wir laufen nämlich es eine solche durchsetzungsstarke Privatkopie gibt. Gefahr, dass es im Rahmen der Vorratsdatenspeiche- rung erstmals möglich wird, dass öffentlich und eigent- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lich nur für Strafrechtszwecke gesammelte Daten Priva- sowie bei Abgeordneten der SPD) ten überlassen werden. Das gilt in gleicher Weise für die Bagatellklausel. (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Natürlich ist es richtig und notwendig, im Bagatellbe- Wie bitte? Das gibt es doch gar nicht! – reich das Strafrecht zurückzudrängen. Der zivilrechtli- Joachim Stünker [SPD]: Was ist das denn für che Schutz der Urheber bleibt ja weiterhin erhalten. Dass ein Unsinn?) Sie auf die Schulhöfe Staatsanwälte und Polizisten schi- cken wollen, Dadurch könnte es geschehen – Kollege Otto hört jetzt bitte weg –, dass eine Goldgräbermentalität hervorgeru- (Dirk Manzewski [SPD]: Blödsinn! Das ist fen wird und der eine oder andere in Form von Abmah- doch peinlich!) nungen und Rechtsanwaltsgebühren, die nicht in Ord- nung sind, Tausende von Jugendlichen zur Kasse bittet. ist vielleicht aus Ihrer Sicht eine vernünftige Lösung, für die Jugend aber nicht. (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Ach was! Das gibt es doch überhaupt nicht!) Wir sagen Ihnen: Der Gesetzentwurf weist Licht und Schatten auf. Wir können ihm aufgrund seiner Fehler Über dieses Thema müssen wir aber diskutieren, wenn nicht zustimmen. Wir wollen ihn aber auch nicht ableh- es um Abmahnungen geht. nen, weil er gute, in die Zukunft weisende Elemente ent- Aus kultur- und medienpolitischer Sicht begrüßen wir hält. Deswegen werden wir uns in der Schlussabstim- viele in diesem Gesetzentwurf enthaltenen Änderungen mung enthalten. ausdrücklich. Wir haben nach der Anhörung und nach Die Debatte über das Urheberrecht geht weiter. Die einem sehr intensiven Austausch mit vielen Künstlerin- nen und Künstlern, mit Kulturschaffenden und Kreativen Grünen werden weiter dabei sein. wichtige Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Danke. Gesetzentwurf im Gespräch mit unseren Kollegen Rechtspolitikern angeregt und letztlich auch in den vor- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) liegenden Gesetzentwurf aufgenommen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11153

Jörg Tauss (A) Die unbekannten Nutzungsarten sind ein wesentli- Kollege Krings, die deutsche UNESCO-Kommission (C) cher Punkt. In der Tat ist es eine wichtige Frage in der hat zu diesem Thema ein Büchlein herausgegeben, in Informationsgesellschaft, was geschieht, wenn aufgrund dem auch ein wichtiger Beitrag von mir enthalten ist. der technischen Entwicklung neue Nutzungsmöglichkei- Lesen Sie doch einmal nach, was in diesem Buch zum ten zur Verfügung stehen, die zum Zeitpunkt der Schaf- Thema Open Access steht. fung eines Werkes noch nicht absehbar waren. Ich (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Eben haben Sie glaube, hier haben wir eine gute Lösung hinbekommen. noch „Büchlein“ gesagt! Was denn nun?) Die Vergütungspflicht ist von allen Rednerinnen und Das richtet sich nicht gegen die Verlage. Hier geht es al- Rednern und auch von der Kollegin Zypries angespro- lenfalls gegen die Verlage, die die Zeichen der Zeit nicht chen worden. Wichtige Stichworte sind in diesem Zu- erkannt haben und miserable Geschäftsmodelle aus der sammenhang der doppelte Flaschenhals und die Taug- Vergangenheit haben. lichkeit der Geräte als Basis der Vergütung. 5 Prozent des Gerätepreises als Urhebervergütung ist eine proble- (Zuruf von der CDU/CSU: Darüber, bei wem matische Regelung. Aber auch hier haben wir eine, wie das so ist, entscheiden Sie?) ich denke, ordentliche Regelung getroffen. Die modernen Verlage wissen: Das ist eine Riesen- Die Industrie kritisiert diesen Kompromiss; das be- chance, die wir durch das Urheberrecht allerdings nicht daure ich sehr. Da die Urheber die Befürchtung hatten, in beeinträchtigen dürfen. Daher, Frau Ministerin, werden erheblichem Maße Einkommen zu verlieren, hatte ich wir anregen, in einem Dritten Korb des Urheberrechts die Industrie gebeten, den Urhebern zu signalisieren, mit Blick auf Bildung und Wissenschaft erneut sorgfältig dass sie mit dieser Regelung nicht bezweckt, die Vergü- über das eine oder andere Problem nachzudenken. tungen der Urheber in den Keller zu fahren, sondern dass Ich bedanke mich für die guten Diskussionen mit den die Vergütungen in der bisherigen Höhe beibehalten Kolleginnen und Kollegen Rechtspolitikern. Die noch bzw. fortentwickelt werden sollen. Dieses Signal ist lei- offenen Fragen in den Bereichen Film, Wissenschaft und der über Monate hinweg ausgeblieben. Deshalb ist die- Forschung werden wir nicht nur beobachten. Wir werden ses Problem entstanden. Auf merkwürdige Anzeigen- unsere Bemühungen weiterhin bündeln, um zu positiven kampagnen wie die, die derzeit in der einen oder anderen Ergebnissen zu kommen. – Wie ich sehe, habe ich meine Computerzeitschrift zu finden ist – dort heißt es unter Redezeit bereits überzogen. anderem, dass ein Drucker jetzt 300 Euro mehr kostet und der Bundestag daran schuld sei –, sollte man ver- Ich bedanke mich für das Zuhören. zichten. Solche Albernheiten sollte man besser unterlas- (Beifall bei der SPD) (B) sen. Hier geht es um etwas anderes. Die Industrie hat (D) sich hiermit keinen Gefallen getan. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie Die überzogene Redezeit war ein Geburtstagsge- bei Abgeordneten der FDP) schenk an Sie. Ich erteile das Wort Kollegen Carsten Müller, CDU/ Nun zum Film. Hier gibt es in der Tat einige Aspekte, CSU-Fraktion. die beobachtet werden müssen; sie sind auch im zur Ab- stimmung stehenden Entschließungsantrag enthalten. Allerdings muss ich mit einer gewissen Kritik in Rich- Carsten Müller (Braunschweig) (CDU/CSU): tung der Vertreter des Films sagen – das ist bei solchen Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Viele Vor- Gesetzgebungsverfahren immer ein Problem –: Die Ur- redner haben es schon gesagt: Es war tatsächlich ein au- heber haben uns immer etwas völlig anderes erzählt als ßergewöhnlich zeitraubender Prozess, dieses wichtige die Produzenten. Produzenten ohne Künstler gibt es Vorhaben zu einem, wenn auch nicht ganz guten, so nicht, und Künstler können nicht ohne Produzenten ar- doch gut vertretbaren Ende zu bringen. beiten. Ich hätte mir daher gewünscht, dass die Vertreter Mir sei an dieser Stelle gestattet zu sagen: Ich finde es des Films mit einer Stimme gesprochen hätten. Wenn schon merkwürdig, dass ausgerechnet die Linksfraktion das nicht möglich ist und man im Nachhinein mit einem hier mit markigen Worten auffällt, Kompromiss nicht zufrieden ist, hat man natürlich ein kleines Problem. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ich fand meine Ausführungen sehr ausgewogen!) Was Bildung, Wissenschaft und Forschung angeht, deren Hauptberichterstatter im federführenden Aus- glaube ich in der Tat, dass es hier ein paar Missverständ- schuss, im Rechtsausschuss, wie mir glaubwürdig versi- nisse gibt. Lieber Kollege Krings, beim Thema Open chert wird, überwiegend durch Abwesenheit geglänzt Access geht es um die Frage, wie wir mit öffentlich ge- haben und die sich auch an den Erörterungen im Aus- schaffenen Mitteln umgehen: Kann es sein, dass wir das schuss für Bildung und Forschung nur pro forma betei- Wissen in Bibliotheken schaffen, es anschließend an ligt hat. Ihre Einwände sind also nicht wirklich ernst zu Verlage weitergeben und es dann für viel Geld zurück- nehmen. kaufen? Als ich diese Fragen einmal auf einer Buch- messe gestellt habe, wurde ich dort als Internetkommu- In einer Zeit, in der die technische Entwicklung im- nist beschimpft. Das ist nicht der richtige Weg, um mer schneller wird, müssen wir stets auch das Urheber- dieses Problem zu lösen. recht anpassen. Lange, schwierige Verhandlungen haben 11154 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Carsten Müller (Braunschweig) (A) schließlich zu einem Ergebnis geführt, das den digitalen (Beifall der Abg. Ilse Aigner [CDU/CSU] so- (C) Fragestellungen Rechnung trägt. Digitale Fragestellun- wie des Abg. Jörg Tauss [SPD]) gen können nicht analog beantwortet werden. Wir haben Wir sollten unseren Blick einmal über die Grenzen in den letzten Wochen noch gute Fortschritte für Bildung Deutschlands hinausschweifen lassen und uns an- und Forschung erzielt. Im Wesentlichen greifen wir die schauen, wie es zum Beispiel mit dem Crown Copyright Forderung auf, die sich in der EU-Richtlinie zum Urhe- in anderen Ländern funktioniert, damit öffentlich finan- berrecht in der Informationsgesellschaft manifestiert hat. zierte Forschung und Erkenntnisse nicht wieder teuer Darüber hinaus greifen wir eine wesentliche Forderung mit Steuergeldern eingekauft werden müssen. des Koalitionsvertrages auf. Dort ist die Rede von einem wissenschafts- und bildungsfreundlichen Urheber- Wir schließen heute eine Etappe ab und beginnen mit recht. den Vorbereitungen für die nächste Etappe, für den Drit- ten Korb: für das Urheberrecht im Bereich Bildung und (Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD] – Jörg Wissenschaft. Ich freue mich schon heute auf die koope- Tauss [SPD]: Ein guter Kompromiss! Ent- rative Zusammenarbeit mit den Kollegen vom Rechts- schuldigung! Fürs Protokoll: Ich wollte sagen: ausschuss, mit den Kollegen vom Koalitionspartner. ein guter Koalitionsvertrag!) Vielen Dank. Wir werden dieser wichtigen Forderung mit dem heuti- gen Vorschlag und den entsprechenden Anträgen durch- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) aus gerecht. An dieser Stelle sei mir erlaubt, anzumerken: „Wis- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: senschaftsfreundlich“ heißt nicht in erster Linie „wissen- Ich erteile das Wort Kollegen Dirk Manzewski, SPD- schaftsverlagsfreundlich“. Fraktion. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) NEN]: So ist es!) Dirk Manzewski (SPD): Wenn sich ein Vertreter eines Wissenschaftsverlages für Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe den Urheber im materiellen Sinne hält, unterliegt er Kolleginnen und Kollegen! Ich muss eingestehen – Sie demselben Irrtum wie der Flugzeugführer, der sich für können sich das nach den heutigen Reden vielleicht vor- einen Vogel hält. Wir müssen also in erster Linie die In- stellen –, dass ich mir bei diesem Gesetzgebungsverfah- teressen der Urheber im materiellen Sinne wahren, und ren häufig gewünscht habe, dass im Bundestag nur das ist uns in Teilen gelungen. (B) Rechtspolitiker sitzen. (D) (Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD] – Jörg (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das Tauss [SPD]: Bin ich hier der einzige Fan von würde die Sache einfacher machen!) Müller?) Denn dann wäre vermutlich vieles einfacher gewesen. Die Große Koalition greift auf, dass Wissenschaft und Forschung neben einer nennenswerten finanziellen Aus- (Jörg Tauss [SPD]: Ob das aber zu einem gu- stattung günstige Rahmenbedingungen brauchen. Ich ten Urheberrecht führen würde, daran habe ich möchte einige der aus bildungspolitischer Sicht wichti- große Zweifel!) gen Ergebnisse darstellen: Der Kopienversand auf Be- stellung ist jetzt zulässig, er ist kodifiziert und meines Gerade beim Urheberrecht muss man jedoch akzep- Erachtens gut verträglich geregelt. Der Kopienversand tieren, dass dem nicht so ist, weil gerade in diesem Be- kann in dem Moment ohne Weiteres erfolgen, wenn ein reich viele unterschiedliche Interessen aufeinandertref- Onlineangebot von Verlagen nicht offensichtlich und fen. nicht zu angemessenen Konditionen zu erhalten ist. Das (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist trägt den wesentlichen Forderungen Rechnung. vielleicht auch so gewollt!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so- Es gibt neben uns Rechtspolitikern unsere Verbraucher-, wie des Abg. Jörg Tauss [SPD]) Bildungs-, Medien- und natürlich auch Wirtschaftspoliti- ker. Jeder von diesen Kolleginnen und Kollegen geht mit Darüber hinaus ist es uns gelungen, eine praktikable Re- einer völlig anderen Grundhaltung an das Thema Urhe- gelung für elektronische Leseplätze in den Gesetzent- berrecht heran. Das erfordert Kompromisse von allen, wurf einfließen zu lassen. Die Begründung zu lesen, sei und zwar schon innerhalb der einzelnen Fraktionen. jedem anempfohlen. Hier besteht nämlich nicht das Pro- Deshalb freut es mich ganz besonders, dass es uns bei blem, das der Kollege Montag an die Wand gemalt hat. diesem schwierigen Thema wieder einmal zumindest Unsere Lösung ist veritabel. teilweise gelungen ist, überfraktionell einen Konsens zu In einem Entschließungsantrag der Koalitionsfraktio- erreichen. nen werden die wichtigen Punkte aufgegriffen, die zur (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Lösung in einem Dritten Korb anstehen. Ich bin mir si- cher, dass wir in einer vergleichbar kooperativen Zusam- Wir sind dem Vorschlag der Ministerin gefolgt, im menarbeit mit den Rechtspolitikern auch hier zu guten Bereich der Pauschalvergütung einen Paradigmen- Lösungen kommen werden. wechsel vorzunehmen. Die Parteien sollen sich künftig Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11155

Dirk Manzewski (A) grundsätzlich zusammensetzen und die Abgaben indivi- solches darstellt und nicht leer läuft. Bei Altverträgen ha- (C) duell aushandeln. Ich persönlich hätte – ähnlich wie der ben wir durch Veränderungen sichergestellt, dass für die Kollege Krings; das zu sagen, muss schon erlaubt sein – Nutzung auch Vergütung fließt. Bei Bildung und For- einen anderen Lösungsweg bevorzugt, und zwar durch schung haben wir Zugeständnisse gemacht. Anders als Modernisierung und dauernde Fortschreibung der bisher bisher können in öffentlichen Bibliotheken, Museen und hierfür maßgeblichen Anlage. Archiven Bestände aus diesen Einrichtungen einge- schränkt an elektronischen Leseplätzen wiedergegeben (Beifall der Abg. [SPD]) werden. Frau Dr. Sitte, auch wenn das teilweise heute so Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass vorgehalten wird, ist das nicht zulässig. Insoweit ist das schon heute, soweit es die digitale Technik betrifft, die eine Verbesserung. Zudem ermöglichen wir zur Veran- Anlage veraltet ist und sich die Parteien schon jetzt zu- schaulichung des Unterrichts und der wissenschaftlichen sammensetzen und die entsprechenden Abgaben indivi- Forschung den elektronischen Kopienversand auf Bestel- duell aushandeln. Zudem bleibt – auch das ist nicht ganz lung, soweit die Verlage nicht offensichtlich und zu ange- unwichtig – dem Ministerium ein erheblicher Arbeits- messenen Bedingungen ein entsprechendes Angebot aufwand erspart. Frau Ministerin, ich mag auch gar nicht selbst anbieten. daran denken, was für ein Einfluss von außen jeweils auf Ich bin mir durchaus bewusst – das ist hier heute ja Sie eingewirkt hätte, wenn Sie diese Anlage fortzu- auch deutlich geworden –, dass für den Bereich Bildung schreiben hätten. und Forschung eine noch höhere Erwartungshaltung be- Wir haben im Übrigen mit dem Entschließungsantrag stand. Soweit es den Kopienversand betrifft, waren unter anderem deutlich gemacht, dass wir, sollten sich unsere Möglichkeiten aber durch die entsprechende unsere Erwartungen in Bezug auf schnellere Vereinba- europäische Richtlinie und durch während des Gesetzge- rungen nicht erfüllen, gegebenenfalls wieder zum alten bungsverfahrens geäußerte Bedenken der Europäischen System zurückkehren müssen. Nur folgerichtig war es Kommission stark eingeschränkt. mit Blick auf den Paradigmenwechsel dann – das hat Ich halte die Kritik, mit der ein wissenschaftsfreund- Kollege Krings angesprochen –, sowohl die angedachte licheres Urheberrecht angemahnt wird, für nicht be- Eingangshürde – der nennenswerte Umfang – als auch rechtigt. Ich kann zwar durchaus nachvollziehen, dass den oberen Flaschenhals – die 5-Prozent-Klausel – zu sich mancher Hochschulrektor oder -professor ange- streichen. Denn zum einen finde ich es unbillig, den Par- sichts immer geringer werdender Zuweisungen mehr teien zwar einerseits die Vereinbarungshoheit zu über- Freiräume bei der Nutzung des geistigen Eigentums ge- tragen, diese dann aber andererseits für eine Seite gleich wünscht hätte. Seien wir aber doch einmal ganz ehrlich: zweifach einzuschränken. Zum anderen wäre es nicht (B) Das eigentliche Problem in diesem Zusammenhang liegt (D) gerecht, die Urheber die Geiz-ist-geil-Mentalität von doch klar auf der Hand und ist leider bislang noch nicht Gesellschaft und Wirtschaft ausbaden zu lassen. Wenn genannt worden. Es wird immer wieder propagiert, wie ich sehe, dass ein Kopierer, der heute 100 000 Kopien wichtig Bildung und Forschung sind – insbesondere die schafft und 200 Euro kostet, morgen bereits das Dop- Bundesländer liefern sich hier geradezu einen Wettstreit –, pelte an Leistung erbringt und nur noch halb so teuer ist, doch kosten dürfen Bildungsinhalte offensichtlich nichts dann weiß ich ganz genau, wohin die Reise für die Urhe- mehr. Die fehlende Finanzausstattung der Hochschulen ber und die Pauschalabgabe gegangen wäre. Das kann durch die Länder kann doch nicht zulasten der Urheber von uns nicht gewollt sein. gehen. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch drei (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sehr richtig!) kurze Sätze zur Bitkom sagen, die gerade den Untergang des Abendlandes anmahnt und der Bevölkerung weiszu- Hier ist vorgetragen worden, dass es gegebenenfalls machen versucht, dass die Geräte unheimlich teuer wer- möglich wäre, etwas mit Lizenzverträgen zu machen. den würden. Auch das ist heute schon möglich. Natürlich kann sich eine Universität, wenn sie Geld in die Hand nimmt, Erstens: Das Pauschalvergütungssystem auf Geräte eins a ausstatten. An dem Geld scheitert es aber eben. gibt es schon seit ewigen Zeiten. Es tritt insoweit keine Ich finde, in einem Land wie Deutschland, das wie kein Veränderung für die Geräteindustrie ein. Zweitens: anderes auf die Köpfe seiner Menschen angewiesen ist, Durch die Streichung von Eingangshürde und oberem darf geistiges Eigentum nicht verscherbelt werden; Flaschenhals streichen wir nur die angedachten Besser- denn wenn es sich nicht mehr lohnt, geistiges Eigentum stellungen für die Geräteindustrie. Wir halten damit den zu publizieren und zu entwickeln, dann wird das letzt- bestehenden Status quo aufrecht, ändern also nichts. endlich auch zulasten von Bildung und Forschung ge- Drittens: Trotz des Pauschalvergütungssystems in hen. Deutschland haben wir sehr niedrige Gerätepreise, wenn nicht gar die niedrigsten in Europa. Das macht deutlich, (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der dass die Kritik der Bitkom aus der Luft gegriffen ist. FDP) Wir haben uns darauf verständigt, dass von nun an Ver- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben den Bil- träge über noch unbekannte Nutzungsarten zulässig sein dungspolitikern zugesichert, dass wir insbesondere die sollen. Das ist sachgerecht und entspricht den Bedürfnis- Problematik des sogenannten Zweitverwertungsrechts sen der heutigen Zeit. Wir haben jedoch Wert darauf ge- im Rahmen des Dritten Korbs behandeln werden. Dazu, legt, dass das Widerrufsrecht bei Neuverträgen auch ein liebe Bildungspolitiker der Koalition, stehen wir auch. 11156 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Dirk Manzewski (A) Lassen Sie mich noch ganz kurz auf die Problematik Lassen Sie mich abschließend aber versöhnlich wer- (C) der Bagatellklausel eingehen. Der Kollege Krings hat es den. Ich möchte mich bei allen für die gute Zusammen- angesprochen – ich sehe das genauso –: Wir haben in un- arbeit bedanken, serer Gesellschaft das große Problem, den Menschen die Bedeutung des geistigen Eigentums klarzumachen. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist freundlich!) (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: insbesondere bei Ihnen, Frau Kollegin Leutheusser- Genau so ist es!) Schnarrenberger, und natürlich auch bei meinem Kolle- Insbesondere bei der Nutzung des Internets sind viele gen Günter Krings von der Union und seinem Mitarbei- leider der falschen Auffassung, dass sämtliche dort vor- ter; auch er sollte hier einmal erwähnt werden. Ganz be- gefundenen Inhalte frei und vor allen Dingen kostenlos sonders bedanke ich mich bei Frau Dr. Pakuscher und zur Verfügung stehen. Herrn Dr. Henrichs vom BMJ und auch bei der Ministe- rin, (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: So ist es!) (Jörg Tauss [SPD]: Sie hat mich Monate meines Lebens gekostet!) Ich glaube, wir würden ein fatales Zeichen setzen, die versucht hat, jeden Termin – selbst innerhalb der Ko- wenn wir einerseits zwar die illegale Nutzung und Ver- alition; das muss man wirklich so deutlich sagen – per- breitung verbieten, andererseits aber verlauten lassen sönlich wahrzunehmen. würden, dass ein verbotswidriger Umgang in dem Zu- sammenhang sanktionslos bleibt. Ich meine, bei der ille- Kollege Montag, selbst bei Ihnen möchte ich mich be- galen Nutzung – davon rede ich, Kollege Montag – wür- danken; den alle Dämme brechen. (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ Im Übrigen kann ich Ihnen auch versichern, dass es DIE GRÜNEN]: Was?) zu keiner Kriminalisierung der Schulhöfe kommen wird; denn bis zur heutigen Rede habe ich Ihre Argumentation denn eines muss man einmal deutlich sagen: Dieses Ver- ganz gut nachvollziehen können. bot gilt schon jetzt. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: CDU/CSU) Ja, so ist es!) Ich weiß auch ganz genau, dass es nicht an Ihnen gele- (B) Mir ist nicht bekannt, dass es insoweit zu einer Krimina- gen hat, dass es mit Ihrer Fraktion zu keinem Konsens (D) lisierung der Schulhöfe gekommen ist, gekommen ist. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zur Linkspartei lassen Sie mich noch Folgendes sa- 25 000 Verfahren nur in Karlsruhe!) gen: eben auch deshalb nicht, weil die Staatsanwaltschaften (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: hier mit dem gebotenen Augenmaß vorgehen. Zeitverschwendung!) Kollege Montag, ich finde es auch ganz merkwürdig, Frau Kollegin Dr. Sitte, Sie haben hier dargelegt, dass dass man den Diebstahl geistigen Eigentums sanktions- Sie Verhandlungswillen gezeigt haben. Ich weiß, dass los, die unerlaubte Telefonwerbung aber bußgeldbewehrt ich mit Ihnen jetzt möglicherweise die falsche Person stellen möchte. Ich habe ja nichts gegen Letzteres; aber treffe. Wir haben nach der Anhörung sehr viele Ge- Sie müssen mir einmal erklären, welche Verhältnismä- spräche geführt. An dem ersten Gespräch, in dem wir ßigkeit hier noch besteht. Was kommt als Nächstes? Sol- die Anhörung ausgewertet haben, hat noch Frau len wir demnächst auch das Graffitisprühen straflos stel- Dr. Jochimsen teilgenommen. Zu all den wichtigen Ge- len, weil wir ansonsten die Schulhöfe kriminalisieren sprächen danach ist trotz Einladung und versuchter Ein- würden? bindung niemand von Ihnen mehr gekommen. Ich verstehe Sie wirklich nicht mehr. Offensichtlich (Widerspruch bei der LINKEN – Zuruf von haben die Rechtspolitiker innerhalb der Partei der Grü- der SPD: Hört! Hört!) nen nichts mehr zu sagen und werden nicht mehr ernst Sie haben Ihre Referenten geschickt, die deutlich ge- genommen. Ich nehme Sie jedenfalls nicht mehr ernst. macht haben, dass sie nicht aussagefähig sind. Auch wenn ich, wie gesagt, weiß, dass ich mit Ihnen die fal- Ich finde es auch sehr verwunderlich, dass Sie die Ur- sche Person treffe – vielleicht hätte man sich von Anfang heber gegenüber der Geräteindustrie zwar hochleben las- an einigen sollen, dass Sie das Thema übernehmen – sen, dass Ihnen aber dann, wenn es die Bildung oder die finde ich insofern die Kritik nicht ganz berechtigt. Wenn Verbraucher betrifft, geistiges Eigentum offensichtlich heute Herr Nešković gesprochen hätte, überhaupt nichts mehr wert ist. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wer ist (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie Nešković?) der Abg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]) hätte ich diese Kritik als Frechheit bezeichnet. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11157

Dirk Manzewski (A) Gleichwohl glaube ich, dass heute ein guter Tag für Ergebnis zu erzielen, und vielleicht sogar die Gerichte (C) das Urheberrecht ist, und möchte mich bei Ihnen allen einschreiten müssen. Dies muss abgewartet werden. dafür bedanken. Herr Krings hat schon angedeutet, dass wir in diesem Fall korrigierend eingreifen müssen. Danke schön. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Sehr richtig!) (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP) Im Zusammenhang mit der Vergütung gibt es aber ein weiteres Problem, das die Nutzung von Privatkopien in Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: einem nicht nennenswerten Umfang betrifft. Auch wenn Ich erteile das Wort Kollegen Norbert Geis, CDU/ man davon ausgeht, dass in diesen Fällen nicht unbe- CSU-Fraktion. dingt eine Vergütung verlangt werden muss, können wir auch in diesem Punkt nicht nachgeben. Wir müssen den (Jörg Tauss [SPD]: Jetzt stören Sie aber den Menschen klarmachen, dass es hierbei um Eigentums- persönlichen Ton nicht, Herr Geis! Sonst krie- rechte bzw. um verfassungsrechtlich geschützte Rechte gen Sie eine Zwischenfrage!) geht, die genauso zu achten sind wie andere Eigentums- rechte. Deswegen ist der Begriff „nennenswerter Um- Norbert Geis (CDU/CSU): fang“ zu Recht gestrichen worden. Herr Tauss, ich gratuliere Ihnen zum Geburtstag. Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang ist die (Zurufe von der SPD) 5-Prozent-Klausel. Diese besagt, dass die Urheber zwar frei miteinander verhandeln können, aber nur bis zu ei- – Ich habe nur vier Minuten Redezeit und bitte um Ver- ner Grenze von 5 Prozent des Kaufpreises der Geräte. ständnis, dass ich nicht im Einzelnen auf Ihre Zwischen- Die Urheber haben von Anfang an darauf hingewiesen rufe eingehen kann. – das haben wir in vielen Gesprächen erfahren –, dass (Jörg Tauss [SPD]: Ich habe gar keinen ge- die Preise für die Kopiergeräte immer weiter sinken und macht!) dass deshalb bei Einführung der 5-Prozent-Klausel bei niedrigen Preisen für die Urheber letzten Endes nichts Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten mehr übrig bleibt. Dies wird auch nicht dadurch aufge- Damen und Herren! Wir verabschieden heute einen sehr hoben, dass die Verbreitung von PCs inzwischen viel großen und wichtigen Gesetzentwurf, der einen langen weiter vorangeschritten ist als früher. All dies gliche das Vorlauf hat. Schon 1965 wurde in der Begründung des aber nicht aus. Deswegen haben wir uns entschlossen, Urheberrechtsgesetzes auf die Notwendigkeit eines Ur- die 5-Prozent-Obergrenze zu streichen; ich meine: zu (B) hebervertragsrechts hingewiesen, das 2002 geschaffen Recht. Das ist richtig und liegt im Interesse der Urheber. (D) wurde. Lassen Sie mich noch einen letzten Gedanken anfü- Inzwischen hat man vor allen Dingen aufgrund der gen. § 53 des Urheberrechtsgesetzes stellt nun klar, dass sagenhaften Entwicklung im Bereich der digitalen Tech- eine Kopie dann rechtswidrig ist, wenn sie von einer zu nologie festgestellt, dass das Urheberrecht europaweit Unrecht oder verbotswidrig in das Netz eingestellten geschützt werden muss. Deswegen wurde eine Richtlinie Werkkopie stammt. Diese Klarstellung scheint mir wich- erlassen, die 2003 bei uns umgesetzt worden ist. Wir wa- tig zu sein, weil dies den Verwertungsgesellschaften, ren uns schon damals beim Korb 1 darüber im Klaren, aber auch den Filmgesellschaften die Möglichkeit gibt, dass wir einen zweiten Korb brauchen, weil im Korb 1 stärker als bisher ihre Rechte zu verteidigen. nicht alle Probleme gelöst werden konnten. Ich bedanke mich und hoffe sehr, dass dieses Gesetz Wir brauchen bald auch einen dritten Korb, um neu einen Beitrag zu einem stärkeren Schutz des geistigen auftretende Probleme zu regeln. Es ist ein langer Weg Eigentums leistet. der Reformen, um dem geistigen Eigentum gerecht zu werden. Danke schön. Ich kann nicht auf alle Fragen eingehen, aber ich (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie möchte auf einen wichtigen Punkt eingehen, den der Ge- der Abg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger setzentwurf zum Inhalt hat und der gerade auf unserer [FDP]) Zielgeraden in der letzten Woche noch eine Rolle ge- spielt hat: Es geht um die Vergütung von Privatkopien. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ich schließe die Aussprache. Es wurde bereits angesprochen, wie diese Frage in dem Gesetzentwurf geregelt wird. Für uns stellt sich im- Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- mer noch die Frage, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, desregierung eingebrachten Entwurf eines Zweiten Ge- ob es richtig war, es den Parteien – den Verwertungsge- setzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informa- sellschaften auf der einen Seite und den Herstellern auf tionsgesellschaft. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter der anderen Seite – zu überlassen, die Vergütung der Ur- Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa- heber auszuhandeln. Ob das im Interesse der Urheber che 16/5939, den Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt, muss sich noch herausstellen. Die Urheber sind ge- auf Drucksache 16/1828 in der Ausschussfassung anzu- gen diese Regelung, weil sie befürchten, dass sie bei nehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in manchen Produkten Jahre brauchen, um ein vernünftiges der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand- 11158 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse (A) zeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 8 auf: (C) Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP bei Gegenstim- Eva Bulling-Schröter, Dr. Kirsten Tackmann, men der Linksfraktion, zwei oder drei Gegenstimmen Dr. Dagmar Enkelmann, weiterer Abgeordneter aus der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und und der Fraktion der LINKEN sonstiger Enthaltung der Fraktion der Grünen angenom- men. Nachhaltiger Schutz der Meeresumwelt Dritte Beratung – Drucksachen 16/3069, 16/4782 – Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion und Schlussabstimmung. Die Linke vor. Dazu liegen mir persönliche Erklärungen der Kolle- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die gen Bettin, Deligöz, Gehring, Göring-Eckardt, Roth Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die (Augsburg) und Haßelmann vor.1) Fraktion Die Linke fünf Minuten erhalten soll. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustim- men wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit mit dem Eva Bulling-Schröter, Fraktion Die Linke, das Wort. gleichen Stimmenverhältnis wie in der zweiten Beratung angenommen. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor Weiterhin empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c nunmehr zwölf Jahren hat die Bundesregierung eine seiner Beschlussempfehlung, eine Entschließung anzu- Große Anfrage der SPD zum Zustand der Meere beant- nehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – wortet. Die Antwort war schockierend: Die Ozeane wa- Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschluss- ren vielerorts leergefischt. Im Zuge der Debatte über die empfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU und EU-Meeresstrategie-Richtlinie hat nun die Linke um SPD gegen die Stimmen der drei Oppositionsfraktionen Auskunft gebeten. Zunächst einmal herzlichen Dank an angenommen. die Referentinnen und Referenten der beteiligten Minis- terien für die sorgfältige Beantwortung. Wir kommen nun zur Abstimmung über die Ent- Was hat sich nun seit 1995 getan? Es gibt einige we- schließungsanträge. Wer stimmt für den Entschließungs- nige positive Signale. So wird beispielsweise der Pazi- (B) antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/5972? – fiklachs bei Alaska gut bewirtschaftet. In einem vernünf- (D) Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Ent- tigen Zustand befindet sich dort auch der Seelachs. schließungsantrag ist bei Zustimmung der FDP-Fraktion Erholt hat sich zudem das Heringsvorkommen in Nord- gegen die Stimmen des Hauses im Übrigen abgelehnt. und Ostsee. Dennoch ist die Bilanz der Eingriffe in die Meereswelt katastrophal. In den letzten 100 Jahren sind Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Frak- die Bestände vieler Fischarten um fast 90 Prozent zu- tion Die Linke auf Drucksache 16/5944? – Wer stimmt rückgegangen. Es ist schizophren: Während Millionen dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag Tonnen wertvoller Meerestiere als Beifänge ungenutzt ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der und tot über Bord gehen, sitzen Millionen von Küstenbe- Fraktion Die Linke abgelehnt. wohnern in Afrika vor leeren Tellern. Die Trawler der Industriestaaten fischen ihnen die Meere leer, legal und Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion illegal. Allein der illegale Fang weltweit wird auf einen des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/5971? – Wert zwischen 4 und 9 Milliarden US-Dollar geschätzt. Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschlie- ßungsantrag ist gegen die Stimmen der Fraktion der Grü- Illegal wird auch vor unserer Haustür gefischt. Im öst- nen und mit den Stimmen des ganzen Hauses im Übri- lichen Teil der Ostsee befindet sich der Dorschbestand auf einem historischen Tiefstand, heißt es. gen abgelehnt. (Holger Ortel [SPD]: Falsch!) Wir setzen die Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 16/5939 Schätzungen zufolge werden bis zu 45 Prozent mehr fort, Tagesordnungspunkt 7 b. Unter Buchstabe b seiner Dorsche an Land gebracht, als es die offiziellen Zahlen Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ab- hergeben. lehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksa- (Holger Ortel [SPD]: Das ist richtig!) che 16/262 mit dem Titel „Die Modernisierung des Ur- heberrechts muss fortgesetzt werden“. Wer stimmt für Dennoch werden die Dorschfangquoten durch den EU- diese Beschlussempfehlung des Ausschusses? – Gegen- Fischereiministerrat seit Jahren deutlich höher angesetzt, als von Wissenschaftlern empfohlen. Ich sage Ihnen: probe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist Das muss endlich ein Ende haben. mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der Fraktion der FDP angenommen. (Beifall bei der LINKEN) In der Nordsee haben in den vergangenen Jahren neben 1) Anlage 3 dem Kabeljau auch die Nordseescholle und die Nordsee- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11159

Eva Bulling-Schröter (A) seezunge stark gelitten. Vom Großen Thunfisch dürften Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU): (C) im Mittelmeer und im Ostatlantik legal eigentlich nur Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- 32 000 Tonnen jährlich gefangen werden. Real ist es ren! In Deutschland waren 2005 etwa 43 000 Menschen rund das Doppelte. Auch hier sind es vor allem europäi- allein in der Fischerei, in der fischverarbeitenden Indus- sche Fischereiunternehmen, die die Bestände für Sushi- trie und in der Fischgastronomie beschäftigt. Wenn man bars in Tokio oder Berlin-Mitte plündern. die gesamte maritime Industrie berücksichtigt, dann Weil die Meere der Nordhalbkugel vielerorts leerge- stellt man fest, dass wir von über 220 000 Arbeitsplätzen fischt sind, fahren Fangflotten in den Süden. Hier räu- – dazu gehören die Bereiche Hafen, Zulieferindustrie men sie die einst üppigen Fischgründe aus, insbesondere usw. – sprechen. An dieser Stelle wird immer wieder an den flachen Küsten Westafrikas. So rauben die Indus- Kritik geäußert; daher möchte ich deutlich machen, dass trieschiffe den Kleinbauern in Ghana oder dem Senegal es hier um die Arbeitsplätze vieler Menschen geht. Die die wichtigsten Proteinlieferanten für ihre Familien. Die maritime Wirtschaft ist für uns, für diese Koalition und Flotten wandern nicht nur in den Süden, sondern auch in für die Union sowieso, ein wichtiger Wirtschaftszweig, die Tiefe. Leider konnten sich Union und SPD seinerzeit auf den wir nicht verzichten können und wollen und den in ihrem Antrag zu dem Thema nicht zu einer klaren wir unterstützen. Forderung nach einem Moratorium für die zerstörerische (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Grundschleppnetzfischerei durchringen. der FDP) (Holger Ortel [SPD]: Das sagen Sie mal den Die Meere stellen nicht nur in Deutschland, sondern Küstenfischern!) weltweit eine wichtige wirtschaftliche Ressource dar. Wenn wir der Meeresumwelt helfen wollen, die im Die Ozeane und Meere verbinden mehr denn je Konti- nente und Länder, sei es durch die weltweite Nutzung Übrigen auch durch die Versauerung infolge der CO2- Emissionen gestresst ist, so müssen wir die Weltmeere der Fischressourcen, als Transportweg oder durch den als Ökosystem begreifen. Das muss auch der Geist der Tourismus. Nicht zu vernachlässigen sind die Energie- neuen EU-Meeresschutz-Richtlinie sein. Die Forderun- reserven unter den Ozeanen, aber auch die künftig noch gen der Linken dazu finden Sie in unserem Entschlie- weiter in den Mittelpunkt rückende Nutzung der Wind- ßungsantrag. Zudem müssten mehr Wissenschaftler und energie in den Offshorewindparks. Kurz gesagt, die Umweltorganisationen in Fischereiaufsichtsgremien sit- Ozeane und Meere tragen wesentlich zu unserem Wohl- zen. Schließlich muss weltweit die Anzahl der Fang- stand bei. schiffe verringert werden. Greenpeace und andere for- ( [CDU/CSU]: Richtig!) dern seit langem, Meeresschutzgebiete einzurichten, in (B) denen Fischerei und Rohstoffabbau verboten werden. Gerade deshalb kommt dem ökologisch nachhaltigen (D) Konkrete Vorschläge gibt es für Nord- und Ostsee sowie Schutz der Meere eine enorme Bedeutung zu. Wir kön- für die außereuropäischen Meere. Die Bundesregierung nen es uns nicht leisten, diese einmalige und weltweit scheint dazu gar keine Haltung zu haben. Das ist sehr größte Ökolandschaft zu vernachlässigen. Wir sprechen schade. Dieses kurzsichtige Herangehen schadet nicht über 70 Prozent unserer Erdoberfläche. Wir sprechen nur der Umwelt und dem Tourismus, sondern auch der über den Lebensraum zahlloser Tiere und Lebewesen. Fischerei. Ich sage Ihnen auch, warum das so ist. Bei- Wenn wir von unseren Meeren reden, dann sprechen wir spielsweise in Neuseeland waren die Fischer einst die über einen wichtigen und unverzichtbaren Beitrag zur stärksten Gegner, als es darum ging, Meeresschutzge- Stabilität unseres Klimas. biete einzurichten. Nunmehr gehören die Fischer zu den Verteidigern dieser ökologischen Oasen; denn die dort (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) rasant anwachsenden Bestände besiedeln auch das um- Trotzdem oder gerade deshalb gilt für uns der Grund- gebende Meer. Die Refugien sind also nicht nur Eckpfei- satz „Schutz nur durch Nutzung“. Niemand hat etwas ler im modernen Schutz der Ökosysteme, sondern auch von einem ökologischen Raubbau an der Ressource Wirtschaftsfaktoren. Umweltschutz und zugleich volle Meer. Netze – was wollen wir mehr? (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: So ist es!) Angesichts dessen ist es vollkommen unverständlich, dass lediglich 0,01 Prozent der Meeresfläche Schutzge- Ich betone aber auch: Es nützt den Menschen, die ihren biete sind. Benötigt werden zwischen 30 und 50 Prozent. Lebensunterhalt durch die Meere verdienen, nichts, Solange Sie hier nichts ändern, bleibt ein nachhaltiger wenn wir einen einseitig verengten Blick ausschließlich Meeresschutz leider Illusion. Tun Sie also bitte etwas, auf die Ökologie werfen. Ich zitiere aus der Antwort der meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Bundesregierung: (Beifall bei der LINKEN) Ziel ist es, für die Arten und die Lebensräume einen günstigen Erhaltungszustand zu erreichen. Mensch- Präsident Wolfgang Thierse: liche Nutzungen, die die Arten und Habitate schä- Ich erteile das Wort Kollegen Franz-Josef digen und/oder zerstören können, sind im Schutz- Holzenkamp, CDU/CSU-Fraktion. gebiet nach vorheriger sorgfältiger Prüfung und Abwägung von ökologischen, ökonomischen und (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und sozialen Gesichtspunkten zu regulieren und gege- der SPD) benenfalls auszuschließen. 11160 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Franz-Josef Holzenkamp (A) Meine Damen und Herren, nur so geht es: in gleichbe- Fische sind nicht gerade Anhänger des Sozialismus ge- (C) rechtigter Abwägung aller Punkte. wesen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich mache es kurz: Wir lehnen Ihren Entschließungs- antrag ab. Er ist unbrauchbar und nicht zielführend. Wie wichtig der Bundesregierung die nachhaltige Si- cherung der Meeresumwelt ist, das kann man auf den Doch zurück zum Umweltschutz für die Meere: Wie 46 Seiten nachlesen, auf denen die Bundesregierung aus- bereits dargestellt – ich gehe damit auch auf die Frage führlich die Große Anfrage der Linken beantwortet hat. ein –, nützt uns die einseitige Betrachtung des Meeres- Wir debattieren heute aber nicht nur über den Um- umweltschutzes nichts. Hier müssen Verknüpfungen zu weltschutz, sondern auch über den nachgeschobenen allen maritimen Bereichen gezogen werden. Mit dem Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke. Dieser hat Grünbuch zur künftigen Meerespolitik aus dem ver- – das muss ich leider so deutlich sagen – die übliche gangenen Jahr hat die EU hierzu einen wichtigen Schritt Stoßrichtung. Ich zitiere einen kleinen Punkt aus dem getan. Die deutsche Ratspräsidentschaft hat mit der eu- Antrag – das macht die Einseitigkeit deutlich – ropäischen Konferenz über die künftige Meerespolitik der EU im Mai dieses Jahres den Konsultationsprozess Allerdings hat die ökonomische Sichtweise klar das hierzu maßgeblich begleitet. Primat. (Beifall bei der CDU/CSU) Immer wieder die böse Wirtschaft. Ich sage dazu noch einmal: Ohne eine ordentlich funktionierende Ökonomie Der Schutz der Meere ist ein elementarer Bereich des gibt es auch keine funktionierende Ökologie. Grünbuches. So schreibt die Kommission zu Recht: Eine gesunde Meeresumwelt ist die unerlässliche Vizepräsident Thierse: Voraussetzung für die Nutzung des vollen Poten- Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der zials der Meere. Die Verschlechterung der Meeres- Kollegin Eva Bulling-Schröter? umwelt mindert das Potenzial des Meeres als Grundlage der Beschäftigung. Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU): Die Antworten der Bundesregierung zeigen auch – hier Ja, gerne. sind wir sicherlich einer Meinung –, dass es Licht, aber auch viel Schatten gibt, dass es einfach Handlungsnot- Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): wendigkeiten gibt, die zu Verbesserungen führen müs- (B) Danke schön – Ich würde gerne von Ihnen wissen, sen. (D) wie Sie zu Meeresschutzgebieten stehen. Ich habe das in Es bleibt festzuhalten, dass sich weltweit viele wirt- meiner Rede noch einmal ausgeführt und auf Erfahrun- schaftlich genutzte Fischbestände durch Überfischung in gen anderer Länder – es sind ja nicht so viele – hinge- einem schlechten Zustand befinden. Auch wichtige Be- wiesen, dass durch die Bewahrung der Umwelt, durch stände der EU wurden so in den vergangenen Jahrzehn- den zeitweiligen Verzicht auf das Fischen, sich wieder ten teilweise stark dezimiert. Deswegen ist die Bestands- Fische ansammeln und dadurch die Wirtschaft gestärkt erhaltung ein wesentliches Ziel der gemeinsamen werden kann. Fischereipolitik der EU, aber auch der Politik Deutsch- Sie sprechen von Ökonomie und Ökologie. Wir brau- lands. So konnte erreicht werden, dass sich einzelne Ar- chen zuerst die Ökonomie; aber es ist nicht nachhaltig, ten wieder erholt haben. Andere Arten wie Kabeljau und alle Fische aus dem Meer herauszufischen. Dann gibt es Dorsch – die Beispiele sind genannt worden und auch in nämlich keine mehr. Ich würde also gerne wissen, wie der Vorlage zu lesen – haben sich nicht wieder erholt. Sie zu den Schutzstandards stehen. Hierzu gibt es ja gute Doch einschneidende Maßnahmen sind für viele Fischer Erfahrungen und wissenschaftliche Berechnungen. Ist nicht einfach zu verkraften. Man fragt sich: Wie sollen das nicht sinnvoll? sie es verkraften? An dieser Stelle auch einmal mein Dank an die Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU): Fischer für die konstruktive Zusammenarbeit! Vielen Dank für die Frage. Wir als Union, als Koali- tion stehen selbstverständlich absolut positiv zu Schutz- (Beifall bei der CDU/CSU) gebieten. Wenn jedoch ein Schutzgebiet eingerichtet Holger Ortel, wir führen eine intensive Auseinanderset- wird, dann muss man das in Abwägung aller bekannten zung mit der Fischereiwirtschaft und versuchen so, ge- Parameter tun. Das ist der entscheidende Punkt. meinsam zu vernünftigen Lösungen zu kommen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD) Den Kolleginnen und Kollegen von den Linken rate ich: Gehen Sie zu den Ost- und Nordseefischern! Erklä- Meine Damen und Herren, ich nenne ein Beispiel, die ren Sie ihnen den kompletten Fangstopp für Dorsch und Elbe. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hat sich die Kabeljau! Besprechen Sie mit ihnen dann aber auch, wo- Wasserqualität erheblich verbessert. Etwa 110 Fischar- von sie ihre Familien ernähren sollen, was mit den Fami- ten können heute registriert werden; damals waren es um lienbetrieben wird und wie das überhaupt funktionieren die 80. Ich erlaube mir die Aussage: Ich glaube, auch die soll! Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11161

Franz-Josef Holzenkamp (A) (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Heinz Schmitt [Landau] [SPD]: Das muss (C) NEN]: Was ist das denn für ein Quatsch! Wenn aber nicht schlecht sein!) kein Dorsch mehr da ist, kann er sowieso kei- Ich will das hier nicht weiter kommentieren. nen ernähren!) Gut ist allerdings – ich will auch etwas Gutes sagen –, So funktioniert es nicht. dass Sie für diese Debatte doch noch einen recht akzep- Ich möchte mich bei der Bundesregierung ausdrück- tablen Platz auf der Tagesordnung erreichen konnten. lich dafür bedanken, dass sie sich im Rat für einen sinn- Das gibt mir und allen die Möglichkeit, hier die Pro- vollen Ausgleich zwischen sozioökonomischen und öko- bleme des Meeresschutzes anzusprechen, und das will logischen Interessen einsetzt. ich jetzt natürlich auch tun. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. (Zuruf von der LINKEN: Jetzt bin ich aber Heinz Schmitt [Landau] [SPD]) gespannt!) Ich möchte auf ein weiteres Thema kurz eingehen, Ganz willkommen ist mir natürlich, dass ich noch ein- nämlich den Klimawandel. Durch die klimatischen Ver- mal ausdrücklich auf unseren Antrag hinweisen kann, änderungen werden auch unsere Meere als Ökosysteme der folgenden Titel hat: Schutz und Nutzung der Meere – erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Deshalb müssen Für eine integrierte maritime Politik. wir den Klimaschutz weiter vorantreiben. Auch hier sind (Beifall bei der FDP) wir als Koalition in Europa sehr gut unterwegs. Wir ha- ben die EU-Klimaziele formuliert. Das sind sehr ambi- Ich möchte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, an tionierte Ziele. Hier sind wir wirklich gut unterwegs. Als dieser Stelle auch darauf aufmerksam machen, dass mor- Deutsche wollen wir die anderen Europäer ja auch noch gen unter dem Tagesordnungspunkt 29 ein weiterer her- überholen. vorragender FDP-Antrag zur Debatte ansteht, nämlich zu den Zukunftschancen des Ostseeraums. Ich bitte Sie, Deshalb bin ich sehr zufrieden darüber, dass die Bun- zahlreich zugegen zu sein. deskanzlerin – das möchte ich hier auch deutlich sagen – mit großartiger Unterstützung durch unseren Außen- (Beifall bei der FDP) minister auf dem G-8-Gipfel große Fortschritte beim Jetzt aber zu unseren Vorstellungen. Auch wir Libe- Klimaschutz erreicht hat – bei aller Kritik von der Oppo- rale sehen in einer verantwortungsvollen Nutzung der sition. Es gibt einen klaren Auftrag der UNO. Meere eine Herausforderung für Gesamteuropa. Das ist Die Koalition zeigt sich handlungsfähig. Im Aus- klar. Wir wollen aber auf der einen Seite den Schutz der (B) schuss ist von Mundwerkern und Handwerkern geredet Meere und auf der anderen Seite zugleich eine verant- (D) worden. Hier handelt es sich um Handwerker. Wir sind wortungsvolle Entwicklung der maritimen Wirt- aktiv unterwegs. Wir nehmen den Schutz der Meere schaft. Ich denke, das ist eine herausragende Aufgabe, ernst. Wir wollen notwendige Ziele erreichen. Aber all der wir uns mit voller Kraft stellen sollten. Wir sehen das funktioniert nur bei einem internationalen Ansatz, hier insbesondere Zukunftschancen. Ich möchte an die- bei Einbeziehung aller Beteiligten an der gesamten mari- ser Stelle darauf hinweisen, dass 40 Prozent der Wirt- timen Wirtschaft und vor allen Dingen bei der Arbeit schaftskraft Europas in den küstennahen Gebieten bzw. nach dem Motto: Schutz durch Nutzung. den Meeresgebieten erwirtschaftet werden. Das ist keine geringe Zahl. Wir müssen deshalb darauf schauen, dass Herzlichen Dank. wir das eine wie das andere schaffen. Außerdem wollen wir, dass die verschiedenen maritimen Sektoren ver- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) knüpft werden und wir zu einer integrierten Meerespoli- tik kommen. Das ist unser Ansatz. Das können Sie auch Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: in unserem Antrag umfassend nachlesen. Ich erteile das Wort Kollegin Angelika Brunkhorst, FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP) Ich denke, wir alle haben die Probleme auf dem (Beifall bei der FDP) Schirm. Auch wir haben in unserem Antrag die Pro- bleme und die Umwelteinflüsse beschrieben und im Angelika Brunkhorst (FDP): Rahmen eines Maßnahmenpaketes Vorschläge gemacht, Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle- wie eine ökologisch und ökonomisch gesunde Zukunft gen! Frau Bulling-Schröter, Ihre Große Anfrage kam der Meere gestaltet werden kann. Wir glauben, dass die reichlich spät. Sie galoppieren etwas hinterher. Alle an- Erhaltung der Ökosysteme und der biologischen Vielfalt deren Fraktionen haben bereits umfangreiche Anträge der Meeresgebiete, verstanden als Schutz der gemeinsa- zur Meeresumwelt vorgelegt. Sie haben das Versäumnis men natürlichen Ressourcen, Bestandteil einer verant- jetzt teilweise wettzumachen versucht, indem Sie Ihren wortungsvollen, generationenübergreifenden Politik ist. Entschließungsantrag hinterhergeschoben haben; auf Da sind wir ganz auf Ihrer Seite; das wollen auch wir. den komme ich nachher noch zu sprechen. Wir müssen uns darüber hinaus dafür einsetzen, dass Von der Intonation der Fragen in der Großen Anfrage das europäische Grünbuch noch mehr Bezug auf den her habe ich den Eindruck, als wenn Greenpeace Ihnen Schutz der Meere nimmt, insbesondere auch auf den so manche Frage direkt in die Feder diktiert hat Schutz von Fischpopulationen. Ich möchte aber jetzt 11162 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Angelika Brunkhorst (A) nicht im Einzelnen auf die verschiedenen Fischarten ein- noch etwas genauer eingehen. Der Pro-Kopf-Verbrauch (C) gehen. Das würde zu weit führen; so viel Zeit habe ich an Fisch liegt in Deutschland zurzeit bei etwa 15,5 Kilo- nicht. gramm. Er hat sich damit in den letzten vier Jahren von 12,4 auf 15,5 Kilogramm erhöht. Das ist gut. Fisch ist (Zuruf von der FDP: Schade!) nämlich ein gesundes und bekömmliches Lebensmittel. – Schade? Also auf die kommunistischen Fische kann Das gilt vor allen Dingen für eine Gesellschaft, die im- ich jetzt hier nicht eingehen. mer älter wird und dabei gesund leben will. Nun passen Sie einmal auf: Nur 18 Prozent unseres Fischbedarfs (Lutz Heilmann [DIE LINKE]: Was für kom- fangen wir noch selber. Das entspricht 300 000 Tonnen munistische Fische?) bei einem Bedarf von gut 2 Millionen Tonnen. Was wir Es ist auch unser Anliegen, dass wir uns dafür einset- selber dem Meer entnehmen, ist also gar nicht so viel. Au- zen, dass wir eine Meeresschutzrichtlinie bekommen, ßerdem muss erwähnt werden, dass wir von den 2,1 Mil- die die richtigen Zielvorgaben und die richtigen Hand- lionen Tonnen, die wir verbrauchen, 800 000 Tonnen als lungsimpulse gibt, also sozusagen eine Navigationsvor- Fisch- und Fischereiprodukte exportieren. Im Übrigen gabe darstellt. hat Herr Kollege Holzenkamp recht, wenn er auf die 43 000 Arbeitsplätze in der Fischerei, in der verarbeiten- An dieser Stelle möchte ich auch auf das schauen, den Industrie, im Handel usw. hinweist. was derzeitiger Stand ist. Es sind einige Erfolge beim Schutz der Meere zu verzeichnen. Negativbeispiele sind Sie tun so, als seien wir daran beteiligt, die Meere aber die noch immer zu hohen Nährstoff- und Schwer- leerzufischen. Sie müssen wissen, dass unter deutscher metalleinträge, die Belastungen durch die Schifffahrt, Flagge gerade einmal zehn hochseegängige Schiffe fah- Offshore-Nutzungen verschiedenster Art, die Über- ren. Das ist unser direkter Einfluss. In diese Ecke können fischung einzelner Fischarten und die Auswirkungen des Sie die deutschen Fischerinnen und Fischer mit Ihrer Klimawandels. Anfrage also nicht stellen – die Sie ja zu einem Drittel So richtig und so umfassend Ihr Entschließungsantrag aus einer Anfrage der SPD von vor zehn Jahren abge- teilweise ist, so muss ich doch sagen, dass sich die FDP schrieben haben. Ihrer Haltung nicht anschließen kann, weil Sie der Ent- (Widerspruch der Abg. Eva Bulling-Schröter wicklung der maritimen Wirtschaft und der Anwendung [DIE LINKE]) neuer Technologien zu kritisch gegenüberstehen. Das halten wir für nicht zukunftsgerichtet. Daher werden wir Das macht auch nichts; ich bin darüber nicht böse. Ich Ihrem Antrag nicht zustimmen können. will das überhaupt nicht beklagen, Frau Kollegin, wenn es denn dazu dient, Ihr Grundwissen in Sachen Fischerei (B) Danke für die Aufmerksamkeit. zu vervollständigen. Dazu ist diese Anfrage ja gut. Für (D) (Beifall bei der FDP) diejenigen, die sich mit dem Thema Fischerei ausken- nen, hat sie aber nichts Neues gebracht; auch das will ich hier sagen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Nun hat Kollege Holger Ortel, SPD-Fraktion, das Die Fischbestände von Dorsch, Seezunge, Scholle Wort. und Hering und Seelachs sind bekannt. Sie sind nicht (Beifall bei der SPD) überall sehr hoch. Man muss auch etwas tun. Erlauben Sie mir dazu folgende Anmerkungen. Das in Luxemburg jetzt neu und erfolgreich verhandelte Dorschmanage- Holger Ortel (SPD): ment ist auch ein Ergebnis von guter Praxis, von nach- Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle- haltiger Fischerei. Das BACOMA-Netz mit seinen Se- gen! Lassen Sie mich zunächst einmal auf unsere Präsi- lektionsfenstern hat wesentlich dazu beigetragen, dass in dentschaft in Europa und auf das, was unser Minister für Luxemburg so entschieden werden konnte. Landwirtschaft und Fischerei vor drei Wochen in Luxemburg erreicht hat, zurückkommen. Peter Bleser Nichtsdestotrotz muss über das Abkommen „Dorsch würde sagen: Ein guter Tag für Deutschland. in der Ostsee“ vielleicht noch einmal nachgedacht wer- den. Wenn ich Bornholm als Grenze zwischen östlicher (Peter Bleser [CDU/CSU]: Richtig!) und westlicher Ostsee nehme – es gibt auch für die Ost- Als Norddeutscher hänge ich das etwas tiefer, aber man see so etwas wie ein Schengenabkommen –, ist festzu- kann wirklich sagen: Ein gutes Ergebnis für unsere stellen, dass 30 bis 40 Prozent der Fische über diese Fischer. künstliche Dorschgrenze hinweg wandern. Vielleicht sollte man auch mit den Quoten zumindest zu 10 Prozent (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) von Ost nach West und von West nach Ost gehen kön- Herr Staatssekretär, ich würde Sie bitten, dem Minis- nen. Ich denke, das käme der Praxis schon ziemlich ter den Dank der norddeutschen Fischer auszurichten; nahe. vor allem natürlich auch Ihren Mitarbeitern im Hause, Ich begrüße ausdrücklich die verstärkte Fischerei- die ja viel zum Gelingen des Agrar- und Fischereirates in kontrolle in der äußersten und östlichen Ostsee. Wir Luxemburg beigetragen haben. Herzlichen Dank dafür! wissen, dass es sich bei 30 bis 40 Prozent der dort gefan- Ich möchte auf einige Zahlen, die Sie, Frau Bulling- genen Fische um Blackfish handelt, also um Fisch, der Schröter und Herr Holzenkamp schon genannt haben, der illegalen Fischerei zuzurechnen ist. Darauf wird Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11163

Holger Ortel (A) Brüssel – übrigens auch aufgrund eines Beschlusses aus Die Anfrage diente nur dazu, Sie daran zu erinnern, (C) Luxemburg – aber gut reagieren. Brüssel muss sozial- was Fischerei eigentlich bedeutet und wie es um die Fi- verträgliche Möglichkeiten finden, um den Flottenabbau sche bestellt ist. Ihr Entschließungsantrag kommt nun bei unseren östlichen Nachbarn zu beschleunigen. wirklich aus der Flachwasserzone. (Beifall der Abg. Dr. Christel Happach-Kasan (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten [FDP]) der CDU/CSU und der FDP) Die Fischbestände in unseren Gewässern und darü- Ein Vorgänger von Herrn Seehofer hätte heute zu Ihnen ber hinaus haben sich in den letzten zehn Jahren unter- gesagt: Wenn Sie mittags Eisbein essen, dann sind Sie schiedlich entwickelt. Die pelagischen Arten sind in den abends noch kein Polarforscher. letzten zehn Jahren relativ stabil auf dem gleichen Ni- Herzlichen Dank. veau geblieben. Dem Hering in der Nordsee geht es gar nicht so gut. Das liegt ohne Frage am Fischereidruck, (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der aber auch an den klimatischen Veränderungen. Mit den CDU/CSU) letzten zwei Jahrgängen hatten wir auch Probleme be- züglich der Ernährung. Es fehlt eine Planktonart. Das hat Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: sicherlich etwas mit der Erwärmung zu tun. Auch hier Nun erteile ich Kollegin Nicole Maisch, Fraktion des muss die Fischereiforschung noch gut nacharbeiten. Die Bündnisses 90/Die Grünen, das Wort. Makrele hat ebenfalls ihre Probleme. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mit dem Rotbarsch in den nördlichen Gewässern süd- lich von Island sieht es im Grunde gut aus. Unser Hoch- Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): seefischer, der dort Rotbarsch fängt, spricht nicht nur Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und von Rotbarsch, sondern sogar von Marzipanschweinen; Kollegen! Seit ich Mitglied dieses Hauses bin, habe ich so gesund und so groß sind die Fische. Ich denke, das eines sehr oft gehört, nämlich dass Ökonomie und Öko- zeugt auch von einem guten Bestand. logie kein Widerspruch sind. Das habe ich zum Beispiel auch von der FDP gehört. Dies ist sicherlich nicht falsch, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- aber auch nicht die ganze Wahrheit. Denn richtig ist: NEN]: Wenn die Fische so fett sind, ist das ein Ohne Ökologie gibt es keine Ökonomie. „gutes“ Zeichen?) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Noch ein Beispiel – da sind sich alle, die mit Fischerei sowie bei Abgeordneten der LINKEN) zu tun haben, einig –: Discards sind ein Problem. Ich (B) hätte keine Sorgen, wenn wir uns darauf verständigen Eine gesunde Umwelt und die Schonung natürlicher (D) könnten, bei vielen Fischarten in Zukunft die Discards Ressourcen sind Voraussetzung für nachhaltige wirt- auf die Quoten anzurechnen. Ich halte dies für richtig. schaftliche Prosperität. Um im Duktus des Kollegen Das kann man allerdings nicht bei allen Fischarten ma- Holzenkamp zu bleiben: Keinen Nutzen ohne Schutz. chen. Oder – das kann selbst ich als Kind des Binnenlandes sa- gen –: Wo keine Fische sind, kann man keine fangen. In der Praxis ist das bei unseren kleinen Küstenfi- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schern, die Sie in Ihrer Anfrage gar nicht erwähnt haben, sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- schwer durchzuführen. 250 Krabbenkutter in Nieder- KEN) sachsen gibt es für Sie gar nicht. Sie sind in Niedersach- sen und Schleswig-Holstein aber ein Stück Identität. Meine Fraktion hat sich aktiv in die Diskussion zum Grünbuch Europäische Meerespolitik eingeschaltet. Wir (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) haben Stellungnahmen eingespeist. Darin wird auch Meines Erachtens sollten Sie mehr auf solche Dinge ein- deutlich, was der Unterschied zwischen grüner Politik gehen, die vor unserer Haustür passieren. und zum Beispiel der Politik der FDP ist. Wir fordern, dass nachhaltiger Meeresschutz, also Natur- und Um- Ich frage mich auch: Warum haben Sie beim Thema weltschutz, das Leitprinzip und nicht nur eine Säule der Fischerei unsere überalterte Küstenflotte nicht erwähnt, Meerespolitik ist. Integrierte Meerespolitik ist richtig. deren Schiffe teilweise über 30 Jahre alt sind? Warum Denn wirtschaftliche Interessen müssen in die Meeres- haben Sie nichts zu den Problemen gesagt, die es in der politik integriert werden. Aber die Leitlinie ist für uns Ausbildung zum Fischwirt gibt? der Meeresschutz. (Beifall der Abg. Dr. Christel Happach-Kasan (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN [FDP]) sowie bei Abgeordneten der SPD) Auch diese sollten Sie berücksichtigen. Hier hat sich die Bundesregierung in den letzten Mo- naten nicht nur mit Ruhm bekleckert. Die Kanzlerin hat auf der Bremer Konferenz sehr kluge Worte gesagt; das Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: hat mir sehr gut gefallen. Noch besser hätte es uns aber Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. gefallen, wenn den Worten auch Taten gefolgt wären.

Holger Ortel (SPD): Die Anfrage der Linken ist bei aller Kampfrhetorik, Ja, ich komme zum Ende, Herr Präsident. (Zuruf von der LINKEN: Na, na, na!) 11164 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Nicole Maisch (A) die man vielleicht kritisieren kann, insofern sehr gut, als (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (C) sie uns Auskunft darüber gibt, wie schlecht es um unsere und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten Meere bestellt ist. Ich will Ihnen am Beispiel einer der SPD) Fischart die Problematik kurz durchdeklinieren. Der Ka- beljau, gestern noch Fischstäbchen auf Ihrem Teller, ist Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: heute bereits mehr oder weniger Rote-Liste-fähig. Hier sehen wir wieder: ohne Ökologie keine Ökonomie; wo Kollegin Maisch, das war Ihre erste Rede im Bundes- keine Fische sind, kann man, wie gesagt, keine fangen. tag. Herzliche Gratulation und alle guten Wünsche für Ihre weitere Arbeit! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall) Anderes Thema: Schiffsverkehr. Darauf ist die Linke Nun hat sich schon Kollege Heinz Schmitt am Mikro- leider nicht in ausreichendem Maße eingegangen. Emis- fon eingefunden, deswegen muss ich ihm wohl das Wort sionen und Lärm im Bereich des Schiffsverkehrs sind geben. eine massive Belastung für die Meeresumwelt. In die- (Heiterkeit) sem Bereich muss nachgebessert werden und muss mehr getan werden, um beispielsweise Meeressäuger zu schützen. Heinz Schmitt (Landau) (SPD): Ein weiteres großes Thema sind die Schadstoffein- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen träge aus der Landwirtschaft. Trotz internationaler und Herren! Liebe neue Kollegin Frau Maisch, ich darf Abkommen können wir nicht verhindern, dass Dünge- mich den Glückwünschen ganz herzlich anschließen und mittel und Pestizide in die Gewässer fließen. Was in den hoffe auf weitere gute Reden von Ihnen in den nächsten Flüssen landet, landet schlussendlich im Meer und auch Jahren – vielleicht sogar einmal gemeinsam auf der Re- in dem Fisch, den Sie und ich gerne essen. gierungsbank. Es besteht dringender Handlungsbedarf über Sekto- (Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Oh! rengrenzen hinweg. Wir brauchen einen guten Umwelt- – Peter Bleser [CDU/CSU]: Das hätten Sie zustand der Meere bis 2012. Aber der kommt natürlich nicht sagen müssen!) nicht von selbst. Da muss man etwas tun. – Herr Bleser, eine neue Kollegin muss man einmal ein (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) bisschen motivieren. (B) Das Meer ist ein hochkomplexer und schutzwürdiger Es geht heute um den Antrag der Linken zum Thema (D) Naturraum und eben nicht primär eine Ressource. Wer Meeresschutz. Ich muss sagen, dass die Erkenntnisse, das Meer nur als Ressource und eben nicht als schutz- die wir heute aus Ihrem Antrag und aus den Folgerungen würdigen Naturraum sieht, der wird es auch nicht nach- Ihrer Großen Anfrage gewonnen haben, so weltbewe- haltig bewirtschaften können und der wird auf Dauer gend nicht sind. Allerdings hat der Antrag auch etwas kein Geld damit verdienen können. Es ist eine relativ Positives: Wir erfahren vieles über die aktuellen Be- einfache Rechnung: Wer die Natur zerstört, zahlt dafür – stände, von der Scholle bis zur Makrele. Von daher wis- natürlich auch finanziell. sen wir, wie sich einzelne Arten entwickelt haben und ob eine Zunahme der Bestände, eine Abnahme der Be- Bezüglich des Schutzes der Meere wird von der FDP stände oder ein Verschwinden von ganzen Beständen oft gesagt, dass die CO2-Abscheidung eine tolle Sache und Fischarten festzustellen war. Von daher kann man ist. Dieser Meinung bin ich nicht. Ich denke auch nicht, dem Antrag durchaus etwas Aktuelles abgewinnen. Die dass sie bald kommen wird. Aber sollte es irgendwann Schlüsse, die daraus gezogen werden, sind aber wirklich möglich sein, diese Technologie zu verwenden, dann ist nicht so sensationell. Vieles, was Sie aus Ihren neuen Er- die Tiefsee nicht der richtige Endlagerraum für das abge- kenntnissen schließen, ist bereits in reale Politik umge- schiedene CO2. Ich denke, wer so etwas sagt, sollte sich setzt worden. fragen, wie ernst es ihm mit dem Meeresschutz ist. (Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Aha!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Es geht heute auch darum, was wir hinsichtlich der Ein letzter Punkt. 2008 wird Deutschland das Gastge- Fischereipolitik und hinsichtlich der Meerespolitik auf berland der COP 9 sein. Ich denke, das wäre ein guter europäischer Ebene unternehmen. Im Jahr 2006 hat die Anlass, eine gute Gelegenheit, um auf das Thema biolo- Kommission unter der Überschrift „Eine europäische Vi- gische Vielfalt in den marinen Lebensräumen aufmerk- sion für Ozeane und Meere“ ein Grünbuch vorgestellt. sam zu machen und dieses Thema auf die Agenda zu set- Vorrangiges Ziel dieses Grünbuches ist es, die Nutzung zen. der Meere in Einklang mit dem Schutz der Meere zu bringen. Daher bekommt das Grünbuch noch eine wei- Sie haben jetzt die Möglichkeit, unsere Meere zu tere, ökologische Säule: Die thematische Strategie für schützen, damit auch die nachfolgenden Generationen den Schutz und die Erhaltung der Meeresumwelt und die sie noch nützen können. Ich denke, dem Antrag der Lin- Meeresstrategierichtlinie werden in das Grünbuch mit ken kann man, auch wenn man die Rhetorik schlecht fin- einfließen; das haben wir von den Vorrednern schon ge- det, trotzdem zustimmen. hört. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11165

Heinz Schmitt (Landau) (A) Gerade das Beispiel Weltmeere zeigt – viele haben künftigen Meerespolitik der EU zu lesen. In dieser Er- (C) das bestätigt –, wie abhängig wirtschaftliche Aktivitäten klärung sind sehr viele gute Ansätze enthalten, wie die von natürlichen Ressourcen, von einer intakten Umwelt Ziele, über die wir uns alle eigentlich einig sind, erreicht sind. Herr Kollege Holzenkamp, Sie haben sehr deutlich werden können. beschrieben, welche Arbeitsplätze an den Weltmeeren hängen und welche große wirtschaftliche Bedeutung die Vizepräsident Dr. : maritime Wirtschaft für uns hat. Wir brauchen aber auch Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege. eine intakte Umwelt; denn – Kollegin Maisch von Bündnis 90/Die Grünen hat es gesagt – ohne Fische gibt es keine Fischereiwirtschaft und ohne saubere Küsten Heinz Schmitt (Landau) (SPD): auch keinen Tourismus. Diese Paare gehören zusammen. Deshalb kann ich sagen, viele Forderungen Ihres Ent- So einfach ist also das Verhältnis zwischen Nutzung und schließungsantrags befinden sich bereits in guten Hän- Schutz der Meere. Deswegen steht im Grünbuch: den und sind auf gutem Wege. Wir müssen Ihren Antrag ablehnen, weil vieles, was Sie fordern, bereits realisiert Eine gesunde Meeresumwelt ist unerlässliche Vo- wurde. Vor allen Dingen ist der einseitige Angriff, hier raussetzung für die Nutzung des vollen Potenzials stünden nur wirtschaftliche Interessen im Vordergrund, der Meere. nicht zu halten. Das hört sich selbstverständlich an. Die Praxis sieht Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wün- aber leider anders aus: Wir haben Überfischung, wir ha- sche Ihnen weiterhin eine interessante Diskussion. ben enormen Beifang von Meeressäugern, wir haben die Grundnetzfischerei, wir haben eine Überdüngung, Ver- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten lärmung und Vermüllung der Meere. Das ist heute noch der CDU/CSU) die Realität. Hinzu kommen – als wäre das alles noch nicht bedrohlich genug – die Erwärmung und Versaue- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: rung der Meere durch den Klimawandel. Deshalb ist es Ich schließe die Aussprache. wichtig, dass wir – das war heute auch gemeinsamer Te- nor – unseren Beitrag zum nachhaltigen Schutz dieser Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungs- belasteten, übernutzten und empfindlichen Ökosysteme antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/5973. leisten, damit sie regenerieren können und wieder eine Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Gegen- größere Artenvielfalt erreicht wird. Die Nutzung der stimmen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag Meere muss also intelligenter und nachhaltiger werden. ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und Bündnis 90/Die (B) (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Grünen bei Enthaltung der FDP-Fraktion abgelehnt. (D) Solms) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf: Die Regierung tut vieles. Die Beschlüsse, die vorgestern Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre- zum Klimaschutz gefasst wurden, sind natürlich auch gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes praktizierter Meeresschutz. Ich habe versucht, das aufzu- zur Reform des Versicherungsvertragsrechts zeigen. – Drucksache 16/3945 – Wir müssen uns darum kümmern, dass eine nachhal- tige Bewirtschaftung realisiert wird. Wir brauchen eine Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus- bessere Überwachung der Fangquoten und eine Be- schusses (6. Ausschuss) kämpfung der illegalen Fischerei. Außerdem brauchen wir mehr Forschung und mehr Daten zur Meeresumwelt. – Drucksache 16/5862 – Durch die heutige Diskussion werden wir angehalten, Berichterstattung: uns über den Schutz der Meere noch mehr Gedanken zu Abgeordnete Marco Wanderwitz machen. Wir müssen vieles auf den Weg bringen. Dirk Manzewski Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Ich teile Ihr Engagement für den Erhalt eines guten Mechthild Dyckmans Zustandes unserer Meere. Ich teile auch Ihre Ansicht, Sevim Dağdelen dass die Meere einen Wert an sich darstellen. In der Ge- Jerzy Montag sellschaft darf nicht alles in Euro, Dollar oder Yen be- wertet werden. Die Schönheit und die Vielfalt der Meere Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die sind ein Wert an sich, den es zu erhalten gilt. Es geht Linke sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion der nicht nur um die wirtschaftliche Nutzung. FDP vor. (Beifall bei der SPD) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Es gibt Ich teile aber nicht Ihre Einschätzung, der Meeres- keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. schutz würde einseitig den wirtschaftlichen Interessen geopfert. Dafür gibt es sehr viele gute Beispiele. Deswe- Bevor ich dem ersten Redner das Wort gebe, bitte ich gen müssen wir Ihren Antrag aus inhaltlichen Gründen diejenigen, die der Debatte nicht folgen wollen, den Saal ablehnen. Ich empfehle Ihnen – vielleicht nutzen Sie da- zu verlassen, damit die anderen der Debatte ungestört für die Sommerpause –, die Bremer Erklärung zur folgen können. 11166 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) Ich eröffne die Aussprache. Als erstem Redner erteile Das schafft Klarheit über Rendite und Kosten, und da- (C) ich das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär durch kann man die Lebensversicherung mit anderen Alfred Hartenbach. Kapitalanlageformen besser vergleichen. Abschaffen werden wir mit dieser Reform das soge- Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bun- nannte Alles-oder-nichts-Prinzip. Verletzt der Versiche- desministerin der Justiz: rungsnehmer künftig seine Vertragspflichten grob fahr- Herr Präsident! Verehrtes Präsidium! Liebe Kollegin- lässig, wird geprüft, wie schwer das Verschulden des nen! Liebe Kollegen! Bei der ersten Lesung dieses Ge- Versicherten wirklich wiegt. Nur um diesen Anteil kann setzentwurfs hat Frau Bundesministerin Zypries, die Sie die Versicherung ihre Leistungen kürzen. übrigens herzlich grüßen lässt – sie hat andere wichtige Aufgaben, lieber Uwe –, gesagt: Der 1. Januar 2008 soll Ein wichtiger Zugewinn an Verbraucherschutz ist ein guter Tag für alle Menschen werden, die eine Versi- auch der neue Direktanspruch des Geschädigten bei cherung abgeschlossen haben. Heute kann ich Ihnen sa- Pflichtversicherungen. Zugegeben: Wir hätten gern et- gen: Der 1. Januar 2008 wird ein guter Tag für alle Ver- was mehr gehabt, aber die Beratungen haben mich über- sicherungsnehmer. zeugt. Es bleibt also jetzt dabei: Wenn ein Schädiger nicht greifbar oder insolvent ist, dann hat der Geschä- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der digte keine Chance, von ihm Ersatz zu verlangen, und CDU/CSU) das, obwohl für den Schadensfall Versicherungsschutz besteht. In diesen Fällen kann er künftig direkt vom Ver- – Ich danke euch für den Beifall, liebe Freunde. – Wir sicherer Schadenersatz verlangen. Wir kennen einen Di- werden dann ein modernes Versicherungsvertragsgesetz rektanspruch ja schon bei der Kfz-Haftpflichtversiche- haben. rung. Dieses Modell übertragen wir jetzt auf die Fälle Die Versicherungsnehmer werden dann erstens der Insolvenz oder Abwesenheit des Schädigers. gründlicher informiert, zweitens haben sie mehr Rechte, Nach nur fünf Monaten parlamentarischer Beratung und drittens bekommen sie bei Lebensversicherungen können wir heute ein großes Reformwerk abschließen. mehr Geld. Vor allem bei der Lebensversicherung Diese rasche Gesetzgebung war möglich, weil wir dieses bringt das neue Gesetz wichtige Verbesserungen. Wir Projekt mit einer Expertenkommission gründlich vorbe- schreiben den Anspruch auf Überschussbeteiligung als reitet haben. Wir bekommen jetzt ein modernes Versiche- Regelfall im Gesetz fest und bestimmen, dass dabei auch rungsrecht mit mehr Fairness und mehr Gerechtigkeit. die stillen Reserven einer Versicherung berücksichtigt Das ist ein großer Gewinn. Das alte Versicherungsver- werden. (B) tragsrecht hat hundert Jahre durchgehalten, Herr (D) In Zukunft gibt es auch klare Regeln für die Berech- Wanderwitz. Ob das neue so lange hält, wissen wir nicht. nung des Rückkaufwertes. Außerdem werden die Ab- Aber wir wollen uns darum bemühen. schlusskosten auf fünf Jahre verteilt. Das wird dazu füh- Ich darf mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, zum ren, dass es beim sogenannten Frühstorno einen höheren Abschluss sehr herzlich bedanken, zunächst einmal bei Rückkaufwert gibt. Wer also nach zwei Jahren kündigt, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesminis- geht in Zukunft nicht mehr leer aus, weil seine Beiträge teriums der Justiz, die hier ganz gespannt sitzen und da- nicht mehr vollständig von den Kosten aufgezehrt wer- rauf warten, zu erfahren, was heute dabei herauskommt. den. (Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Keine Angst, Das neue Gesetz stärkt den Verbraucherschutz auch es kommt schon durch!) über die Lebensversicherungen hinaus. Wir sorgen im gesamten Versicherungsrecht für mehr Transparenz. Ver- Ich denke, sie haben eine gründliche und gute Vorarbeit braucher werden künftig besser beraten und informiert, geleistet. Ich darf mich auch sehr herzlich bei den Be- und zwar vor Abschluss eines Versicherungsvertrags. richterstatterinnen und Berichterstattern aller Parteien Das sogenannte Policenmodell, bei dem der Versiche- – leider kann ich die Linksfraktion bzw. die PDS hierbei rungsnehmer erst nachträglich die maßgeblichen Infor- nicht einschließen – bedanken. Ich darf folgende Perso- mationen erhält, wird abgeschafft. Keine Sorge, lieber nen ein bisschen hervorheben – ich hoffe, die anderen Bernhard, die Versicherungsvertreter werden künftig sind mir deswegen nicht böse –: Herrn Wanderwitz, den nicht mit einem Kleinlastwagen durch die Gegend fah- Fachmann Brinkmann und vor allen Dingen Dirk ren müssen. Sie haben alle Informationen auf ihrem Lap- Manzewski, der mit ruhiger Hand, wie das bei Sozialde- top; da bin ich mir sicher. mokraten so üblich ist, (Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: (Julia Klöckner [CDU/CSU]: Wenn die mal Ich habe da keine Sorge!) nicht einschläft!) – Ich weiß. durch alle Fährnisse dieser Beratungen geführt hat. Da- bei sind wir zu einem guten Schluss gekommen. Die Verbraucher sollen auch erfahren, was sie ein be- stimmter Vertrag kostet. Vor allem bei der Lebensver- Vielen Dank. sicherung müssen die Abschluss- und Vertriebskosten in Zukunft vor Vertragsabschluss offengelegt werden. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11167

(A) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: ministerium durch eine Rechtsverordnung festgelegt (C) Das Wort hat jetzt die Kollegin Mechthild Dyckmans werden soll. Ich bin der Ansicht, dass es Sache des Ge- von der FDP-Fraktion. setzgebers ist, die künftig mitzuteilenden Informationen selber in concreto festzulegen, da es sich hierbei um (Beifall bei der FDP) grundlegende gesetzgeberische Vorgaben handelt. Es kann und darf uns nicht egal sein, welche konkreten In- Mechthild Dyckmans (FDP): formationen den Versicherten vor Vertragsabschluss Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um übermittelt werden müssen, damit diese eigenverant- es gleich vorwegzunehmen: Gerne hätte ich dem Gesetz- wortlich ihre Entscheidung für oder gegen eine Versiche- entwurf der Bundesregierung in Übereinstimmung mit rung fällen können. möglichst allen Fraktionen heute zugestimmt. Machen wir es doch so: Fügen wir dem Versiche- (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Machen Sie rungsvertragsgesetz eine Anlage wie die zu § 48 b des aus Ihrem Herz keine Mördergrube! – Joachim Versicherungsvertragsgesetzes bei. 2004 war eine solche Stünker [SPD]: Machen Sie es doch! Wir sa- vom Parlament beschlossene Anlage noch möglich. Das gen es auch nicht weiter!) hätten wir uns auch in diesem Fall gewünscht. Aber die Umsetzung der von meiner Fraktion strikt ab- Kritisch sehen wir auch die neuen Regelungen zum gelehnten Gesundheitsreform mit ihren verfassungs- Direktanspruch. Ursprünglich hatte die Bundesregie- rechtlich äußerst bedenklichen Regelungen zur Einführung rung vorgeschlagen, den Geschädigten in allen Pflicht- eines Basistarifs für private Krankenversicherungen versicherungen einen Direktanspruch gegen die Versi- – diese Regelungen wurden in letzter Minute durch cherung des Schädigers einzuräumen. Begründet wurde Art. 11 des Gesetzentwurfs eingefügt – dies mit dem bereits im geltenden Recht vorgesehenen (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Direktanspruch in der Kfz-Haftpflichtversicherung. Bei Das ist wirklich vorgeschoben!) anderen Pflichtversicherungen – hier sind insbesondere die Berufshaftpflichtversicherungen bestimmter selbst- macht es meiner Fraktion unmöglich, diesem Gesetzent- ständiger Berufe zu nennen – sind allerdings sowohl die wurf heute zuzustimmen. Schadensumstände als auch die Rahmenbedingungen (Joachim Stünker [SPD]: Das ist geltendes völlig andere. Im Übrigen gilt: Wenn es nicht nötig ist, Recht!) eine Vorschrift zu erlassen, ist es nötig, keine Vorschrift zu erlassen. Dies ist umso bedauerlicher, als der Gesetzentwurf in weiten Teilen zu begrüßen und zu unterstützen ist. Es (Beifall bei der FDP – Dr. Jürgen Gehb [CDU/ (B) (D) wurde dringend Zeit, ein 99 Jahre altes Gesetz zu moder- CSU]: Oh! Das war Montesquieu, der be- nisieren und es den heutigen Gegebenheiten anzupassen. rühmte schwedische Abfahrtsläufer!) Gerade der Schutz der Versicherungsnehmer und damit Den Vertretern des Bundesministeriums der Justiz der Verbraucher musste gestärkt werden. Auch die Um- war es in den Berichterstattergesprächen nicht möglich, setzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts uns wenigstens eine Handvoll Fälle zu präsentieren, in und des Bundesgerichtshofes war notwendig. denen ein Direktanspruch nötig gewesen wäre. Auch Lange und heftig wurde von Anfang an über die Ab- wenn der Direktanspruch nach der deutlichen Kritik, die schaffung des Policenmodells diskutiert. Für die einen in den Beratungen geäußert wurde, nun auf die Fälle der war nicht nachvollziehbar, weshalb dem Verbraucher im Insolvenz und des unbekannten Aufenthalts des Schädi- Versicherungsrecht anders als bei Vertragsabschlüssen in gers reduziert wurde – Herr Hartenbach hat darauf hin- allen anderen Bereichen die notwendigen Informationen gewiesen –, konnte uns auch insoweit kein wirkliches erst nach Vertragsabschluss zusammen mit der Police Bedürfnis nach einem Direktanspruch nachgewiesen zukommen sollten. Für die anderen war nicht einsichtig, werden. weshalb ein Modell, das in der Praxis zu keinen großen Leider ist die Koalition in dieser Frage vor dem Bun- Schwierigkeiten geführt hat, verändert werden sollte. desjustizministerium eingeknickt. Letztendlich war uns allen aber klar, dass wir die (Joachim Stünker [SPD]: Machen wir nie! – Vorgaben der EU zu beachten haben. Das von der EU- Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kommission gegen Deutschland angestrengte Vertrags- Wir sind auch dafür, Frau Kollegin! – verletzungsverfahren birgt eine so große Rechtsun- Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: Wir sicherheit für die bereits laufenden Verträge, dass es ver- knicken höchstens um, nie ein!) antwortungslos gewesen wäre, das Policenmodell beizubehalten. Es wäre besser gewesen, meine Herren, Sie wären bei Ihrer eindeutig geäußerten generellen Ablehnung des Di- (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist richtig!) rektanspruchs geblieben. Ich denke, wir sind uns alle ei- Wie Sie sehen, sind wir mit vielen Punkten einverstan- nig, dass dieses Gesetz ein Meilenstein in der Geschichte den. des Versicherungsvertragsrechts ist. Nun zu einigen kritischen Punkten. Für meine Frak- (Joachim Stünker [SPD]: Sehr gut! – Jerzy tion ist es nicht haltbar, dass künftig der genaue Inhalt Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na der vorvertraglichen Informationen vom Bundesjustiz- also!) 11168 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Mechthild Dyckmans (A) Viele Veränderungen werden sich aber erst im Laufe sei- mittlerweile ein anderes als das von 1908: Heute ist der (C) ner Umsetzung zeigen. Verbraucher eigenverantwortlich und selbstbestimmt. Der Interessenausgleich zwischen Versicherten und Ver- Damit bin ich beim letzten Punkt meiner Kritik: Die sicherungen, aber auch zwischen den verschiedenen In- im Gesetzentwurf vorgesehene Frist, innerhalb derer die teressen innerhalb der Versichertengemeinschaft ist Versicherungswirtschaft dies umsetzen muss, ist zu heute anders und prägt dieses Gesetz. knapp bemessen. Wir bringen damit heute ein weiteres – das Urheber- (Joachim Stünker [SPD]: Nein! Die schaffen recht ist heute schon besprochen worden – gewichtiges das!) rechts- und verbraucherpolitisches Vorhaben der Bun- Die bestehenden Verträge – es handelt sich hierbei, wie desregierung in den Hafen. Wir tun dies deutlich vor wir alle wissen, um circa 430 Millionen Verträge; allein dessen Inkrafttreten zum 1. Januar 2008 und geben da- 94 Millionen davon sind Lebensversicherungen – müs- mit der Versicherungswirtschaft die notwendige Zeit zur sen laut Gesetzentwurf bis zum 31. Dezember 2008 auf Vorbereitung. die neuen Regelungen umgestellt worden sein. Dies ist (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- unseres Erachtens nicht zu schaffen; für diese Mammut- neten der SPD) aufgabe scheinen uns zwei Jahre notwendig, aber auch angemessen. Vieles hat Kollege Staatssekretär Hartenbach schon gesagt, und Richtiges muss man nicht wiederholen. (Beifall bei der FDP) Hinzu kommt, dass noch zwei Kollegen für meine Frak- Die genannten Kritikpunkte wären für uns alleine tion sprechen und auf den einen oder anderen Punkt ein- kein zwingender Grund gewesen, dieses Gesetz abzuleh- gehen werden, sodass ich mich auf einige wenige Punkte nen. Es liegt an der Umsetzung der Gesundheitsreform beschränken möchte. Denn es gab doch manche Verän- in diesem Gesetzentwurf, die es uns unmöglich macht, derungen am vorliegenden Entwurf, von denen ich ei- dem heute zuzustimmen. nige für die Union in Anspruch nehme. Danke schön. Zum einen gibt es Veränderungen – die ich für Ver- besserungen halte – rund um § 169. Ich habe schon in (Beifall bei der FDP) meiner ersten Rede vor diesem Hohen Hause gesagt, dass ich Rückwirkungen auf Bestandsverträge im Be- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: reich der Lebensversicherungen für kein gutes Zeichen Das Wort hat jetzt der Kollege Marco Wanderwitz halte. Wir haben natürlich Änderungsbedarf: gemäß der von der CDU/CSU-Fraktion. höchstrichterlichen Rechtsprechung; das ist völlig klar. (B) (D) (Beifall bei der CDU/CSU) Uns ist aufgegeben worden, diese Veränderungen in 2008 umzusetzen. Aber Bedarf, in bestehende Verträge einzugreifen, haben wir nie gesehen. Deswegen freut es Marco Wanderwitz (CDU/CSU): uns, dass in dem heute zu beschließenden Gesetzentwurf Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am in diesem Bereich keine Rückwirkungen mehr vorhan- 1. Februar haben wir in erster Lesung über das heute ab- den sind. Das bedeutet für die Versicherten und für die zuschließende Gesetzgebungsverfahren debattiert. Kol- Versicherer – sprich: für beide Vertragspartner –: Was lege Staatssekretär Hartenbach hat schon gesagt: Wir abgeschlossen worden ist, behält Gültigkeit; es finden haben in einer relativ kurzen Zeit umfängliche parlamen- keine rückwirkenden Eingriffe in Kalkulationen und in tarische Beratungen hinter uns gebracht, unter anderem Verträge statt. Das ist für mich ein gewichtiger Punkt. eine Expertenanhörung, die aus meiner Sicht erheblich zur Erhellung beigetragen hat. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass wir zum Die Unionsfraktion hat sich zudem – nicht als einzige, einen eine umfangreiche und gute Zuarbeit der für das aber auch – dagegen gewandt, einen generellen Direkt- Versicherungsvertragsgesetz eingesetzten Experten- anspruch einzuführen. Ich glaube, wir sind mit den bei- kommission hatten und zum anderen einen bereits sehr den kleinen Erweiterungen – wir sind also weit entfernt guten Entwurf vom BMJ vorgelegt bekamen. Von daher von einem generellen Direktanspruch in den Pflichtver- möchte ich den Mitgliedern der Kommission ebenso wie sicherungen –, die ich für sinnvoll erachte, Frau Kollegin den Beamten im BMJ, den Experten aus der Anhörung Dyckmans, und derentwegen wir dem auch zustimmen und nicht zuletzt den Berichterstatterkollegen an dieser werden, auf einem guten Weg, was die Pflichtversiche- Stelle danken. Da in einer Koalition durchaus einmal er- rungen betrifft. wähnt werden sollte, wo es ausgesprochen gut funktio- Schließlich möchte ich in der Kürze der Zeit noch das niert hat, möchte ich mich insbesondere beim Kollegen Recht der privaten Krankenversicherungen ansprechen. Manzewski bedanken, der an vielen Stellen für die Wir haben, was den Datenschutz betrifft, höchstrichterli- Rechtspolitik der SPD Verantwortung übernimmt. che Rechtsprechung umzusetzen. Es muss jedem mög- Das heute zu beschließende Gesetz ist ein mutiges lich sein, Einzeleinwilligungen in die Übermittlung von Gesetz; auch das ist schon gesagt worden. Es hat sich Gesundheitsdaten zu geben; diese Möglichkeit ist ge- nicht mehr gelohnt, das Gesetz, das fast hundert Jahre alt fordert. Der ursprüngliche Entwurf des BMJ sah vor, war, weiter zu verbessern. Wir haben es gewagt, es kom- dass das zum Regelfall wird. Wir haben jetzt eine plett neu zu machen. Das Leitbild des Verbrauchers ist Änderung, wonach es zumindest zwei nebeneinander Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11169

Marco Wanderwitz (A) stehende Alternativen gibt: auf der einen Seite die Einzel- der Bundesregierung auch nicht mehr erwartet haben. (C) einwilligung, auf der anderen Seite die weiterhin mögli- Denn selbst diesen verhältnismäßig bescheidenen finan- che pauschale Einwilligung zu Vertragsbeginn oder der ziellen Zugewinn für die Bürgerinnen und Bürger jederzeitige Wechsel zwischen diesen beiden Möglich- musste erst das Bundesverfassungsgericht erzwingen. keiten während der Vertragslaufzeit. (Beifall bei der LINKEN) Ganz besonders liegt mir am Herzen, dass der, der be- stellt, auch bezahlen muss. Die Versicherungsnehmer, Bekanntermaßen verteilt die momentane Mehrheit die das wünschen, müssen also die Mehrkosten selbst dieses Hauses Geschenke in der Regel lieber an die gro- tragen und nicht der Teil der Versichertengemeinschaft, ßen Unternehmen. Damit wären wir bei der Kritik, die der das für sich nicht in Anspruch nimmt. zu üben leider Anlass besteht. Ich möchte drei Punkte ansprechen. Ich finde es sehr bedauerlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dass bei all der Zustimmung an Erstens. Der Entwurf koppelt den Umfang der Bera- einem relativ kleinen Punkt das Haar in der Suppe ge- tungspflicht des Versicherers an die Höhe der Prämien, sucht wird. die der Versicherungsnehmer leistet. Dies ist jedoch bei Haftpflichtversicherungen extrem gefährlich. Bei diesen (Birgit Homburger [FDP]: Das ist ein zentraler sind in der Regel nur verhältnismäßig geringe Prämien Punkt, Herr Kollege!) zu leisten. Aber gerade bei dieser Art der Versicherung Es war ein zentraler Punkt bei der Gesundheitsreform. kann eine oberflächliche Beratung existenzgefährdende Folgen haben. Wenn der Versicherungsnehmer erst nach- (Birgit Homburger [FDP]: Es bleibt ein träglich merkt, dass er falsch versichert ist, zahlt er dann zentraler Punkt!) nämlich im Extremfall ein Leben lang. Es gab dazu eine Abstimmung in diesem Hause. Wenn Zweitens. Hat der Versicherungsnehmer eine ihm ob- man etwas, das schon im Gesetzblatt steht, inhaltsgleich liegende Vertragspflicht verletzt, wird vermutet, er habe in ein anderes Gesetz überträgt, kann man sich natürlich dies grob fahrlässig getan. Dies verstößt meines Erach- so verhalten, wie Sie es getan haben. Das ist Ihr gutes tens gegen die allgemeine Systematik des Zivilrechts. Recht. Aber es hätte Ihnen gut zu Gesicht gestanden, Wenn der Versicherungsnehmer beispielsweise eine Frist wenn Sie wie die Kolleginnen und Kollegen von den nicht gewahrt hat, muss er beweisen, sich nicht dümmer Grünen mit uns – bei allen Kritikpunkten und ähnlich, angestellt zu haben, als die Polizei erlaubt. Dieser Nach- wie es beim Urheberrecht gang und gäbe ist – einen brei- weis dürfte ihm naturgemäß oftmals gar nicht möglich ten Konsens gesucht und gefunden hätten und sich zur sein, was zur Folge hat, dass der Versicherer die Versi- Zustimmung durchgerungen hätten. (B) cherungsleistung beachtlich kürzen kann. Hierdurch (D) Danke schön. werden Versicherer geradezu ermutigt, pauschal grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers zu behaupten (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie und nur einen Bruchteil der von ihnen geschuldeten Ver- bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE sicherungsleistung zu zahlen. GRÜNEN) Drittens. Unterlässt der Versicherer die Belehrung Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: über das Widerrufsrecht, muss er richtigerweise hin- Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Barbara Höll von nehmen, dass der Versicherungsnehmer den Versiche- der Fraktion Die Linke. rungsvertrag prinzipiell unbefristet widerrufen kann. Al- lerdings muss der Versicherer die Prämie dann nur für (Beifall bei der LINKEN) das erste Versicherungsjahr zurückzahlen. Im Bereich der kapitalbildenden Versicherungen wird aber niemand Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): die Versicherung widerrufen, wenn er die gezahlten Prä- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die mien nicht zurückbekommt. Diese Beschränkung der Fraktion Die Linke begrüßt viele Neuerungen, die in Rückzahlungspflicht ist Unsinn oder eine gewollte fakti- dem Gesetzentwurf zur Reform des Versicherungsver- sche Einschränkung des Widerrufsrechts auf den Zeit- tragsgesetzes verankert sind. Diese gehen zum Teil auf raum von einem Jahr. In jedem Fall widerspricht sie der die jahrelange Vorarbeit der Kommission zur Reform Rechtsprechung des EuGH. des Versicherungsvertragsgesetzes zurück. Die Reform führt zu einigen grundlegenden und überfälligen Verbes- (Beifall bei der LINKEN) serungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie An diesen Punkten hat sich die Große Koalition be- müssen besser beraten und informiert werden, das Alles- wusst für die Lobby der Versicherungsunternehmen und oder-Nichts-Prinzip wird endlich aufgegeben, und das gegen die Interessen der Verbraucherinnen und Verbrau- Policenmodell entfällt. cher entschieden. Wichtiger ist noch, dass nunmehr die Inhaber von Le- (Marco Wanderwitz [CDU/CSU]: Scheinhei- bensversicherungen endlich zur Hälfte an den stillen lig! – Joachim Stünker [SPD]: Nun reicht es Reserven beteiligt werden sollen, die mit ihrem Vermö- aber! Wirklich! An nichts teilnehmen und gen und dem Vermögen anderer Versicherter erwirt- dann solche Sprüche machen! Also wirklich!) schaftet wurden. Zwar halten wir eine 50-prozentige Be- teiligung für zu gering, ich gestehe aber, dass wir von – Das ist einfach so. 11170 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Dr. Barbara Höll (A) Lassen Sie mich noch auf einen anderen Punkt hin- freien Rechtschöpfung wurden viele Institute im Versi- (C) weisen, bei dem ich an ein Versehen glaube. Vielleicht cherungsrecht entwickelt, zum Beispiel zur vorläufigen hören Sie mir zu. Deckungszusage und zum Bereich der Berufsunfähig- keit. Wir ziehen mit der Gesetzesänderung jetzt nach. (Joachim Stünker [SPD]: Ich höre zu!) Sie kommt spät, aber sie ist äußerst intensiv vorbereitet Ich hoffe, dass ich hier auch zu Ihnen durchdringen worden. Nun kommt sie, und ich glaube, dass das für die kann. Millionen Menschen, die mit Versicherungen zu tun ha- ben, die also Kunden von Versicherungsgesellschaften (Julia Klöckner [CDU/CSU]: Keine Chance!) sind, ein enormer Fortschritt ist. Beantragt der Versicherungsnehmer eine Versiche- Ich will drei große Punkte erwähnen: rung, aber der Versicherer stellt einen abweichenden Versicherungsschein aus, dann hat der Versicherungs- Erstens. Die Kollegen der Koalition haben in den Be- nehmer die Möglichkeit, zu widersprechen. Auf die Än- ratungen erkennbar immer so getan, als ob sie damit gar derungen und auf das Widerspruchsrecht muss der Versi- nicht sehr zufrieden sind, erklären das jetzt aber zu ei- cherer hinweisen. Tut er dies nicht, dann gilt der Vertrag nem großen Punkt. Ich bekenne mich: Ich finde das als mit dem Inhalt des Antrags des Versicherungsneh- Ende des Policenmodells richtig gut. mers geschlossen. Diese Vorschrift führt in der Regel zu angemessenen Ergebnissen. Allerdings – darauf möchte Ich glaube, in der heutigen Welt ist es nicht mehr rich- ich Sie hinweisen – sind durchaus Fälle denkbar, in de- tig, dass man den Bürgerinnen und Bürgern zumutet, nen diese Vorschrift zu Rechtsfolgen führt, die der ver- dass sie Verträge abschließen und den Inhalt erst hinter- braucherfreundlichen Intention der Norm widerspre- her zugeschickt bekommen. Es wird natürlich bürokrati- chen. sche Probleme geben, die die Versicherungswirtschaft zu lösen haben wird. Ich finde es aber in Ordnung, dass der Hat der Versicherungsnehmer über die gesamte Ver- Grundsatz, dass man erst liest und zur Kenntnis nimmt tragslaufzeit die höheren Prämien nach den Vorgaben und dann unterschreibt, endlich auch so im Gesetz steht. des Versicherungsscheins gezahlt und hat er nach diesem auch einen Anspruch auf höhere Zahlungen des Versi- Zweitens ist auch die Aufgabe des Alles-oder-nichts- cherers, so wird durch den bestehenden § 5 Abs. 3 des Prinzips – bei Vertragsstörungen also vernünftig und an- Versicherungsvertragsgesetzes bewirkt, dass der Versi- gemessen zu reagieren und nicht immer gleich mit der cherungsnehmer trotz Zahlung der höheren Prämie nur Beendigung des Vertrags oder der Auflösung aller An- die niedrigere Versicherungsleistung verlangen kann. sprüche zu drohen – aus meiner Sicht in Ordnung. Das ist widersprüchlich und ungerecht. Ich gehe davon Drittens sind auch die weitreichenden Informations- (B) aus, dass Sie das mit Ihrem Gesetzentwurf nicht wollen. und Beratungspflichten, die im Gesetzentwurf imple- (D) (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) mentiert sind, ein großer Pluspunkt. Mit diesem Gesetz- entwurf ist der Versicherungskunde zwar immer noch Diesen und die weiteren Mängel des Gesetzes können kein König; er ist aber auch kein Bettler mehr. Sie relativ einfach beseitigen. Wir haben Ihnen für die heutige abschließende Beratung einen Änderungsantrag Wir Grüne haben zuerst in der Regierung und jetzt in unterbreitet. Dies ist einer der Punkte. Ich fordere Sie der Opposition bei den Beratungen des Gesetzentwurfs auf, unserem Änderungsantrag zu folgen. Ansonsten mitgearbeitet. Wir haben uns eingebracht und Vor- können wir dem Gesetzentwurf heute leider nicht zu- schläge gemacht, mit denen wir uns zum Teil auch stimmen. durchsetzen konnten. Wir tragen die Reform mit und werden dem Gesetzentwurf zustimmen. Ich danke Ihnen. Ich will in der Kürze der Zeit allerdings auch einige (Beifall bei der LINKEN – Dr. Jürgen Gehb kritische Punkte anmerken. Der Direktanspruch in der [CDU/CSU]: Das macht uns jetzt natürlich Pflichtversicherung ist eingeschränkt worden; auch nachdenklich! – Marco Wanderwitz [CDU/ Staatssekretär Hartenbach hat das mit einem Unterton CSU]: Wir erwarten auch nichts anderes!) des Bedauerns festgestellt. Ich glaube allerdings nicht, dass das ein herausragender Punkt ist, der uns zu einer Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ablehnung zwingen müsste. Denn die Ausnahmen, die Das Wort hat der Kollege Jerzy Montag vom Bünd- jetzt vorgesehen sind, sind ein kleiner Schritt nach nis 90/Die Grünen. vorne. Ich kann nichts Schlimmes daran finden, dass der Versicherte dann, wenn er Schwierigkeiten hat, den Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schädiger in Haftung zu nehmen, einen Direktanspruch Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das bei der Versicherung geltend machen kann. Gesetz, das wir heute fast alle gemeinsam reformieren (Frank Schäffler [FDP]: Und wenn er ihn gar – wir bringen die Reform zu Ende –, ist noch vom Deut- nicht kennt?) schen Kaiser und König von Preußen vor genau 100 Jah- ren verordnet worden. – Auch dann, wenn er ihn nicht kennt, kann er den Di- rektanspruch geltend machen. In dieser Zeit hat sich ein enormer Änderungsbedarf ergeben. Die Praxis hat in den Jahrzehnten nicht auf den (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Beim Feuer- Gesetzgeber gewartet, sondern in der Praxis und in der wehrhauptmann oder wo?) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11171

Jerzy Montag (A) Genau das sind die beiden Ausnahmen, die beibehalten Dirk Manzewski (SPD): (C) worden sind. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Freunde der Rechtspolitik! Als sich die Bundesregierung Dass die im Gesetzentwurf vorgesehene Beratungs- des VVG angenommen hat, hat sich sehr schnell die Er- pflicht zwei Bedingungen unterliegt, haben wir in den kenntnis durchgesetzt, dass punktuelle Änderungen oder Beratungen gerügt. Wir meinen, dass eine Bedingung Ergänzungen nicht mehr ausreichen, sondern dass eine ausreichen würde. Es bleibt abzuwarten, wie sich das in Gesamtreform notwendig ist. der Praxis entwickelt. Denn dass der Vertreter der Versi- cherung, bevor er überhaupt in die Beratung eintritt, ein- Mein Dank gilt daher zunächst dem BMJ und seinen seitig in seiner Sphäre eine Entscheidung treffen kann, Mitarbeitern, namentlich Herrn Schäfer und Herrn ob er beraten muss oder will, und – wenn er zu der Über- Schöfisch. Denn bereits die Diskussion mit den betroffe- zeugung kommt, eine Beratung durchzuführen – in einer nen Kreisen und die Anhörung haben gezeigt, dass uns zweiten Stufe dem Versicherten anbieten kann, darauf zu ein meiner Auffassung nach hervorragender Gesetzent- verzichten, wenn er einen Revers unterschreibt, dass er wurf vorgelegt worden ist. die Haftung übernimmt, ist meines Erachtens ein Schritt Die Gewinner dieses Gesetzes werden eindeutig – das zu viel. muss man so deutlich sagen, Herr Kollege Montag und Auch die Frage der Beweislast ist kritisch zu sehen. Frau Kollegin Dr. Höll – die Verbraucherinnen und Es ist zwar ein Vorteil gegenüber der jetzigen Rechts- Verbraucher unseres Landes sein. Lassen Sie mich dies lage, dass wir nun bei grober Fahrlässigkeit eine Auftei- kurz konkretisieren. lung des Schadens erreichen können. Aber wer dann die Erstens. Durch die Abschaffung des Policenmodells Beweislast trägt, ist immer noch anders geregelt als im und die neugestalteten §§ 6 und 7 des VVG wird es kei- allgemeinen Zivilrecht. Wenn es dabei zu Problemen nen anderen Bereich geben, in dem die Verbraucher be- kommt, werden wir uns nicht erst in 100 Jahren, sondern reits vor Vertragsschluss derart umfassende Informatio- früher damit befassen müssen. nen und Beratungen über den Vertragsgegenstand Erlauben Sie mir eine abschließende Bemerkung. Es erhalten. war unschön, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen Zweitens. Dies wird – sozusagen als Nebeneffekt – von der Koalition, die Regelung zur privaten Kranken- dazu führen, dass den Verbrauchern im Streitfall auch versicherung so spät und nur im Rahmen der letzten Un- die Beweisführung erleichtert wird. terlagen in den Gesetzentwurf übertragen haben. Aber, liebe Kollegen von der FDP, die Tatsache, dass Sie und Drittens. Da der Versicherungsnehmer grundsätzlich wir dagegen waren, kann doch kein Grund sein, gegen nur noch ihm bekannte Umstände anzeigen muss, nach (B) den Entwurf des Versicherungsvertragsgesetzes zu stim- denen der Versicherer zuvor in Textform gefragt hat, (D) men. liegt das Risiko einer Fehleinschätzung in der Frage, ob nun ein bestimmter Umstand für das Versicherungsver- (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch hältnis wichtig gewesen ist oder nicht, nicht mehr bei der Abg. Birgit Homburger [FDP]) den Versicherungsnehmern, sondern bei den Versiche- Dies ist eine absolut inhaltsgleiche Übertragung eines rern. geltenden Gesetzes, das uns nicht gefällt. Ich finde, in Viertens. In bestimmten Fällen, wenn der Aufenthalt diesem Zusammenhang reicht, was ich jetzt zu Protokoll des Schädigers unbekannt ist oder über sein Vermögen geben werde: Ich erkläre für die Grünen, dass die Zu- das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, wird der Ver- stimmung zum Versicherungsvertragsgesetzentwurf braucher – das wurde bereits angesprochen – sogar einen nicht implizit als Zustimmung zu dem Gesetzentwurf ge- Direktanspruch gegen die Versicherung des Schädigers deutet werden kann, den wir damals abgelehnt haben. erhalten. Das ist ein Fortschritt; das kann man nicht weg- Damit soll es genug sein. Ich glaube, das reicht. diskutieren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Fünftens. Soweit der Versicherungsnehmer bislang Wir sollten dem Gesetzentwurf allseitig unsere Zustim- gezwungen war, seinen Anspruch auf die Versicherungs- mung geben. leistung binnen sechs Monaten geltend zu machen, wird diese im Grunde genommen einseitige Verkürzung der Danke schön. Verjährungsfrist zulasten der Versicherungsnehmer weg- fallen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hellmut Königshaus [FDP]: Sechstens. Das Alles-oder-nichts-Prinzip wird weg- Eine Zustimmung, die keine Zustimmung fallen. Das bedeutet – für diejenigen, die sich nicht aus- ist! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Eine kon- kennen –, dass der Versicherungsnehmer künftig selbst ditionierte Zustimmung! – Gegenruf des Abg. bei grob fahrlässigem Verhalten, abgestuft nach der Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schwere seines Verschuldens, Leistungen erhält. Das ist Keine konditionierte Zustimmung!) neu und gut für den Verbraucher. Siebtens. Bei der Lebensversicherung wird der Versi- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: cherungsnehmer künftig mittels einer Modellrechnung Das Wort hat jetzt der Kollege Dirk Manzewski von vorab darüber informiert werden, welche Leistungen ihn der SPD-Fraktion. realistischerweise erwarten werden. 11172 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Dirk Manzewski (A) Achtens. Der Versicherungsnehmer wird zukünftig Lassen Sie mich zum Schluss kommen und mich ab- (C) richtigerweise an den stillen Reserven der Versicherung schließend bei den Verbraucherschützern der Koalition, beteiligt werden. namentlich bei Frau Klöckner und Herrn Zöllmer, bei meinem Kollegen Bernhard Brinkmann von der SPD so- Neuntens. Der Rückkaufswert der Lebensversiche- wie bei den Kollegen Wanderwitz und Flosbach von der rung wird künftig nicht mehr nach dem Zeitwert, son- CDU/CSU für die sehr konstruktive Zusammenarbeit dern nach dem Deckungskapital der Versicherung und bedanken. Wir haben sehr viele Termine gemeinsam damit nach einer feststehenden Größe berechnet werden. wahrgenommen, um zu diesem Ergebnis zu kommen. Zehntens. Die Abschlusskosten der Lebensversiche- Ich glaube – das mache ich ganz deutlich, Frau Klöckner –, rung werden auf die ersten fünf Jahre verteilt, sodass der dass heute ein guter Tag für die Verbraucherinnen und Rückkaufswert von Lebensversicherungen in diesen ers- Verbraucher in unserem Lande ist. ten fünf Jahren höher ausfallen wird. Frau Kollegin Dr. Höll, lassen Sie mich abschließend Elftens. Wird der Versicherungsvertrag im Laufe des Kritik äußern – darüber haben wir schon vorhin im Rah- Versicherungsjahres gekündigt, muss der Versicherungs- men der Debatte über das Urheberrecht gesprochen –: nehmer die Prämie künftig nur bis zu diesem Zeitpunkt Der Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Urheber- und nicht mehr bis zum Ende der Versicherungsperiode rechts war für die Rechtspolitik das wichtigste Vorhaben zahlen. in diesem Jahr. Ich meine, die Reform des Versiche- rungsvertragsrechts war von seinem Umfang her das Zwölftens. Künftig können alle Versicherungsver- zweitwichtigste Vorhaben in diesem Jahr. Sie waren bei träge unabhängig vom Vertriebsweg und ohne Angaben den Beratungen nicht dabei. Ich glaube, Sie sind nicht von Gründen binnen zwei Wochen – bei Lebensversi- die federführende Berichterstatterin im Rechtsausschuss; cherungen binnen 30 Tage – widerrufen werden. vielleicht treffe ich mit meiner Kritik die Falsche. Ich Kollege Montag, angesichts dessen kann ich durchaus empfinde es aber als eine ziemliche Frechheit, dass sich verstehen, dass man diesem Gesetzentwurf zustimmen mittlerweile bei Ihnen eingebürgert hat – klären Sie das muss, trotz aller Bedenken, die möglicherweise noch be- bitte einmal in Ihrer Fraktion –, dass kein Abgeordneter stehen. Ihrer Fraktion zu den zahlreichen Berichterstattergesprä- chen, zu denen wir einladen, erscheint, sondern nur noch Lassen Sie mich deutlich machen, dass ich persönlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht aussagefähig durchaus weiterhin mit dem Policenmodell hätte leben sind. Vielleicht hätten wir doch ein paar Bedenken Ihrer- können. Die Begründung lautet ganz einfach: Es hat sich seits aufnehmen können. bewährt, während sich das neue System erst einspielen (B) muss. Es wäre aber zu befürchten gewesen – Kollegin (Manfred Grund [CDU/CSU]: Sehr guter Hin- (D) Dyckmans hat es angesprochen –, dass uns die Beibehal- weis!) tung auf EU-Ebene um die Ohren gehauen worden wäre, Vielleicht wären Sie dann bereit gewesen, diesem Ge- sodass ich insoweit gerne unseren Verbraucherschützern setzentwurf zuzustimmen. entgegengekommen bin. Ich danke Ihnen. Auch der Direktanspruch in der jetzigen Form sowie die Abkehr vom Alles-oder-nichts-Prinzip stellen für (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie mich – das sage ich deutlich – Kompromisse dar. Soweit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE kritisiert wird, dass der Direktanspruch im ursprüngli- GRÜNEN) chen Entwurf noch weiter gefasst war, bleibt anzumer- ken, dass wir in der Koalition davon ausgegangen sind, Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: dass dies zu erheblichen Mehrkosten für die Gemein- Das Wort hat die Kollegin Julia Klöckner von der schaft der Versicherten geführt hätte. Das kann man CDU/CSU-Fraktion. kaum als verbraucherfreundlich bezeichnen. (Beifall bei der CDU/CSU) Soweit die FDP rügt – genauso wie die Grünen –, dass ihr die Einfügung der Vorschriften zur Umsetzung der Gesundheitsreform zu spät mitgeteilt worden seien, Julia Klöckner (CDU/CSU): bleibt festzuhalten, dass es sich hierbei lediglich um de- Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! ren inhaltsgleiche Übernahme handelt. Im Übrigen, Frau Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie bei jedem Gesetz Kollegin Dyckmans, lagen zwischen Übersendung und gibt es auch hier unterschiedliche Interessenlagen und der Sitzung des Rechtsausschusses viereinhalb Tage. unterschiedliche Betroffene. In diesem Fall sind es die Damit war genügend Zeit zur Kontrolle. Wir kennen Versicherer und die Versicherten. Ich bin wie mein Vor- ganz andere Gesetzgebungsverfahren, in denen Sie tat- redner, Herr Manzewski, der Meinung, dass wir eine sächlich ein oder zwei Tage vorher damit konfrontiert gute Balance zwischen denen, die Versicherungen anbie- werden. Hier kann ich die Kritik durchaus verstehen. ten und vertreiben, und den Versicherungsnehmern ge- Wenn aber insbesondere ein Wochenende dazwischen funden haben. Dass es auf beiden Seiten immer Extrem- liegt, bleibt eigentlich genügend Zeit. Frau Kollegin, zu- beispiele des Missbrauchs, der Bürokratie und des mindest bis zum heutigen Tag hätte man die Kontrolle Nichtverstehens gibt, ist sicherlich klar. Das ist so in ei- vornehmen und wenigstens jetzt im Plenum zustimmen ner Demokratie und dort, wo es unterschiedliche Interes- können. sen gibt. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11173

Julia Klöckner (A) Ich bin der Meinung, eine Reform ist nur dann sinn- Wir, die Union, aber auch die Koalitionspartner, ha- (C) voll, wenn nachher etwas Besseres herauskommt als das, ben ein ganz klares Bild vom Verbraucherschutz: Für was man vorher hatte. Wenn man diesen Maßstab anlegt, uns ist der informierte, mündige Verbraucher das Leit- dann ist die Große Koalition sehr zu loben; bild. Daher mussten wir mit dem Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts nachbessern. Die Informa- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) tionspflicht, die Informationshinweise, die Transparenz denn es kommt in der Tat etwas Besseres heraus. In sind für uns die Voraussetzung dafür, dass ein Verbrau- 100 Jahren haben sich die Bedingungen, die Anforde- cher überhaupt mündig entscheiden kann. Insofern un- rungen an die Verbraucher und auch die Angebote im- terstütze ich es ausdrücklich, dass gerade das Policen- mens verändert. Das Informationsbedürfnis der Verbrau- modell weggefallen ist. Das Policenmodell war einmalig cher ist größer geworden, und umgekehrt muss auch der in Europa. Policenmodell heißt, dass sämtliche Unterla- Versicherungsmarkt anders reagieren. Wenn man die Be- gen dem Versicherten, sprich: dem Verbraucher, erst ratungszeit von fünf Monaten in Relation zu diesen nach Unterzeichnung des Versicherungsvertrags zuge- 100 Jahren setzt, dann sieht das Ergebnis relativ gut aus. stellt werden. Der Verbraucher hat etwas unterschrieben, und die notwendigen Informationen wurden ihm später Auch ich war etwas enttäuscht über die Bedenken der zugesandt. Linksfraktion. Ich habe im Ausschuss nie etwas von den Verbraucherschützern gehört. Ich finde, das ist eine Es mag in der Praxis so gewesen sein, dass die meis- schlechte parlamentarische Vorgehensweise. ten Verbraucher nie in diese Unterlagen – häufig allzu dicke Papiere – geschaut haben. Dennoch muss die Lo- (Joachim Stünker [SPD]: Unparlamentarisch gik stimmen, und da ist der Verbraucher gefragt. Ich sogar!) finde es richtig, dass zuerst die Informationen und die Parlamentarische Debatte heißt, dass man sich zu der Unterlagen vorliegen müssen, bevor ein Versicherungs- Zeit einbringt, in der man noch gestalten kann. Das ha- vertrag unterschrieben wird. Das bewahrt den eigenstän- ben Sie leider nicht getan. digen Verbraucher aber natürlich nicht davor, selbst in diese Unterlagen zu schauen. (Abg. Dr. Barbara Höll [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage) Wir haben die notwendigen Rahmenbedingungen ge- setzt. Mehr kann der Staat auch nicht leisten. Jetzt sind – Sie haben eine Frage, und die lasse ich gerne zu. die Verbraucherinnen und Verbraucher gefordert. Sie müssen jetzt nicht mehr die Katze im Sack kaufen. Es gibt Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: auch die Möglichkeit, dass die Unterlagen per E-Mail zugestellt werden bzw. dass man sie sich aus dem Inter- (B) Frau Kollegin Höll, bitte schön. (D) net herunterladen kann. Das ist praxisgerecht und sehr pragmatisch. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Frau Kollegin Klöckner, auf den eben geäußerten Im Zusammenhang mit der Informationspflicht be- Vorwurf der nicht ausreichenden Teilnahme kann ich grüße ich sehr, dass die Beratungspflichten eingehalten jetzt nicht eingehen. Würden Sie mir trotzdem zustim- werden müssen. Eine fahrlässige Nichtberatung oder men, dass das nichtsdestoweniger die anderen Mitglie- Falschberatung kann letztlich auch zu einem Schadener- der des Hauses nicht davon befreit, sich mit inhaltlichen satz führen. Wer grob fahrlässig gehandelt hat, wer einen Vorschlägen auseinanderzusetzen und zu sehen – deswe- Beratungsfehler begangen hat oder wer seine Versicher- gen habe ich einen Punkt bewusst herausgegriffen –, ob ten nicht darüber aufgeklärt hat, dass es eine Beratungs- vielleicht ein Fehler vorliegt, der gerade bei einem um- pflicht gibt, wird für seine Nachlässigkeit aufkommen fangreichen Gesetzesvorhaben durchaus passieren kann? müssen. Auch das hat etwas mit Verantwortung und mit Wir alle wissen aus langer parlamentarischer Erfahrung, Vertrauen in die Branche zu tun. dass Nachbesserungen Da wir praktisch veranlagt sind und Bürokratie ab- (Klaus Uwe Benneter [SPD]: Dafür sind Sie bauen möchten, haben die Bundesregierung und wir Ko- doch Abgeordnete!) alitionsfraktionen auf Folgendes Wert gelegt: Wenn sich Versicherer und Versicherter darüber einig sind, dass manchmal noch in letzter Minute gut und wichtig sind. schon genügend Informationen vorhanden sind oder dass Mir ist Ihr Hinweis zu wenig. Ich erwarte schon eine in- eine Versicherung schnell abgeschlossen werden muss, haltliche Auseinandersetzung. dann kann auf die Erfüllung der Informationspflicht – Stichwort „Zusendung der entsprechenden Doku- Julia Klöckner (CDU/CSU): mente“ – verzichtet werden. Frau Dr. Höll, wir haben von Ihnen eine inhaltliche Auseinandersetzung erwartet. Das, was Sie heute prä- Ich finde es sehr gut, dass die Verbraucher künftig sentieren, ist eine populistische Auseinandersetzung; ohne Angabe von Gründen widerrufen können: bei Le- denn Sie erwarten, dass wir uns in der heutigen abschlie- bensversicherungen bis 30 Tage nach Abschluss, bei al- ßenden Beratung mit Ihren Argumenten inhaltlich ausei- len anderen Versicherungsverträgen mit einer Frist von nandersetzen, obwohl Sie sie vorher, als genau dafür 14 Tagen. Dadurch wird man der Tragweite dieser Versi- Raum war, nicht geäußert haben. Das ist Populismus. cherungen gerecht. Das Abschließen einer Lebensversi- cherung hat natürlich eine andere Dimension als das Ab- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) schließen kleinerer Versicherungen. 11174 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Julia Klöckner (A) Stichwort „Alles-oder-nichts-Prinzip“: Wie die Kol- chen Wertpapieren enthalten sind. Seit 25 Jahren streiten (C) legen schon erwähnt haben, ist die komplette Leistungs- sich Verbraucher und Versicherungsunternehmen, wem verweigerung nur noch bei vorsätzlichen Handlungen diese stillen Reserven gehören: den Versicherten, den möglich. Was die vorzeitige Kündigung angeht – das Kunden oder dem Versicherungsunternehmen und deren war uns wichtig; schließlich mussten wir dem Bundes- Aktionären? verfassungsgerichtsurteil Folge leisten –, so ist nun gere- Im ersten Entwurf des vergangenen Jahres sollten gelt, dass letztlich nicht das ganze Geld, das der Versi- noch 50 Prozent dieser stillen Reserven innerhalb von cherte bis zur Kündigung eingezahlt hat, weg ist. zwei Jahren jedem einzelnen Vertrag zugeordnet wer- Abschließend möchte ich in dieser ganzen Diskussion den. Die wirtschaftliche Folge wäre gewesen, dass die noch eines erwähnen: Verbraucher sind wir alle. Ver- Versicherungsunternehmen ihre gesamten Schwan- braucher sind auch diejenigen, die in einer Versicherung kungsmöglichkeiten, die ja existieren, nicht mehr hätten verbleiben, und nicht nur diejenigen, die eine Versiche- ausgleichen können, dass man sogar die Immobilien, rung kündigen. Ich bin wirklich sehr froh, dass wir Aktien oder Wertpapiere hätte verkaufen müssen, um die diesen Gesetzentwurf heute verabschieden. Dadurch stillen Reserven zu realisieren und den Verträgen zuzu- kommt es zu mehr Transparenz, zu mehr Wettbewerb ordnen. und zu mehr Eigenverantwortung, und das ist zum Vor- teil der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Insofern war es ein großer Erfolg, dass wir im Rah- men der Beratungen zwar an der 50-prozentigen Beteili- Ich möchte allen, die am Zustandekommen dieses Ge- gung der Verbraucher festgehalten, aber die Lösung ge- setzentwurfs mitgearbeitet haben, herzlich danken. funden haben, dass die stillen Reserven erst nach Ablauf des Vertrages zugeordnet werden, also entweder am (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ende der normalen Laufzeit oder vorher bei vorzeitiger Kündigung. Das hat den einfachen Vorteil, dass dies ge- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: nau zu kalkulieren ist. Das betrifft jährlich nur jeden Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt 20. Vertrag. Die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen, die erteile ich das Wort dem Kollegen Klaus-Peter Flosbach wir erst vor kurzem geändert haben – wir haben ja auch von der CDU/CSU-Fraktion. eine Diskussion über die stillen Reserven im Zusammen- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) hang mit den festverzinslichen Wertpapieren geführt –, machen nicht das große Problem aus, weil sie letztend- lich beibehalten werden und das Unternehmen bei einem Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Stresstest immer in der Lage ist, die Leistungen zu erfül- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und len. Lebensversicherungen oder Rentenprodukte sind ja (B) (D) Kollegen! Herr Manzewski, besonders freue ich mich Garantieprodukte, und der Verbraucher ist darauf ange- über die Anwesenheit der Kollegen aus dem Finanzbe- wiesen, dass diese Leistungen nicht nur versprochen, reich und aus dem Verbraucherschutzbereich. Auch ich sondern deren Erbringung auch eingehalten wird. möchte sie hier herzlich begrüßen. (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeord- Nach der Lektüre dessen, was in der heutigen Presse neten der SPD) zur Reform des Versicherungsvertragsrechts steht, möchte ich darauf hinweisen, dass die Versicherungs- Es ist auch ein Erfolg – Herr Wanderwitz hat darauf wirtschaft und auch die Verbraucherschützer die Novelle hingewiesen –, dass wir nicht in bestehende Verträge dieses Gesetzes außerordentlich begrüßen. Das ist nicht eingegriffen haben. Man hätte die Rückkaufswerte nur ein gutes Zeichen, sondern zeigt auch, dass wir bei durchaus auch anders berechnen können. Das hätte aber den Auseinandersetzungen um dieses Gesetz einen fai- die wirtschaftliche Folge gehabt, dass bei den Versiche- ren Ausgleich zwischen der Versicherungswirtschaft und rungsunternehmen eine Rückstellung in Höhe von bis zu den Verbrauchern geschaffen haben. Insofern ist das ein 10 Milliarden Euro – von dieser Größenordnung spricht großer Erfolg für diese Koalition. man – neu gebildet worden wäre. Dies wäre nicht zulas- ten der Versicherungsunternehmen, sondern zulasten der (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeord- Überschussbeteiligung anderer Verbraucher gegangen. neten der SPD) Die einen hätten einen höheren Rückkaufswert und die Seit dem ersten Referentenentwurf sind bereits an- anderen ein bis zwei Jahre keine Überschussbeteiligung derthalb Jahre vergangen. Insofern gibt es schon eine bekommen. Insofern bin ich froh, dass wir die Verbrau- längere Diskussion zu diesem Thema. Ich bin selbst er- cher davon entlasten konnten. staunt, wie unterschiedlich auch wir in der eigenen Par- Herr Montag und einige andere Redner haben auf das tei als Verbraucherschützer, Juristen und Wirtschaftler Policenmodell hingewiesen; auch ich möchte die letzten dieses Thema betrachten. Dennoch bin ich froh, dass wir Sekunden meiner Redezeit darauf verwenden. Wer die zusammengefunden und alle Beteiligten unter einen Hut Anhörung miterlebt und alle Experten gehört hat, der hat bekommen haben. vernommen, dass man insgesamt der Meinung war, dass Ich möchte nun ein Thema aufgreifen, das seit das deutsche Policenmodell das richtige Modell ist; denn 25 Jahren in dieser gesamten Debatte eine große Rolle es funktioniert. Die EU-Vorgaben zwingen uns aber gespielt hat, nämlich die stillen Reserven, die ja insbe- letztendlich dazu, etwas anderes umzusetzen. Deswegen sondere in Lebensversicherungsverträgen in Form von tun wir das auch. Ich weise darauf hin: Für den Verbrau- Immobilien, Beteiligungen, Aktien oder festverzinsli- cher ist wichtig, dass wir mit der Versicherungsver- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11175

Klaus-Peter Flosbach (A) mittlerrichtlinie die Pflicht zur Dokumentation des Bera- schaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu (C) tungsprotokolls eingeführt haben. dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Cornelia Behm, weiterer Abgeord- (Beifall bei der CDU/CSU) neter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ Auch wenn dem Verbraucher die Unterlagen noch vor DIE GRÜNEN Unterzeichnung des Vertrages überreicht werden, wird Schutz von Mensch und Umwelt bei Freiset- er sie niemals lesen können. Das Kleingedruckte wurde zungsexperimenten gewährleisten ja bisher mit der Police zugesandt; das war das Policen- modell. Er hatte dann – je nach Sachversicherung oder – Drucksachen 16/4556, 16/5755 – Lebensversicherung – 14 oder 30 Tage Zeit, dieses zu Berichterstattung: überprüfen oder vom Vertrag zurückzutreten. Abgeordnete Dr. Max Lehmer Ich möchte insgesamt feststellen: Dieses Gesetz ist Elvira Drobinski-Weiß gelungen. Wir von der Koalition können auf dieses Ge- Dr. Christel Happach-Kasan setz stolz sein. Über diesen Erfolg sollten wir uns freuen. Dr. Kirsten Tackmann Ulrike Höfken Ich danke für die Aufmerksamkeit. b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) richts des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Ich schließe die Aussprache. Bärbel Höhn, Cornelia Behm, Undine Kurth (Quedlinburg) und der Fraktion des BÜNDNIS- Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- SES 90/DIE GRÜNEN desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts. Der Rechts- Keine Freisetzung von gentechnisch veränder- ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf ten Pflanzen auf dem Gelände des Instituts für Drucksache 16/5862, den Gesetzentwurf der Bundesre- Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung gierung auf Drucksache 16/3945 in der Ausschussfas- in Gatersleben sung anzunehmen. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der – Drucksachen 16/4904, 16/5893 – Fraktion Die Linke vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck- Berichterstattung: sache 16/5940? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält Abgeordnete Dr. Max Lehmer Elvira Drobinski-Weiß (B) sich? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der (D) Koalitionsfraktionen, der FDP-Fraktion, der Fraktion Dr. Christel Happach-Kasan Dr. Kirsten Tackmann des Bündnisses 90/Die Grünen bei Zustimmung der Ulrike Höfken Fraktion Die Linke abgelehnt. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand- keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. zeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Ge- setzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stim- Bevor ich dem ersten Redner das Wort gebe, bitte ich men der Koalitionsfraktionen und der Fraktion des wiederum diejenigen, die der Aussprache nicht folgen Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP- wollen, den Plenarsaal zu verlassen, damit die anderen Fraktion bei Enthaltung der Fraktion Die Linke ange- der Aussprache folgen können. nommen. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat das Dritte Beratung Wort der Kollege Dr. Max Lehmer von der CDU/CSU- Fraktion. und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zu- stimmen wollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen? – (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen neten der SPD) Stimmverhältnis angenommen. Dr. Max Lehmer (CDU/CSU): Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ent- schließungsantrag der Fraktion der FDP auf Druck- Sehr verehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! sache 16/5974. Wer stimmt für diesen Entschließungs- Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns liegen heute zwei Anträge der Fraktion der antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Grünen vor, über die wir eigentlich schon monatelang Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Regie- ausgiebig diskutiert haben rungsfraktionen, der Fraktion Die Linke und der Frak- tion des Bündnisses 90/Die Grünen bei Zustimmung der (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das ist wahr, FDP-Fraktion abgelehnt. Herr Lehmer!) Ich rufe die Tagesordnungspunkte 10 a und 10 b auf: und zu denen es – ich könnte es mit einem Satz sagen – bis heute wirklich keine einzige neue Erkenntnis gibt. a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 11176 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Dr. Max Lehmer (A) Damit könnte ich meine Rede eigentlich schon wieder (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. (C) beenden. Hans-Michael Goldmann [FDP]) (Dr. [BÜNDNIS 90/DIE Es ist aber ausdrücklich festzuhalten, dass praktisch alle GRÜNEN]: Dann tun Sie es doch!) in Ihrem Antrag geforderten Sicherheitsmaßnahmen be- reits Inhalt der geltenden Zulassungsrichtlinien sind, und Aber nun habe ich mir die Mühe gemacht, noch einmal zwar ausnahmslos. Es ist selbstverständlich, dass bei der alles zu recherchieren, und darum trage ich das jetzt Freisetzung von GVO-Pflanzen diese nicht in die Nah- auch vor. rungs- und Futterkette gelangen sollen. Das wollen Der vorliegende Antrag auf Drucksache 16/4904 selbstverständlich auch wir. Das gilt besonders auch für wurde bereits am 10. Mai im Plenum behandelt und hat Pflanzen zur Herstellung von pharmazeutischen Wirk- auch den ELV-Ausschuss schon wiederholt beschäftigt, stoffen und Industrierohstoffen, den sogenannten PMPs Frau Vorsitzende, oder PMIs. Auf die will ich kurz eingehen. (Peter Bleser [CDU/CSU]: Das ist wie eine Sie verschweigen in Ihrem Antrag, dass der Nutzen Drehorgel!) von PMP für Menschen und Tiere gegenüber den gen- veränderten Pflanzen der ersten Generation, mit denen und das – ich sage es noch einmal –, obwohl es wirklich wir es bisher zu tun hatten, sehr viel deutlicher in den keine neuen Erkenntnisse gibt. Ich habe keine gefunden Vordergrund treten wird und auch tritt. PMPs und PMIs und andere auch nicht. sind vielversprechende Nutzungsmöglichkeiten der Grü- nen Gentechnik. Das möchte ich hier ausdrücklich an- Ich gehe zunächst einmal auf Gatersleben ein. Dazu führen. So werden zum Beispiel bei aktuellen Freiset- habe ich mich bereits in der Debatte im Mai umfänglich zungsversuchen an der Universität Rostock geäußert. Bei diesem Antrag geht es um zwei verschie- Kartoffellinien angebaut, die Eiweiße für die Herstellung dene Freisetzungsversuche, zum einen mit Weizen und von Impfstoffen gegen Cholera, Durchfallerkrankungen zum anderen mit Erbsen. Beide sind durch das BVL ge- und eine Kaninchenseuche enthalten. Dieser Nutzen nehmigt. Der entscheidende Punkt dabei ist: Der Leiter muss natürlich bei den Risikobetrachtungen in die der angeblich betroffenen Genbank, der neulich im Aus- Waagschale geworfen werden. Die in Ihrem Antrag for- schuss Rede und Antwort gestanden hat, Professor mulierte Aussage: Graner, sieht keinerlei Risiko für die pflanzengeneti- schen Ressourcen dieser Genbank, die im Übrigen auch Die Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflan- wir für schützenswert halten. zen, die pharmazeutische Wirkstoffe produzieren (Plant Made Pharmaceuticals – PMP), ist generell (B) (D) Auch das BVL kam in seiner der Genehmigung vo- stark risikobehaftet, rausgegangenen Sicherheitsbewertung zu dem Schluss, dass von dem Freisetzungsversuch keine schädlichen ist so pauschal einfach falsch. Einflüsse auf Menschen und Tiere sowie die Umwelt zu erwarten sind. Trotzdem sind vorsorglich zusätzliche (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sicherheitsmaßnahmen verfügt worden, die Sie alle ken- nen. Das Leibniz-Institut und das BVL haben entspre- Hier ist eine Prüfung wie bei allen anderen GVOs chende Vorsichtsmaßnahmen vorgeschrieben. Gleichzei- auch von Fall zu Fall erforderlich. An den entsprechen- tig wurden Stellungnahmen des – das betone ich – den Zulassungsrichtlinien wird sich da nichts ändern, unabhängigen Wissenschaftler- und Sachverständigen- auch nicht bei denen für PMPs. Diese Prüfung muss in gremiums der Zentralen Kommission für die Biologi- der Praxis nach den geltenden strengen Zulassungs- und sche Sicherheit und der Biologischen Bundesanstalt für Anbauregelungen für die Herstellung von biopharma- Land- und Forstwirtschaft in die Entscheidung einbezo- zeutischen Wirkstoffen selbstverständlich durchgeführt gen. Darüber hinaus wurde das BVL auch durch die werden. Das BVL entscheidet in jedem Einzelfall nach fachliche Stellungnahme des Landes Sachsen-Anhalt un- der Befragung der unabhängigen Experten von BfR, terstützt. Robert Koch-Institut, BfN und BBA über einen Freiset- zungsversuch. Erst wenn eine Gefahr auszuschließen ist, Ich halte also als Fazit noch einmal fest: Von der Frei- erfolgt die Genehmigung. Das alles sind Binsenweishei- setzung gehen nach Erkenntnissen aller Wissenschaftler ten und ist längst bekannt. Es steht in dem Gesetz, das und Experten, auch aller unabhängigen, keine Risiken Rot-Grün verabschiedet hat. aus, weder für die Genbank noch sonst irgendwie für Mensch, Tier und Umwelt. (Peter Bleser [CDU/CSU]: So ist es!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Sie verschweigen ebenfalls, obwohl der TAB-Bericht es neten der FDP) eindeutig festhält, dass die Wirkstoffe bei PMPs wesent- lich leichter wieder abbaubar sind als andere. Zudem Nun zum zweiten Antrag zur Sicherheit bei den Frei- wird es zu einem routinemäßigen Anbau, so vermute ich, setzungsversuchen. Ich gebe Ihnen ausdrücklich recht, von biotechnologisch hergestellten Heilpflanzen im wenn Sie der Sicherheit von Mensch, Tier und Um- freien Feld kaum kommen; denn die bereits geltenden welt in Ihrem Antrag oberste Priorität einräumen. Das Vorschriften für die Herstellung biopharmazeutischer war und ist auch unsere Prämisse, und zwar ohne Wenn Wirkstoffe zum Schutze der Patienten lassen dies nicht und Aber. zu. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11177

Dr. Max Lehmer (A) Um die Qualität und Sicherheit zu garantieren, wer- Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): (C) den biotechnologisch gezüchtete Pflanzen immer nur Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! dazu eingesetzt werden, große Mengen von Vor- oder Herr Lehmer, wie immer kann ich Ihren fachlichen Aus- Zwischenstufen von Wirkstoffen zu produzieren. Diese führungen nur zustimmen. Stoffe haben nicht die Wirksamkeit der Endprodukte und können deshalb auch unter denselben Bedingungen wie (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) andere biotechnologisch veränderte Pflanzen angebaut Ihrer Bewertung der Umsetzung des Gentechnikgesetzes werden. kann ich hingegen nicht zustimmen. Ich finde es ziem- lich hanebüchen, dass Sie es in Ihrer Regierungszeit im- Ihr Antrag enthält einen zweiseitigen Katalog von mer noch nicht geschafft haben, einen Entwurf eines Forderungen an die Bundesregierung, der mit den übli- Gentechnikgesetzes vorzulegen. Dies ist möglich. chen Verhinderungs- und Behinderungsstrategien der Forschung im Bereich der Grünen Gentechnik ge- (Peter Bleser [CDU/CSU]: Das liegt nicht an spickt ist. Sie scheuen sich im zweiten Antrag auch uns!) nicht, noch einmal das Thema Gatersleben aufzuneh- Wir von der FDP-Fraktion haben im Januar dieses Jahres men, auf das ich eben bereits eingegangen bin. einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Meines Fazit: Alles in allem enthält der Antrag nichts, was Erachtens ist es an der Zeit, dass Sie ebenfalls damit he- wir von Ihnen nicht schon seit Monaten kennen würden. rüberkommen. Ein solcher Entwurf war für die Zeit vor Es wird Sie daher nicht überraschen, dass wir auch die- der Sommerpause versprochen, ist aber noch immer sen Antrag ablehnen. nicht auf dem Weg. Ob Sie es bis zur nächsten Sitzung des Bundesrates am 21. September dieses Jahres schaf- Beide Anträge wie auch alle mir bisher von Ihnen be- fen, bezweifle ich mit Ihnen. kannten Äußerungen und Stellungnahmen zu diesem Der britische EU-Kommissar für Außenhandel Peter Themenkomplex reihen sich ein in die offensichtlich Mandelson forderte kürzlich eine bessere Debatte über praktizierte Strategie der rigorosen Ablehnung der Grü- gentechnisch veränderte Organismen. Ich meine, dass er nen Gentechnologie. Dies ist umso bemerkenswerter, da recht hat. Die Bewertung der Anträge der Grünen durch Sie ja bei der Entstehung des Gentechnikgesetzes selbst Herrn Lehmer zeigt, dass wir keine gute Debatte über aktiv mitgewirkt haben. Diese Strategie halten wir für die Gentechnik haben. Die gegenwärtige Debatte ist un- völlig falsch und nicht zielführend im Sinne einer not- würdig. Sie erinnert an die Zeit der Hexenverbrennung. wendigen, wissenschaftsbasierten Abwägungsstrategie. Nichts anderes ist das, was Sie hier veranstalten. Wie bei allen anderen Technologien müssen wir auch bei der Grünen Gentechnik verantwortungsvoll Chancen (Beifall bei der FDP) (B) und Risiken gegenüberstellen. (D) Dazu möchte ich einige Beispiele aus der jüngeren Wir haben bisher einen sehr mühsamen und nicht Diskussion nennen. Erstes Beispiel: Erinnern wir uns an übereilten Diskussionsprozess erlebt und an vielen Stel- Amflora. Im Dezember 2006 lobte Bundesminister len Vorschläge für einen noch höheren Anforderungs- Gabriel die umweltfreundliche gentechnisch veränderte standard für die anstehende Novellierung des Gentech- Kartoffelsorte Amflora hier im Plenum. Es ging um die nikgesetzes gemacht. Hierzu darf ich zum Schluss noch Zulassung dieser Stärkekartoffel zur industriellen Ver- einige Punkte nennen. wendung. Die Regierung stimmte im Regelungsaus- schuss ebenfalls der Zulassung zu. Jetzt, im Juli 2007, Bundesminister Seehofer hat einen gründlichen Dia- wird auf Betreiben desselben Umweltministers die Ver- log mit allen beteiligten Interessensgruppen geführt. Die schiebung der Abstimmung über die Zulassung bean- Fragen der Sicherheit und der Haftung wurden jeweils tragt. intensiv bearbeitet. Der Anbauabstand wurde auf Das verstehe, wer will. Es geht allein um den industri- 150 Meter angehoben. Wir haben die Haftungsfragen ellen Rohstoff Stärkekartoffel. Diese Regierung hat kei- nochmals gründlich abgeklärt. Wir treten für eine volle nen Kompass, Herr Lehmer. Transparenz ein, indem wir eine vollständige prozess- orientierte Kennzeichnung verlangen. Außerdem fordern (Beifall bei der FDP – Ursula Heinen [CDU/ wir einen EU-einheitlichen Saatgut-Schwellenwert. CSU]: So ein Quatsch!) Wir sind also intensiv dabei, konstruktive Lösungen Zweites Beispiel – im Agrarausschuss haben wir da- zu finden. In dieser Richtung werden wir konsequent rüber diskutiert –: In den USA wird über ein Bienen- weiterarbeiten. sterben berichtet. Deutsche Gentechnik- und Mobil- funkgegner wissen sofort per Ferndiagnose die Ursache. Vielen herzlichen Dank. Es konnten nur die ihnen verhassten Technologien sein, unabhängig davon, ob diese in den betroffenen Regionen (Beifall bei der CDU/CSU) überhaupt genutzt werden. Die Ursachen des Bienen- sterbens in den USA sind erwiesenermaßen andere. Den Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: deutschen Bienen – das ist die gute Nachricht – geht es Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Christel Happach- hervorragend. Das heißt, niemand in dieser Diskussion Kasan von der FDP-Fraktion. hat sich jemals um Bienen gekümmert. Allen ging es da- rum, Gründe für die Ablehnung der Gentechnik zu fin- (Beifall bei der FDP) den, und nichts anderes. 11178 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Dr. Christel Happach-Kasan (A) Drittes Beispiel: Der Bt-Mais MON 863 erhielt am Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, (C) 24. Juni 2005 seine Zulassung als Tierfutter. Der dama- Zweifel ernst nehmen heißt auch, Aufklärungsarbeit zu lige Umweltminister Trittin hatte zugestimmt. 2006 leisten und nicht unbegründete Ängste zu verstärken. wurde dieser Mais als Lebensmittel zugelassen. Die Si- Der Schutz von Mensch und Umwelt bei Freisetzungs- cherheitsbewertung war durch das Robert Koch-Institut versuchen ist in Deutschland gewährleistet. Daher ist der vorgenommen worden, die positive Bewertung in der Antrag überflüssig. Die Gendatenbank in Gatersleben ist Folge von der EFSA, dem BfR, dem BVL und der fran- durch die Freisetzungsversuche mit gentechnisch verän- zösischen Regierung. Die Grünen fordern aufgrund an- derten Pflanzen in keiner Weise beeinträchtigt. Auch geblich neuer Erkenntnisse ein Einfuhrverbot. Warum dieser Antrag ist überflüssig. eigentlich? Die aktuellsten Erkenntnisse berücksichtigen Sie doch nicht, liebe Grüne. Das sind nämlich die Erfah- Wir brauchen eine bessere Debatte, wie Mandelson rungen der Landwirte und der Verbraucher. sie fordert. Aber dazu werden Partner gebraucht. Wer sind diese Partner? Das können Unternehmen, Wissen- Welchen Sinn macht es, eine Fütterungsstudie aus schaftler, Institute der Ressortforschung und Wissen- dem Jahr 2003 immer wieder neu durchzukauen, obwohl schaftsorganisationen sein. Verschiedene überregionale die Praxis keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass mit Zeitungen engagieren sich. Der Bundesumweltminister, dem Mais etwas nicht in Ordnung ist? Das ist genau so, der die Stärkekartoffel heute so und morgen so bewertet, als würden Sie die Statikberechnungen Ihres Wohnhau- ist kein Partner für eine gute Debatte. Auch der Bundes- ses alle drei Monate noch einmal nachrechnen. Das tun landwirtschaftsminister, der sich vorrangig in populisti- Sie garantiert nicht. scher Weise um Stimmen in Bayern bemüht, ist kein (Beifall bei der FDP) Partner. Die Regierung ist in ihrer Zerstrittenheit eben- falls kein Partner und die Regierungskoalition – bis auf Viertes Beispiel: Die Bundesregierung stellte am einige wenige – auch nicht. 11. April dieses Jahres fest: Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Sicherheit der in der EU für den Ich fordere die Bundesregierung auf, endlich ihrer po- Anbau und den Import zugelassenen transgenen Sorten litischen Führungsaufgabe gerecht zu werden und eine gegeben ist. Zwei Wochen später wird vom BVL ein Er- sachliche Aufklärung über die vielfältigen, weltweit lass zum Monitoring des Anbaus von MON 810 im Jahr nachgewiesenen großen Chancen der Grünen Gentech- 2008 herausgegeben. Warum gibt es eigentlich im April nik zu organisieren. 2007 einen solchen Erlass? Das BVL bewertet die im ei- Ich danke für die Aufmerksamkeit. genen Erlass zitierte Literatur kritisch und kommt zu dem Schluss: Besondere Anforderungen hinsichtlich des (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Paul Risikomanagements von MON 810 bestehen aus Sicht Lehrieder [CDU/CSU]) (B) (D) des BVL nicht. Die „Welt“ berichtet darüber, das Bundesamt für Ver- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: braucherschutz und Lebensmittelsicherheit habe den Er- Das Wort hat jetzt die Kollegin Elvira Drobinski- lass auf Weisung des Ministeriums herausgegeben. Herr Weiß von der SPD-Fraktion. Minister Seehofer, es gab dafür keine Notwendigkeit. Die Fachbehörde musste entgegen ihrer eigenen fachli- Elvira Drobinski-Weiß (SPD): chen Einschätzung nach Ihrer Pfeife tanzen. Das gab es Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! übrigens schon einmal, nämlich zu Künasts Zeiten. Sehr verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir be- Die vier Beispiele zeigen: EU-Kommissar Mandelson schäftigen uns heute abschließend mit dem Antrag der hat recht. Wir brauchen eine bessere Debatte. Er mahnt Grünen „Schutz von Mensch und Umwelt bei Freiset- die Industrie, das Thema besser zu kommunizieren, und zungsexperimenten gewährleisten“. Ich möchte klarstel- er kritisiert die Mitgliedsländer, die Angst haben oder len, dass dieser Schutz nach wie vor unser oberstes Ziel nicht in der Lage sind, dieses Thema ihren Bürgerinnen ist. Dennoch können wir das grundsätzliche Misstrauen und Bürgern zu vermitteln. gegenüber Freisetzungsexperimenten und gegenüber den gesetzlichen Regelungen, nach denen sie durchgeführt (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Richtig!) werden, nicht teilen. Wir lehnen deshalb den Antrag ab. Die Bundesregierung wäre in der Lage, die Debatte Was wir aber durchaus kritisch sehen, ist der Anbau über Grüne Gentechnik besser zu gestalten. Aber sie will von gentechnisch veränderten Pflanzen, die pharma- es nicht. Minister Seehofer empfindet die sachliche Aus- zeutische Wirkstoffe produzieren. Der Bericht des Bü- einandersetzung über die Gentechnik als störend für ros für Technikfolgenabschätzung hat deutlich gemacht, seine Bewerbung um den Vorsitz der CSU. dass Freisetzungen solcher Pflanzen generell stark risi- (Beifall bei Abgeordneten der FDP) kobehaftet sind. Arzneistoffe stellen uns im Falle eines Austrags in die Umwelt vor völlig neue Probleme, denen Die „Welt“ schreibt hierzu: das derzeitige Zulassungsverfahren für GVO-Pflanzen Seehofer hat nicht geschworen, CSU-Chef zu wer- bzw. Risikobewertung und Risikomanagement nicht ge- den, sondern dem Wohl des Landes zu dienen. recht werden. Hinzu kommt, dass das Risiko solcher Freisetzungen Herr Minister, walten Sie Ihres Amtes! im Missverhältnis zum Nutzen steht; denn bei Arznei- (Beifall bei der FDP) mitteln ist schließlich eine höchst genaue Dosierung er- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11179

Elvira Drobinski-Weiß (A) forderlich. Diese Grundvoraussetzung für die Wirksam- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (C) keit ist bei den sogenannten PMPs nicht gegeben. Das DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der haben wir auch im Ausschussbericht kritisch angemerkt FDP) und eine Risiken-Nutzen-Analyse gefordert. Wir werden die sich gegen diese Technik entschieden haben. auf den Prüfstand stellen müssen, ob und wie die rechtli- Die Wahlfreiheit der Verbraucher und die Koexis- chen Grundlagen und die Sicherheitsmaßnahmen sol- tenz der unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen chen neuen Anforderungen Rechnung tragen können. müssen gewährleistet bleiben. Hier sehe ich immer Die Empfehlung des Sachverständigenrates für Um- noch ungeklärte Fragen. Die Grundvoraussetzung weltfragen, dass solche transgenen Pflanzen nur in ge- für glaubwürdige Wahlfreiheit ist Transparenz: Alle schlossenen Systemen und unter kontrollierten Bedin- Betroffenen – Landwirte wie Verbraucher – haben gungen eingesetzt werden sollten, muss ernst genommen ein berechtigtes Interesse daran, umfassend infor- werden, wenn man dem Vorsorgegrundsatz entsprechen miert zu werden, wenn sie es mit gentechnisch ver- änderten Pflanzen oder den daraus gewonnenen will. Dazu haben wir uns im Koalitionsvertrag verpflich- Produkten zu tun bekommen. Und schließlich soll- tet. ten wir in diesem Zusammenhang auch ein beson- Auch in Zukunft werden wir im Bereich Grüne Gen- deres Augenmerk auf die möglichen Folgen rich- technik mit immer neuen Fragestellungen konfrontiert ten, die sich aus einer marktbeherrschenden werden. Dazu gehört zum Beispiel der Klimawandel mit Stellung einzelner Saatgutunternehmen ergeben seinen Auswirkungen auf die Risikoabschätzung. Ein können. aktuelles Beispiel dafür findet sich in Nordrhein-Westfa- Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Auszug len. Dort werden auf einer Freisetzungsfläche am Stand- aus der Rede des Bundespräsidenten Horst Köhler vom ort Werne schon seit mehreren Jahren Freisetzungen 28. Juni anlässlich des Deutschen Bauerntags in Bam- mit der Monsanto-Maissorte NK 603 durchgeführt. berg. Ich kann mich diesen Ausführungen nur anschlie- Einem Bericht der Umweltverwaltung des Regierungs- ßen; ich denke, Sie auch. bezirks ist zu entnehmen, dass es dort auf- grund des milden Winters erstmalig zu Durchwuchsmais Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. aus dem Vorjahr gekommen ist, und zwar – ich zitiere – (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ „in erheblichem Umfang“. In dem Schreiben vom DIE GRÜNEN) 21. Juni 2007 an das Umweltministerium von Nord- rhein-Westfalen wird die Befürchtung geäußert, dass Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (B) diese Problematik auch an anderen Maisfreisetzungs- (D) standorten im gesamten Bundesgebiet von Bedeutung Das Wort hat jetzt die Kollegin Eva Bulling-Schröter von der Fraktion Die Linke. sein kann. Das birgt – wenn keine Gegenmaßnahmen ge- troffen werden – Risiken für die Koexistenz mit konven- (Beifall bei der LINKEN) tionellem und ökologischem Anbau in der Umgebung. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und dem Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der letzten Woche reiste der Bund Naturschutz mit Ini- In Werne wird der Durchwuchsmais derzeit auf der ge- tiativen, die der Gentechnik sehr kritisch gegenüberste- samten Fläche aufwendig von Hand entfernt. Ob weitere hen, durch die deutschen Lande und hat Podiumsdis- Standorte betroffen sind, ist derzeit noch nicht bekannt. kussionen an den jeweiligen Standorten der wichtigen Politikerinnen und Politiker der Koalition – also denjeni- Insgesamt aber macht dieses Beispiel die Schwierig- gen, die entscheiden und mitreden – initiiert. Auch in un- keiten der Risikoabschätzung deutlich. Die Bedingungen serem Wahlkreis, Herr Seehofer, also in , gab für den Einsatz der Grünen Gentechnik werden durch es eine solche Podiumsdiskussion. Leider hatten Sie viele Faktoren, auch durch den Klimawandel, beein- keine Zeit, was ich sehr schade fand. flusst. Milde Winter, starke Stürme, extreme Regenfälle – der Klimawandel ist zwar in aller Munde, findet aber ( [CDU/CSU]: Für wen?) bisher wenig Berücksichtigung bei der Sicherheitsbe- – Natürlich für alle. – Die Diskussion, an der unter ande- wertung von GVO. Deshalb tun Vorsorge und voraus- rem Bienenzüchter und Biobauern teilnahmen, zeigte schauende Regelungen beim Umgang mit der Gentech- noch einmal, dass viele Mitbürgerinnen und Mitbürger nik not. der Grünen Gentechnik sehr kritisch gegenüberstehen. Im „Donaukurier“ gab es dann einen Artikel mit der Wer diese Einschätzung teilt, befindet sich in sehr gu- Überschrift „Gentechnik und Seehofer in der Kritik“. ter Gesellschaft. Ich zitiere: Auf dem Bild zu diesem Artikel sieht man einen Imker, der schreibt: Koexistenz – wir fliegen 14 km2. Was da- Oberstes Ziel des deutschen Gentechnikrechts muss mit gemeint ist, wissen wir. der Schutz von Mensch und Umwelt bleiben. Wenn sich Landwirte für die Grüne Gentechnik entschei- Herr Seehofer, ich rate Ihnen: Nehmen Sie die Kritik den, darf das keine Nachteile für die Verbraucher ernst. Es waren sehr viele Leute da, die sich sehr interes- oder die Landwirte in der Nachbarschaft haben, siert gezeigt haben. Es waren nicht nur unsere Wähler 11180 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Eva Bulling-Schröter (A) oder die der Grünen anwesend, sondern auch Ihre Wäh- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C) ler. Ihre Wähler erwarten etwas. Das Wort hat jetzt die Kollegin Ulrike Höfken von Bündnis 90/Die Grünen. Ingolstadt hat sich nicht ohne Grund zur gentechnik- freien Zone erklärt, übrigens mit der Mehrheit der CSU. In Bayern gibt es immer mehr gentechnikfreie Zonen. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bevölkerung sieht, dass die Gentechnik große Ge- Sehr geehrtes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kol- fahren birgt. Diese Risiken will sie natürlich nicht einge- legen! Ich glaube eigentlich nicht, dass der Kollege hen. Dr. Lehmer bewusst die Unwahrheit sagt. Vielleicht soll- ten Sie aber eine kritischere Distanz zu dem haben, was Hier ist gesagt worden, Horst Seehofer habe sich mit man Ihnen aufschreibt. Sie haben gesagt, Frau Künast relevanten Gruppen befasst. Das stimmt. Er hat auch mit habe keine Abstandsregeln vorgelegt, aber Sie hätten dem Abt von Plankstetten diskutiert, der jetzt der Bi- eine Abstandsregel geschaffen – das sei gute fachliche schof von Eichstätt ist. Auch er ist der Meinung, dass Praxis –, nach der der Abstand 150 Meter betragen das Gentechnikgesetz nicht liberalisiert werden darf. Ich muss. meine, Horst Seehofer sollte sich diese Kritik zu Herzen (Peter Bleser [CDU/CSU]: Vorgelegt!) nehmen und dem Herrn Bischof endlich Folge leisten. Herr Dr. Lehmer und sehr geehrte Kollegen von der (Beifall bei der LINKEN – Manfred Grund CDU/CSU, ich muss Sie – auch Frau Happach-Kasan [CDU/CSU]: Ihr beklatscht aber auch alles, hat das getan – darauf hinweisen: Dieses Gesetz gibt es oder? – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ihr überhaupt noch nicht. Es gibt überhaupt keine Regeln greift aber nach jedem! Da kennt ihr nichts!) für den Abstand. Im Gegensatz zu Rot-Grün haben Sie aber den kommerziellen Anbau von MON 810 zugelas- Es wurde auch über die Frage diskutiert, wie sich die sen. Das heißt, Sie haben etwas zugelassen, aber keine SPD entscheiden würde. Die Kolleginnen und Kollegen rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen, was gute fach- aus den Naturschutzverbänden und viele kritische Bür- liche Praxis wäre. Das ist ein Unding. gerinnen und Bürger haben mir den Auftrag gegeben, Ih- nen noch einmal zu sagen: Bleiben Sie standhaft, setzen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie sich für eine gentechnikfreie Landschaft, für eine wirkliche Wahlfreiheit und für Transparenz ein. Dafür Sie müssen sich gefallen lassen, dass man die Qualität hätten Sie eine Mehrheit im Deutschen Bundestag. Auch Ihrer Politik an Ihren Aussagen misst: die Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher Auch die Forschung erfolgt immer nach dem obers- würde hinter Ihnen stehen. (B) ten Prinzip des Schutzes von Mensch und Umwelt. (D) Hier werden keine, auch nicht die geringsten Risi- Zu den Anträgen der Grünen möchte ich sagen: Wir ken von Mensch und Umwelt eingegangen. können allen Anträgen zustimmen. Wir unterstützen diese Anträge. Rede von Horst Seehofer im Deutschen Bundestag am 28. Februar dieses Jahres. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Herzlichen Glückwunsch!) Heute muss man deutlich sagen, dass die Forschung von der Gentechnikindustrie aufgrund der Genehmi- Die Bevölkerung fragt sich, warum Freisetzungsver- gungspraxis als trojanisches Pferd instrumentalisiert suche gemacht werden sollen, warum ein solches Risiko werden kann. überhaupt eingegangen werden soll. Sie wissen, was al- les schiefgehen kann. Was schiefgehen kann, zeigte uns (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) im letzten Jahr der Reis LL 601, der in den USA auf Ver- Was derzeit an Experimenten mit gentechnisch verän- suchsfeldern angebaut und in die ganze Welt verschleppt derten Pflanzen genehmigt wird, ist ein Affront gegen wurde. Es gab Rückrufaktionen. Umwelt- und Verbraucherschutz. Erwähnt wurden schon die Pharmaerbsen in der Genbank in Gatersleben, die So etwas wollen wir nicht. Wir wollen eine vernünf- Pharmakartoffeln an der Uni Rostock und Experimente tige Haftung. Überall gilt: Wer den Schaden verursacht mit gentechnisch veränderten Pflanzen mitten in Natur- hat, muss auch dafür haften. Warum soll das beim Anbau schutzgebieten. Die Einwände der Bürger und Bürgerin- gentechnisch veränderter Pflanzen nicht gelten? Das ist nen werden einfach vom Tisch gewischt, und Umwelt- für mich überhaupt keine Frage. Wir wollen eine ver- minister Gabriel befindet sich offensichtlich im nünftige Abstandsregelung. Über die Koexistenz werden Tiefschlaf. breite Diskussionen geführt. (René Röspel [SPD]: Herr Gabriel schläft nie!) Herr Seehofer, die Mehrheit der Bevölkerung will diese Gentechnik nicht. Wir wollen gesunde Nahrungs- Auskreuzungen aus diesen Experimenten mit mittel. Bitte berücksichtigen Sie, was die Bevölkerung Pharmapflanzen, die die Kollegin Drobinski-Weiß wirklich will, und handeln Sie entsprechend. schon erwähnt hat, gelangen in unsere Lebensmittel und gefährden Gesundheit und Umwelt. Die kontaminierten (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Lebensmittel sind nicht mehr verkehrsfähig. Wirtschaft- Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- licher Schaden droht in erheblichem Ausmaß. Das hat NEN]) zum Beispiel der Skandal um den Genreis, der ja auch Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11181

Ulrike Höfken (A) aus einem Forschungsfeld in den USA hervorgegangen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (C) ist, gezeigt. Dieses Experiment von Bayer/Aventis hat Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat einen Schaden in Höhe von weit mehr als 10 Millionen das Wort der Kollege René Röspel von der SPD-Frak- Euro verursacht. Wo sitzen Sie da? Wer von Ihnen über- tion. nimmt dafür die Haftung? In den USA sagt man inzwi- schen, dass es allein durch diesen Fall Folgeschäden in René Röspel (SPD): Höhe von über 100 Millionen gibt. Wir haben zahlreiche Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Hinweise darauf und Beweise dafür, dass aus diesen Herren! Ich habe, wie sicherlich viele andere auch, den Freisetzungsexperimenten immer wieder Auskreuzun- TAB-Bericht, also den Bericht des Büros für Technik- gen vonstatten gehen, die Sie nicht im Mindesten beherr- folgenabschätzung beim Deutschen Bundestag, zu trans- schen können und die Industrie ganz offensichtlich auch genen Pflanzen der 2. und 3. Generation, also gentech- nicht. nisch veränderter Pflanzen, mit Interesse gelesen und (Peter Bleser [CDU/CSU]: Das haben Sie muss sagen: Die Autorinnen und Autoren haben eine doch auch gemacht!) vernünftige Analyse abgeliefert. Sie ist in vielen Fällen gut begründet und nachvollziehbar. Statt eine solche Gefährdung zu unterbinden, fordert die Industrie nun die Legalisierung solcher Verseuchun- Viele dieser Forderungen sind ja in den grünen An- gen gegen geltendes EU-Recht, und Sie klatschen auch trag aufgenommen worden. Deswegen kann ich ihn an noch Beifall. Bis an den Rand der Legalität reizt das diesen Stellen inhaltlich gar nicht ablehnen. Die Forde- BVL die Grenzen des Gentechnikgesetzes aus, zum rung, dass zum Beispiel gentechnisch veränderte Pflan- Beispiel mit der Genehmigung von Amflora. Inzwischen zen, die pharmazeutische Wirkstoffe, also fast Arznei- ist das Gentechnikgesetz 17 Jahre alt. Bisher ist noch mittel oder Arzneimittel, enthalten oder produzieren, niemand auf die Idee gekommen, eine 155 Hektar große nicht freigesetzt werden sollen, entspricht der TAB-For- Fläche als Experimentierfeld zu bezeichnen. Jetzt wird derung, dass so etwas erst im geschlossenen System, das der Zweck eines Forschungsexperimentes auch noch so heißt im Glashaus, stattfinden sollte. Dies ist anders als umdefiniert, dass es nicht mehr der Forschung, ge- bei der normalen Pharmaproduktion. Wer je in einem schweige denn der biologischen Sicherheitsforschung Pharmabetrieb war, weiß, dass dort absolut standardi- dient, sondern rein kommerziellen Zwecken: damit die sierte, kontrollierbare, nachvollziehbare und unveränder- BASF für die nächste Saison Kartoffelpflanzmaterial ge- liche Produktionsbedingungen herrschen müssen, damit winnen kann. eine Reinheit und absolute Qualität des Produkts ge- währleistet sind. Sie haben also Ansätze und Anlass, das Gentechnik- (B) gesetz zu verbessern – nicht in dem Sinne, wie Sie es in Anders sieht es auf einem normalen Feld aus. Jeder (D) den Eckpunkten gemacht haben, sondern tatsächlich. Gärtner und jede Landwirtin weiß: Je nach Wetter, Nie- Wir fordern die Bundesregierung in unserem Antrag vor derschlagsmenge, Trockenheit, Bodenbeschaffenheit, allem auf, derartige Freisetzungsexperimente gemäß den Klima, Sturm und anderen klimatischen Bedingungen Vorschlägen des TAB zu unterbinden. Wir fordern, dass bekommt man kleine oder große bzw. saure oder süße gentechnisch veränderte Pflanzen, die pharmazeutische Äpfel und eine gute oder eine schlechte Ernte. Die äuße- Wirkstoffe produzieren, nicht in die Umwelt freigesetzt ren Bedingungen sind nicht kontrollierbar und nicht vom werden dürfen. Experimente mit gentechnisch veränder- Menschen beeinflussbar. Welche Folgen es hat, wenn ten Organismen, die keine Zulassung als Lebensmittel man sensible Stoffe innerhalb von gentechnisch verän- haben, dürfen grundsätzlich nicht ungeschützt im Frei- derten Pflanzen ausbringt, steht noch in den Sternen land stattfinden, siehe Imker, die genau dieses Problem bzw. ist zumindest nicht eindeutig belegt. haben. Die Klagen zeigen auf, dass es Rechtslücken und (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist purer Unsinn! Handlungsbedarf gibt. Es muss eine Datenbank einge- Das muss man mal ganz klar sagen!) richtet werden, in der die Referenzmaterialien und Nach- weismethoden hinterlegt werden, damit Kontaminatio- Im Jahr 2007, also in diesem Jahr, ist eine Studie von nen überhaupt entdeckt werden können. Stoppen Sie Nguyen und Jehle erschienen. Beide Autoren haben ei- diese Genexperimente in Gatersleben! Denn auch wenn nige Felder mit gentechnisch veränderten Pflanzen bzw. der Forschungsleiter dies gerne hätte, übernimmt er mit BT-Mais untersucht. Diese Pflanzen haben selbst In- nicht die persönliche Haftung. sektengift produziert. Selbst bei Pflanzen, die sich auf demselben Acker befanden, haben sie völlig unter- Es muss sichergestellt werden, dass Wissenschaftler schiedliche Konzentrationen des Insektengiftes festge- nicht an Forschungsprojekten beteiligt sind, die sie spä- stellt. ter im Rahmen der Zulassung begutachten. Generell sollte die Unabhängigkeit dieser Wissenschaftler ge- (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch ganz währleistet werden. Denn ich denke, wir sind inzwischen normal!) in einer Situation, in der die Freiheit der Forschung auf Das ist durch die Ergebnisse der jüngsten von Green- diesem Gebiet kaum noch gegeben ist. peace finanzierten Studie bestätigt worden. Man kann Danke schön. diese Studie befürworten oder ablehnen. Auf jeden Fall aber war sie viel breiter angelegt, was die Zahl der Pro- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ben angeht, und sie war, wie ich glaube, wissenschaftlich sowie bei Abgeordneten der LINKEN) deutlich fundierter. In dieser Studie zeigen sich eklatante 11182 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

René Röspel (A) Unterschiede zwischen den einzelnen Pflanzen, sogar Die Dokumentation der Messgrößen, Erhebungs- (C) bis zu hundertfache Unterschiede in der Konzentration intervalle und Erhebungsorte muss standardisiert des produzierten Insektengiftes. werden und in einer idealerweise zentralen Meter- datenbank erfolgen. Das kann man auf unterschiedliche klimatische Ver- hältnisse, unterschiedliche Bodenverhältnisse oder sons- Vor diesem Hintergrund halte ich zumindest die Freiset- tige Gründe zurückführen. Dafür kann man aber auch zung dieser Pflanzen für problematisch. Wir Sozialde- die unterschiedliche Beschaffenheit der Pflanzen verant- mokraten werden uns weiter dafür einsetzen, dass der wortlich machen. Das Problem ist schlicht und einfach Schutz der Verbraucher und die Koexistenz in Deutsch- – ich war sehr überrascht, dass ich, als ich dieser Frage land möglich sind. nachging, zu diesem Ergebnis kam –, dass es keine har- Herr Präsident, erlauben Sie mir, zum Schluss eine monisierten und standardisierten Methoden zur Bewer- persönliche Bemerkung an den Kollegen Dr. Patziorek tung gentechnisch veränderter Pflanzen gibt. zu richten, und zwar nicht nur von Westfale zu Westfale Das erste Beispiel, das ich anführen möchte, ist der und von Schalker zu Schalker: berühmte MON 863. Dabei handelt es sich um gentech- (Ursula Heinen [CDU/CSU]: Ach du dickes nisch veränderten Mais, der für seine Zulassung an Rat- Ei!) ten verfüttert worden ist. Der Hersteller Monsanto sagte, dass kein Risiko bestehe. Das ist von der zuständigen eu- Ich habe unsere Zusammenarbeit in den letzten Jahren ropäischen Behörde zunächst bestätigt worden. Dann trotz aller inhaltlichen Unterschiede als sehr angenehm gab es eine Studie französischer Forscher, die dieselben und fair empfunden und wünsche Ihnen für Ihr neues Daten genau untersucht und große Unterschiede festge- Amt als Regierungspräsident im schönen Münster alles stellt haben, die ich persönlich beim Lesen der Veröf- Gute und eine glückliche Hand. fentlichung habe nachvollziehen können. Wenn solch Vielen Dank. große Unterschiede und Abweichungen zwischen den einzelnen Ratten und den Kontrollgruppen als normal (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP angesehen werden – sie waren sehr deutlich –, dann und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) muss man sich fragen, warum Tierversuche überhaupt durchgeführt werden. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Die EFSA, die Europäische Behörde für Lebens- Ich schließe die Aussprache. mittelsicherheit, hat das Ganze erneut analysiert und sagt Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus- jetzt, dass es keine Probleme gibt und dass kein Risiko schusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- (B) (D) besteht. Es existieren also unterschiedliche Bewertungs- cherschutz zu dem Antrag der Fraktion des Bündnis- methoden, die nicht standardisiert sind. ses 90/Die Grünen mit dem Titel „Schutz von Mensch Das zweite Beispiel – es ist heute schon angeführt und Umwelt bei Freisetzungsexperimenten gewährleis- worden – ist die gentechnisch veränderte Kartoffel Am- ten“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp- flora. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicher- fehlung auf Drucksache 16/5755, den Antrag der Fraktion heit sagt, dass sie ungefährlich ist. Die Europäische Arz- des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/4556 neimittelagentur hingegen hält Teile dieser Kartoffel für abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- bedenklich, schlicht und einfach, weil sie Antibiotika- lung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Be- resistenzgene enthält, die zumindest problematisch sein schlussempfehlung ist damit mit den Stimmen der Koali- könnten. tionsfraktionen und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und des Bündnisses 90/ (Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Nein! Als Die Grünen angenommen. Stärkemittel kann man sie benutzen!) Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernäh- Es fehlen also eindeutige und standardisierte Bewer- rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem An- tungsmethoden. Deswegen können wir keine wissen- trag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem schaftlich fundierte und politisch vernünftige Antwort Titel „Keine Freisetzung von gentechnisch veränderten auf die Frage nach dem Risiko geben. Pflanzen auf dem Gelände des Instituts für Pflanzenge- netik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben“. Der Dass wir mit dieser Einschätzung nicht allein sind, Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf wird an verschiedenen Stellungnahmen deutlich, in de- Drucksache 16/5893, den Antrag der Fraktion des Bünd- nen die Forderung aufgestellt wurde, endlich solche nisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/4904 abzu- Standards zu entwickeln. So fordert der Verein Deut- lehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – scher Ingenieure, sicherlich nicht für seine Radikalität Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp- bekannt, in seinen Richtlinien zur Beachtung der ökolo- fehlung ist mit den Stimmen Koalitionsfraktionen und gischen Auswirkungen von gentechnisch veränderten der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Organismen ein standardisiertes Vorgehen zur Vergleich- Linke und Bündnis 90/Die Grünen angenommen. barkeit durch mehrere Institutionen über Ländergrenzen hinweg. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf: Im VDI-Handbuch Biotechnologie Band 1 vom Okto- Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- ber 2006 heißt es: regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11183

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms (A) zur Neuregelung des Rechts der Verbraucher- ben, auf die Lebensmittelüberwachungsbehörden der (C) information Kommunen übertragen. – Drucksache 16/5723 – Als es um die Überarbeitung des Verbraucherinfor- Zweite und dritte Beratung des von Fraktionen mationsgesetzes ging, gab es eine ganze Reihe neuer Be- der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs gehrlichkeiten und neuer Ideen, haben die Leute gesagt: eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Nutzen wir dies und machen wir das Gesetz noch einmal Verbraucherinformation ganz neu! – Wir haben uns in der Koalition dagegen ent- schieden, dieses Gesetz komplett neu zu machen, aus – Drucksache 16/5404 – dem einfachen Grund, dass es jetzt an der Zeit ist, dass gehandelt wird, damit die Verbraucherinnen und Ver- Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- braucher wenigstens zum 1. Januar des nächsten Jahres ses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- Zugang zu Informationen über Lebensmittel bekommen, cherschutz (10. Ausschuss) und damit es jetzt keine neue Anhörungen, neue Diskus- – Drucksache 16/5928 – sionsrunden, neue Arbeitskreise etc. gibt. Berichterstattung: (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Abgeordnete Ursula Heinen neten der SPD) Elvira Drobinski-Weiß Hans-Michael Goldmann Wir hatten schon im vergangenen Jahr einen Ent- Karin Binder schließungsantrag verabschiedet, der besagt, dass wir Ulrike Höfken das Gesetz zwei Jahre nach seinem Inkrafttreten evaluie- ren wollen, um festzustellen, wie es in der Praxis funk- Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen je tioniert. Wir in Deutschland haben ja außer vereinzelten ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP, der Informationsfreiheitsgesetzen der Länder, die sich auch Fraktion Die Linke und der Fraktion des Bündnisses 90/ auf Lebensmittel beziehen, im Grunde keine Erfahrun- Die Grünen vor. gen mit einem solchen Gesetz; wir betreten also ein Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Stück weit Neuland. Wir wollen natürlich auch sehen, Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Kein Wi- wie sich die Unternehmen weiter verhalten, ob sie von derspruch. Dann ist so beschlossen. sich aus Informationen über Produkte geben. Ich denke, es ist jetzt vernünftiger, zwei Jahre der tatsächlichen An- Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red- wendung nach dem Inkrafttreten abzuwarten und dann nerin das Wort der Kollegin Ursula Heinen von der im Lichte konkreter praktischer Erfahrungen zu sehen, (B) CDU/CSU-Fraktion. wo das Gesetz richtig funktioniert und wo man, was die (D) (Beifall bei der CDU/CSU) Unternehmen angeht, noch einmal etwas verändern muss. Dazu brauchen wir aber zunächst diese praktische Erfahrung. Ursula Heinen (CDU/CSU): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Verbraucherinnen und Verbraucher erhalten mit Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir verabschieden diesem Gesetz erstmals einen gesetzlich geregelten An- heute sozusagen zum zweiten Mal in zweiter und dritter spruch auf Zugang zu Informationen im Bereich des Le- Lesung das Verbraucherinformationsgesetz. Ich habe ein bens- und Futtermittelrechts, die bei den Behörden vor- klein bisschen das Gefühl, es handelt sich hier um eine, handen sind. Zu diesem Anwendungsbereich möchte ich will einmal sagen, Neverending Story, Julia, ich noch etwas sagen, weil in der Diskussion kritisch an- gemerkt wurde, dass er viel zu kurz greife und noch viel (Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das kann man mehr Bereiche berücksichtigt werden müssten. Das Ge- auf Deutsch sagen!) setz betrifft aber nicht nur den engeren Bereich der um eine Geschichte, die nicht zu einem Ende kommt. Lebensmittel, sondern auch Kosmetika und Bedarfsge- Aber wir sind vorsichtig optimistisch, dass wir mit dem genstände wie Bekleidung, Spielwaren, Lebensmittel- jetzigen Verbraucherinformationsgesetz einen guten verpackungen, Schnuller, Bettwäsche, Putz- und Wasch- Schritt machen zu mehr Information für die Verbrauche- mittel sowie alles, was mit der Haut oder den rinnen und Verbraucher. Schleimhäuten tatsächlich in Berührung kommt. Es gibt also einen sehr breiten Anwendungsbereich. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD) (Gerd Müller [CDU/CSU]: Das Gesetz ist richtig gut!) Vor fast genau einem Jahr, am 29. Juni 2006, haben wir dieses Gesetz schon einmal verabschiedet. Der Bun- Unter anderem aus Baden-Württemberg ist die Anregung despräsident hatte formale Einwendungen, was die einer Ausweitung des Verbraucherinformationsgesetzes Übertragung von Aufgaben vom Bund auf Länder und auf andere problematische Sachgebiete – beispielsweise Kommunen anging – das ist seit der Föderalismusreform die Geräte- und Produktsicherheit – gekommen. Wir wer- in dieser Form nicht mehr möglich. Das Gesetz ist jetzt den in den nächsten zwei Jahren erleben, wie die Ver- in einem langen Prozess so verändert worden, dass es braucherinnen und Verbraucher speziell zu diesen Berei- jetzt die Möglichkeit gibt, dass die Länder ihre Aufgabe, chen Fragen haben werden. Dann werden wir schauen, an die Verbraucherinnen und Verbraucher weiterzuge- ob eine weitere Ausweitung überhaupt möglich ist, 11184 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Ursula Heinen (A) zumal das Produktsicherheitsgesetz und andere Verord- (Julia Klöckner [CDU/CSU]: Bis Frau Künast (C) nungen in diesem Bereich schon gelten und einen gewis- abgebrochen hat!) sen Schutz für die Verbraucherinnen und Verbraucher geben. Aber dieses Gesetz hat den Namen nicht verdient, den es als Überschrift trägt. Ein zweiter sehr wichtiger Punkt, den wir mit diesem (Ursula Heinen [CDU/CSU]: Ihr wolltet doch Gesetz umsetzen, ist eine Verpflichtung, die wir nach gar keines!) dem Gammelfleischskandal eingegangen sind: die Ver- schärfung des § 40 des Lebensmittel- und Futtermit- – So kann man sich vertun, wenn man nicht richtig zu- telgesetzbuches. Die Vorschrift ist im Hinblick auf die hört, Frau Heinen. Wir haben im Vermittlungsausschuss Informationstätigkeit von Behörden zu verschärfen: und in anderen Gremien mehrere Male zusammengeses- Wenn riskante Dinge geschehen, wenn gesundheitsge- sen. Sie können doch nicht ernsthaft behaupten, dass wir fährdende Produkte auf dem Markt sind, müssen die Na- kein Gesetz wollten. Wir wollten nur ein Gesetz mit men von Produkten tatsächlich genannt werden können, Qualität. und die Behörden dürfen nicht wie in der Vergangenheit Sorge haben müssen, dass sie, wenn sie einen Namen ge- ( [SPD]: Sie wollten kein gebenenfalls zu früh herausgeben, sofort schadenersatz- Verbraucherinformationsgesetz!) pflichtig sind. Ein süddeutsches Land hat damit einmal Wir wollten ein Gesetz, das auf eine wesentlich breitere sehr teure Erfahrungen gemacht. Auch dies ist eine ver- Basis gestellt wurde. nünftige Änderung. Sie haben es selbst angesprochen: Aus den Ländern (Beifall bei der CDU/CSU) kommt schon der Vorwurf des Etikettenschwindels. Wir müssen doch ganz ehrlich sein: Mit diesem Entwurf ei- Ich will noch einmal kurz auf den Bundesrat zu spre- nes Verbraucherinformationsgesetzes bezieht sich im chen kommen, der in seiner ersten Beratung zum Ver- Kern einzig und allein auf den Bereich der Lebensmittel. braucherinformationsgesetz sehr fröhlich verschiedene Die ganzen Bereiche der Dienstleistungen, der techni- Änderungsanträge gestellt hat. Wir waren aber sehr froh schen Produkte, der Chemikalien und der Werkzeuge – nicht wahr, Elvira Drobinski-Weiß! –, in der Anhörung werden durch diesen Gesetzentwurf nicht berücksichtigt. zu hören, dass es sich eigentlich gar nicht um Ände- Deswegen steht dieser Gesetzentwurf auf schwachen rungsanträge handelt, sondern lediglich um – ich zitiere Beinen. Das wissen alle, die sich mit diesem Gesetzent- den Vertreter des Landes Nordrhein-Westfalen – „Anre- wurf intensiv beschäftigen. gungen“ für den Bundesgesetzgeber, die man in der Dis- kussion vielleicht berücksichtigen kann. Dass der Bun- Der enge Anwendungsbereich dieses Gesetzes (B) desrat das tatsächlich nur als Anregungen betrachtet hat, bringt ein weiteres Problem mit sich: Er kommt nämlich (D) sah man schon daran, dass der einzige Änderungsantrag, in Konflikt mit den bereits vorhandenen gesetzlich ver- der aus diesem Gesetz ein durch die Länderkammer zu- ankerten Rechten auf Informationszugang. Liebe Frau stimmungspflichtiges Gesetz gemacht hätte, von den Heinen, Sie waren bei der Anhörung auch dabei. Der Bundesländern abgelehnt worden ist. Letztlich wollten Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informa- also auch die Bundesländer, dass wir dieses Gesetz tionsfreiheit, Herr Peter Schaar, hat deutlich gesagt, dass schnell zu einem guten Ende bringen. der wichtige Bereich des freien Informationszugangs für die Betroffenen immer komplexer und intransparenter Lassen Sie uns dieses Gesetz in diesem Sinne heute wird. Er hat gefragt, ob ein solches Gesetz ein gutes Ge- mit einer überwältigenden Mehrheit – davon gehe ich setz wäre. Ich will die Antwort geben. Sie muss lauten: aus, wenn ich die Kolleginnen und Kollegen hier sehe – Nein, es wäre ein schlechtes Gesetz. in zweiter und dritter Lesung verabschieden. Es ist dann wieder einmal ein guter Tag für die Verbraucherinnen (Beifall bei der FDP – Elvira Drobinski-Weiß und Verbraucher in Deutschland, weil sie bessere Infor- [SPD]: Das hat er aber nicht gesagt, Herr mationen bekommen. Goldmann!) Herzlichen Dank. Hinsichtlich des Informationszugangs – das wissen Sie auch – droht dem Verbraucher durch das Verbraucher- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) informationsgesetz eindeutig ein Rückschritt. In dem Gesetzentwurf stehen nämlich mindestens 15 verschie- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: dene Gründe, aus denen die Auskunft seitens der Be- Das Wort hat jetzt der Kollege Hans-Michael hörde verweigert werden kann. Goldmann von der FDP-Fraktion. (Dr. Werner Hoyer [FDP]: So ist es!) (Beifall bei der FDP) Das heißt, wenn der Verbraucher bei der Behörde nach- fragt, wird er demnächst eine Überraschung erleben. Er Hans-Michael Goldmann (FDP): wird nämlich an sehr vielen Stellen überhaupt keine Ver- braucherinformationen bekommen. Auch das ist ein wei- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und terer gravierender Mangel des Gesetzentwurfes. Kollegen! In einem Punkt hat Frau Heinen sicherlich recht: Es war ein weiter Weg, bis wir nun zu einer Geset- Es kommt noch etwas anderes hinzu: Im Gesetzent- zesverabschiedung kommen. wurf gibt es auch eine erhebliche Unklarheit, und zwar Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11185

Hans-Michael Goldmann (A) dahin gehend, was eigentlich ein Betriebsgeheimnis ist. eindeutig: Wir brauchen eine Ausdehnung des Anwen- (C) Ich verstehe nicht, warum Sie nicht daraus gelernt ha- dungsbereiches. Wir brauchen keine Verschlechterung ben, wie die Dinge im Informationsfreiheitsgesetz defi- der Verbraucherrechte. Wir brauchen Kostenfreiheit für niert sind. Darin steht: Ein Betriebsgeheimnis ist ein Be- Auskünfte im Bereich der Gefahren für Gesundheit und triebsgeheimnis. – In diesem Gesetzentwurf steht aber, Sicherheit des einzelnen Bürgers. Wir brauchen eine dass auch Dinge, die einem Betriebsgeheimnis ähnlich Obergrenze bei den Gebühren. sind, von einem Unternehmen als Betriebsgeheimnis de- finiert werden können. Der Begriff des Betriebsgeheim- Ich denke, wenn Sie diesen Dingen zustimmen wür- nisses ist rechtlich völlig klar und abgegrenzt. Durch die den, dann könnte man aus diesem meiner Meinung nach Formulierung, die Sie in diesen Gesetzentwurf hineinge- sehr schwachen Gesetzentwurf noch etwas machen. Das schrieben haben, weiten Sie diesen Begriff unzulässig werden Sie aber leider nicht tun. Sie beschließen heute aus. Auch das wird dazu führen, dass der Verbraucher, einen Gesetzentwurf, der weder Fisch noch Fleisch ist wenn er seine Informationsrechte in Anspruch nehmen und von dem Sie genau wissen, dass er von allen ernst- will, überrascht sein wird. zunehmenden Organisationen und Verbänden kritisiert wird und viele enttäuschen wird. Das finde ich bedauer- (Peter Bleser [CDU/CSU]: Gilt doch nicht bei lich. Verstößen!) (Beifall bei der FDP) Deswegen bin ich der Meinung, dass der Gesetzentwurf auch an dieser Stelle nicht sehr glücklich formuliert Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: wurde. Das Wort hat jetzt die Kollegin Elvira Drobinski- (Beifall bei der FDP) Weiß von der SPD-Fraktion. Es gibt ein weiteres Problem, das uns auch bekannt (Ursula Heinen [CDU/CSU]: Elvira, sag ihm, ist. Wir haben in der Anhörung davon gehört. Diejeni- dass die Anhörung ein anderes Ergebnis ge- gen, die Erfahrung mit dem Informationsfreiheitsgesetz bracht hat!) gemacht haben – in den einzelnen Bundesländern gibt es im Grunde genommen schon Verbraucherinformations- Elvira Drobinski-Weiß (SPD): gesetze –, kennen das auch. Das Problem lautet, wie kos- Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! tenträchtig der Informationsanspruch des Bürgers ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu unserem Entwurf Auch hierzu ist die Forderung ganz eindeutig: Es muss des VIG kann man in der Tat feststellen – Ulla Heinen auch für finanzschwächere Bürgerinnen und Bürger hat es schon gesagt; ich sage es noch einmal auf (B) möglich sein, diesen Informationsanspruch für sich gel- Deutsch, Julia –: Endlich wird die unendliche Ge- (D) tend zu machen. schichte beendet – jedenfalls vorläufig. Das ist in Ihrem Gesetzentwurf aber nicht vorgese- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der hen, sondern in Ihrem Gesetzentwurf steht im Grunde CDU/CSU – Julia Klöckner [CDU/CSU]: genommen, dass die Kosten, die entstehen und die der Wunderbar!) Verbraucher zu tragen hat, abgedeckt werden müssen. Das wird dazu führen, dass sich sehr viele Verbraucher Wir werden heute hoffentlich zum letzten Mal über – ganz normale Menschen – die Durchsetzung dieses den vorliegenden Entwurf des Verbraucherinformations- Informationsanspruches nicht leisten können und dass gesetzes reden. Aber die Geschichte hat auch eine Fort- dieser Informationsanspruch im Grunde genommen für setzung. Wir werden wieder über das Thema reden, Verbände und Organisationen eingeführt wird, die mög- wenn wir – wie beschlossen; Ulla Heinen hat schon da- licherweise auch andere Interessen haben. Das muss rauf hingewiesen – die in der Praxis mit dem Gesetz ge- man ganz deutlich sagen: Diese möchten sich möglicher- machten Erfahrungen auswerten. weise Informationen verschaffen, um sie in einer Wett- Die SPD steht weiterhin für eine Ausweitung des In- bewerbssituation mit anderen Anbietern zum Nachteil formationsanspruchs der Verbraucherinnen und Verbrau- von diesen zu nutzen. Ich finde, das ist ein wirklich gra- cher auch gegenüber den Unternehmen und die Einbe- vierender Mangel dieses Gesetzentwurfes. ziehung aller Produkte und Dienstleistungen. (Beifall bei der FDP – Elvira Drobinski-Weiß (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das steht [SPD]: Das ist doch ein Horrorszenario! Das aber nicht im Gesetzentwurf!) ist doch ein Killerargument!) Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ist ein sehr – Nein, das ist kein Killerargument. Das ist in Ihrem Ge- wichtiger erster Schritt auf dem Weg zu mehr Transpa- setzentwurf so angelegt. Das wissen Sie auch. Deswegen renz gemacht. gab es ja auch die Anregung aus dem Bundesrat, in die- sem Bereich Nachbesserungen vorzunehmen. Sie haben (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hans- diese in Ihren Gesetzentwurf schlicht nicht aufgenom- Michael Goldmann [FDP]: Aber nicht zu den men. Punkten, die wir gerade angesprochen haben!) Wir haben uns die Mühe gemacht, diese Dinge, die Das haben durchweg alle Experten einschließlich unse- wir hier kritisieren, in einen meiner Meinung nach guten rer kritischsten Kritiker bei unserer Anhörung am Entschließungsantrag einzubringen. In ihm steht ganz 13. Juni bestätigt. 11186 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Elvira Drobinski-Weiß (A) (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Da müssen braucherinnen und Verbrauchern wahrnimmt und sie in- (C) Sie bei einer anderen Anhörung gewesen formiert. sein!) (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das tut sie – Sie haben aus der Anhörung den falschen Schluss ge- doch!) zogen. – Das tut sie eben nicht. – Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Recht auf Information. Das VIG sieht hierbei deutliche Verbes- (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Natürlich!) serungen vor und verleiht den Interessen der Konsu- Denn bei den Unternehmen liegen alle Daten vor, die menten mehr Gewicht. Die Behörden werden verpflich- eine bewusste Auswahl ermöglichen und eine eigenver- tet, die Öffentlichkeit bei Verstößen gegen das geltende antwortliche Marktteilnahme gewährleisten. Wir wollen Lebensmittelrecht zu informieren. Das wurde auf Druck auf der Basis der Evaluierung die Aufnahme weiterer der SPD mit einer Verschärfung der im Lebensmittel- Produkte und Dienstleistungen in den Geltungsbereich und Futtermittelgesetzbuch ursprünglich vorgesehenen des Gesetzes erreichen. Kannregelung erreicht. Hier gilt jetzt eine Sollregelung. Der Entschließungsantrag sieht die Dokumentation Insgesamt werden die Pflichten und Möglichkeiten und Auswertung der Erfahrungen mit dem Gesetz vor. der Behörden zur Information der Öffentlichkeit über Damit werden wir zum Beispiel beobachten können, ob Missstände im Lebensmittel-, Futtermittel- und Bedarfs- und, wenn ja, aus welchen Gründen Informationen ver- gegenständebereich ausgeweitet. Außerdem können sich weigert wurden, wie sich die Kosten entwickeln und wie Verbraucherinnen und Verbraucher künftig selbst bei den lange die Bearbeitung der Auskunftsanliegen dauert. Behörden informieren, auch dann, wenn keine Rechts- Wenn diese Auswertung Fehlentwicklungen offenbart, verstöße vorliegen. Das, denke ich, ist ein enormer werden wir mit gesetzlichen Maßnahmen gegensteuern. Schritt. Im Diskussionsprozess zu diesem Gesetzentwurf haben wir stets Offenheit für Vorschläge signalisiert, die (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Dazu wer- die Ansprüche der Verbraucher stärken. det ihr keine Gelegenheit haben!) (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Unseren Die Unternehmen sind aufgefordert, eigene Initiati- Antrag lehnen Sie aber ab!) ven zu ergreifen und Zugang zu den bei ihnen vorhande- nen Informationen zu gewähren. Auch wenn sich der Die jüngst im Bundesrat geforderten Änderungen al- Dachverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft noch lerdings sind wohl eher als Störfeuer zu werten, Ulla. sträubt, gibt es von zunehmend mehr Unternehmen (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Nachher kassiert Signale der Bereitschaft; denn immer mehr wird dies (B) (D) das wieder der Bundespräsident!) von seriösen Anbietern als Wettbewerbsvorteil erkannt. Ich sehe das weniger als Anregung denn als ernstge- Missstände auf dem Markt lassen sich nur durch meinte Vorschläge. Transparenz und Rückverfolgbarkeit eindämmen. Der von Baden-Württemberg eingebrachte Vorschlag (Beifall bei Abgeordneten der SPD) – ich beziehe mich auf Verbraucherschutzminister Der transparente Markt ist notwendig. Niemand wird Hauk –, nach dem Unternehmen Auskunft über Namen diese Entwicklung auf Dauer verhindern können. Wir er- und Adressen der Nachfragenden erhalten können soll- warten Vorschläge. Sollte sich die Wirtschaft hier nicht ten, kann nur der Abschreckung dienen. Verbraucher- bewegen, werden wir auf gesetzliche Maßnahmen drin- schutzminister Hauk setzt sich gerne öffentlich für mehr gen. Transparenz ein. Dieser Vorschlag macht aber, denke ich, deutlich, dass es dabei eher um transparente Ver- Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. braucher für die Unternehmen als um Transparenz für (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – die Verbraucher zu gehen scheint. Hans-Michael Goldmann [FDP]: Dabei wer- Auch die Einschränkung des Informationsrechts bei den euch die Linken behilflich sein!) nicht mehr auf dem Markt befindlichen Produkten ist nicht tragbar. Ein starkes Stück war, denke ich, auch der Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Vorschlag von Sachsen, dass Auskünfte über Rechtsver- Das Wort hat die Kollegin Karin Binder von der Frak- stöße für Verbraucher kostenpflichtig sein sollen. tion Die Linke. Solchen Verschlechterungen für die Verbraucherinnen (Beifall bei der LINKEN) und Verbraucher erteilen wir eine klare Absage. Das VIG muss endlich verabschiedet werden. Für uns ist die- Karin Binder (DIE LINKE): ses Gesetz ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zu Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! einem transparenten Markt. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heutigen Tag Wir werden dafür sorgen, dass weitere Schritte fol- hätte die Große Koalition einen verbraucherpolitischen gen. Das haben wir in unserem Entschließungsantrag Meilenstein setzen können. Ich betone: hätte. Denn der aufgezeigt, den wir bereits in der ersten Runde mit dem Gesetzentwurf, den uns die Koalition hier zur Entschei- Gesetzentwurf eingebracht haben. Wir wollen, dass auch dung vorlegt, ist höchstens ein Stolperstein. Dieses die Wirtschaft ihre Verantwortung gegenüber den Ver- Gesetz ist kein modernes Verbraucherinformationsge- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11187

Karin Binder (A) setz, sondern ein Bürokratiebeschaffungsprogramm. Es Finanzdienstleistungen oder Pflegediensten braucht. (C) schreibt für die Informationsbeschaffung einen büro- Selbstverständlich müssen die Informationen von dort kratischen Aufwand fest, der für die Verbraucherinnen kommen, wo sie am leichtesten, am umfangreichsten und Verbraucher in keinem Verhältnis zum Ergebnis und nicht zuletzt am schnellsten verfügbar sind: von den steht. Wenn ich im Supermarkt wissen will, ob die Pa- Unternehmern und den Dienstleistern direkt, und prika an der Gemüsetheke pestizidbelastet sind, dann zwar ohne Einschränkungen mit Hinweis auf vermeintli- möchte ich nicht erst einen Antrag bei der örtlichen Le- che Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder sonstige bensmittelkontrolle stellen. wettbewerbsrelevante Informationen. (Peter Bleser [CDU/CSU]: Sondern?) Verbraucherinnen und Verbraucher sollen eigenver- antwortlich und selbstbestimmt ihre Entscheidungen Das kann und soll der Händler mir bitte schön selber sa- treffen können. Dazu müssen wir ihnen die Vorausset- gen. zungen schaffen. Ein Verbraucherinformationsgesetz, (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) das diesen Namen auch verdient, müsste deshalb ein um- fassendes Recht auf Information absichern. Mündige Verbraucherinnen und Verbraucher müs- sen Zugang zu den Informationen haben, der ihnen (Beifall bei der LINKEN) die bewusste Auswahl von Produkten und Dienst- Es müsste den kostenfreien Zugang zu Informationen si- leistungen ermöglichen und eine eigenverantwortli- chern und die Interessen der Verbraucherinnen und Ver- che Marktteilnahme gewährleistet. braucher gegenüber Wirtschaft und Verwaltung stärken. Informationen sind am ehesten bei den Unterneh- Aber das tut der vorliegende Entwurf nicht. Deshalb men selbst erhältlich. Verbraucherinnen und Ver- werden wir diesem Informationsbehinderungsgesetz braucher sollten daher die Möglichkeit des Zugangs nicht zustimmen. zu diesen Informationen bekommen. Dies gilt für (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Das ist Lebensmittel, sonstige Produkte und Dienstleistun- ein großer Fehler, Frau Binder! Ein großer gen gleichermaßen. Fehler!) Genauso ist es. Das ist auch meine Meinung. Aber das Wir sehen mit Spannung der Evaluierung entgegen. sind nicht meine Worte. Diese Sätze stammen aus dem Entschließungsantrag 16/2035, den uns die Kolleginnen Vielen Dank. und Kollegen der Koalitionsfraktionen im letzten Jahr (Beifall bei der LINKEN) vorgelegt haben. (B) (Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (D) Kastner) Das Wort hat die Kollegin Ulrike Höfken, Bündnis 90/Die Grünen. Warum haben Sie diese Erkenntnis aus dem Jahr 2006 nicht in dem neuen Gesetzentwurf umgesetzt? Mit unse- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) rem Entschließungsantrag unterstützen wir diese Forde- rungen sogar. Aber Sie haben die Entscheidung des Bun- Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): despräsidenten leider nicht als Chance genutzt, im Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Kollegen und zweiten Anlauf einen besseren Gesetzentwurf vorzule- Kolleginnen! Angesichts der Aussage von allen Seiten, gen. dass dieses Gesetz eigentlich schon wieder novelliert (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Da hat sie werden sollte, kann man eigentlich kaum jemandem er- leider recht!) klären, warum es heute in dieser Form verabschiedet wird, außer damit, dass Sie diese dauernde Auseinander- Sie legen uns jetzt wieder eine Ansammlung von politi- setzung nicht mehr aushalten können. schen Halbherzigkeiten, Schlupflöchern und Informa- tionsbegrenzungen vor. Sie machen sich schon wieder (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Wir sammeln willfährig zum Anwalt von Wirtschaftsinteressen. Sie erst mal Erfahrungen! – ignorieren auch dieses Mal die zahlreichen und berech- [SPD]: Wir sind strapazierfähig! Keine Panik!) tigten Einwände von Verbraucherorganisationen und Da- Aber das ist nun einmal die Aufgabe einer Regierung. tenschützern. Man muss nun befürchten, dass das vorgelegte „Ver- (Beifall bei der LINKEN) braucherinformationsgesetz“ – man muss das in Anfüh- rungsstriche setzen – sogar die bisherigen Rechte auf In- Ist das nun Halsstarrigkeit, Ignoranz oder Arroganz? formation in Bund und Ländern noch einschränkt. Das kann kaum der Anspruch des Gesetzes sein. Das haben (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- auf jeden Fall die Fachleute in der Anhörung zuletzt be- NEN]: Jetzt noch Hartz IV!) stätigt. Nicht nur wir wollen, dass die Verbraucherinnen und (Ursula Heinen [CDU/CSU]: Das stimmt doch Verbraucher die Informationen bekommen, die sie inte- nicht! In welcher Anhörung waren Sie?) ressieren und die sie benötigen, ganz gleich, ob es sich dabei um Lebensmittel, technische Geräte oder um Arz- Zudem erzeugen Sie eine unglaubliche Bürokratie durch neimittel handelt oder ob jemand Informationen zu die schwammigen Formulierungen und die vorhandenen 11188 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Ulrike Höfken (A) Gesetzeslücken. Der Anwendungsbereich ist zu klein der Bundesregierung der politische Wille, für mehr Ver- (C) – das hat der Kollege Goldmann schon ausführlich aus- braucherrechte zu sorgen. geführt –, die Ausschlussgründe sind zu vielfältig, die Antwortfristen zu lang. Aber vor allem bleibt der Ge- Danke. setzentwurf ein Geheimniskrämereigesetz. Es gibt nicht (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – nur keinen Informationsanspruch gegenüber den Un- Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das hilft aber ternehmen, auch gegenüber den Behörden besteht zum nichts, wenn die Grünen an der Regierung Beispiel bei Finanzdienstleistungen usw. kein Informa- sind!) tionsanspruch. Finanzskandale wie den bei der soge- nannten Göttinger Gruppe wird es also auch in Zukunft Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: geben. Schauen Sie in die „Süddeutsche Zeitung“ von heute! Das wäre ein Handlungsfeld für ein Verbraucher- Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin informationsgesetz gewesen. Waltraud Wolff, SPD-Fraktion. Die ungewöhnlich hohen Schutzwälle bei sogenann- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der ten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bilden einen CDU/CSU) weiteren Riegel. Ich frage mich wirklich, auf welcher Rechtsgrundlage Formulierungen wie die über sonstige Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): wettbewerbsrelevante Informationen beruhen und wie Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu Zei- die Überprüfung stattfinden soll. Der Vollzug dieses Ge- ten der rot-grünen Koalition haben wir kein Verbraucher- setzes wird sicher ein einziges Chaos. Die Unterneh- informationsgesetz zustande gebracht. Jetzt, in dieser men sind weitestgehend geschützt. Sie dürfen ungeprüft Regierungskonstellation, sind wir so weit. selbst bestimmen, was ein Geschäftsgeheimnis ist. Ver- braucherinteressen werden nicht einmal abgewogen, wie (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der das bei anderen Gesetzen der Fall ist. CDU/CSU) Ein Unding ist auch, dass die Verbraucherinnen und Ich denke, dies wird ein guter Abend. Schön, dass auch Verbraucher durch Gebühren regelrecht abgehalten Sie, Herr Minister Seehofer, noch anwesend sind. werden, Informationen nachzufragen. Eine Gebühren- Wir haben uns gestern im Ausschuss für Ernährung, obergrenze gibt es nicht, und hohe Finanzbelastungen Landwirtschaft und Verbraucherschutz mit einer reprä- drohen dem, der Auskunft begehrt. Tatsächlich ist es sentativen Umfrage der Verbraucherzentralen und des fraglich, wie zu verstehen ist, dass eine Kostendeckung Bundesinstituts für Risikobewertung zu cholesterinsen- zu erreichen ist. Eine Ausnahme stellen Auskunftsver- (B) kenden Lebensmitteln befasst. Meine Damen und Her- (D) pflichtungen in den Fällen dar, in denen ein Rechtsbruch ren, die Sie heute Abend hier anwesend sind, wenn Sie in vorliegt. Das können ein Verbraucher und eine Verbrau- den Supermarkt gehen, dann stoßen Sie auf cholesterin- cherin schließlich vorher nicht wissen, übrigens auch die senkende Lebensmittel wie bestimmte Milch-, Joghurt- Presse nicht. Man bleibt auf hohen Gebühren sitzen, und Margarinesorten. wenn sich herausstellt, dass die Pestizidbelastung eines Lebensmittels gerade an der Grenze war oder das Unter- Das Ergebnis dieser Umfrage war ganz eindeutig: nehmen keinen direkten Rechtsbruch begangen hat. Wer Viele Leute nehmen diese Lebensmittel zu sich, obwohl bezahlt die Gebühren dann? Das ist eine unsoziale Rege- es gar nicht nötig ist. Besonders bedenklich ist, dass es lung, die eine hohe Hürde für den Auskunftsbegehren- Menschen gibt, die cholesterinsenkende Lebensmittel zu den darstellt. sich nehmen, ohne Rücksprache mit ihrem Arzt gehalten zu haben. Diese Menschen nehmen starke Nebenwirkun- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gen in Kauf; zum Beispiel wird die Zellstabilität beein- Lange Wartezeiten – auch das noch – von etwa drei Mo- trächtigt. naten müssen in Kauf genommen werden. Es ist in der (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Aber damit Anhörung vorgeschlagen worden, die unverzügliche Be- hat das Gesetz doch gar nichts zu tun!) arbeitung in das Gesetz aufzunehmen. Nach drei Mona- ten – dieses Gesetz bezieht sich vor allem auf Lebens- – Ich komme gleich darauf zu sprechen, Herr mittel – ist die Ware längst verzehrt. Goldmann. Die Erreichung des Ziels von Minister Seehofer, den (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Du erzählst Verbraucherinnen und Verbrauchern ein scharfes das ja gerade den Besuchern da oben!) Schwert bei Gammelfleischskandalen zu verschaffen, ist Es kann vorkommen, dass die Vitamin-A-Aufspaltung gescheitert. Ob billige Importe in deutsches Edelfleisch nicht mehr gewährleistet ist. Der Verzehr dieser Pro- umbenannt werden oder Gammelfleisch, dessen Haltbar- dukte hat keine vorbeugende Wirkung. Es reicht nicht keitsdatum abgelaufen ist, in frische Supermarktware aus, dass auf den Verpackungen Hinweise gegeben wer- umetikettiert wird – der Verbraucher wird auch in Zu- den. kunft kaum etwas mit dem Verbraucherinformationsge- setz verhindern können und wir auch nicht. Sämtliche Das Ergebnis dieser Umfrage wundert mich eigent- Vorschläge der Grünen und auch anderer Fraktionen, den lich überhaupt nicht; denn die Werbespots für choleste- Gesetzentwurf zu verbessern, werden ignoriert. Dieses rinsenkende Lebensmittel, zum Beispiel für bestimmte Gesetz ist eine Mogelpackung, und offensichtlich fehlt Margarinesorten, vermitteln genau zwei Informationen: Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11189

Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (A) Sieben von zehn Menschen haben einen erhöhten Cho- empfehlung auf Drucksache 16/5928, den Gesetzentwurf (C) lesterinspiegel, der Bundesregierung auf Drucksache 16/5723 anzuneh- men. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustim- (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist völ- men wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dage- liger Blödsinn!) gen? – Stimmenthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist und man kann ihn durch den Verzehr dieser Lebensmittel damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koali- senken. Ganz abgesehen davon, ob Medizin überhaupt tion bei Gegenstimmen der Opposition angenommen. ins Lebensmittelregal gehört, steht doch fest: Das sind Dritte Beratung keine Lifestyle-Produkte, und man sollte sie auch nicht so bewerben dürfen. und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das hat mit Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Der Ge- dem Gesetz überhaupt nichts zu tun! Unlaute- setzentwurf ist damit in dritter Beratung mit den Stim- rer Wettbewerb ist mit dem Gesetz überhaupt men der Koalition bei Gegenstimmen der Opposition an- nicht erfasst!) genommen. Warum führe ich das alles an? Ich führe das an, weil (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) es der letzte Verbraucher und die letzte Verbraucherin verstehen sollen und weil dieses Thema den Kern der Wir kommen zur Abstimmung über die Entschlie- Auseinandersetzung über das Verbraucherinformations- ßungsanträge. gesetz genau trifft. Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Frak- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) tion der FDP auf Drucksache 16/5977? – Wer stimmt da- gegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist Wer gibt denn die Infos? Welche Informationen brau- bei Gegenstimmen der FDP mit den Stimmen der ande- chen die Verbraucherinnen und Verbraucher, und wer ren Fraktionen abgelehnt. entscheidet über die Informationen? Die Verbraucher bis jetzt jedenfalls nicht! Mit der Verabschiedung des Ver- Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Frak- braucherinformationsgesetzes wird sich das – nach ei- tion Die Linke auf Drucksache 16/5975? – Wer stimmt nem langen Kampf – ändern. dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke mit den Die Wirtschaft ist angesprochen worden. In unserer Stimmen des übrigen Hauses abgelehnt. letzten Anhörung forderte ein Vertreter des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, die Belange Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion (B) der Wirtschaft zu berücksichtigen. Schauen Sie sich die des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/5976? – (D) Versionen an! Hinter uns liegt ein langer Diskussions- Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschlie- prozess. Klar ist doch: Wenn Unternehmen wollen, dass ßungsantrag ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU sie es sind, die informieren, dann heißt das, dass sie es und FDP bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und Ge- sind, die die Kontrolle über die Informationen ausüben genstimmen von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. wollen. Die Forderung war: Freiwillige Information und Wir setzen die Abstimmungen über die Beschluss- Produktkennzeichnung reichen aus. Was dabei heraus- empfehlung auf Drucksache 16/5928 fort. Unter Nr. 2 kommt, lässt sich daran zeigen, wie wir jetzt mit den seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss, cholesterinsenkenden Lebensmitteln konfrontiert wer- den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und den. der SPD zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherin- Wir brauchen das Verbraucherinformationsgesetz. Die formation für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Verbraucher wollen sich allein, also selbstständig, infor- Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Ent- mieren – sie wollen nicht nur informiert werden –, und haltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim- genau diesem Bedürfnis werden wir mit der Verabschie- men des ganzen Hauses angenommen. dung dieses Gesetzentwurfs gerecht. Dieses Gesetz ist Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 sowie Zusatz- ein erster guter Baustein. Weitere gute Bausteine werden punkt 10 auf: folgen. Gehen Sie diesen Schritt mit uns! Auch die Op- position sollte sich das noch einmal überlegen. 25 Beratung des Antrags der Abgeordneten Peter Rzepka, Ingo Schmitt (Berlin), Monika Grütters Vielen Dank. und weiterer Abgeordneter (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Flugverkehrskonzept für den Großraum Ber- lin überprüfen – Flughafen Berlin-Tempelhof Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: offenhalten Ich schließe die Aussprache. – Drucksache 16/4813 – Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- Überweisungsvorschlag: desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Haushaltsausschuss (f) Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation. Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Verteidigungsausschuss Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Ver- Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung braucherschutz empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschluss- Ausschuss für Tourismus 11190 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner (A) ZP 10 Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried Die Deutsche Bahn, Luftfahrtunternehmen und wei- (C) Hermann, Wolfgang Wieland, Hans-Christian tere private Investoren haben solide geplante und finan- Ströbele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion ziell abgesicherte Konzepte für eines der modernsten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ambulanten Gesundheitszentren der Welt vorgelegt und halten dieses Angebot aufrecht. Einstellung des Flugbetriebs in Tempelhof – Sinnvolle Nachnutzung des Flughafenareals (Mechthild Rawert [SPD]: Veraltet!) – Drucksache 16/5897 – Der Berliner Senat dagegen bereitet die Schließung und Entwidmung des legendären Stadtflughafens vor, Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss (f) (Zuruf von der CDU/CSU: Die Arbeitsplätze Ausschuss für Wirtschaft und Technologie sind egal! – Dr. Karl Lamers [Heidelberg] Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit [CDU/CSU]: Ein Armutszeugnis!) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ein Vorgang, der weltweit Unverständnis auslöst. Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Der erste Zivilflughafen in der Geschichte, die Mutter Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege aller Flughäfen, ein Architektursymbol mit weltweiter Peter Rzepka, CDU/CSU-Fraktion. Ausstrahlung, (Beifall bei der CDU/CSU – Abg. Peter (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Der wird ja Rzepka begibt sich mit einem großen Schrift- nicht gesprengt!) stück zum Rednerpult – Lutz Heilmann [DIE LINKE]: Das ist ja eine Demonstration! Ist das soll seiner eigentlichen Funktion beraubt werden. Ein zulässig, Frau Präsidentin?) wichtiger Standortvorteil für die zukünftige wirtschaftli- che, politische und kulturelle Entwicklung der Haupt- stadt soll aufgegeben werden. Peter Rzepka (CDU/CSU): (Beifall des Abg. [CDU/ Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und CSU]) Herren! Lassen Sie mich meine Ausführungen zu unse- rem Gruppenantrag mit den Worten des ehemaligen Bundeskanzlers beginnen: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des (B) (D) Berlin sollte Tempelhof nicht aufgeben. Die Haupt- Kollegen Wieland? stadt der Republik darf jetzt die große und letzte Chance nicht verpassen, einen bundesweit einmali- Peter Rzepka (CDU/ CSU): gen Standortvorteil zu nutzen: einen Flughafen in unmittelbarer Nähe der Innenstadt. Ich habe nur sehr wenig Zeit; vielleicht zum Schluss noch. (Beifall bei Abg. der CDU/CSU – Swen (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ Schulz [Spandau] [SPD]: Auch der kann DIE GRÜNEN]: Das wird doch nicht ange- irren! – Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/ rechnet! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das passt in die 70er-Jahre!) DIE GRÜNEN] Das verlängert doch! – Swen Über 70 Prozent der Berlinerinnen und Berliner, zahl- Schulz [Spandau] [SPD]: Das ist ja mutig!) lose Prominente aus Wirtschaft, Politik und Kultur, Die Berliner Politik hält damit an einer Entscheidung , ein weiterer ehemaliger Bundeskanzler, fest, die längst überholt ist. (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Mechthild Rawert [SPD]: Überholt ist dieser NEN]: Es wird immer doller!) Antrag!) ein ehemaliger Bundespräsident, Wirtschaftsverbände Es ist weder sachlich noch rechtlich geboten, Tempelhof und Mitglieder der gegenwärtigen Bundesregierung, zum jetzigen Zeitpunkt zu schließen. Herr Kollege, teilen diese Beurteilung des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt. Ein Volksbegehren ist (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) mit mehr als 35 000 Unterschriften in Berlin eingeleitet Das Bundesverwaltungsgericht hat im März 2006 festge- worden. stellt, dass es keine Rechtspflicht gibt, Tempelhof vor Helmut Schmidt hat den Kern der Tempelhof-Debatte Eröffnung von BBI zu schließen. getroffen: Es geht um eine optimale Anbindung von Re- (Dr. Karl Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: gierungs- und Parlamentsviertel an den Flugverkehr so- So ist es!) wie um Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze für Ber- lin. Ob ein Offenhalten über diesen Zeitpunkt hinaus die Planrechtfertigung für BBI gefährden würde, wie der (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Berliner Senat behauptet, wird von namhaften Gutach- Zuruf von der SPD: Stimmt!) tern und Rechtswissenschaftlern bestritten. Eine ab- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11191

Peter Rzepka (CDU/ CSU) (A) schließende Klärung dieser Rechtsfrage, die mit hoher reitschaft nach Tempelhof die Offenhaltung rechtlich (C) Wahrscheinlichkeit die Offenhaltung des Flughafens eindeutig abzusichern, Tempelhof ermöglichen würde, will der Berliner Senat (Dr. Werner Hoyer [FDP]: Sehr gute Idee!) mit seinem voreiligen Handeln verhindern. damit die Entwidmung des Flughafens nicht dazu führt, Ebenso fragwürdig wie die Argumente für eine dass ab Tempelhof niemals wieder geflogen werden Schließung sind die Nachnutzungskonzepte der Tem- kann, und damit das Entstehen einer großen innerstädti- pelhof-Gegner. Die zuständige Berliner Senatorin will schen Brache im Eigentum des Bundes und in unmittel- ein Wiesenmeer mit ein wenig Bebauung und vielen barer Nähe zum Regierungsviertel verhindert wird, die Grünflächen. zudem den Steuerzahler noch viele Millionen kosten (Mechthild Rawert [SPD]: Auch Sie nutzen würde. die frische Luft durch das Wiesenmeer! – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Haben Sie was (Mechthild Rawert [SPD]: Die Kosten sind gegen Wiesen?) gleich! – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Die Kosten sind sowieso schon irre hoch!) Realisierbare Pläne für die Nutzung der riesigen Immo- bilie ohne Start- und Landebahnen sind nicht vorhanden. Die Zeit wird knapp. Aber es ist noch nicht zu spät. Bundestag und Bundesregierung müssen jetzt handeln. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Wir haben die Möglichkeit dazu. der FDP) Es ist doch lächerlich, meine Damen und Herren von der Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: SPD-Fraktion, dass sich der Berliner Senat an die Berli- Herr Kollege, ich möchte Sie an Ihre Redezeit erin- ner Öffentlichkeit wendet und um Vorschläge dazu bit- nern. Ihre Zeit ist nicht nur knapp; sie ist schon über- tet, schritten. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das ist doch (Dr. Uwe Küster [SPD]: Ihre Zeit ist abgelau- eine völlig offene Frage!) fen! – Dr. Karl Lamers [Heidelberg] [CDU/ CSU]: Aber die Rede ist gut! Er darf weiterre- was mit diesem Areal passieren soll, nachdem man an- den!) geblich bereits seit elf Jahren dessen Entwidmung als Flughafen plant. Peter Rzepka (CDU/CSU): (Mechthild Rawert [SPD]: Herr Diepgen war Ich komme zum Schluss. maßgeblich beteiligt!) (B) Wer jetzt nicht handelt, trägt die Mitverantwortung (D) Im Gegensatz dazu geht man bei allen ernsthaften plane- für eine unumkehrbare Entwicklung, die wir schon in risch und finanziell abgesicherten Projekten für die Zu- wenigen Jahren bitter bereuen werden. kunft des Areals davon aus, dass die Start- und Lande- bahnen bestehen bleiben müssen. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Aber wir han- deln doch! Wir bauen den BBI!) Ohne hier noch einmal alle für den Innenstadtflugha- fen sprechenden Gründe zu nennen Es geht um die Zukunft unserer Hauptstadt Berlin. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Da gibt es (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: So ist es!) wohl nicht so viele!) Tempelhof muss offen bleiben. – sie sind in der Begründung zu unserem Gruppenantrag (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) enthalten –: Tempelhof hat seine Existenzberechtigung zumindest für die Zeit der Errichtung von BBI, aber mei- Für diejenigen, die den Flughafen nicht kennen – – nes Erachtens auch darüber hinaus. (Der Redner hält ein großes Schriftstück hoch) (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Was hat Herr Diepgen gemacht?) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Die zusätzlichen Start- und Landebahnen sowie Stellflä- Herr Kollege, Sie haben nicht mehr die Möglichkeit chen für kleinere Maschinen sind eine sinnvolle Ergän- zu einer Demonstration. zung zum geplanten Single-Airport in Schönefeld. (Dr. Uwe Küster [SPD]: Das gehört sich Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, ihr po- nicht!) litisches Gewicht einzusetzen, um nicht wiedergutzuma- Außerdem, Herr Kollege, ist es in diesem Hohen Hause chende Schäden vom Standort Berlin abzuwenden. üblich, dass Sie die Präsidentin fragen, wenn Sie Plakate (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zu- hochhalten oder sonst etwas demonstrieren wollen. rufe von der FDP: Bravo!) (Mechthild Rawert [SPD]: Wir haben jetzt alle Das kann im Rahmen der anstehenden Verhandlungen eine Demonstration frei! – Große Unruhe) zur Hauptstadtfinanzierung geschehen. Die Bundesre- gierung hat auch die Möglichkeit – das ist der wesentli- Peter Rzepka (CDU/CSU): che Punkt –, durch die Verlegung von Teilen der Flugbe- Frau Präsidentin, es geht um – – 11192 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Peter Rzepka (A) (Dr. Uwe Küster [SPD]: Es geht um die klargestellt, wie wichtig die Politik den Bürger in sol- (C) Regeln des Hauses!) chen Fragen zu nehmen hat. (Beifall bei der FDP) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Herr Kollege! Die Anwohner sind im Übrigen, wie verschiedene re- präsentative Umfragen gezeigt haben, mehrheitlich für (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Keine Argu- die Offenhaltung. Alle Argumente, die angeblich zum mente, nur Clownereien! Klamauk – Dr. Uwe Schutz der Anwohner dort vorgebracht werden, sind also Küster [SPD]: Solche Kaspereien müssen wir falsch. Die Anwohner selbst sagen, der Straßenverkehr hier nicht haben! – Mechthild Rawert [SPD]: ist ihr Problem. Wenn der Flughafen zugemacht wird Sie hätten doch von PR-Gag reden sollen! Das und die Fläche dort bebaut wird, entsteht mehr Straßen- hat mit der Würde des Hauses nichts zu tun!) verkehr, und dadurch wird diese Belastung noch größer. (Mechthild Rawert [SPD]: Von welcher Initia- Peter Rzepka (CDU/CSU): tive reden Sie eigentlich?) Danke schön. Wenn sich die Grünen mit ihrer Idee durchsetzen, dort (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Events stattfinden zu lassen, haben die Nachbarn da, wo jetzt ein Nachtflugverbot besteht, nachts große Events Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: und die Love Parade zu ertragen. Nächster Redner ist der Kollege Hellmut Königshaus, (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- FDP-Fraktion. NEN]: Ach was! Spielverderber!) (Beifall bei der FDP – Swen Schulz [Spandau] Gute Nacht, liebe Nachbarn, kann ich nur sagen, wenn [SPD]: Mal gucken, ob das vernünftiger wird! so etwas durchkommt. Sie können ganz vernünftig sein! Ich weiß es genau!) (Beifall bei der FDP) Dann wird nichts aus dem angeblichen Schutz der An- Hellmut Königshaus (FDP): wohner. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Rzepka hat es ja schon ganz gut begründet, (Mechthild Rawert [SPD]: Wir treffen uns bei warum der Flughafen Tempelhof offen bleiben muss und einem Event! – Zuruf des Abg. Dr. Uwe Küster (B) warum die Gegenargumente falsch sind. Ich möchte das [SPD]) (D) Ganze eher einmal politisch bewerten; denn das Vorge- Der nächste Punkt, der auch unanständig ist, ist die hen des Berliner Senats und der ihn tragenden Koalition damit verbundene Kostenüberwälzung auf den Bund. ist wirklich in mehrfacher Hinsicht unanständig. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- So läuft derzeit ein Volksbegehren. Bereits in der ers- NEN]: Sauertopf!) ten Stufe gab es mehr als 10 000 Unterschriften, also mehr als an und für sich benötigt werden. Weil der Senat – Regen Sie sich doch nicht so auf! – Die Investoren ha- fürchtet, dass in der zweiten Stufe ein überzeugendes Er- ben angeboten, zu 100 Prozent die Finanzierung zu über- gebnis zustande kommt, will er vorher Fakten schaffen. nehmen. Wenn der Flughafen geschlossen wird, muss der Bund alle Kosten übernehmen. Dabei geht es jedes (Mechthild Rawert [SPD]: Da sieht man doch Jahr um Kosten in Höhe von zig Millionen allein für die nur, wie die Leute hinters Licht geführt wer- Reinigung, die bauliche Unterhaltung und anderes. Es ist den! – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Unan- schlicht unanständig, das einfach so zu machen, meine ständig ist das Begehren!) Damen und Herren. Deshalb werden die Initiatoren dieses Volksbegehrens – (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten ich bin der Vertrauensmann dieses Volksbegehrens, der CDU/CSU) wenn ich das einmal sagen darf – das auch zu einer Ab- stimmung über diese Art der Behandlung des Souveräns, Die Verwertungsinteressen für die Gebäude, für die Im- des Bürgers, machen. mobilien würden damit weiter geschädigt. Herr Diller, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten dass Sie so etwas gutheißen können, kann ich mir nicht der CDU/CSU – Swen Schulz [Spandau] vorstellen. Die Bundesregierung müsste doch dazu auch [SPD]: Die Leute werden doch belogen!) endlich einmal etwas sagen, insbesondere vonseiten des Finanzministeriums, statt nur interessiert zuzuschauen. Wenn der Souverän so brüskiert wird, dann ist das unan- ständig. (Mechthild Rawert [SPD]: Die Bundesregie- rung hat gesagt, sie respektiert den Willen Ber- (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Die Leute werden lins!) getäuscht! Tricksen und Täuschen!) Durch diesen Überraschungscoup des Senats kommt Das Bundesverfassungsgericht hat gerade im Zusam- es auch noch zu einer Begrenzung der Möglichkeiten für menhang mit der Waldschlösschenbrücke in Dresden den Bund, das Gebäude zu nutzen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11193

Hellmut Königshaus (A) (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unabhängig davon, ob wir jetzt einen Verkehrsflug- (C) Das ist doch kein Überraschungscoup!) hafen schließen, müssen wir uns über die weitere Nut- zung dieser Fläche unterhalten. Wenn der Flughafen einmal geschlossen ist, verehrter Kollege Wieland, dann kann dort auch die Flugbereit- Deshalb geht es an dieser Stelle nicht nur um die Nut- schaft nicht mehr stationiert werden. Die Bundeswehr zung als Verkehrsflughafen, sondern auch um das, was will ja erst noch prüfen, ob sie dort hingehen will oder die heute hier anwesenden Investoren dazu angeboten nicht. Diese Möglichkeit wäre dann vertan. haben – nämlich keine Nutzung als Verkehrsflughafen, sondern eine Sondernutzung. Dabei handelt es sich um Deshalb ist das insgesamt in dieser Form einfach un- eine weitere Möglichkeit, die dieser Beschluss kaputt- anständig. macht. Deshalb sollten Sie hier keine Legenden bilden, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten meine Damen und Herren. der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wieland. Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischen- frage, diesmal des Kollegen Rzepka? Hellmut Königshaus (FDP): Hellmut Königshaus (FDP): Aber natürlich, ich freue mich darauf. Mit noch größerer Freude. Bitte. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Königshaus, Sie sprachen im Zusam- Peter Rzepka (CDU/CSU): menhang mit der Schließung von Tempelhof von einem Herr Kollege, teilen Sie meine Auffassung, dass sich Überraschungscoup. Der Kollege Rzepka berief sich auf der Konsensbeschluss von 1996 auf die Schließung Helmut Kohl. Erinnere ich mich denn richtig, dass in ei- Tempelhofs als Verkehrsflughafen bezog und keines- nem sogenannten Konsensbeschluss zu der Zeit, als wegs auf die Schließung für die allgemeine Luftfahrt Helmut Kohl mit Schwarz-Gelb regierte, von den Herren und für die von uns beiden angesprochene Flugbereit- Diepgen, Wissmann und Stolpe festgelegt wurde, dass schaft des Bundes? Teilen Sie des Weiteren meine Auf- erstens Berlin Brandenburg International in Schönefeld fassung, dass man nach elf Jahren möglicherweise auch gebaut wird und dass zweitens – das steht in demselben klüger werden kann, was der Kollege Wieland für sich Beschluss – die beiden innerstädtischen Flughäfen als vielleicht nicht in Anspruch nimmt? (B) (D) Verkehrsflughäfen stillgelegt werden? Erinnere ich mich (Mechthild Rawert [SPD]: Herr Rzepka, blei- richtig, dass das als Junktim in diesem Beschluss steht, ben Sie stehen!) oder ist hier jetzt irgendetwas plötzlich vom Himmel ge- fallen? Hellmut Königshaus (FDP): (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Geben Sie mir bitte Gelegenheit, Ihnen zu antworten, und bei der SPD) lieber Kollege. Ich bin sehr froh, dass Sie diesen Punkt noch einmal ansprechen. Genau das hatte ich gesagt. Hellmut Königshaus (FDP): Deshalb teile ich natürlich Ihre Auffassung. Herr Kollege, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mir Es ist aber in der Tat richtig, dass wir uns auch noch Gelegenheit geben, das noch einmal in Erinnerung zu ru- einmal über genau diese Abfolge unterhalten müssen; fen und auch in der Abfolge darzustellen. denn inzwischen hat sich die Situation insgesamt – da Diesen Konsensbeschluss gab es. haben Sie völlig recht – massiv verändert. (Mechthild Rawert [SPD]: Gibt es! – Dr. Uwe Küster Dieser Beschluss ist auch deshalb so schädlich für [SPD]: Gibt es!) Berlin, weil er ein negatives Beispiel gibt. Dabei denke ich zum einen an die Bürger, die sehen, dass ihr Volksbe- Der Konsensbeschluss ging davon aus, dass man inzwi- gehren einfach weggewischt wird. schen schon von diesem Flughafen BBI starten und lan- den könnte. (Zuruf von der FDP: Unglaublich! – Mechthild Rawert [SPD]: Das ist doch Unsinn!) (Mechthild Rawert [SPD]: Das ist unglaub- lich!) Das ist ein schöner Umgang für Demokraten! Zum ande- ren geht es in einer Stadt, die so dringend Investitionen Genau das war der zeitliche Horizont, meine Damen und benötigt, aber auch nicht, dass die potenziellen Investo- Herren. Seitdem ist wirklich nicht nur Wasser die Spree, ren so schäbig abgemeiert werden – mit diskriminieren- sondern auch den Rhein und anderswo heruntergeflos- den Äußerungen sen. Jetzt haben wir eine andere Situation. (Mechthild Rawert [SPD]: Unsinn!) (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Dauernutzung?) nach dem Motto: Da kommen ein paar Leute von Disney und wollen dort irgendetwas bauen. Deshalb müssen wir uns mit dieser Frage noch einmal neu befassen. Zu diesen Leuten gehört auch die Deutsche Bahn. 11194 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Hellmut Königshaus (A) (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Zuruf von der CDU/CSU: Harakiri!) (C) NEN]: Die Bahn ist nicht mehr dabei!) Insofern gebe ich Ihnen da völlig recht. Bei ihnen handelt es sich um Investoren, die mehrere hundert Millionen Euro investieren wollten. Es ist in der (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Tat wichtig, das im Auge zu behalten. Ich habe eben schon darauf hingewiesen, dass die (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten schäbige Behandlung, die die Investoren in diesem Fall der CDU/CSU) erfahren haben, auch auf andere Investoren abschre- ckend wirkt. Hier tut man das, obwohl ein sehr solide Wenn wir solche Chancen vergeben, werden wir über- durchgerechnetes Projekt vorliegt. haupt keine Chancen mehr bekommen. – Insofern gebe ich Ihnen recht. Ich freue mich sehr, dass mir die heute anwesenden Investoren – Herr Charrabé ist für die Investorengruppe da; auch die Deutsche Bahn ist hier vertreten – in einem Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: gerade geführten Gespräch noch einmal bestätigt haben, Herr Kollege, mir liegt jetzt noch eine Zwischenfrage dass sie weiterhin als Investoren zur Verfügung stehen, vor, und zwar vom Kollegen Lamers. wenn der Flughafen tatsächlich so nutzbar ist, wie es das Projekt vorsieht. Hellmut Königshaus (FDP): Alles Gegenteilige, was hier behauptet wird, ist Ich bin beglückt über die viele Redezeit, die mir heute schlichtweg falsch und Stimmungsmache. gegeben wird. (Mechthild Rawert [SPD]: Auch die Erklärun- Dr. Karl Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU): gen in der Presse?) Herr Kollege, wären Sie bereit, mir zuzustimmen, Nein, die Investoren sind hier und stehen zur Fahne. Sie dass der Flughafen Berlin-Tempelhof nicht nur für Ber- stehen zu dem Projekt, meine Damen und Herren. lin, sondern zum Beispiel auch für die Metropolregion Rhein-Neckar, aus der ich komme, von großer Bedeu- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) tung ist, Es gibt keinen Grund, diesen einmaligen Standortvor- (Beifall bei Abgeordneten der FDP) teil für die Stadt und die Region Berlin aufzugeben. Es ist auch noch nicht zu spät. Wenn die Bundesregierung dass das alles zerstört wird, wenn dieser Flughafen zu ei- wirklich Interesse hat, hier auch die Interessen des Bun- nem Zeitpunkt geschlossen wird, zu dem BBI noch des zu wahren und eine wirklich schäbige Überwälzung (B) lange nicht in Betrieb genommen worden ist, von Kosten auf den Bund – für dessen Kasse sind wir ja (D) (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- verantwortlich – zu vermeiden, muss sie jetzt diese NEN]: Sie müssen sich mal festlegen: Wollen Chance ergreifen. Sie eine Zwischennutzung, oder wollen Sie Die Klagefrist endet morgen in einer Woche, also am eine endgültige Nutzung?) Freitag, dem 13. Die Bundesregierung hat die Möglich- und dass es Ausdruck höchster Ignoranz ist, diesen tol- keit, sich die Option für die Stationierung der Flugbereit- len Flughafen zu schließen? schaft offenzuhalten. Auch wenn die Klagefrist abgelau- fen sein sollte, weil die Bundesregierung vermutlich nicht aus der Hüfte kommt, ist noch lange nicht alles Hellmut Königshaus (FDP): verloren; denn niemand hindert beispielsweise den Ber- Ich teile Ihre Bewertung. Das ist in der Tat eine liner Senat daran, solche Beschlüsse hinterher aufzuhe- schreckliche Herangehensweise. ben. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das ist jetzt (Beifall bei der FDP) sehr überraschend!) Es ist ja nicht auszuschließen, dass ein Wunder geschieht – Ich bin gefragt worden. Daher muss ich das jetzt noch und dass selbst der rot-rote Senat auf einmal Einsicht einmal feststellen. In der Tat teile ich diese Bewertung. zeigt und die Möglichkeiten zum Offenhalten von Tem- Wie soll Herr Paziorek denn dann nach Münster kom- pelhof von neuem ergreift. men? Wie soll Herr Lamers dann nach Rhein-Neckar (Mechthild Rawert [SPD]: Die FDP gefährdet kommen? Wie soll man nach Basel kommen, wenn die- 40 000 Arbeitsplätze!) ser Flughafen geschlossen wird? Viele Chancen stehen hier auf dem Spiel. Gehen Sie (Zuruf von der CDU/CSU: Und zum Beispiel noch einmal in sich! nach Saarbrücken!) Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. Ich bin ab- Dann sind nämlich nicht nur die neuen Kapazitäten noch solut sicher: Wenn wir uns mit diesen Anträgen befassen gar nicht da, sondern es werden – da haben Sie völlig und zu einer übereinstimmenden Auffassung gelangen, recht – in der Zwischenzeit wegen der Bauarbeiten auch noch Kapazitäten in Schönefeld stillgelegt. Wir werden (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ganz sicher dort eine weitere Start- und Landebahn verlieren. Zu die- nicht! – Mechthild Rawert [SPD]: Schließen sem Zeitpunkt die Kapazitäten in Tempelhof zu schlie- Sie sich unserer Meinung an? Das ist ja eine ßen, ist schlichtweg unverantwortlich. ganz neue Entwicklung!) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11195

Hellmut Königshaus (A) dann werden wir feststellen – davon bin ich überzeugt –, Wir diskutieren jetzt über die Auswirkungen eines (C) dass wir diesen Flughafen offenhalten und die Chancen Konsensbeschlusses von 1996. Elf Jahre nach dem Be- nutzen müssen, die sich hier bieten. schluss wollen Sie wieder von vorne anfangen und alles infrage stellen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Hellmut Königshaus [FDP]: Das ist doch (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Blödsinn!) der CDU/CSU) Wollen Sie wirklich durch neue Klagewellen den Bau Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: des Großflughafens Schönefeld verzögern? Das kann doch nicht Ihr Interesse sein. Ich gebe das Wort der Kollegin Petra Merkel, SPD- Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) (Beifall bei der SPD) In diesem Konsensbeschluss wurden auch die Aus- Petra Merkel (Berlin) (SPD): wirkungen auf den Flughafen Tempelhof entschieden. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Mit Genehmigung der Präsidentin zitiere ich: Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche, ein bisschen Nach Vorliegen der gerichtlich überprüften und Sachlichkeit in die Debatte hineinzubringen, obwohl das rechtskräftigen Planfeststellung für den Single- schwerfällt. standort Schönefeld wird der Verkehrsflughafen (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Tempelhof geschlossen. LINKEN – Zurufe von der FDP: Oh!) (Mechthild Rawert [SPD]: Ja!) In dieser Debatte wird sichtbar, dass einige Kollegen, die Das haben damals alle unterschrieben. Grundlage für die immer schon gemeinsam über dieses Thema diskutiert Planfeststellung war also: Für einen citynahen Flughafen haben, ihre Rollen kennen. Das ist mir noch ein bisschen Schönefeld werden die Flughäfen Tegel und Tempelhof fremd. geschlossen. (Dr. Karl Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: (Hellmut Königshaus [FDP]: Ja und! Ist er fer- Das ist kein Rollenverhalten! Das ist Ver- tig? – Gegenruf des Abg. Swen Schulz [Span- nunft!) dau] [SPD]: Sie kapieren das eh nicht!) Wir diskutieren über einen Gruppenantrag – das ist Ich sage es noch einmal, damit es allen ganz klar ist: relativ ungewöhnlich –, der zum Inhalt hat, den Flugha- Dieser Konsensbeschluss war die Grundlage aller Pla- (B) (D) fen Tempelhof nicht zu schließen. Die beabsichtigte nungen. Er bleibt es auch. Schließung hängt natürlich mit dem Bau des Großflug- hafens Berlin Brandenburg International zusammen. (Mechthild Rawert [SPD]: Jawohl!) Darauf muss man einmal verweisen; es geht nämlich Wichtig zu wissen, ist: Dieser Konsensbeschluss nicht ausschließlich um Tempelhof. Wie schwierig der wurde herbeigeführt – auch das wurde eben erwähnt – Bau eines Großflughafens ist, haben wir noch alle in Er- und beschlossen von Bundesverkehrsminister innerung. Der letzte Großflughafen ist in München ge- Wissmann, CDU, Regierenden Bürgermeister baut worden. Dieser Bau hat 22 Jahre gedauert. Beim Diepgen, CDU, und Ministerpräsident Flughafen Berlin Brandenburg International muss und Stolpe, SPD. wird diese Bauzeit unterboten werden. (Hellmut Königshaus [FDP]: Das macht es Was ist in den letzten Jahren passiert? Schauen wir nicht besser!) einmal zurück. Vor elf Jahren, also 1996, gab es den Be- schluss zum Ausbau von Schönefeld zum BBI. Ich kann Wichtig zu wissen, ist: Tegel, Tempelhof und Schönefeld mich noch gut daran erinnern, dass ich damals nicht werden betrieben von Berlin, Brandenburg und dem wollte, dass in Schönefeld der Großflughafen gebaut Bund. wird. (Hellmut Königshaus [FDP]: Richtig!) (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Der Bund ist also sowohl an den Entscheidungen in Te- NEN]: Wir auch nicht!) gel als auch in Tempelhof und Schönefeld aktiv beteiligt. Ich war ebenso wie die SPD und die Grünen für Speren- Das Bundesverkehrsministerium und das Bundesminis- berg. Wir haben uns dann in einem Kompromiss darauf terium für Finanzen sind unsere Bundesvertreter in die- geeinigt, dass wir auf Wunsch der CDU nach Schönefeld ser Gesellschaft. Ich bin mir sicher, dass die Entschei- gehen, also nicht nach weit außerhalb, sondern vor die dungen, die von dieser Flughafengesellschaft auch im Tore der Stadt. Herr Schmitt, Sie können sich daran erin- Interesse des Bundes getroffen werden, von den Vertre- nern. 1999, also drei Jahre später, reichte die Flughafen tern dieser Gesellschaft gemeinsam getroffen werden. Berlin-Schönefeld GmbH den Planfeststellungsantrag Ich kann mir vorstellen, dass der Bund das Areal des ein. 2003 war der Beginn der bauvorbereitenden Maß- Flughafens Tempelhof mit der großen Liegenschaft und nahmen. 2005 erfolgte der Planfeststellungsbeschluss mit dem Gebäude optimal vermarkten will. Das muss er zum BBI. 2006 genehmigte das Bundesverwaltungsge- auch; darauf werden wir achten. richt den Ausbau des Flughafens Schönefeld. 2007 war endlich Baubeginn. (Mechthild Rawert [SPD]: Richtig!) 11196 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Petra Merkel (Berlin) (A) Ich klammere dabei einmal aus, dass der Bund in Bezug Der Flughafen Tempelhof ist viel zu klein, die Lande- (C) auf dieses Areal mit Berlin im Streit liegt, und zwar we- bahnen reichen nicht aus. – Angela Merkel hat sich an gen des Reichsvermögens. dem Punkt auch nicht weiter durchgesetzt. Sie hat er- kannt, dass das an dieser Stelle nicht geht. (Hellmut Königshaus [FDP]: Das können Sie nicht ausklammern!) Zu der Frage der Investoren. Investoren sind in Ber- lin an jeder Stelle herzlich willkommen, auch was das Stand der Dinge ist jedenfalls, dass der Großflughafen Areal des Flughafens Tempelhof angeht, in der jetzigen Planungsphase baureif ist und Sie wieder von vorne anfangen wollen. (Mechthild Rawert [SPD]: Jawohl!) (Hellmut Königshaus [FDP]: Das stimmt doch aber nicht unter der Bedingung, dass dieser Flughafen gar nicht! – Gegenruf der Abg. Mechthild geöffnet bleibt. Rawert [SPD]: Sie wollen wieder zurück ins letzte Jahrtausend!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sollen wir uns jetzt wirklich wieder damit auseinander- Das ist die Grundbedingung; damit müsste man sich aus- setzen, dass vor elf Jahren Herr Diepgen, Herr einandersetzen. Wissmann und Herr Stolpe den politischen Entschluss Tatsache ist: BBI wird gebaut, Tempelhof wird folge- gefällt haben, einen stadtnahen Flughafen in Schönefeld richtig nach dem Beschluss von 1996 im nächsten Jahr zu bauen, und dass sie damit einhergehend die Schlie- geschlossen. ßung von Tegel und Tempelhof beschlossen haben? (Dr. Karl Lamers [Heidelberg) [CDU/CSU]: Wir haben damals alle darüber diskutiert; das ist nicht Warum jetzt schon? – Hans-Michael im stillen Kämmerlein passiert. Einige von uns haben Goldmann [FDP]: Warum jetzt?) das damals an anderer Stelle getan. Ich kann mich sehr gut erinnern: Herr Ingo Schmitt, Sie waren damals als – Weil Tempelhof bei Planreife des Flughafens BBI ge- Staatssekretär im Land Berlin unter anderem für den schlossen werden kann. Das ist der Beschluss von 1996. Verkehr zuständig und haben an der Entscheidung, Tem- (Hellmut Königshaus [FDP]: Er wird geschlossen, pelhof zu schließen, mitgewirkt. weil geschlossen werden muss!) (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Hört! Hört! – – Genau, weil wir den Beschluss haben. Mechthild Rawert [SPD]: Neuer Job, neue Meinung!) (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Auch wenn es noch so dämlich ist! Hauptsache, er wird (B) Ich halte eine erneute Diskussion darüber nicht für sinn- geschlossen!) (D) voll. – Wir haben alle Erfahrungen, wie wir mit einer großen Ich sage noch ganz kurz etwas zu dem Thema Volks- Bürgerbeteiligung umgehen. begehren, das hier eben aufgeflammt ist. Das Ziel des Volksbegehrens ist der Weiterbetrieb Tempelhofs als (Hellmut Königshaus [FDP]: Ja, ignorieren!) Verkehrsflughafen. Sie als CDU-Politiker haben die Leute hinters Licht geführt. Es sind Klagen noch und nöcher gerade in Bezug auf den Großflughafen Berlin Brandenburg International anhän- (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- gig gewesen. Es gibt Gerichtsentscheidungen. Es gibt NEN]: Wie immer! – Swen Schulz [Spandau] jetzt die Möglichkeit, zu bauen. Wir haben wirklich alle [SPD]: So ist es!) – auch auf Bundesseite – ein Interesse daran, dass das Großprojekt nicht gefährdet wird; davon bin ich über- Wenn es überhaupt ein Ergebnis geben kann, dann nur zeugt. unterhalb des Konsensbeschlusses. Sie wissen ganz ge- nau, dass das nicht zu erreichen ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hellmut Königshaus [FDP]: Es wird doch überhaupt (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das ist unan- nicht gefährdet! Was soll denn der Quatsch? ständig!) Was erzählen Sie denn da?) Die Frage, wie man es hinbekommen könnte, Tem- Ich bin froh, dass die Passierzahlen steigen; denn das pelhof für die Flugbereitschaft zu nutzen, war übrigens zeigt, dass wir einen großen, konkurrenzfähigen Flugha- im Wahlkampfjahr 2006 in Berlin ein Thema. Ich weiß, fen brauchen. Die Hauptstadt der Bundesrepublik und dass sich sowohl Angela Merkel als auch Klaus größte Stadt Deutschlands braucht auch weite Flugver- Wowereit inständig darüber unterhalten haben, ob das bindungen. Wenn man sich ansieht, wie die Flugpläne eine Möglichkeit wäre. Damals hat weder Wowereit derzeit aussehen, dann mag man nicht glauben, was man noch Merkel gesagt, dass es geht. sieht. Auch deshalb ist es notwendig, dass wir den Flug- (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: hafen Berlin Brandenburg International bekommen. Die Bundeswehr wollte doch gar nicht!) Der Flughafen Schönefeld ist ein Großbauprojekt. In Die Bundeswehr hat gesagt: Das geht nicht. der Region Brandenburg stärkt es die Wirtschaftskraft. 40 000 neue Arbeitsplätze werden durch den Bau des (Hellmut Königshaus [FDP]: Stimmt doch gar Großflughafens geschaffen. Der Bund kann sich darüber nicht!) nur freuen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11197

Petra Merkel (Berlin) (A) Als Haushälterin sage ich auch etwas zu den Zahlen. (DIE LINKE): (C) Der Flughafen Schönefeld ist das größte Infrastruktur- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und projekt in Ostdeutschland; ein Investitionsvolumen von Herren! Es ist sicher gut, dass wir über die Probleme von insgesamt 2 Milliarden Euro ist wirklich nicht von Tempelhof reden. Um keine falschen Erwartungen zu Pappe. Der Bund wird für die Verkehrsanbindung circa wecken, sage ich gleich: Ihren Gruppenantrag lehnt die 476 Millionen Euro ausgeben und als Gesellschafter Fraktion Die Linke ab. Ein Satz in Ihrem Antrag hat aber circa 110 Millionen Euro tragen. Der Bund muss und hundertprozentige Gültigkeit: wird als Teil der Flughafengesellschaft den Bau des Ein tragfähiges Konzept für die Nachnutzung … Flughafens Schönefeld aktiv begleiten. Aber nicht nur gibt es nicht. das. Wir Mitglieder des Deutschen Bundestages, die wir im Rechnungsprüfungsausschuss sind, haben ein Auge Wir wollen darauf verweisen, dass der 1996 gefun- darauf, wie die Nutzung von Tempelhof nach dem Ende dene Konsens, der im Übrigen von allen im Abgeordne- des Flugbetriebes aussehen könnte. tenhaus und im Bundestag vertretenen Kräften mitgetra- gen wurde, (Ingo Schmitt [Berlin] [CDU/CSU]: Zelt- platz!) (Hellmut Königshaus [FDP]: Nein, wir nicht!) erst die Planungsvoraussetzungen für den Flughafen Meine Kollegen und ich konnten übrigens sogar die Berlin Brandenburg International in Schönefeld geschaf- BImA, unsere Bundesimmobilienvermarkter, davon fen hat. Alle Gründe, die zu dem Beschluss von 1996 überzeugen, dass der Standort Tempelhof sehr wohl für führten, gelten auch heute noch. Büro- und Verwaltungsräume – sogar auf ministerieller Ebene – geeignet ist. Ich muss gestehen, dass ich mich ein bisschen über die Autorinnen und Autoren des Antrages gewundert (Hellmut Königshaus [FDP]: Gleich morgen!) habe. Da treffe ich auf so aktive Verfechter der Markt- wirtschaft wie Michael Meister, Friedrich Merz, Hans Jetzt steht fest, dass Bundesbehörden dort einziehen Michelbach, und Hermann Otto Solms. Und könnten. Somit ist die BImA aufgefordert, sich um eine was fordern sie von mir? Sie fordern von mir die Auf- Vermarktungsstrategie zu kümmern. Darüber möchte ich rechterhaltung eines defizitären Unternehmens. gerne mit Ihnen diskutieren. Ich glaube, es ist sinnvoller, darüber zu debattieren, als über einen Antrag, der chan- (Hellmut Königshaus [FDP]: So ein Quatsch!) cenlos ist. Die gleichen Kollegen, die ansonsten nicht müde wer- den, gegen sogenannte Subventionstatbestände zu kämp- Es ist durchaus möglich, das Areal von Tempelhof zu fen, fordern nichts anderes als die Fortsetzung eines entwickeln, nach dem Motto: Alter Flughafen – neues Subventionstatbestandes. Das lassen wir Ihnen nicht (B) Leben. Das ist eine gemeinsame Aufgabe des Bundes durchgehen. (D) und des Landes Berlin. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Frau Kollegin! Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Königshaus? Petra Merkel (Berlin) (SPD): Ich weiß, dass uns viele in der Republik und im Aus- Roland Claus (DIE LINKE): land darum beneiden, dass man diese Stadt an bestimm- Die gestatte ich ihm, ja. ten Punkten von innen heraus neu entwickeln kann. Hellmut Königshaus (FDP): Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass die Defizite Frau Kollegin! nicht aus dem Flugbetrieb, sondern aus den Immobilien resultieren? Die Immobilien bleiben bekanntlich dort, unabhängig davon, ob dort Flugbetrieb abgewickelt Petra Merkel (Berlin) (SPD): wird. Wenn die Mieteinnahmen und andere Verwer- Dazu gehört auch das Flughafenareal Berlin-Tempel- tungseinnahmen aus dem Flugbetrieb und aus flugbe- hof. triebsnahen Geschäften entfallen, wird es insgesamt noch teurer. Das Problem ist nur, dass der Eigentümer, Schönen Dank. nämlich der Bund, diese Kosten tragen muss. Ist Ihnen das bekannt? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Roland Claus (DIE LINKE): Mir sind die Berechnungen, die Sie hier vortragen, Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: sehr wohl bekannt. Ich gebe das Wort dem Kollegen Roland Claus, Frak- (Dr. Karl Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: tion Die Linke. Unbelehrbar!) (Beifall bei der LINKEN – Manfred Grund [CDU/ Ich komme im Laufe meiner Ausführungen auch noch CSU]: Jetzt kommt der Volkswille!) darauf zu sprechen. 11198 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Roland Claus (A) (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sie müssen Steuerzahler zu tragen haben. Deshalb frage ich Sie in (C) sich korrigieren!) diesem Zusammenhang, ob Ihnen bekannt ist, dass die Investoren – einschließlich der Deutschen Bahn AG als – Ich muss mich nicht korrigieren. Das werden Sie merken. Betreiber – die Zusage gemacht haben, sowohl den Flug- Ich bleibe dabei, dass es sich um ein defizitäres Un- betrieb als auch die Immobilie zu übernehmen, sodass ternehmen handelt, dessen Existenz Sie fortsetzen wol- schon heute die öffentliche Hand, sei es das Land Berlin len. Im Übrigen möchte ich Ihnen und der FDP insge- oder der Bund, von den Defiziten befreit worden wäre, samt sagen: Ihr Verhalten in dieser Debatte offenbart mir während sie jetzt noch jahrelang vom Steuerzahler zu eines: Allzu viel unverhohlener Lobbyismus schadet tragen sein werden. dem Parlament, meine Herren. (Mechthild Rawert [SPD]: Wir geben aber (Hellmut Königshaus [FDP]: So ein Quatsch!) 400 Hektar nicht einfach so weg! – Gegenruf des Abg. Hellmut Königshaus [FDP]: Der Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Redner ist gefragt! Roland, nicht Mechthild!) Herr Kollege Claus, der Kollege Rzepka möchte ebenfalls eine Zwischenfrage stellen. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Ich würde jetzt dem Redner die Chance geben, diese Roland Claus (DIE LINKE): Frage zu beantworten. Ich möchte ein Argument vortragen, das Ihre Frage, Herr Kollege, vielleicht schon beantwortet. Roland Claus (DIE LINKE): Ich will Ihnen eines sagen: Wir haben den Eindruck, Da Sie nicht die Einzigen waren, die heute mit dem dass Sie Ihren Antrag selbst nicht richtig ernst nehmen. Hauptinvestor gesprochen haben – auch ich habe mit Das will ich Ihnen erklären. Sie sind 106 Antragstelle- ihm telefoniert –, kann ich Ihnen durchaus sagen, dass rinnen und Antragsteller. Hätten Sie es geschafft, dass mir diese Konzepte bekannt sind. Ich sehe sehr wohl diese 106 Kolleginnen und Kollegen jetzt im Hause an- eine Möglichkeit, Investoren, die sich anbieten, im Sinne wesend sind, hätten Sie eine Mehrheit gehabt, mit der des Vorschlages, den wir Ihnen machen – Komplett- Sie eine Sofortabstimmung hätten durchsetzen können. umzug der Regierung auf dieses Areal –, konstruktiv zu Dann hätten Sie Ihren Beschluss selbst durchbringen beteiligen. Meine Gespräche in dieser Richtung waren können. Das haben Sie offenbar versäumt oder gar nicht durchaus konstruktiv. Aber an eine wirklich sinnvolle, gewollt. ökonomische Nutzung mit dem Minikonzept, dem Flug- konzept, das sie jetzt vorlegen, glauben wir nicht. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) (Beifall bei der LINKEN) (B) Wir sind für eine zukunftsfähige und gegen eine rück- (D) wärtsgewandte Lösung. Meine Fraktion schlägt Ihnen Dass das Vorhaben – jetzt komme ich zum Bund –, hier nicht zum ersten Mal vor, das Areal von Tempelhof Tempelhof in dieser Weise umzugestalten, nicht billig für den Umzug der in verbliebenen Regierungs- ist, ist allen klar. Aber auch eine Nichtnachnutzung käme teile nach Berlin zu nutzen. Wir sprechen hier nicht von den Bund teuer zu stehen. Ich fordere uns deshalb auf, einer Nähe zum Regierungsviertel; Tempelhof wäre einmal über diese Chance nachzudenken. Es gibt keine quasi ein Kernbestandteil des Regierungsviertels. Das ist europäische Hauptstadt, die über ein so großes inner- eine zukunftsfähige Nachnutzungslösung. Damit wür- städtisches Areal verfügt. Hier haben wir Gestaltungs- den wir nicht wie Sie die Schlachten der Vergangenheit möglichkeiten. führen. (Peter Rzepka [CDU/CSU]: Für ein Wiesen- (Beifall bei der LINKEN – Hans-Michael meer! Schafweide!) Goldmann [FDP]: Dann gelten die Beschlüsse Ich finde es etwas daneben, wenn Sie hier ausschließ- auf einmal nicht mehr!) lich den Berliner Senat angreifen. Wir sprechen nämlich – Auch dazu haben wir vor kurzem etwas gesagt. Sie ha- über ein Problem, das zu vier Fünfteln Eigentum des ben ein bisschen das Recht verwirkt, das hier zu kritisie- Bundes und zu einem Fünftel Eigentum Berlins ist. Das ren, da Sie entsprechende Anträge, die im Haus vorgele- Begehren Berlins, über das Grundstück zu verfügen, ist gen haben, abgelehnt haben. gerade auf dem Rechtswege abgewiesen worden. Bund und Berlin werden an der Nachnutzung nicht Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: vorbeikommen. Wir suchen die Lösung in der Zukunft Herr Kollege, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage und nicht in der Vergangenheit. Lassen Sie uns deshalb des Kollegen Rzepka? über unseren Vorschlag nachdenken und nicht über Vor- schläge aus dem vorigen Jahrhundert. Roland Claus (DIE LINKE): (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- Ja. neten der SPD)

Peter Rzepka (CDU/CSU): Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Herr Kollege, vonseiten der FDP sind Sie ja schon Nächster Redner ist der Kollege Winfried Hermann, darauf hingewiesen worden, dass die Verluste des Flug- Bündnis 90/Die Grünen. hafens Tempelhof aus den Immobilien resultieren. Diese Verluste werden in Zukunft der Bund und der deutsche (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11199

(A) Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): men sind, und um einige Provinzabgeordnete, die die (C) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn Flugverbindungen nach oder Karlsruhe nut- man nicht aus Berlin kommt, sondern diese Debatte un- zen müssen und deswegen schnell bei Ihnen unterschrie- ter fachpolitischen Gesichtspunkten aus der Ferne und ben haben. So war das. mit einer gewissen Distanz verfolgt, dann muss man ein (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wenig grinsen; denn diese Diskussion hat etwas außeror- sowie bei Abgeordneten der SPD – Wider- dentlich Provinzielles. spruch bei der FDP) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Aber, lieber Kollege aus Mannheim, lieber Nutzer des Widerspruch bei der FDP) Mannheimer Flughafens, können Sie sich vorstellen, Es hat lange gedauert, bis Berlin in dieser Frage eine dass es eines schönen Tages sogar eine Flugverbindung politische Entscheidung getroffen hat. Aber dann kam es von Mannheim nach Berlin–Schönefeld geben wird? zu einem wirklich breiten und überparteilichen Konsens, Dann wären auch Ihre Bedürfnisse befriedigt. an dem auch die Parlamente beteiligt waren. Ihre Par- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN teien waren damals sogar Träger dieser Entwicklung. sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von Man hat sich darauf verständigt, dass Berlin einen neuen der FDP: Das sind vielleicht Argumente, mein Flughafen bekommen und in Zukunft nur einen einzigen Lieber! Und das sagen Sie in einer Stadt mit so Flughafen haben soll und dass die beiden anderen stadt- vielen Arbeitslosen!) nahen Flughäfen aufgegeben werden. Das war der Kon- sens. Sie sprechen von Konzepten, die sich angeblich tra- gen, und sagen, der Flughafen würde sich rechnen. Den (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vermeintlichen Zusagen von Investoren glauben Sie sowie bei Abgeordneten der SPD) ohne Zahlengrundlage und ohne Konzept. Das ist Berli- Ich sage Ihnen ganz offen: Uns Grünen ist es damals ner Provinzpolitik. nicht leicht gefallen, dem zuzustimmen; denn der Stand- (Dr. Karl Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: Es ort und das Konzept waren nicht optimal. Es war aber geht uns um die Wirtschaft!) offenkundig, dass die stadtnahen Flughäfen Tegel und Tempelhof hochproblematisch sind, weil sie die Anwoh- Da kommt ein Investor dahergelaufen, legt Ihnen ein ner belästigen und riskant sind. Es gibt auf der Welt nur paar schöne Zahlen vor, und Sie glauben ihm sofort. wenige Flughäfen, die so nah an Häusern gebaut sind (Hellmut Königshaus [FDP]: Das sind wirk- und wo die Flugzeuge so knapp an den Häusern entlang- lich tolle Argumente! Mein lieber Mann!) fliegen. Dieses Risiko war zu beseitigen. Das war da- mals übrigens die Ansicht breiter Teile der Berliner Be- Tatsache ist: Alle Konzepte, die vorgelegt wurden, ha- (B) völkerung. Das war sogar für einen Schwaben sichtbar. ben sich nicht getragen. Die Konzepte waren nicht stadt- (D) verträglich. Wir brauchen in Tempelhof einen Neu- anfang. Wir brauchen ein Umgestaltungskonzept, das Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: zur Stadt, zu ihren Bezirken und zu ihren Anwohnern Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des passt. Dieses Konzept muss gewährleisten, dass mög- Kollegen Königshaus? lichst viel Grünfläche erhalten bleibt. Außerdem müssen eine behutsame Bebauung und eine positive Entwick- Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): lung im Bereich des Gewerbes sichergestellt sein. Auch Nein. Es würde mir zwar Spaß machen, ihm zu ant- die historischen Gebäude müssen im Sinne Ihrer Initia- worten. Aber ich sehe nicht ein, dass wir diese Debatte tive berücksichtigt werden. unnötig verlängern. Bei Ihrer Initiative handelt es sich um eine Veranstal- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tung von Nostalgikern – das kann ich verstehen – und äl- sowie bei Abgeordneten der SPD) teren Herren; Sie haben sie zitiert. Im Sinne einer solch nostalgischen Veranstaltung wäre es durchaus korrekt, Wir haben uns damals gemeinsam für den Flughafen aus dem Gebäudeteil des Flughafens Tempelhof ein BBI ausgesprochen. Ihre Parteien haben dem zuge- Luftfahrtmuseum zu machen. Dort könnten Sie in jeder stimmt. Das war und ist sinnvoll. Jetzt, Jahre später, wol- Sitzungswoche vorbeigehen, bevor Sie dann aber bitte len Sie das gesamte Verfahren wieder aufrollen und es schön mit dem Zug oder der S-Bahn weiterfahren. gefährden. Sie sagen, dass Sie die Entscheidung vo- rübergehend offenhalten wollen. Aber Ihr eigentliches Vielen Dank. Ziel ist, den Flughafen dauerhaft für Spezialinteressen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu nutzen. sowie bei Abgeordneten der SPD – Hellmut Damit bin ich bei einem wichtigen Stichwort: Wenn Königshaus [FDP]: Das war wirklich ein ganz man sich die Liste Ihrer Unterstützer ansieht, stellt man großer Wurf!) fest, dass es Ihnen letztendlich nicht darum geht, der Be- völkerung einen netten, kleinen und stadtnahen Flugha- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: fen zur Verfügung zu stellen. Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Ingo (Hellmut Königshaus [FDP]: Nein! Uns geht Schmitt, CDU/CSU-Fraktion. es vor allem um die Arbeitsplätze!) (Beifall bei der CDU/CSU – Mechthild Wer sind denn Ihre Unterstützer? Es handelt sich um ei- Rawert [SPD]: Jetzt erklären Sie uns einmal nige Leute aus Berlin, die heute ganz groß herausgekom- Ihren Bogen von damals zu heute!) 11200 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

(A) Ingo Schmitt (Berlin) (CDU/CSU): Es ist schon Helmut Schmidt zitiert worden, der ge- (C) Ich glaube, auch dann würden Sie das noch nicht ver- sagt hat: Das ist ein einmaliger Standortvorteil. – Auch stehen. die Berliner Wirtschaft ist zitiert worden, allen voran die IHK. Ich möchte gerne zwei Drittel bzw. drei Viertel – je Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolle- nach Meinungsumfrage – der Berliner hier zitieren. Sie gen! Heute ist viel über die Vergangenheit gesprochen sagen, sie möchten, dass dieser Flughafen erhalten worden, ohne dabei ernsthaft in die Zukunft zu schauen. bleibt, dass die Chancen, die dieser Flughafen bietet, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) weiterhin genutzt werden. Es wurde aus einem Beschluss aus dem Jahre 1996 zi- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – tiert, in dem von ganz anderen Verfahrensvoraussetzun- Mechthild Rawert [SPD]: Fragen Sie mal nach gen und völlig anderen Passagierzahlen die Rede war. 40 000 Arbeitsplätzen bei BBI!) (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Es kann doch nicht richtig sein, dass der Senat, der erst NEN]: Welche denn?) vor kurzem mit großem Trara erklärt hat, die Bürger sollten mehr Rechte bekommen, es solle mehr Volksbe- Es hieß, dass man heute nicht mehr ernsthaft darüber re- gehren und mehr Volksentscheide geben, angesichts ei- den dürfe, dass sich die Stadt möglicherweise weiterent- nes Volksbegehrens, das ihm nicht passt, im Vorfeld des wickelt bzw. anders als erwartet entwickelt habe. Volksentscheids sagt: Wie die Berlinerinnen und Berli- Was das Segment des Flugverkehrs betrifft, hat sie ner entscheiden, interessiert mich nicht; ich versuche, sich erfreulich entwickelt. Berlin hat, was die Zahl der der Meinung der Berliner durch die kalte Küche mit ei- Fluggäste angeht, einen jährlichen Zuwachs von 6 bis nem Entwidmungsverfahren zuvorzukommen. – Es fällt 7 Prozent zu verzeichnen. Im Jahre 2007 werden es mir schwer, zu glauben, dass ein Senat ein solches De- 19 Millionen Fluggäste sein. mokratieverständnis haben kann und einen solchen Um- gang mit Wählerinnen und Wählern praktiziert. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ja! Aber die fliegen doch nicht ab Tem- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – pelhof! Das sind die Billigflieger! – Petra Hellmut Königshaus [FDP]: Rot-Rot! – Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Toll!) Merkel [Berlin] [SPD]: Die Berliner hinters Licht führen und sie belügen! Etwas anderes – Frau Merkel, hören Sie mir erst einmal zu. Sie waren tun, als das, was man gesagt hat! – Swen sachlich; ich bin jetzt auch sehr sachlich. – Sie wollen Schulz [Spandau] [SPD]: Die Leute werden Tempelhof unbedingt vor Inbetriebnahme des BBI doch von Ihnen veräppelt!) schließen, und zwar ohne Not; denn es gibt kein rechtli- ches Problem. (B) Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (D) (Beifall des Abg. Dr. Karl Lamers [Heidel- Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des berg] [CDU/CSU]) Kollegen Wieland, obwohl Sie schon am Ende Ihrer Re- Das ist völlig daneben. Das ist überzogen, das ist reine dezeit angelangt sind? Ideologie. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ingo Schmitt (Berlin) (CDU/CSU): Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ich dachte, Sie Von Herrn Wieland nehme ich gerne Zwischenfragen wollen Schönefeld! – Mechthild Rawert entgegen. [SPD]: Wir wollen keine weiteren Klagen!) – Warten Sie! Zu Ihnen komme ich noch. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lieber Kollege Schmitt, Sie wollten eigentlich nach Reden wir nun über die Zeit, wenn der BBI endlich vorne schauen, haben aber dennoch Ihren Namensvetter, den Betrieb aufgenommen hat. Es wurden Argumente fi- den Altkanzler, zitiert. nanzieller Art genannt. Heute wissen wir alle: Nicht der Flugbetrieb von Tempelhof ist defizitär, sondern die Im- (Ingo Schmitt [Berlin] [CDU/CSU]: Aber er mobilie; das ist mehrfach angesprochen worden. schreibt sich anders!) (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wenn Tempelhof als Verkehrsflughafen für die Berline- NEN]: Das Ganze ist defizitär!) rinnen und Berliner so identitätsbildend ist, wie kam es dann, dass unter Eberhard Diepgen ebendieser Verkehrs- Dann wurden rechtliche Argumente ins Feld geführt. flughafen in den 80er-Jahren bereits geschlossen war, Heute wissen wir, dass es rechtlich gesehen keine große sodass wir das Vergnügen hatten, dort in einer großen Problematik darstellt, wenn Tempelhof mit einge- Halle Ronald Reagan zu empfangen, und Volker Hassemer schränktem Flugbetrieb – nicht als Verkehrsflughafen, dort zur 750-Jahr-Feier von Berlin Riesenfeuerwerke hat sondern als Landeplatz mit bestimmten Sonderfunktio- veranstalten lassen können? Wie können Sie hier diese nen – offen bleibt. Das heißt, weder finanzielle noch Nostalgietour reiten und auch noch mit einer Volksbefra- rechtliche Argumente sind geeignet, diesen Flughafen gung kommen, obwohl Sie selber diesen Flughafen ohne Not zu schließen. schon stillgelegt hatten? (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Sie wollen (Hellmut Königshaus [FDP]: Weil 70 Prozent ihn also offen halten! – Mechthild Rawert dafür sind, Herr Kollege!) [SPD]: Auf welcher Basis hat das Gericht dann entschieden?) – Ach, das ist doch alles Demagogie! Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11201

(A) Ingo Schmitt (Berlin) (CDU/CSU): Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen (C) Verehrter Herr Kollege Wieland, wenn Sie so weit zu- auf den Drucksachen 16/4813 und 16/5897 an die in der rückgehen, werden Sie sich erinnern, dass damals eine Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. andere Situation in Berlin bestand: Es gab West-Berlin. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Selbst dort konnte man verzichten! Ob- (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ wohl es West-Berlin war, brauchte man nur ei- DIE GRÜNEN]: Nein! Frau Präsidentin, die nen! – Gegenruf des Abg. Hellmut Königshaus Grünen haben Sofortabstimmung beantragt! – [FDP]: Da gab es auch weniger Flugverkehr!) Gegenruf des Abg. Hellmut Königshaus [FDP]: Wann denn?) Damals gab es etwa 4 bis 5 Millionen Fluggäste. Neh- men Sie bitte zur Kenntnis, dass wir hier ein Wachstum – Frau Kollegin Schewe-Gerigk, uns hier oben ist nicht verzeichnen können, das wesentlich höher ist. bekannt, dass die Grünen die Sofortabstimmung bean- tragt haben. Aber wenn Sie das jetzt an dieser Stelle be- (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- antragen, dann lasse ich schlicht und ergreifend darüber NEN]: Das sind die Billigflieger! Aber die abstimmen, fliegen doch nicht von Tempelhof!) (Hellmut Königshaus [FDP]: Nein! Das ist Frau Präsidentin, darf ich die Frage beantworten? schon überwiesen!) ob die Überweisung in die Ausschüsse so gewollt ist. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Herr Kollege Wieland, überwiegend hat der Kollege (Hellmut Königshaus [FDP]: Nein!) Schmitt das Wort. Wer ist für die Überweisung in die Ausschüsse? – Das ist (Heiterkeit – Wolfgang Wieland [BÜND- die Mehrheit. Wer ist dagegen? – Dann ist die Überwei- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber ich darf Zwi- sung so beschlossen. schenrufe machen!) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Ingo Schmitt (Berlin) (CDU/CSU): richts des Ausschusses für Bildung, Forschung Auch als wir 1996 den Konsensbeschluss gefasst ha- und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) ben, hatten wir wesentlich geringere Wachstumsraten. – zu dem Antrag der Abgeordneten Johann- Gerade die letzten Jahre haben gezeigt, dass wir An- Henrich Krummacher, Ilse Aigner, Michael schluss an internationale Wachstumsraten gefunden ha- Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der (B) ben. Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordne- (D) (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ten Swen Schulz (Spandau), Jörg Tauss, René NEN]: Aber doch nicht in Tempelhof!) Röspel, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der SPD Deswegen brauchen wir die gesamte Kapazität, die mo- mentan in Berlin vorhanden ist. Geistes- und Sozialwissenschaften stärken (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Sie wollen also – zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Tegel und Tempelhof offen halten?) Pieper, Uwe Barth, Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis, auch wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen! Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften stärken Ich komme zum Schluss meiner Ausführungen. – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Petra (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sitte, Cornelia Hirsch, Volker Schneider (Saar- – Klatschen Sie nicht zu früh! – Ihr Regierender Bürger- brücken), weiterer Abgeordneter und der Frak- meister Wowereit hat schon im Herbst in Karlsruhe eine tion der LINKEN erste Klatsche bekommen. Ich sage Ihnen voraus: Er Perspektiven für die Geistes- und Sozialwis- wird bei diesem Thema die zweite bekommen. senschaften verbessern (Beifall des Abg. Dr. Karl Lamers [Heidel- – zu dem Antrag der Abgeordneten Krista Sager, berg] [CDU/CSU]) Kai Gehring, Priska Hinz (Herborn), weiterer Ich sage Ihnen noch eines: Tempelhof wird leben. Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN (Widerspruch bei der SPD) Die Geistes- und Sozialwissenschaften in Tempelhof wird als Flughafen leben. Die Berlinerinnen Forschung und Lehre fördern und Berliner werden anschließend sagen: Und das ist – Drucksachen 16/4161, 16/4153, 16/4154, 16/4406, auch gut so! 16/5931 – (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Berichterstattung: Abgeordnete Johann-Henrich Krummacher Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Swen Schulz (Spandau) Ich schließe die Aussprache. Patrick Meinhardt 11202 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner (A) Dr. Petra Sitte Fraktion Die Linke fünf Minuten erhalten soll. – Ich (C) Krista Sager höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Die Kollegen Johann-Henrich Krummacher, Swen Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle- Schulz, Patrick Meinhardt sowie die Kolleginnen gin Sevim Dağdelen für die Fraktion Die Linke. Dr. Petra Sitte und Krista Sager haben ihre Reden zu (Beifall bei der LINKEN) Protokoll gegeben.1) Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus- Sevim Dağdelen (DIE LINKE): schusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol- schätzung auf Drucksache 16/5931. Der Ausschuss emp- legen! In § 94 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes heißt es: fiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung die Annahme des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und Die Beauftragte erstattet dem Deutschen Bundestag der SPD auf Drucksache 16/4161 mit dem Titel „Geis- mindestens alle zwei Jahre einen Bericht über die tes- und Sozialwissenschaften stärken“. Wer stimmt für Lage der Ausländer in Deutschland. diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Das hätte im Juni 2007 der Fall sein müssen. Ende Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den April 2007 teilte die Integrationsbeauftragte jedoch dem Stimmen von SPD und CDU/CSU bei Enthaltung der Bundestagspräsidenten mit, dass der Bericht erst im ers- Fraktionen der FDP und der Linken bei Gegenstimmen ten Quartal 2008 vorgelegt wird. Wenn Migrantinnen der Grünen angenommen. und Migranten oder Flüchtlinge so leichtfertig gegen die Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss die Ableh- ihnen auferlegten gesetzlichen Pflichten verstoßen wür- nung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksa- den, wie Frau Böhmer es tut, müssten sie mit harten che 16/4153 mit dem Titel „Geistes-, Sozial- und Kul- Sanktionen rechnen. Von Nichtdeutschen fordern Sie im- turwissenschaften stärken“. Wer stimmt für diese mer Rechtstreue, aber selbst setzen Sie sich leichtfertig Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Ent- über das Gesetz hinweg. haltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim- Sie haben bereits im Oktober letzten Jahres die Ver- men von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU schiebung des Lageberichts im Alleingang beschlossen. bei Gegenstimmen von FDP und Enthaltung der Frak- Nicht nur das: Sie haben auch noch mitbeschlossen, dass tion Die Linke angenommen. dieses Vorgehen dem Bundestag erst im April dieses Weiterhin empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 seiner Jahres mitzuteilen ist. Sie betrachten den Deutschen Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Bundestag offenkundig als eine bloße Abnickmaschine, Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/4154 mit dem Ti- die das Regierungsgeschäft nicht stören soll. Ich finde tel „Perspektiven für die Geistes- und Sozialwissen- dies einfach nur skandalös. (B) schaften verbessern“. Wer stimmt für diese Beschluss- (Beifall bei der LINKEN) (D) empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von Als Grund für die Verschiebung des Lageberichts ver- SPD, CDU/CSU und FDP bei Enthaltung vom weist die Integrationsbeauftragte auf den Nationalen Bündnis 90/Die Grünen und Gegenstimmen der Fraktion Aktionsplan Integration. Fachlich nachvollziehbar Die Linke angenommen. wäre es aber gewesen, erst einen wissenschaftlich fun- dierten Lagebericht vorzulegen und dann einen Aktions- Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 4 sei- plan zu erarbeiten. Genau das will die Regierung aber ner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags nicht. Kritische Nachfragen sind nicht erwünscht, wenn der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck- Bundeskanzlerin Merkel den Nationalen Aktionsplan In- sache 16/4406 mit dem Titel „Die Geistes- und Sozial- tegration nächste Woche vorstellen wird. Da passt es an- wissenschaften in Forschung und Lehre fördern“. Wer scheinend auch nicht, kurz vor dem Integrationsgipfel stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt die Versäumnisse einer ausgrenzenden Integrations- und dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung Flüchtlingspolitik aufarbeiten zu müssen; denn durch ei- ist mit den Stimmen von SPD und CDU/CSU bei Gegen- nen kritischen und problemorientierten Bericht über die stimmen vom Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung Lage von Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlin- der Fraktion Die Linke und der Fraktion der FDP ange- gen in Deutschland würde vor allem eines deutlich wer- nommen. den: Die Integrationspolitik der letzten Jahre ist weit da- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: von entfernt, soziale Chancengleichheit für alle Menschen hier herzustellen. Eine wirkliche Kehrt- Beratung des Antrags der Abgeordneten Sevim wende in der Integrationspolitik würde eben mehr erfor- Dağdelen, Petra Pau, Ulla Jelpke, Jan Korte und dern, als einfach nur ein paar unverbindliche Maßnah- der Fraktion der LINKEN men und Ziele in einen Aktionsplan hineinzuschreiben. Für die zügige Vorlage eines qualifizierten Be- Lieber inszeniert die Bundesregierung einen Gipfel richts über die Lage der Ausländerinnen und nach dem anderen. Die Beteiligung von Migrantenorga- Ausländer in Deutschland nisationen wurde dabei auch medial immer groß heraus- – Drucksache 16/5788 – gestellt. Auf gleicher Augenhöhe sollte geredet werden. Man wollte miteinander reden. Dabei haben all diese Or- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ganisationen einen Maulkorb bekommen. Über aufent- Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die haltsrechtliche Regelungen und über die Integration von geduldeten Flüchtlingen sowie Menschen ohne Aufent- 1) Die Redebeiträge werden in einem Nachdruck abgedruckt. haltsrecht durften in den Arbeitsgruppen des Integra- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11203

Sevim DaðdelenDağdelen (A) tionsgipfels keine Empfehlungen abgegeben werden. die Staatsministerin Professor Dr. Maria Böhmer haben (C) Gleiches galt auch für das Thema der politischen Rechte. ihre Reden zu Protokoll gegeben.1) Während es zum bürgerschaftlichen Engagement eine Wir kommen zum Antrag der Fraktion Die Linke auf Arbeitsgruppe gegeben hat, durfte das kommunale Drucksache 16/5788 mit dem Titel „Für die zügige Vor- Wahlrecht für Angehörige von Drittstaaten überhaupt lage eines qualifizierten Berichts über die Lage der Aus- nicht thematisiert werden. länderinnen und Ausländer in Deutschland“. Die Frak- Zur gleichen Zeit, als Sie die Arbeitsgruppen noch bei tion Die Linke wünscht Abstimmung in der Sache. Die Kaffee und Keksen über Integration debattieren ließen, Fraktionen der CDU/CSU und der SPD wünschen Über- stellte die Große Koalition mit den massiven Verschär- weisung, und zwar federführend an den Innenausschuss fungen im Aufenthaltsgesetz die Weichen für die zu- und mitberatend an den Ausschuss für Arbeit und Sozia- künftige Integrationspolitik: Sanktionen statt Angebote, les, an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ausweitung von Abschiebungen statt Aufenthaltsverfes- Jugend sowie an den Ausschuss für Menschenrechte und tigung und Eingriffe in die Grundrechte, wie das Recht Humanitäre Hilfe. Die Abstimmung über den Antrag auf auf Familie, statt Ausbau von Rechten. Ausschussüberweisung geht nach ständiger Übung vor. Ich frage deshalb: Wer stimmt für die beantragte Über- Kritik war nicht erwünscht. Der Dialog auf gleicher weisung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Augenhöhe war eine Farce und ist es auch noch. Deshalb Dann ist die Überweisung so beschlossen, und zwar mit ist es auch kein Wunder, dass die Organisationen keinen den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Op- Sinn mehr in der Teilnahme in der nächsten Woche se- position. Damit stimmen wir heute über den Antrag auf hen und mit einem Ausstieg drohen. Drucksache 16/5788 nicht ab. Die bisherigen Berichte über die Lage von Migrantin- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 sowie Zusatz- nen und Migranten sowie Flüchtlingen in Deutschland punkt 11 auf: waren der Regierung offenkundig zu kritisch. Aus dem 19 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- Vermerk vom Oktober aus dem Hause Böhmer geht her- richts des Ausschusses für Verkehr, Bau und vor, dass der zukünftige Bericht nicht mehr wissen- Stadtentwicklung (15. Ausschuss) schaftlich abwägend ausfallen soll. Er soll ergebnisori- entiert gestaltet werden. Und wer bestimmt das – zu dem Antrag der Abgeordneten Renate Ergebnis? Frau Böhmer selbst. Blank, Dirk Fischer (Hamburg), Dr. Klaus W. Lippold, weiterer Abgeordneter und der Frak- Die von Ihnen angestrebte Veränderung des Lagebe- tion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten richts illustriert eben auch den Wandel, für den Frau Annette Faße, Hans-Joachim Hacker, Sören Böhmer steht, nämlich die Umwandlung des Amtes ei- Bartol, weiterer Abgeordneter und der Fraktion (B) ner Beauftragten für Migrantinnen und Migranten in das der SPD (D) Amt einer Staatsministerin, die vor allem für die Be- Attraktivität des Wassertourismus und des lange der Regierung ist – notfalls auch gegen die Be- Wassersports stärken lange der Migrantinnen und Migranten. Erst vor drei Wochen hat die Integrationsbeauftragte ein Gesetz be- – zu dem Antrag der Abgeordneten Patrick grüßt und für gut befunden, das massiv in die Rechte von Döring, Hans-Michael Goldmann, Detlef Parr, Migrantinnen und Migranten eingreift. weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der Natio- nale Integrationsplan, der uns in der nächsten Woche Sport- und Freizeitschifffahrt in Deutsch- präsentiert wird, steht auf tönernen Füßen. Er wird von land erleichtern unverbindlichen Handlungsempfehlungen und auch Zie- – Drucksachen 16/5416, 16/4061, 16/5770 –2) len geprägt sein und sehr selektiv ausfallen. Dazu passt, Berichterstattung: dass Sie uns die Vorlage eines fundierten Berichts zur Abgeordnete Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland Patrick Döring bewusst verweigern wollen. Ich kann Sie nur auffordern, diesen Bericht so zügig wie möglich vorzulegen. ZP 11 Beratung des Antrags der Abgeordneten Detlef Parr, Joachim Günther (Plauen), Miriam Gruß, Deswegen haben wir, Die Linke, eine Sofortabstim- weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP mung beantragt. Eine Überweisung dieses Antrages in Sportschifffahrt und Wassersport wirksam die Ausschüsse wäre einfach nur eine Fortsetzung der fördern und von überflüssigen Beschränkun- Verzögerungstaktik. Es hat überhaupt keinen Sinn und gen befreien Zweck, einen solchen Antrag in die Ausschüsse zu über- weisen. Wir beantragen die Sofortabstimmung, weil wir – Drucksache 16/5609 – der Auffassung sind, dass der Bericht fällig ist. Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) Danke. Innenausschuss Sportausschuss (Beifall bei der LINKEN) Finanzausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Tourismus Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Die Kollegen Reinhard Grindel, , 1) Die Redebeiträge werden in einem Nachtrag abgedruckt. Josef Winkler sowie die Kollegin und 2) Anlage 4 11204 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner (A) Die Kolleginnen Renate Blank, Annette Faße, schen der Europäischen Union und den Verei- (C) Dorothée Menzner, Nicole Maisch sowie der Kollege nigten Staaten von Amerika über Ausliefe- Patrick Döring haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.1) rung, zu dem Abkommen vom 25. Juni 2003 Wir kommen deshalb zur Beschlussempfehlung des zwischen der Europäischen Union und den Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Vereinigten Staaten von Amerika über Rechts- Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschluss- hilfe, zu dem Vertrag vom 14. Oktober 2003 empfehlung auf Drucksache 16/5770 die Annahme des zwischen der Bundesrepublik Deutschland Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf und den Vereinigten Staaten von Amerika Drucksache 16/5416 mit dem Titel „Attraktivität des über die Rechtshilfe in Strafsachen, zu dem Wassertourismus und des Wassersports stärken“. Wer Zweiten Zusatzvertrag vom 18. April 2006 stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt zum Auslieferungsvertrag zwischen der Bun- dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung desrepublik Deutschland und den Vereinigten ist mit den Stimmen von SPD und CDU/CSU bei Gegen- Staaten von Amerika sowie zu dem Zusatzver- stimmen der FDP und Enthaltung der Fraktion des trag vom 18. April 2006 zum Vertrag zwischen Bündnisses 90/Die Grünen sowie der Fraktion Die Linke der Bundesrepublik Deutschland und den Ver- angenommen. einigten Staaten von Amerika über die Rechts- hilfe in Strafsachen Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf Druck- sache 16/5770 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des – Drucksache 16/4377 – Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/4061 mit Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus- dem Titel „Sport- und Freizeitschifffahrt in Deutschland er- schusses (6. Ausschuss) leichtern“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschluss- – Drucksache 16/5825 – empfehlung ist mit den Stimmen der Fraktionen Die Linke, der SPD und der CDU/CSU bei Gegenstimmen von Bünd- Berichterstattung: nis 90/Die Grünen und FDP angenommen. Abgeordnete Siegfried Kauder (Villingen- Schwenningen) Zusatzpunkt 11. Interfraktionell wird Überweisung Joachim Stünker der Vorlage auf Drucksache 16/5609 an die in der Tages- Dr. Peter Danckert ordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Mechthild Dyckmans Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Sevim Dağdelen Überweisung so beschlossen. Jerzy Montag Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf: Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion (B) (D) Beratung des Antrags der Abgeordneten Krista des Bündnisses 90/Die Grünen vor. Die Kollegen Sager, Irmingard Schewe-Gerigk, Kai Gehring, Siegfried Kauder, Joachim Stünker, Jerzy Montag sowie weiterer Abgeordneter und der Fraktion des der Parlamentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und die Kolleginnen Petra Pau und Mechthild Dyckmans haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.3) Mehr Qualität und Exzellenz durch mehr Chancengerechtigkeit und Gender-Perspekti- Wir kommen deshalb zur Abstimmung über den von ven in Wissenschaft und Forschung der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu den Abkommen zwischen der Europäischen Union und – Drucksache 16/5898 – den Vereinigten Staaten von Amerika über Auslieferung Überweisungsvorschlag: und über Rechtshilfe sowie zu den Verträgen zwischen Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Staaten von Amerika über die Rechtshilfe in Strafsachen und die Auslieferung. Der Rechtsausschuss empfiehlt in Die Kolleginnen Anette Hübinger, Gesine Multhaupt, seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/5825, Dr. Petra Sitte, Krista Sager sowie der Kollege Uwe 2) den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Druck- Barth haben ihre Reden zu Protokoll gegeben. sache 16/4377 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzei- Drucksache 16/5898 zur federführenden Beratung an chen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Ge- den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol- setzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stim- genabschätzung sowie zur Mitberatung an den Aus- men von SPD, CDU/CSU und FDP bei Enthaltung der schuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorge- Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und Gegenstim- schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der men der Fraktion Die Linke angenommen. Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Dritte Beratung Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf: und Schlussabstimmung. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustim- zu dem Abkommen vom 25. Juni 2003 zwi- men wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf in dritter

1) Die Redebeiträge werden in einem Nachdruck abgedruckt. 2) Die Redebeiträge werden in einem Nachtrag abgedruckt. 3) Die Redebeiträge werden in einem Nachtrag abgedruckt. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11205

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner (A) Beratung mit demselben Stimmenverhältnis wie in der Bundesrechnungshofes 2006, Drucksachen 16/1122 und (C) zweiten Beratung angenommen. 16/3200. Unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie- schlägt der Haushaltsausschuss die Erteilung der Entlas- ßungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen tung für das Haushaltsjahr 2005 vor. Wer stimmt für auf Drucksache 16/5978. Wer stimmt für diesen Ent- diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – schließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun- Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den gen? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von Stimmen des Hauses bei Gegenstimmen der Fraktion SPD, CDU/CSU und FDP bei Gegenstimmen von Bünd- Die Linke angenommen. nis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke abgelehnt. Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf: Haushaltsausschuss, die Bundesregierung aufzufordern, a) bei der Aufstellung und Ausführung der Bundeshaus- Beratung des Antrags der Abgeordneten Frank haltspläne die Feststellungen des Haushaltsausschusses zu Schäffler, Martin Zeil, Dr. Karl Addicks, weiterer den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zu befol- Abgeordneter und der Fraktion der FDP gen, b) Maßnahmen zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit Konsequenzen aus dem Entschädigungsfall unter Berücksichtigung der Entscheidungen des Aus- Phoenix Kapitaldienst GmbH schusses einzuleiten oder fortzuführen und c) die Be- richtspflichten fristgerecht zu erfüllen, damit eine zeitnahe – Drucksache 16/5786 – Verwertung der Ergebnisse bei den Haushaltsberatungen Überweisungsvorschlag: gewährleistet ist. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- Finanzausschuss lung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Be- Die Kollegen Klaus-Peter Flosbach, Dr. Hans-Ulrich schlussempfehlung ist mit den Stimmen des ganzen Hau- Krüger, Frank Schäffler und Dr. sowie die ses angenommen. Kollegin Christine Scheel haben ihre Reden zu Protokoll Ich rufe die Tagesordnungspunkte 20 a und 20 b auf: gegeben.1) a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Schneider (Saarbrücken), Klaus Ernst, Dr. Martina Drucksache 16/5786 an den Finanzausschuss vorge- Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der der LINKEN Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf: Keine Leistungskürzungen bei der gesetzli- chen Unfallversicherung Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) – Drucksache 16/5616 – (B) Überweisungsvorschlag: (D) – zu dem Antrag des Bundesministeriums der Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Finanzen Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Entlastung der Bundesregierung für das Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsjahr 2005 – Vorlage der Haus- Ausschuss für Gesundheit halts- und Vermögensrechnung des Bundes Haushaltsausschuss (Jahresrechnung 2005) – b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Markus – zu der Unterrichtung durch den Bundesrech- Kurth, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, weiterer nungshof Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2006 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung Die gesetzliche Unfallversicherung leistungs- des Bundes (einschließlich der Feststellungen stark und zukunftssicher gestalten zur Jahresrechnung 2005) – Drucksache 16/5896 – – Drucksachen 16/1122, 16/3200, 16/5774 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Berichterstattung: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Abgeordneter Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Ausschuss für Gesundheit Die Kollegen Hans-Joachim Fuchtel und Bernhard Die Kollegen Gerald Weiß, Wolfgang Grotthaus, Brinkmann sowie die Kolleginnen Dr. Claudia Heinz-Peter Haustein, Volker Schneider und Markus Winterstein, Dr. Gesine Lötzsch und Anja Hajduk haben Kurth sowie der Parlamentarische Staatssekretär Franz ihre Reden zu Protokoll gegeben.2) Thönnes haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.3) Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf empfehlung des Haushaltsausschusses auf Druck- Drucksache 16/5616 an die in der Tagesordnung aufge- sache 16/5774 zu dem Antrag des Bundesministeriums führten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Vorlage auf der Finanzen auf Entlastung der Bundesregierung für das Drucksache 16/5896 soll zur federführenden Beratung Haushaltsjahr 2005 und zu den Bemerkungen des an den Ausschuss für Arbeit und Soziales sowie zur Mit- beratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Technolo- 1) Die Redebeiträge werden in einem Nachtrag abgedruckt. 2) Die Redebeiträge werden in einem Nachtrag abgedruckt. 3) Die Redebeiträge werden in einem Nachtrag abgedruckt. 11206 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner (A) gie und an den Ausschuss für Gesundheit überwiesen ZP 13 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ (C) werden. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. CSU und der SPD Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ermäßigung der Visumgebühr für Bürgerin- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf: nen und Bürger aus Belarus Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- – Drucksache 16/5909 – richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- Überweisungsvorschlag: nologie (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abge- Auswärtiger Ausschuss (f) ordneten Laurenz Meyer (Hamm), Dr. Martina Innenausschuss Krogmann, Hans-Joachim Fuchtel, weiterer Ab- Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe geordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie Die Kollegen Manfred Grund und so- der Abgeordneten Dr. Uwe Küster, Dr. Rainer wie die Kolleginnen , Cornelia Pieper und Wend, Dr. h. c. Susanne Kastner, weiterer Abge- Marieluise Beck haben ihre Reden zu Protokoll gege- ordneter und der Fraktion der SPD ben.2) Den Wettbewerb stärken, den Einsatz offener Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf Dokumentenstandards und offener Dokumen- den Drucksachen 16/5905 und 16/5909 an die in der Ta- tenaustauschformate fördern gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Drucksachen 16/5602, 16/5927 – Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Berichterstattung: Abgeordneter Martin Zeil Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf: Die Kolleginnen Dr. Martina Krogmann, Ulla Lötzer Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia und Grietje Bettin sowie die Kollegen Dr. Uwe Küster Pieper, Gudrun Kopp, Michael Kauch, weiterer und Martin Zeil haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.1) Abgeordneter und der Fraktion der FDP Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- Deutschland, Energieland der Zukunft – empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Techno- Energieforschung und Wettbewerb stärken logie zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und – Drucksache 16/5729 – der SPD mit dem Titel „Den Wettbewerb stärken, den Einsatz offener Dokumentenstandards und offener Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und (B) Dokumentenaustauschformate fördern“. Der Ausschuss Technikfolgenabschätzung (f) (D) empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa- Ausschuss für Wirtschaft und Technologie che 16/5927, den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und der SPD auf Drucksache 16/5602 in der Ausschuss- Haushaltsausschuss fassung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschluss- Die Kollegen , Dieter Grasedieck, empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Michael Link, Hans-Kurt Hill und Hans-Josef Fell haben Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von ihre Reden zu Protokoll gegeben.3) CDU/CSU und SPD bei Gegenstimmen von der Fraktion Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf der FDP angenommen. Drucksache 16/5729 an die in der Tagesordnung aufge- führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- Ich rufe die Zusatzpunkte 12 und 13 auf: verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. ZP 12Beratung des Antrags der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages- Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der ordnung. Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP sowie der Abgeordneten Michael Link (Heil- und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) bronn), Harald Leibrecht, Jens Ackermann, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun- destages auf morgen, Freitag, den 6. Juli 2007, 9 Uhr, Ermäßigung der Visumgebühr für Menschen ein. aus Belarus Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen sowie – Drucksache 16/5905 – Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen schönen Überweisungsvorschlag: Abend. Auswärtiger Ausschuss (f) Innenausschuss Die Sitzung ist geschlossen. Rechtsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (Schluss: 22.21 Uhr) Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union 2) Die Redebeiträge werden in einem Nachtrag abgedruckt. 1) Die Redebeiträge werden in einem Nachtrag abgedruckt. 3) Die Redebeiträge werden in einem Nachtrag abgedruckt. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007 11207

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Anlage 3 Liste der entschuldigten Abgeordneten Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Grietje Bettin, Ekin Deligöz, entschuldigt bis Kai Gehring, Katrin Göring-Eckardt, Claudia Abgeordnete(r) einschließlich Roth (Augsburg) und Britta Haßelmann (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung Andres, Gerd SPD 05.07.2007 über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informa- Dreibus, Werner DIE LINKE 05.07.2007 tionsgesellschaft (Tagesordnungspunkt 7 a) Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 05.07.2007 Dr. Geisen, Edmund FDP 05.07.2007 Die vorliegende Novelle zur Regelung des Urheber- rechts in der Informationsgesellschaft vernachlässigt im- Gruss, Miriam FDP 05.07.2007 mer noch in wesentlichen Punkten die Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern, Wissenschaftlerin- Ibrügger, Lothar SPD 05.07.2007 nen und Wissenschaftlern sowie von Urheberinnen und Merten, Ulrike SPD 05.07.2007 Urhebern. Das können wir trotz der wichtigen von uns durchgesetzten Verbesserungen im Bereich der Geräte- Nitzsche, Henry fraktionslos 05.07.2007 vergütung nicht ignorieren. Raidel, Hans CDU/CSU 05.07.2007* So fehlt immer noch ein durchsetzungsstarkes Recht auf Privatkopie: Wer Werke rechtmäßig besitzt, muss Dr. Ramsauer, Peter CDU/CSU 05.07.2007 auch Sicherheitskopien davon machen dürfen. Es ergibt Reiche (Cottbus), SPD 05.07.2007 keinen Sinn, dass Kopien von analogen Werken erlaubt Steffen sind, bei digitalen aber nicht, weil der Rechteverwerter durch die Anbringung von Kopierschutz de facto ent- Roth (Esslingen), SPD 05.07.2007 scheidet, ob man Kopien anfertigen darf oder nicht. Karin (B) (D) Ebenfalls fehlt eine Bagatellklausel. Wer für den pri- Dr. Schick, Gerhard BÜNDNIS 90/ 05.07.2007 vaten Gebrauch unerlaubt Kopien anfertigt, soll zwar DIE GRÜNEN zivilrechtlich belangt werden dürfen (Schadenersatz und Schily, Otto SPD 05.-07.2007 Unterlassungerklärungen sind schon jetzt möglich); eine strafrechtliche Verfolgung ist aber unverhältnismäßig. Stübgen, Michael CDU/CSU 05.07.2007 Zudem sind die Staatsanwaltschaften ohnehin nicht in Dr. Tabillion, Rainer SPD 05.07.2007 der Lage, jede private Urheberrechtsverletzung zu ver- folgen. Wächter, Gerhard CDU/CSU 05.07.2007 Weiterhin sind die Verlage gegenüber den Bibliothe- Dr. Wiefelspütz, Dieter SPD 05.07.2007 ken zu stark privilegiert. Demnach haben Verlage das al- leinige Recht zum elektronischen Kopienversand, sofern Zapf, Uta SPD 05.07.2007* sie die Bibliotheken über ihr Angebot in Kenntnis setzen Zöller, Wolfgang CDU/CSU 05.07.2007 und dieses angemessen ist. Das verhindert Innovation und ist wissenschaftsfeindlich, weil Verlage nicht moti- viert werden, bessere Angebote als die Bibliotheken zu * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- schaffen. Für Studierende und Promovierende wird es sammlung der OSZE kaum bezahlbar sein, Verlagsangebote wahrzunehmen, die jetzt schon bei über 30 Dollar pro Aufsatz liegen. Mit Anlage 2 einer Beschränkung des Versandes als ausschließlich grafische Datei wäre man den Interessen der Verlage an- Erklärung nach § 31 GO gemessen entgegengekommen. der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann Eine ähnliche Bremse für die Wissenschaft ist die Re- (DIE LINKE) zur Abstimmung: Sammelüber- gelung zu den elektronischen Leseplätzen, die nur nach sicht 256 zu Petitionen (Drucksache 16/5916) Zahl der Bestandsexemplare von Werken bereitgestellt (Zusatztagesordnungspunkt 8 f) werden dürfen. Außerdem können Leseplätze nicht in al- len öffentlichen Bildungseinrichtungen angeboten wer- Ich erkläre im Namen der Fraktion DIE LINKE, dass den, obwohl die EU-Richtlinie dieses zulässt und dies unser Votum „Nein“ lautet. von anderen Ländern auch so umgesetzt wurde. 11208 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 108. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Juli 2007

(A) Nicht zuletzt: Auch Filmschaffende haben Urheber- bracht und werden weiterhin für Verbesserungen in den (C) rechte und müssen darüber verfügen können. Laut der genannten Bereichen eintreten. Novelle sollen sie kein Widerrufsrecht bei Verträgen über unbekannte Nutzungsarten haben. Damit wird einer ganzen Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern die le- Anlage 4 gitime Mitbestimmung über ihre Werke verwehrt und sie Erklärung nach § 31 GO wird gegenüber anderen Urhebern schlechtergestellt. Das ist nicht akzeptabel. Damit ein einzelner Urheber des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜND- nicht ganze Neuverwertungen lahmlegen kann, enthält NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über das Gesetz schon jetzt die Regelung, wonach die Urhe- die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: ber ihr Widerrufsrecht nicht wider Treu und Glauben Sport- und Freizeitschifffahrt in Deutschland ausüben sollen. Diese muss auch auf den Filmbereich erleichtern (Drucksache 16/5770, Nr. 2) (Tages- übertragen werden. ordnungspunkt 19) Wir haben bei der Abstimmung mit den Fachaus- Ich erkläre im Namen der Fraktion des BÜNDNIS- schüssen mit „Nein“ gestimmt, Änderungsanträge einge- SES 90/DIE GRÜNEN, dass unser Votum „Ja“ lautet.

(B) (D)

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