11884 Deutscher – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007

Dr. Hans-Peter Bartels (A) tauglich sind, dann weist das darauf hin, dass wir ein Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bun- (C) Problem haben. Man kann aber auch sagen, dass wir ei- desministerin der Justiz: nen Gestaltungsspielraum bekommen. Diesen Gestal- Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe tungsspielraum wollen wir im Sinne derjenigen Männer Kollegen! Die GmbH ist ein Erfolgsmodell, auch wenn nutzen, die in jedem Jahrgang zum Wehrdienst anstehen. sie ein bisschen in die Jahre gekommen ist. Es gibt sie Darauf bezieht sich unsere Aussage, das Prinzip der seit 1892 – im Wesentlichen unverändert –, und sie ist Freiwilligkeit solle Vorrang haben. seit langem die beliebteste Rechtsform in Deutschland, vor allem für den Mittelstand. Damit dies so bleibt, wol- Unser Modell sieht wie folgt aus: Jeder wird erfasst len wir das GmbH-Recht modernisieren und verbessern. und gemustert. Jeder junge Mann eines Jahrgangs wird Mit unserem Entwurf eines Gesetzes, das kurz MoMiG sich mit der Frage beschäftigen müssen, wie er zum genannt wird, bringen wir die umfangreichste Reform Dienst in der Bundeswehr oder zu einem anderen Dienst des GmbH-Gesetzes seit dessen Inkrafttreten vor steht. Auch wird er gefragt, wie es mit seiner Motivation 115 Jahren auf den Weg. aussehe, zur Bundeswehr zu kommen: Würdest du wol- Dabei geht es uns um zwei Aspekte: len? – Wenn dann die Zahl aufgeht, haben wir kein Pro- blem. Dass sie aufgeht, dafür können wir einiges tun. Erstens wollen wir die GmbH gerade im internationa- Hier sind wir mit den Grünen sehr einig; eine Steigerung len Vergleich noch wettbewerbsfähiger machen. Es soll der Attraktivität der Bundeswehr ist auch heute in jedem einfacher, schneller und kostengünstiger werden, eine Fall eine sinnvolle Sache, in unserem Modell allemal. GmbH zu gründen. – Frau Dyckmans, Sie sitzen ja ganz Man kann einen Bonus geben, man kann Anreize dafür alleine da, Sie Ärmste! geben, dass es aufgeht. Wenn es aber nicht aufgeht, dann (Mechthild Dyckmans [FDP]: Ich schaffe das müssen wir nichts ändern. Dann haben wir eine Wehr- schon! – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE pflicht, die so greift, wie sie es heute tut: Es wird nach GRÜNEN]: Die Wirtschaftspartei FDP!) Tauglichkeit und Bedarf eingezogen, und damit sind wir auf der sicheren Seite. Zweitens müssen wir die Gläubiger besser vor Miss- brauch schützen, und zwar insbesondere bei der Insol- Wir sind für mehr Freiwilligkeit, wollen dabei aber venz einer Gesellschaft. Wie erreichen wir dieses Ziel? kein Risiko eingehen. Die Bundeswehr ist für die Sicher- Wir setzen das Mindeststammkapital auf 10 000 Euro heit Deutschlands da, und wir haben ein Modell, das herab und stellen die GmbH damit künftig noch mehr diese Sicherheit auch in Zukunft garantieren kann. Unternehmern zur Verfügung. Gerade für Existenzgrün- der aus dem Dienstleistungsbereich dürften 10 000 Euro Vielen Dank. ein akzeptabler Betrag sein und gleichzeitig ein Mindest- (B) (D) maß an Solidität gewährleisten. Dies bestätigt ein Blick (Beifall bei der SPD) auf vergleichbare Auslandsgesellschaften. Davon abge- sehen hatten wir früher genau den gleichen Betrag, und Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: es ist gutgegangen. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Neu ist die haftungsbeschränkte Unternehmergesell- Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/393 schaft, kurz UG. Die UG kann ohne Mindeststammkapi- und 16/6393 an die in der Tagesordnung aufgeführten tal gegründet werden, muss ihr Mindestkapital von Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstan- 10 000 Euro aber durch eine reduzierte Gewinnausschüt- den? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so tung nach und nach ansparen. Ist das geschafft, kann die beschlossen. UG ohne aufwendigen Umwandlungsvorgang einfach in eine normale GmbH umfirmieren. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf: Über das Für und Wider einer solchen Klein-GmbH Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- mag man zwar streiten, vor allem nachdem wir gleich- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Moder- zeitig das Mindestkapital herabsetzen. Die Verbreitung nisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämp- der englischen Limited in Deutschland hat jedoch ge- fung von Missbräuchen (MoMiG) zeigt, dass es zumindest bei Existenzgründern und Kleinunternehmern einen Bedarf an einer Gesellschaft – Drucksache 16/6140 – mit beschränkter Haftung geben dürfte. Aus Sicht des deutschen Mittelstandes ist dabei vor allem wichtig, dass Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss (f) das Ansehen der GmbH nicht leidet. Ich denke, das ge- Ausschuss für Wirtschaft und Technologie währleistet dieses Modell, weil es klar zwischen GmbH und UG unterscheidet. Deshalb bin ich dem Kollegen Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Dr. Gehb dankbar, dass er diese Idee aufgegriffen und Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich gegen einige Widerstände mit der ihm eigenen Beharr- höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. lichkeit weiterverfolgt hat. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält der Parla- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – mentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach. Daniela Raab [CDU/CSU]: Ein Held! – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ge- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) gen die Minister!) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11885

Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbach (A) Einfacher, schneller und kostengünstiger wird die den, und bei Insolvenzreife müssen die Gesellschafter (C) GmbH-Gründung vor allem durch das sogenannte Grün- selbst Insolvenzantrag stellen; anderenfalls machen sie dungsset. Für Standardgründungen stellt das Gesetz eine sich strafbar. Der Beerdigung insolvenzreifer GmbHs Mustersatzung und ein Muster für die Handelsregister- durch sogenannte Firmenbestatter wird damit die Grund- anmeldung zur Verfügung. Die vertraglichen Bestim- lage entzogen. mungen sind so einfach formuliert, dass eine zwingende Beratung und Belehrung durch den Notar verzichtbar er- (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem scheint. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- geordneten der FDP) (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das glauben Sie!) Der Entwurf macht aber nicht bei deutschen Gesell- schaften halt. Die Missbrauchsbekämpfung erstreckt Es genügt eine Beglaubigung der Unterschrift. Ich halte sich sogar auf Auslandsgesellschaften, die im Inland diese Lösung für gut und richtig, möchte aber, lieber agieren. Auch für diese Gesellschaften gilt künftig die Uwe Benneter, aus der Frage „Beglaubigung oder Beur- strafbewehrte Insolvenzantragspflicht. Insolvente Aus- kundung?“ keinen Glaubensstreit machen; wir hatten landsgesellschaften werden also ebenfalls aus dem Ver- hier heute schon genug Glaubensstreite. Wir sollten die kehr gezogen. Lösung wählen, die für die Unternehmen einfach und günstig ist und die Belange des Rechtsverkehrs wahrt. Ich habe Ihnen nun in aller Kürze die wesentlichen Punkte des vorliegenden Gesetzentwurfes vorgestellt. (Beifall des Abg. [SPD]) Ich hätte Jerzy Montag gern noch etwas über das Cash- Pooling erzählt. Der Entwurf findet das richtige Gleich- Die Sachverständigenanhörung wird uns dabei sicher gewicht zwischen Modernisierung und Deregulierung weiterhelfen. auf der einen Seite und der Bekämpfung von Missbräu- Zusammen mit der Umstellung des Handelsregisters chen auf der anderen Seite. Die deutsche GmbH braucht auf die elektronische Führung kann das Gründungsset ei- nun den Wettbewerb mit anderen Rechtsformen nicht nen deutlichen Zeitgewinn bringen. Damit sich am Ende mehr zu fürchten. nicht doch wieder alles verzögert, weil vielleicht noch Ich bedanke mich sehr herzlich für die freundliche eine Genehmigung des Gewerbeamtes fehlt, sollen das Aufmerksamkeit. Eintragungs- und das Genehmigungsverfahren entkop- pelt werden. Die Genehmigung kann dann nachgereicht (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) werden. (B) Auch für die Phase nach der Gründung bringt der Ent- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: (D) wurf Erleichterungen und Verbesserungen. Wir ermögli- Ich gebe das Wort der Kollegin Mechthild Dyckmans, chen den gutgläubigen Erwerb von Gesellschafterantei- FDP-Fraktion. len, wir vereinfachen die äußerst komplizierten Regelungen über Kapitalaufbringung und Kapitalerhal- Mechthild Dyckmans (FDP): tung, und wir stellen das sogenannte Cash-Pooling auf Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol- eine gesetzliche Grundlage. – Ich habe gedacht, Jerzy legen! Noch in der letzten Legislaturperiode hat uns die stellt jetzt eine Zwischenfrage. rot-grüne Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorge- (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- legt, der nur die Absenkung des Stammkapitals vorsah. NEN]: Genau: was das ist! Aber ich will dich Das war eindeutig zu kurz gesprungen. Denn Deregulie- nicht in Verlegenheit bringen! – Heiterkeit) rung, Vereinfachung von Gründungen, Bekämpfung von Missbräuchen und Stärkung der Gläubigerrechte sind die Das sind allesamt Punkte, die von der Wirtschaft erwar- wichtigen und zentralen Fragen. Diese müssen mit einer tet und begrüßt werden, die ich aber aus Zeitgründen nur umfassenden Reform beantwortet werden. Deshalb un- in Stichworten erwähnen kann. terstützen wir die grundlegenden Ziele des heute zu be- Ich komme zum zweiten Aspekt der Reform, zur Be- ratenden Entwurfs, die diese Bereiche betreffen, auch kämpfung von Missbräuchen. Ein Problem sind heute wenn man sicher noch über das eine oder andere wird re- GmbHs, die sich faktisch einer Rechtsverfolgung entzie- den müssen. hen. Dem wollen wir einen Riegel vorschieben. Im Han- Beim Thema Gründungserleichterungen gratuliere delsregister ist eine inländische Geschäftsanschrift ein- ich dem BMJ dazu, einen Vorschlag der FDP aufgenom- zutragen. Kann unter dieser Anschrift nicht zugestellt men zu haben, den wir im Februar letzten Jahres hier im werden, ist eine öffentliche Zustellung unter erleichter- Plenum eingebracht haben. ten Voraussetzungen möglich. Komplizierte und oft zwecklose Auslandszustellungen werden damit überflüs- (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das haben wir sig. gar nicht bemerkt!) Es gibt außerdem GmbHs, die sich dem Zugriff ihrer – Sie waren damals noch sehr vage in Bezug darauf, ob Gläubiger dadurch entziehen, dass sie plötzlich keinen Sie diese Erleichterungen haben wollen. – Aber es ist Geschäftsführer mehr haben. In solchen Fällen können richtig, die GmbH-Eintragung ins Handelsregister vom die Gläubiger in Zukunft die Gesellschafter in die Pflicht Vorliegen verwaltungsrechtlicher Genehmigungen abzu- nehmen. Es kann an die Gesellschafter zugestellt wer- koppeln. 11886 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007

Mechthild Dyckmans (A) Ich will mich heute bei der ersten Lesung nicht mit Sie nehmen auch noch alle wirtschaftlichen Nachteile (C) Einzelregelungen beschäftigen; dafür haben wir in den der Limited in diese Mini-GmbH auf. Ausschussberatungen noch genügend Zeit. Vielmehr möchte ich ein grundlegendes Problem ansprechen. Ein, (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Oh, das höre wie ich meine, populistischer Schwerpunkt des Geset- ich gar nicht gern!) zesvorschlags ist die Schaffung der sogenannten Unter- Eine Gesellschaft ohne Stammkapital wird keine Kre- nehmergesellschaft (haftungsbeschränkt). dite erhalten. Geschäftspartner einer Gesellschaft ohne (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Mechthild, das Stammkapital werden andere Sicherheiten verlangen. ist nicht schön!) Mit der Schaffung einer Kapitalgesellschaft ohne Kapi- tal ist für die Gründer schlichtweg nichts gewonnen. Ka- Sie wollen damit in Konkurrenz zur Limited treten. Es pitalschwache Gründer sind auch heute nicht gehindert, ist zwar sehr löblich, dass die Regierung und insbeson- zum Beispiel als Einzelkaufmann aufzutreten. dere Herr Dr. Gehb sich Gedanken über die Wettbe- werbsfähigkeit deutscher Gesellschaftsformen machen, Völlig verfehlt ist meines Erachtens die Ansicht, eine aber in diesem Fall sind die Schlussfolgerungen falsch. 1-Euro-GmbH ermögliche die Gründung eines Unter- Die Rechtsprechung des EuGH aus den Jahren 2002 und nehmens ohne Eigenkapital. 2003 zur Niederlassungsfreiheit in Europa hatte zur (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Folge, dass Unternehmer unter dem Schirm ausländi- Dr. Herbert Schui [DIE LINKE]) scher Rechtsformen in Deutschland Geschäfte machen können. Dies führte – wie wir alle wissen – zu einem Bereits durch die Gründungskosten droht selbst bei Nut- Boom der Limiteds in Deutschland. Die Bundesregie- zung der Mustersatzung – dazu wird in den Beratungen rung läuft diesem Trend nun Jahre später hinterher und noch einiges zu sagen sein – die Überschuldung dieser meint, mit der Schaffung der Unternehmergesellschaft Gesellschaft. Der Systembruch durch die Schaffung ei- (haftungsbeschränkt) ein Konkurrenzprodukt zur Li- ner kapitallosen Kapitalgesellschaft ist durch nichts ge- mited erfinden zu müssen. Diesem Trend nachzulaufen rechtfertigt. ist weder sinnvoll noch notwendig. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Mit der Unternehmergesellschaft (haftungsbe- Zwar häuften sich zunächst die Meldungen über schränkt) geben Sie den Gründern eine Praline mit Senf- Vorteile der Limited – angeblich geringere Kosten, füllung. Sie wecken Hoffnungen, die nicht erfüllt wer- schnellere Gründungen, niedrigeres Stammkapital und den. Der Wunschtraum einer Geschäftstätigkeit mit (B) angeblich weniger Bürokratie im englischen Gesell- Haftungsbeschränkung ohne bestimmtes Stammkapital (D) schaftsrecht –, mittlerweile hat sich aber herumgespro- wird zerplatzen, wenn die Banken die notwendigen Kre- chen, dass die Limited auch zahlreiche Nachteile hat. So dite aufgrund fehlenden Haftungskapitals verweigern kommen die Unternehmer zum Beispiel mit den umfang- oder andere Sicherheiten verlangen. Nur für das Gefühl, reichen Offenlegungspflichten des englischen Rechts ein Unternehmen leichter und einfacher gründen zu kön- nicht zurecht. Eine Beratung über das ausländische Recht nen, ist die Schaffung Ihrer GmbH auf Raten der falsche wird jedoch teuer. Folge der Unkenntnis des ausländi- Weg. schen Rechts ist oft die Löschung der Limited in Eng- (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- land, und damit darf die Gesellschaft auch in Deutsch- NEN]: Was wäre denn der richtige, Frau land nicht mehr tätig werden. Dyckmans? Das ist ja ein konservativer Bei- Viele Unternehmer haben auch erfahren, dass die Li- trag, den Sie hier machen!) mited im Geschäftsverkehr nicht anerkannt wird. Nach Die Mini-GmbH wird auch schwerlich zu neuen se- einer Untersuchung des Wirtschaftsmagazins Impulse riösen Unternehmen führen; da bin ich ganz anderer sehen zwei Drittel der befragten Führungskräfte die Ak- Meinung als Sie, Herr Kollege Hartenbach. Vielmehr zeptanz der Limited als eher gering an, und bei Kreditge- werden wir uns in dieser Runde sehr schnell damit be- bern waren es sogar 90 Prozent. Das alles hat zu einem schäftigen müssen, welchen Imageschaden diese Mini- deutlichen Rückgang der Zahl der Limited-Gesellschaf- GmbH der richtigen GmbH zugefügt hat. ten geführt. (Joachim Stünker [SPD]: Und das von der Nun mögen Sie vielleicht sagen: Dass das englische FDP! Was ist denn los? – Dirk Manzewski Recht so schwierig ist, ist ja gerade der Grund dafür, [SPD]: Keine liberale Wirtschaftspolitik!) weshalb wir eine deutsche Gesellschaftsform anbieten. Dazu stelle ich aber fest: Nicht nur die rechtlichen Rege- Es mag zwar sein, dass es, wie Frau Zypries kürzlich lungen der Unternehmergesellschaft (haftungsbe- sagte, eines Signals zur schnelleren und einfacheren schränkt) sind in dem vorliegenden Entwurf unlogisch Gründung von Unternehmen bedarf. Durch eine seriöse, und unklar; so fragt man sich zum Beispiel folgendes: gute und fundierte Reform des Rechts der GmbH könn- Wo sind zusätzliche gläubigerschützende Regelungen, ten wir den Unternehmern ein zeitgemäßes Gesetz an die damit die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) Hand geben. Dies allein wird bereits neuen Wind für die nicht von vornherein als unseriös erscheint? Warum be- erwünschte Wettbewerbsfähigkeit der GmbH in Europa steht nicht die Pflicht, Gewinne anteilsmäßig anzuspa- bringen. Eine kapitallose Kapitalgesellschaft brauchen ren, und zwar zeitlich unbegrenzt? Aber nicht nur das, wir hierfür nicht. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11887

Mechthild Dyckmans (A) Ich danke Ihnen. wird rege hierauf zurückgegriffen. Es mag zwar sein, (C) dass die Zahl der Limiteds zurückgegangen ist, aber (Beifall bei der FDP) 40 000 Limiteds – also davon jede fünfte Firmengrün- dung nach wie vor in der Rechtsform der Limited – spre- Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: chen eine deutliche Sprache. Das kann doch nur heißen, Ich gebe das Wort dem Kollegen Dr. Jürgen Gehb, dass es offensichtlich eine starke Nachfrage nach ganz CDU/CSU-Fraktion. speziellen Angeboten gibt, die bisher von keinem spezi- fisch deutschen Angebot abgedeckt werden konnte. Also (Beifall bei der CDU/CSU) bedient man sich anderweitig und besonders gern bei der britischen Limited. Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Entge- Rechtspolitisch ist der Trend zu dieser britischen gen meiner sonstigen Gewohnheit, völlig frei zu reden, Rechtsform allerdings überhaupt nicht erwünscht. Er habe ich mich heute einmal entschlossen, ein Manu- schadet nämlich den Gläubigern, weil der Gläubiger- skript heranzuziehen. Ich bitte also, mich von der ge- schutz bei der Limited nicht an das Niveau des Gläubi- schäftsordnungsmäßigen Pflicht, in freier Rede zu spre- gerschutzes bei der GmbH heranreicht. Er schadet den chen, zu dispensieren. Das ist ein großes Glück für Dich, Gesellschaftern, die eine Limited über den „billigen Ja- meine liebe Mechthild Dyckmans; sonst hätte ich auf kob“ beziehen und anschließend mit hohen Unterhal- das, was ich jetzt habe hören müssen, ganz anders repli- tungskosten und der erheblichen Gefahr persönlicher ziert. Haftung zu kämpfen haben. Nicht zuletzt schadet er der deutschen Rechtsordnung, da sich die Limited-Gründer (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD) der Regelungshoheit des deutschen Gesetzgebers weit- Dennoch freue ich mich sehr, dass mich der Staatsse- gehend entziehen. Ausländische Gesellschaften leben kretär so gelobt hat. Der Herrgott, lieber Alfred, mag dir nämlich auch in Deutschland nach ihrem eigenen natio- deine maßlose Übertreibung verzeihen und mir, lieber nalen Recht. Herrgott, dass ich sie gerne gehört habe. Als kleine Randbemerkung sei mir auch der Hinweis Meine Damen und Herren, als vor mehr als gestattet, dass ausländische Gesellschaften zwar mithilfe 100 Jahren die Gesellschaft mit beschränkter Haftung deutscher Anwälte gegründet werden mögen, sie aber das Licht der Welt erblickte, glaubten nur wenige an ei- auf die Dauer dem deutschen Rechtsstab – von den An- nen wirklich großen Erfolg dieser neuer Rechtsform. Sie wälten über die Notare bis zu den Gerichten – als Klien- stand ziemlich im Schatten der bereits etablierten Ak- tel allerdings dann doch verloren gehen. (B) tiengesellschaft und war ein eher ungeliebtes Kind. Wie Aber nicht nur die Konkurrenz ausländischer Rechts- (D) so manches ungeliebte Kind konnte sich die GmbH aber formen war ein Impuls für die anstehende Reform des schnell aus diesem Dasein befreien und sich sehr rasch GmbH-Gesetzes von 1892. Auch im gegenwärtigen zu einem richtigen Erfolgsmodell entwickeln. So wie GmbH-Recht haben sich einige Lücken und Schwach- sich etwa in der Autobranche der Golf millionenfach als stellen gezeigt. Diese müssen dringend abgestellt wer- Erfolgsmodell für die Mittelklasse etabliert hat, so ist die den; wir stellen sie auch ab. GmbH zum bevorzugten Modell gerade für unseren deutschen Mittelstand geworden. Über 1 Million Gesell- An erster Stelle sind die schon vom Parlamentari- schaften mit beschränkter Haftung sprechen für sich. schen Staatssekretär Alfred Hartenbach genannten Fir- menbestattungen zu nennen. Nach Beobachtungen von Doch Vorsicht, liebe Kolleginnen und Kollegen: So Fachleuten werden mittlerweile massenweise insolvenz- wie ein Erfolgsauto der ständigen Modellpflege und ab reife Unternehmen gezielt aufgekauft und zum Nachteil und zu auch einer richtigen Runderneuerung bedarf, um der Gläubiger geplündert. Vor ein paar Tagen konnte weiterhin auf Erfolgskurs zu bleiben, so bedarf auch un- man in der FAZ lesen, dass allein bei einer bundesweiten ser Erfolgsmodell GmbH einer Auffrischung – und dies Razzia gegen Firmenbestatter festgestellt wurde, dass nicht nur, weil etwa der Motor ein bisschen schwächelt, 274 Unternehmensverkäufe zum Nachteil von Gläubi- sondern auch und gerade, weil sich im Gesellschafts- gern stattgefunden haben. Das ist ein Fingerzeig dafür, recht der Markt – um präzise zu sein: der europäische liebe Kolleginnen und Kollegen, in welcher Größenord- Markt – doch sehr erheblich verändert hat. nung wir uns hier bewegen. Lange lebten wir in Deutschland quasi abgeschottet in Erinnert sei auch daran, dass sich bestimmte Teile des einer Art Paradies; GmbH-Rechts gewissermaßen verselbstständigt haben. (Joachim Stünker [SPD]: Paradies, na?) Allen voran gilt das für das Eigenkapitalersatzrecht, das sich in seiner derzeitigen Form kaum mehr am Wortlaut doch diese Zeiten gehören inzwischen der Vergangenheit des Gesetzes orientiert. Dafür füllt die dazu ergangene Ju- an. Ob es uns als nationalem Gesetzgeber gefällt oder dikatur mit inzwischen kaum noch überschaubaren Kon- nicht: Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichts- struktionen wie die eigenkapitalersetzende Nutzungsüber- hofs der vergangenen Jahre hat rechtlich und faktisch lassung oder die Vorratsgesellschaft ganze Bibliotheken. dazu geführt, dass europäische Gesellschaften hierzu- Recht muss aber klar sein; denn Rechtssicherheit setzt lande unter fremder Flagge operieren dürfen. So stehen Verständlichkeit voraus. Wenn der Vorsitzende Richter Firmengründern aus Deutschland alle in der EU angebo- des II. Zivilsenats des BGH in einem Interview ein- tenen Gesellschaftsformen zur Verfügung. Nach wie vor räumt, er wisse, dass die einschlägige Rechtsprechung 11888 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007

Dr. Jürgen Gehb (A) kaum verständlich und vermittelbar sei, kommt dies gleichzeitig europäischen Angebot im Gesellschaftsrecht (C) doch einem Offenbarungseid gleich. Hier sind wir an gut und zukunftstauglich positionieren – und dies bereits den Grenzen des Richterrechts angelangt. Das Bestreben im kommenden Jahr. Daher war die Reform unseres Ge- der Obergerichte, ein Regelwerk von größtmöglicher sellschaftsrechts, das unter dem Etikett „MoMiG“ das Gerechtigkeit zu schaffen, muss daher – und zwar von Licht der Welt erblickt hat, so dringend nötig. uns als Gesetzgeber – dort zurückgeschnitten werden, wo die Rechtsunsicherheit und die Beratungskosten das (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- gewonnene oder vermeintlich gewonnene Mehr an Ein- neten der SPD) zelfallgerechtigkeit bei weitem übersteigen. Anders als in anderen Konstellationen – ich will ja gar Die Quintessenz all dessen, meine Damen und Her- nicht vom MiKaTraG und dem unsäglichen Mindestka- ren: So stolz man auf das Erfolgsmodell GmbH insge- pitalgesetz reden – werden wir, lieber Staatssekretär samt sein kann, so darf man doch nicht aus den Augen Alfred Hartenbach, auch den Willen und die Kraft dazu verlieren, dass die deutsche GmbH wie auch manche aufbringen, dass das nächstes Jahr im Bundesgesetzblatt Kollegin und mancher Kollege ein wenig in die Jahre ge- steht. kommen ist. Eine Reform, und zwar eine gründliche Re- Wir wollen ganz gezielt mit den Mitteln des Rechts form unseres GmbH- und anderer Teile des deutschen auch Wirtschaftsförderung betreiben – ich sehe den Gesellschaftsrechts war daher dringend angezeigt. Wirtschaftsstaatsekretär Hartmut Schauerte – und Unter- (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nehmensgründern helfen. Ich war sehr erfreut, dass bei NEN]: Wen meinen Sie denn jetzt?) den Beratungen im Bundesrat daher meine, unsere Idee der Unternehmergesellschaft auf so positiven Widerhall – Schön, Herr Wieland, dass Sie sich diese Bemerkung gestoßen ist. Das war nicht immer so. Ich habe aber na- gleich zu eigen machen. Mein Blick hätte ein wenig län- türlich eine erbitterte Kritikerin mit meiner Kasseler ger auf Ihnen ruhen müssen. Kollegin Mechthild Dyckmans. Am Ende allerdings (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wird man sehen, dass sich alle als Erfinder dieser Gesell- NEN]: Ich kenne Sie genau! Sie meinten schaftsform gerieren, ähnlich wie bei der Idee von der mich!) Du, liebe Mechthild, eben meintest, es sei eine der FDP gewesen. Insofern empfehle ich nur die Lektüre meines Ich habe einen leichten Stau im mittleren Ring. Manche Aufsatzes in der NZG 2006. Da wurde das alles schon sagen, ich hätte einen dicken Bauch; andere sagen, die erwähnt. Beine stünden etwas weit hinten, Herr Wieland. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Klaus (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (B) Uwe Benneter [SPD]: Nichts Neueres?) (D) NEN]: Es wird beides sein!) Jürgen Möllering, Leiter der Rechtsabteilung des Das Ergebnis dieser Reform liegt Ihnen heute vor. Mit DIHK, hatte recht, als er im Focus im Mai dieses Jahres all den vielen Neuerungen wird die GmbH-Novelle 2007 sagte: insgesamt eine „Kleine Revolution“ sein, wie ein be- kanntes Magazin titelte. Genau dies ist auch von der Es gibt unterschiedliche Bedürfnisse zwischen klas- Union, von unserem Berliner Koalitionspartner und, mit sischem Mittelstand und Kleingewerbe. Verlaub, auch ganz persönlich von mir so gewollt. Da für manchen Gründer auch noch 10 000 Euro Wir stehen in einem europäischen Wettbewerb nicht Gründungskapital zu viel nur hinsichtlich der Erzeugung von Gütern und Dienst- sei, lautete seine Forderung: leistungen, sondern auch hinsichtlich der Rechtsordnun- gen und der Rechtsformen. Diesen Wettbewerb nehmen Wir brauchen noch eine zusätzliche Rechtsform für wir an. Wir wollen und müssen ihn gewinnen. Wir wol- die ganz Kleinen. len und müssen uns einfach auf dem europäischen Markt ( [BÜNDNIS 90/ behaupten können. Ich sage das nicht zuletzt vor dem DIE GRÜNEN]: Genau!) Hintergrund der Debatte über die Europäische Privatge- sellschaft. Ich finde dieses Projekt gut, richtig und wich- So galt es, im Gesetz einen Weg zu finden, um Exis- tig. Wer aber sieht, mit welch spitzen Fingern der zustän- tenzgründer und Kleingewerbetreibende auch bei Vorha- dige EU-Kommissar Charlie McCreevy – so heißt er ben mit geringem Kapitalbedarf in den Genuss der Haf- wirklich – dieses Projekt anfasst, kann doch nicht ein- tungsbeschränkung zu bringen, ohne dass dies zulasten fach die Augen davor verschließen, dass die EPG nicht des Gläubigerschutzes geht. Außerdem, verehrte Frau heute, nicht morgen und allerfrühestens übermorgen, Kollegin Dyckmans, liebe Mechthild, wer glaubt, dass wenn überhaupt, kommen wird. das Stammkapital am Anfang ausreicht, um die Gläubi- ger zu befriedigen, der ist nicht von dieser Welt. Ich gebe (Heiterkeit des Abg. Klaus Uwe Benneter ja gerne zu, dass es eine gewisse Seriositätsschwelle ist [SPD]) und etwa Erhebungen der Creditreform besagen, dass es – Herr Benneter, es ist schön, dass Sie Ihr Lachen eine gewisse Korrelation zwischen der Höhe des Stamm- manchmal nicht unterdrücken können. kapitals und der Häufigkeit der Insolvenzen gibt. Vor diesem Hintergrund will ich, dass wir Deutschen (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- uns in einem reformierten nationalen und damit auch NEN]: Oh ja!) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11889

Dr. Jürgen Gehb (A) Das Entscheidende ist aber, dass man für die Dauer des Zur Frage, ob ich es richtig finde: Ich bin der Mei- (C) Bestands der Gesellschaft Kapital hat und nicht nur am nung – ich habe das auch in meinen wissenschaftlichen Anfang. Veröffentlichungen gesagt – – (Zurufe von der SPD: Oh!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: – Ja, so ist das. Ihr dürft nicht immer nur die St. Pauli- Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage der Nachrichten lesen. von Ihnen so geschätzten Kollegin Dyckmans zulassen? (Heiterkeit) Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Ihr müsst auch mal die GmbH-Rundschau lesen. – Ich Aber selbstverständlich. habe das immer gesagt; ich stehe auch heute noch dazu.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte schön. Ich bin jetzt nicht ganz sicher, ob das nicht unparla- mentarisch war. Mechthild Dyckmans (FDP): Lieber Kollege Gehb, ist dir bekannt, Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Nur die Bemerkung oder die Zeitschrift? (Dr. Uwe Küster [SPD]: Das wird hier aber (Heiterkeit) intim!) Frau Präsidentin, ich bitte, mir nachzusehen, wenn diese dass vor etwas mehr als 25 Jahren hier in diesem Hause, Zeitschrift unparlamentarisch ist. damals noch in Bonn, das Mindestkapital von damals 20 000 D-Mark auf 50 000 D-Mark heraufgesetzt (Klaus Uwe Benneter [SPD]: Das ist eine wurde? Ist dir bekannt, aus welchen Gründen das damals Fußballzeitschrift!) gemacht wurde? Dass sie aber gelesen wird, dafür kann ich nichts. Ich darf dir vielleicht einfach einmal aus der Be- Ich möchte festhalten: Ich habe schon immer die Auf- schlussempfehlung des Rechtsausschusses vorlesen. fassung vertreten – ich vertrete sie auch heute noch –, (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nicht dass das bloße Drehen an der Stellschraube Stammkapi- helfen!) tal eigentlich gar nichts hergibt. 1892 – das war über 30 Jahre vor Einführung der Dort heißt es, es liege auf der Hand, dass der bisherige (B) Reichsmark. Damals konnte man von dem Geld ein gan- (D) Betrag von 20 000 D-Mark nicht mehr ausreichend sei, zes Haus kaufen. Heute sind 25 000 Euro oder gar um eine Haftungsbeschränkung zu rechtfertigen. Dieser 10 000 Euro dagegen natürlich nur noch eine Quantité seit 1892 nicht erhöhte Betrag müsse den heutigen wirt- négligeable. Wenn man mich also fragt, ob das zutrifft, schaftlichen Verhältnissen zumindest in etwa angenähert kann ich nur antworten: Das hat damals nicht zugetrof- werden. fen; es trifft auch heute nicht zu. Deshalb gehe ich relativ (Joachim Stünker [SPD]: Das war vor 25 Jah- leidenschaftslos an die Frage heran, ob das Stammkapi- ren! Lange her! – Dirk Manzewski [SPD]: tal diese oder jene Höhe haben soll. Wenn der Betrag Noch zu DM-Zeiten!) alle zehn Jahre hoch- und runtergeht, zeigt das doch, dass es kein taugliches Instrument ist. Damals ist die Mehrheit davon überzeugt gewesen, dass Ich fahre fort. Bei diesem Gesetz galt es, einen Weg die Anhebung des Mindeststammkapitals mit dazu zu finden, um Existenzgründer und Kleingewerbetrei- beitragen [werde], die erhebliche Konkursanfällig- bende mit geringem Kapitalbedarf in den Genuss der keit der kleinen GmbH, die unzweifelhaft gegeben Haftungsbeschränkung zu bringen. Ich habe das eben sei, zu vermindern und unsolide Gründungen weit- schon gesagt; das wird den Stenografen auffallen; so gehend zu verhindern. brauchen sie es nicht doppelt zu schreiben. Ebenso sollte die Gründung schnell, unbürokratisch und preiswert er- (Joachim Stünker [SPD]: Die Erwartung hat folgen können. Das sind gerade für Existenzgründer ge- sich nicht erfüllt! – Dr. Günter Krings [CDU/ wichtige Faktoren bei der Wahl der von ihnen präferier- CSU]: Ein Irrglaube!) ten Rechtsform. Ich frage dich: Trifft das heute nicht mehr zu? Hat Die Lösung stellt nun die neu entwickelte Unterneh- sich da so viel verändert? mergesellschaft in § 5 a des Gesetzentwurfs dar, die ge- genüber ursprünglichen Ideen allerdings nun recht Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): schlank daherkommt. Ich hatte einmal einen Gesetzent- Verehrte Mechthild, ich finde es zunächst einmal au- wurf mit 76 Paragrafen entwickelt. Er war ziemlich dick: ßergewöhnlich schön, dass der Fragesteller die Antwort Er hatte nicht nur einen relativ weiten Beinhinterstand, gleich mitliefert. Der erste Teil der Frage, ob ich wüsste, sondern er war wirklich dick. Nun ist er auf fünf Absätze wie das war und wie es damals begründet wurde, ist also abgespeckt. beantwortet. Die Antwort hast du ja mit lauter Stimme (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- und Betonung vorgelesen. NEN]: Das haben Sie noch vor sich!) 11890 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007

Dr. Jürgen Gehb (A) Die Unternehmergesellschaft unterliegt dem Regime des Wir können vielmehr auch auf hohem Niveau ein biss- (C) GmbH-Rechts. Es ist keine andere Rechtsform; wir be- chen spaßig sein; das ist das Schöne an den Rechtspoliti- wegen uns in dem Regime, das es schon immer gab. kern. Wenn das in anderen Politikbereichen auch so Deswegen bin ich der Meinung, dass das eine sehr – – wäre, dann würde sich manch ein Zuschauer nicht mit solch einem Grauen von uns abwenden. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Verloren gegangen!) (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Ach was!) – Es ist auch einiges verloren gegangen. Heute ist aber nur die erste Lesung. Wir werden das nachher an die Ich möchte Ihnen allen – bzw. fast allen; Sie von den Ausschüsse überweisen. Dort werden wir wie immer Linken sind leider nie dabei – noch etwas sagen. externen Sachverstand zu Rate ziehen. Da wird man se- hen, ob ich nicht vielleicht das eine oder andere, was ich (Lachen bei der LINKEN) schon einmal vorgeschlagen habe, doch wieder – von hinten durch die Brust ins Auge – reaktivieren kann, lie- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: ber Freund Montag. Herr Kollege, bevor Sie jetzt noch vor den Zuschau- ern sagen, mit wem Sie diese Flasche Champagner trin- (Jörg Rohde [FDP]: Geht das auch an den ken wollen, Normenkontrollrat?) (Heiterkeit) – Normenkontrollrat? Da ist es schon abgesegnet wor- den; ich habe dafür schon eine Flasche Schampus be- muss ich Ihnen mitteilen: Ihre Redezeit ist weit über- kommen. schritten. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Meine Damen und Herren, darüber hinaus betreffen Ich hätte es Ihnen gerne verraten; aber das Ende mei- viele zusätzliche Änderungen des Regierungsentwurfs ner Redezeit verbietet es mir. die Unternehmergesellschaft und die GmbH in gleicher Weise. Ich sagte ja, dass die Vorschriften auch für die – – Frau Präsidentin, ich bedanke mich für Ihre Großzü- gigkeit, und Ihnen, meine Damen und Herren, danke ich (Zuruf von der FDP: Mini-GmbH!) für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche Ihnen noch einen – Sagt nicht immer Mini-GmbH. Das tut meiner Seele so schönen Tag! weh. Es handelt sich um die Unternehmergesellschaft (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (haftungsbeschränkt). Diese Diminuierung auf Mini-Ge- (B) (D) sellschaft wollen wir nicht haben. – Die Vorschriften Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: stellen damit insgesamt bemerkenswerte Innovationen gegenüber dem geltenden Recht dar. Zumal die Zuschauer weder lachen noch applaudieren können, Herr Gehb, Ich sagte schon: Wir werden im weiteren Verfahren noch über viele Details des Gesetzentwurfs reden. Auf- (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Ja! Aber sie merksamen Beobachtern wird nicht entgangen sein, dass würden gerne!) beispielsweise die Frage der Mustersatzung schon im weder das eine noch das andere. Bundesrat zu intensiver Diskussion geführt hat; nament- lich Justizministerin Kolb hat dort kritische Töne ange- Jetzt hat der Kollege Dr. Herbert Schui für Die Linke schlagen. Die Notare kämpfen noch für die Beibehaltung das Wort. der Beurkundungspflicht anstelle der bloßen Beglaubi- (Beifall bei der LINKEN) gung. Außerdem stellt sich die Frage, ob wir, wenn wir schon keine Steuererklärung auf dem Bierdeckel hinbe- Dr. Herbert Schui (DIE LINKE): kommen, vielleicht ein Gründungsprotokoll in Bierde- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer das ckelgröße hinbekommen. All das, liebe Kolleginnen und Recht auf Gewinn in Anspruch nimmt, hat auch die Kollegen, werden wir im parlamentarischen Beratungs- Pflicht, für das Risiko einzustehen; das ist der Grund- verfahren erörtern. satz. Weil das so ist, beschäftigt sich die Fachwelt in (Mechthild Dyckmans [FDP]: Genau!) Großbritannien und in den USA zunehmend mit Unter- nehmen der Rechtsform Limited Liability. Erst im Juli Wir werden dann sehen, was im nächsten Jahr daraus ge- dieses Jahres fand an der University of London, im Col- worden sein wird. lege SOAS, eine Konferenz zu diesem Thema statt, die (Mechthild Dyckmans [FDP]: Ja! Dann sehen vom Guardian ebenso wie von der Financial Times in wir, was davon übrig geblieben ist!) London sehr positiv kommentiert worden ist. Über die- ses Thema wird also diskutiert, und das nicht nur in ir- Frau Präsidentin, da hier dauernd die Zuschauer gendeinem Keller und nicht nur von Gruppierungen, die wechseln, will ich folgende Schlussbemerkung machen: Sie vielleicht nicht so sehr mögen. Ich finde es sehr schön, dass wir auch Debatten führen, in denen wir uns nicht gegenseitig als Brunnenvergifter, Die Grundlage der kritischen Argumentation – hier als Sicherheitsrisiko oder – manch einer versteigt sich wird oft auf Smith Bezug genommen – ist die Folgende: sogar zu dieser Bezeichnung – als Mörder bezeichnen. Gleichheit vor dem Gesetz für alle, also auch für juristi- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11891

Dr. Herbert Schui (A) sche Personen und damit auch für Unternehmen und An- Weshalb bedeuten der Bundesregierung all diese Ein- (C) teilseigner. Alle müssen im Sinne eines bürgerlichen wände nichts? Weil die „Einführung des Mustergesell- Rechtsverständnisses die Verantwortung für die Folgen schaftsvertrages … den Forderungen der Wirtschaft“ ihres Handelns tragen. Ausnahmen, die durch Gewinn- entspricht; so ist auf Seite 1 von Anlage 3 des Gesetzent- aussichten und – gegebenenfalls vorgeschützte – güns- wurfs zu lesen. Wenn das so ist, dann lasst doch gleich tige Wirkungen auf die Gesamtwirtschaft gerechtfertigt den Bundesverband der Deutschen Industrie die Geset- würden, dürfe es, so die kritische Argumentation, im zesvorlagen ausarbeiten. Wir begründen sie in Kurz- Grundsatz nicht geben. reden dann damit, dass sie den Interessen der Wirtschaft entsprechen – dann ist der Bart ab! Die Bundesregierung will mit ihrem Gesetzentwurf offenbar dazu beitragen, dass wir der gegenwärtigen an- (Beifall der Abg. Dr. Barbara Höll [DIE gelsächsischen Rechtspraxis näherkommen. Ein Wider- LINKE]) schein der aktuellen Debatte in diesen Ländern lässt sich Sicherlich kann eine Haftungsbeschränkung unter be- im Gesetzentwurf dagegen nicht finden, ein unter straf- stimmten Bedingungen sinnvolle Projekte ermöglichen, rechtlichen Gesichtspunkten verschärftes Haftungsrecht die bei voller Deckung durch das Privatvermögen aus- ebenfalls nicht. bleiben würden. Dann ist aber sicherzustellen, dass es zu Eine Haftungsbeschränkung stellt von der Sache her keiner unerwünschten Risikoverlagerung zulasten Drit- eine Risikoverlagerung dar. Folglich sind drei Fragen, ter kommt. Folglich sind Vorkehrungen zu treffen, damit die bei jeder Verteilung von Risiken zu stellen sind, auch die Risiken nicht billig und für die Verursacher folgenlos an die GmbH-Novelle der Bundesregierung zu richten: auf Gläubiger, Lieferanten und andere überwälzt wer- den. Wichtig ist – das fehlt in dem Gesetzentwurf –, dass Erstens. Kann die Risikoentlastung von Unternehmen als Pendant zu der vorgesehenen Haftungsreduzierung ein gewünschtes wirtschaftliches Verhalten auslösen? Transparenz und Intransparenzhaftung deutlich verbes- Zweitens. Wird die Haftungsbeschränkung nicht zu sert werden. einer Einladung zu unerwünschtem, verwerflichem, im Extremfall sogar kriminellem Verhalten? Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Drittens. Wer, wenn nicht der Unternehmer selbst, Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen, bitte. trägt an dessen Stelle die Risiken? Dr. Herbert Schui (DIE LINKE): Die erste Frage beantwortet die Bundesregierung Ich bin sofort durch. – Bei strafrechtlich relevanten ideologisch: Schneller, kostengünstiger und mit geringe- Fällen fehlt eine klare Durchgriffshaftung ins Privatver- rer Haftung Unternehmer zu werden, das müsse doch, so (B) mögen. Es fehlen Ausschlussgründe für straffällig ge- (D) die Bundesregierung, auf jeden Fall etwas Gutes sein. wordene Geschäftsführer. Besonders problematisch an der GmbH-Novelle sind (Joachim Stünker [SPD]: Staatskapitalismus!) die vorgesehenen Mustersatzungen. Der Notar soll nun nicht mehr die Rechtmäßigkeit des Gründungszwecks feststellen. Er soll nicht mehr das Verhältnis zwischen Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: den Gesellschaftern und der Kapitalaufbringung prüfen. Herr Kollege! Er soll nur noch die Personenidentität der Gründer be- glaubigen. Dr. Herbert Schui (DIE LINKE): Es fehlt ein Berufsverbot im Sinne des BGB für Ge- Mustersatzungen mögen im simplen Fall einer Ein- sellschafter und Geschäftsführer, die sich an das Recht personengesellschaft in Form einer GmbH mit eindeuti- nicht halten. gem Gründungszweck der Vereinfachung dienen. Aber spätestens wenn zwei Gesellschafter im Spiel sind oder Der Gesetzentwurf trägt dem Interesse der Allge- wenn der Unternehmensgegenstand einer Präzisierung meinheit also insgesamt nicht Rechnung. Ihm ist nicht bedarf, verwandelt sich das von der Bundesregierung ge- zuzustimmen. botene Gründungsset in eine Einladung, sich als Ge- Vielen Dank. schäftszweck alles Mögliche mit allerlei Leuten vorzu- nehmen. Dann entsteht die Hoffnung, dass das Formblatt (Beifall bei der LINKEN) den eigenen Verstand, privatwirtschaftliche Selbstorga- nisation und eingehende Rechtsberatung ersetzen könne. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Folge wird sein, dass die nachträglichen Bera- Jerzy Montag spricht jetzt für Bündnis 90/Die Grü- tungs- und Rechtskosten steigen. Es wird zu mehr ge- nen. richtlichen Streitfällen kommen. Deswegen sind eindeu- tige Spielregeln, klare Regulierungen eine Forderung Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): politisch sehr unterschiedlicher Richtungen. Die Geset- Danke, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und zesnovelle trägt all dem nicht Rechnung. Sie schafft Kollegen! In unserem Land entschließen sich jedes Jahr Chaos statt eine Ordnung, in der sich Erwerbstätigkeit viele Menschen, selbstständig wirtschaftlich tätig zu entwickeln kann. Das ist gegen die etwas höheren Kos- werden. Ich sage für uns Grüne ausdrücklich: Wir heißen ten der jetzigen GmbH-Beurkundung aufzurechnen. Da das gut, wir halten das für richtig und für notwendig. Wir gewinnt in jedem Falle die gegenwärtige Rechtsetzung. brauchen Unternehmensgründungen, und wir wollen 11892 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007

Jerzy Montag (A) alles dafür tun, dass es insbesondere jungen Menschen, (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Nein, ich bin (C) aber nicht nur diesen, erleichtert wird, selbstständig als kompromissfähig!) Unternehmer – im Dienstleistungssektor genauso wie im Produktionssektor – tätig zu werden. Ich finde es ganz interessant, dass sich die Wirt- schaftspartei FDP um diese Frage völlig herumdrückt, (Beifall des Abg. Wolfgang Wieland [BÜND- kein einziges Wort dazu sagt NIS 90/DIE GRÜNEN] sowie des Abg. Klaus Uwe Benneter [SPD]) (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das stimmt! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Aus dem letzten Beitrag, den wir gehört haben, habe NEN]: Und nur konservativ ist!) ich so etwas wie eine prinzipielle Gegnerschaft gegen eine solche Betrachtungsweise herausgehört. Ich kann und den Vorschlag der Regierung, der nicht optimal ist, Ihnen nur sagen: Wer gute Löhne für Arbeitnehmer ablehnt, ohne einen eigenen zu machen. Ich finde es al- will – das wollen wir –, der muss auch die Wirtschaft lerdings auch interessant, dass der Staatssekretär den und das Unternehmertum selbst unterstützen; sonst geht Koalitionspartner für sein Engagement und für die Tatsa- die Gleichung in einer sozialen Marktwirtschaft nicht che gelobt hat, auf. (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Warum denn (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht?) und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordne- ten der SPD und der FDP) dass Sie sich, Herr Gehb, zu einem kleinen Teil – 60 Para- grafen Hunderttausende machen sich einfach auf den Weg und nutzen nicht die Rechtsform einer Gesellschaft, die (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: 76!) ihnen der Staat bietet, sondern handeln als Einzelkauf- leute – mit vollem Risiko, mit voller Haftung. Andere sind auf einen zusammengeschmolzen, nämlich auf den nehmen die Möglichkeit wahr, ihre wirtschaftliche Tä- § 5 a des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit be- tigkeit in einer GmbH, also mit einer beschränkten Haf- schränkter Haftung – durchgesetzt haben. tung, auszuüben. Das muss auf der anderen Seite dann aber natürlich auch mit einem gewissen Schutz verbun- Ich darf an dieser Stelle zitieren, was die Bundesjus- den sein. Das ist schon dargestellt worden, und ich brau- tizministerin, Frau Zypries, noch im März dieses Jahres che darauf nicht näher einzugehen. im Handelsblatt zu dieser Frage geäußert hat: In der Europäischen Union hat es einen dramatischen Offen gesagt konnte mir noch keiner erklären, wo- (B) Wandel in dieser Richtung gegeben. Durch die Recht- rin der Mehrwert einer weiteren Gesellschaftsform (D) sprechung des Europäischen Gerichtshofs wurde der ab- „unterhalb“ dieser verschlankten GmbH liegen soll. geschottete nationale Rechtsmarkt für diese Materie auf- (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Ich habe es ihr gebrochen, und es gibt nun eine Konkurrenz mit anderen jetzt erklärt!) europäischen Rechtsinstituten. Dem müssen wir uns stellen. Wir finden das richtig, aber wir glauben nicht, Nun, einige Monate später, werden Sie vom Staatssekre- lieber Kollege Gehb, dass die Einrichtung einer Mikro- tär dafür gelobt, dass Sie die Ministerin offensichtlich GmbH, quasi einer „GmbH light“, neben einer jetzt auf einen anderen Weg gebracht haben. schon wieder verschlankten GmbH die richtige Lösung ist. Lieber Kollege Dr. Gehb, in dem gleichen Beitrag steht allerdings auch, was Sie eigentlich wollten. Ich (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Sie machen es nehme an, Sie werden dort richtig zitiert. Sie wollten noch kleiner!) nach Ihren Überlegungen den Schutz der Vertragspartner Wir finden, dass gerade diejenigen, die keine GmbH von denjenigen, die sich im geschützten Raum einer gründen, sondern sozusagen als Einzelkaufleute oder in GmbH wirtschaftlich betätigen, ein Gläubigerforum und einer BGB-Gesellschaft beginnen wollen, in einer Perso- strenge Haftungsvorschriften. Davon ist in dem Gesetz nengesellschaft mit beschränkter Haftung wie in einer nichts mehr zu lesen. Gesellschaft mit beschränkter Haftung tätig werden kön- nen sollten. Zum Schluss meiner Ausführungen will ich noch sa- gen: Es wundert mich, dass in dieser Debatte von keiner (Beifall des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/ Fraktion die steuerrechtliche Seite der Vorschläge, die DIE GRÜNEN]) auf dem Tisch liegen und diskutiert werden sollen, an- Wir wollen also nicht irgendein Minus zur GmbH, son- gesprochen worden ist. Gerade durch das Angebot an dern etwas ganz anderes, das gerade auf diesen Perso- Existenzgründer, sich ausschließlich in einer Mikro- nenkreis zugeschnitten ist. GmbH wirtschaftlich zu betätigen, werden sie steuer- rechtlich in das System der Körperschaftsteuern gesto- (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Sie wissen, ßen. Mit unserem Vorschlag einer Personengesellschaft dass ich einmal diese Lösung verfolgt habe, mit beschränkter Haftung wollen wir die Vorteile, die Herr Montag!) sich aus der persönlichen Besteuerung ergeben, mit den – Ja, aber Sie haben das im Gegensatz zu uns aufgege- Möglichkeiten des Handelns in einem geschützten ben. Raum, aber auch mit strengen Regeln für Publizität und Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007 11893

Jerzy Montag (A) Transparenz verbinden. Dazu werden wir noch Vor- (Beifall des Abg. Andreas Schmidt [Mülheim] (C) schläge machen. [CDU/CSU]) Ich danke Ihnen und freue mich auf die Debatte im und ich teile inzwischen auch seinen Grundansatz: Es Ausschuss. gibt sicherlich Unternehmen, die mit weniger Stammka- pital als 25 000 Euro oder auch 10 000 Euro auskommen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) können, ohne dass sie deshalb unseriös oder ohne Er- folgsaussichten sein müssen. Wir sollten diesen Unter- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: nehmen eine einfache, billige und deutsche Rechtsform Jetzt gebe ich dem Kollegen Klaus Uwe Benneter das zur Verfügung stellen. Es ist nicht gut, wenn solche Exis- Wort für die SPD-Fraktion. tenzgründer nur auf die britische Limited zugreifen kön- nen, die in britischen Handelsregistern angemeldet wer- Klaus Uwe Benneter (SPD): den muss und nach britischem Recht funktioniert oder in Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und vielen Fällen eben auch nicht. Kollegen! Uns liegt ein wichtiger Gesetzentwurf vor. In Deutschland gibt es derzeit schätzungsweise mehr als Mir persönlich hat zu Beginn dieser Diskussion und 900 000 GmbHs. Die GmbH ist die Rechtsform des der ersten Gehb’schen Überlegungen der Gedanke nicht deutschen Mittelstandes und bis heute ein Erfolgsmo- gefallen – Jerzy Montag, ich bitte um Aufmerksamkeit –, dell. dass wir zu der Vielzahl von Rechtsformen, die das deut- sche Gesellschaftsrecht seinen Unternehmen zur Verfü- (Mechthild Dyckmans [FDP]: Eben! Das gung stellt, noch eine weitere Rechtsform hinzuerfinden sollte man nicht verwässern!) und damit das deutsche Gesellschaftsrecht um weitere ju- Alfred Hartenbach hat bereits darauf hingewiesen. ristische Probleme und Kommentare bereichern sollen. Denn eigentlich wollen wir unser Recht insgesamt etwas In der Rechtsform der GmbH können Existenzgrün- einfacher, verständlicher und übersichtlicher gestalten. der ihr Unternehmen beginnen. Sie können ihr Unter- nehmen als GmbH auch stabilisieren und wachsen las- Insofern kann sich die Lösung, die das Justizministe- sen. Die GmbH ist eine attraktive Rechtsform, und das rium gefunden hat, sehen lassen. Die neue sogenannte soll auch so bleiben. Unternehmergesellschaft – sprich: Mini-GmbH – ist von wenigen Besonderheiten abgesehen eine echte GmbH Trotzdem besteht in vielerlei Hinsicht Reformbedarf. und richtet sich nach GmbH-Recht. Durch die Rücklage- Meine Vorredner haben dazu schon einiges gesagt. Das verpflichtungen wird sie bei gutem Gang der Geschäfte Recht der Kapitalaufbringung und -erhaltung ist über- automatisch zu einer ganz normalen GmbH und kann (B) kompliziert. Hinzu kommt, dass auch das schönste und sich auch umbenennen. Sie wächst also sozusagen zur (D) komplizierteste Kapitalschutzrecht nichts nützt, wenn GmbH heran. sogenannte Firmenbestatter professionell mit relativ ein- fachen Mitteln eine ordnungsgemäße Insolvenz verhin- Ich denke, das ist eine elegante Konstruktion: Wir ha- dern können. Die Geschäftsführer werden abberufen und ben eine schlanke Regelung und müssen keine neue das Geschäftslokal aufgegeben mit dem Ergebnis, dass Rechtsform erfinden. Trotzdem ist die neue Unterneh- die GmbH keine Adresse mehr hat und ihr niemand mergesellschaft namensmäßig deutlich von den alten, mehr etwas zustellen kann. Solche Machenschaften wer- bestehenden GmbHs unterscheidbar. Das halte ich für den wir verhindern. ausgesprochen wichtig. Denn wir sollten uns nichts vor- machen: Wenn wir eine solche „billige“ Rechtsform an- Außerdem haben wir inzwischen ausländische Kon- bieten, werden auch Miniunternehmen gegründet wer- kurrenz im Land, vor allem die britische Limited, die mit den, die dann doch keine echte Chance am Markt haben wenig bürokratischem Aufwand und ohne Mindestkapi- und scheitern. Wenn dies massenhaft geschieht, dann tal gegründet werden kann. Schließlich werden die Stim- wird sich die Mini-GmbH am Markt nicht durchsetzen. men immer lauter, die meinen, es sei besonders wichtig, Ihr Ansehen würde durch zu viele unsolide Mitspieler dass eine GmbH sehr schnell – praktisch über Nacht – geschädigt werden. Das muss nicht so kommen, aber wir und besonders preisgünstig gegründet werden kann. sollten es in unseren Beratungen mitbedenken. Die Auch wenn mir die Bedeutung dieses Punktes etwas Mini-GmbH ist auch eine Art gesetzgeberisches Experi- übertrieben erscheint, ist etwas Wahres daran. ment. Wir wissen heute noch nicht, wie ein solches Ex- Es ist deshalb gut, dass die Justizministerin mit ihrem periment enden wird. Gesetzentwurf den Reformbedarf aufgegriffen hat. Es ist Die GmbHs mit einem Stammkapital von mindestens bekannt, dass der Referentenentwurf kurz vor der Kabi- 25 000 Euro dürfen jedenfalls nicht entwertet werden. nettsbefassung noch in entscheidenden Punkten geändert Man muss den Unterschied zur Mini-GmbH erkennen worden ist. Neu aufgenommen wurde vor allem das völ- können. Das werden wir bei unseren weiteren Beratun- lig neue Konzept der Unternehmergesellschaft, besser gen zu berücksichtigen haben. bekannt unter dem Stichwort Mini-GmbH. Wir wissen – auch wenn Sie das nicht gerne hören, Herr Gehb –, Es erscheint mir sinnvoll, das vereinfachte Grün- dass die Möglichkeit einer einfach, billig und praktisch dungsverfahren hauptsächlich auf die neue Mini-GmbH, ohne Stammkapital zu gründenden Unternehmergesell- also die Unternehmergesellschaft, zu beschränken. Be- schaft ein besonderes Anliegen unseres Kollegen Gehb denkenswert erscheint mir das vorgeschlagene Grün- war, dungsprotokoll anstelle der im Gesetzentwurf vorgese- 11894 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 20. September 2007

Klaus Uwe Benneter (A) henen Mustersatzung. Wir sollten die Vielzahl von Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort der (C) Anregungen des Bundesrates, der sich mit dem Gesetz- Kollegin Simone Violka für SPD-Fraktion. entwurf sehr eingehend befasst hat, bei unseren Beratun- gen sehr genau prüfen. Die Herabsetzung des Stammka- Simone Violka (SPD): pitals von 25 000 Euro auf 10 000 Euro ist nicht notwendig, wenn zukünftig die Möglichkeit besteht, eine Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Mini-GmbH mit einem Stammkapital zwischen 1 Euro Kollegen! Es ist zu erwarten, dass Herr Gysi – genauso und 25 000 Euro zu gründen. wie bei der ersten Lesung im November 2006 – durch das Aufzählen negativer Beispiele den Eindruck erwe- An dieser Stelle möchte ich auf ein Anliegen zu spre- cken will, alle, die viel Geld verdienen, seien potenzielle chen kommen, das mir wichtig ist. Wenn wir für die Ka- Steuerflüchtlinge und hätten den ganzen Tag nichts wei- pitalgesellschaft GmbH mit der neuen Mini-GmbH ei- ter zu tun, als die Stunden zu zählen, die sie noch in nen solchen einfachen Zugang ermöglichen, dann sollten Deutschland sein müssen, um sich nicht wegen Steuer- wir das auch für Genossenschaften tun; denn sonst wird hinterziehung strafbar zu machen. Es mag solche Fälle die teure Genossenschaft vollends von der neuen preis- durchaus geben. Aber ich nehme an, dass das Einzelfälle werten Mini-GmbH verdrängt. Genossenschaften sind sind. Sie selbst sprechen in Ihrem Antrag von Schein- Gemeinschaften, die zusammen in Selbsthilfe und wohnsitzen. Es geht also gar nicht um Menschen, die das Selbstverwaltung mehr bewirken wollen, als es jeder für deutsche Steuerrecht legal nutzen, sondern um solche, sich alleine könnte. Ich bin überzeugt, dass an solchen die sich schon nach geltendem Recht strafbar machen Gemeinschaften ein wachsender Bedarf besteht. Wir und die dafür auch bestraft und zur Kasse gebeten wer- sollten deshalb die Rechtsform der Genossenschaft stär- den. ken. Sie wird zunehmend weniger gewählt, weil die Gründungskosten und die Rechtsformkosten zu hoch (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Manfred sind. Wir sollten deshalb auch die Gründung von Mini- Kolbe [CDU/CSU]) genossenschaften ermöglichen. In der Schweiz gibt es Warum sollten diese Menschen, die schon heute wis- entsprechende Modelle. Diese sollten wir uns ansehen. sentlich gegen geltendes Steuerrecht verstoßen, bei ge- Wir werden alle Fragen und Anregungen des Bundes- ändertem Recht plötzlich brave Steuerzahler werden? rates sorgfältig prüfen. Das Ziel ist klar: Wir wollen das Diese Haltung ist mehr als blauäugig. Erfolgsmodell GmbH fortsetzen. Der vorliegende Ge- Mir ist wichtig, das von Ihnen verbreitete Bild, viele setzentwurf bietet eine gute Grundlage für unsere weite- Bürgerinnen und Bürger, die viel verdienen, würden sich ren Beratungen. permanent ihrer Steuerpflicht entziehen, zu entschleiern. (B) (Beifall bei der SPD) Es gibt nämlich in diesem Land viele Leistungsträger, (D) die nicht nur ihre Steuern pünktlich zahlen, sondern die auch einen nicht unerheblichen Teil ihres Vermögens der Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Gesellschaft wieder zur Verfügung stellen. Ich erinnere Ich schließe die Aussprache. an die vielen Stifterinnen und Stifter, ohne deren En- gagement unsere Kulturlandschaft viel ärmer wäre. Ich Die Fraktionen haben vereinbart, den Gesetzentwurf erinnere auch an die vielen Menschen, die nicht nur Zeit, auf Drucksache 16/6140 an die in der Tagesordnung auf- sondern auch viel privates Geld einsetzen, um Vereine, geführten Ausschüsse zu überweisen. Gibt es dazu an- soziale Einrichtungen, Sportveranstaltungen, Kultur, dere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Schulen und vieles mehr zu unterstützen. Das tun sie Überweisung so beschlossen. häufig, ohne genannt zu werden, weil es für sie einfach Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 9 auf: normal ist, sich so zu verhalten. Vielleicht ist das der Grund, weshalb die Linke so tut, als würde es das nicht Beratung der Beschlussempfehlung und des Be- geben. richts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. , (Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE Dr. Barbara Höll, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer LINKE]: Frau Violka, wer erzählt uns denn Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE immer, dass die ins Ausland gehen?) Steuerflucht wirksam bekämpfen – Wenn Sie mich etwas fragen wollen, dann melden Sie sich zu einer Zwischenfrage. Ansonsten halten Sie mich – Drucksachen 16/2524, 16/5673 – nicht von meiner Rede ab. Berichterstattung: (Beifall des Abg. Jörg-Otto Spiller [SPD]) Abgeordnete Simone Violka Dr. Barbara Höll Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Über die Beschlussempfehlung werden wir später na- Möchten Sie die Zwischenfrage des Kollegen zulas- mentlich abstimmen. sen? Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Dazu höre Simone Violka (SPD): ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Gerne.