Plenarprotokoll 17/31

Deutscher

Stenografischer Bericht

31. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

I n h a l t :

setzes über die Feststellung des Bun- Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- deshaushaltsplans für das Haushalts- neten Dr. Claudia Winterstein ...... jahr 2010 (Haushaltsgesetz 2010) 2833 A (Drucksachen 17/200, 17/201) ...... 2833 B

b) Beschlussempfehlung des Haushaltsaus- schusses zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Finanzplan des Bundes 2009 Wahl der Abgeordneten zum Mit- bis 2013 glied des Gemeinsamen Ausschusses nach (Drucksachen 16/13601, 17/626) ...... Art. 53 a des Grundgesetzes und der Abge- 2833 C ordneten zum stellvertreten- den Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses nach Art. 53 a des Grundgesetzes ...... 13 Einzelplan 10 2833 B Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Drucksachen 17/610, 17/623) ...... 2833 D Nachträgliche Ausschussüberweisung ...... (SPD) ...... 2833 B 2834 A Georg Schirmbeck (CDU/CSU) ...... 2835 B Dr. (DIE LINKE) ...... 2837 D Tagesordnungspunkt I (Fortsetzung): Heinz-Peter Haustein (FDP) ...... a) Zweite Beratung des von der Bundesre- 2839 B gierung eingebrachten Entwurfs eines Ge- II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/ Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister DIE GRÜNEN) ...... BMI ...... 2840 B 2865 C , Bundesministerin Dr. (SPD) ...... BMELV ...... 2866 A 2841 D Katrin Kunert (DIE LINKE) ...... (SPD) ...... 2867 D 2844 B (CDU/CSU) ...... Hans-Michael Goldmann (FDP) ...... 2868 D 2845 D (BÜNDNIS 90/ (DIE LINKE) ...... DIE GRÜNEN) ...... 2847 A 2869 C Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ (SPD) ...... DIE GRÜNEN) ...... 2870 A 2848 A Gisela Piltz (FDP) ...... (CDU/CSU) ...... 0000 A 2849 B 2871 C Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) ...... Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) 2851 B 2872 A Georg Schirmbeck (CDU/CSU) ...... (DIE LINKE) ...... 2852 D 2872 C Dr. Erik Schweickert (FDP) ...... Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ 2853 C DIE GRÜNEN) ...... Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) ...... 2873 C 2854 C Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 14 Einzelplan 06 2874 D Bundesministerium des Innern Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) ...... (Drucksachen 17/606, 17/623) ...... 2876 A 2856 B Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) ..... Dr. Peter Danckert (SPD) ...... 2877 B 2856 C (CDU/CSU) ...... Jürgen Herrmann (CDU/CSU) ...... 2878 D 2857 D

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ 15 a) Einzelplan 07 DIE GRÜNEN) ...... Bundesministerium der Justiz 2859 B (Drucksachen 17/607, 17/623) ...... Jan Korte (DIE LINKE) ...... 2880 C 2860 B in Verbindung mit (FDP) ...... 2862 B 15 b) Einzelplan 19 Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ Bundesverfassungsgericht DIE GRÜNEN) ...... (Drucksachen 17/623, 17/624) ...... 2864 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 III

2880 C Dr. (CDU/CSU) ...... (SPD) ...... 2901 A 2880 D 16 Einzelplan 17 Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ ...... Bundesministerium für Familie, Senio- 2882 C ren, Frauen und Jugend (Drucksachen 17/616, 17/623) ...... Wolfgang Nešković (DIE LINKE) ...... 2902 C 2884 B Rolf Schwanitz (SPD) ...... Alexander Funk (CDU/CSU) ...... 2902 D 2886 B (CDU/CSU) ...... Dr. (BÜNDNIS 90/ 2904 D DIE GRÜNEN) ...... 2887 B (DIE LINKE) ...... 2907 A Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... Florian Toncar (FDP) ...... 2888 B 2908 B Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... DIE GRÜNEN) ...... 2889 A 2910 A Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) ...... Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin 2891 A BMFSFJ ...... 2911 C Wolfgang Nešković (DIE LINKE) ...... 2891 B Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ 2914 A DIE GRÜNEN) ...... 2892 C Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ ...... Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ 2914 B DIE GRÜNEN) ...... 2894 A Sönke Rix (SPD) ...... 2914 C Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... Miriam Gruß (FDP) ...... 2894 D 2915 D Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) ...... Heidrun Dittrich (DIE LINKE) ...... 2895 B 2917 B (SPD) ...... (CDU/CSU) ...... 2895 C 2918 B Florian Toncar (FDP) ...... (BÜNDNIS 90/ 2897 C DIE GRÜNEN) ...... 2919 D (Altötting) (CDU/CSU) ...... 2899 A Miriam Gruß (FDP) ...... 2920 C (DIE LINKE) ...... 2899 C (CDU/CSU) ...... 2921 D Raju Sharma (DIE LINKE) ...... 2900 C (SPD) ...... IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2923 B Dr. , Bundesministerin BMBF ...... 17 Einzelplan 30 2935 B Bundesministerium für Bildung und Forschung (SPD) ...... (Drucksachen 17/620, 17/623) ...... 2938 A 2924 C Patrick Meinhardt (FDP) ...... Klaus Hagemann (SPD) ...... 2939 B 2924 D Dr. (DIE LINKE) ...... (CDU/CSU) ...... 2940 C 2926 D Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ Klaus Hagemann (SPD) ...... DIE GRÜNEN) ...... 2928 B 2942 A Dr. (DIE LINKE) ...... (Weiden) (CDU/CSU) ...... 2928 C 2943 C Dr. (SPD) ...... (Spandau) (SPD) ...... 2930 A 2945 A Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) ...... (CDU/CSU) ...... 2930 C 2946 B (DIE LINKE) ...... 2931 A Nächste Sitzung ...... 2947 D Ulrike Flach (FDP) ...... 2932 A

Klaus Hagemann (SPD) ...... Anlage 2933 B Liste der entschuldigten Abgeordneten ...... (BÜNDNIS 90/ 2949 A DIE GRÜNEN) ...... 2934 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2833

31. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Beginn: 9.00 Uhr

– Drucksachen 17/200, 17/201 – Präsident Dr. : Die Sitzung ist eröffnet. b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! der Unterrichtung durch die Bundesregie- Nehmen Sie bitte Platz. rung Wir beginnen unsere heutige Sitzung mit herzli- Finanzplan des Bundes 2009 bis 2013 chen Geburtstagsglückwünschen an die Kollegin Dr. Claudia Winterstein, die heute einen runden – Drucksachen 16/13601, 17/626 – Geburtstag feiert und der ich dazu im Namen des Berichterstattung: ganzen Hauses herzlich gratulieren möchte. Abgeordnete Norbert Barthle (Beifall) (Erfurt) Auf Vorschlag der Fraktion Die Linke soll die Kollegin Petra Pau anstelle des aus dem Deut- schen Bundestag ausgeschiedenen Abgeordneten zum Mitglied des Gemeinsamen Ich rufe zunächst den Tagesordnungspunkt I.13 Ausschusses nach Art. 53 a des Grundgeset- auf: zes gewählt werden. Als neues stellvertretendes Einzelplan 10 Mitglied ist die Kollegin Kersten Steinke vorgese- Bundesministerium für Ernährung, Land- hen. Sind Sie mit diesen Vorschlägen einverstan- wirtschaft und Verbraucherschutz den? – Heftiges Nicken insbesondere in den Rei- hen der vorschlagenden Fraktion, keine Einwände – Drucksachen 17/610, 17/623 – von anderer Seite. Damit sind die Kolleginnen Pau Berichterstattung: und Steinke in dieses Gremium gewählt. Abgeordnete Georg Schirmbeck Es gibt außerdem noch eine nachträgliche Aus- Rolf Schwanitz schussüberweisung. Der Antrag der SPD-Fraktion Heinz-Peter Haustein mit dem Titel „Europa 2020 – Strategie für ein Roland Claus nachhaltiges Europa – Gleichklang von sozialer, Alexander Bonde ökologischer und wirtschaftlicher Entwicklung“ auf Hierzu liegen Ihnen die Beschlussempfehlungen der Drucksache 17/882 soll zusätzlich dem Aus- des Haushaltsausschusses auf den Drucksachen schuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen- 17/610 und 17/623 vor. abschätzung zur Mitberatung überwiesen werden. – Auch dazu gibt es offensichtlich Einvernehmen. Zu diesem Einzelplan liegen zwei Änderungsan- Dann ist das so beschlossen. träge der Fraktion Die Linke vor. Wir setzen die Haushaltsberatungen – Tages- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind ordnungspunkt I a und b – fort: für die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann können wir so ver- a) Zweite Beratung des von der Bundesregie- fahren. rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort haushaltsplans für das Haushaltsjahr zunächst dem Kollegen Rolf Schwanitz für die 2010 (Haushaltsgesetz 2010) SPD-Fraktion. 2834 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

(Beifall bei der SPD) 25 Millionen Euro nicht verweigert haben; wir ha- ben es vielmehr unterstützt und mitgetragen. Die- Rolf Schwanitz (SPD): ses Geld kommt an der richtigen Stelle an; das ist Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen in Ordnung. Aber Sie machen etwas völlig ande- und Herren! Guten Morgen! Sehr geehrte Frau Mi- res. Sie legen ein Subventionsprogramm mit einer nisterin Aigner, ich will mich, einer guten Tradition durchsichtigen regionalen Schlagseite im süd- folgend, zunächst einmal bei Ihnen recht herzlich westdeutschen Raum und in Bayern auf. Das ist für die Informationen und bei den Kolleginnen und Gießkannenförderung statt problembezogene Hil- Kollegen Berichterstatter für die kollegiale Zusam- fe, beispielsweise bei der landwirtschaftlichen Un- menarbeit im Haushaltsausschuss bedanken. Ich fallversicherung. möchte mich speziell bei Ihrem Haus bedanken. Sie sorgen auch nicht für schnelle Hilfe; denn Die Informationen waren präzise und vollständig. zentrale, wichtige Dinge werden erst im vierten Ich will das mit Blick auf andere Ressorts, zu deren Quar-tal 2010 fällig. Einzelplänen ich heute noch die Ehre habe zu sprechen, ausdrücklich loben und hervorheben. Aus meiner Sicht am problematischsten ist aber, Ein Kompliment also an die Mitarbeiterinnen und dass Sie rein konsumtiv hinter der Marktentwick- Mitarbeiter Ihres Hauses. lung herfördern. Es wird also gegen den Markt ansubventioniert, statt Vorschläge für eine nach- Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich haltige Landwirtschaftspolitik aufzugreifen; meine Ihnen, was die politische Bewertung des Einzel- Kollegin Wolff wird darauf noch näher eingehen. planes 10 angeht, kein Kompliment machen kann. Nach meiner Einschätzung stehen drei Überschrif- (Beifall bei der SPD) ten über diesem Einzelplan des Ministeriums für Früher hat man so etwas als Danaergeschenk Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. bezeichnet. Denn die Bauern, die landwirtschaftli- Die erste Überschrift lautet: Klientel- statt Struktur- chen Betriebe werden für die verpasste Chance politik. einer in die Zukunft gerichteten Subventionspolitik (Beifall des Abg. Ulrich Kelber [SPD] – Zurufe in Form eines viel höheren Anpassungsdrucks von der CDU/CSU: Oh!) teuer bezahlen müssen, wenn sich die Lage nach 2013 grundsätzlich verändert. Deswegen handelt Die zweite Überschrift lautet: Einsparungen an fal- es sich um Klientelpolitik statt um gezielte Subven- scher Stelle. tionspolitik. (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Oh!) Die zweite Überschrift, die über Ihrem Haus- Die dritte Überschrift lautet: Kein Zukunftskonzept haltsplan steht, lautet „Einsparungen an der fal- für Verbraucherpolitik. – Das sind die drei Marken- schen Stelle“. Was meine ich damit? Sie schütten zeichen des Einzelplanes 10. nicht nur Geld aus, sondern sammeln auch Geld ein, kürzen und sparen ein. Vor allem geschieht (Beifall bei der SPD) das bei der Gemeinschaftsaufgabe Agrar- und Ich will das kurz begründen. Küstenschutz. Ich erinnere mich noch sehr gut daran – das betrifft allerdings nicht den Kollegen Zunächst zu der Überschrift „Klientel- statt Schirmbeck –, dass in der ersten Lesung auch die Strukturpolitik“. Es wird Sie nicht wundern, dass Ministerin noch gepriesen hat, dass der Plafond ich in diesem Zusammenhang als Allererstes das von 700 Millionen Euro für die Gemeinschaftsauf- Grünlandmilchprogramm erwähne. Denn was gabe erhalten bleibt. machen Sie damit? Unter dem Deckmantel der Krisenhilfe – die Situation ist in der Tat nicht ein- (Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Hört! Hört!) fach – wird ein gigantisches Klientelprogramm or- Sie haben gesagt, das sei eine große Leistung und ganisiert. Ich will daran erinnern, dass wir im gut eingesetztes Geld, Frau Aigner. In Ihrem Koali- Haushalt 2010 400 Millionen Euro dafür finden; im tionsvertrag steht sogar etwas von der Absicht ei- Jahr 2011 werden noch einmal 300 Millionen Euro ner Erhöhung der Mittel für die Gemeinschaftsauf- dazukommen. Der Deutsche Bauernverband hält gabe. All dies geschieht aber nicht. Sie senken überall Veranstaltungen ab und spricht – unter den Plafond um 25 Millionen Euro ab und – das Einbeziehung der Absenkung der Agrardieselsteu- finde ich ganz besonders bitter – kürzen die Ver- er – von einer Subventionierung im Umfang von pflichtungsermächtigungen um 5,2 Millionen Euro, 1,3 Milliarden Euro in den Jahren 2010 und 2011 gegenüber dem Entwurf von Peer Steinbrück so- zusammen. gar um 7,2 Millionen Euro. (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Hört! Diese Kürzung wirkt sich übrigens schwer- Hört!) punktmäßig im investiven Bereich aus; denn darin Gegen echte Krisenhilfe wäre nichts einzuwen- sind Kürzungen von Investitionsmitteln in Höhe den. Das ist auch der Grund, aus dem die Sozial- von 15,5 Millionen Euro enthalten. Sie haben also demokraten sich bei den Haushaltsberatungen eine interessante Doppelstrategie: Auf der einen dem Liquiditätshilfeprogramm in Höhe von Seite werden mit der Kuhschwanzprämie konsum- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2835 tive Subventionen ausgereicht, auf der anderen Zur weiteren Erläuterung des Gesamtkunst- Seite werden Investitionsmittel zusam- werks erhält jetzt der Kollege Georg Schirmbeck mengestrichen. Das sind Kürzungen an der fal- von der CDU/ CSU-Fraktion das Wort. schen Stelle. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der SPD) Besonders bitter ist aus meiner Sicht das, was Georg Schirmbeck (CDU/CSU): bei den Verpflichtungsermächtigungen geschehen Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen ist. Sie haben, genau wie wir, Briefe der Landwirt- und Herren! Eigentlich ist heute ein schöner Tag. schaftsminister aller 16 Länder bekommen, in de- Draußen haben wir ein klasse Wetter, eine nette nen sie ausdrücklich auf die große Bedeutung der Kollegin hat heute einen runden Geburtstag – wir Verpflichtungsermächtigungen für die Bindung eu- werden heute noch feiern –, und wir dürfen einen ropäischer Mittel hingewiesen haben. Das alles Einzelplan vorstellen, der den Wünschen der haben Sie ignoriert. Mit Ihren Einschnitten ist ein Fachleute aus dem Fachausschuss und des Be- Sinkflug bei der Gemeinschaftsaufgabe in den richterstatters aus dem Haushaltsausschuss ent- nächsten Jahren vorprogrammiert. Das halten wir spricht. für falsch. Wir können all das debattieren, was wir schon in (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der ersten Beratung debattiert haben. All die alten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sprüche werden aber durch mehrmaliges Wieder- holen nicht besser. In der zweiten Beratung muss Die dritte Überschrift lautet „Kein Zukunftskon- es doch eigentlich darum gehen, was sich durch zept bei der Verbraucherpolitik“. Das von Ihnen die Beratungen im Ausschuss geändert hat. Wir selbst in Auftrag gegebene Gutachten, wonach die halten schließlich eine Haushaltsberatung ab und Verbraucherpolitik umfinanziert und verursacher- kein allgemeines Palaver. gemäß aufgebaut werden muss, wonach Betriebe, die die Verbraucherrechte missachten, Strafgebüh- (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: ren zahlen müssen, ist längst auf dem Tisch. Sie Keine Kritik an der Kanzlerin!) haben dieses Gutachten ignoriert. Frau Aigner ist – Frau Künast, wenn Sie ausgeschlafen sind und wie immer auf den Zug aufgesprungen und hat ge- etwas fragen wollen, dann stehen Sie auf und stel- sagt, dass sie das auch gut findet. Als wir einen len eine ordentliche Frage, ansonsten schweigen konkreten Vorschlag gemacht haben, haben Sie Sie. ihn schlicht und einfach abgelehnt. Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Verbraucherpolitik bei Ihnen, (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU Frau Aigner, eine folgenlose Ankündigung bleibt, und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Das dann werden Sie scheitern. entscheidet der Präsident und nicht Sie, Herr Schirmbeck!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- ten der LINKEN und des BÜNDNIS- Wir dürfen feststellen, dass sich nur wenige SES 90/DIE GRÜNEN) Punkte geändert haben. Was hat sich geändert? Wir mussten im Einzelplan – das gilt für alle ande- Der Einzelplan 10 hat drei Überschriften: ren Einzelpläne auch – Einsparungen vornehmen. Klientelpolitik statt Strukturpolitik, Einsparungen an Wir haben diese Einsparungen im Bereich der der falschen Stelle und null Zukunftskonzeption bei GAK vorgesehen. Herr Kollege Schwanitz hat der Verbraucherpolitik. Der haushaltspolitische eben richtigerweise ausgeführt – wer mir bei der Sprecher der CDU/CSU hat am Montag wunderba- ersten Beratung richtig zugehört hat, der hat das rerweise von einem „Gesamtkunstwerk“ gespro- kommen sehen, ich habe deutlich darauf hinge- chen. wiesen –, dass wir Einsparungen machen müssen. (Heiterkeit bei der SPD – Georg Schirm- Das machen wir bei der GAK. beck [CDU/CSU]: Da hat er recht! – Iris (Dr. [DIE LINKE]: An der Gleicke [SPD]: Ein seltsames Kunstver- falschen Stelle!) ständnis!) Ich habe schon damals erläutert, dass das auch – Kollege Barthle, das wird ein richtiger Klassiker. deshalb gerechtfertigt ist, weil einige Länder in der – Mir fällt dazu nur die wunderbare Sendung Vergangenheit nicht gegenfinanzieren konnten und „Kunst & Krempel“ des Bayerischen Rundfunks die Mittel also nicht überall in den Ländern gerecht ein. Ihr Haushalt hat allerdings weniger mit Kunst, verteilt worden sind. Von daher ist unser Vorgehen dafür mehr mit Krempel zu tun. richtig. Schönen Dank. (Ulrich Kelber [SPD]: Das haben Sie beim (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Koalitionsvertrag noch nicht gewusst?) des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn Sie nun sagen, das sei ein falsches Zei- chen, dann sage ich Ihnen: Die GAK ist in den letz- Präsident Dr. Norbert Lammert: ten Jahren – auch in der Großen Koalition – durch 2836 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 unser Zutun aufgewachsen. Wir haben, wenn wir Das gilt ganz besonders für die Haushaltsabtei- den Haushalt in der vorliegenden Form beschlie- lung des Ministeriums. Ich darf das einmal sagen: ßen, mehr Geld, als wir nach Künast jemals ge- Auf Ulli Kuhlmann und seine Mannschaft ist immer habt haben. Das ist also eine positive Sache. Verlass. Die angeforderten Ausführungen sind immer hundertprozentig korrekt und sind schnell (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – da. Damit kann man im Ausschuss überzeugen. Ulrich Kelber [SPD]: Ein Wortbruch des Damit kann man dieses Ergebnis erzielen. Koalitionsvertrages!) ( [DIE LINKE]: Sagen Sie Sie behaupten, wir hätten im Bereich Verbrau- mal was Politisches! Gelobt haben Sie cherschutz nichts getan. Wir werden dafür kriti- jetzt genug!) siert, wenn wir einen Aufwuchs bei den Planstellen haben. Meine Damen und Herren, ich habe gesagt, dass heute ein schöner Tag ist, weil wir das Ganze (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: so auf den Weg bringen können. Das stimmt doch gar nicht!) (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das wissen wir Es wurde die Zahl von 1 000 zusätzlichen Planstel- schon!) len genannt. Ich weiß nicht, woher diese Zahl kommt. Es gibt Journalisten, die offensichtlich alles Ich sage aber auch: Ich habe vernommen, wer uns schreiben. in der Zeit zwischen der ersten Beratung und jetzt an der einen oder anderen Stelle mit Hinweisen (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE kritisch begleitet hat. In den Haushaltsdebatten GRÜNEN]: Da gibt es Listen des Finanz- werden wir auf der einen Seite dafür kritisiert, dass ministeriums!) wir zu viele Schulden machen, aber auf der ande- Die Realität ist, dass wir 1 600 Stellen einsparen, ren Seite werden wir für jeden Sparvorschlag, den aber wir bekommen für den wirtschaftlichen Ver- wir machen und durchsetzen, kritisiert. braucherschutz zusätzlich drei Stellen für den hö- (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Falsche heren und drei Stellen für den gehobenen Dienst. Priorität!) Wir setzen also einen Schwerpunkt. Das haben wir versprochen, und wir halten Wort. Auf der einen Seite wird uns vorgeworfen, dass wir zu viel Personal haben, auf der anderen Seite wird (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – uns vorgeworfen, dass wir Personal abbauen. Al- Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- les wird durcheinandergerührt, sodass in der Öf- NEN]: Endlich geht Ihnen mal der Kron- fentlichkeit nachher – das muss man leuchter auf! Damals waren Sie dagegen!) realistischerweise sagen – kaum noch einer den Ich möchte mich bei meinem Kollegen Peter Überblick hat. Haustein herzlich für die Zusammenarbeit bedan- Dazu sage ich Ihnen eines: Wer mich ein biss- ken. Wir besprechen und analysieren die Situation chen länger kennt, der weiß, dass ich alle Kritik, mit den Fachleuten in aller Ruhe. Dann bringen wir die uns berechtigterweise vorgehalten wird, unsere Vorhaben auf den Weg, und der Aus- schuss ist uns mit großer Einmütigkeit gefolgt. Wir (Ulrich Kelber [SPD]: An mir abperlen lasse!) werden das auch weiterhin so machen. sehr aufmerksam speichern kann. Der eine oder Ich möchte mich, nicht nur weil es guter Brauch andere, der uns auf einer Biomesse vorwirft, wir ist, sondern weil es in der Tat Unterschiede zwi- würden im Biobereich jetzt den totalen Kahlschlag schen den einzelnen Häusern gibt – das kann man machen, der muss es sich auch gefallen lassen, im Haushaltsausschuss durchaus vergleichen –, dass wir uns bei den nächsten Haushaltsberatun- bei der Ministerin für die vorzügliche Zusammen- gen jeden einzelnen Antrag einmal ganz genau arbeit bedanken. Auf CDU/CSU-Seite war sie mei- ansehen – gleich, ob es um 1 000, 10 000 oder ne Vorgängerin, was die Haushaltsbe- 100 000 Euro geht – und schauen, was mit diesem richterstattung angeht. Sie hat das Ganze nicht Geld gemacht wird. Wie effizient wird da gearbei- verlernt. Sie weiß, wie man mit Haushältern um- tet? Das Etikett „Bio“ oder „Öko“ bedeutet nicht, geht. Verehrte Frau Ministerin, herzlichen Dank für dass man mit Geld generös umgehen und es ein- diese Zusammenarbeit! fach unter die Leute streuen kann. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU der FDP) und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Be- strafungsaktion nannte man das früher!) Jeder, der uns kritisiert, – Ein bisschen mehr Stimmung, Kameradinnen und Kameraden! (Ulrich Kelber [SPD]: Wird bestraft!) (Ulrich Kelber [SPD]: Streicheln und Füttern!) muss dann auch akzeptieren, dass wir ganz gezielt hinsehen, was an der einen oder anderen Stelle Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2837 gemacht wird, und muss sich von uns gegebenen- einen neuen Fonds oder eine neue GmbH in die falls Vorhaltungen machen lassen. Welt zu setzen. Ich darf mich bei allen, auch denen aus dem Ministerium, bedanken, die mitgeholfen Ein Aspekt, der vollkommen untergeht: Wir set- haben, dass das möglich wird. In der nächsten zen nicht nur beim wirtschaftlichen Verbraucher- Woche werden Ullrich Huth und ich einen entspre- schutz einen neuen Schwerpunkt. Es geht auch chenden GmbH-Vertrag unterzeichnen. Dann geht um die nationale Sicherheit unserer Küstenländer, es auch mit der Holzabsatzförderung in Deutsch- wenn wir in den Küstenschutz investieren. Wir land weiter. Auch das ist ein gutes Beispiel für die haben ein nationales Programm aufgelegt: jährlich Politik, die wir hier machen. 25 Millionen Euro über das hinaus, was wir über die GAK finanzieren. Das ist doch eine Leistung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir müssen den norddeutschen Ländern sagen, Meine Damen und Herren, ich habe eben schon dass wir hier etwas für die Länder tun. Wenn ich angesprochen, dass wir bei den Haushaltsplan- nur das Geschwafel von einer Schlagseite Rich- beratungen für 2011 sicherlich an der einen oder tung Süden höre: All die Zahlen, die Sie bringen anderen Stelle intensiver über die Haushaltsansät- könnten – Sie bringen aber gar keine Zahlen –, ze sprechen müssen, weil wir – das hat ja eigent- geben das überhaupt nicht her. Von daher darf ich lich jeder gesagt – nicht jedes Jahr 80 Milliarden sagen: Danke an das ganze Haus, dass es mög- Euro Neuverschuldung haben können. Das heißt, lich ist, dies auf den Weg zu bringen. auch im Einzelplan 10 werden wir zukünftig über- Minister Seehofer hat vor einigen Jahren ein legen müssen: Was ist wichtig, was ist ganz wich- ganz neues Thema aufgegriffen und hier in die tig, und was kann man vielleicht für eine gewisse Diskussion eingebracht: die Breitbandverkabe- Zeit oder ganz einsparen? Wir werden in allen Be- lung. Mittlerweile weiß jeder, dass das gerade für reichen eine höhere Effektivität erreichen müssen. den ländlichen Raum eine ganz wichtige Sache ist. Es kann nicht sein, dass jemand wilde Briefe oder Deshalb haben Sie, Frau Ministerin, unsere volle Presseartikel schreibt und aufgrund dessen dann Unterstützung, wenn Sie auch bei diesem Thema mehr Geld erhält. künftig mit großem Engagement dabei sind. Es (Lachen bei Abgeordneten der SPD, der darf nicht sein, dass der ländliche Raum, wo es in LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE vielfacher Hinsicht sehr innovative Köpfe gibt, von GRÜNEN – Ulrike Höfken [BÜNDNIS neuen Technologien abgeschnitten wird. Das wür- 90/DIE GRÜNEN]: Was? – Rolf Schwa- de dazu führen, dass wir die volkswirtschaftliche nitz [SPD]: Das ist ja Bestrafungspolitik!) Wertschöpfung, die wir in diesem Bereich generie- ren könnten, nicht generieren. Von daher müssen Ich glaube, dass hier eine ganze Menge einzuspa- wir hier eine ganze Menge auf den Weg bringen. ren ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich zeige Ihnen das an einem Beispiel; darüber können Sie gleich wieder lachen. Es gibt Initiativen Sie wissen, dass ich mich in meiner Freizeit – im Land, die fordern, dass wir im Bereich Ernäh- wenn Sie so wollen, ist das mein besonderes Hob- rung und Bewegung aufklären und mehr tun. by – für die deutsche Forstwirtschaft engagiere. Auch ich bin der Meinung, dass wir da mehr tun (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das wissen wir!) müssen. Aber ich frage mich, ob wir dafür mehr öf- fentliche Mittel brauchen. Dass wir uns mehr be- Ich darf Ihnen sagen: Auch die Ansätze im Einzel- wegen müssen, plan 10, die im Vorgriff auf das Jahr des Waldes 2011 eingebracht worden sind, stimmen mich heu- (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: te Morgen froh. Wir haben heute mehr Unterstüt- Vor allem im Kopf!) zung, als wir jemals für die deutsche Forstwirt- dass wir uns vielleicht anders ernähren müssen schaft gehabt haben. Dass der Wald-Klima-Fonds und dass wir vielleicht weniger essen müssen, jetzt wächst bzw. auf den Weg gebracht wird, ist weiß jeder. Aber ich habe große Zweifel, ob wir da- eine positive Meldung, die die Bevölkerung einmal für Ansätze in Millionenhöhe im Bundeshaushalt hören darf. Auch hier wird also ein Schwerpunkt brauchen; dies ist nur ein Beispiel. gesetzt. Es wird etwas gemacht. Ich bin dafür sehr dankbar. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Bauernverband!) Ich darf Ihnen aber auch sagen: Nachdem die Holzabsatzförderung per Gesetz nicht mehr mög- In jedem Dorf und in jeder Stadt bei uns gibt es lich ist, Sportvereine. Man muss nur rein in die Sportverei- ne, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bravo!) (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wo es sie noch gibt!) nachdem das Bundesverfassungsgericht das in seiner unendlichen Güte gekippt hat, ist es uns sich dort engagieren und bewegen und ein biss- gestern Abend gelungen, im Bereich der deut- chen mehr darüber nachdenken, was man isst. schen Forstwirtschaft auf freiwilliger, privater Basis Dafür braucht man keine Haushaltsansätze. 2838 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Dazu gehört fünftens die Sicherung sozial und CDU/CSU) kulturell lebendiger ländlicher Räume statt Abwan- derung und Dörfersterben. Es ist vielleicht ein populäres, aber konkretes Bei- spiel dafür, wie wir im Bundeshaushalt einsparen Dazu gehören sechstens der Erhalt und die können. Pflege der Kulturlandschaft statt Verödung und Verwaldung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dazu gehört siebtens die Verbesserung der Ar- Meine Damen und Herren, ich darf es noch tenvielfalt auf und neben den Äckern statt Mono- einmal sagen: Wir sind mit diesem Einzelplan zu- kulturen und Agrogentechnik. frieden. Ich darf mich bei allen, die mitgeholfen ha- ben, bedanken. Wir sehen der Entwicklung im (Beifall bei der LINKEN) ländlichen Raum positiv entgegen; denn wir wis- Die existenzielle Voraussetzung zum Erreichen sen, dass wir gerade im ländlichen Raum die inno- dieser Ziele sind starke und vielfältige Agrarbetrie- vativen Köpfe haben, die unsere Gesellschaft be, die flächendeckend und nachhaltig wirtschaf- braucht. Es hilft nicht, zu jammern, sondern man ten, und das klare Bekenntnis der Politik zu den muss morgens früh aufstehen, früh mit dem Tag- Menschen, die in den Dörfern und kleinen Städten werk anfangen, hart arbeiten und kreativ sein, leben und arbeiten wollen. Für die Linke ist der dann haben wir auch eine gute Zukunft im ländli- Anspruch auf gleichwertige Lebensverhältnisse in chen Raum und in ganz Deutschland. allen Landesteilen nicht verhandelbar. Herzlichen Dank. Von landwirtschaftlicher Arbeit muss man leben (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) können. Daran muss sich auch der Agrarhaushalt orientieren, erst recht angesichts der aktuellen tie- Präsident Dr. Norbert Lammert: fen Agrarkrise. Aber die Koalition versagt als Kri- Die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann ist die nächs- senmanager. Die Kuhschwanzprämie wird de facto te Rednerin für die Fraktion Die Linke. zum Stallfenster hi-nausgeworfen. (Beifall bei der LINKEN) (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Hallo?!) Nur ein kleiner Teil der Verluste der Betriebe wird Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): kompensiert, und die Ursachen der Krise werden Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! nicht beseitigt. Im Gegenteil: Die Auslieferung der Liebe Gäste! Ich werde die Propaganda erst ein- Agrarbetriebe an den hochspekulativen Handel mit mal beenden und zum Thema kommen. Nahrungsmitteln und Ackerböden wird vorange- trieben, bei uns, in der EU und weltweit. Statt die- (Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – sen Systemfehler zu korrigieren, wird versucht, die Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Bäuerinnen und Bauern mit Trostpflastern und Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] Durchhalteparolen zu beruhigen. Dabei stehen vie- [CDU/CSU]: Da sind wir bei der Linken!) le Agrarbetriebe seit Monaten mit dem Rücken an Wir wollen in Deutschland und Europa eine mul- der Wand. Für sehr viel und sehr harte Arbeit wird tifunktionale Landwirtschaft; da sind sich alle oft nicht einmal ein existenzsicherndes Einkom- Fraktionen einig. Für die Linke heißt das: Die men erzielt. Landwirtschaft soll viele, sehr unterschiedliche Der Grund sind die nicht kostendeckenden Er- Aufgaben im Interesse der gesamten Gesellschaft zeugerpreise. Für Mecklenburg-Vorpommern erfüllen. wurde für 2009 vorläufig errechnet, dass im Dazu gehört erstens die Sicherung der Versor- Durchschnitt mit jedem Liter Milch 10 Cent Verlust gung mit gesunden, möglichst regional erzeugten gemacht wurden, Liter für Liter. So verloren die Nahrungsmitteln zu bezahlbaren Preisen statt Milchbetriebe innerhalb von einem Jahr 45 Prozent Agrarexport zulasten armer Länder und Öko- und ihres ohnehin nicht üppigen Einkommens. Selbst Sozialdumping auf einem spekulativen Weltagrar- ein Vorzeigebetrieb mit 2 000 Kühen in meinem markt. Heimatwahlkreis hätte ohne Biogasanlage fi- nanziell nicht überlebt. Wenn Gülle mehr wert ist Dazu gehören zweitens existenzsichernde Ein- kommen und Arbeitsplätze in der Landwirtschaft als Milch, läuft etwas schief. statt Niedriglöhne, Selbstausbeutung, Höfesterben (Beifall bei der LINKEN) und Verdrängung in den Nebenerwerb. Die Milch ist nur die Spitze des Problemberges. Dazu gehört drittens eine nachhaltige Biomas- Insgesamt sanken die Erzeugerpreise um seproduktion zur regionalen Sicherung der Ener- 10 Prozent. Dafür stiegen die Kosten für Diesel, gieversorgung statt fondsfinanzierte Großanlagen. Futter, Dünger und Strom um 10 Prozent. Wer Dazu gehört viertens die Schonung der natürli- kann das auf Dauer kompensieren? Der kleine Familienbetrieb in Süddeutschland nicht, weil er chen Lebensgrundlagen, des Wasserhaushalts und des Klimas statt kurzfristiger Kapitalrenditen. auch mit Selbstausbeutung aller Familienangehö- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2839 rigen das Existenzminimum nicht mehr erreicht, Auch dieser Antrag wurde abgelehnt. Leider haben die größeren Agrarbetriebe in Ostdeutschland auch die Grünen nicht zugestimmt. nicht, weil sie selbst die niedrigen Löhne nicht (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Die Grü- mehr zahlen können. Hohe Kreditbelastungen, ge- nen lernen eben dazu! Das geht langsam, stiegene Kosten für Pachten und Flächenzukäufe aber sie lernen dazu!) ziehen die Betriebsabschlüsse weiter in den Keller. Fazit: Der Agrarhaushalt des Bundes für das Jahr Ganz nebenbei: 500 Millionen Euro Gewinn hat 2010 wird für viele Betriebe allenfalls eine Sterbehilfe die BVVG 2009 in Ostdeutschland durch den Ver- sein. Die Folge: Immer mehr bäuerlich bewirtschaftete kauf ehemals volkseigener Äcker im Auftrag des Agrarflächen werden über den Markt enteignet. Weil Bundes verdient. Das sind 500 Millionen Euro, die der Haushaltsplan daran nichts ändert, wird die Linke von den klammen Landwirtschaftsbetrieben erwirt- ihm nicht zustimmen. schaftet und in die Kassen des Bundesfinanzminis- ters umverteilt wurden. Vielen Dank. Was passiert mit den Agrarbetrieben, die diesen (Beifall bei der LINKEN) Verdrängungswettbewerb verlieren? Landwirt- schaftsfremde Kapitalgeber werfen mit fragwürdi- Präsident Dr. Norbert Lammert: ger Motivation Rettungsringe aus und übernehmen Heinz-Peter Haustein ist der nächste Redner für die Betriebe. So wird über den spekulativen Han- die FDP-Fraktion. del mit Nahrungsmitteln und Ackerflächen nach WTO- und EU-Regeln bäuerliches Eigentum in ra- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – santer Geschwindigkeit enteignet. Die Linke wird Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Schönen alle unterstützen, die sich dem konsequent entge- Gruß aus dem Erzgebirge!) genstellen. Heinz-Peter Haustein (FDP): (Beifall bei der LINKEN – Georg Schirm- Sehr geehrter Herr Präsident Lammert! Meine beck [CDU/CSU]: Sie haben ja schon lieben Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste auf einmal Fleischmarken ausgegeben! Sie den Besuchertribünen! Der Einzelplan 10, der des kennen sich da ja sicherlich aus!) Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Wir brauchen einen Paradigmenwechsel in der Verbraucherschutz, spricht für sich: Es geht um Agrarpolitik. Zum Beispiel müssen in die Handels- Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. regeln der EU und der WTO soziale und ökologi- Die Ernährung eines Landes ist die Grundlage je- sche Standards einbezogen werden. Wir brauchen der Gesellschaft. Die Ernährung ist nicht alles, die Stärkung der Rechtsposition der Agrarbetriebe aber ohne Ernährung ist alles nichts. gegenüber Dünge- und Pflanzenschutzmittelher- (Lachen bei Abgeordneten der SPD, der stellern, der Verarbeitungsindustrie und dem Le- LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE bensmitteleinzelhandel, die ja sehr gut verdienen. GRÜNEN – Georg Schirmbeck Dabei müssen Lebensmittel nicht teurer werden, [CDU/CSU]: So ist es! Das wissen hier sondern sie müssen bezahlbar bleiben. aber leider nicht alle!) Damit auch der Agrarhaushalt zur Problemlösung bei- Manchmal sagen wir den Satz „Unser täglich Brot tragen kann, haben wir Änderungsanträge eingebracht. gib uns heute“ wahrscheinlich nur so daher, ohne Aus dem Grünlandmilchprogramm sollten 60 Millionen uns darüber im Klaren zu sein, dass es nicht Euro in die Förderung von Erzeugerzusammenschlüssen selbstverständlich ist, dass wir genug zu essen umgelenkt werden; denn zur Überwindung der Krise und zu trinken haben. brauchen wir eine verstärkte Zusammenarbeit der Be- triebe. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der LINKEN) GRÜNEN]: Es gibt noch einen Spruch: Abgelehnt! Erst das Essen, dann die Moral! – Zuruf von der SPD: Los! Noch so ein Spruch!) Die Mittel für das Bundesprogramm Ökolandbau wollten wir von 16 auf 25 Millionen Euro aufsto- Zuerst bedanke ich mich bei meinen Kollegen cken. Dafür sollten 3 Millionen Euro EU- aus dem Haushaltsausschuss, besonders bei Agrarexportförderung gestrichen werden, Schorsch Schirmbeck, für die gute Zusammenar- beit und das gute Miteinander. Natürlich bedanke (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Hallo?! Geht ich mich auch beim Ministerium, den kompetenten es noch?) Mitarbeitern und der dynamischen Ministerin Ilse ebenso die geplante Aufstockung der Förderung Aigner. Es war ein gutes Miteinander. nachwachsender Rohstoffe. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das wollen Lachen bei Abgeordneten der SPD, der wir genau umgekehrt!) LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) 2840 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Der Einzelplan 10 ist von Sozialausgaben ge- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordne- prägt. 64,4 Prozent der Mittel werden für Soziales ten der CDU/CSU – Caren Lay [DIE LIN- aufgewandt. Das sind im Einzelnen 2,28 Milliarden KE]: Das war besonders originell!) Euro für die Alterssicherung, 44,5 Millionen Euro Zu DDR-Zeiten, in den 60er-Jahren, habt ihr sämt- für die Renten der Kleinlandwirte und lichen Bauern Grund und Boden weggenommen 24,5 Millionen Euro für die Zusatzaltersversorgung und die Betriebe verstaatlicht. Das nur zur Klarstel- der Arbeitnehmer. Das ist recht und billig. Um die lung. Sozialsysteme zu stabilisieren, erhält nämlich auch die gesetzliche Rentenkasse einen Zuschuss, und (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordne- zwar von über 80 Milliarden Euro. – Ein weiterer ten der CDU/CSU – Renate Künast Zuschuss von 1,25 Milliarden Euro geht an die [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Haben Sie Krankenversicherungsträger. Auch die landwirt- das Wort „Blockparteien“ schon einmal schaftliche Unfallversicherung, durch die nicht nur gehört? LDPD, da haben Sie doch mit- Wegeunfälle und Arbeitsunfälle, sondern auch gemacht!) Renten abgesichert werden, wird mit 200 Millionen Zusammenfassend ist zu sagen: Heute ist ein Euro bezuschusst. guter Tag für unsere Landwirtschaft. Wir können uns freuen, einen so schönen Haushalt zu haben. Es wird Zeit, dass frischer Wind über unsere Das machen wir als christlich-liberale Koalition Scholle, über unsere Weinberge und Seen weht, deshalb, weil wir die Lohnnebenkosten konstant dass es aufwärts geht in diesem Land. und stabil halten wollen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordne- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) ten der CDU/CSU – Alexander Bonde Ein Landwirt ist ein Unternehmer. Ein Unternehmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frischen muss rechnen, er muss sehen, wie er zurecht- Wind zur Ablösung dieser Regierung fin- kommt in diesem weltweiten Wettbewerb der de ich gut!) Dienstleistungen und Waren. Wenn die Lohnne- Zum Schluss, liebe Freunde, noch ein Spruch: benkosten steigen, steigen die Kosten des Unter- Das beste Wappen in der Welt ist der Pflug im nehmers. Damit sinkt sein Gewinn. Wenn sein Ackerfeld. In diesem Sinne ein herzliches Glückauf Gewinn sinkt, zahlt er weniger Steuern. Genau aus dem Erzgebirge! diese Steuern brauchen wir aber, um die Sozial- systeme zu stabilisieren. Wir haben des Weiteren, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordne- um die landwirtschaftlichen Betriebe besser aus- ten der CDU/CSU – Caren Lay [DIE LIN- zustatten, eine Liquiditätshilfe von 25 Millionen Eu- KE]: Das war ein Auftritt! – Alexander Ul- ro bereitgestellt, die, wie ich höre, sehr gut ange- rich [DIE LINKE]: Helau! Karneval ist vor- nommen wird. Wir helfen auch den gebeutelten bei!) Milchbauern (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Wel- Präsident Dr. Norbert Lammert: chen denn? Ich komme aus Sachsen- Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist doch Anhalt, da ist nichts angekommen!) schön und ermutigend, zu beobachten, wie man auch drögen Einzelplanberatungen eine gewisse mit 300 Millionen Euro für das Grünlandmilchpro- philosophische Tiefe abgewinnen kann. gramm. Das alles ist wichtig, um dem Unternehmer Landwirt zur Seite zu stehen und zu helfen. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE der CDU/CSU) GRÜNEN – Ulrich Kelber [SPD]: Note, Dann ist da noch der Bereich Verbraucher- nicht Tiefe!) schutz. Der Verbraucherschutz ist wichtiger denn Um die Fortsetzung dieser Bemühungen darf ich je. Bei Verbraucherschutz denkt man zuerst an jetzt den Kollegen Alexander Bonde für die Frakti- Lebensmittelkontrolle. Es geht bei Verbraucher- on Die Grünen bitten. schutz aber auch um eine Kontrolle des Finanz- marktes. Deswegen ist es schön, dass Leute ein- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- gestellt wurden, die verhindern, dass faule Ange- SES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der bote unterbreitet werden und Menschen ihr Geld CDU/ CSU: Das war’s dann mit der Tie- verlieren. fe!)

Alles in allem kann man sagen: Dieser Haushalt Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ist ausgewogen und ausgeglichen. NEN): Noch ein Wort zu den Linken. Die Linken haben Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! von Enteignung gesprochen. Da kann ich nur zu- Ich will jetzt keine Bauernweisheiten zum Besten rückgeben: Mit Enteignung kennt ihr euch aus. geben, ich will mich als Hauptberichterstatter bei Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2841 den Kollegen, beim Haus und bei der Ministerin für Wenn man sich anguckt, was durch Ihr Grün- die gute Zusammenarbeit ganz herzlich bedanken. landmilchprogramm eigentlich passiert, dann sieht Ich will dazu sagen: Dieser Dank gilt nur dem Ver- man – ich will das einmal klar sagen, Frau Ministe- fahren und der Information, nicht dem Inhalt dieses rin –: Durch die übermäßigen Kürzungen bei der Einzelplanes und nicht für das, was die schwarz- Förderung erneuerbarer Energien im Solarbereich, gelbe Koalition im Einzelplan für Landwirtschaft, die Sie als Landwirtschaftsministerin im Kabinett Verbraucherschutz und Ernährung im Laufe dieser mit zugelassen haben, wird den meisten Höfen in Beratungen angestellt hat. dieser Republik auf Dauer mehr geschadet, als ih- nen durch die Almosen geholfen wird, die Sie ih- Wir haben ja erlebt, dass das Stiefkind dieses nen hier für das Grünland geben. Ministeriums weiterhin der Verbraucherschutz ist; durch Fernsehinterviews zum Thema Google wird (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Welt nicht verändert. und bei der SPD – Georg Schirmbeck [CDU/ CSU]: Willst du die Verbraucher (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- abzocken, oder was willst du machen? – SES 90/DIE GRÜNEN – Georg Schirm- Zuruf von der FDP: Das ist für den Ver- beck [CDU/CSU]: Alex, du hältst die Rede braucherschutz ganz wichtig!) vom letzten Mal!) Sie wagen sich nicht an die Ursachen des Prob- Die Fragen sind: Welche Konsequenz ziehen Sie lems in der Landwirtschaft heran, und Sie gehen eigentlich aus der Finanzkrise? Wo sind die quali- nicht gegen den Preisverfall durch Überproduktion tativen Verbesserungen gerade in den Bereichen vor. Zum Schluss betreiben Sie eine Dumpingpoli- Verbraucherberatung und Verbraucherschutz bei tik, mit der Sie nicht nur den Bäuerinnen und Bau- den Finanzdienstleistungen? – Überall dort pas- ern im Inland schaden, und zwar insbesondere siert in Ihrem Haus nichts. Auch in Bezug auf die den kleinen Betrieben der bäuerlichen Landwirt- Vorschläge, die wir in diese Haushaltsberatungen schaft in schwierigen Regionen – nicht nur bei mir eingebracht haben – von den sogenannten im Schwarzwald, aber auch da –, sondern mit der Watchdogs, also den Marktwächtern, bis hin zur Sie auch international Schaden anrichten. Denken Stärkung des finanziellen Verbraucherschutzes –, Sie nur einmal daran, welche massiven Verwer- ist nichts passiert, und dazu findet sich in dem, fungen im Landwirtschaftsbereich durch Ihre Ex- was Sie heute als Haushalt verabschieden wollen, portstrategie in den Ländern der Dritten Welt her- nichts wieder. vorgerufen werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Sie haben das Stiftungskapital bei der Stiftung wie bei Abgeordneten der SPD) Warentest erhöht. Das ist gut und richtig, aber das Die Exportförderung ist ja die große neue hei- reicht eben nicht. Das ist keine Verbraucher- lige Kuh dieser schwarz-gelben Koalition. Überall, schutzpolitik. wo Sie in diesem Haushalt etwas getan haben, (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Aber es ist mehr, ging es darum, die Exportförderung wieder zu als Rot-Grün zustande gebracht hat!) stärken, hier noch einen zu finden, der ein biss- Kommen wir zum Bereich der Landwirt- chen Überschuss in die dritte Welt liefern kann, schaftspolitik. Sie haben in diesem Haushalt viele und dort noch einen zu finden, der die In- dustrialisierung der Betriebe vorantreibt, damit Umschichtungen vorgenommen: hier genommen, man aus jedem Acker und jedem Tier noch ein da gegeben. bisschen mehr herausholt. (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wo? (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Kollege, Was denn?) kennen Sie eigentlich unsere Märkte? Wenn man sich genau anguckt, wie die Linie ver- Wissen Sie, wo Sie die Wertschöpfung läuft, dann wird deutlich, welche ideologische holen kön-nen? – Gegenruf der Abg. Re- Wegmarke diese Koalition setzt. Es geht immer nate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- darum, die Industria-lisierung der Landwirtschaft NEN]: Alles Wolkenkuckucksheime!) voranzutreiben, es geht um Masse, Masse, Masse, Das genau sind die Veränderungen, die Sie in die- und es geht um Export statt Qualität. sem Einzelplan geschaffen haben. Damit gehen Das sieht man besonders, wenn man sich an- Sie am Kern des Problems vorbei. schaut, was Sie unter dem Stichwort Grünland- milchprogramm gemacht haben: Kuhprämie, Interessant ist ja, wie Sie versucht haben, das gegenzufinanzieren. Sie haben die Verpflichtungs- Stärkung der landwirtschaftlichen Unfallversiche- ermächtigungen beim Bundesprogramm Ökologi- rung usw. usf. All diese Maßnahmen sind nichts scher Landbau und die Mittel zur Absicherung der anderes als eine Brücke hinüber zur nächsten Stu- Forschungsprojekte zu nachwachsenden Rohstof- fe des Höfesterbens, weil Sie am Kernproblem, an fen gekürzt. der Überproduktion, überhaupt nichts ändern und weil Sie auch nicht bereit sind, etwas zu ändern. 2842 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das ist Lay [DIE LINKE] – Dr. Erik Schweickert doch gar nicht wahr! Du redest die Rede [FDP]: Einfach nur nachlesen!) vom Vorjahr! Das ist doch alles Kokolo- res!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Es gab dann massive Proteste von uns. Das war Das Wort erhält nun die Bundesministerin Ilse der Punkt, an dem deutlich wurde: Eine wachsame Aigner. Opposition zahlt sich aus. – Sie mussten dann zu- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) rückrudern. (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Hallo! Hallo! Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Ach, hör doch auf!) Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen – Jawohl, Genosse Schirmbeck, Sie sind in der und Kollegen! Ich schließe mich der Meinung des Bereinigungssitzung zum Glück umgekippt. Kollegen Schwanitz an: Heute ist „ein schöner (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Tag“. Hier geht es – Herr Schwanitz, Sie haben es erwähnt – um ein „Gesamtkunstwerk“. Diese falschen Kürzungen haben Sie revidiert. Hier sind Sie zurückgerudert, und das war richtig (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) so; das attestiere ich Ihnen ausdrücklich. Ich nehme gern stellvertretend für mein ganzes (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Ich bin Bergbauer; Haus, für die Haushaltsabteilung, aber auch für die ich kann gar nicht rudern!) Parlamentarischen Staatssekretäre, den Dank für die gute Zusammenarbeit entgegen. Diese ist für Der Punkt ist: Sie sind dann in den nächsten meine Begriffe eine Selbstverständlichkeit; denn Fettnapf reingetreten, weil Sie, um Ihre Exportför- der Haushalt ist eines der Kernstücke der parla- derung finanzieren zu können, dann die Verpflich- mentarischen Tätigkeit. Ich kann den Dank nur an tungsermächtigungen bei der Bund-Länder- alle Berichterstatter und den Fachausschuss zu- Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrar- rückgeben. Es war wirklich eine sehr gute Zu- struktur und des Küstenschutz“, der zweiten Säule sammenarbeit. der Agrarförderung, kürzen mussten. Dort geht es um die Agrarstrukturen, um ökologische Produk- Sehr geehrter Herr Schwanitz, auch ich habe tion, um den Erhalt von Kulturlandschaften und um drei Überschriften, die erwartungsgemäß anders den ländlichen Raum. als Ihre lauten; das ist im parlamentarischen Raum die normale Verteilung. Bei uns heißt es: erstens (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Es ist Vertrauen schaffen und Versprechen halten, zwei- mehr Geld da als je zuvor! – Norbert tens in der Krise helfen, drittens in die Zukunft in- Barthle [CDU/ CSU]: Der Kollege Schirm- vestieren. beck hat Ihnen erklärt, wie es funktio- niert!) Beim Thema Vertrauen schaffen gehe ich gerne auf die mehrfachen Anspielungen betreffend den Das sind genau die Bereiche, die jetzt eigentlich im Verbraucherschutz ein. Sie können sich noch so Fokus einer verantwortungsvollen Landwirt- ärgern; aber wir haben in diesem Bereich wahn- schaftspolitik stehen müssten, und genau hier ha- sinnig viel auf den Weg gebracht. ben Sie gekürzt, um Ihren blinden Exportwahn gegenzufinanzieren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Diese Koalition hat nicht kapiert, wie die Lage in Wir haben manchmal vielleicht einen anderen An- der Landwirtschaft ist. Da machen sich manche satz als Sie, wenn es um die Verbraucher geht: lieber vom Acker, anstatt die bäuerliche Landwirt- Wir wollen die Verbraucher nicht bevormunden, schaft zu unterstützen. Ihre Exportstrategie führt in sondern ihnen helfen, mündig zu entscheiden. Da- eine Sackgasse. Im Kern wissen Sie das auch. zu braucht man Hilfestellungen wie klare, transpa- rente Regeln und Entscheidungshilfen. Da sind wir (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- auf einem sehr guten Weg. wie der Abg. Petra Crone [SPD]) (Ulrich Kelber [SPD]: Ein konkretes Beispiel, Frau Aigner, als Verbraucherschutzministerin bitte!) sind Sie auch für die Frage des Etikettenschwin- dels zuständig. Bitte klären Sie endlich auf: Was – Wir haben, übrigens noch in unserer gemeinsa- hier die ganze Woche als christlich-liberal gefeiert men Regierungszeit, ein Beratungsprotokoll auf wird, ist am Ende doch nur schnödes Schwarz- den Weg gebracht. Gelb. (Heiterkeit bei der SPD sowie bei Abge- Herzlichen Dank. ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ulrich Kelber [SPD]: Mit uns (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schon!) und bei der SPD sowie der Abg. Caren Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2843

– Moment! Ich wollte es nur sagen; denn Sie kön- triebsstrukturen und die Anreizsysteme am Blick- nen schlecht auf sich selbst schimpfen. winkel des Kunden statt an internen Abläufen ori- entieren müssen, kann ich schließlich nicht gesetz- (Ulrich Kelber [SPD]: Nein! Da haben wir Sie lich verordnen. Aber wir werden ihnen auf die Fin- ja auch noch gedrängt!) ger schauen. Ich glaube, das ist ein wesentlicher Das war nur ein Punkt, einer von mehreren Bau- Punkt: Der Kunde muss im Mittelpunkt stehen. steinen. Wir haben jetzt, ohne einen Gesetzent- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – wurf auf den Weg gebracht zu haben, alle Banken Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Davor fürch- dazu gebracht – das ärgert Sie vielleicht –, einen ten Sie sich aber!) sogenannten Beipackzettel vorzulegen. – Nein. (Widerspruch bei der SPD – Ulrich Kelber [SPD]: Den soll ein Normalbürger verstehen?) Was die Frage angeht, wie wir den Kunden stärken können, haben wir bei der Stiftung Wa- – Ich weiß, dass Sie das ärgert; aber ich finde, das rentest etwas umgesetzt, was andere lange ver- ist schon eine reife Leistung. sprochen haben. (Ulrich Kelber [SPD]: Lächerlich!) (Zuruf von der FDP: Das stimmt!) – Schauen Sie es sich einfach einmal an! Ich kann Wir haben das Stiftungskapital im ersten Schritt – Ihnen garantieren: Auch wir werden uns diese Bei- es kommen noch zwei weitere Tranchen dazu – packzettel genau anschauen. Das ist jetzt sozusa- auf 20 Millionen Euro aufgestockt. Das haben vie- gen erst einmal ein Entwurf. le, auch eine Vorgängerregierung, versprochen. (Ulrich Kelber [SPD]: Ich habe auf Ihre Sie haben es nicht geschafft. Wir haben es jetzt Rechtfertigung gewartet! Nichts gefunden! umgesetzt. Schon bitter! – Weiterer Zuruf von der (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – SPD: Schrott ist das!) Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Verspro- Wir werden uns das gemeinsam anschauen; ich chen und gehalten!) werde nicht lockerlassen, bis alle Angaben, die wir Wir haben auch schon die ersten Schritte in die uns vorgestellt haben, im Beipackzettel auftau- Wege geleitet, um gemeinsam mit dem Verbrau- chen. Das ist unsere Aufgabe; da werden wir sehr cherzentrale Bundesverband eine Stiftung zu wachsam sein. gründen und das Stiftungskapital zu erhöhen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Wir wissen sehr wohl, dass das nur eine Etappe dauert aber mindestens 25 Jahre!) sein wird. Die nächste Aufgabe wird sein, die Fi- Wir werden auch nicht lockerlassen, in diesem Be- nanzaufsichtsbehörden zu stärken. Da sind wir reich weiter voranzugehen. gemeinsam mit den Finanzfachleuten auf einem guten Weg. Übrigens – vielleicht haben Sie das (Ulrich Kelber [SPD]: Nur die entsprechenden noch gar nicht gemerkt – hat der Bundesfinanzmi- Anträge abgelehnt!) nister schon ein Eckpunktepapier zu diesem Be- Ein weiterer Punkt ist die Hilfe in der Krise. Um reich vorgelegt, das wesentliche weitere Schritte es noch einmal klarzumachen: Das Sonderpro- enthält. gramm für die Landwirtschaft wurde nicht durch ir- (Ulrich Kelber [SPD]: Ein ganzes Eckpunkte- gendwelche Umschichtungen finanziert, lieber Kol- papier!) lege Bonde, sondern es sind 750 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt worden. Ein Programm in Sie sehen also: Wir gehen im Bereich der Ver- dieser Größenordnung hat es noch nie gegeben. braucherfinanzen Schritt für Schritt vor, um hier Wir haben das im Koalitionsvertrag versprochen, wieder das Vertrauen in diese Branche und auch und wir haben es jetzt auch sehr schnell umge- die Verbraucher selbst zu stärken. setzt. Wir werden die Lücken auf dem grauen Kapi- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – talmarkt schließen. Wir werden die Fragen in An- Ulrich Kelber [SPD]: Die Erhöhung für die griff nehmen: Wie muss sich ein Berater qualifizie- GAK war auch versprochen!) ren? Wie sieht es mit der Haftung aus? Das ist wirtschaftlicher Verbraucherschutz; so werden wir Das Programm heißt Grünlandmilchpro- Schritt für Schritt vorangehen. gramm. Die Schwerpunkte liegen auf Grünland (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Ulrich Kelber [SPD]: Beim Wachstums- beschleunigungsgesetz ist es auch nicht das Wachstum!) Aber es geht über die reine Gesetzgebung hinaus. und Milch. Das sind die beiden Komponenten. Das Bewusstsein der Finanzdienstleister dafür, dass der Kunde König ist und dass sich die Ver- (Zuruf des Abg. Rolf Schwanitz [SPD]) 2844 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

– Übrigens, Herr Schwanitz, wenn Sie schon auf Um das Ganze noch einmal zusammenzufas- Bayern abzielen: Bayern liegt nicht im Südwesten; sen: Sie haben einen Finanzierungsvorschlag ge- dort liegt Baden-Württemberg. macht, die Verstärkungsmittel für andere Zwecke zu verwenden. Wir haben sie für die Gemein- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und schaftsaufgabe vorgesehen. Ihr Vorschlag hätte zu der FDP) dem geführt, was wir jetzt aufgrund der haushalts- Aber hier geht es um das Grünlandmilchpro- politischen Rahmenbedingungen machen müssen. gramm. Wir haben es so schnell und effektiv um- (Dr. Martin Schwanholz [SPD]: Sie haben gesetzt, wie es unter europarechtlichen Gegeben- den Plafond und die Verpflichtungser- heiten möglich ist. Das war eine reife Leistung. Da- mächtigungen gesenkt!) für kann ich meinem Haus einen großen Dank aussprechen. In drei Wochen ein solches Pro- Schauen Sie ganz genau hin. Wir haben die Ver- gramm auf die Beine zu stellen, ist eine riesige stärkungsmittel für die Stärkung der Gemein- Leistung. schaftsaufgabe vorgesehen. Das ist jetzt Fachchi- nesisch der Haushälter, aber das muss an dieser (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Ab- Stelle deutlich gesagt werden. Ich bedanke mich, geordneten der FDP – Renate Künast dass wir die Mittel für diese Gemeinschaftsaufgabe [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso in verstetigen konnten. Gemeinsam mit den Haushäl- drei Wochen?) tern der christlich-liberalen Koalition war das eine Die Verlässlichkeit kommt bei den Bauern sehr hervorragende Zusammenarbeit. Herzlichen Dank wohl an. Die Erhöhung des Zuschusses zur land- dafür. wirtschaftlichen Unfallversicherung war für alle (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Landwirtinnen und Landwirte ein ganz zentraler und entscheidender Punkt, der schnell und effektiv Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe; dabei blei- umgesetzt wurde. Die Bescheide sind verschickt be ich. Natürlich bin ich über alle Erhöhungen der worden. Bei mir ist große Dankbarkeit dafür ange- Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe froh. Darüber kommen, dass wir nicht nur etwas versprochen, freue ich mich immer. Auf alle Fälle ist das ein sondern es auch gehalten haben. wichtiger Punkt – auch da sind wir uns Gott sei Dank einig – zur Stärkung der ländlichen Räume, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Ab- aber auch für die Finanzierung eines aktiven Bei- geordneten der FDP – Rolf Schwanitz trags im Bereich von Klimaschutz, Artenvielfalt, [SPD]: Für Bayern!) Ressourcenschutz und auch von Stärkung der Ein weiterer wichtiger Baustein war das Liquidi- Wettbewerbsfähigkeit. Ich halte das nach wie vor tätshilfeprogramm. Ich bin froh, dass wir uns we- für eines der zentralen Programme. Deshalb wer- nigstens in diesem Punkt einig sind. Wie nötig es den wir darauf weiterhin unser Augenmerk legen. war und ist, zeigt der Abruf. Start des Antragsver- Wichtig für die ländlichen Räume ist, nebenbei fahrens war am 1. März. Schon am 9. März muss- bemerkt, auch die Breitbandverkabelung. Für ten wir es wegen der enormen Nachfrage schlie- dieses Jahr stehen dafür 25 Millionen Euro zur ßen. Wir bräuchten noch viel mehr Geld dafür. Es Verfügung. Ich hoffe und gehe davon aus, dass die zeigt sich aber, wie wichtig es war, die Mittel in Länder und Kommunen diese Mittel auch abrufen. diesem Bereich einzusetzen. Deshalb werden wir Gerade im Bereich der ländlichen Entwicklung uns gemeinsam mit den Haushältern damit befas- müssen wir die Schwerpunkte setzen. sen müssen, wie wir das Programm möglichst schnell und effektiv umsetzen können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Insgesamt ist festzustellen, dass die Maßnah- men greifen. Sie werden zügig und unbürokratisch Aber zur Zukunftsfähigkeit möchte ich noch umgesetzt. Wir unterstützen die Betriebe in einer eines sagen: Natürlich hat Zukunftsfähigkeit auch Situation, in der sie diese Unterstützung dringend damit zu tun, dass man Produkte verkauft. Das brauchen. kann man nur, wenn sie eine gute Qualität haben. Mit Verlaub: Das gilt im Inland wie im Ausland. Der nächste Punkt sind die Investitionen in die Deshalb halte ich es nicht für ehrenrührig, dass Zukunft. Georg Schirmbeck hat die Gemein- man landwirtschaftliche Produkte aus Deutschland schaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur weltweit exportiert und für ihre hervorragende Qua- und des Küstenschutzes“ angesprochen. Ich war lität wirbt. Das halte ich für einen richtigen Ansatz. unter Rot-Grün Haushaltssprecherin in diesem Be- reich. Wissen Sie, wie hoch der Ansatz damals (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) war? Es waren 615 Millionen Euro. Deshalb muss Es ist doch auch eine Frage der Verlässlichkeit, ich mir von Ihnen nicht sagen lassen, dass unser wenn wir in schwierigen Zeiten, in denen der Ab- Ansatz jetzt zu niedrig ist. satzförderfonds aus Gründen, die wir heute nicht (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) mehr erörtern müssen, zusammengebrochen ist, für eine Übergangsphase unterstützend tätig sind. Deshalb ist es wichtig gewesen, auch in diesem Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2845

Bereich einen kleinen Schwerpunkt zu setzen und werden – wir können gemeinsam üben –: Ich habe zu sagen: Es ist uns wichtig, dass die guten Pro- einen Gesetzentwurf vorgelegt. Ich habe durchge- dukte auch international vertrieben werden kön- setzt. Ich habe erreicht. nen. Das ist meines Erachtens eine Selbstver- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- ständlichkeit. ten der LINKEN und des BÜNDNISSES Nicht zuletzt – auch das möchte ich am Schluss 90/DIE GRÜNEN – Dr. Erik Schweickert noch sagen – geht es um Zukunftsinvestitionen im [FDP]: Sie nicht!) Bereich der Forschung. Ich sage mit großem Dafür sind Sie gewählt worden. Dafür werden Sie Stolz: Unser Ministerium hat eine sehr große Res- bezahlt. Innerhalb dieser Nichtregierungsorganisa- sortforschungseinrichtung. Aber dieser Bereich ist tion, die auf den Plätzen der Bundesregierung nicht nur groß, nämlich der viertgrößte, sondern Platz genommen hat, sollten Sie eigentlich die Mi- auch gut. Das ist das Entscheidende. Ich habe nisterin für Verbraucherschutz sein. Sie sind eine mich gestern mit den Spitzen der Forschungscom- tatenlose Ankündigungsministerin. munity getroffen. Dabei wurde uns bestätigt, dass unsere Ressortforschungseinrichtung qualitativ auf (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- einem sehr hohen Niveau ist. Dass wir in den ten der LINKEN und des BÜNDNISSES Neubau des Friedrich-Loeffler-Instituts auf der In- 90/DIE GRÜNEN) sel Riems investieren, nämlich 300 Millionen Euro, Herr Kollege Bleser von der CDU, wenn man ei- ist ein hervorragendes Zeichen, nicht nur für die nen solchen Vorwurf macht, muss man ihn bele- Forschung, sondern, mit Verlaub, auch für die Re- gen; das ist mir klar, das tue ich gerne. Lassen Sie gion. Es ist richtig, hier einen Schwerpunkt zu set- uns über die Untätigkeit von Frau Aigner und ihre zen. Das war eine ausgezeichnete Entscheidung. Nebelkerzen bei der Finanzierung des Verbrau- Ich freue mich, dass wir den Neubau dieses Jahr cherschutzes reden. Schauen wir auf die Zöger- einweihen können. lichkeit beim Kampf gegen Gebühren an Geldau- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und tomaten, über die sich sogar der Koalitionspartner der FDP) zu Recht aufregt. Die christlich-liberale Regierung, die Koalition, Aufmerksamkeit verdient auch die Totalverwei- hat hier die richtigen Weichenstellungen vorge- gerung der Ministerin beim Verbraucherschutz im nommen. Wir sind auf einem guten Weg. Er führt Finanzsektor. Der Kampf gegen falsche Lebens- in die Zukunft. Ich kann immer nur sagen: Ver- mittelkennzeichnung findet im Wesentlichen in den braucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Medien statt. Bei den Verbraucherrechten im sind Zukunftsthemen. Wir werden sie gemeinsam Gesundheitssektor ist die Ministerin ein Totalaus- gestalten. fall, ausnahmsweise auch medial. Beim Da- tenschutz stürzt sie sich auf die öffentlich leicht er- Herzlichen Dank. klärbaren Vorgänge, obwohl Verbraucherschutz- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) verbände und Datenschutzbeauftragter bei ande- ren Themen weit mehr Handlungsbedarf sehen als Präsident Dr. Norbert Lammert: bei Google Street View. Krönender Abschluss ist: Ulrich Kelber ist der nächste Redner für die In Bayern ist die CSU-Politikern Aigner gegen SPD-Fraktion. Gentechnik. In Berlin fährt sie als Ministerin einen Zickzackkurs, und in Brüssel unterstützt sie unbe- (Beifall bei der SPD) irrt die Gentechniklobby.

Ulrich Kelber (SPD): (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Attackiert, befürchtet, bemängelt, drängt, fordert, – Dr. Erik Schweickert [FDP]: Was ist eu- gibt zu bedenken, hinterfragt, ist verärgert, kriti- re Position?) siert, kündigt an, lehnt ab, macht Druck, regt an, schimpft über, schlägt vor, verlangt, verspricht, will, Erstes Beispiel, die Finanzierung des Verbrau- sollte, müsste, könnte – dieser Überblick, Frau Mi- cherschutzes. Am Tag vor Heiligabend erklärt die nisterin Aigner, über die wunderbare Vielfalt unse- Ministerin lauthals: Wir geben der Stiftung Waren- rer schönen deutschen Sprache stammt aus Ihren test einmalig einen Zuschuss in Höhe von Medienauftritten der letzten drei Wochen. 50 Millionen Euro. – Nicht erwähnt wird, dass man den jährlichen Zuschuss um 2,5 Millionen Euro Kein Notizblick, kein Mikrofon, keine Kamera ist kürzt. In den Haushaltsberatungen gibt das Minis- vor Ihnen sicher. terium dann zu: Ja, es kommt plus/minus null her- (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU aus, wenn die Stiftung jährlich 5 Prozent Gewinn – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Sie sind plus Inflationsausgleich erwirtschaftet. – Alle Ex- doch nicht frauenfeindlich, oder?) perten sagen, dass das völlig unrealistisch ist. In Wirklichkeit wird es bereits 2011 eine reale Kür- Allerdings vermisse ich die entscheidenden Sätze, für die Sie gewählt wurden und für die Sie bezahlt zung geben. 2012 fehlt der Stiftung Warentest ein Betrag in Millionenhöhe. 2846 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Ich habe noch gut im Ohr, wie die Ministerin En- nicht um es zu regeln, sondern um es zur Sprache de 2009 gesagt hat: Die Bußgelder aus den Kar- zu bringen. tellrechtsverfahren verwenden wir für die Finanzie- Auch bei einer anderen Sache warten wir seit rung des Verbraucherschutzes. – Die SPD hat die einem Jahr auf eine nationale Regelung, die Sie Probe aufs Exempel gemacht und genau das in schon längst hätten auf den Weg bringen können. den Haushaltsberatungen beantragt. Das wurde In den Regalen der Supermärkte steht Milch als von Schwarz-Gelb wie erwartet abgelehnt. Nun Frischmilch, obwohl es sich gar nicht um Frisch- muss ich Sie fragen: Frau Ministerin, haben Sie milch handelt. Vor einem Jahr haben Sie gesagt: sich nicht durchsetzen können, oder waren Ihre Das wollen wir verhindern. Wir können das natio- Ankündigungen wertlos? nal regeln. – Bis heute ist nichts passiert. Zweites Beispiel, der Verbraucherschutz im Fi- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS nanzsektor. Sie haben zu Recht erwähnt, was die 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- Große Koalition gemacht hat. Ich frage mich aber, ten der LINKEN – Peter Bleser was danach passiert ist. Wir haben damals die [CDU/CSU]: Sie ist gekennzeichnet!) Dokumentationspflicht bei der Kundenberatung und die Verlängerung der Verjährungsfrist bei Viertes Beispiel, die überhöhten Gebühren an Falschberatung gegen anfänglichen Widerstand Bankautomaten. Frau Ministerin, Sie haben diese von CDU/CSU durchsetzen können. Alles andere Gebühren zu Recht kritisiert. Die Frage ist aber: durfte aufgrund des Widerstands der CDU/ CSU Was tun Sie? Gestern hat sich Herr Goldmann von nur als Prüfungsauftrag beschlossen werden. Was der FDP, Ihrem Koalitionspartner, öffentlich über ist daraus geworden? Im Zwei-Wochen-Rhythmus die „Zögerlichkeit“ der Ministerin beschwert. Die kündigt die Ministerin Gesetzentwürfe an. Sie legt Rache erfolgte sofort. Herr Schirmbeck hat ja ge- aber keine vor. Aus Verzweiflung schmücken Sie sagt: Wer uns kritisiert, muss damit rechnen, dass sich jetzt mit Informationsblättern, die aufgrund von wir ihn auseinandernehmen. – Herrn Goldmann ist EU-Vorgaben sowieso bald notwendig sind. Weil das gestern passiert. CDU/CSU und das Ministeri- Sie kein Gesetz beschlossen haben, hat jede Bank um haben nach seiner Äußerung das Fachge- ein eigenes Informationssystem entwickelt. Einige spräch des Verbraucherausschusses boykottiert. dieser unterschiedlichen Informationssysteme sind Peinlicher geht es nicht mehr. nach wie vor so unverständlich, dass sie den Ver- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS braucherinnen und Verbrauchern keinen Vorteil 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- bringen werden. ten der LINKEN) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Caren Lay [DIE LINKE]) Einer Opposition fällt das politische Leben si- cherlich leichter, wenn eine Regierung ablehnt, zu Drittes Beispiel, die irreführenden Lebensmit- regieren. Für das Land ist das nicht ganz so gut. telkennzeichnungen. Das ist ein besonders trau- Die Verbraucherinnen und Verbraucher brauchen riges Kapitel. Das Ministerium von Frau Aigner Taten im Verbraucherschutz und keine folgenlosen selbst hat eine Umfrage bei den Verbraucherinnen Ankündigungen. Setzen Sie nicht auf die Vergess- und Verbrauchern gemacht, welche Form der lichkeit, Frau Ministerin! Die SPD hat in dieser Wo- Kennzeichnung wichtiger Inhaltsstoffe sie sich che die erste Ausgabe des Schwarzbuches Ilse wünschen. Über 80 Prozent sagen: Ich bevorzuge Aigner vorgelegt. Wir werden es regelmäßig aktua- eine farbliche Kennzeichnung nach dem Ampel- lisieren und Ihre Versprechen und Ankündigungen prinzip; ich verstehe sie und halte sie für erfolg- prüfen. Ich glaube, die Verbraucherinnen und Ver- bringend. – Das ist das Ergebnis einer Umfrage, braucher haben ein Recht: dass die Ministerin den die das Ministerium von Frau Aigner selbst durch- Fachabteilungen ihres Ministeriums endlich die geführt hat. Die Ministerin hält aber der Lebensmit- gleiche Zeit widmet wie dem Pressestab und den telkonzernlobby die Treue und verhandelt in Brüs- Imageberatern. sel dagegen. CDU/ CSU- und FDP-Abgeordnete des Europaparlaments versuchen, die Ampelfar- Vielen Dank. benkennzeichnung zu Fall zu bringen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Weil es richtig ten der LINKEN und des BÜNDNISSES ist!) 90/DIE GRÜNEN) Bei Imitatkäse und -schinken brauchten Sie fast ein Jahr, um es in Brüssel zur Sprache zu bringen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Dabei hatte Frau Aigner hier doch Unterstützung Der Kollege Hans-Michael Goldmann spricht durch das mediale Dauerfeuer Ihrer neuen Staats- jetzt für die FDP-Fraktion. sekretärin Klöckner, die versucht, Frau Aigner den (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Rang als tatenlose Ankündigungsweltmeisterin der CDU/CSU) streitig zu machen. Sie haben ein Jahr gebraucht, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2847

Hans-Michael Goldmann (FDP): herläuft. Ich sage Ihnen, Herr Kelber: An dieser Sehr geehrter Herr Präsident! Liebes Geburts- Stelle muss man den Mut zur Fachlichkeit haben. tagskind! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordne- kann noch so viel drum herumreden: Es ist ein Su- ten der CDU/CSU – Ulrich Kelber perhaushalt, den wir hier heute verabschieden. Es [SPD]:Wir zwingen die Bevölkerung in die sind sehr starke Säulen darin, die die Landwirt- Fachlichkeit!) schaft braucht. Ich nenne zum Beispiel die soziale Säule. Andere träumen davon, dass im Haushalt – Herr Kelber, Sie brüllen immer so. Überlassen 750 Millionen Euro bereitgestellt werden, um Sie das mir. Ich habe das Mikro. Schwächen des einen oder anderen landwirt- (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Wer schaftlichen Betriebs, zum Beispiel eines Milch- schreit, hat nicht immer recht!) viehbetriebs, aufzufangen. Wenn mir einer damals gesagt hätte, dass wir aus dem Gespräch mit Frau Sie sind doch nicht ernsthaft davon überzeugt, Aigner – es war 10 Uhr abends im Büro von Frau dass eine Ampelkennzeichnung – rot, gelb, grün –, Aigner – bei der Coca-Cola mit drei grünen Punkten und ei- nem roten Punkt erscheinen würde, die Qualitäts- (Zurufe von der SPD: Oh! – Georg antwort auf die Interessen der Verbraucher ist, de- Schirmbeck [CDU/CSU]: Darauf musst du nen es darum geht, zu wissen, was wirklich in den gar nicht hinweisen!) Produkten ist. Sie können doch nicht ernsthaft be- mit 750 Millionen Euro herausgehen – auch Herr haupten, dass das etwas Gutes ist. Ripke war dabei –, dann hätte ich gesagt: Du (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – träumst. Wir haben die Summe zum Beispiel für Ulrich Kelber [SPD]: Was sagen Sie zur die Unfallversicherung verwendet. Das ist eine Su- Verbraucherbefragung?) persache, gerade für die Familienbetriebe. Wir ha- ben ein Kredithilfeprogramm aufgelegt, und wir Sie wissen, dass die Kennzeichnung, die jetzt auf haben etwas für die Grünlandbetriebe gemacht. europäischer Ebene auf den Weg gebracht wird, Liebe Freunde, lassen Sie uns doch aufhören mit Inhaltsstoffe, auch allergene Inhaltsstoffe umfasst Nord und Süd, Ost und West, Groß und Klein. Das und die Qualität eines Produktes zum Ausdruck ist alles Kappes. Es geht darum, dass wir die bringt. Damit sind wir genau auf dem richtigen landwirtschaftliche Struktur in Deutschland insge- Weg. Wir müssen dem Bürger keine Lösungen samt erhalten, dass wir eine solide Basis haben, vorgaukeln um uns den wirklichen Zukunftsaufgaben zuzu- (Ulrich Kelber [SPD]: Deshalb sind alle Verbrau- wenden, die in einem Maß auf uns zurauschen, cherverbände anderer Meinung als Sie!) dass wir im nächsten Jahr noch unser blaues Wunder erleben werden. Wenn es darum geht, – ganz ruhig, Herr Kelber –, wir müssen für den zum Beispiel die Mittel für unsere ländlichen Bürger Lösungen entwickeln. Sie müssen schlicht Räume auf der europäischen Arbeitsebene zu er- und ergreifend Ihre Meinung korrigieren. kämpfen, dann müssen wir gemeinsam an einem (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordne- Strang ziehen. Deswegen sollten wir heute den ten der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Haushalt nicht zerreden, sondern wir sollten ihn Lobbyistensprachrohr!) mit Freuden zur Kenntnis nehmen. Er setzt genau die richtigen Akzente: eine starke Säule für die Nun will ich etwas zu den Bankgebühren sa- Landwirtschaft, eine starke Säule für den ländli- gen. Schauen Sie in die Pressemitteilung, dann chen Raum, eine starke Säule für Familienbetrie- werden Sie feststellen, dass der Journalist meinte, be, die nachhaltig wirtschaften. feststellen zu müssen, dass die Vorgehensweise von Frau Ministerin in diesem Punkt zögerlich ist. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Ich habe einen ganz anderen Ansatz. Ich führe der CDU/CSU) solche Fachgespräche als Ausschussvorsitzender Lassen Sie mich noch etwas zur Ampelkenn- mit Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen zeichnung sagen. Ich glaube, Sie, Herr Kelber, aus dem Ausschuss – wenigstens ist das die Re- kommen aus Bonn. Mit Haribo haben Sie es viel- gel –, um uns für ein schwieriges Thema zu kondi- leicht nicht so, da Sie Haribo als Lebensmittelkon- tionieren. zernlobby bezeichnen. Das mag Ihre Einschätzung Ich freue mich, dass meiner Einladung zehn sein, aber Sie wissen genau, dass die Lebensmit- Cracks aus der Bankwirtschaft sowie aus dem telwirtschaft klassisch mittelständisch strukturiert Verbraucherschutzbereich und den Gewerkschaf- ist. ten gefolgt sind und uns informiert haben. Wir soll- (Ulrich Kelber [SPD]: Nestlé, Coca-Cola: die ten den richtigen Weg des Miteinanders praktizie- kleinen Mittelständler!) ren. Frau Aigner, ich werde Ihnen das Protokoll des gestrigen Gesprächs zuleiten; denn es sind Da muss man sich fragen, ob man den Mut zur sehr viele gute Anregungen gekommen. Fachlichkeit hat oder ob man Botschaften hinter- 2848 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Ich habe kein Verständnis dafür, dass die Das schlägt sich auch im Haushalt nieder. Frau CDU/CSU aus Termingründen abgesagt hat. Aigner, Ihre PR in eigener Sache steht in keinem Verhältnis zu den Zahlen und Fakten Ihres Haus- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) haltsentwurfs. Schauen wir uns die Zahlen einmal So sollte mit dem Ausschuss und dem Aus- an: Von Ihrem Gesamtetat von fast 6 Milliarden schussvorsitzenden nicht umgegangen werden. Euro planen Sie für verbraucherpolitische Maß- Das schadet unserer Arbeit im Ausschuss. Ich ma- nahmen gerade einmal 2,5 Prozent ein; das sind che manchmal Fehler; aber andere machen auch 148 Millionen Euro. Das steht in keinem Verhältnis Fehler. Wir sollten an einem Strang ziehen und die zu den anderen Aufgaben Ihres Ministeriums. Dinge gemeinsam voranbringen. Noch deutlicher wird die untergeordnete Stel- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten lung verbraucherpolitischer Maßnahmen durch ei- der SPD und der LINKEN) nen Vergleich mit dem Etat des Wirtschaftsminis- ters Brüderle, der hauptsächlich für die unterneh- Herr Kelber, ich will noch etwas zu Ihrem merische Seite der Märkte verantwortlich zeichnet. Schwarzbuch sagen: Das ist doch wohl der größ- Wirtschaftsminister Brüderle kann dieses Jahr al- te Witz des Jahrhunderts. Nach zig Jahren Regie- lein 230 Millionen Euro, also deutlich mehr Mittel, rungsverantwortung kommen Sie vier Wochen als für den Verbraucherschutz zur Verfügung ste- nach Beginn der gemeinsamen parlamentarischen hen, für das Nationale Weltraumprogramm aus- Arbeit mit einem Schwarzbuch. In diesem Buch geben. Es ist schön und sicherlich überaus zeit- bringen Sie zum Ausdruck, dass Ver- gemäß, dass die Bundesregierung in die bemann- braucherpolitik in Ihrer Zeit dunkel und schwarz te Raumfahrt investiert; aber mit dem unterirdi- war. Unsere ist christlich-liberal. Wir machen eine schen Stellenwert, den die Verbraucherpolitik für zukunfts-orientierte Politik, die wir weiterhin kon- sie hat, können wir uns als Linke nicht zufrieden- sequent betreiben werden. geben. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir sagen: Verbraucherpolitik darf nicht länger ei- ne Nebenrolle spielen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Caren Lay für Die Finanzkrise hat es gezeigt: Verbraucherin- die Fraktion Die Linke. nen und Verbraucher sind den windigen Ge- schäftspraktiken der Banken ausgeliefert. Da ist es (Beifall bei der LINKEN) unsere Verantwortung als Politikerinnen und Politi- ker, die Märkte verbrauchergerecht zu regulieren. Caren Lay (DIE LINKE): Wir können diese Verantwortung nicht einfach auf Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen die Menschen abwälzen. und Herren! Es ist wohl dem Weltverbrauchertag (Beifall bei der LINKEN) zu verdanken, dass wir heute zur Kernzeit zum Thema Verbraucherpolitik sprechen können. Den Es gibt sehr viele Vorschläge, wie das gesche- Rest der Zeit bleibt die Verbraucherpolitik für die hen soll, beispielsweise die Einrichtung eines Bundesregierung eher eine Nebensache; dieses Marktwächters wie in Großbritannien oder einer Thema wird gern in die Abend- und Nachtstunden Behörde für finanziellen Verbraucherschutz, wie in verbannt. Wir haben zwar eine Verbraucherminis- den USA geplant. Nichts von alledem finden wir in terin, die immer häufiger in Funk und Fernsehen Ihrem Haushalt. Sie können sich nicht länger davor überaus markige Forderungen verkauft – das hat drücken, Verbraucherinnen und Verbraucher vor heute mehrfach eine Rolle gespielt –, betrügerischen Praktiken von Unternehmen zu schützen. Mit freiwilligen Infoblättern ist es hier (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Eine aparte Frau! Die hat etwas zu sagen!) nicht getan. (Beifall bei der LINKEN) so häufig, dass man leider immer wieder vergisst, dass Ihr Ministerium in den wesentlichen Punkten Ich freue mich sehr, dass Verbraucherministerin gar nichts zu entscheiden hat, sondern bestenfalls Aigner immer häufiger die Zusammenarbeit mit mitsprechen darf; aber egal ob es um den finanzi- den Verbraucherzentralen sucht – das ist gut und ellen, um den wirtschaftlichen oder um den digita- schön –; aber es kann nicht sein, dass eine Bun- len Verbraucherschutz geht, um Fahrgast- oder desregierung immer stärker auf den Sachverstand Patientenrechte: Zuständig für die harten Fakten und den Service von Verbraucherschutzorgani- sind immer die anderen Ministerien. Verbrauche- sationen zurückgreift, ohne ihnen gleichzeitig rinnen und Verbraucher bleiben so die Rand- auch nur einen einzigen Cent mehr zur Verfügung figuren der Regierungspolitik. zu stellen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2849

Allein mit der Anschubfinanzierung für die Ver- fitieren, ist also die Dankbarkeit der Funktionäre, braucherstiftung ist es hier sicherlich nicht getan. aber ganz gewiss nicht die des Volkes. Das ist nichts anderes als eine Auslagerung des (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Mein Problems, zumal man jetzt noch nicht einmal alle Volk war mit mir immer zufrieden! Das Gelder, die tatsächlich zur Verfügung gestanden können Sie nachlesen!) hätten, zur Verfügung stellt. Ganz ernsthaft: Wenn Sie Drohungen gegen die Wir Linke fordern mehr Geld für die Arbeit der Ökolandwirtschaft ausstoßen und fordern, dass Verbraucherorganisationen, insbesondere für den sie für die Almosen, die sie bekommt, auch noch Bereich finanzielle Verbraucherberatung. Wir er- auf die Knie fallen soll, mag das Ihren Vorstellun- innern uns: Innerhalb von nur wenigen Tagen war gen von der gekauften Republik entsprechen. es der Bundesregierung in der Krise möglich, ei- nen Schutzschirm für Banken im Umfang von (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 470 Milliarden Euro zu spannen. Dagegen sind die – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Hallo! 10 Millionen Euro, die wir heute für die Verbesse- Gnädige Frau, wollen Sie die Bauern be- rung der finanziellen Verbraucherberatung bean- leidigen?) tragen, doch wirklich ein Klacks. In diesem Haushalt findet sich kein roter Faden (Beifall bei der LINKEN) und erst recht kein grüner Faden, sondern Schwarz-Gelb betreibt eine aggressive Industriali- Wer Banken aus der selbstverschuldeten Krise ret- sierung, eine massive Exportorientierung und eine ten kann, der kann und darf beim Schutz der Ver- Förderung der Agrogentechnik, und zwar zulasten braucherinnen und Verbraucher nicht sparen. von Verbrauchern, Arbeitnehmern, Mittelstand und Auch an anderer Stelle wäre mehr Geld für die Steuerzahlern, von Umwelt und Klima. Mit Markt Verbesserung des Verbraucherschutzes notwen- hat das nichts zu tun. Da ist so viel Markt drin wie dig gewesen: zur Verbesserung der Forschung, für früher in der DDR. notwendige Aufklärungsarbeit, für ein Siegel „Ohne (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gentechnik“, für eine Ampelkennzeichnung oder – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Hallo! für Modellprojekte, die sich vielleicht auch einmal Sagen Sie einmal, Frau Höfken!) an einkommensschwache Haushalte richten. An all diesen Stellen wird gespart. Hierfür ist kein Geld Fünf Beispiele: vorhanden. Erstens. Das 750-Millionen-Euro-Milchpaket, Wir Linke wären offen gewesen für die Erschlie- worüber ja schon viel gesagt wurde, ist ein verant- ßung alternativer Einnahmequellen. Es könnten wortungsloser Umgang mit Steuermitteln, weil Sie sich ja auch einmal die Unternehmerinnen und Un- nämlich nicht an die Ursachen der Misere heran- ternehmer an der Finanzierung des Verbraucher- gehen. Im Bereich des Milchmarktes wären ver- schutzes beteiligen. nünftige Marktanpassungsins-trumente nötig. Sie aber wollen bewusst Überschüsse herbeiführen (Beifall bei der LINKEN) und tun das politisch auch. Das hat nichts mit Wenn man bedenkt, wie viele Beratungen die Ver- Markt zu tun. Wie groß die Not ist, das sieht man braucherzentralen machen müssen, um die Ver- an dem entsprechenden Programm der Renten- braucher allein über Fallen im Bereich Internet und bank: Die vorgesehenen Liquiditätsmittel waren in- Telekommunikation aufzuklären, wäre das nicht zu nerhalb von 16 Stunden weg. Das war ein unwirk- viel verlangt gewesen. sames Programm zulasten der Milchbetriebe ge- nauso wie der Steuerzahler. Verbraucherschutz ist eine öffentliche Aufgabe, ist eine notwendige Aufgabe. Wer hier spart, der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) spart an der falschen Stelle. Zweitens, das Thema Exportförderung. Wun- Vielen Dank. derbar, sie wäre – das hat der Kollege Bonde ja geschildert – fast noch zulasten der paar For- (Beifall bei der LINKEN) schungsmittel für den Ökolandbau gegangen. Auf Vieh- und Fleischtagen wird der Entwicklung der Präsident Dr. Norbert Lammert: Exportraten gehuldigt. Zugleich bringen es die Re- Ulrike Höfken ist die nächste Rednerin für die ferenten des Bauernverbandes fertig, kein einziges Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wort zur Einkommenssituation zu sagen, die sich gleichzeitig verschlechtert. Sie betreiben eine ag- Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): gressive Exportpolitik. Zu Recht sagen andere eu- Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! ropäische Länder wie auch Drittstaaten, dass das Sehr geehrte Kollegen! Die Dankbarkeit, die emp- zu ihren Lasten geht. funden werden soll, Herr Schirmbeck, weil mehr (Peter Bleser [CDU/CSU]: Deutschland lebt Geld im Haushalt ist als zu Zeiten von Frau Kü- vom Export!) nast, beschränkt sich wohl auf diejenigen, die pro- 2850 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Das verharmlost Herr Schäuble mit dem Fußball- derne Verbraucherpolitik. Dafür stehen wir Grüne, beispiel. Ich finde, eine solche Politik ist internatio- und dafür werden wir auch weiter kämpfen. nal nicht tragbar. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Drittens, die Agrogentechnik. 9,5 Millionen Eu- wie bei Abgeordneten der SPD) ro mindestens sind dafür im Haushalt veran- schlagt. Das ist deutlich mehr, als für den Öko- Präsident Dr. Norbert Lammert: landbau vorgesehen ist, und das, obwohl dieser Ich erteile das Wort dem Kollegen Peter Bleser Bereich durch die Verunreinigungen einen unge- für die CDU/CSU-Fraktion. heuren wirtschaftlichen Schaden anrichtet, der in die Milliarden geht, obwohl er von den Verbrau- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- chern und vom Markt nicht gewollt ist, obwohl er neten der FDP) keine Erfolge auf der technischen Ebene zeigt. Mit der Amflora-Kartoffel wurde ein Kniefall vor der Peter Bleser (CDU/CSU): BASF gemacht, und es ist ein veraltetes Produkt; Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und das sagt sogar Sonnleitner. Dafür geben Sie Geld Kollegen! Es wurde hier ja in sehr vielen Details aus. herumgewühlt, Viertens, zum Bereich Ernährung. Die Ministe- (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Wir haben was rin sagt, die Verpflegung an Kitas und Schulen sol- Inhaltliches zu sagen!) le deutlich verbessert werden. Aber: Es gibt un- allerdings eher unkoordiniert in Richtung Verwir- würdige Verschiebebahnhöfe zwischen Bund und rung als koordiniert in Richtung höhere Transpa- Ländern zulasten der Länder, zum Beispiel bei renz. Schulobst. Wir Grüne fordern ein Bund-Länder- Programm. Sie haben die Verantwortung ange- Ich will noch einmal unsere Linie aufzeigen, sichts der 100 Milliarden Euro Kosten für ernäh- (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Das wäre rungsbedingte Krankheiten, aber auch angesichts schön!) der Situation von Kindern und Jugendlichen, die schon im Vorschulalter an Diabetes und Herz- damit Sie wissen, wohin wir wollen und mit wel- krankheiten erkranken. Ich finde es fahrlässig, das chen Instrumenten wir unsere Ziele verfolgen. lächerlich zu machen, indem Sie einfach sagen, (Ulrich Kelber [SPD]: Und wann Sie sie ein- die Kinder sollten sich ein bisschen mehr bewe- setzen wollen!) gen, Herr Schirmbeck. Es ist die Verantwortung der Politik, eine vernünftige, flächendeckende Kin- Wir haben schon in den Koalitionsverhandlungen dergarten- und Schulernährung zu entwickeln und zwei wichtige Grundsätze festgelegt: Erstens soll unsere zu garantieren. Politik auf eine wettbewerbsorientierte Landwirt- schaft ausgerichtet sein, und zweitens sollen neue, in- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- novative Technologien auf wissenschaftlicher Basis wie bei Abgeordneten der SPD) bewertet werden. Fünftens, zur Verbraucherpolitik. Es gab Ankündi- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – gungen zu verschiedenen Punkten: ESL-Milch-Kenn- Lachen der Abg. Ulrike Höfken [BÜNDNIS zeichnung, „Ohne Gentechnik“-Programme, Google 90/ DIE GRÜNEN]) Street View, Süßigkeiten an der Kasse. Dann haben Sie, Frau Ministerin, von den schönen Beipackzetteln der Nur mit diesen Grundsätzen wird man das Ver- Banken gesprochen. Wir konnten ja am Weltverbrau- ständnis der Bevölkerung erreichen und die chertag erleben, wie diese vom Verbraucherzentrale Grundlage für Hilfen für zusätzliche Leistungen im Bundesverband in den Schredder gepackt wurden, und Umweltschutz, im Tierschutz und beim Erhalt der zwar völlig zu Recht. Wir brauchen keine „Wächterin“, Kulturlandschaft schaffen können. als die Sie sich in den Zeitungen bezeichnet haben – Sie Diese Linie fahren wir im Grunde genommen sind auch leider keine Marktwächterin, sondern Ihre Po- schon seit dem Regierungswechsel 2005 konse- litik ist eine Politik der Nachtwächter –, quent. Wir haben damals mit dem Ende der rot- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und grünen Politik die Hebel umgelegt, eine neue Rich- bei der SPD) tung eingeschlagen und entlang der genannten Li- nie Politik gemacht. sondern wir brauchen eine Politik, die sich an den neuen Herausforderungen orientiert: Klimaschutz, Wenn heute hier die minimalen Verpflich- umwelt- und tiergerechte Erzeugung, eine gute Er- tungsermächtigungen und die damit verbunde- nährung für die Bevölkerung, Ernährungssicher- nen Einschränkungen im Agrarhaushalt kritisiert heit, besonders für die Kinder und Jugendlichen, werden, dann muss man noch einmal daran erin- ein vernünftiges Einkommen auch auf dem Land, nern, woher wir kommen. Unter Frau Künast gab eine gute Energie- und Klimapolitik und eine mo- es ständig Steinbrüche im Agrarhaushalt, von der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2851

Agrardieselvergütung bis hin zur Reduzierung der Obwohl ich Sie, Frau Tackmann, persönlich Mittel für die GAK. schätze, muss ich Ihnen vorwerfen, dass Sie eine Politik machen, in die ich mich nicht hineindenken Wir gehen den umgekehrten Weg. Wir haben in kann. den letzten Jahren die investiven Mittel erhöht. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das be- (Ulrich Kelber [SPD]: Und jetzt reduziert!) ruhigt mich!) Wir haben die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt. Das Sie haben sich hier als Anwalt der bäuerlichen Milchprogramm, das vorhin genannt worden ist, Landwirtschaft und der kleinen Betriebe darge- dient ebenfalls dazu, uns im Wettbewerb zu halten. stellt. Wenn ich als Mitglied einer Nachfolgepartei Es gibt dazu eine einfache Zahl: Trotz der schwe- der SED hier sitzen würde, würde ich mich wegen ren Krise in der deutschen Milchwirtschaft und der Enteignung und der Zwangskollektivierung in trotz miserabler Preise haben die deutschen den 50er- und 60er-Jahren im Nachhinein schä- Milcherzeuger ihre Produktion um 2,8 Prozent ge- men. steigert. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU (Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE und der FDP – Dr. Dagmar Enkelmann GRÜNEN]: Aber es hilft keinem! – Ulrike [DIE LINKE]: Genossenschaften! Alle sind Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eigentümer! – Iris Gleicke [SPD]: 1954 ist Und das Einkommen?) die CDU im Osten gegründet worden und Die Franzosen, die sich im Wettbewerb nicht so hat das alles mitgemacht! Steigbügelhal- gut aufgestellt haben, haben eine Reduktion der ter!) Produktion um 4,1 Prozent zu verzeichnen. Ich freue mich deshalb, dass der Bauernbund jetzt (Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: ein Denkmal für die Geschändeten in diesem Be- Dafür verhungern sie!) reich errichtet hat, damit die Öffentlichkeit und die Nachwelt darauf aufmerksam gemacht werden, Wenn jetzt jemand behauptet, man hätte damit der welches Leid dort zugefügt worden ist. Milchmengensteuerung das Wort geredet, dann muss ich sagen: Das ist nicht der Fall. Unter den Bedingun- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gen, die ich genannt habe – auch andere Länder haben Frau Ministerin Aigner hat zu Recht darauf hin- zugelegt –, haben wir in der Europäischen Union im gewiesen, dass die Mittel des Hilfsprogramms in letzten Jahr eine Reduzierung der Milcherzeugung zu registrieren gehabt. Das heißt, wir sind im Wettbewerb wenigen Tagen ausgeschöpft waren. Auch das ist besser geworden. Unser Ziel ist, Marktanteile zu halten, ein Zeichen, dass die Menschen in diesem Bereich damit wir die Beschäftigung in Deutschland auch in Zu- an die Zukunft glauben. Sie investieren, aber sie kunft sicherstellen können. verkonsumieren das Geld nicht. Das ist für mich ein gutes Zeichen der Hoffnung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Eine Verdrehung der Es wurde kritisiert, dass wir über Verpflich- Realität!) tungsermächtigungen aus dem Ökolandbaube- reich versucht haben, die Aufgaben der Exportför- Deswegen ist es richtig, dieses Hilfsprogramm derung zu finanzieren. Diese Kritik war zwar unbe- aufzulegen. rechtigt. Trotzdem haben wir diese Regelung fallen Frau Tackmann hat hier einen einzigen richtigen gelassen. Es sollte von Anfang an kein einziger Satz gesagt. Euro aus diesem Bereich wegfallen. Die nicht aus- geschöpften Mittel hatten uns zunächst dazu ver- (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie anlasst, diese Form der Gegenfinanzierung zu hat viele richtige Sätze gesagt! – Alexan- wählen. der Ulrich [DIE LINKE]: Das war vielleicht der einzige, den Sie verstanden haben!) (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Es wird alles schöngeredet! – Ulrich Kelber Sie hat nämlich festgestellt, dass die Einkommen [SPD]: Ihr eigener Minister hat es nicht der Milcherzeuger drastisch zurückgegangen ausgegeben!) sind. Das Hilfsprogramm hilft den Bäuerinnen und Bauern, die in diesem Bereich im letzten Jahr mit Wir lassen es nun, damit hier nicht ein falscher 19 000 Euro Gewinn pro Arbeitskraft zurechtkom- Eindruck entsteht. Mir ist wichtig, dass wir zwi- men mussten. Das ist nicht nur eine soziale Hilfe, schen ökologischer und moderner Landwirtschaft sondern auch vor allen Dingen eine Hilfe, um das unterscheiden. wirtschaftliche Tal zu überwinden. Damit stellen wir (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Beschäftigung weit über den Bereich der Milcher- Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS zeugung hinaus sicher. Das ist unser Ziel. 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir behandeln beide Strategien gleich. 2852 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Die nächsten Monate werden entscheidend da- Präsident Dr. Norbert Lammert: für sein, wie die Agrarpolitik der Europäischen Herr Kollege. Union nach 2013 aussehen wird. Deswegen sind wir als Union sehr darauf bedacht, die ernäh- Peter Bleser (CDU/CSU): rungspolitischen Ziele, die wir für die deutsche Wir wollen bei Geldautomaten die gleiche Landwirtschaft für das Jahr 2020 anstreben, sehr Transparenz wie bei Tankstellen. Man muss vor- früh zu definieren. Wir haben in der Union schon her wissen, was es kostet, nicht nachher. präzise Festlegungen getroffen. Wir wollen eine Sicherstellung der Ernährung der europäischen (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das ist aktive Bevölkerung. Wir wollen, dass die Einkommen der Verbraucherpolitik!) Bauern adäquat bleiben. Wir wollen, dass die mul- Ich will ein Letztes dazu sagen. Wir sind uns alle tifunktionale Landwirtschaft und die flächende- einig, und ich habe nicht das Bedürfnis, hier über ckende Landwirtschaft mit ihren Tierschutz- und verschiedene Verfahrensweisen zu streiten. Umweltzielen erhalten bleiben. Wenn wir diese Ziele gesellschaftlich verankern Präsident Dr. Norbert Lammert: können, dann bin ich sehr sicher, dass wir es ver- Das geht auch gar nicht, Herr Bleser, weil Sie hindern können, dass der Agrarhaushalt der Euro- weit über die vorgesehene Redezeit hinausgegan- päischen Union als Steinbruch für andere Politik- gen sind. felder genutzt wird, was einige vorhaben. Lassen Sie uns gemeinsam diese öffentliche Diskussion Peter Bleser (CDU/CSU): führen. Jetzt haben wir noch Einfluss, bevor die ersten Festlegungen in dieser Richtung vorge- Herr Präsident, das schützt meinen Kollegen Goldmann nommen werden. vor einer Bewertung seiner Aussage.

Ich muss – ich tue das auch sehr gerne – noch Präsident Dr. Norbert Lammert: etwas zum Verbraucherschutz sagen. Sehen Sie, die Fürsorge des Präsidenten reicht (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Lieber nicht!) präventiv auch in diese Richtung. Wir, die Union, machen Verbraucherpolitik aus der Sicht des Betroffenen heraus. Peter Bleser (CDU/CSU): Das nehme ich gerne als Hilfe in Anspruch. Ich (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Wo das denn?) will zum Schluss nur zur Kenntnis bringen, dass Das greift in viele Politikfelder ein und führt dazu die Menschen sich in der Verbraucherschutz- und – das kennen wir noch aus der vorherigen Koaliti- Agrarpolitik auf die Union verlassen können. on, Frau Drobinski-Weiß –, dass die Kompetenzen (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: in verschiedenen Häusern angesiedelt sind. Ich bin Dann sind sie verlassen!) deshalb froh, dass der Finanzminister jetzt nicht ohne Unterstützung unserer Ministerin Aigner im Dann wird auch da der Frühling sehr bald wieder- Finanzmarktbereich aktiv wird und einen Gesetz- kommen. entwurf für mehr Anlegerschutz und zu anderen Vielen Dank. Fragen im Finanzbereich vorlegen wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dass wir den Grauen Kapitalmarkt transparent machen müssen, ist unstrittig. Dass wir Anleger- Präsident Dr. Norbert Lammert: protokolle brauchen, ist unstrittig. Die Kollegin Waltraud Wolff hat nun das Wort für (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Aber doch nicht die SPD-Fraktion. so!) (Beifall bei der SPD) Ich rufe, weil wir eine Vertrauenskrise in der Fi- nanzwelt haben, die Branche auf, Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Da- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen rum lassen wir die auch wieder allein und Kollegen! Das staatstragende Mäntelchen, rummorkeln!) das Herr Bleser sich gerade umgehängt hat, wie bei den Beratungsprotokollen mit uns vor ge- (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Nicht mal das!) setzlichen Maßnahmen aktiv zu werden; dann bedeutet nicht, dass die Politik, die mit diesem Haushalt braucht das nicht geregelt zu werden. gemacht wird, eine solide ist. Das werden wir ganz (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Ich weiß! Immer al- schnell aufzeigen. Das, was mein Kollege Rolf Schwa- les freiwillig! Ist klar! Das kennen wir!) nitz am Anfang zu „Klientel- statt Strukturpolitik“, zu „Einsparungen an der falschen Stelle“ und zu „Kein Aber wenn es nicht geschieht, dann werden wir Konzept bei der Verbraucherpolitik“ gesagt hat, zieht handeln. Ich stelle deshalb die klare Forderung sich, ohne dass wir uns abgesprochen haben, auch durch auf: meine Rede und durch die gesamte heutige Debatte. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2853

Frau Aigner, Sie kommen bei der Verbraucher- (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Haben Sie politik einfach nicht weiter. Bei der Agrarpolitik ha- denn einen anderen Deckungsvor- ben Sie sogar den Rückwärtsgang eingelegt. Sie schlag?) haben nur an einer Stelle richtig Geschwindigkeit aufgenommen: Eine solche Geschwindigkeit wie die, mit der Ihre Finanzpolitik hinfällig geworden Sie als Regierungskoalition setzen den Rotstift ge- ist, habe ich in elf Jahren Bundestag noch nicht er- nau dort an, wo Nachhaltigkeit und Zukunftsfä- lebt. Sie haben uns bei der ersten Lesung des higkeit der Landwirtschaft und der ländlichen Haushaltes so viele Wohltaten versprochen. Räume gefördert werden. Das ist wirklich grandios. (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das müssen (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wo das Sie uns aber mal erklären!) rot-rote Brandenburg heute schon keine Gelder mehr abruft! Das ist doch die – Dazu komme ich noch, Herr Schirmbeck. – Aber Wahrheit!) was ist bei der zweiten und dritten Lesung? – Sie legen uns die Streichliste vor. Herr Goldmann hat vorhin gesagt, dass 750 Millio- nen Euro besonders für die landwirtschaftliche Un- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten fallversicherung und für die Milchviehbetriebe vor- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – gesehen sind. Ich komme aus dem Osten der Re- Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Welche publik. Was kommt davon bei der landwirtschaftli- denn? Welche Streichungen?) chen Unfallversicherung und bei den Milchbetrie- Wir haben bereits bei der ersten Lesung deutlich ben an? Gar nichts! Ich kündige hier und heute an, gemacht, dass Sie ein 750 Millionen Euro teures dass ich im Namen der SPD eine Aufstellung da- Strohfeuer abbrennen. Davon geht weder für die rüber verlange, wie die 750 Millionen Euro auf die Landwirtschaft noch für die ländlichen Räume ein Bundesländer aufgeteilt werden. Es wird sicherlich wirklich nachhaltiger Effekt aus. Wir haben Ihnen sehr interessant, sich das einmal anzuschauen. damals schon gesagt, dass, erstens, man so et- Liebe Frau Aigner, das Chaos, das Sie und Ihre was nicht auf Pump machen kann – Sie machen Kabinettskollegen seit Beginn dieser Regierungs- das auf Pump – und, zweitens, das vorrangig in koalition veranstaltet haben, zeigt sich auch in Ih- Bayern – ich korrigiere: nicht im Südwesten der rem Haushalt. Sie wollen Verbraucherinnen und Republik – ankommt. Verbraucher durch den Beipackzettel – sprich: das (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Glauben Sie Produktinformationsblatt – stärken. Das ist völlig selber, was Sie da erzählen?) daneben. Wenn ich dem Bankenwesen bei der Formulierung freie Hand lasse, dann werde ich am – Herr Schirmbeck, Sie haben selbst angekündigt, Ende feststellen, dass kein Mensch die In- dass wir ab 2011 ganz genau hinschauen müssen, was wichtig ist. formationen verstehen wird. Ich glaube, ohne Kri- terien und gesetzliche Vorschriften werden sie völ- (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Ehrlich in die lig unverständlich geschrieben sein. Was ist mit neue Zeit!) der Selbstbestimmung der Verbraucherinnen und Verbraucher? Ich glaube, dass gesetzliche Ab dann werden nach Ihrer Aussage die Einspa- rungen kommen. Das, was Sie jetzt auf Pump Regelungen nötig sind, aber es passiert nichts. ausgeben, werden Sie ab 2011 einsparen müssen. (Beifall bei der SPD) Ich hätte nicht gedacht, dass uns schon in den Es gelingt Ihnen nicht, die Verbraucherverbände Haushaltsberatungen deutlich gemacht werden zu stärken. Sie treten deren Wünsche nach gen- würde, wie recht wir als SPD in der ersten Lesung technikfreien Lebensmitteln und der Nährwertam- hatten. pel mit Füßen, und Sie reißen – das ist schon an- (Beifall bei der SPD – Georg Schirmbeck gesprochen worden – mit dem Stiftungskapital für [CDU/CSU]: Was haben Sie eigentlich elf die Stiftung Warentest eine riesige Finanzlücke in Jahre lang gemacht?) der Zukunft auf. Man kann wirklich nicht behaup- Das Ökolandprogramm sollte um 3,3 Millionen ten, dass Sie die höchste Verbraucherschützerin Euro gekürzt werden. Es bringt überhaupt nichts, sind. Frau Aigner, gut gemeint ist nicht gut ge- wenn Sie, Herr Bleser, jetzt sagen, das sei alles macht, angekündigt ist noch lange nicht durchge- nicht so gemeint gewesen. Schön, dass Ihnen das setzt. nicht geglückt ist. Ich möchte auf die 750 Millionen Euro zu spre- (Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Das ist chen kommen, die die Regierung zur kurzfristigen unser Einsatz gewesen, nicht Ihrer!) Beruhigung der Milchbauern in Bayern und auch zum Teil in Baden-Württemberg verteilt hat. Das Allerdings konnten wir nicht verhindern – das ist macht deutlich – das kreide ich der schwarz- schon mehrfach angesprochen worden –, dass es gelben Regierung ernsthaft an –: Sie verkaufen für bei der GAK Kürzungen in Höhe von 25 Millionen Ihre Klientelpolitik die Zukunfts-chancen der ländli- Euro gab. chen Räume. Ihr Wachstumsbeschleu- 2854 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 nigungsgesetz ist ein Schuldenbeschleunigungs- Verzinsung von fast 10 Prozent bekommt, das da- gesetz gewesen, das besonders die Länder und zu führt, dass sein Nachbar, ein kleiner Stromkun- Kommunen trifft. de, diesen ordentlichen Gewinn des Investors Schirmbeck bezahlen muss. Oder halten Sie es (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Ihr habt keine nicht für richtig, dass man sich Gedanken darüber Schulden gemacht?) macht, wie man diese Verzinsung an die üblichen Darüber hinaus sind Sie dabei, mit der Kürzung Marktzinsen anpasst? der Einspeisevergütung für die Solarenergie eine Zukunftstechnologie und ein wichtiges wirtschaftli- Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): ches Standbein aus den neuen Bundesländern zu Sehr geehrter Herr Schirmbeck, wir haben – ich vertreiben. Das hat verheerende Folgen für die kann mich sehr gut daran erinnern – das EEG un- Entwicklung der ländlichen Räume, besonders im ter Rot-Grün beschlossen. Ich war dabei und bin Osten der Republik. sehr stolz, dass wir das beschlossen haben. Sie setzen noch eins drauf. Herr Schwanitz hat (Beifall bei der SPD – Ulrich Kelber [SPD]: Vor es gesagt: Die Landwirtschaftsminister der Länder genau zehn Jahren!) haben deutlich belegt, dass eine Aufstockung bei der Verpflichtungsermächtigung in der Gemein- Wenn ich in Ihre Reihen schaue, stelle ich fest, schaftsaufgabe nötig ist, weil andernfalls die Bin- dass da Kollegen dabei sind, die mitgestimmt ha- dung der zusätzlichen EU-Mittel für die Umsetzung ben. der Gesundheitsprüfung nicht möglich ist. (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Minister war Klaus Töpfer!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich glaube, Sie haben dagegen gestimmt. Ich erin- Frau Kollegin Wolff. nere mich nicht mehr ganz genau daran, aber das ist ja auch egal. Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Ich weiß, ich bin knapp über der Zeit, aber Herr (Ulrich Kelber [SPD]: 2004 noch mal dagegen Bleser eben war weit drüber. Ich möchte noch ei- gestimmt!) nen Satz sagen. Wir sind dabei, gerade im Bereich Fotovoltaik (Iris Gleicke [SPD]: Er will eine Frage stellen! Lassen eine Branche aufzubauen. Ich will einmal den Ver- Sie den Präsidenten zu Wort kommen!) gleich zur Atomenergie bringen: Herr Schirmbeck, 40 Jahre lang hat diese Energiebranche Unterstüt- – Eine Frage? Ja, gerne. Eine Zwischenfrage be- zung und Förderung bekommen. deutet, dass ich noch länger sprechen kann. Wo kommt die her? (Iris Gleicke [SPD]: Die Lizenz zum Geld- drucken!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich habe die genaue Summe nicht im Kopf. Das Kollege Schirmbeck möchte gerne Ihre Redezeit waren 40 Jahre, in denen die Branche nicht gesagt verlängern. hat: Wisst ihr, wir sehen ein, dass da ein Aufwuchs ist; wir könnten uns mit einer Schmälerung einver- Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): standen erklären. – Niemals ist das gekommen. Danke. Aber die Erneuerbare-Energien-Branche, darun- ter die Fotovoltaik- und die Solarenergiebranche, Georg Schirmbeck (CDU/CSU): hat das, was ab Januar 2010 an Degression schon Frau Kollegin Wolff, das von der CDU erfundene geplant war, sogar mitgetragen. EEG soll von uns fortgeschrieben werden. (Iris Gleicke [SPD]: So ist es!) (Zurufe von der SPD: Was?) Das, was Sie hier machen, ist ein Einschenken – Die Urfassung des EEG, das Stromeinspei- in einer Art und Weise, dass die Branche kaputt- sungsgesetz, ist von Minister Töpfer. Das ist so. geht. Das müssen Sie einmal nachlesen. Das wissen (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wer erzählt Sie vielleicht nicht, aber es ist die Wahrheit. Ihnen das?) (Ulrich Kelber [SPD]: Sie haben zweimal ge- Q-Cells hat seinen Sitz in Sachsen-Anhalt. 400 Ar- gen das EEG gestimmt!) beitsplätze sind dort schon abgebaut worden. Ein Sie müssen das richtig in Ihr Schwarzbuch hinein- Vorstandsvorsitzender hat in der letzten Woche schreiben. seinen Hut genommen. Frau Kollegin, ich möchte Sie fragen, ob Sie es (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Antworten für richtig erachten, dass, wenn der vergleichswei- Sie auch auf meine Frage?) se wohlhabende Georg Schirmbeck eine Ich glaube, wir sollten bei dieser Branche einen Fotovoltaikanlage baut und für sein Kapital eine Schwerpunkt setzen, da sie uns weg von Atom- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2855 energie und fossilen Energieträgern hin zu dezent- berales Sparbuch! Wo ist das Ding ei- ralen Lösungen führt, und nicht schon jetzt Kür- gentlich geblieben?) zungen vornehmen, obwohl die Branche noch – Wir kommen noch dazu, Herr Bonde. Wir haben nicht einmal richtig etabliert ist. – Schönen Dank, ein paar Sachen umgesetzt. Herr Schirmbeck. Werfen wir einen Blick auf die Ausschussanhö- (Beifall bei der SPD – Andreas Mattfeldt rung. Wir schauen uns die Themen an. Dann füh- [CDU/CSU]: Ich hätte gerne eine Antwort ren wir zusätzlich Fachgespräche, daraus gewin- gehört! – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: nen wir Erkenntnisse. Herr Kelber, Sie haben das Frau Kollegin, wann gehen Sie auf meine vorhin angesprochen. Was kam dabei heraus? Es Frage ein?) kam heraus: Fremdgehen war schon immer teuer. Ich sehe, dass Frau Aigner mit diesem Haushalt Deswegen müssen wir schauen, dass wir die In- mit Vollgas gegen die Wand läuft, dass sich aber terbankenentgelte gestalten. die Menschen in den ländlichen Räumen – leider – (Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE die blutige Nase holen. Das ist etwas, was wir GRÜNEN]: Das ist aber eine Lebens- nicht mittragen können. Die Regierungskoalition weisheit! – Alexander Bonde [BÜNDNIS weigert sich, die nachhaltige Landwirtschaft zu för- 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen wir genau- dern. Sie weigert sich, Verbraucher- und Kunden- er wissen! – Zuruf des Abg. Ulrich Kelber wünsche ernst zu nehmen. Sie weigert sich, echte [SPD]) Anwältin der Verbraucherinnen und Verbraucher zu sein. Sie setzt auf Ankündigungsrhetorik. Die – Nein, das ist kein Angriff auf Sie. Ich weiß nicht, Menschen erwarten aber Taten. Ihre Politik ist ob Sie da aus Erfahrung sprechen. Ich weiß nur, rückwärtsgewandt. Das zeigt dieser Haushalt. dass man, wenn man an fremden Bankautomaten Deshalb können wir als SPD dem nicht zustim- Geld abhebt, etwas dafür bezahlen muss. Es ist men. wichtig, dass der Wettbewerb gestärkt wird. Wett- bewerb ist ein wichtiger Punkt der liberalen Ver- Vielen Dank. braucherpolitik. Das ist effiziente Verbraucherpoli- (Beifall bei der SPD) tik. (Ulrich Kelber [SPD]: Ja? Dann sind wir ja Präsident Dr. Norbert Lammert: Bündnispartner gegen die Ministerin!) Nächster Redner ist der Kollege Dr. Erik Schweickert für die FDP-Fraktion. Sie sehen das beispielsweise bei Mobilfunktarifen und Flugpreisen. Wo wir Wettbewerb haben, geht (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten es dem Verbraucher gut. Deswegen werden wir der CDU/CSU) uns als christlich-soziale und liberale Koalition in diesem Bereich dafür einsetzen, dass Wettbewerb Dr. Erik Schweickert (FDP): wieder stattfindet. Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Her- (Beifall bei der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss am Das „liberal“ hätten Sie fast vergessen!) Anfang auf zwei Dinge eingehen. Liebe Kollegin Wolff, eine Streichliste gibt es nur dann, wenn man – Das vergessen wir nicht. etwas von der Liste streicht, das man vorher Herr Kelber, Sie haben vorhin ein paar Unterla- draufgesetzt hat. Unsere Politik ist geprägt von gen vom Bankenverband hochgehalten. „Versprochen – gehalten!“. (Ulrich Kelber [SPD]: Ja!) (Beifall bei der FDP – Widerspruch bei der SPD) Es gibt aber auch gute Beispiele. Deswegen ist der Weg, den die Ministerin geht, richtig. Ich habe hier Wir haben nichts heruntergenommen. ein paar Informationsblätter von der Sparkasse. Frau Wolff, nehmen Sie einfach einmal ein paar Sogar Sie werden beim Durchlesen alles verste- Fakten zur Kenntnis: Die Mittel der GAK wurden hen. Es gibt noch ein paar Verbesserungswün- nicht ausgeschöpft, nicht einmal von Schleswig- sche; die haben auch wir. Aber wir sind weiter, als Holstein. Brandenburg hat im letzten Jahr wir jemals gekommen wären, wenn wir das alles 20 Millionen Euro gar nicht abgerufen. Machen Sie durch ein Gesetz geregelt hätten. einen besseren Vorschlag. Dann können wir darü- Nehmen Sie also bitte zur Kenntnis – das geht ber reden. Statt mit Schwarzbüchern zu arbeiten – an Frau Lay –: Bei Verbraucherpolitik geht es nicht nach 130 Tagen –, würde es Ihnen besser zu Ge- darum, Almosen zu verteilen. In Ihrem Antrag vom sicht stehen, wirkliche Vorschläge zu unterbreiten, 15. März schreiben Sie: wie wir als FDP es in der Opposition mit unserem Liberalen Sparbuch gemacht haben. Dabei ist insbesondere das Angebot für ein- kommensschwache Haushalte zu stärken. (Beifall bei der FDP – Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Apropos Li- 2856 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Wenn Sie Verbraucherpolitik als Sozialpolitik aufgrund von krisenbedingten Absatzproblemen, ansehen, haben Sie uns nicht auf Ihrer Seite; denn zum Beispiel in Osteuropa. das gehört nicht hierher. Wesentliche tragende Strukturen im ländlichen (Zuruf der Abg. Caren Lay [DIE LINKE]) Raum stehen und standen auf dem Spiel. Deshalb ist das Sonderprogramm richtig. Herr Schwanitz, Bei Verbraucherpolitik geht es darum, die Ver- wenn Sie von Klientelpolitik sprechen, muss ich braucherrechte zu stärken und Wettbewerb endlich fragen: Sind Landwirte schlechter als Banken oder wieder stattfinden zu lassen. sonstige Arbeitnehmer? (Ulrich Kelber [SPD]: Sie müssten sich einmal (Peter Bleser [CDU/CSU]: Oder die Solar- selbst hören!) branche?) An diesem Punkt brauchen wir keine Schaufens- In dieser schweren Krise haben wir in der Großen terpolitik der Opposition, sondern müssen in der Koalition die Finanzmärkte stabilisiert. Wir haben Verbraucherpolitik tatsächlich vorangehen. vor wenigen Wochen den Schutzschirm für die Ar- (Ulrich Kelber [SPD]: Nur ein gutes Beispiel beitnehmer gespannt. Wir haben auch das Son- gibt es im ganzen Bankensektor! Toll!) derprogramm Landwirtschaft aufgelegt. Das alles, insbesondere das Letzte, ist wichtig für den ländli- Da ist die christlich-liberale Koalition Vorreiter. Wir chen Raum. schaffen mehr als Sie in elf Jahren Regierungsbe- teiligung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Herzlichen Dank. Frau Wolff, nur ein Satz zur Fotovoltaik: Wir för- dern sinnvoll, statt die Allgemeinheit abzuzocken, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) um das einmal klarzustellen. Präsident Dr. Norbert Lammert: (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Letzter Redner zu diesem Einzelplan ist der Kol- Mir ist bei diesem Sonderprogramm wichtig, lege Franz-Josef Holzenkamp für die CDU/CSU- dass wir nicht nur Milchbauern sehen – auch da Fraktion. unterliegen Sie einem Irrtum, Herr Schwanitz; das (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- wissen Sie als Haushälter eigentlich –, sondern wir neten der FDP) stabilisieren auch die agrarsoziale Sicherung durch die Erhöhung der entsprechenden Mittel. Unsere Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU): Ministerin ist schon auf das Liquiditätsprogramm eingegangen. Hier hat man ein Programm schnell Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie viel ist uns unsere moderne und leistungsstar- umgesetzt. Hier ist man effizient, unbürokratisch und wirkungsvoll vorgegangen. Herzlichen Dank ke Landwirtschaft eigentlich wert? Diese Frage an die Bundesregierung, insbesondere an unsere wird im diesjährigen Haushalt, über den wir hier debattieren, beantwortet. Dieser Haushalt zeigt Ministerin, Ilse Aigner. Danke schön! insbesondere die große Wertschätzung dieser Ko- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- alition gegenüber der Landwirtschaft, gegenüber neten der FDP) dem ländlichen Raum und gegenüber der Ernäh- rungswirtschaft. Ich habe bei dieser Debatte den Eindruck, dass das leider nicht bei allen so ist. Ein Satz zum Verbraucherschutz. Die Verbes- Deshalb will ich feststellen: Die Land- und Ernäh- serung des Anlegerschutzes ist immer wieder an- rungswirtschaft im ländlichen Raum ist der stabili- gesprochen worden. Hier haben wir schnell rea- sierende Faktor des ländlichen Raumes in der Kri- giert; das ist gerade schon deutlich gemacht wor- se. Wir sehen das beispielsweise an den Export- den. Eines wissen wir alle: Es handelt sich beim zahlen. Die Land- und Ernährungswirtschaft ist in Verbraucherschutz um einen Prozess, der ständig ihrer Vielfalt, mit ihrer Tradition, vor allem aber Anpassungen notwendig macht; das weiß jeder auch mit ihren Innovationen die tragende Säule normal denkende Mensch. Entscheidend ist, dass im ländlichen Raum. diese Bundesregierung nicht redet, sondern an- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) packt. Das machen wir sehr erfolgreich. Die Land- und Ernährungswirtschaft steht in der (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Krise vergleichsweise etwas besser da als andere Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Genau! Wirtschaftsbereiche; das wissen wir. Aber wir ken- Früh aufstehen und arbeiten, nicht pala- nen auch Bereiche – sie sind schon angesprochen vern!) worden –, in denen es erhebliche Probleme gibt, Jetzt noch ein Satz zur Ampelkennzeichnung beispielsweise bei der Milch. Wir wissen, dass wir – davon, dass Sie Ihre Auffassung gebetsmühlen- über 100 000 betroffene Milchviehbetriebe in artig wiederholen, wird es wirklich nicht besser –: Deutschland haben, die im letzten Wirtschaftsjahr Sie wollen einen unmündigen Verbraucher produ- katastrophale Ergebnisse erzielten, insbesondere zieren. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2857

(Widerspruch bei der SPD) wir, insbesondere in den letzten Jahren, unserem Staatssekretär Gerd Müller zu verdanken, Sie verbreiten in der Öffentlichkeit Falschinformati- onen, meine Damen und Herren von der Oppositi- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) on. der sich hier in ganz besonderer Weise engagiert (Ulrich Kelber [SPD]: Alle Verbraucherschutzver- hat. An dieser Stelle sage ich der Bundesregierung bände sehen das wie wir! Alle!) aus tiefster Überzeugung ein ganz herzliches Dan- keschön. Was haben Sie eigentlich für ein Gesellschafts- bild? Meine Damen und Herren, wir sind für die Zu- kunft gut aufgestellt. Wir packen die Zukunftsthe- (Ulrich Kelber [SPD]: Sie stehen allein gegen men an. Wir entwickeln die erneuerbaren Energien alle Verbraucherschützer!) weiter. Wir verstehen beispielsweise auch das Ich will Ihnen deutlich sagen: Man muss das tun, Problem der Nutzungskonflikte. Wir wissen, dass worauf es ankommt, und nicht das, was in der Öf- wir bei der Biomassenutzung eine Kaskadennut- fentlichkeit kurzfristig vermeintlich gut ankommt. zung – erst der Magen, dann die energetische Deshalb sind wir Regierung und Sie Opposition. Nutzung – auf den Weg bringen müssen. Hier sind wir gut aufgestellt. Wir wissen, dass sich die glo- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) bale Nachfrage nach Nahrungsmitteln in den Ich möchte noch etwas zur Zukunft sagen, und nächsten Jahrzehnten verdoppeln wird. zwar zur GAP-Reform 2013. Herr Kelber, Sie ha- (Ulrich Kelber [SPD]: Dann müssen wir ben vorhin von Untätigkeit gesprochen Schweinefleisch verschicken!) (Ulrich Kelber [SPD]: Nachgewiesen habe ich Wir haben allerdings mit der Marktvolatilität zu das!) kämpfen. In diesem Zusammenhang will ich noch und gesagt, wir würden uns zu wenig kümmern. das Stichwort Risikoausgleichszulage nennen, für Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. die wir Agrarpolitiker uns einsetzen. (Ulrich Kelber [SPD]: Ja! Los!) Meine Damen und Herren, es gibt Zukunftsthe- men ohne Ende. Bei diesen Themen sind wir sehr Der neue EU-Agrarkommissar Cioloş aktiv und produktiv. Es handelt sich um eine (Ulrich Kelber [SPD]: Oh! Den haben Sie als Wachstumsbranche und eine Zukunftsbranche. Schwarz-Gelb beschlossen?) Dafür lohnt es sich zu arbeiten. hat uns hier in Berlin besucht. Wir haben für unser Herzlichen Dank. Treffen etwa anderthalb Stunden Zeit gehabt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja, genau!) Ich frage mich: Wo war eigentlich das Interesse Präsident Dr. Norbert Lammert: der SPD? Ich schließe die Aussprache. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel- plan 10, Bundesministerium für Ernährung, Land- Ich bin sehr froh, dass der Sprecher der SPD, Wil- wirtschaft und Verbraucherschutz, in der Aus- helm Priesmeier, dabei war. Er war der einzige Ag- schussfassung. rarpolitiker der SPD, der anwesend war. Wenn Sie hier schon Sonntagsreden halten, sollten Sie auch Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Frak- einmal Interesse an der tatsächlichen Arbeit zei- tion Die Linke vor, über die wir zuerst abstimmen. gen. So, meine Damen und Herren, geht es jeden- Wir kommen zunächst zum Änderungsantrag falls nicht. auf Drucksache 17/1031. Wer stimmt gegen die- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) sen Änderungsantrag? – Wer stimmt dafür? – Wer enthält sich? – Damit ist der Änderungsantrag mit Als letzten Punkt will ich den Export anspre- der Mehrheit des Hauses abgelehnt. chen. Wir wissen, dass es auf der nördlichen Welthalbkugel mehr Nutzfläche als auf der südli- (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Aber knapp!) chen Welthalbkugel gibt. Wir wissen gleichzeitig, – Einigen wir uns auf hinreichend eindeutig. dass im südlichen Teil der Welt mehr Menschen leben als im nördlichen Teil der Welt. Es ist ganz (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) einfach: Das bedingt Export. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck- (Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Ach du mei- sache 17/1032? – Wer stimmt dagegen? – Wer ne Güte!) enthält sich der Stimme? – Auch das war über- sichtlich. Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Wir wissen auch, dass wir mittlerweile in fast allen Produktionsbereichen zu Nettoexporteuren gewor- Wir stimmen jetzt über den Einzelplan in der den sind. Wir sind erfolgreich. Diesen Erfolg haben Ausschussfassung ab. Wer stimmt gegen diese 2858 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 festgestellte Fassung? – Wer enthält sich? – Wer Wir haben die Entwicklung aufmerksam verfolgt. stimmt dafür? – Damit ist der Einzelplan 10 ange- Der erste Regierungsentwurf war noch ein ge- nommen. meinsam mit uns erstellter, der Regierungsentwurf vom 16. Dezember dann ein Entwurf der neuen Liebe Kolleginnen und Kollegen, wegen der um Koalition. Ich sage es ganz freimütig: Ich war sehr 12 Uhr hier im Plenarsaal stattfindenden Feier- erfreut darüber, dass es einen Aufwuchs um 75 stunde zum 20. Jahrestag der freien Wahl zur Millionen Euro gab, darunter 44 Millionen Euro für Volkskammer der DDR unterbreche ich die Sitzung das Gebiet Migration – dazu wird die Kollegin bis 13.30 Uhr. Falls Sie vertrauliche Unterlagen Fograscher noch detaillierter ausführen; das ist si- oder private Dokumente auf Ihren Plätzen liegen cherlich eine richtige Maßnahme, die wir billigen –, haben, sollten Sie die besser mitnehmen, weil wir 20 Millionen Euro für die Luftsicherheit – das ist den Saal jetzt für die Feierstunde herrichten wol- gewissermaßen ein durchlaufender Posten; hier- len. durch entsteht zwar der Eindruck, dass mehr aus- Die Sitzung ist unterbrochen. gegeben wird, aber da diese Einnahmen von den Fluggästen kommen, stellt dieser Betrag keinen (Unterbrechung von 10.50 bis 13.30 Uhr) wirklichen Aufwuchs für den Haushalt dar – und 7 Millionen Euro für den von der Regierung ver- stärkten Einsatz in Afghanistan. Wenn man nun Vizepräsidentin : nach den Haushaltsberatungen einschließlich der Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbro- Bereinigungssitzung einen Schlussstrich zieht, chene Sitzung ist wieder eröffnet. dann sieht man aber, dass nicht 75 Millionen Euro mehr, sondern 100 Millionen Euro weniger für den Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.14 auf: Haushalt veranschlagt sind. Einzelplan 06 Das ist natürlich ein bedauerliches Zeichen, vor Bundesministerium des Innern allen Dingen, weil es um Fragen der Sicherheit – Drucksachen 17/606, 17/623 – geht, aber auch – das ist mir aufgefallen und auch aufgestoßen –, weil offensichtlich der Minister sel- Berichterstattung: ber von der Situation überrascht wurde, als dies in Abgeordnete Jürgen Herrmann der Nacht von der Koalition beschlossen worden Norbert Barthle ist. Es muss ihn schwer treffen, wenn seine eigene Dr. Peter Danckert Koalition, die ihn trägt, ohne Abstimmung mit ihm Florian Toncar und ohne Abstimmung – das scheint mir in dieser Steffen Bockhahn Situation noch wichtiger zu sein – mit den be- Stephan Kühn troffenen Bundesbehörden, zum Beispiel der Bun- Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion despolizei und dem Bundeskriminalamt, so et- Die Linke vor. Außerdem hat die Fraktion Die Lin- was beschließt. Hier geht es um keine kleinen Be- ke einen Entschließungsantrag eingebracht, über träge. Es sind Einsparungen in Höhe von den wir morgen nach der Schlussabstimmung ab- 25 Millionen Euro im Personalbereich vorgesehen. stimmen werden. Ich denke, das ist ein ganz bedenkliches Zeichen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind Das fällt offensichtlich – das sage ich genauso für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgese- offen – mit der Situation zusammen, dass es Be- hen. – Ich sehe, damit sind Sie einverstanden. mühungen gibt, eine Neuorganisation vorzuneh- Dann können wir so verfahren. men, welche aber bisher keineswegs erfolgreich waren. Das kann man am besten nachvollziehen, Ich eröffne die Aussprache und erteile als ers- wenn man sich darüber einmal mit den Personal- tem Redner dem Kollegen Danckert von der SPD- vertretungen unterhält oder die entsprechenden Fraktion das Wort. Berichte dazu liest. Die Folgen, die darin beschrie- (Beifall bei der SPD) ben werden, sind, ehrlich gesagt, desaströs. Ver- ehrter Herr Minister, ich glaube, Sie haben in Zu- Dr. Peter Danckert (SPD): kunft eine Herkules-aufgabe zu leisten, wenn Sie Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kol- zum Beispiel die 40 000 Beamten bei der Bundes- legen! Sehr geehrter Herr Minister! Dieser Einzel- polizei davon überzeugen wollen, dass die Neuor- plan 06, der Haushalt des Innenministeriums, ist ganisation richtig ist, und ihnen gleichzeitig vermit- sicherlich nicht der größte Haushalt, aber nach teln wollen, dass ihre Arbeit Anerkennung findet. meiner Einschätzung einer der wichtigsten Haus- Wir haben in diesem Personalbereich – das ist halte, weil ein großer Teil des Haushaltes für nicht nur von der GdP oder anderen gewerkschaft- Sicherheitsaufgaben, für die wir zuständig sind lichen Vertretungen festgestellt worden – einen bzw. für die der Minister und sein Ministerium zu- Anteil von Burn-out-Syndrom-Betroffenen von ständig sind, etatisiert ist. 25 Prozent. Das ist eine katastrophale Situation. Hier muss man sich im Interesse der Sicherheit unserer Bevölkerung um eine Verbesserung küm- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2859 mern. Das Thema Sicherheit steht ja auch bei Ih- Zum Schluss eine Sache, die mich besonders nen hoch im Kurs. Aber es darf nicht nur eine Rolle beschäftigt hat. In dem Haushaltsentwurf, den Sie spielen, wenn es darum geht, eine neue Spitze vorgelegt haben, ist eine kleine Position, der Gol- einzusetzen oder ein neues Polizeipräsidium in dene Plan Ost, gestrichen worden. Sie haben in Potsdam zu bauen, was wir unterstützen werden, den Beratungen im Haushaltsausschuss darauf wenn es sich im Kostenrahmen hält. An dieser hingewiesen, wie viel Sie im Zusammenhang mit Stelle geht es auch darum, das Personal zufrie- dem Konjunkturprogramm II getan haben. Das be- denzustellen – und das muss angegangen werden. streitet niemand. Aber im ursprünglichen Haus- haltsentwurf war der Haushaltstitel für den Golde- Zu anderen wichtigen Aufgaben wird der Kolle- nen Plan enthalten. Sie haben zum Ausdruck ge- ge Hartmann sich noch äußern. bracht, dass – was ich Ihnen auch abnehme – die Von der Situation bei der Bahnpolizei ist die Streichung Sie besonders getroffen hat. Ich halte Bevölkerung unmittelbar betroffen. In diesem Be- es für kein gutes Zeichen, wenn die Koalition eine reich gibt es Polizeireviere, die überhaupt nicht be- so minimale Position in dem Haushalt des Minis- setzt sind. Das ist kein gutes Zeichen für den Um- ters streicht, der für die neuen Länder als deren gang mit dem Personal. Aber obwohl vor Ort Per- Beauftragter zuständig ist. Das hätte man verhin- sonal fehlt, werden im Haushalt an dieser Stelle dern müssen. Aber da mit Ihnen nicht gesprochen 25 Millionen Euro eingespart. Das ist eine Fehlent- worden ist, Herr Minister, haben Sie das auch nicht scheidung der Koalition, für die ich allerdings gar im eigentlichen Sinne zu verantworten. Wir dürfen nicht den Minister selber verantwortlich machen hier keine solchen negativen Zeichen setzen und will, da mit ihm darüber gar nicht bzw. erst in letz- das dann mit Konjunkturprogrammen verbrämen, ter Minute gesprochen worden ist, wie wir gehört die es zu dieser Zeit schon gab. Das wird, auch haben. wenn es sich nur um eine minimale Position han- delt, in den neuen Ländern sehr ernst genommen Ein anderes großes Thema, das in der Kürze und von der Mehrheit dieses Parlaments als ein der Zeit behandelt werden muss, ist der Digital- kritisches Zeichen gewertet. In diesem Sinne hätte funk. Ich darf mich in dem Zusammenhang bei ich mir gewünscht, dass Sie das hätten abwenden den Berichterstattern bedanken, übrigens auch bei können. Aber wenn man als Minister nicht nach den zahlreichen Mitarbeitern Ihres Hauses, Herr seiner Meinung gefragt wird, kann man das natür- Minister – bitte richten Sie den Dank aus –; ich ha- lich nicht abwenden. be das auch schon im Haushaltsausschuss ange- sprochen. Beim Digitalfunk sind wir jetzt einen ers- Herzlichen Dank. ten Schritt gegangen, indem wir die Mittel für den (Beifall bei der SPD) Regelbetrieb freigegeben haben. Das ist richtig, und das haben wir mitgetragen, weil wir nicht dafür verantwortlich gemacht werden wollen, wenn Din- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: ge, die seit zehn Jahren im Gespräch sind, nicht Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Herr- auf den Weg gebracht werden. Insofern muss ich mann für die CDU/CSU-Fraktion. einige Pressemitteilungen korrigieren, in denen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) behauptet wurde, die Verzögerung liege am Haus- haltsausschuss; das war nicht der Fall. Der Um- Jürgen Herrmann (CDU/CSU): gang mit diesem Thema war unsäglich und kein Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen gutes Beispiel für den Föderalismus in Deutsch- und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir land, für die Zusammenarbeit von Bund und Län- haben über den Einzelplan 06, den Haushalt des dern. Hier ist viel Zeit vertan worden. Wir sind da Innenministeriums, schon zur Genüge diskutiert. Schlusslicht in Europa. Ich will an dieser Stelle trotzdem noch einmal klar- ( [CDU/CSU]: Das stimmt stellen, dass es sich nicht nur um den Haushalt schon lange nicht mehr!) des BMI handelt, sondern auch um den von 17 nachgeordneten Behörden. Sie sehen also, wie Alle Länder, auch Albanien, haben inzwischen den umfassend dieser Haushalt ist. Digitalfunk, nur Deutschland nicht. Das ist kein sehr gutes Zeichen. Mich wundert ganz besonders, wie Sie, Herr Kollege Danckert – wir haben in den Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auch darauf Berichterstattergesprächen viel miteinander ge- richten, dass wir bei sehr vielen kritischen Punkten sprochen –, auf die Idee kommen, dass wir, wenn noch mit Kostensteigerungen rechnen müssen. es um Kürzungen im Haushalt geht, nicht mit un- Diese Punkte sind in den Berichten aus Ihrem serem Minister sprechen würden. Wir stehen sehr Hause angemerkt, aber nicht quantifiziert worden. wohl in ständigem Kontakt mit ihm. Wir haben alles Da kann auf den Steuerzahler noch einiges zu- abgesprochen. Dass es nicht immer ein Wunsch- kommen. Das ist etwas, was wir als Haushalts- haushalt sein kann und dass man an der einen ausschuss und Sie als Leiter des Ministeriums im oder anderen Stelle, an der es der Minister nicht Auge haben müssen. ganz so gerne sieht, streicht, ist klar. Dieses Recht des Parlamentes haben wir uns herausgenommen. 2860 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Trotz allem gilt, dass wir sehr wohl diese Dinge mit 1. November dieses Jahres wird der elektronische ihm besprochen haben. Ihre Behauptung wird Personalausweis eingeführt. Daran gibt es keinen auch nicht dadurch wahrer, dass Sie sie fünf- oder Zweifel. sechsmal wiederholen. Ich denke, der Minister Wir hatten Anträge für das Netz des Bundes und wird das nachher selber klarstellen. den Digitalfunk gestellt. Auch dort haben wir noch Der Entwurf für den Haushalt des BMI der einmal eingespart, wohl wissend, dass wir in den christlich-liberalen Regierung enthält einen Ge- nächsten Jahren in diesen Bereich investieren samtetat von circa 5,5 Milliarden Euro. Das ist ein müssen. im Vergleich zum Gesamthaushalt eher kleiner Auch bei der Ausstattung der Bereitschaftspo- Haushalt. Er ist aber sehr wichtig, weil es auch um lizei der Länder – das war ein Anliegen des Bun- die innere Sicherheit geht. 50 Prozent des Haus- desrechnungshofes – haben wir gespart. Es gibt halts entfallen auf Personalausgaben. Deswegen allerdings genug Querschnittsaufgaben, bei denen gibt es nur begrenzte Sparmöglichkeiten, was es wir die Kosten nicht vollständig deckeln können, schwieriger macht, zu sparen. Nichtsdestotrotz sondern gut beraten sind, die Länder zu unterstüt- sind 12 Prozent dieses Haushalts für Investitionen zen. vorgesehen. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Diese Ausgaben sind sicherlich sehr wichtig. Ein Anliegen bezüglich Haushaltswahrheit und - klarheit war für uns die Flexibilisierung. Am ein- Wir haben uns mit dem Ministerium intensiv – fachsten wäre es natürlich – auch das Ministerium damit knüpfe ich an den Anfang meiner Rede an – würde es gerne so sehen –, wenn das Ministerium über eine Ausgabenkürzung in Höhe von den Haushalt in Gänze selbst aufstellen könnte, 2 Prozent unterhalten. Wir Haushälter haben ge- ohne dass wir bei einzelnen Positionen hineinre- meinsam mit dem Koalitionspartner durchgesetzt, den können. Nichtsdestotrotz sind Flexibilisierun- dass 2 Prozent eingespart werden. Das heißt, gen in Teilbereichen natürlich sinnvoll; sie erleich- 110 Millionen Euro sind noch vom Ausgangs- tern die Verwaltungsarbeit. Hier haben wir uns auf volumen des Regierungsentwurfes abgezogen die Fahne geschrieben, die Dinge dort, wo es not- worden. wendig und sinnvoll ist, einzuschränken. Herzlichen Dank an Sie, Herr Minister, und an Trotz der Kürzungen, die wir vorgenommen ha- Ihr Haus für die Informationen und für die gute Zu- ben – da widerspreche ich Ihnen, Herr Kollege sammenarbeit, die insbesondere in den Danckert, ganz deutlich –, geben wir 67 Prozent Berichterstattergesprächen zum Ausdruck kam. des Haushalts für das BMI für den Bereich der in- Wir haben viele Dinge angesprochen, und es sind neren Sicherheit aus. Das sind viele Berichte – mehr als sonst – angefordert wor- 3,7 Milliarden Euro. Sie können also nicht be- den. Es hat außerdem sehr viele Nachfragen ins- haupten, dass die eingesparten 110 Millionen Euro besondere im allgemeinen Haushaltsgespräch ge- zulasten der Sicherheit gehen. Das ist bei weitem geben. Diese Nachfragen betrafen den Digitalfunk, nicht so. auf den ich gleich noch kommen werde, das Poli- zeipräsidium in Potsdam und den Einsatz unserer (Dr. Peter Danckert [SPD]: Was ist mit der Bun- Polizisten in Afghanistan. Ich kann die Worte des despolizei und dem Bundeskriminalamt?) Ministers im Berichterstattergespräch nur unter- streichen, dass nicht ungezügelte Ausgaben Sinn machen, sondern ein erfolgsorientierter und nach- Kollege Danckert hat es eben angesprochen: haltiger Einsatz der Mittel. Ich glaube, das errei- Der Digitalfunk war Thema in mehreren chen wir mit unserem Haushalt. Berichterstattergesprächen, und wir hatten eine Menge Fragen in Bezug auf Auftragsvergabe, Kos- Die Koalition hat 30 Änderungsanträge gestellt. ten und Struktur. Es gab hier eine lange Vorge- Die Opposition hat deutlich mehr Anträge gestellt, schichte. hat den Digitalfunk als da- von denen wir einigen zugestimmt haben. Es gab mals verantwortlicher Innenminister im wahrsten aber auch einige abstruse Anträge, die wir nicht Sinne des Wortes auf die falsche Schiene gesetzt. annehmen konnten. Es freut mich deshalb umso Die angestrebte Zusammenarbeit mit der Deut- mehr, dass von den 30 Anträgen, die wir gestellt schen Bahn hat nicht funktioniert, und dadurch ist haben, ein Großteil mit Stimmen aus der Oppositi- es zu erheblichen Verzögerungen gekommen, ins- on angenommen worden ist, teilweise sogar mit besondere bei der Aufarbeitung mit den Ländern. Zustimmung des gesamten Ausschusses. Die Beteiligung der Länder ist nun einmal ein we- Ich möchte noch die Ausgaben für die Presse- sentlicher Faktor in diesem Bereich. und Öffentlichkeitsarbeit im Zusammenhang mit Ich bin froh, dass wir über den sogenannten Kö- der Einführung des elektronischen Personal- nigsteiner Schlüssel zu einer Kostenverteilung ge- ausweises ansprechen. Ja, wir sparen an dieser kommen sind. Wir haben uns auch über die einzu- Stelle. Das geht zulasten – auch das ist eine An- führenden Standards unterhalten und sind dabei, merkung, die der Minister gemacht hat – der Schu- die Ausgestaltung des Kernnetzes voranzutreiben. lung derer, die in den Kommunen dafür verantwort- Wir haben uns auf die Anzahl der Vermittlungsstel- lich sind. Ich sage Ihnen aber ganz deutlich: Zum Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2861 len, Basisstationen und Endgeräte festgelegt. Al- Jürgen Herrmann (CDU/CSU): lerdings sage ich auch an dieser Stelle, dass ich Ja, bitte. nicht glaube, dass es möglich ist, heute eine zu- verlässige Aussage über die Kosten für ein Projekt Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE zu machen, das über mehr als zehn Jahre festge- GRÜNEN): schrieben wird. Von daher wird es sicherlich noch Herr Kollege, Sie nennen Zahlen zum Polizei- Nachbesserungen geben. Ich bin froh, dass wir aufbau in Afghanistan. Ich war vor zehn Tagen auch Hinweise auf das Ausschreibungsverfahren dort und habe auch mit den Polizeiausbildern in bekommen haben. Wir haben daraufhin die Mittel Kunduz und Masar-i-Scharif gesprochen. Die Zahl entsperrt. Der Interimsbetrieb kann demnächst von über 30 000 Beamten oder Angestellten der eingestellt und in den Regelbetrieb überführt wer- Polizei in Afghanistan, die Sie genannt haben, ver- den. Das bedeutet eine Kostenersparnis von 7 Mil- sehe ich mit einem großen Fragezeichen. Ich frage lionen Euro im Monat. Sie: Können Sie etwas dazu sagen, wo die eigent- Herr Minister, ich finde Ihren Entschluss richtig, lich geblieben sind? Wie viele sind nach Ihrer den Digitalfunk vom Netz des Bundes abzukop- Kenntnis oder der des Bundesinnenministeriums peln, weil wir doch erhebliche Sicherheitsprobleme nach wie vor als Polizisten in Afghanistan tätig und haben. Wir werden in den nächsten Monaten noch wo, und wie viele von ihnen waren „Schwund“? einmal darüber diskutieren und haben das auch Man spricht von zwischen 30 und 50 Prozent. mit Sperrvermerken belegt. Ich bin mir aber sicher, Entweder sind sie anschließend zu Hause geblie- dass dieses Projekt im Sinne einer besseren Aus- ben, oder sie haben sich bei anderen afghani- stattung der Behörden und Organisationen mit schen Sicherheitsbehörden verdingt oder sind so- Sicherheitsauftrag vor Ort äußerst wichtig ist. gar zu den Taliban gegangen. Können Sie darüber konkrete Auskunft geben? Nach dem, was mir dort Lassen Sie mich auch noch etwas zu Afghanis- gesagt worden ist, gibt es derzeit eine afghanische tan sagen. Ich begrüße es ausdrücklich, dass auf Polizei in Begleitung von deutscher Polizei in ledig- der Londoner Konferenz Beschlüsse gefasst wor- lich acht von 120 Distrikten und auch nur im Nor- den sind, die die Arbeit in Afghanistan auf militäri- den. scher, ziviler, aber eben auch auf polizeilicher Ebene voranbringen. Deutschland hat als Lead- Jürgen Herrmann (CDU/CSU): Nation beim Aufbau der Polizei in Afghanistan in Herr Ströbele, 30 000 ist die Zahl, die mir vom den zurückliegenden Jahren sicherlich das eine Innenministerium genannt worden ist. Dabei han- oder andere Problem gehabt. Aber wir sind be- delt es sich um Sicherheitskräfte, die geschult müht, dieses Defizit aufzuarbeiten und stellen noch worden sind. Wo die anderen geblieben sind, einmal zusätzliche 7,5 Millionen Euro für die deut- müssen Sie die afghanische Regierung fragen; sche Mission, aber auch für EUPOL, wo 45 Beam- denn wir führen keine Personalakten. Als Sie in te eingesetzt sind, zur Verfügung. Afghanistan waren, hätten Sie sicherlich die Gele- Wir werden die Zahl der Ausbilder auf 200 stei- genheit gehabt, mit den afghanischen Entschei- gern. Das ist wichtig, damit die ANP, also die af- dungsträgern zu sprechen. ghanische Polizei, demnächst auch selber ausbil- Das Personalsystem in Afghanistan ist leider den und ihre Aufgaben übernehmen kann. Das nicht so ausgefeilt wie hier. Denken Sie an die geschieht an den drei Standorten der Bundeswehr Probleme, die damals bei der Auszahlung des und in Kabul. Es ist ja nicht so, dass wir nicht er- Lohnes aufgetreten sind. Das kann nicht bargeld- folgreich gewesen wären. Seit 2002 haben circa los erfolgen, sondern da wird das Geld direkt in die 30 000 afghanische Polizeioffiziere und -beamte Hand gegeben. – Der eine oder andere wird si- die Ausbildung durchlaufen; das ist sicherlich eine cherlich abhandengekommen sein. Entscheidend hohe Zahl. Wir haben uns das Ziel gesetzt, in den ist aber doch – das beantwortet auch Ihre Frage –: nächsten drei Jahren noch einmal 15 000 zu schu- Es geht nicht nur darum, wer von der Fahne ge- len. gangen ist. Sie müssen auch zur Kenntnis neh- Wichtig ist, dass wir auch in diesem Bereich Hil- men, dass die Qualität der Ausbildung, die wir zur fe zur Selbsthilfe leisten. 500 afghanische Ausbil- Verfügung stellen, dazu führt, dass weniger Poli- der sollen demnächst die Arbeit der deutschen zeioffiziere oder -beamte in Afghanistan getötet Ausbilder übernehmen. Das Ziel, 80 000 Mann im werden; denn wir haben im Bereich der Polizei hö- Dienste der afghanischen Polizei zu haben, ist si- here Verluste als beim Militär. Wenn Sie nähere In- cherlich wichtig. Die Umsetzung des Focused formationen möchten, dann wird Ihnen die afgha- District Development Program erscheint mir auch nische Botschaft diese sicherlich zur Verfügung erforderlich, damit wir in die Fläche hinausgehen stehen. und diese Aufgabe vor Ort leisten können. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Wir haben viel über die Polizeibeamten gespro- Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage chen. Ich möchte an dieser Stelle denjenigen mei- des Kollegen Ströbele? nen herzlichen Dank aussprechen, die ihren Dienst 2862 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 in Afghanistan freiwillig versehen. Das ist nicht Für die Fraktion Die Linke hat nun das Wort der immer ganz leicht; das sollte man an dieser Stelle Kollege Jan Korte. unterstreichen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Jan Korte (DIE LINKE): BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle- Zum Schluss möchte ich noch auf ein Erfolgsre- gen! Wir reden über den Einzelplan 06 mit einem zept zu sprechen kommen, das möglicherweise Volumen von ungefähr 5,6 Milliarden Euro. Es geht demnächst sogar in China umgesetzt wird. Das hat um den Haushalt des Bundesministeriums des In- mir zumindest der Präsident der Organisation ge- nern. Deswegen verwundert es nicht, das zwei sagt, die auch im Inland ein sehr hohes Ansehen Drittel der Mittel für die innere Sicherheit vorgese- genießt. Ich spreche vom THW. Wir können es hen sind. Ich kann hier und heute nicht über die tagtäglich verfolgen: Egal welche Einsätze es gesamte verfehlte Innenpolitik der letzten Jahre re- wahrnimmt, ob der Einsturz des Stadtarchivs in ferieren und will mich deshalb auf die besonders Köln, beim Wirbelsturm Nargis in Myanmar, beim verfehlten Punkte Ihrer Innenpolitik konzentrieren. Erdbeben in China oder aktuell in Haiti und Chile, Man sieht dem Haushaltsentwurf an, dass mit- aber auch die kleinen Hilfseinsätze vor Ort – all nichten eine Änderung der Innenpolitik verfolgt das wird in Deutschland zur Kenntnis genommen. wird, obwohl die FDP das angekündigt hat. Viel- Es gibt ein hohes Aufgabenspektrum. mehr wird fortgesetzt, was Schäuble und vorher Ich möchte an dieser Stelle lobend erwähnen, Schily an Akzenten in der Innenpolitik gesetzt ha- dass wir in diesem Bereich 80 000 ehrenamtliche ben. Es gibt keine Kurskorrektur in der Innenpolitik, Helfer haben; dem stehen lediglich 800 hauptamt- auch nicht mit der FDP in der Regierung. Das fin- liche Helfer gegenüber. Ich glaube, wenn man den wir natürlich sehr schade. Namens des Kamp- weiß, welche Arbeit von ihnen geleistet wird, dann fes gegen den internationalen Terrorismus wird kann man das gar nicht hoch genug schätzen. In auch mit diesem Haushalt eine Politik fortgesetzt, den 668 Ortsverbänden wird hervorragende Arbeit die erstens auf Aufrüstung im Bereich der inneren geleistet. Der Haushalt, der mit 178 Millionen Euro Sicherheit, zweitens auf Zentralisierung und drit- veranschlagt ist und noch einen kleinen Aufwuchs tens auf Militarisierung der Innenpolitik setzt. Das erfahren hat, ist damit sehr gut aufgestellt, insbe- kritisieren wir als Linke grundsätzlich. Eine Umkehr sondere unter dem Aspekt, dass nur 25 Prozent in der Innenpolitik wäre dringend nötig gewesen. des Etats für Personalausgaben eingestellt worden (Beifall bei der LINKEN) sind. Statt Unsummen in neue technische Überwa- Auf den Bereich Sport gehe ich nur noch am chungsmaßnahmen – Stichwort: Nacktscanner – Rande ein; der eine oder andere Kollege wird dazu zu stecken, wäre es vielleicht ratsam gewesen, bestimmt gleich Stellung nehmen. Es ist ein wich- mehr in Personal zu investieren. Sie haben das auf tiges Thema, insbesondere nach den Winterspie- unsere Kleine Anfrage hin ja auch eingestanden. len in Vancouver, aber auch im Hinblick auf die Wenn wir über öffentliche Sicherheit, zum Beispiel Paralympics, die derzeit stattfinden. Ich wünsche an Flughäfen, reden, dann müssen wir natürlich unseren Athletinnen und Athleten alles Gute und auch darüber reden, dass in diesem Bereich in den auch, dass sie noch viele Medaillen erringen. Das letzten Jahren massiv privatisiert wurde. Eine Tä- wird für die Zukunft wichtig sein; denn der Erfolg tigkeit wie die Fluggepäckkontrolle, die früher ins- hängt eng mit der Bewerbung Münchens zusam- besondere von Beamtinnen und Beamten – gut men. Wenn wir uns in der Welt gut präsentieren, ausgebildet, immer wieder geschult und vor allem wird die Chance, dass wir die Olympischen Win- vernünftig bezahlt – erledigt wurde, wird jetzt von terspiele 2018 nach München holen, sicherlich privaten Dienstleistern zu Dumpinglöhnen ausge- steigen. übt. Das kann nicht sein. Hier wäre eine Umkehr Ich weiß, dass wir in Zukunft sparen müssen – nötig gewesen. Wir brauchen mehr Staat bei der wir werden in diesem Jahr noch über die Haus- Sicherheit und keine Dumpinglöhne; denn das haltsaufstellung für das Jahr 2011 diskutieren –, führt zu weniger Sicherheit. Von einer solchen Um- wenn wir die im Grundgesetz verankerte Schul- kehr ist in diesem Haushaltsentwurf aber nichts zu denbremse einhalten wollen. Das wird nicht ein- sehen. fach; aber ich bin der festen Überzeugung, dass (Beifall bei der LINKEN) wir dies in gemeinsamer Arbeit auch mit dem Bun- desinnenministerium bewerkstelligen können. Da wir immer differenzierte Sachpolitik machen, begrüßen wir ausdrücklich, dass es im Etat des Herzlichen Dank. Bundesbeauftragten für den Datenschutz einen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gewissen Aufwuchs bei den Mitteln gibt. Das ist erst einmal erfreulich. Trotzdem – das gehört zu Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: einer differenzierten Betrachtung natürlich dazu – steht das in überhaupt keinem Verhältnis zu den Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2863

Skandalen und Sauereien, die wir im privaten Be- mokratische Methode der politischen Auseinan- reich in den letzten Monaten in der Wirtschaft ver- dersetzung. nommen haben. Wir hätten es für sinnvoll befun- (Beifall bei der LINKEN) den, hier deutlich mehr Mittel einzusetzen, damit der Bundesdatenschutzbeauftragte in Zusammen- Noch ein Punkt, den ich ansprechen möchte: arbeit mit seinen Länderkollegen auch einmal die Wir reden hier über innere Sicherheit. Wenn man staatliche Sammelwut stärker in den Fokus neh- wirklich etwas für die öffentliche Sicherheit in die- men könnte. Das ist in der Tat zu wenig. Aber im- sem Land tun möchte, wäre ein verstärkter Kampf merhin: Ein wenig mehr gibt es. gegen den Rechtsextremismus vonseiten der Bundesregierung angebracht. Was ich an dem Haushaltsentwurf noch ganz spannend finde: Ich habe mir das FDP- (Gisela Piltz [FDP]: Aber wenn Linke Autos Wahlprogramm angeschaut, anzünden, ist das in Ordnung?) (Gisela Piltz [FDP]: Sehr gut!) In diesem Bereich herrscht aber völlige Fehlanzei- ge. Das kann man daran erkennen, dass die Bun- und ich habe mir den Koalitionsvertrag noch ein- desregierung weder die Statistiken ihrer eigenen mal angeschaut; man bereitet sich vernünftig vor. staatlichen Stellen zur Kenntnis nimmt noch auf Groß angekündigt wurde – das ist interessant – die Opferverbände hört und auch nicht zur Kenntnis Bundesstiftung Datenschutz. Die wollten Sie; die nimmt – das hat die Amadeu-Antonio-Stiftung ge- haben Sie immer wieder propagiert. Im Haushalts- rade veröffentlicht –, dass seit 1990 in diesem entwurf findet man 0 Cent dafür. 0 Cent sind für Land 149 Menschen von Rechtsextremisten er- dieses Projekt angesetzt. mordet worden sind. Das wäre doch ein Grund (Gisela Piltz [FDP]: Was noch nicht beschlos- gewesen, endlich aufzuwachen. Stattdessen sen ist, braucht auch kein Geld, oder?) schwafeln Sie von einem völlig unbelegten Extremismusbegriff. Sie haben keine Ahnung, was – Kollegin Piltz, vielleicht sagen Sie uns nachher in einigen Gegenden in diesem Land abgeht. Hier einmal, was aus diesem spannenden Projekt wer- wäre eine Umkehr nötig. den soll. Ich möchte einen dritten Punkt zum Datenschutz kurz ansprechen. Nach dem Karlsruher Urteil zur (Beifall bei der LINKEN) Vorratsdatenspeicherung, die Sie nicht zu verant- worten haben – das muss man der Fairness halber Deswegen fordern wir für das nächste Jahr mit Blick dazusagen –, wäre es an der Zeit gewesen, einmal auf die Mittel für die Bundesprogramme, dass Sie um- kehren. Sie sollten die vielen Organisationen, die in die- innezuhalten, in sich zu gehen und zum Beispiel sem Land eine hervorragende Arbeit machen, nicht im- bei ELENA, der Vorratsdatenspeicherung für Sozi- mer wieder verunsichern, ob sie ihre Projekte weiterfi- aldaten, das Stoppzeichen zu setzen und dieses nanzieren können, sondern endlich eine Garantie geben, Vorhaben auf Eis zu legen. Wir fordern ein Mora- dass diese Projekte dauerhaft auf einem hohen Level fi- torium für diese Massenspeicherung von Sozialda- nanziert werden. Unsere Anerkennung haben diese Or- ten. Zum Glück haben schon 8 000 Leute Klage ganisationen, die alltäglich gegen Rassismus und Anti- eingereicht. Stoppen Sie dieses Großprojekt! Es semitismus kämpfen. wird im Zweifel wieder kassiert werden. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Ich komme zu einem weiteren grundsätzlichen Der Präsident des Bundesamtes für Verfas- Punkt. Das BMI ist ja jetzt auch für Ostdeutsch- sungsschutz, Herr Fromm, hat noch einmal be- land zuständig. Ich sage das, weil das noch keiner gründet, warum man die Linke unbedingt weiter mitbekommen hat. Hierzu mehrere Hinweise: Im- beobachten sollte. mer noch werden in Ostdeutschland geringere (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Ja!) Löhne gezahlt. Das bedeutet vor allem eine Ab- wanderung von jungen Menschen aus Ost- Das wäre in der Tat ein ganz praktisches Einspar- deutschland. Ich erlebe das täglich in meinem potenzial von mehreren Millionen Euro. Das wür- Wahlkreis. Dies führt wiederum zu einem Ausblu- den wir sofort mittragen. ten der ehrenamtlichen Strukturen, zum Beispiel (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Die Linke beim THW und in anderen wichtigen Bereichen einsparen! Da machen wir sofort mit! Die des Katastrophenschutzes. 1,7 Millionen Men- Linke einzusparen, darauf können wir uns schen in Ostdeutschland leben von Hartz IV. Je- sofort einigen!) des vierte Kind in Ostdeutschland wächst unter Armutsbedingungen auf. Die Linke macht nicht ständig verfassungswidrige Gesetze, was Sie in den letzten Jahren gemacht Der für Ostdeutschland zuständige Minister sagt haben, um das einmal klar zu sagen. Stoppen Sie dazu nichts. Der Vorschlag im Innenausschuss die Überwachung der Linken. Das ist eine antide- war, eine Arbeitsgruppe zu bilden und darüber zu diskutieren; das kann man im Protokoll nachlesen. 2864 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Das ist, finde ich, etwas wenig. Vom zuständigen Bundesregierung, ist von Ihnen überhaupt nichts Minister, von dieser Bundesregierung kommt zum zu hören. Sie verharmlosen und nehmen nicht zur Thema Ostdeutschland überhaupt nichts: null An- Kenntnis. Deswegen lehnt die Linke auch diesen sage, null Plan, keine Idee, am besten gar nicht Einzelplan aus tiefstem Herzen und aus tiefster darüber sprechen. Überzeugung ab. Wir fordern eine Umkehr in der Innenpolitik. In dem Zusammenhang würde mich interessieren – Sie reden ja gleich noch, Herr Minister –, was Sie zu den Auf die FDP kann man in der Tat leider gar nicht geplanten Kürzungen der Förderungen im Solarbe- setzen. Sie haben bis jetzt nichts durchbekommen. reich sagen. Denn das ist insbesondere für Ostdeutsch- Das erste Projekt, bei dem Sie eine Umkehr hätten land schlecht. In Bitterfeld-Wolfen in meinem Wahl- erreichen können, war SWIFT. Sie hatten keine kreis sind die Industriearbeitsplätze, die in den letzten Chance, das durchzusetzen. Jahren entstanden sind, allesamt in der Solarbranche entstanden. Mich würde interessieren, was der für Ost- (Gisela Piltz [FDP]: Haben wir darüber nie ab- deutschland zuständige Minister von diesen Plänen der gestimmt?) Koalition hält. Ich bin gespannt, was Sie im Bereich der Vorratsda- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- tenspeicherung machen. Frau Leutheusser- neten der SPD) Schnarrenberger, wir werden Sie in Ihrem Kampf gegen Ihren eigenen Koalitionspartner auf jeden Fall unterstüt- Vielleicht sollten Sie Ihren Kollegen Seehofer un- zen. terstützen, der fordert, dass man diese Kürzungen so nicht durchführt. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Die Freude ist unübersehbar!) Wenn man über Ostdeutschland redet, ist ein weiterer Punkt, den ich mir angesehen habe, inte- Wenn Sie eine Vorratsdatenspeicherung insge- ressant. Es geht bei diesem Gesamthaushalt um samt verhindern wollen, haben Sie unsere volle Milliardenbeträge; da fallen 2 Millionen Euro nicht Unterstützung. Ich hoffe, dass Sie sich durchset- besonders auf. Wenn man in den Kommunen bis zen werden. dato 2 Millionen Euro zur Förderung von ost- In diesem Sinne wünsche ich noch eine span- deutschen Sportstätten hatte, dann ist das in der nende Debatte. Gesamtsumme nicht viel, aber für die einzelne (Beifall bei der LINKEN) Kommune, die einen Bolzplatz für Jugendliche und für Kinder und einen Sportplatz für den Breiten- sport unterhält, ist das sehr viel. Dass Sie ausge- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: rechnet diese 2 Millionen Euro wegkürzen, können Nächster Redner ist der Kollege Florian Toncar wir nicht verstehen. Das werden wir auch nicht ak- für die FDP-Fraktion. zeptieren. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abge- der CDU/CSU) ordneten der SPD – Dr. Peter Danckert [SPD]: Das hat er ja gar nicht gewusst!) Florian Toncar (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich Das kann nicht sein, wenn man sich ansieht – ich glaube, der Einzelplan 06 in der jetzigen Fassung habe mir die Zahlen heute herausgesucht –, dass ist ein gutes Gesamtkunstwerk. Er zeigt, dass man 60 Prozent der Sportstätten in Ostdeutschland sa- intelligent sparen kann, dass es möglich ist, innere nierungsbedürftig sind. Man sollte diesen „Golde- Sicherheit zu gewährleisten, gleichzeitig den Da- nen Plan Ost“ aufstocken, damit es auch für Kom- tenschutz zu stärken und auch einen Beitrag zur munen im Westen Mittel gibt und die Kommunen Konsolidierung des Bundeshaushalts zu leisten. im Osten weiterhin Mittel bekommen. Das wäre ei- ne richtige Politik. Dass Sie ausgerechnet diese (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) 2 Millionen Euro wegkürzen, ist absurd. Kollege Danckert, ich werde nicht müde zu sa- (Dr. Peter Danckert [SPD]: Erbärmlich!) gen: Es kann nicht angehen, auch nicht für eine Oppositionsfraktion, dass die SPD in Gestalt des Das zeigt deutlich, was Sie für Ostdeutschland üb- Kollegen Schneider am Dienstag sagt, wir würden rig haben, nämlich überhaupt nichts. zu wenig sparen, dass Sie, wenn wir es tun, aber Letzter Punkt, den ich ansprechen möchte. Der am Donnerstag derjenige sind, der genau das kriti- Einzelplan 06, der darstellt, wie Sie sich die Innen- siert. politik der nächsten Monate weiter vorstellen, setzt (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) die Politik des Abbaus der Grundrechte fort, hat null Interesse an Ostdeutschland, hat null Ideen für Das ist inkonsequent. Sprechen Sie in Ihrer Frakti- Ostdeutschland. Zur Bekämpfung des Rechtsex- on miteinander, und verhalten Sie sich in dieser tremismus, die eigentlich ein ge- Hinsicht ein wenig konstruktiver. samtgesellschaftliches Projekt sein sollte von der Zivilgesellschaft bis in den Bundestag und die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2865

(Dr. Peter Danckert [SPD]: Das ist ein Son- Dr. Peter Danckert [SPD]: Wer war denn derthema!) damals zuständig? Da war doch Herr Schäuble zuständig! – Gegenruf der Abg. – Kollege Danckert, aus Sicht der Fachpolitiker Gisela Piltz [FDP]: Wer hat denn damals gibt es fast nur Sonderthemen. den Handschlag gegeben? Das war doch (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Herr Schily!) Ich glaube, dass wir hier eine andere Denkweise – Womöglich, Kollege Danckert, hat dieses ganze brauchen. Es geht nicht um die Frage „Wie viel?“, Missmanagement auch unter Beteiligung Ihrer sondern es geht um die Frage: Was wird mit dem Fraktion stattgefunden; aber sei es drum. Geld gemacht, und was wird mit dem Geld er- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten reicht? der CDU/CSU) (Dr. Peter Danckert [SPD]: Es geht auch um Wir sollten den Blick nach vorne richten. Natür- die Frage, wo es gemacht wird!) lich gibt es einige Bereiche, in denen wir Haushäl- Sicherheit ist für diese Koalition kein Selbst- ter erwarten, dass das Management besser wird. zweck. Sie ist kein Spielfeld, auf dem man mit Herr Minister, es muss zum Beispiel ermöglicht Symbolik operieren kann. Sicherheit eignet sich werden, dass Erfahrungen, die dort, wo Digital- auch nicht für Spiele mit den Ängsten der Bürger, funksender bereits installiert sind, gemacht werden sondern sie dient der Verwirklichung der Freiheit – beispielsweise ob die Dichte der installierten An- der Bürger, sie dient unserer freiheitlichen Ord- lagen ausreicht, um die Netzabdeckung zu ge- nung. währleisten, oder nicht –, sofort in die Planungs- verfahren in ganz Deutschland eingearbeitet wer- (Dr. Peter Danckert [SPD]: Eben!) den, damit es hier nicht zu weiteren Verzögerun- Diesen modernen Sicherheitsbegriff vertreten gen oder unangenehmen Überraschungen kommt. wir. In diesem Sinne kümmern wir uns auch nicht Das Management in diesem Bereich kann und darum, uns neue Gesetze, Eingriffsbefugnisse muss noch besser werden. oder Überwachungsmaßnahmen auszudenken, Außerdem müssen wir alle Bundesländer ermuntern – sondern wir tun ganz praktische Dinge. ich glaube, hier sind wir uns einig –, das Ihre dazu bei- (Dr. Peter Danckert [SPD]: Personal einspa- zutragen, dass diese Anlagen installiert werden können. ren!) Die Situation ist von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. Ich glaube, auch hier gibt es Defizite. – Kollege Danckert, wir haben keine Stellen einge- Mit den Bundesländern, die in diesem Bereich Nach- spart, wie Sie es gesagt haben. holbedarf haben, werden wir deutlicher reden müssen, (Dr. Peter Danckert [SPD]: Doch!) als es bisher der Fall gewesen ist. Wir haben lediglich Personalkosten, die nicht be- (Dr. Peter Danckert [SPD]: Mit dem Freistaat nötigt werden, eingespart, Bayern!) (Dr. Peter Danckert [SPD]: Lediglich?) Das sind im Übrigen Punkte, an denen man etwas Konkretes für die Sicherheit tun kann, ohne stän- aber Stellen ausdrücklich nicht. Es gibt im Haus- dig neue Gesetze auf den Weg zu bringen, die halt eine pauschale Stelleneinsparung, von der der eher eine symbolische Bedeutung haben. gesamte Bereich der Sicherheit ausgenommen ist. Ich glaube, das wissen Sie auch. Deswegen soll- Die Polizeiausbildung in Afghanistan ist be- ten Sie hier nichts von Stelleneinsparungen erzäh- reits angesprochen worden. Ich glaube, das ist ei- len. ne besonders wichtige Aufgabe. Ich kann mich dem Dank des Kollegen Herrmann an die Beam- Wir tun andere Dinge. Wir bringen nun endlich ten, die dort tätig sind, nur anschließen und das ein Projekt auf den Weg, das im Grunde eine Alt- Ministerium bitten, weiterhin darauf zu achten – ich last ist – der Kollege Herrmann hat es schon an- weiß, Sie tun das –, dass diejenigen, die sich für gesprochen –: den BOS-Digitalfunk. Unsere diese schwierige Aufgabe zur Verfügung gestellt Sicherheitsbehörden brauchen diese modernen haben, auch Vorteile davon haben, wenn sie wie- Funksysteme; das ist völlig unbestritten. der in Deutschland sind, und zwar nicht nur in ma- (Gisela Piltz [FDP]: Genau!) terieller bzw. finanzieller Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf ihre Laufbahn. Es ist allerdings ziemlich ernüchternd, festzustel- len, wie weit wir bei diesem Projekt bisher sind und Wir werden 100 neue Ausbilder für die Polizei- was alles noch aussteht. Dieses Projekt hat diese ausbildung in Afghanistan bereitstellen und damit Koalition geerbt. Jetzt kümmern wir uns darum, endlich die internationalen Verpflichtungen erfül- dass die Sicherheitsbehörden mit einem entspre- len, die Deutschland schon vor Jahren eingegan- chend guten Digitalfunk ausgestattet werden. gen ist. Das ist ja keine neue Aufgabe für Deutsch- land, sondern etwas, was eigentlich schon vor Jah- (Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: ren hätte geschehen müssen, aber nicht gesche- Ja! Von Herrn Schäuble geerbt! – 2866 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 hen ist. Es wird also etwas nachgeholt. Auch hier Wir sind also über das, was die Grünen in ihrem hat diese Koalition ganz konkrete Verbesserungen Antrag gefordert haben, hinausgegangen. erzielen können. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Darüber hinaus stärken wir den Datenschutz. NEN]: Abgeschrieben!) Kollege Korte, die Stiftung Datenschutz wird ge- Insofern dürfte sich Ihr Zwischenruf an dieser Stel- gründet; das ist fest vereinbart. Da Sie diese Stif- le in der Sache erledigt haben. Informieren Sie tung so vehement gefordert haben, rechne ich sich, sprechen Sie miteinander! Wir haben mehr damit, dass Sie an dem Tag, an dem wir sie ein- gemacht, als die Grünen beantragt haben. richten – das ist in Arbeit –, (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE (Jan Korte [DIE LINKE]: Kriege ich dann eine GRÜNEN]: Abgeschrieben von uns! – Einladung?) Gegenruf der Abg. Gisela Piltz [FDP]: nicht nur eine Einladung bekommen, sondern dass Und dann heißt es: abgeschrieben! Was Sie uns, da Sie ja – wie wir Sie kennen – eine denn nun?) ganz konstruktive Opposition sind, Sie sollten uns loben, statt uns Vorwürfe zu ma- (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Na ja!) chen! auch loben werden, sobald wir dieses Vorhaben in (Zurufe des Abg. Dr. Peter Danckert [SPD]) die Tat umgesetzt haben. Damit rechne ich, wie – Kollege Danckert, es ist ja schön, dass ich Sie so gesagt, fest und freue mich bereits auf diesen Tag. he-rausfordere. Aber ich darf Sie darauf hinweisen: (Jan Korte [DIE LINKE]: Wann denn? Nur zum Dass der elektronische Personalausweis kommt, Vormerken!) steht im Gesetz. Das hat nicht die FDP beschlos- sen, das haben andere Mehrheiten beschlossen. Wir haben auch die Stellung des Bundesdaten- schutzbeauftragten gestärkt; das hatte die FDP (Jan Korte [DIE LINKE]: Dann ändern Sie es! übrigens schon in den vergangenen Haushaltsbe- Sie könnten es jetzt ändern!) ratungen gefordert. Es ist bemerkenswert, dass Sie das uns vorwer- (Jan Korte [DIE LINKE]: Wir auch!) fen. Wir haben natürlich bestimmte Anforderungen an den elektronischen Personalausweis. Deswe- Der EuGH hat geurteilt, dass die Stellung des Daten- gen sagen wir: Da muss nachgesteuert werden. schutzbeauftragten so angelegt sein muss, dass dessen Mit einer absoluten Mehrheit würden wir über den Unabhängigkeit sichergestellt ist. Wir werden uns über- elektronischen Personalausweis vielleicht anders legen müssen, Herr Minister, wie wir die Unabhängig- entscheiden. Aber wir sind eine Rechtsstaatspar- keit des Bundesbeauftragten für den Datenschutz so gewährleisten können, dass erfüllt wird, was das euro- tei; deswegen müssen wir, ob es uns gefällt oder päische Recht von Deutschland fordert. nicht, durchführen, was Sie ins Gesetz ge- schrieben haben. Etliche Projekte im Haushalt haben eine hohe Datenschutzrelevanz. Ich erwähne den elektroni- (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Wenn schen Personalausweis. Sie eine Rechtsstaatspartei sind, dann müssen Sie es ändern!) (Dr. Peter Danckert [SPD]: Der soll doch nicht kommen! Sagen Sie einmal ein kla- Dabei will ich nicht verhehlen, dass wir als FDP an res Wort dazu: Kommt er, oder kommt er dieser Stelle etwas anderes gemacht hätten. nicht? Gilt das, was Frau Piltz gesagt hat, (Beifall bei Abgeordneten der FDP) oder nicht?) Es gibt im Bereich Datenschutz weitere Aufga- Wir haben an dieser Stelle, wie die FDP das immer ben. Weil meine Redezeit fast abgelaufen ist, will wollte, dafür gesorgt, dass die Öffentlichkeitsarbeit ich nur noch das Projekt Arbeitnehmerdaten- auf das beschränkt wird, was nötig ist, nämlich ei- schutz ansprechen. Wir wollen den Arbeitnehmer- ne sachliche Information. datenschutz stärken. Das ist ein Projekt, das die (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE FDP-Fraktion mit hoher Priorität verfolgt. GRÜNEN]: Sie haben erklärt, Sie wollen Nachbesserungsbedarf sehen wir auch beim ihn gar nicht, zehn Jahre lang gar nicht, Thema ELENA. Auch dort gibt es Entwicklungen, und nun: sachliche Information!) die wir mit einarbeiten müssen, wie das aktuelle – Kollege Wieland, ich darf Sie darauf hinweisen – Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorrats- nur dass Sie auf dem Informationsstand eines datenspeicherung. Haushälters sind –: Die Grünen – fragen Sie Ihren Es gibt im Bereich Datenschutz also noch viele Kollegen! – wollten, dass wir 3,5 Millionen Euro Dinge, die diese Koalition aus Sicht der FDP- streichen. Wir haben 4 Millionen Euro gestrichen. Fraktion anpacken muss. (Dr. Peter Danckert [SPD]: Herr Toncar, Sie Insgesamt bietet der Haushalt die Grundlage haben 5 Millionen Euro gestrichen!) dafür, dass wir innere Sicherheit und Datenschutz Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2867 sowie die Rechte und Freiheiten der Bürger gut men. Dann werden wir sehen, was diese Koalition miteinander in Einklang bringen können. Wir wer- zu leisten in der Lage ist. den dem Haushalt selbstverständlich zustimmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordne- wie bei Abgeordneten der SPD) ten der CDU/CSU – Jan Korte [DIE LIN- KE]: Voll inkonsequent!) Mit diesem „Ab morgen wird gespart, und darauf Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: gebe ich heute noch einen aus“ können Sie uns Wolfgang Wieland für die Fraktion Bündnis nicht überzeugen, selbst wenn wir uns – und das 90/Die Grünen ist der nächste Redner. tun wir – über mehr Mittel für den Datenschutzbe- auftragten freuen und wenn wir auch sagen, für die Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Polizei im Ausland müsse mehr getan werden. Das NEN): alles ist ja richtig, aber das ist nicht die Herkules- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! aufgabe, von der die Kanzlerin geredet hat. Herr Kollege Herrmann, Herr Kollege Toncar, ich bin Ihnen richtig dankbar. Ich habe gestern zuge- hört, als die Kanzlerin geredet hat. Sie sprach von der „Herkulesaufgabe“, den Haushalt zu sanieren. Der Bundesfinanzminister kündigte an, er wolle das Steuer radikal in Richtung Sparen herumrei- ßen. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt: Wo denn eigentlich? Wo sind die Sparschritte? Nun haben Sie mich aufgeklärt, Herr Kollege Herrmann, dass wir sie hier finden, dass die 110 Millionen Euro, die Sie als Haushälter gegenüber dem Ansatz des Mi- nisteriums eingespart haben, der entscheidende Schritt seien. Wie soll das sein angesichts der 80 Milliarden Euro – wir rechnen sogar mit 100 Milliarden Euro –, die der Haushalt diesmal in die Miesen geht? (Zurufe der Abg. Gisela Piltz [FDP]) – Frau Piltz, zu Ihnen komme ich noch in aller Aus- führlichkeit. Diese Regierung, diese Koalition verhält sich wie ein Automobilkonzern, der ankündigt, dass er neue Sparmodelle vorstellt. Dann zieht der Vor- standsvorsitzende am Vorhang, und da stehen die alten Spritschleudern mit neuen Chromleisten. Auf Fragen sagt er: Die Sparmodelle kommen nächs- tes Jahr. Auf die Frage, ob er nicht einen Prototyp oder wenigstens eine Skizze hat, sagt er: Die Skizze kommt im Mai; denn dann haben wir die neueste Ölpreisschätzung. So glauben Sie sich drücken zu können vor der Aussage, wo Sie denn sparen wollen ( [CDU/CSU]: Wo sind denn die Sparvorschläge der Opposition, der Grünen? Legen Sie mal welche vor!) und was das denn bedeutet für die innere Sicher- heit. Tun Sie hier doch nicht so, als ob Sie wirklich konsolidieren und dabei den Bereich innere Si- cherheit ausnehmen könnten. Sämtliche Bundes- länder haben immer, sozusagen litaneiartig, er- klärt: An der inneren Sicherheit wird nicht gespart. – Genau das haben Sie getan, und Sie wissen es auch. Sie versuchen, die Stunde der Wahrheit vor sich herzuschieben. Diese Stunde wird aber kom- 2868 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Geld auszugeben, ist einfach, Sie haben mit Frau Leutheusser- Schnarrenberger geradezu darum gerangelt – das (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Darin sind die ist noch kein Jahr her –, wer vor den Booten der Grünen gut!) Piratenpartei vor dem Schöneberger Rathaus die Geld einzusparen, ist es nicht. Hier hören wir bis- Seeräuber-Jenny spielen darf, ob Sie oder Frau her nur Rhetorik. Wir hören auch nur rhetorische Leutheusser-Schnarrenberger. Ja, das ist noch Girlanden hinsichtlich der angekündigten bürger- kein Jahr her. Jetzt müssen die Gondeln der FDP rechtlichen Wende. Das hat Ihre Fraktionsvorsit- Trauer tragen. zende Homburger gestern ja gesagt: Wir balancie- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und ren Freiheit und Sicherheit neu aus. – Wo ge- bei der SPD) schieht das denn? Wir tun das allerdings nicht. Wir halten es mit (Jan Korte [DIE LINKE]: Richtig!) Lothar de Maizière, der heute Freiligrath zitiert hat: Erstes Beispiel. Die Kollegin Piltz hat nicht etwa Ihr hemmt uns, doch ihr zwingt uns nicht. – erklärt: „Wir informieren jetzt korrekt und objektiv Unser die Welt trotz alledem. über den E-Personalausweis“, sondern sie hat in der Neuen Osnabrücker Zeitung gesagt: Wir wol- Das wird heute um 15 Uhr vor dem Brandenburger len ihn für ganze zehn Jahre bis 2020 aussetzen. – Tor gesungen werden, und wir werden hier im Die Internetgemeinde hat gleich Hurra gebloggt Herbst wieder eine Demonstration „Freiheit statt und geschrieben: Deswegen haben wir die FDP Angst“ von den vielen erleben, die diese Wende gewählt. – Ja, und was machen Sie heute? Sie erzwingen wollen und die mit dem, was Sie bisher heben heute die Hand für mehr Planstellen beim geboten haben, wirklich nicht zufrieden sind. Bundesverwaltungsamt, für Forschung auf dem (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gebiet der Biometrie und für eine abgespeckte und bei der SPD sowie bei Abgeordneten staatliche Propagandaoffensive hinsichtlich dieses der LINKEN – Otto Fricke [FDP]: Kein E-Personalausweises. Das ist angewandte Schi- einziger Vorschlag!) zophrenie. Sie reden von einem Unsicherheitspa- pier und bewilligen das Geld dafür. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Nun hat der Bundesminister des Innern, der SPD und der LINKEN) Dr. Thomas de Maizière, das Wort. Das zweite Beispiel, das BKA-Gesetz, wurde hier auch schon angesprochen. Herr Toncar sagt Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des stolz: Die Planstellen, die wir dafür vorgesehen Innern: haben, wird es geben. – Für die neue Aufgaben- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen wahrnehmung werden es dann insgesamt 130 und Herren! Das Hohe Haus, die Mitglieder des Planstellen mehr beim Bundeskriminalamt sein – Haushaltsausschusses, hat sich bei meinen Mitar- allesamt für Befugnisse, die die FDP bekämpft hat beitern und mir für die professionelle Zuarbeit be- und gegen die die FDP durch ihre famosen Vertre- dankt. Ich will das gerne zurückgeben und mich für ter Baum und Hirsch – leider nicht mehr ganz ak- die konstruktive und professionelle Beratung die- tuell, aber immer noch famos – in Karlsruhe vor ses Einzelplans sehr herzlich bedanken. Gericht zieht. Herr Abgeordneter Danckert, damit hier kein (Gisela Piltz [FDP]: Das müssen wir zurück- Missverständnis aufkommt: Dazu gehört auch, weisen! Sie sind noch sehr aktuell!) dass sämtliche Anträge, die die Koalition be- schlossen hat, dass sämtliche Beschlüsse vorab Diese Methode von Ihnen, sowohl auf Klägersei- mit mir besprochen worden sind. te als auch auf Beklagtenseite zu sein, soll jetzt of- fenbar die ständige Praxis werden. Forensisch (Dr. Peter Danckert [SPD]: Am Donnerstag- können Sie damit nur gewinnen, weil Sie auf bei- morgen!) den Seiten sind. Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit – Nein, nein, ehrlich gesagt: Wann wir das bespre- verlieren Sie aber, und zwar rasant. chen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Gisela Piltz [FDP]: Das ist Datenschutz!) und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) – vielen Dank –, das ist Datenschutz. Frau Kollegin Piltz, das muss ich Ihnen hier so sa- (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU gen, weil Sie uns hier jahrelang erklärt haben, wel- und der FDP) che Versager die Grünen auf bürgerrechtlichem Richtig ist, dass alle Ressorts eine Kürzungs- Gebiet sind. auflage von 2 Prozent erhalten haben. Wir sind (Zuruf von der FDP: Haben Sie es denn ver- hier ja unter uns: Ich kann Ihnen verraten, dass wir standen?) als Exekutive uns auch überlegt haben, wo diese 2 Prozent so einzusparen sind, dass die Aufga- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2869 benerfüllung gerade nicht beeinträchtigt wird. Im (Zuruf von der CDU/CSU: Gegenüber dem Bereich des Personalhaushalts der Bundes- Regierungsentwurf!) polizei ist es zum Beispiel so, Dazu kommen noch die Stelleneinsparungen. Wir (Dr. Peter Danckert [SPD]: Ihr Haushalt hat haben das so verträglich umgesetzt, dass die Auf- doch einen Zuwachs gehabt!) gabenerfüllung für den gesamten Bereich, für den ich verantwortlich bin, nicht beeinträchtigt wird. dass der Abstand zwischen den Soll-Ausgaben Deswegen ist dieser Haushalt für mich eine gute und den Ist-Ausgaben der vergangenen Jahre es Arbeitsgrundlage. ermöglicht, die von Ihnen genannte Summe einzu- sparen, ohne dass eine einzige Stelle gestrichen, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ohne dass die öffentliche Sicherheit ein einziges Erlauben Sie mir, zu einigen Schwerpunktauf- Mal gefährdet und ohne dass die Bundespolizei gaben der kommenden Jahre, die zwischen der auch nur im Ansatz in ihrer Aufgabenerfüllung be- ersten, zweiten und dritten Lesung diskutiert wur- einträchtigt wird. Es handelt sich um eine Einspa- den, Anmerkungen zu machen. Ich kann und will rung von Soll-Ausgaben, die die öffentliche Si- dabei aber nicht auf alle Argumente, die hier vor- cherheit nicht gefährdet. Deswegen habe ich dem getragen wurden, eingehen. Zunächst möchte ich zugestimmt. die Evaluierung der Sicherheitsbehörden er- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und wähnen; das hat auch ein bisschen mit dem, wo- der FDP) rüber Sie gesprochen haben, zu tun. Der Bundes- finanzminister und ich werden zunächst die Am Schluss meiner Rede werde ich auf einen Sicherheitsbehörden des Bundes evaluieren. Dazu Punkt zu sprechen kommen, bei dem ich anderer gehören die Bundespolizei, das Bundeskriminal- Meinung war. Es geht dabei um den Goldenen amt, der Zoll sowie die Lage auf Flughäfen, Bahn- Plan Ost, über den wir im Ausschuss auch gespro- höfen und Häfen. Wir wollen Doppelarbeiten ver- chen haben. meiden. Wir wollen die Zusammenarbeit verbes- sern. Wir wollen Redundanzen vermeiden, damit Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: die Arbeit besser wird und gegebenenfalls das ei- Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwi- ne oder andere effektiver geleistet werden kann. schenfrage des Kollegen Danckert? Die Bundesregierung wird sich in diesem Pro- Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des zess von Experten beraten lassen. Es handelt sich Innern: dabei um folgende Herren: Gern. (Ute Kumpf [SPD]: Und Damen?) Vorsitzender wird der ehemalige Staatssekretär im Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Bundesinnenministerium, Herr Werthebach. Zu Bitte sehr. den weiteren Mitgliedern zählen der ehemalige Staatssekretär im Innenministerium von Nordrhein- Dr. Peter Danckert (SPD): Westfalen Wolfgang Riotte, der ehemalige Präsi- Herr Bundesminister, trifft es zu, dass der von dent des Bundeskriminalamts Dr. Ulrich Kersten, Ihnen vorgelegte Einzelhaushalt keine Einsparun- der ehemalige Generalbundesanwalt Kay Nehm, gen, sondern einen Aufwuchs von 75 Millionen Eu- außerdem Professor Dr. Rolf Ritsert von der Deut- ro aufwies? Wie lässt sich das mit Ihrer Aussage schen Hochschule der Polizei sowie der in einigen vereinbaren, auch Sie hätten Einsparauflagen ge- Wochen in den Ruhestand tretende Präsident des habt? Ihr Haushalt ist doch um 75 Millionen Euro Zollkriminalamts, Karl-Heinz Matthias. höher als der alte. Das sind keine Einsparungen, sondern zusätzliche Ausgaben. Ich verstehe Ihre (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE Aussage deshalb nicht. GRÜNEN]: Eine echte Bürgerrechtstrup- pe ist das! – Zuruf von der LINKEN: Kri- tisch und unabhängig!) Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern: Ich bedanke mich bei allen, die bei dieser Arbeit Herr Danckert, der Haushalt, den wir einge- mitmachen. bracht haben, beinhaltete einen Aufwuchs. (Ute Kumpf [SPD]: Haben Sie noch nie etwas (Dr. Peter Danckert [SPD]: Genau!) von Gleichstellung gehört?) Manches davon waren auch Einmaleffekte oder – Ich weiß gar nicht, warum Sie da so aufgeregt Ähnliches. Er beinhaltete auch Verringerungen, da sind. im letzten Jahr Bundestagswahlen waren; das ha- (Dr. Peter Danckert [SPD]: Das ist ein rei- be ich in der ersten Lesung vorgetragen. Dann hat nes Männerteam! – Weiterer Zuruf von der Haushaltsausschuss – wie bei allen anderen der SPD: Weil die Damen fehlen!) Ressorts – entschieden, dass 2 Prozent eingespart werden müssen. 2870 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

– Es ist ein Mangel, dass keine Frau dabei ist; das Von der Deutschen Islam-Konferenz war bis- mag sein. Wenn aber Menschen, die diesem Land her noch nicht die Rede. Ich glaube, Sie haben treu gedient haben, nach Abschluss ihrer Dienst- Anspruch darauf, dass ich etwas dazu sage. Ich zeit der Bundesregierung ihren unabhängigen Rat möchte die Islam-Konferenz, die mein Vorgänger zur Verfügung stellen, dann ist das Lob wert und begonnen hat, fortsetzen. Sie hatte mit der ersten nicht Tadel. Phase insoweit einen gewissen Abschluss gefun- den, als man sich auf gemeinsame Erklärungen, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Bekenntnisse und eine Grundlage des weiteren Ich werde sie bitten, bis zum Herbst Vorschläge Dialogs verständigt hat. Deswegen ist mein Ziel in vorzulegen. Daraus werden wir dann unsere der zweiten Phase der Deutschen Islam- Schlussfolgerungen ziehen und sie gemeinsam Konferenz, unter Wahrung und Beachtung der dort beraten. gemeinsam erarbeiteten Grundlagen die Arbeiten konkreter und praktischer zu machen. Deswegen Zum Digitalfunk ist viel gesagt worden. Ich teile wird auch die Teilnahme kommunaler Vertreter alle Auffassungen, die hier vorgetragen wurden. Er und von Ländervertretern ausgeweitet. ist spät eingeführt worden. Die Einführung wurde durch Bund und Länder sowie durch den Parforce- Ich bin insbesondere den Einzelpersönlichkeiten ritt meines Vorvorgängers auf komische Weise vo- dankbar, die bisher an der Deutschen Islam- rangebracht. Konferenz beteiligt waren, dass sie auch weiter zur Verfügung stehen. Genauso dankbar bin ich, dass (Dr. Peter Danckert [SPD]: Otto Schily ist 2005 wir neue Persönlichkeiten gefunden haben, die in ausgeschieden!) diesem Dialog das ganze vorhandene Spektrum Wir sind jetzt gemeinsam dabei, es auf die rich- von den sogenannten islamkritischen Vertretern tige Schiene zu setzen. Wir brauchen eine kon- bis hin zu anderen abdecken, sodass wir einen re- struktive und kritische Begleitung dieses Projekts, präsentativen Querschnitt der Debatte haben, einschließlich eines externen Controllings. Ich fin- auch was die Einzelpersönlichkeiten angeht. de es sehr gut, dass wir das machen, und hoffe, Ich habe auch den bisher vertretenen Verbän- dass wir auf diese Weise vorankommen. den bis auf eine Ausnahme die Mitarbeit angebo- Ich möchte einen weiteren Punkt vortragen, ten. Den besagten Verband habe ich nicht etwa, nämlich den Abschluss der Tarifverhandlungen, wie es zum Teil gesagt worden ist, von einer weite- den Sie alle mitverfolgt haben. Es wurde eine Ta- ren Mitarbeit ausgeschlossen; vielmehr bin ich, so- riferhöhung um 1,2 Prozent in diesem Jahr und um lange erhebliche, schwerwiegende strafrechtliche 1,1 Prozent im nächsten Jahr beschlossen. Zu- Ermittlungen gegen einen dieser Verbände durch- sammen mit einer Einmalzahlung führt das für die geführt werden, die keine einzelnen Mitglieder, Beschäftigten zu einer Einkommenssteigerung in sondern die Arbeit des Verbandes im Kern betref- der Größenordnung von 2,7 Prozent über eine fen, nicht bereit, mich mit Vertretern solcher Ver- Laufzeit von 26 Monaten. Linear sind es 2,3 Pro- bände an einen Dialogtisch zu setzen. zent. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie Ich halte diesen Tarifabschluss für verantwort- bei Abgeordneten der SPD) bar, für auskömmlich und im Lichte dessen, was in Das heißt aber nicht, dass die Tür geschlossen der Privatwirtschaft verabredet worden ist, auch für wird: Sie bleibt offen. Ich hoffe sehr, dass wir zu gut. Deswegen wird die Bundesregierung einen einer konstruktiven und guten Fortsetzung der Gesetzentwurf vorlegen, der diesen Tarifabschluss Deutschen Islam-Konferenz kommen. inhaltsgleich und zeitgleich auf die Beamten, Rich- ter, Soldaten und Versorgungsempfänger über- Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zum trägt, allerdings unter Beachtung der bisher be- Sport. Ich habe gesagt, dass ich die Maßnahmen, schlossenen beamtenrechtlichen Regelungen. Das die zur Kürzung des Regierungsentwurfs geführt bezieht sich etwa auf die Abschläge im Versor- haben, die die Koalition beschlossen hat, in allen gungsausgleich und Ähnliches. Wir werden den Punkten teile, mit einer kleinen Ausnahme, dem Gesetzentwurf schnellstmöglich einbringen. Ich Goldenen Plan Ost. Dabei geht es nicht um die glaube, die Angestellten und die Beamten sollten Summe – im Kern sind es 2 Millionen Euro, um die in dieser Frage gleichbehandelt werden. gestritten wird –, sondern ich bedauere in der Tat die damit verbundene Symbolik. Die Einführung des neuen Personalauswei- ses – das hat Herr Toncar zu Recht festgestellt – (Dr. Peter Danckert [SPD]: Ja!) steht im Gesetz. Darin wird auch ein Datum ge- Allerdings möchte ich eines hinzufügen, Herr nannt. Ich werde mich als Bundesinnenminister an Danckert, und diejenigen, die aus westdeutschen das Gesetz halten und den neuen Personalaus- Wahlkreisen kommen, mögen mir das verzeihen: weis zum 1. November dieses Jahres einführen. Nach wie vor ist – das haben auch die Ergebnisse (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. von Vancouver gezeigt –, repräsentativ gesehen, Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]) der Anteil der erfolgreichen ostdeutschen Sportler deutlich höher als der der westdeutschen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2871

(Zuruf von der LINKEN: Weil wir es können!) Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern: Das ist auch ein Reflex der Spitzensportförderung, Frau Kollegin, ich habe schon auf die Frage ge- die wir betreiben, die sich auch infrastrukturell weit wartet, die dann zum Schluss kam. Ich will darauf überproportional stärker in den ostdeutschen Län- gerne antworten und wäre darauf auch ohne Ihre dern als in den westdeutschen auswirkt. Auch das Frage eingegangen. gehört zur Wahrheit der Spitzensportförderung dieser Bundesregierung. Wir haben in Vancouver großartige Sportlerin- nen und Sportler erlebt. (Beifall bei der CDU/CSU) (Ute Kumpf [SPD]: Vor allem Frauen!) Wir erleben im Moment – wie soll ich sagen? – fast Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: noch großartigere Sportlerinnen und Sportler mit Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwi- körperlicher Behinderung, die das Beste leisten, schenfrage der Kollegin Kunert? was man sich überhaupt nur vorstellen kann. (Beifall im ganzen Hause) Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Das ist – Herr Herrmann hat es schon gesagt – die Innern: beste Werbung für die Bewerbung um die Olym- Gerne. pischen Spiele in München.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Dann brau- Bitte. chen wir das Kulturprogramm nicht!) Was hat das mit dem zu tun, was Sie sagen? Katrin Kunert (DIE LINKE): Ich sage Ihnen Folgendes – das habe ich auch Herr Minister, vielleicht teilen Sie die Auffas- schon im Ausschuss gesagt –: Wenn das irgend- sung, die ich Ihnen jetzt vortragen werde. Es ist so, eine Ski-WM – die Garmischer mögen mir verzei- dass wir im Sportausschuss immer darüber reden, hen – in irgendeinem Jahr gewesen wäre, hätte ich dass wir eine Sportfamilie sind und dass wir bei gesagt: Sie brauchen kein Geld für ein Kulturpro- anstehenden Entscheidungen immer im Interesse gramm. Es gibt viele Weltmeisterschaften in der Sache beschließen. Ein Kollege im Haushalts- Deutschland. Auch bei der Frauenfußball-Welt- ausschuss hat im Sportausschuss vehement dafür meisterschaft in unserem Land haben wir, die geworben, 2 Millionen Euro für die Ski-WM 2011 Bundesregierung und der DFB, auf ein Kulturpro- einzustellen. Als darüber gesprochen wurde, es gramm verzichtet. solle eine Sondermünze geben, haben wir als ( [SPD]: Sie wollten 6 Millionen Fraktion Die Linke gesagt: Jawohl, wenn wir eine bereitstellen!) WM in Deutschland austragen, dann möge sich der Bund an der Finanzierung der Sondermünze Aber die Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen findet beteiligen, zumal es zu zusätzlichen Einnahmen im Winter 2011 statt. Im Sommer 2011 entscheidet kommt. – Dazu, dass aber ausgerechnet dieser das Olympische Komitee, ob die Olympischen Abgeordnete, der für die Sondermünze geworben Winterspiele 2018 in München, Garmisch- hat, den Antrag stellt, den Goldenen Plan zu beer- Partenkirchen und Umgebung stattfinden. Deswe- digen, muss ich sagen: Da kommt es im Aus- gen, ich sage: und nur deswegen, weil die Veran- schuss schon zu Missstimmungen. staltung exakt dort stattfindet, wo wir uns um die Olympischen Spiele bewerben, sind in diesem Fall Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Unsere Haushälter diese Mittel gerechtfertigt und gut, begründen aber haben den Zusammenhang hergestellt, dass die keinen Anspruch darauf, dass in Zukunft auch alle Ski-WM auf Kosten des Goldenen Plans Ost fi- anderen Weltmeisterschaften teure Kulturpro- nanziert wird. Das kann nicht sein. Zum guten Ton gramme bekommen. Das ist meine Antwort auf Ih- gehört: Wenn man im Haushaltsausschuss Anträ- re Frage. ge stellt, dann muss man sie zumindest im Fach- ausschuss ankündigen. Deshalb bedaure ich sehr, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) dass das hier anders gelaufen ist. Aber wir geben Ich wünsche mir, dass es uns bei allem innen- Ihnen natürlich die Möglichkeit, Herr Barthle, unse- politischen Streit, den wir haben – da wende ich rem Antrag zuzustimmen, wonach 20 Millionen Eu- mich insbesondere auch an die Grünen –, ro für den Goldenen Plan und damit für die ost- deutschen Kommunen eingestellt werden. Ich sa- (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Die haben von ge Ihnen: Der Spitzensport kann nur dann gedei- Sport keine Ahnung!) hen, wenn wir in den Breitensport investieren. Ich auf Regionalebene, nicht auf Bundesebene, ge- frage Sie, Herr de Maizière: Stimmen Sie mir in lingt, in einer erstklassigen Weise professionell, fi- diesem Punkt zu? nanziell und in der Art, wie wir uns um diese Olympischen Spiele bewerben, alles daranzuset- zen, was vertretbar ist, um im Juli 2011 die Nach- 2872 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 richt entgegennehmen können: Die Olympischen entsprechend nicht an dem Beschluss beteiligt Spiele 2018 finden in Deutschland, in München, war, der im Sportausschuss mit den Stimmen der Garmisch-Partenkirchen und Umgebung, statt. Linken getroffen wurde, für die Ski-WM 2 Millionen Das wünsche ich mir. Im Übrigen wünsche ich mir Euro zur Verfügung zu stellen? bei allem Streit, dass wir in diesem Haus in dieser Können Sie mir drittens bestätigen, dass wir Frage einen Konsens erzielen. Haushälter, weil wir sparsam sind, diesen Betrag Ich bitte herzlich um Zustimmung zum Einzel- um eine halbe Million unterschritten haben und nur plan 06. 1,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt haben? (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Steffen (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Super! – Bockhahn [DIE LINKE]: Leider nein!) Dr. Peter Danckert [SPD]: Dreimal Ja!)

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Herr Bundesminister, Sie sind zwar am Ende Ih- Innern: rer Rede, aber der Kollege Barthle möchte noch Ich kann Ihnen alles bestätigen. Ich finde es nur gerne eine Zwischenfrage stellen. etwas seltsam, dass Sie eine Bestätigung brau- (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: chen, dass Sie nicht Mitglied des Sportausschus- Ich auch, Frau Präsidentin!) ses sind. Darf ich ihm dazu die Möglichkeit geben? (Beifall des Abg. Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]) Das ist sicherlich wahr. Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Ich finde es falsch, einen Zusammenhang zwi- Innern: schen der Kürzung der Mittel für den Goldenen Gerne. Plan Ost und den Mitteln für die Ski-WM herzu- stellen. Einen solchen Zusammenhang gibt es Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: nicht. Ich habe ausdrücklich begründet, dass ich Die Redezeit ist noch nicht zu Ende. Auch Herr das eine nicht schön und das andere trotzdem Jerzy Montag möchte Ihnen anschließend eine richtig finde. Zwischenfrage stellen. – Herr Kollege Barthle. Ich füge aber eines hinzu: Der Bund ist nach der verfassungsmäßigen Ordnung – ich sage ganz lei- Norbert Barthle (CDU/CSU): se: wenn überhaupt – für die Förderung des Spit- Danke. – Herr Minister, können Sie mir erstens zensportes und nicht für die Förderung des Brei- bestätigen, dass der Goldene Plan Ost ursprüng- tensportes zuständig. Die Förderung des Golde- lich eine andere Intention hatte, als er über die nen Plans Ost war aufgrund des Nachholbedarfs Jahre bekommen hat? Die Mittel dafür wurden und des Erfordernisses des Zusammenwachsens sukzessive abgebaut, bis sie schließlich auf dem im Sport – ähnlich wie im Kulturbereich – nach Level von 2 Millionen Euro gelandet waren. 1990 geboten, erforderlich und sinnvoll. Aber man (Dr. Peter Danckert [SPD]: Der Plan wurde muss fairerweise sagen, dass das nicht ganz der kaputt gemacht!) verfassungsmäßigen Ordnung entspricht. Können Sie mir dazu bestätigen, dass über die (Dr. Peter Danckert [SPD]: Für Kultur sind Konjunkturprogramme für die neuen Bundesländer Sie doch auch nicht zuständig! – Steffen ein Betrag von rund 600 Millionen Euro zur Verfü- Bockhahn [DIE LINKE]: Sie sind für gar gung steht und dieser Betrag nicht in vollem Um- nichts zuständig, außer für Nacktscan- fang abgerufen werden kann, weil den Kommunen ner!) die Möglichkeiten zur Kofinanzierung fehlen? (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Das macht es Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: doch nicht besser, Herr Barthle!) Herr Minister, eine weitere Zwischenfrage stellt der Kollege Montag. Angesichts dieser Tatsache ist der Betrag aus dem Goldenen Plan Ost eine wirklich zu vernachlässi- Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): gende Größe und ist insofern wirklich nur Symbo- Danke, Frau Präsidentin. – Herr Bundesinnen- lik. Diese Symbolik hat 20 Jahre nach der Wieder- minister, Sie haben explizit die bayerischen Grü- vereinigung vielleicht nicht mehr die Strahlkraft, die nen angesprochen. sie einmal hatte. (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Wir ha- Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des ben Ihnen die Ausweitung auf den Wes- Innern: ten angeboten!) Ich habe es angedeutet. Können Sie mir zweitens bestätigen, dass ich nicht Mitglied des Sportausschusses bin und dem- Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2873

Da ich im Moment der einzige Grüne aus Bay- Volkskammer war fleißig und hat in nur sechs Mo- ern im Saal bin, fühle ich mich angesprochen. Ich naten 164 Gesetze verabschiedet. Sie, die frage Sie, ob Sie die Debatte, die die bayerischen schwarz-gelbe Koalition, haben in vier Monaten Grünen über die Bewerbung um die Olympi- nichts vorgelegt, auch nicht in der Innenpolitik. schen Spiele 2018 führen, überhaupt kennen. Wenn wir von der Tagesordnung für den Innen- Uns geht es darum, dass diese Spiele so ökolo- ausschuss und das Plenum in der nächsten Sit- gisch wie möglich sind, dass die Eingriffe in die Al- zungswoche die EU-Vorlagen und die Initiativen pen durch diese Olympischen Spiele so gering wie der Opposition wegnähmen, bliebe nichts mehr zur möglich sind und dass die öffentliche Infrastruktur Beratung übrig. dadurch keinen Nachteil, sondern einen Fortschritt (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Wolf- erfährt. Wissen Sie eigentlich, dass diese Debatte gang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- dazu geführt hat, dass sich die Grünen, die in NEN] – Gerold Reichenbach [SPD]: Gäh- München für die Bewerbung zuständig sind und nende Leere!) seit 20 Jahren mit der SPD in der Stadt regieren, im Münchener Stadtrat einstimmig für die Bewer- Nun könnte man sagen: Die Vorgängerregie- bung ausgesprochen haben und sich die Münche- rungen haben alles zum Thema Innenpolitik gere- ner Grünen auf einer Vollversammlung mit Mehr- gelt, es gibt nichts mehr zu tun. – Aber so ist es heit dafür entschieden haben? Wir werden aber nicht. die Diskussion, ob diese Bewerbung letztendlich Vielmehr sind Sie konzeptionslos, ideenlos, oder zu ökologisch nachhaltigen Spielen führen wird Sie blockieren sich gegenseitig, zum Beispiel beim oder nicht, weiterführen. Thema Vorratsdatenspeicherung. Nach dem Ur- teil des Bundesverfassungsgerichts machen Sie, Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Herr Innenminister, massive Sicherheitslücken Innern: aus, die schnell geschlossen werden müssen, die Herr Montag, ich begrüße Ihre Klarstellung aus- Justizministerin aber will sich Zeit lassen und nati- drücklich. Ich wollte die Grünen nicht tadeln und onale Alleingänge und Schnellschüsse verhindern. aus dem Konsens über die Bewerbung quasi her- ausnehmen. Vielmehr wollte ich versuchen, sie Sie, Herr Innenminister, wollen Integrationspo- komplett mitzunehmen, auch die Landtagsfraktion litik zu einem Schwerpunktthema machen. Sie er- der Grünen in Bayern. höhen die Mittel für die Sprachkurse, aber damit sichern Sie nur den Status quo. Mehr Qualität, Unsere Bewerbung wird überhaupt nur eine mehr Kursangebote für spezielle Gruppen und Chance haben, wenn wir auf Nachhaltigkeit set- bessere Stundenlöhne für die Lehrer lassen sich zen. Ein Alleinstellungsmerkmal unserer Bewer- damit nicht finanzieren. bung ist es gerade, dass vorhandene Sportstätten so genutzt werden sollen, wie es noch nie zuvor (Beifall bei der SPD) bei Olympischen Spielen der Fall war; das ist ein Unser Antrag greift diesen Mangel auf, und wir bit- Markenzeichen. Wir wollen in München zum Bei- ten deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag. spiel alles fußläufig machen. Wir können uns bei der Nachhaltigkeit höchstens gegenseitig überbie- Außerdem war die Neubesetzung der Leitung ten. Aber darüber, dass diese Olympischen Spiele der Abteilung „Migration, Integration, Flüchtlinge, nachhaltig sein sollen, kann es keinen innenpoliti- Europäische Harmonisierung“ im Bundesinnenmi- schen Streit in Deutschland geben. nisterium mit einer entlassenen Staatssekretärin aus Sachsen schon sehr zweifelhaft. Wir bezwei- Da wir uns darin offenbar einig sind, bitte ich Sie feln, dass Sie es mit Ihrer Schwerpunktsetzung alle – bei allem Streit über die öffentliche Sicher- wirklich ernst meinen. heit, den Datenschutz und den Goldenen Plan Ost – herzlich, in dieser Frage an einem Strang zu zie- Sie haben zur Islamkonferenz gesprochen. Wir hen. werden uns dazu äußern, wenn Sie Ergebnisse vorlegen; aber Voraussetzung dafür wäre, dass Ich bedanke mich herzlich. Sie die Ziele benennen, die Sie erreichen wollen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der SPD) In der ersten Lesung zum Bundeshaushalt ha- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: ben Sie, Herr Innenminister, erklärt – ich zitiere –: Nächste Rednerin ist Kollegin Gabriele Fograscher für die SPD-Fraktion. Die erste Aufgabe eines demokratischen Staa- tes ist, Sicherheit in Freiheit zu gewährleisten. (Beifall bei der SPD) Das spiegelt auch unser Haushalt wider. Gabriele Fograscher (SPD): Wie können Sie sich dann erklären – Sie haben Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kol- vorhin versucht, es zu erklären –, dass die Mitglie- legen! Wir haben gerade in einer Gedenkstunde der der CDU/ CSU und der FDP im Haushaltsaus- die Arbeit der 10. Volkskammer gewürdigt. Die schuss die Kürzung des Personaletats bei der 2874 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Bundespolizei und beim Bundeskriminalamt ländern erhebliche Probleme mit dem Erhalt und durchgesetzt haben? dem Neubau von Sportstätten. Hier wäre Ihre Initi- ative gefragt gewesen. Sie sind nicht nur für die (Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben es immer Spitzensportförderung zuständig, sondern Sie sind noch nicht verstanden!) auch Kommunalminister und damit zuständig für Ein Beitrag zu mehr Sicherheit ist das sicherlich die Kommunen. Die schlechte finanzielle Situation nicht. Was Sie erklärt haben, ist einigermaßen ab- der Kommunen in Ost und West sollte auch Ihr surd: Sparen durch Nichtbesetzung von Stellen. Thema sein. (Otto Fricke [FDP]: Morgen erklären Sie wie- der, wir würden zu viele Stellen schaffen!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Sie, Herr Innenminister, sprechen nicht mehr von DIE GRÜNEN) innerer Sicherheit, sondern von öffentlicher Si- Erfolge haben Sie, Herr Minister, bisher nicht cherheit. Neue Begriffe sind leider keine neue Poli- vorzuweisen. Ich nenne nur das Stichwort tik, „SWIFT“: Die Art, wie das Ganze gelaufen ist, war (Beifall bei der SPD) ein ziemliches Desaster. und Sie haben heute nicht erklärt, was das heißt (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Welche Pleite!) und wie sich das in Ihrem Haushalt widerspiegelt. Das werden wir Ihnen auch in Zukunft vorhalten. Politischer Extremismus ist eine Gefahr für die Es gab nämlich kein gemeinsames und kein abge- öffentliche Sicherheit und die Demokratie. Rechts- stimmtes Verhalten innerhalb der Bundesregie- extremismus, Linksextremismus und islamistischer rung. Extremismus sind aber von der Qualität und von (Gisela Piltz [FDP]: Aber Sie haben es mit der Quantität her völlig unterschiedliche Bedro- verantwortet!) hungen. Sie hatte einen schlechten Start, und es geht auch (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- nicht viel besser weiter. ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jan Korte [DIE LINKE]: Richtig!) (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE Ihnen muss mit unterschiedlichen Konzepten und GRÜNEN]: Schwarz-gelbes Chaos!) Instrumenten begegnet werden. Glauben Sie denn wirklich ernsthaft, dass sich mit den Modellprojek- Die Bürgerinnen und Bürger wissen überhaupt ten, die zur Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht mehr, was diese Bundesregierung plant oder entwickelt worden sind und die im Bundesfami- will. Jeder in dieser Regierung sagt etwas anderes, lienministerium angesiedelt sind, auch der islamis- will etwas anderes. Thema „elektronischer Perso- tische Extremismus oder der Linksextremismus ef- nalausweis“: Keiner weiß Bescheid. Eine Forsa- fektiv bekämpfen lässt? Wäre es nicht sinnvoller, Umfrage bescheinigt Ihnen: Nur noch 8 Prozent anstatt im Einzelplan 17 die vorhandenen Mittel der Deutschen haben den Eindruck, dass in dieser auf alle Formen des Extremismus auszuweiten Koalition an einem Strang gezogen wird. und damit die Bekämpfung des Rechtsextremis- (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Recht mus zu schwächen, in Ihrem Hause Konzepte zu haben sie! – Wolfgang Wieland [BÜND- entwickeln, wie den unterschiedlichen Formen des NIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wo kommen die Extremismus begegnet werden kann? 8 Prozent her?) (Beifall bei der SPD) Das ist kein gutes Ergebnis. Neu im Zuständigkeitsbereich des Bundesin- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) nenministeriums ist der Aufbau Ost. Doch was machen Sie da? Wo sind Ihre Konzepte? Was tun Es wird Zeit, dass Sie der Verantwortung, die Sie gegen die Abwanderung? Wie wollen Sie ge- Ihnen von den Wählerinnen und Wählern übertra- gensteuern, damit nicht so viele junge Menschen gen worden ist, gerecht werden: dass Sie nicht nur die neuen Bundesländer verlassen? Wie wollen ankündigen, zum Beispiel ein Arbeitnehmerdaten- Sie dort neue und zukunftsfähige Arbeitsplätze schutzgesetz, sondern dass Sie uns hier etwas schaffen? Bisher sind von Ihnen noch keine Ant- vorlegen. Der Bundeshaushalt und der Haushalt worten auf diese Fragen gekommen. des Bundesinnenministers werden den Herausfor- derungen, vor denen wir stehen, nicht gerecht, und Die große gesellschaftliche Bedeutung des deshalb werden wir das Haushaltsgesetz ableh- Sports war in den vergangenen Jahren die Be- nen. gründung für den Goldenen Plan Ost. Jetzt – wir haben es schon gehört und darüber hier diskutiert (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS – ist er ersatzlos gestrichen. Herr de Maizière, Sie 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- sind jetzt auch Beauftragter für die neuen Länder. ten der LINKEN) Es gibt inzwischen aber auch in den alten Bundes- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2875

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: denn die Vorratsdatenspeicherung hier Nächste Rednerin ist die Kollegin Gisela Piltz für mitzuverantworten? Wer hat die Pendlerpauschale die FDP-Fraktion. zu verantworten? Wer hat die Beschneidung der (Beifall bei Abgeordneten der FDP und Minderheitenrechte im Visa-Untersu- chungsausschuss und der Parlamentsrechte bei der CDU/CSU – Dr. Peter Danckert [SPD]: Sie spricht über den elektroni- den AWACS-Einsätzen zu verantworten? schen Personalausweis! – Jan Korte [DIE LINKE]: Wir erwarten eine Erklärung!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Frau Kollegin. Gisela Piltz (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle- Gisela Piltz (FDP): gen! Innenpolitik ist – das weiß hier jeder – Verfas- Das waren stets Sie, und das müssen Sie sich sungspolitik. Der Innenminister ist auch Verfas- auch vorhalten lassen. Wenn Frau Fograscher uns sungsminister, und der Innenhaushalt ist der Ver- hier auffordert, uns einmal unsere Regierung vor- fassungshaushalt. Daher muss es darum gehen, zunehmen, dann kann ich Ihnen nur eines sagen: die richtigen Rahmenbedingungen auch über den Ich warte auf den Tag, an dem sich die SPD end- Haushalt zu schaffen. Dazu gehört aus unserer lich wieder zu dem bekennt, was sie hier gemacht Sicht die richtige Balance zwischen Freiheit und hat. Es schadet nämlich der Demokratie, wie sie Sicherheit. Ich glaube, wir haben angefangen, die- hier mit ihren eigenen Entscheidungen umgeht. Es ses Ziel zu erreichen, und wir sind mit dieser geht nicht um das, was man in der Opposition christlich-liberalen Koalition auf einem guten Weg. sagt, sondern um das, was man in Regierungsver- antwortung gemacht hat. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir setzen nämlich neue Akzente. Dazu müssen Sie stehen. Das tun Sie nicht, und (Jan Korte [DIE LINKE]: Das stimmt doch gar das werden Sie nicht tun. Das ist unser Problem. nicht!) Sie spielen in der Demokratie nämlich eine – Wenn Sie das so machen wie immer, müssen schlechte Rolle. Sie sich von mir auch gefallen lassen, dass es so (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten wie immer kommt. der CDU/CSU) Ich möchte einmal ein Wort an die SPD richten. Sie haben in den letzten elf Jahren Verantwortung Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: in der Innenpolitik getragen – vier Jahre lang wa- Frau Kollegin Piltz, gestatten Sie eine Zwischen- ren Sie in der sogenannten Großen Koalition mit frage des Kollegen Hartmann? der CDU/CSU –, und Sie haben die Justizminister gestellt. Sie haben etliche Gesetze beschlossen, Gisela Piltz (FDP): die vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Be- Ja. stand gehabt haben. Ich verweise darauf, dass vor gut zwei Wochen das Bundesverfassungsgericht Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): die Vorratsdatenspeicherung gekippt hat, für die Liebe Kollegin Piltz, da wir ja beim Thema Be- Sie Verantwortung tragen. kenntnisse und Amnesie sind, möchte ich Sie fra- (Beifall bei der FDP) gen: Fällt Ihnen denn das Bekenntnis leicht, dass es das Land Nordrhein-Westfalen mit einem FDP- Wenn nun Herr Gabriel sagt, die FDP sei eine Partei Innenminister war, der die Onlinedurchsuchung mit Führungspersonen, die – ich zitiere wörtlich – ins Gesetzblatt schreiben wollte und dafür zu „jung“, „gnadenlos“, „rücksichtslos“ und „verfassungs- Recht vom Verfassungsgericht, das dieses ablehn- feindlich“ sind, te, abgewatscht wurde? ( [FDP]: Unerhört! – Florian Toncar [FDP]: Frechheit!) Gisela Piltz (FDP): dann muss ich sagen: Ich freue mich über die Be- Herr Hartmann, was mir zum Thema „Stellung- zeichnung „jung“ – vielen Dank! –; aber der Rest nahme des Bundesverfassungsgerichts zu den ist einfach politische Amnesie. Eines ist klar: Sie von NRW vorgeschlagenen Onlinedurchsuchun- haben das entsprechende Gesetz verabschiedet gen“ vor allen Dingen einfällt, ist, dass der dama- und nicht wir. lige Innenminister Herr Schily (Beifall des Abg. Marco Buschmann [FDP]) (Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Nein! – Dr. Peter Danckert [SPD]: Herr Wer, wenn nicht Sie, liebe Kolleginnen und Kol- Wolf! – Zuruf von der FDP: SPD!) legen von der SPD, hat denn das verfassungswid- rige Luftsicherheitsgesetz eingeführt? Wer hat – vielen Dank –, SPD, 2876 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

(Dr. Peter Danckert [SPD]: Das war doch Herr (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE Wolf!) GRÜNEN]: Ich hatte schon Angst, Sie vergessen uns!) sich auf Bundesebene nicht einmal bemüht hat, das Ganze, obwohl es verfassungswidrig war, per Sie sind doch jetzt mein persönlicher Mackie Mes- Gesetz zu regeln, sondern geglaubt hat, das Gan- ser. ze mit einer internen Verwaltungsanweisung re- (Heiterkeit bei der FDP) geln zu können. Erst als die FDP Druck gemacht hat, nachdem wir es im Haushalt gesehen hatten, Das, was Sie hier gemacht haben, ist nachvoll- wurde das überprüft. Der Anstoß dazu kam nicht ziehbar, aber auch sehr durchsichtig. von Ihnen. Sie haben das mitverantwortet; (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Dr. Peter Danckert [SPD]: Das war doch Herr NEN]: Nein!) Wolf!) Ich muss die Grünen jetzt doch wieder fragen – wir haben es kritisiert. Das fällt mir dazu ein. Das ich hatte es mir heute eigentlich ersparen wollen –: müssen Sie sich vorhalten lassen, meine Damen (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- und Herren von der SPD. NEN]: Sie wollten nach vorne gucken!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Was ist denn mit dem Luftsicherheitsgesetz, das Dr. Peter Danckert [SPD]: Das war Herr Sie verabschiedet haben? Wolf!) (Otto Fricke [FDP]: Sehr richtig!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Was ist mit der Aufhebung des Bankgeheimnisses, Frau Kollegin, gestatten Sie eine weitere Zwi- die Sie vorgenommen haben? Was ist mit den so- schenfrage des Kollegen Korte? genannten Otto-Katalogen, die Sie mitverabschiedet haben Gisela Piltz (FDP): (Otto Fricke [FDP]: Der Mackie Messer! – Ja, macht Spaß, vielen Dank. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat vor dem Bundesver- Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: fassungsgericht Bestand gehabt!) Herr Korte, bitte. und durch die das Trennungsgebot aufgeweicht wurde, mit denen Sie eine Vorverlagerung straf- Jan Korte (DIE LINKE): rechtlicher Ermittlungen, biometrische Datenerfas- Liebe Kollegin Piltz, vielleicht können wir uns sung eingeführt haben, mit denen Sie den Verfas- darauf einigen, dass Sie beide in der Innenpolitik sungsschutz ausgeweitet und, zur Krönung, noch Mist gebaut haben. die Weitergabe von PNR-Daten an die USA er- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) möglicht haben? Dem hat Ihr damaliger Außenmi- nister Fischer zugestimmt. Nur so viel zu Ihrer tol- Mich würde jetzt interessieren, dass Sie als len Bilanz als Bürgerrechtspartei. Das müssen Sie FDP-Abgeordnete, deren Partei ja an der Bundes- sich sagen lassen. Was Sie da gemacht haben, regierung beteiligt ist, dem Bundestag mitteilen, war nichts Konstruktives. Sie wollen dazu nicht was Sie nun zu tun gedenken mit den ganzen Sa- wirklich etwas sagen. Sie können dazu nichts sa- chen, die mistigerweise beschlossen worden sind. gen. Auch zu diesem Haushalt haben Sie nichts (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE Konstruktives gesagt. Das ist leider Ihre Bilanz. GRÜNEN]: Außer es mit diesem Haushalt zu finanzieren!) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Danach möchte ich fragen. Es wäre doch Aufgabe des Mitglieds einer der Koalitionsfraktionen, das Wir, die Koalition von CDU, CSU und FDP, ha- ben uns vorgenommen, den Datenschutz zu ver- dem Bundestag einmal mitzuteilen. bessern. Das ist ja etwas, was die SPD in elf Jah- (Beifall bei der LINKEN) ren nicht geschafft hat. Wir haben endlich eine personelle Aufstockung beim Bundesdatenschutz- Gisela Piltz (FDP): beauftragten durchgesetzt. Herr Wiefelspütz hat Ich danke Ihnen für die Frage. Ich könnte jetzt das witzigerweise immer nach den Haushaltsbera- unfairerweise den Rest meiner Rede auf Ihre Kos- tungen gefordert, konnte sich damit aber nie ten halten. Aber da ich Ihnen ersparen möchte, durchsetzen. So kann man das auch machen. noch 3 Minuten und 53 Sekunden zu stehen, ver- Zur Stiftung Datenschutz. Wir arbeiten gerade spreche ich Ihnen schon jetzt, dass Sie gleich er- daran, aber, Herr Korte – das müssen Sie sich sa- fahren, was wir wollen. Damit ist, wie ich glaube, gen lassen –, zur Haushaltswahrheit und -klarheit die Frage beantwortet. gehört auch, dass man erst dann Beträge in den Herr Kollege Wieland, Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2877

Haushalt einsetzt, wenn die Mittel dafür auch be- wurde, wie Sie es sehen? Vielmehr wurde hier Rot- nötigt werden. Grün in der Ansicht bestätigt, dass man in bestimmten Fällen den Strömen des Geldes folgen kann und muss, (Jan Korte [DIE LINKE]: Wann denn?) auch wenn es einer bestimmten Klientel und einer Par- Wir gehen davon aus, dass wir die entsprechen- tei, die sich immer zur Schutzpatronin dieser Klientel den Regelungen bis Ende dieses Jahres verab- macht, wehtun mag. schiedet haben. Dafür werden wir dann im nächs- (Dr. Peter Danckert [SPD]: Die Mövenpick- ten Haushalt entsprechende Mittel ansetzen. Partei!) (Zuruf von der SPD: Ich glaube euch! – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD], an die CDU/ Gisela Piltz (FDP): CSU gewandt: Es ist eine Schande, mit einem Herr Wieland, wenn ich das mit einer unchar- solchen Koalitionspartner Politik zu machen!) manten Gegenfrage beantworten darf, Wir setzen darüber hinaus auch auf die Arbeit (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE von engagierten Polizistinnen und Polizisten, die in GRÜNEN]: Nein, eigentlich sollten Sie ihrer täglichen Arbeit Recht und Gesetz selbstbe- antworten! – Ute Kumpf [SPD]: Sie wei- wusst anwenden. Deshalb haben wir – das fällt ja chen aus!) in den Bereich des Bundes – die operative Ein- satzbereitschaft des BKA durch Bereitstellung zu- dann frage ich Sie, ob Ihnen entfallen ist, dass die sätzlicher Mittel verstärkt. Dass das bisher nicht FDP immer der Ansicht war, dass nicht alles, was geschehen ist, haben wir in der Vergangenheit ja das Bundesverfassungsgericht für machbar erklärt immer kritisiert. Das erfolgt nun. hat, auch umzusetzen ist. (Florian Toncar [FDP]: So ist es!) Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Das ist unsere Maxime, und das gilt in diesem Fall Frau Kollegin Piltz, darf ich Sie noch einmal un- wie auch bei allen anderen Entscheidungen des terbrechen? Sie sehen das zwar nicht, weil die Bundesverfassungsgerichts. Kollegen nicht aufstehen, wenn sie sich zu Wort melden. Das wäre vielleicht eine gute Anregung. (Beifall bei der FDP – Ute Kumpf [SPD]: Gerade so, wie Sie es wollen! – Jan Korte Gisela Piltz (FDP): [DIE LINKE]: Was ist mit der Vorratsda- Also ehrlich, ich finde, ein bisschen Respekt tenspeicherung?) könnte Mackie Messer seiner Seeräuber-Jenny Ob Ihnen die Frage damit beantwortet scheint oder schon entgegenbringen. nicht, Herr Wieland, weiß ich nicht; aber mehr wer- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten den Sie, so leid es mir tut, dazu von mir nicht hö- der CDU/CSU) ren. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: GRÜNEN]: Dann wird das jetzt ja wohl Der Kollege Wieland möchte eine Zwischenfra- auch für die Vorratsdatenspeicherung gel- ge stellen; sie wird offensichtlich gestattet. – Bitte, ten! Wir werden sehen!) Herr Kollege. Die Bundespolizei ist hier schon angesprochen (Jan Korte [DIE LINKE]: Sollen wir herausge- worden. Leider ist sie nach der letzten Reform, die hen?) wir nur kritisieren konnten, noch nicht ganz zur Ruhe gekommen. Aber – das ist hier heute schon Gisela Piltz (FDP): gesagt worden – mit dem Einsatz in Afghanistan Nein, das Fernsehen ist dabei. Ich bin ja für Da- tragen die Kolleginnen und Kollegen Mitverantwor- tenschutz. tung für den Polizeiaufbau in der dortigen Region. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir hier mehr Mittel zur Verfügung stellen. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Im Zusammenhang mit mehr Mitteln frage ich Frau Kollegin Piltz, ich habe so großen Respekt mich, was die Opposition eigentlich will. Wenn wir vor Ihnen, dass ich mich nicht hinstellen wollte, mehr Mittel für irgendetwas zur Verfügung stellen, bevor Sie meine Zwischenfrage zulassen. Nun, wo werden wir von Ihnen kritisiert. Aber wenn wir spa- Sie es getan haben, tue ich das gerne. ren, werden wir ebenfalls kritisiert. Ich finde, das passt alles nicht zusammen, was Sie hier machen. Sie haben eben zu Recht darauf hingewiesen, dass Rot- Grün ein Luftsicherheitsgesetz beschlossen hat, das vor (Jan Korte [DIE LINKE]: Die Politik passt dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand hatte. Ist nicht!) Ihnen aber entfallen, dass bei den sogenannten Otto-Ka- talogen insbesondere das von Ihnen gerügte, angeblich Das ist nicht klug, sondern eher langweilig für uns. verfassungswidrige Eindringen in das Bankgeheimnis vom Bundesverfassungsgericht gerade nicht so gesehen 2878 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE Vielen Dank. GRÜNEN]: Danke gleichfalls! – Dr. Peter (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Danckert [SPD]: Langweilig, das stimmt!)

Die christlich-liberale Koalition hat sich auch auf Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: die Fahne geschrieben – dazu hat der Minister be- Nächster Redner ist der Kollege Stephan Kühn reits vorgetragen –, die Sicherheitsarchitektur für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. auf Doppelzuständigkeiten und Reibungsverluste zu überprüfen. Denn es macht keinen Sinn, dass Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): man sich an der einen Stelle auf die Füße tritt, Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegin- während anderswo Personal gebraucht werden nen und Kollegen! Ich möchte gleich an die The- könnte. Wenn wir nur wenige Mittel zur Verfügung men Goldener Plan Ost und Ski-WM anknüpfen. haben, müssen wir sie effektiv einsetzen. Auch Ich sage das einmal aus haushalterischer Sicht: das ist ein gemeinsames Ziel, das wir jetzt in An- Sie haben einen investiven Haushaltstitel gestri- griff nehmen. chen und dafür einen konsumtiven Haushaltstitel Zur Achtung der Grundrechte und des Rechts- aufgesetzt. staates gehört aus unserer Sicht auch die politi- (Beifall des Abg. Dr. Peter Danckert [SPD]) sche Bildung. Hier werden die Grundlagen für unsere Verfassung und unsere Gesellschaft ge- Wenn die Veranstaltung in Garmisch so lukrativ schaffen. Deshalb ist es richtig, dass wir die Bun- ist – übrigens so lukrativ, dass dort in umfangrei- deszentrale für politische Bildung mit 3 Millionen cher Form Bergwald gerodet wurde –, verstehe ich Euro mehr ausstatten. Das ist übrigens mehr, als nicht, warum sich nicht ausreichend Sponsoren von der SPD in den letzten Jahren zu diesem finden lassen, um das Kulturprogramm für diese Thema zu hören war. Veranstaltung zu finanzieren. (Beifall bei der FDP) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD) Denn auf die Große Anfrage der FDP-Fraktion in der letzten Legislaturperiode antwortete das Jus- Es ist natürlich richtig, dass der Breitensport ei- tizministerium zwar, dass politische Bildung not- ne Angelegenheit der Kommunen ist. Wenn aber wendig sei – die schwarz-gelbe Bundesregierung den Kommu- nen jeden finanziellen Spielraum, um überhaupt in (Jan Korte [DIE LINKE]: Das wäre hier auch ihre Sportstätten investieren zu können, raubt, notwendig!) dann ist das keine gute Voraussetzung und schafft möglicherweise ist da bei Ihnen schon ein Fort- auch keine guten Bedingungen für spätere Ent- schritt zu erkennen –, aber beim Haushalt hörte Ih- wicklungen im Bereich des Spitzensports. So viel re Liebe wohl auf. Das bedauern wir. dazu. Zum Schluss noch kurz zum Sport; das Beste kommt immer zum Schluss. Hier ist viel über den (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Reden Sie mal Goldenen Plan Ost gesprochen worden. Ich glau- mit Ihren Kollegen im Sportausschuss!) be, es macht Sinn, auch einmal zu schauen, für was der Bund wirklich zuständig ist und ob er auf Ich möchte zu dem Aspekt kommen, dass der ewig für Breitensportförderung in den Kommunen Minister die Zuständigkeit für die Angelegenheiten zuständig ist. der neuen Länder sozusagen geerbt hat. Ich finde, es ist grundsätzlich eine richtige Entscheidung, (Dr. Peter Danckert [SPD]: Was ist denn dass nicht mehr das Verkehrsministerium, sondern mit Kultur? – Gegenruf des Abg. Otto Fri- das Innenministerium dafür zuständig ist. Wir be- cke [FDP]: Kultur ist Ländersache! – trachten also das Thema Aufbau Ost nicht mehr Gegenruf des Abg. Dr. Peter Danckert durch eine reine Infrastrukturbrille. [SPD]: Eben! Deshalb geben wir 1,5 Millionen für Garmisch!) Richtig ist auch, die Förderinstrumente für den Aufbau Ost zu evaluieren. Das haben Sie sich ja Auch das gehört zur Ehrlichkeit. Wir freuen uns da- vorgenommen, Herr Minister. Ich denke, das ist rüber, dass wir die Großereignisse unterstützen richtig und notwendig. Es darf natürlich nicht nur können. Über die Auflage einer Münze könnten sie bei wissenschaftlichen Analysen und Forschungs- sich fast selbst finanzieren. Wir werden alles dafür programmen bleiben. Auch teilen wir die Ansicht, tun, dass die Olympischen Spiele 2018 nach dass die Gießkanne kein geeignetes Förderin- Deutschland kommen. strument ist. Wir meinen, dass es eine stärkere Wir freuen uns auf die nächsten dreieinhalb Jah- und flexiblere Akteurs- und Innovationsförderung re und würden uns auch über eine konstruktive gerade für kleine und mittelständische Unterneh- Opposition freuen. men in den neuen Bundesländern geben muss. (Florian Toncar [FDP]: Darauf warten wir noch (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) lange!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2879

Sie haben sich als Schwerpunkt Maßnahmen jetzt „Förderung von Projekten für demokratische zur Stärkung der Strukturen und Innovationsfähig- Teilhabe und gegen Extremismus in Ostdeutsch- keit der ostdeutschen Wirtschaft gesetzt. Nun ist land“. Sie haben lautstark verkündet: Damit ist kei- die Fotovoltaik eine der wichtigsten Industrien in ne Kürzung des Programms verbunden. In der Er- Ostdeutschland mit einem ausgeprägten Spitzen- läuterung zum Berichterstattergespräch heißt es cluster Solarvalley Mitteldeutschland und mit gro- aber: Die in Planung befindlichen Programmansät- ßer wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischer Bedeu- ze sind nicht auf eine Bekämpfung des Rechtsex- tung. Es gibt mehr als 55 000 Arbeitsplätze und ei- tremismus beschränkt. – Das bedeutet bei glei- ne breite Forschungslandschaft. Es heißt ja immer, chem Haushaltsansatz eine Kürzung der Mittel für im Osten würden nur verlängerte Werkbänke ste- Projekte gegen rechts, und nichts anderes. hen. Das ist in diesem Fall nicht so. Ostdeutsch- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei land hat sich zu einem der weltweit bedeutendsten der SPD und der LINKEN) Standorte für die Produktion von Solaranlagen entwickelt. 90 Prozent der Produktion in Deutsch- Obwohl alle 26 Minuten in Deutschland eine land kommen aus den neuen Bundesländern. rechtsextremistische Straftat begangen wird – 20 Prozent der weltweiten Produktion fallen auf die 20 000 im Jahr 2008 –, obwohl über 100 Todesop- fünf neuen Bundesländer. In vielen Bereichen sind fer von Gewalttaten mit rechtsmotiviertem Hinter- wir da Weltmarktführer. grund zu beklagen sind, werfen Sie rechten und linken Extremismus in einen Topf. Die von der Bundesregierung geplanten Kür- zungen der Solarförderung gefährden diese auf- (Jürgen Herrmann [CDU/CSU]: Ist Links- gebauten Strukturen. Sie werden Arbeitsplätze extremismus nicht so schlimm? Sie mes- kosten und vor allen Dingen den Einstieg von chi- sen mit zweierlei Maß! – Otto Fricke nesischen Billigprodukten bedeuten. [FDP]: Was ist denn weniger schlimm?) (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE Das ist meines Erachtens nicht verantwortbar. Herr GRÜNEN]: Unglaublich! – Gisela Piltz Minister, Sie kommen wie ich aus Sachsen und [FDP]: Sind Sie sicher, dass Sie zum Ein- kennen die Situation vor Ort. Gemessen an der zelplan 06 sprechen?) Einwohnerzahl werden die meisten rechtsextremis- tischen Straftaten in Ostdeutschland verübt. Das Es geht hier um Industriepolitik und Technolo- muss man einfach zur Kenntnis nehmen. In der gieförderung in den neuen Bundesländern. Inso- Sächsischen Schweiz oder im Muldentalkreis ha- fern wundert es mich, Herr Minister, dass Sie dazu ben wir kein Problem mit Islamismus oder Linksex- kein Wort verloren haben. tremismus. Aber in den NPD-Hochburgen haben (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wir ein großes Problem mit Rechtsextremismus. sowie bei Abgeordneten der SPD und der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei LINKEN) der SPD und der LINKEN) Ich hätte erwartet, dass Sie sich als Minister, der Die Arbeit gegen Rechtsextremismus braucht ein- für die neuen Bundesländer zuständig ist, gegen fach langfristige Sicherheiten vom Bund, damit lo- eine überhöhte Kürzung bei der kale Initiativen gegen rechts, mobile Beratungs- Einspeisevergütung ausgesprochen hätten. Es teams, Opferberatungsstellen und Bildungsprojek- ist ganz klar: Aufgrund der Kürzung zum 1. Januar te arbeiten können. Diese lassen Sie jetzt im Un- 2010 und der jetzt geplanten Kürzung müssten die klaren; dafür habe ich kein Verständnis. Das ist Unternehmen eine Produktivitätssteigerung von keine verantwortungsvolle Politik, meine Damen 30 Prozent innerhalb eines Jahres schaffen. Das und Herren. ist sicherlich nicht machbar. Die Kürzung in dieser Form würde bedeuten, dass das, was als (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Pflänzchen in den neuen Bundesländern aufge- der SPD und der LINKEN) blüht ist, wieder verwelkt. Ich erwarte von Ihnen als Minister, dass Sie sich hör- und sichtbar – ähnlich Vizepräsident Dr. h. c. : wie Ihre Landeskollegen – gegen diese überzoge- Das Wort hat nun Kollege Hans-Peter Uhl für ne Kürzung aussprechen. die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der CDU/CSU) sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): Zum Schluss möchte ich noch auf ein Thema zu Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen sprechen kommen, das Kollegen vor mir schon und Kollegen! Der Rückgang der Haushaltsmittel angesprochen haben und das sehr wesentlich ist. des BMI um 128 Millionen Euro wird sicher schwie- Sie haben eine Haushaltstiteländerung vorge- rig umzusetzen sein; aber es wird nur der Einstieg nommen. Sie klingt zunächst einmal recht unspek- in eine ganze Kette von Reduzierungen unserer takulär: „Förderung von Projekten gegen Rechts- Haushalte, auch des Haushalts des BMI, sein. extremismus in den neuen Bundesländern“ heißt Deswegen halte ich es für richtig, Herr Minister, 2880 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 dass Sie eine Kommission einrichten werden, die – Auch Sie, Herr Wieland, werden mit einem sol- sich die Sicherheitsarchitektur zumindest des Bun- chen Ausweis sicher identifiziert werden können, des, aber wohl auch in ganz Deutschland, vor- auch im Internet. nimmt. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE Wir haben – daran wollen wir natürlich nichts GRÜNEN]: Ich brauche den nicht! – ändern – die Hoheit der Länder über die Polizeien. Dr. Peter Danckert [SPD]: Den Wieland kennt man ja!) (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Daran arbeiten wir! – Obwohl man Sie kennt, wird es auch Ihnen nichts schaden. In München kennt Sie Gott sei Dennoch muss man sehen, dass bei 16 Bundes- Dank niemand, und da brauchen Sie einen sol- ländern auch gewisse Zentrifugalkräfte wirken. chen Ausweis. Das ist wohl systemimmanent, und deswegen muss man sehen, wie man in einer Sicherheitsar- Dieser Ausweis wird kommen. 13 000 Kommu- chitektur, die in unsere Zeit passt, Synergieeffekte nen sind dabei, sich darauf vorzubereiten. Über erzeugen und Einsparungen erzielen kann, das 100 Firmen sind jetzt schon dabei, zu investieren. heißt, mit gleichen Haushaltsmitteln mehr Si- Das lässt sich nicht rückgängig machen, denn das cherheit organisieren kann als zuvor. löst Schadenersatzprozesse in horrendem Aus- maß aus. Das will auch niemand rückgängig ma- Wir haben im Bereich der IT-Kommunikation chen, das kommt zum Vollzug. mit dem IT-Planungsrat bereits einen ersten Schritt getan. 18 Milliarden Euro werden durch den Bund, (Dr. Peter Danckert [SPD]: Doch, die FDP!) die Länder und die Kommunen jedes Jahr für IT- Lassen Sie mich noch einen Satz zur Vorrats- Beschaffungen ausgegeben. Das heißt, hier ist ein datenspeicherung sagen. weites Feld für Koordination und Zusammenarbeit, hier kann man sparen, wenn man sich auf die rich- (Florian Toncar [FDP]: Aha!) tigen Systeme verständigt, die dann auch von allen Das Urteil dazu haben wir zur Kenntnis genom- Sicherheitsbehörden genutzt werden können. men; wir haben es in gewisser Weise sogar vo- E-Government wird unsere Welt revolutionie- rausgesehen. ren. Dem werden wir Rechnung tragen. Wir wer- (Florian Toncar [FDP]: Das war keine Überra- den auf andere Weise mit den Behörden beim schung!) Bund, bei den Ländern und den Kommunen kom- munizieren können. Das Ganze wird benutzer- Ich habe immer gesagt – bei irgendeiner Fernseh- freundlicher, und dies ist gut so. sendung habe ich sogar eine Wette abgeschlos- sen –: Das Bundesverfassungsgericht wird diese Das De-Mail-Gesetz, das wir mit der SPD in der Vorratsdatenspeicherung, das Speichern von Ver- letzten Wahlperiode nicht mehr verabschieden kehrsdaten dem Grunde nach für verfassungsge- konnten, gehen wir jetzt energisch an. Es wird da- mäß erklären – das hat es getan –, wird aber wohl zu beitragen, dass wir zertifizierte, sichere E-Mails sagen, dass es mit Blick auf die Anwenderseite versenden können, sowohl im geschäftlichen Be- vielleicht da und dort doch zu weit gehe; auch dies reich als auch im Umgang mit Behörden. Die Wirt- hat es getan. Dies setzen wir jetzt um. schaft legt größten Wert auf dieses Gesetz. Die deutschen Versicherer versenden pro Jahr circa Jetzt erzähle ich Ihnen etwas. Gestern war der 800 Millionen Briefe. Sie könnten also durch einen Präsident des Bundeskriminalamtes bei uns und sicheren E-Mail-Verkehr einen großen Teil dieser hat von einem erschütternden Fall berichtet. Ein Briefe elektronisch versenden. Dies bedeutet, dass Mann missbraucht permanent seine beiden min- dadurch allein für die Versicherungswirtschaft Ein- derjährigen Töchter, rühmt sich im Pädophilen- sparungen von mehreren Hundert Millionen Euro Chat fortlaufend mit dieser Tat und kündigt an: Ich erzielt werden könnten. mache das auch am kommenden Wochenende. Das Bundeskriminalamt will diesem Verbrecher auf Der elektronische Personalausweis ist hier die Spur kommen und versucht, seine IP-Adresse schon mehrfach angesprochen worden; er wird zu bekommen. Wäre sie gespeichert, könnte das kommen. Dazu läuft gerade ein Countdown ab, der Bundeskriminalamt diesen Mann festnehmen und seinen Höhepunkt am 1. November haben wird, diese unerträglichen Verbrechen sofort stoppen. wenn der elektronische Personalausweis einge- Aber er hat uns nachweisen können, dass die IP- führt werden wird. Er wird ein Mehr an Sicherheit Adresse vom Provider nicht gespeichert wird. bringen. Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Dr. Peter Danckert [SPD]: Die FDP ist darf die Information auch nicht abgerufen werden, damit nicht einverstanden! – Wolfgang selbst wenn sie gespeichert worden wäre. Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE Frau Piltz wird das verhindern!) GRÜNEN]: Das stimmt doch nicht! Sie haben eine Ausnahme für IP-Adressen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2881

gemacht! Sie haben es offenbar nicht ge- von einem Hells Angel ohne Vorwarnung, ohne lesen!) Androhung und ohne erkennbare Gefährdung durch die geschlossene Tür erschossen. Er war – Herr Wieland, ich werde es Ihnen schriftlich ge- trotz Schutzweste und allem anderen, was an Si- ben, damit Sie den Ernst der Lage erkennen. Die cherheitsmaßnahmen vorgenommen wurde, sofort Äußerung der Linken, wir sollten bei solchen Ver- tot. brechen erst einmal innehalten, wird zu einer Zu- mutung für jeden Bürger, der sich an die Regeln Es steht uns gut zu Gesicht, einen Moment an unseres Rechtsstaates hält. ihn und seine Angehörigen zu denken und uns gemeinsam vor Augen zu führen, dass Polizist (Beifall bei der CDU/CSU) bzw. Polizistin zu sein ein lebensgefährlicher Beruf Wir werden uns von den Sicherheitsbehörden sein kann. Deshalb hat die Polizei, egal wo sie Fälle dieser Art berichten lassen. Wir werden keine eingesetzt ist, unsere volle und uneingeschränkte Ruhe geben, bis Fälle dieser Art in unserem Land Unterstützung verdient. gestoppt werden und bis die Sicherheitsbehörden (Beifall im ganzen Hause) in die Lage versetzt werden, durch Heraussuchen dieser Vorratsdaten solchen Verbrechern das Den größten Polizeikörper in Deutschland un- Handwerk zu legen. Dazu sind wir verpflichtet, terhält der Bund mit seiner Bundespolizei. Rund egal in welcher Partei man ist. 40 000 Beamtinnen und Beamten sind dort be- schäftigt und versehen pflichtbewusst ihren Dienst. (Beifall bei der CDU/CSU – Britta Es wird ihnen aber seit 2008 mit dem, was sich Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Reform nennt, nicht leichter gemacht, ihren Dienst NEN]: Wo ist denn der gemeinsame Ge- pflichtbewusst und korrekt zu versehen. Wir haben setzentwurf?) am 1. März 2008 ein Gesetz verabschiedet – auch Ich freue mich, dass wir ein sehr viel weicheres mit Stimmen der Sozialdemokratie –, das eine Re- Thema hier bereits mehrfach besprochen haben. form der Bundespolizei auf den Weg bringen soll- Deswegen kann ich mich kurzfassen. Die Winter- te. Reform bedeutet Verbesserung. Es soll besser olympiade 2018 sollte nach München und Gar- werden, auch wenn es beim Umorganisieren da misch kommen. Wie ich mitbekomme, sind alle und dort rumpelt. dabei, dieses Vorhaben zu unterstützen. Das ist Wir sind nun bei der Evaluation. Dem Innenaus- gut so. Das Mini Bid Book ist beim Internationalen schuss wurde ein Bericht zugeleitet. Gott sei Dank Olympischen Komitee eingegangen. Die weiteren haben wir als Sozialdemokraten im Jahr 2008 ge- Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Alle ma- fordert, dass diese Evaluation durchgeführt wird. chen mit: auf Bundesebene federführend der Bun- Die Widerstände – ich erinnere mich sehr gut an des-innenminister, der Bundesfinanzminister mit einzelne Diskussionen und Verhandlungsrunden – Unterstützung des Bundesverteidigungsministers bei unserem damaligen Koalitionspartner waren al- durch die Bereitstellung der Flächen für das Olym- les andere als gering. pische Dorf. Weil alle mitmachen, bin ich zuver- sichtlich, dass wir im Wettbewerb mit Südkorea (Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Oh ja!) und Frankreich am 6. Juli nächsten Jahres die Na- Es war aber richtig, diese Evaluation durchführen se vorn haben und sagen können: Der Zuschlag zu lassen. geht an Deutschland. Ich danke allen Mitgliedern dieses Parlaments für jedwede Unterstützung die- Nun liegt uns der Bericht vor. Herr Minister, über ses Vorhabens. diesen Bericht müssen wir intensiv und detailge- nau reden. Das sind wir den Beamtinnen und Be- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) amten schuldig. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Kollege Michael Hartmann für Lassen Sie mich eines sehr deutlich feststellen die SPD-Fraktion. – viele von uns haben Standorte der Bundespolizei (Beifall bei der SPD) in ihren Wahlkreisen; Sie wissen deshalb, dass ich das nicht leichtfertig oder aus einer einseitig ge- Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): färbten, parteipolitisch geprägten Sicht der Dinge heraus formuliere –: In diesem Bericht ist nur eine Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es lag in der Natur der Sache, dass Feststellung richtig. Sie lautet: bei der heutigen Debatte über den Haushalt des Die personalwirtschaftliche Umsetzung der Innenministers viel von innerer Sicherheit und der Neuorganisation dauert noch an. Polizei die Rede war. Selbst diese Formulierung ist beschönigend und Ich möchte in diesem Zusammenhang an ein bemäntelnd. Das weiß man, wenn man sich an- schreckliches Ereignis erinnern, dass sich gestern schaut, wie sehr diese Reform eine misslungene in meinem Heimatbundesland Rheinland-Pfalz zu- ist. Sehr geehrter Herr Minister, wir dürfen es nicht getragen hat. Dort wurde ein Beamter des SEK länger hinnehmen, dass diese engagierte Polizei- 2882 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 einheit, die größte in der Bundesrepublik Deutsch- Das sagen Ihnen alle Leute, die sich fachlich und land, noch weiter beschädigt wird durch große or- im Detail mit der Bundespolizei beschäftigen. ganisatorische und strukturelle Fehler, die dieser Last not least, Herr Minister: Die Sozialverträg- Reform immanent sind. lichkeit der Umsetzung war eine große Über- (Beifall bei der SPD) schrift bei dieser ganzen Reform. Ich selbst und si- cher auch viele Kolleginnen und Kollegen der Re- Ich will das im Einzelnen begründen – ich nenne gierungsfraktionen haben eine Vielzahl berechtig- einige wenige Punkte, die wichtig genug sind –: ter Beschwerden und Klagen von Beamten erhal- Erstens. Die Aussage Ihres Vorgängers war: ten, die aus sozialen Gründen nicht versetzt wer- mehr Polizei in der Fläche. Rund 1 000 Polizei- den wollen, die aber versetzt werden sollen, um beamtinnen und -beamte mehr sollten in der Flä- die Fehlorganisation auszugleichen. Das kann es che tätig sein und die Bundespolizei bei bahnpoli- nicht sein. Helfen Sie bitte mit – gemeinsam in die- zeilichen und sonstigen Aufgaben offensiv unter- sem Haus –, damit den Beamtinnen und Beamten stützen. Tatsächlich ist es so, dass rund Recht widerfährt und das Versprechen von der so- 1 200 Beamtenplanstellen – davon war schon die zialverträglichen Umsetzung eingehalten wird. Rede – nicht besetzt sind. Wo ist mehr Polizei in (Beifall bei der SPD) der Fläche? Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben weniger Polizei in der Fläche als zuvor. Allein das Diese Reform war die dritte in 15 Jahren, die ist ein Punkt, der beweist, dass diese Reform eine über die Bundespolizei hinweggezogen ist, und misslungene ist, Herr Minister. wahrhaftig nicht die gelungenste. Ich denke, ich konnte das begründen und ausführen. Herr Minis- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Wolf- ter, ich habe die herzliche Bitte an Sie, weil ich gang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- weiß, dass Sie ein sachlich abwägender Mensch NEN] – Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: sind und Fakten zu werten und zu gewichten wis- Das darf doch nicht wahr sein!) sen: Gehen Sie raus zu den Polizeidienststellen. Wir haben tatsächlich einzelne Dienststellen, Hören Sie sich auch an, was die einzelnen Beam- einzelne Inspektionen, die mehr als 40 Prozent tinnen und Beamten Ihnen zu sagen haben. Lesen Personal zu wenig haben. Das ist keine Zahl, die Sie nicht nur das, was Ihnen das Präsidium auf- ich erfunden habe. Dem steht entgegen, dass wir schreibt. Lassen Sie uns im Innenausschuss offen die Anzahl der Plätze in den Direktionen, in den über diesen wirklich an den Tatsachen vorbeige- Leitungsstäben und anderswo zum Teil um bis zu henden Bericht diskutieren, und machen Sie das 200 Prozent aufgestockt haben. Das ist ein kras- Ganze zur Chefsache. Revidieren Sie diese Re- ses Missverhältnis und steht im Gegensatz zu form, Herr Minister. Das ist meine herzliche Bitte dem, was damals ausgesagt wurde und angeblich an Sie am heutigen Tage. Ansatz der Polizeireform war. Sie haben vor kurzem in einem Interview in der (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung – ich be- fürchte, zu Recht – gesagt: Zweitens. Es werden derzeit, um die Zahlen zu schönen, sogenannte Fahndungsschwerpunkte In der Koalition wird zu viel herumgequatscht – ich sage: künstlich – gesetzt. Da wird angeblich und zu wenig … gearbeitet. intensiv ermittelt und gefahndet zu Verstößen ge- Herr Minister, solange dieser Satz – leider – wahr gen das Ausländerrecht. Das ist eine Holkriminali- ist, werden wir Ihrem Haushalt nicht zustimmen tät: Wenn man die Beamtinnen und Beamten los- können. schickt, dann ermitteln die – notgedrungen – und finden auch etwas. Die Art und Weise des Vor- Herzlichen Dank. gehens ist zum Teil fragwürdig. Dafür können die (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS Beamtinnen und Beamten nichts. Zum anderen 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Wieland werden dadurch, dass man künstlich diesen Fahn- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber da- dungsschwerpunkt setzt, wichtige Aufgaben im nach, oder wie?) bahnpolizeilichen und sonstigen Bereich vernach- lässigt. Das ist ein weiterer Beweis dafür, dass diese Reform eine misslungene und zu korrigie- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: rende ist, Herr Minister. Das Wort hat nun Kollege Reinhard Grindel für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Es gibt also entgegen der Ankündigung weniger Präsenz in der Fläche. Es gibt eine Organisations- Reinhard Grindel (CDU/CSU): struktur, die bezogen auf die breite Fläche miss- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! lungen ist. Dort, wo jetzt Inspektionen sind, wären Herr Kollege Korte, ich finde, an einem histori- Reviere vielleicht angebrachter und vice versa. schen Tag wie dem heutigen kann man Ihnen Ihre Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2883

Bemerkungen über die Beobachtung der Links- so offen geführt, dass es weh tun kann. Auch partei durch den Verfassungsschutz so nicht Sie sind hier zu Gast gewesen. Sie werden es durchgehen lassen. nicht mehr sein, Sie sind uns nicht erwünscht. Sie haben denen, die überlebt haben, den (Jan Korte [DIE LINKE]: Ha, ha!) Respekt verweigert, unseren haben Sie rest- Es sind gerade der Berliner Innensenator Körting los verloren. und die Berliner Verfassungsschutzchefin Schmid Es gibt einen Haufen Gründe, die Linkspartei – ich nehme Berlin als Beispiel, weil dort die vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen. Linkspartei sogar mit in der Verantwortung ist –, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Jan Korte [DIE LINKE]: Gott sei Dank!) Frau Kollegin Fograscher, Sie haben die Deut- die uns seit Monaten darauf aufmerksam machen, sche Islam-Konferenz angesprochen. dass die linksextremistischen Gewalttaten nicht nur hier in Berlin massiv zunehmen. Sie weisen (Zuruf des Abg. Jan Korte [DIE LINKE]) auch darauf hin, dass es Verbindungen zwischen Ich möchte die Unterstützung der CDU/CSU für die der Linkspartei und militanten Gruppen gibt. Entscheidung des Bundesinnenministers über die (Jan Korte [DIE LINKE]: Was hat das mit uns Neuausrichtung der Deutschen Islam-Konferenz zu tun?) ausdrücklich betonen. Das gilt für deren Zusam- mensetzung, aber vor allem für deren Inhalte. Ich Ich darf darauf verweisen, dass es Ihre Abge- finde es bemerkenswert, dass die Mitgliedsver- ordnete Frau Höger war, die laut der Tageszeitung bände des Koordinierungsrats der Muslime in am 17. Oktober 2009 die Verurteilung von Brand- Deutschland überlegen, sich dem Dialog in dieser stiftern aus dem Kreis der militanten Gruppen mit Islam-Konferenz zu entziehen, gerade wenn es den Worten kritisiert hat: konkret wird, wenn über die Gleichberechtigung „Gegen die aggressive deutsche Kriegspolitik von Mann und Frau, die Imamausbildung und den sind viele Initiativen nötig.“ Religionsunterricht oder auch eine klare Abgren- zung zum islamistischen Extremismus gesprochen (Zurufe von der CDU/CSU: Unglaublich!) werden soll. Das ist eine Verharmlosung von Gewaltanwen- Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime dung, die völlig unerträglich ist. nennt das, was wir da vorhaben, heute in der Süd- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – deutschen Zeitung „Diskussionsspektakel“. Der Jan Korte [DIE LINKE]: Das hat sie doch Mann hat nichts begriffen. Ein Sprecher des Koor- gar nicht gesagt!) dinierungsrats der Muslime hat gesagt, die Ver- bände wollten das Recht auf ihr religiöses Leben Ich will daran erinnern, Herr Korte, durchsetzen. Ich habe nichts dagegen, dass wir in- (Jan Korte [DIE LINKE]: Ja, bitte?) tensiv darüber diskutieren, dass religiöses Leben von Muslimen in Deutschland möglich sein muss. dass am Ende der Rede des israelischen Präsi- Nur die Grundlage unserer Debatte muss klar sein. denten hier in diesem Parlament eine Reihe von Es kann kein Recht darauf geben, Frauen zu un- Abgeordneten der Linkspartei demonstrativ sitzen terdrücken und jungen Mädchen ihre schulischen geblieben ist. und beruflichen Perspektiven zu nehmen. ( [CDU/CSU]: Sehr richtig! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- – Jan Korte [DIE LINKE]: Was hat das mit neten der FDP) dem Verfassungsschutz zu tun?) Es kann kein Recht darauf geben, dass Religions- – Ich kann Ihnen genau sagen, was das damit zu unterricht nur noch in Koranschulen stattfindet. tun hat. – Danach haben mehrere Pfarrer aus dem Wahlkreis der Kollegin Daðdelen, die sitzen ge- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie blieben ist, einen offenen Brief geschrieben und der Abg. Gisela Piltz [FDP]) darauf hingewiesen, dass Frau Daðdelen an De- Es muss Grundlage unseres Dialogs sein, dass monstrationen gegen Israel beteiligt war, wo unter man sich klar vom islamistischen Extremismus dis- anderem Rufe wie „Tod Israel“ ausgebracht wor- tanziert. Über diese konkreten Fragen müssen wir den sind. bei der Deutschen Islam-Konferenz sprechen. (Jan Korte [DIE LINKE]: Was hat das mit dem (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Verfassungsschutz zu tun?) neten der FDP) Die Pfarrer schreiben: Ich will hier erwähnen, dass Necla Kelek in der Früher liefen sie mit, heute bleiben Sie sitzen, FAZ in dieser Woche völlig zu Recht darauf hin- es widert uns an. Die Kirchen, die wir bespie- gewiesen hat, dass zum Koordinierungsrat der len, sind Kirchen der Kulturen, es sind offene Muslime auch DITIB gehört, die deutsche Vertre- Häuser, und manche Gespräche werden darin tung der türkischen Religionsbehörden. Es ist inso- 2884 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 fern eine Mitentscheidung der türkischen Regie- schrecklichen Hintergrund hat. Ich rufe dazu auf, rung, ob die muslimischen Verbände bei der Deut- dass wir uns der Herausforderung stellen, die Kin- schen Islam-Konferenz mitmachen. der zu schützen, auch mit Maßnahmen, die in der virtuellen Welt zum Tragen kommen. (Zuruf der Abg. Aydan Özoðuz SPD]) Liebe Kolleginnen und Kollegen, da ich der letz- Unsere Bundeskanzlerin wird Ende des Monats te Redner in dieser Debatte bin, will ich besonders in die Türkei fliegen. Ich erwarte, dass die türki- gerne betonen: Erstens. Wir stimmen dem Haus- sche Regierung noch vor diesem Besuch ihren halt des Bundesministeriums des Innern zu. Zwei- Einfluss geltend macht und erwirkt, dass sich die tens. Lieber Herr de Maizière, herzlichen Glück- muslimischen Verbände dem Dialog über konkrete wunsch zu einem, wie ich finde, guten Start im Fragen, die für das Zusammenleben von Muslimen neuen Amt. und Nichtmuslimen in Deutschland von entschei- dender Bedeutung sind, nicht verweigern. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Gisela Piltz [FDP] – Kirsten Lühmann [SPD]: Das tun sie nicht! Das ist gar kein Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Thema!) Ich schließe die Aussprache. Ich will ein weiteres Thema ansprechen, das Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel- sehr wichtig ist und das der Kollege Wieland mit plan 06, Bundesministerium des Innern, in der der Frage nach der Freiheit im Netz bereits indirekt Ausschussfassung. aufgegriffen hat. Wir alle sind von den vielen Fäl- len, in denen Kinder in Internaten verschiedenster Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Frak- Träger missbraucht worden sind, schockiert. Es ist tion Die Linke vor, über die wir zuerst abstimmen. gut, dass diese Fälle jetzt aufgearbeitet werden, Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck- damit sich so etwas nie wiederholt. sache 17/1033? – Wer stimmt dagegen? – Wer Aber ich will bei dieser Gelegenheit daran erin- enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit den nern, dass sich Kindesmissbrauch in schreck- Stimmen von CDU/ CSU, SPD und FDP gegen die lichster Art und Weise jeden Tag aufs Neue im In- Stimmen der Linken bei Stimmenthaltung der Grü- ternet wiederholt. Jeder Klick ist eine Anstiftung zu nen abgelehnt. neuerlichem Missbrauch. Wir müssen uns in die- Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck- sem Haus darin einig sein – Freiheitsdemo hin sache 17/1034? – Wer stimmt dagegen? – Enthal- oder her, Herr Kollege Wieland –, dass wir das, tungen? – Der Änderungsantrag ist mit den glei- was wir in der realen Welt bekämpfen, in der virtu- chen Mehrheitsverhältnissen wie zuvor abgelehnt. ellen Welt nicht einfach so hinnehmen dürfen. Wir dürfen es nicht zulassen, dass Versuche, den Zu- Wir kommen damit zur Abstimmung über den griff auf solche Seiten zu erschweren, durch Ver- Einzelplan 06, Bundesministerium des Innern, in gleiche mit Internetzensur diskreditiert werden. Wir der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer lernen jetzt immer mehr, dass das Löschen solcher stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzel- Seiten ausgesprochen schwierig ist und sich diese plan 06 ist mit den Stimmen der beiden Koalitions- Seiten ohnehin janusköpfig im Internet verbreiten. fraktionen gegen die Stimmen der drei Oppositi- Ich räume ein: Auch das Sperren ist sicher kein onsfraktionen angenommen. Königsweg. Aber mit ideologischen Gra- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe den benkämpfen helfen wir den Kindern nicht. Tagesordnungspunkt I.15 auf: (Beifall bei der CDU/CSU) a) Einzelplan 07 Auch die Freiheit im Netz muss Grenzen ha- Bundesministerium der Justiz ben. Wir müssen umfassende Strategien zur wirk- – Drucksachen 17/607, 17/623 – samen Bekämpfung der Kinderpornografie im Netz erarbeiten, von der Prävention über die Strafver- Berichterstattung: folgung bis zum Opferschutz. Wir brauchen nicht Abgeordnete Alexander Funk nur eine nationale, sondern wir brauchen auch ei- Ewald Schurer ne internationale Strategie. Insofern ist auch dies Florian Toncar eine Aufgabe der Europäischen Union. Wir müs- Steffen Bockhahn sen national prüfen, ob wir die Strafandrohung dem Schutzgut, um das es hier geht, der körperli- b) Einzelplan 19 chen und seelischen Unverletzlichkeit von Kindern, Bundesverfassungsgericht anpassen müssen. Wir müssen etwas tun. Wir brauchen Runde Tische nicht nur zum Schutz der – Drucksachen 17/623, 17/624 – Kinder in der realen Welt, sondern wir brauchen Berichterstattung: sie auch zum Schutz der Kinder in der virtuellen Abgeordnete Norbert Barthle Welt, die aber immer einen sehr realen und Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2885

Carsten Schneider (Erfurt) Der größte und vielleicht markanteste Bereich in Otto Fricke diesem Hause ist das Deutsche Patent- und Roland Claus Markenamt in München mit Außenstellen in Berlin Alexander Bonde und in . 2 500 hochqualifizierte Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter wirken hier und erteilen und Zu dem Einzelplan 07 liegt ein Änderungsantrag verwalten gewerbliche Schutzrechte und geben In- der Fraktion Die Linke vor. formationen über gewerbliche Schutzrechte in Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind Deutschland heraus. Ich habe jüngsten Recher- für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgese- chen entnehmen können, dass es im letzten Jahr hen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das 60 000 Patentanmeldungen gab. Heute hat das so beschlossen. Frühstücksfernsehen aktuell beigesteuert, in der europäischen Rangliste des Patentanmeldens be- Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kol- lege Deutschland damit den dritten Platz. Das legen Ewald Schurer für die SPD-Fraktion das DPMA ist die Zentralbehörde auf dem Gebiet des Wort. gewerblichen Rechtsschutzes, also eine eminent (Beifall bei der SPD) wichtige Institution. Es erwirtschaftet 72 Prozent al- ler Einnahmen im Bereich des BMJ und trägt so dazu bei, dass diese hohe Gegenfinanzierungs- quote erreicht wird. Ewald Schurer (SPD): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kolle- Im Jahr 2007 neu geschaffen wurde das Bun- gen! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Haupt- desamt für Justiz, Kapitel 0708. Mit dem Bun- berichterstatter zum Einzelplan des Bundesjustiz- desamt für Justiz, dessen Aufbau über Jahre ge- ministeriums möchte ich zunächst einmal meiner plant worden war, wurde eine neue, zentrale Überzeugung nachkommen und der Frau Bun- Dienstleistungsbehörde der Bundesjustiz geschaf- desministerin sowie ihrem Haus – der Leitungs- fen, die, wie ich nachvollziehen konnte, zur Ent- ebene, aber auch den Mitarbeitern – ganz herzlich lastung anderer Bundesbehörden in dem Bereich danken für die guten Arbeitsvorlagen und für die „Justiz und Recht“ geführt hat. Im Haushalt 2010 gute Vorbereitung der Berichterstattung. Den Kol- stehen Ausgaben von 41,6 Millionen Euro Ein- leginnen und Kollegen aus der nahmen von voraussichtlich 70 Millionen Euro ge- Berichterstatterrunde möchte ich für die kollegiale genüber. Das Bundesamt für Justiz schafft größere Zusammenarbeit danken. Transparenz und Bürgernähe. Es hat zentrale Auf- gaben im Bereich Registerwesen, Verfolgung von Der Justizhaushalt ist eine übersichtliche Veran- Ordnungswidrigkeiten, allgemeine Bundesjus- staltung, aber deswegen nicht minder bedeutend tizverwaltung und dergleichen. für das Rechtsleben und die Funktionsfähigkeit der Justiz in der Republik. Ausgaben von 489 Millionen Erlauben Sie mir einen kurzen Exkurs: Was Euro stehen Einnahmen von 409 Millionen Euro mich als Haushälter überrascht hat, ist, dass in gegenüber. Das ist eine Deckungsquote von sa- diesem Einzelplan 07 – Bundesjustizministerium – ge und schreibe 83 Prozent. Eine so hohe Finanz- über die Jahre eine relativ hohe Rate an Ausga- deckung mit eigenen Mitteln zu erreichen, das ist beresten aufgebaut wurde. Dazu gehören Stellen, im Bundeshaushalt ein Novum. die ausgewiesen, aber nicht besetzt wurden, aber auch verschobene IT-Projekte und Bauvorhaben. Geprägt ist dieser Haushalt durch die Perso- Angesichts der dramatischen Haushaltssituation nalausgaben; sie machen 78 Prozent aus. Dem müssen diese Ausgabereste in den nächsten Jah- Wesen der Materie entsprechend muss das Per- ren selbstredend sinnvoll verwirtschaftet, sinnvoll sonal hochqualifiziert sein. eingesetzt werden, beim Personal oder bei not- Ich habe es schon gesagt: Für die Funktionsfä- wendigen Investitionen. higkeit des Justizwesens ist dieser Haushalt von Lassen Sie mich einen Titel aufgreifen, der für großer Bedeutung. Bedeutend ist er aber auch da- mich politisch eine besondere Sensibilität darstellt, für – ich möchte das unterstreichen –, wie die Bür- in Anlehnung an die Diskussion zum Einzel- gerinnen und Bürger die Rolle der Justiz in der plan 06: In dem Kapitel für das Bundesamt für Jus- Gewaltenteilung, die wir in unserer Demokratie tiz sind im Titel 681 01 Härteleistungen für Opfer haben, wahrnehmen. Das BMJ nimmt hoheitliche aller extremistischen Übergriffe vorgesehen. Verfassungsaufgaben wahr. Unter anderem stellen Dieser Titel wird um 700 000 Euro auf 1 Million Eu- die ihm zugeordneten Gerichte den Justizgewäh- ro aufgestockt. Werte Kolleginnen und Kollegen – rungsanspruch der Bürgerinnen und Bürger sicher, vielleicht auch über alle Parteigrenzen hinweg –, und der Generalbundesanwalt gewährleistet die ich möchte an dieser Stelle sagen: Man sollte nie- Strafverfolgungspflicht. Dies sind eminent wichtige mals den Fehler machen, die Übergriffsarten ge- Güter für das Rechtsleben einer demokratischen geneinander auszuspielen. Es ist vorhin gesagt Kultur und eines demokratischen Staatswesens. worden: Flächendeckend ist der Rechtsradikalis- mus in Deutschland die Bedrohung mit den meis- ten, signifikant nachvollziehbaren Opferzahlen. 2886 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Das kann man nicht kleinreden. Dennoch würde was für die soziale Sicherheit gerade von Familien ich niemals auch einen vorhandenen Linksradika- und anderen Lebensrealitäten und deren Haushal- lismus kleinreden wollen. te im Lande sicherlich keine gute Sache wäre. Zur Gewichtung dieser Formen sage ich zum (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- Schluss aber ganz klar: Vergessen Sie bitte nicht, ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN dass die rechtsextreme Gewalt in Teilen des Lan- und der LINKEN) des mittlerweile flächendeckend vorhanden ist, wie Deswegen will ich Sie fragen – das ist dann eine in Teilen Sachsens oder in Teilen Brandenburgs. Sache des Dialoges –, warum die FDP das Miet- Das sollte und kann man in keiner Weise kleinre- recht eigentlich immer nur von der Seite der Ver- den, auch wenn so etwas auch in München oder mieter aus denkt. sonst wo vorkommt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie (Beifall bei Abgeordneten der SPD) des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS Der Bezug ist, dass es darum geht, Programme 90/DIE GRÜNEN] – Florian Toncar [FDP]: weiter zu evaluieren und zu entwickeln, die in den Tun wir doch gar nicht!) letzten Jahren über das Familienministerium und Ist es denn so, dass durch die zugegeben natürlich über das BMI entsprechend aufgebaut worden auch vorhandene kriminelle Energie von wenigen sind. Mietnomaden – das bewegt sich im Promillebe- Für die Entwicklung des Justizwesens auf euro- reich – der Schutz von Millionen von Menschen päischer Ebene ist es noch wichtig, das Europäi- ausgehöhlt werden muss, die auf ein anständiges sche Geldsanktionsgesetz zu erwähnen. Wir Mietrecht mit guten Kündigungsfristen angewiesen sind eines der letzten Länder in Europa, die die sind? entsprechende Richtlinie umsetzen. Hier geht es (Beifall bei der SPD und der LINKEN) um die gegenseitige Anerkennung von rechtskräf- tigen Entscheidungen über die Zahlung von Geld- Diese Frage darf man doch höflich und bestimmt strafen und Geldbußen. Wenn ich richtig informiert stellen, weil sich die Antwort darauf in dieser doch bin, soll das hier am 1. Oktober 2010 Gültigkeit er- nicht einfachen Konstruktion von Schwarz-Gelb – langen. Die entsprechenden Aufgaben können nur wir alle wissen, dass Sie sich hier nicht sehr leicht erfüllt werden, wenn es an dieser Stelle einen Per- tun – vielleicht auf Ihre weitere Meinungsbildung sonalaufwuchs um 99 Stellen gibt, die in diesem auswirkt. Haushalt bereits induziert und geplant sind. (Alexander Funk [CDU/CSU]: Sie können sich gern Die Hochrechnungen besagen, dass es dann mal besagte Wohnungen angucken!) per annum in etwa 100 000 Verfahren oder auch Zum Schluss ist es für die Öffentlichkeit auch mehr geben wird. Das würde für die Gegenfinan- noch wichtig, zu wissen – auch das macht mir, zierung Mehreinnahmen von circa 7 Millionen Euro wiewohl nicht Jurist, als Bundestagsabgeordneter, bedeuten. Für die Anfinanzierung dieses Projektes als Politiker und auch als Bürger schon ein biss- stellen die Ausgabereste, die ich vorhin erwähnt chen Sorge –, dass Sie künftig auch Privatisierun- habe, sicherlich eine gute Möglichkeit dar. Damit gen im Bereich des Rechtswesens vorsehen. Sie werden die Voraussetzungen geschaffen. wollen zum Beispiel das Gerichts- Frau Ministerin, ich darf Sie selbst noch auf et- vollzieherwesen privatisieren. was ansprechen, was für mich im politischen Be- Ich frage mich: Zu was soll das führen? Glauben reich von großer Bedeutung ist. Sie persönlich wa- Sie, dass durch Privatisierungen in der Rechtspoli- ren innerhalb der FDP ja immer – das sage ich mit tik mehr Sicherheit geschaffen wird? Glauben Sie, Anerkennung – eine Fachfrau, die man mit Bürger- dass damit die Durchsetzung von Recht und Ge- und Verbraucherrechten verbunden hat, und Sie setz verbessert wird? Glauben Sie, dass dadurch sind es auch jetzt. Das meine ich so, wie ich es das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den sage. Trotzdem habe ich einige Ängste und auch Rechtsstaat gestärkt wird? – Ich glaube das nicht. ein schlechtes Gefühl, wenn ich mir das Ungefähre des Koalitionsvertrages hinsichtlich des Miet- Sie stellen Analogien zu anderen Ländern her, rechts anschaue. in denen es – das ist bei uns nicht der Fall – fragile zivilgesellschaftliche Strukturen gibt. Ich darf Ihnen Sie beabsichtigen, eine Grundkoordinate der das so sagen: In diesen Ländern ist dies eher vor- Gesellschaft, die auch die Funktion des sozialen zufinden, während das in unserem Rechtswesen Ausgleichs haben muss, zu verändern, um das nicht passend ist. Mietrecht unter Umständen einseitig zulasten bzw. zuungunsten der Mieterinnen und Mieter zu ver- (Beifall bei der SPD und der LINKEN so- schieben, wie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Machen Sie sich keine Sorgen!) Deswegen glaube ich, dass es nicht notwendig und politisch auch ein Fehler ist, die Aufgaben des Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2887

Nachlassgerichtes auf Notare zu übertragen. Sie Ich möchte mich außerdem – das ist meine wollen vermeintliche Einsparungen bei den zweite Bemerkung – ganz herzlich dafür bedan- Zwangsvollstreckungsverfahren erwirken, aber ken, dass für unsere zukünftige Aufgabe nach dem damit geben Sie eine hoheitliche staatliche Aufga- Geldsanktionsgesetz, das wir nach der Bildung be in private Hände. Das ist mit uns Sozialde- der Koalitionsregierung zügig auf den Weg ge- mokraten nicht zu machen. Wir werden uns dage- bracht haben, die Stellenausstattung im Haushalt gen entsprechend wehren. mit dem Tag des beabsichtigten Inkrafttretens, dem 1. Oktober 2010, gesichert ist. Herr Schurer, Ich komme zu meiner Schlussaussage: Ver- Sie haben die Grundlage für diese Berechnung be- schlechterung des Mietrechts oder Privatisierun- reits vorgetragen. Es ist eine wichtige Aufgabe. Wir gen, wie sie hier aufgezeigt wurden, leisten meiner sind verpflichtet, diese EU-Vorgabe umzusetzen. Meinung nach keinen Beitrag dazu, das Vertrauen Das ist in der letzten Legislaturperiode nicht mehr der Menschen in die Politik oder in das Rechtswe- passiert. sen, also in die juristischen Vollzüge und die Ver- antwortung der Gesellschaft gegenüber, zu erhö- Als dritte Bemerkung möchte ich das Präventi- hen. Ich möchte Sie bitten, in diesem noch lau- onsprojekt Dunkelfeld der Charité Berlin erwäh- fenden Prozess nachzudenken und einen politi- nen, das seit dem Jahr 2008 durch den Haushalt schen Konsens mit uns Sozialdemokraten zu su- des Bundesjustizministeriums mit jährlich 250 000 chen. Wir sind für Beratungen immer zu haben, vor Euro gefördert wird. Meine Vorgängerin hat es zu- allen Dingen wenn es um die Verbesserung der sammen mit den Haushaltsberichterstattern in den Sache geht. Haushalt eingestellt bekommen. Ich bin froh, dass die Förderung dieses Jahr fortgesetzt wird. Für das Ganz herzlichen Dank. nächste Jahr ist die Finanzierung aber überhaupt (Beifall bei der SPD) nicht gesichert. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen De- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: batte über Missbrauch in Institutionen von katholi- Das Wort hat nun die Bundesministerin der Jus- schen, evangelischen und anderen Trägern ist es tiz, Frau Leutheusser-Schnarrenberger. in meinen Augen ganz entscheidend, dieses Pro- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) jekt weiterzuführen. Am besten wäre es, es nicht nur weiterzuführen, sondern sogar auszubauen. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundes- Denn es handelt sich um ein Projekt, das Män- ministerin der Justiz: nern, die die Gefahr ihrer pädophilen Neigung er- Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und kennen, die Möglichkeit gibt, sich an fachkundige Berater zu wenden und entsprechende Therapien Kollegen! Lassen Sie mich auch mit Dank begin- nen. Ich danke den Haushaltsberichterstattern der zu machen, bevor etwas passiert. Ich werbe daher Koalition, Herrn Funk und Herrn Toncar, sowie den schon jetzt dafür. Es wäre in unserem gemeinsa- men Interesse, wenn eine Fortsetzung des Pro- Berichterstattern der Opposition, also dem Haupt- berichterstatter Herrn Schurer, Herrn Sarrazin und jekts gesichert werden könnte. Herrn Bockhahn. Ich bedanke mich außerdem für (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordne- Ihren Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ten der CDU/CSU – Christine Lambrecht des Justizministeriums. Sie sollen wissen, dass wir [SPD]: Macht es!) Ihnen offen gegenüberstehen, wenn Sie Informati- Wenn das nicht möglichst bald in Aussicht gestellt onen oder Begründungen für Ansätze in unserem wird, dann werden viele Therapien nicht mehr an- Haushalt, der wirklich sehr überschaubar und den- gewandt werden können, weil sie über einen län- noch sehr wichtig ist, benötigen. geren Zeitraum und somit über den Jahreswechsel Lassen Sie mich mit drei kurzen Bemerkungen hinaus andauern würden. zum Haushalt beginnen. Ich möchte als Erstes mit Lassen Sie mich zur aktuellen Debatte über dem Punkt beginnen, den Sie, Herr Schurer, an- Missbrauch und insbesondere über die vielen gesprochen haben, nämlich den Titel für Härteleis- Missbrauchsfälle aus den vergangenen Jahr- tungen für Opfer extremistischer Übergriffe. zehnten kommen. Ich habe mich als Bundesjus- Dieser Titel ist deutlich aufgestockt worden, und tizministerin von Anfang an mit dem Gesichtspunkt zwar um 700 000 Euro auf 1 Million Euro. Wir ha- eingebracht, der mich als Ministerin besonders zu ben im Haushaltsausschuss mit den Haus- beschäftigen hat, nämlich die Durchsetzung des haltsberichtserstattern intensiv darüber gespro- staatlichen Strafanspruchs. Genau das habe ich chen. Es muss sich daher niemand Sorgen ma- eingefordert. chen, dass aus diesem Titel keine ausreichenden Gelder gewährt werden können, um die Opfer, die rechts- oder linksextremistische Gewalt erfahren Ich denke, es ist ganz wichtig, dass von allen mussten, zu entschädigen. Wir haben die entspre- chenden Richtlinien für die Verwendung dieser Verantwortlichen in Institutionen bei Anhaltspunk- ten, die sich etwas verdichten, die Informationen Gelder angepasst. an die Staatsanwaltschaft gehen, ohne dass wir 2888 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 wieder eine strafbewehrte Anzeigepflicht für alle kann. Das allgemeine Gespenst der Privatisie- Delikte in unser Strafgesetzbuch einführen. Ich rung muss hier nicht an die Wand gemalt werden. habe heute zur Kenntnis genommen und freue Ich sage ganz deutlich: Alles, was nur mit einer mich darüber, dass gerade in Bayern von Erz- Grundgesetzänderung möglich ist – dazu haben bischof Marx öffentlich gesagt wurde, dass er sich wir eine pauschale Aussage in unserem Koaliti- dafür einsetzt, dass die Leitlinien der Deutschen onsvertrag –, werden wir nicht vorrangig als The- Bischofskonferenz genau in diesem Punkt ent- ma der Koalitionsregierung und der Fraktionen an- sprechend geändert werden sollen. gehen. Das haben wir ausdrücklich so vereinbart, sodass wir uns damit befassen werden, was au- Wir haben uns in der Bundesregierung – um ßerhalb der Ebene einer Grundgesetzänderung auch hier gleich Spekulationen und weiteren Über- möglich ist. Ich glaube, das kann schon als eine legungen den Boden zu entziehen –, nachdem ich gewisse Bewertung aufgenommen werden. diejenige war, die als Erste einen runden Tisch ins Gespräch gebracht hat, auf einen gemeinsamen Aber wir müssen uns auch mit einer Fülle von runden Tisch verständigt, der in die Zukunft blickt, Vorschlägen aus den Ländern – über Ländergren- aber auch zurückblickt und sowohl das Thema zen hinweg, nicht nur aus Ländern, in denen wir Prävention als auch rechtliche Fragen wie die eine CDU/FDP-Regierung oder CSU/FDP- Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs be- Regierung haben – befassen und gerade auch das handeln wird. Von daher mündet das, glaube ich, Testamentsregister als erstes Projekt forcieren. in eine positive Entwicklung ein, die auch – das Das werden wir intensiv tun. muss unser Anliegen sein – den Opfern von Miss- Zum Mietrecht haben wir viele Punkte verein- brauch aus der Vergangenheit da, wo Verjährung bart. Dort werden wir und werde ich genau hinse- eingetreten ist, aber auch im Hinblick auf Verhin- hen: Was gehen wir zuerst an? Natürlich gehen wir derung Rechnung trägt. das Thema Mietnomaden an. Dabei geht es um (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten das Berliner Modell oder darum, eine deutliche der CDU/CSU und der SPD) Beschleunigung des Vollstreckungsverfahrens zu erreichen. Das dient allen. Wir haben ein umfangreiches rechtspolitisches Programm, das sehr klar macht, dass wir sehr (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten wohl in einigen Punkten Korrekturen vornehmen. der CDU/CSU) Wir werden nach der Sommerpause im Kabinett Natürlich werden wir uns auch mit Luxussanie- den ersten Gesetzentwurf, der sich mit dem rungen beschäftigen. Schutz der Berufsgeheimnisträger befasst, nach Abstimmung mit den Ländern und auch mit den Ich sage ganz klar: Was die Kündigungsvor- Ressortkollegen beschließen und ihn diesem Haus schriften im Mietrecht angeht, werde ich überhaupt zur Beratung und Beschlussfassung vorlegen. nur dann aktiv, wenn alle Koalitionsfraktionen vol- ler Herzblut sagen: Genau das muss jetzt gesche- Wir müssen uns auch ausführlich und intensiv hen. mit der Entscheidung des Bundesverfassungsge- richts zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das befassen, nicht nur im Hinblick darauf, was das für wollen wir schriftlich haben!) uns in Deutschland heißt und was dort kritisiert Von daher wenden wir uns zunächst einmal den wird, und nicht nur im Hinblick auf Gesetzesformu- anderen Punkten zu. lierungen, die man nicht einmal aus dem Urteil ab- schreiben kann, sondern auch im Hinblick auf Da- Vielen Dank, Herr Präsident, für Ihre Geduld. – tensicherheit und die Bereiche, die ausgenommen Danke schön. werden sollen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Parallel dazu findet auf EU-Ebene derzeit eine Christine Lambrecht [SPD]: Ihr seid euch Evaluation statt, an der wir uns zu beteiligen ha- doch nie einig!) ben, was wir auch tun. Die Prüfung erfolgt auch auf der Grundlage der EU-Grundrechtecharta, die Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: in Kraft getreten ist. Von daher werden wir und Das Wort hat nun Kollege Wolfgang Nešković werde ich als zuständige Ministerin sehr verant- für die Fraktion Die Linke. wortungsvoll mit diesem so sensiblen Thema um- gehen, wobei wir uns aber auch diese Ent- (Beifall bei der LINKEN) scheidung des Bundesverfassungsgerichtes in ih- rer gesamten Tragweite auch im Hinblick auf zu- Wolfgang Nešković (DIE LINKE): künftige Projekte immer bewusst machen müssen. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Ministerin! Das waren (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der zum Schluss optimistische Worte. Ich bin ge- CDU/CSU) spannt, was dabei herauskommt. Herr Schurer, Sie haben einige Punkte ange- (Michael Groschek [SPD]: Wollen wir wetten?) sprochen, auf die ich nur sehr kursorisch eingehen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2889

Der Philosoph Ernst Bloch prägte einst das Bild All das ist nicht die Vision des Grundgesetzes. vom aufrechten Gang: Ihn zu lernen, sei schwer, Die Vision des Grundgesetzes besteht darin, die aber möglich. Zwei Lasten verwehren es den Men- Ideale von Freiheit und Gleichheit miteinander zu schen, aufrecht zu gehen. Auf ihren seelischen vereinen; denn es gibt keine wirkliche Freihheit Schultern lasten Ungleichheit und Unfreiheit. Auf ohne Gleichheit. Die Linke – Sie werden das ver- der einen Schulter lasten soziale Not und Verelen- stehen – hält es da mit Rosa Luxemburg: Freiheit dung, auf der anderen Schulter staatliche Bevor- ohne Gleichheit ist Ausbeutung. Gleichheit ohne mundung und Entrechtung. Aufrecht wollte Bloch Freiheit ist Unterdrückung. uns sehen. Doch wirklich aufrecht geht der (Beifall bei der LINKEN) Mensch nur als Freier unter Gleichen. Wenn Sie das aufregt, dann lesen Sie doch Urhe- Freiheit und Gleichheit sind die tragenden Prin- ber desselben Gedankens. Sie müssen nicht Rosa zipien unseres Grundgesetzes. Politik, insbeson- Luxemburg glauben, dere die Rechtspolitik, bewegt sich innerhalb die- ser Grenzen. Der Rechtsstaat und die Freiheits- (Zuruf von der CDU/CSU: Tun wir auch nicht!) rechte des Grundgesetzes sollen es jedermann Sie müssen auch nicht Ernst Bloch verstehen; Sie ermöglichen, sich gegen staatliche Entrechtung brauchen nur die Texte des Verfassungsgerichtes zur Wehr zu setzen. Die Grundrechte als Frei- zu lesen. heitsrechte sind Abwehrrechte gegen den Staat. Sie stellen institutionalisiertes Misstrauen gegen (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: einen unvernünftigen Staat dar. Gott sei Dank! – Caren Lay [DIE LINKE]: Die können ja nicht lesen!) Das Sozialstaatsprinzip hingegen verpflichtet den Staat zum sozialen Ausgleich und zur Schaf- Am 17. August 1956 formulierten die Richter fung einer gerechten Sozialordnung, oder – um es des Bundesverfassungsgerichts: mit den Worten von Heribert Prantl auszudrücken Die freiheitliche Demokratie ist von der Auf- –: Der Sozialstaat ist mehr als der liberale Rechts- fassung durchdrungen, daß es gelingen kön- staat, er ist der Handausstrecker für die, die eine ne, Freiheit und Gleichheit der Bürger trotz der helfende Hand benötigen. nicht zu übersehenden Spannungen zwischen (Beifall bei der LINKEN – Michael Grosse- diesen beiden Werten allmählich zu immer Brömer [CDU/CSU]: Von Bloch zu Prantl größerer Wirksamkeit zu entfalten ist ein starker Schritt!) – jetzt kommt es – Im über 60 Jahre alten Verfassungstext und bis zum überhaupt erreichbaren Optimum schlummert eine unverwirklichte Utopie: der sozia- zu steigern. le Rechtsstaat. Er ist ein gutes Wegstück auf der Reise in eine humane Gesellschaft. Diesen Weg So wörtlich das Bundesverfassungsgericht. Das ist müssen wir beschreiten, wenn wir uns beim Gang der Auftrag unseres Grundgesetzes. Das haben in die Zukunft aufrichten wollen. uns die Verfassungshüter in unser politisches Stammbuch geschrieben. Doch die neoliberale Politik der letzten zwei Jahrzehnte hat die Utopie unserer Verfassung 54 Jahre später hält Herr Westerwelle die Um- missachtet. setzung dieses Auftrages für spätrömische Deka- denz. Herr Westerwelle vergleicht – das ist ein un- (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- glaublicher Zynismus – die Lebenswirklichkeit von NEN]: Aber wir gehen trotzdem aufrecht!) Hartz-IV-Empfängern mit der Dekadenz der römi- Sie hat die Lasten auf den Schultern der Men- schen Oberschicht in der Spät-antike. schen vermehrt. Sie lässt zu, dass sich die Schere (Florian Toncar [FDP]: Das hat er nicht ge- zwischen Reich und Arm täglich vergrößert. Frei- sagt!) heit hält sie für Wirtschaftsliberalismus. Gleichheit ist für sie ein Fremdwort. Die neoliberale Politik hat Spätrömische Dekadenz existiert in diesem Land, mit den technischen Mitteln der Informationsge- fürwahr. Nie zuvor gab es in der Bundesrepublik sellschaft – das war die vorherige Diskussion – so viel Reichtum in den Händen weniger, Reich- begonnen, einen Überwachungsstaat zu errichten, tum, der nutzlos an den Börsen dieser Welt ver- der den Bürger mit immer neuen Unfreiheiten be- zockt wird, zulasten der Allgemeinheit. Wenn Herr schwert. Am ferneren Ende dieses Weges dieser Westerwelle also wissen will, wie die Dekadenz neoliberalen Politik werden wir eine andere Ge- der römischen Oberschicht in etwa ausgesehen sellschaft haben. In ihr werden Armut und Wut der haben mag, dann sollte er das Lebensumfeld eini- Gebückten für soziale Kämpfe sorgen. Wir werden ger Menschen untersuchen, die seiner Partei stän- sehen, ob dann die Instrumente des Überwa- dig Großspenden zukommen lassen. chungsstaates genutzt werden, um den sozialen (Beifall bei der LINKEN) Protest der Menschen zu unterbinden. Seine von historischer Ahnungslosigkeit geleite- te Aufregung hatte allerdings Gründe. Sein ag- 2890 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 gressiver Eifer wurde durch die Entscheidung des Das Geld- und Kreditwesen dient der Werte- Bundesverfassungsgerichts zu Hartz IV entfacht. schaffung und der Befriedigung der Bedürfnis- Wieder hatte das Gericht über den Wert der se aller Bewohner. Gleichheit in unserer Gesellschaft zu entscheiden. Jetzt müssten Sie alle eigentlich klatschen, be- Am 9. Februar 2010 stellte es fest, dass die Be- sonders die Kolleginnen und Kollegen aus Bayern; rechnung der Hartz-IV-Regelsätze gegen den denn es handelt sich um Zitate aus der aktuellen vornehmsten Artikel unseres Grundgesetzes und bayerischen Verfassung. Das muss man zur gegen eines seiner tragenden und unveränderli- Kenntnis nehmen. chen Prinzipien verstößt: gegen die Menschen- würde und gegen das Sozialstaatsprinzip. Das (Beifall bei der LINKEN) Bundesverfassungsgericht legte fest, dass ein ein- In dieser Verfassung steht nichts davon, dass klagbarer Anspruch auf Gewährleistung eines das Geld und der Geldkreislauf den Bedürfnissen menschenwürdigen Existenzminimums besteht. einiger weniger dienen sollen. Es ist also nicht Dieser Anspruch ist laut Bundesverfassungsgericht richtig, dass Herr Ackermann schon wieder unverfügbar, also nicht kürzbar, und muss stets 10 Millionen Euro einsacken darf, während andere gewährleistet sein. Das war eine kleine juristische Menschen in diesem Staat um ihr Geld betteln Revolution im Namen der Gleichheit. müssen. Die bayerische Verfassung enthält in der Wir benötigen jedoch größere juristische Revo- Tat Vorstellungen für eine humanere Gesellschaft. lutionen, um endlich den aufrechten Gang im Sie enthält die Utopie, von der man auch in Bay- Bloch’schen Sinne zu erlernen; denn die Vision ern weit entfernt ist. Das heißt jedoch nicht, dass des Grundgesetzes scheitert daran, dass die man sich von dieser Utopie verabschieden sollte. Mehrheit in diesem Hause sich dieser Vision in Die Linke jedenfalls wird sich von dieser Utopie, in trotziger Uneinsichtigkeit verschließt. Sie übersieht der es darum geht, Freiheit und Gleichheit mitei- den sozialen Gehalt unserer Verfassung. Dieser nander zu verbinden, nicht verabschieden. Das ist Ignoranz muss auch ohne Hilfe des Bundesver- im Bloch’schen Sinne der Weg zum aufrechten fassungsgerichts begegnet werden. Deswegen Gang der Menschen. Das ist genau der Weg und benötigen wir Texte im Grundgesetz, die das Sozi- der Auftrag, den das Bundesverfassungsgericht alstaatsprinzip präzisieren. Wir benötigen auch beschrieben hat. konkrete soziale Grundsätze. Diesen Weg beschreitet die gegenwärtige Koali- (Beifall bei der LINKEN) tion nicht. Sie hat Angst, die Banken an den Kos- ten der Rettungspakete zu beteiligen. Sie zaudert Wir benötigen zum Beispiel Formulierungen wie und geizt bei den sozialen Ausgaben. Sie lehnt ei- diese: nen flächendeckenden Mindestlohn ab. Sie befür- Arbeit ist die Quelle des Volkswohlstandes wortet damit die Ausbeutung der Menschen. Sie und steht unter dem besonderen Schutz des hat im Koalitionsvertrag Vorstellungen zum Miet- Staates. recht offenbart, die den sozialen Zorn von Millio- nen Menschen in unserem Land schüren werden. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Karl Die Kündigungsfristen im Mietrecht zulasten der Marx?) Mieter zu verkürzen und die Mieter auch noch an – Sie werden sich gleich noch wundern, Herr energetischen Sanierungsmaßnahmen zu beteili- Grosse-Brömer. gen, sind Ausdruck einer Klientelpolitik. Das ist die Politik des kalten Herzens. Ich fahre fort: Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesondere der Gewähr- Die Koalition hat auch vor, das moderne Ju- leistung eines menschenwürdigen Daseins für gendstrafrecht von seinem Erziehungsgedanken alle zu entfernen. Hier sollen wieder die deutschen Stammtische die Oberhand erhalten. Herr Koch (Zurufe von der CDU/CSU) lässt grüßen. Wir halten daran fest: Bei Jugendli- – ich wundere mich, dass Sie so empört sind, chen geht Erziehung vor Strafe. wenn es darum geht, dass es allen gut gehen soll (Beifall bei der LINKEN) – Diese Koalition steht trotz der von mir sehr ge- und der allmählichen Erhöhung der Lebens- schätzten Justizministerin weiterhin für eine frei- haltung aller Volksschichten. heitsbedrohende Sicherheitspolitik. Ich betone: aller Volksschichten. Weiter heißt es – (Beifall bei der LINKEN) das geht an die Adresse der Damen und Herren von der FDP –: Diese Politik ist für die Menschen in unserem Lan- de ein Debakel. Das liegt schon an den politischen Kapitalbildung ist nicht Selbstzweck, sondern Grundvorstellungen, die beide Parteien in die Re- Mittel zur Entfaltung der Volkswirtschaft. gierung einbringen. Die CDU/CSU ist mit ihrer Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2891

Sicherheitspolitik kein Freund der Freiheit. Bei ihr haltet. Ich gebe Ihnen recht, dass es nicht darum gilt immer noch der Grundsatz: Im Zweifel für die geht, die Opfer rechter Gewalt gegen die Opfer lin- Sicherheit und nicht für die Freiheit. Die FDP da- ker Gewalt auszuspielen. Genau deshalb haben gegen ist kein Freund der Gleichheit. Sie ist eher wir diesen Fonds nun für die Opfer jeglicher ext- ihr Feind. Diese beiden Partner treffen nun in einer remistischer Gewalt umgewidmet; denn für das Wunschehe aufeinander. Die FDP trifft dort einen Opfer macht es sicherlich keinen Unterschied, ob Partner, der kein Freund der Freiheit ist. Die es von einem Baseballschläger eines Rechten CDU/CSU trifft einen Partner, der ein Feind der oder von einem Molotow-cocktail eines Linken ver- Gleichheit ist. Die Folgen für die Menschen sind letzt wurde. Dem haben wir Rechnung getragen. bitter. Diese Koalition ist eine Koalition aus Un- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – freiheit und Ungleichheit. Christoph Strässer [SPD]: Darum geht es (Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der doch gar nicht!) CDU/CSU und der FDP) Die vergangenen Wochen haben jedem, auch Sie bringt den Menschen den gebückten Gang, wenn er sonst mit dem Justizwesen wenig zu tun nicht den aufrechten Gang. hat, klargemacht, wie wichtig Rechtsetzung und Rechtsprechung in einer Demokratie sind. Seit der (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wie lange darf ersten Lesung des Haushaltsplans gibt es einige der noch reden?) Beispiele dafür, wie Rechtsprechung Medien und Sie führt uns weg vom Auftrag des Grundgesetzes, Menschen bewegt. Heftig gestritten wurde und und sie entfernt uns von der humanen Utopie un- wird über die zukünftige Aufgabenwahrnehmung serer Verfassung – hoffentlich nur für knappe vier nach dem SGB II. Die Diskussion ist das Ergebnis Jahre. Ich halte es da mit der Hoffnung. Das war einer Entscheidung des Bundesverfassungsge- das Lieblingswort von Ernst Bloch. richts und wird nach unseren Vorstellungen in ei- ne Änderung des Grundgesetzes münden. Das Vielen Dank. höchste deutsche Gericht hat mit seiner Entschei- (Beifall bei der LINKEN) dung zur Höhe des Regelsatzes für Hartz IV neue Maßstäbe gesetzt, die wir nun umsetzen müssen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ich warne aber vor einem populistischen Schnell- Das Wort hat nun Kollege Alexander Funk für schuss, der nur auf die Landtagswahlen in Nord- die CDU/CSU-Fraktion. rhein-Westfalen ausgerichtet ist. Wenn die SPD nun ihren Ausstieg aus den Arbeitsmarktreformen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) verkündet, dann tut sie das mit haltlosen und nicht finanzierbaren Versprechen. Nicht jeder Zweck Alexander Funk (CDU/CSU): heiligt die Mittel. Dass die SPD von den Linken ge- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte trieben wird, ist unübersehbar. Nur frage ich mich Damen und Herren! Nach diesen philosophischen, in diesem Zusammenhang, wie es um das Seelen- absurden und utopischen Ausführungen komme leben von Frank-Walter Steinmeier bestellt ist, ei- ich wieder zu der Haushaltsberatung zurück. nem der Väter von Hartz IV. Der frühere SPD- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Popbeauftragte Gabriel demontiert mit einer atem- beraubenden Radikalität sein Lebenswerk. Die Ich möchte mit einem Dank für die konstruktive einzige Reaktion des Oppositionsführers ist eine Zusammenarbeit bei der Erstellung des Justizetats neue Brille. Sein Sichtfeld mag sich damit verän- beginnen, der nicht spektakulär, aber deshalb nicht dern, vielleicht sogar verengen; aber für seriöse minder wichtig ist. Wir haben in drei Sparrunden Politik ist das zu wenig. das vorgegebene Sparziel erreicht. Das Ministeri- um selbst hat Vorschläge erarbeitet, der Regie- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) rungsentwurf enthielt weitere Sparvorschläge, und Wir brauchen erst einmal die erforderlichen Daten in der Bereinigungssitzung haben wir weitere Res- des Statistischen Bundesamts, dann können wir ver- sourcen erschlossen. Mit anderen Worten: Wir ha- nünftigerweise die Regelsätze für Hartz IV berechnen ben unsere Hausaufgaben gemacht. Die Ausga- und einen Gesetzentwurf vorlegen, der den betroffenen ben sind im Vergleich zum Jahr 2009 um Menschen gerecht wird und den Vorgaben des Verfas- 2,23 Prozent gesunken, was bei einem klassi- sungsgerichts entspricht. Schließlich müssen wir uns schen Verwaltungshaushalt mit hohen Personal- mit der sogenannten Vorratsdatenspeicherung befas- kosten, die allein 78 Prozent der Ausgaben aus- sen, nachdem Karlsruhe das entsprechende Gesetz für machen, nicht ganz einfach ist; denn die Zahlung null und nichtig erklärt hat. von Gehältern und Löhnen können wir schlecht auf In diesem Zusammenhang stellt sich aber nicht das nächste Jahr verschieben. nur die Frage, welche Daten der Staat sammelt, Herr Schurer, Sie haben einen Punkt aus dem sondern es geht auch darum, wie ernst es die Bür- Etat herausgegriffen, nämlich den Fonds für Op- gerinnen und Bürger und vor allem bestimmte Un- fer extremistischer Gewalt, der um 700 000 Euro ternehmen mit der informationellen Selbstbestim- ansteigt und einen Betrag von 1 Million Euro bein- mung nehmen. Der scheidende Präsident des 2892 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, Da Sie selbst wissen, welche Daten Sie im In- hat gesagt: ternet veröffentlichen, haben Sie Kenntnis darüber, welche Daten in einem solchen Datenbrief enthal- Wir stellen nicht erst seit gestern fest, dass ten wären; deshalb brauchen Sie darüber nicht in- dem Grundrecht auf Datenschutz nicht nur formiert zu werden. von staatlicher, sondern auch von privater Sei- te Gefahren drohen. Beim Datenbrief geht es um etwas ganz ande- res: Die Unternehmen sollen Auskunft darüber er- Er meinte damit die Daten privater Unternehmen, teilen, welches Kundenprofil sie erfasst haben; die ihre Beschäftigten ausspähen. Ebenso leicht- die jeweiligen Daten sollen sie übermitteln. Dem- fertig gehen aber diejenigen mit ihren persönlichen entsprechend kann der Kunde selbst entscheiden, Daten um, die ihre Brieftaschen voller Bonuskarten ob diese Daten gelöscht werden. Genau darum haben; denn bei jedem Einkauf hinterlassen sie geht es. Es handelt sich hier um einen Vorschlag, Spuren. Anschließend beschweren sie sich über der diskutiert wird und den ich für ausgesprochen die vermeintliche Datensammelwut des Staates. sinnvoll erachte. Diese Koalition muss sehr besonnen die Schutz- und die Freiheitsrechte der Bevölkerung abwägen, Ein deutsches Sprichwort besagt: Es genügt bevor ein neuer Anlauf zur Vorratsdatenspeiche- nicht, recht zu haben; man muss es auch bekom- rung unternommen wird. men. Das gilt für jeden Einzelnen, der sein vielzi- tiertes gutes Recht gegenüber dem Staat geltend Ausdrücklich begrüße ich den Vorschlag von In- machen kann und manchmal machen muss. Auch nenminister de Maizière, einen Datenbrief einzu- hier führe ich ein Beispiel an – es berührt die So- führen. Danach sollen Unternehmen ihren Kunden zialgerichtsbarkeit –: Bei den Sozialgerichten einmal jährlich Auskunft über die gesammelten Da- gingen 2009 insgesamt 193 981 Klagen gegen ten geben. Wer seine Daten schützen will, muss Verwaltungsentscheidungen im Zusammenhang wissen, welche Daten über ihn kursieren; hier ge- mit Hartz IV ein; das waren 20 000 mehr als im be ich dem Innenminister ausdrücklich recht. Den Vorjahr. Der Präsident des Bundessozialgerichts, Hinweis auf Kosten für die Unternehmen kann ich Peter Masuch, fordert von uns, also der Politik, die in diesem Zusammenhang nicht gelten lassen. Erfahrungen der Verwaltungspraxis und die Ge- Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung richtsentscheidungen in die Gesetzgebung einzu- ist allemal das höhere Gut. beziehen. 193 981 neue Klagen, hinter dieser (Gisela Piltz [FDP]: Dann sagen Sie mir doch nüchternen Zahl verbirgt sich einerseits die hoff- bitte mal, was Sie dagegen tun!) nungslose Überbelastung der Sozialgerichte; zu- gleich ist sie Ausdruck des Vertrauens, dass die Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Bürgerinnen und Bürger zu Recht in den Rechts- Kollege Funk, gestatten Sie eine Zwischenfrage staat und seine Gerichte setzen. des Kollegen von Notz, Fraktion Bündnis 90/Die (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: So kann man Grünen? es auch sehen, ja!)

Alexander Funk (CDU/CSU): Ich will hier nicht in den Chor derer einstimmen, die der deutschen Gesetzgebung pauschal vorwer- Ja. fen, sie habe sich von der Lebenswirklichkeit ent- fernt. Dafür gibt es überhaupt keinen Anlass. Aber Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE ich bin der Überzeugung, dass Recht dem Rechts- GRÜNEN): empfinden der Menschen nicht diametral gegen- Herr Kollege, Sie haben den Datenbrief ange- überstehen darf; sprochen. Ich selbst finde das Wort „Datenbrief“ ebenfalls attraktiv und interessant; das klingt nach (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- einer guten Lösung. Wie soll das Ganze in der NEN]: Was wollen Sie denn damit sa- Praxis aussehen? Nehmen wir nur einmal die Da- gen?) ten, die ein soziales Netzwerk wie Facebook über dann nämlich wird es weder akzeptiert noch be- uns gespeichert hat: Soll man jedes Jahr Dutzende folgt. Selbstverständlich muss Recht eine verläss- von ausgedruckten Seiten – sie würden unter an- liche Größe bleiben, an der sich die Menschen ori- derem Fotos und Textkommentare enthalten – von entieren. Es darf nicht in opportunistischer Weise Facebook zugeschickt bekommen? Wie soll sich einem ständig wechselnden Zeitgeist angepasst das konkret darstellen? Glauben Sie tatsächlich, werden. dass es dem Datenschutz dient, wenn man Un- ternehmen dazu verpflichtet, persönliche Daten für (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- einen solchen Datenbrief zusammenzuführen? Ist NEN]: Das ist gut! – Wolfgang Wieland nicht vielmehr das Zusammenführen personalisier- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie ter Daten selbst ein Datenproblem? das einmal Ihrem Koalitionspartner!) Ein Thema, das uns alle in diesen Wochen be- Alexander Funk (CDU/CSU): wegt, ist – ich formuliere es einmal juristisch – der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2893

Missbrauch von Minderjährigen und Schutzbe- im Laufe der Jahrzehnte in Gremien der CDU bzw. fohlenen. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht der CSU entworfen worden sind. neue Übergriffe bekannt werden. Auch wenn die (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Solche bestimmt Fälle in der Regel Jahrzehnte zurückliegen, müs- nicht!) sen sie schonungslos aufgeklärt werden. Darüber besteht Konsens. Ebenso wichtig ist es aber, künf- Haben Sie je davon gehört, dass irgendein Organ tige Übergriffe zu verhindern. Gesetze allein dürf- der Grünen, dass irgendein Parteitag der Grünen, ten hier nicht ausreichen. dass irgendein Wahlkampfaufruf der Grünen sol- che absurden Forderungen beinhaltet hätte, wie (Christine Lambrecht [SPD]: Sondern?) Sie sie hier zitieren? Bei dem von der Bundesregierung angeregten Ich kann Ihnen versichern: In der Partei der runden Tisch müssen die Ursachen für die Miss- Grünen gibt es niemanden, der sexuellen Miss- handlungen und den Missbrauch von Kindern auf- brauch fördert oder bagatellisiert. Wir sind natürlich geklärt werden. Nur so können wir Wege einer der festen Überzeugung, dass alle diese Dinge wirksamen Prävention finden. bekämpft und verurteilt werden müssen. Deswe- In der derzeitigen Diskussion wird versucht, die gen möchte ich Sie bitten, solche Anschuldigungen katholische Kirche als eine Einrichtung darzustel- mit einem solchen Unterton gegen unsere Fraktion len, in der es, beispielsweise aufgrund des Zöli- und meine Partei zu unterlassen. bats, geradezu zum sexuellen Missbrauch von (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kindern kommen müsse. Diese Versuche sind und bei der SPD sowie bei Abgeordneten schlichtweg infam. der LINKEN) (Zuruf von der LINKEN: Wieso denn?) Ebenso infam könnte ich behaupten, dass die Alexander Funk (CDU/CSU): Grünen Mitverantwortung für Kindesmissbrauch Sie haben mich an dieser Stelle missverstan- tragen. Sie werden es nicht gerne hören, aber Tat- den. Ich habe klipp und klar gesagt: Es wäre sache ist: Im NRW-Wahlkampf 1985 forderte die ebenso eine infame Unterstellung. Grünen-Arbeitsgruppe „Schwule und Päderasten“, Ich sage Ihnen auch, vor welchem Hintergrund kurz: „Schwup“, den sexuellen Missbrauch von Ge- ich dieses Beispiel angesprochen habe. Ich finde fangenen und Kranken sowie Abhängigen, homo- es als Katholik, ich finde es als ehemaliger Mess- sexuelle Handlungen an Jugendlichen sowie den diener, ich finde es als Teil der katholischen Kir- sexuellen Missbrauch von Kindern straffrei zu stel- che unerträglich, wie gerade von Ihrer Fraktions- len. vorsitzenden Renate Künast die katholische Kirche (Zurufe von der CDU/CSU: Unglaublich!) angegangen wird. Sex mit Kindern sei, so formulierten die Grünen (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS damals, „für beide Teile angenehm, produktiv, 90/DIE GRÜNEN]: Das macht doch die entwicklungsfördernd“. katholische Jugend auch! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ungeheuer- 90/DIE GRÜNEN]: Das macht doch auch lich! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS Ihre Justizministerin!) 90/DIE GRÜNEN]: Wurde verworfen!) Es geht nicht an, dass finanzielle Sanktionen ge- Dass Sie, meine Damen und Herren von den gen eine Institution für Straftaten Einzelner ange- Grünen, nur ungern an solche Forderungen erin- droht werden. In diesem Zusammenhang möchte nert werden wollen, liegt auf der Hand. ich auch klarstellen, dass die grüne Partei nicht in Haftung genommen werden kann und mit sexuel- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: lem Missbrauch in Verbindung gebracht werden Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen darf, wenn einzelne Gruppen eine solche Forde- Montag? rung vor 25 Jahren gestellt haben. Darum geht es. ( [SPD]: Den Quatsch wollen (Beifall bei der CDU/CSU) wir nicht aufwerten!) In Fällen von sexuellem Missbrauch darf es nicht um gegenseitige Schuldzuweisungen gehen. Alexander Funk (CDU/CSU): Jeder einzelne Fall von Kindesmissbrauch ist ver- Ja. werflich und schlimm. Das Tabu des Schweigens muss gebrochen, die Taten müssen aufgedeckt, Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): die Opfer – soweit das überhaupt geht – entschä- Danke, Herr Präsident. – Herr Kollege Funk, ich digt und die Täter bestraft werden. Wenn es not- möchte Sie fragen, nachdem Sie uns Grüne ange- wendig ist, müssen wir auch die entsprechenden sprochen haben, ob Sie in dieser Runde auch er- Verjährungsfristen verlängern. zählen können, welche unterschiedlichen Anträge 2894 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

(Christine Lambrecht [SPD]: Geht es genau- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- er?) wie bei Abgeordneten der SPD) Wichtig ist in dieser Debatte aber auch, dass wir Aber eines ist auch klar: Unsere Kritik ist und nicht für die Straftaten Einzelner eine ganze Insti- wird nicht so verletzend, so bodenlos und so un- tution in Haftung nehmen. So schlimm und anständig werden, wie sie in der Koalition gegen- schmerzhaft diese Missbrauchsfälle sind, sie fin- seitig ausgesprochen wird. Davon konnte man den leider in allen gesellschaftlichen Gruppen statt, gestern – ich kann es Ihnen nicht ersparen – eine überwiegend in Familien. Es handelt sich also Kostprobe lesen. Zwei Abgeordnete, einer aus nicht um ein kirchliches oder ein katholisches dem Bundestag und einer aus einem Landtag, ei- Problem, sondern um ein gesellschaftliches Prob- ner aus der CSU und einer aus der FDP, haben lem, das wir gemeinsam bekämpfen müssen. gestern eine Unterhaltung geführt, und zwar über Hierzu fordere ich alle auf. die Medien, in aller Öffentlichkeit. Diese Unterhal- tung ging so: Der FDPler sagte: Bis auf die (Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS Schwarte werde ich auf die CSU eindreschen. 90/ DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Feuer frei auf sie! Ich freue mich über jede Sottise. Zwischenfrage) – Antwort der CSU: Dem Kubicki ist wohl die Vielen Dank. Schweinegrippe aufs Gehirn geschlagen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Für solche politischen Quartalsspinner wie Kubicki Herr Kollege, wollen Sie Ihre Redezeit verlän- kann sich die FDP nur schämen. – Antwort von gern? Kubicki: BSE schlägt aufs Gehirn, nicht die Schweinegrippe. Diesen CSU-Generalsekretär – Alexander Funk (CDU/CSU): gemeint ist Dobrindt – werden wir uns als Ersten Nein. vornehmen. Feuer frei auf ihn! (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: DIE GRÜNEN – Stephan Mayer [Altötting] Dann erteile ich Kollegen Jerzy Montag von der [CDU/CSU]: Kommen Sie auch mal zum Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Thema?)

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): – Das ist das Thema. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! (Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Ich werde in meiner heutigen Rede die bayrische Das ist substanzlos! Haben Sie sonst Verfassung nicht zitieren, obwohl ich sie ausge- überhaupt nichts zu sagen?) sprochen gut finde und sie im Studium immer als eine der besten Verfassungen angesehen habe. Sie, nicht wir, lassen die Menschen daran zweifeln, Aber auch ich werde, bevor ich mich dem Justiz- dass in den Parlamenten überhaupt noch ernsthaf- sektor zuwende, etwas über unseren Bundesau- te Politik gemacht wird. ßenminister sagen müssen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Herr Westerwelle ist in der Kritik, und er antwor- der SPD und der LINKEN) tet auf diese Kritik. Er sagt uns, der Opposition, die Sie zerstören das Vertrauen in die Volksvertreter, Kritik an ihm sei unanständig, sie schade der De- in uns, und in die Demokratie. Ihre Vorwürfe treffen mokratie und sie beschädige die Demokratie. Da- nicht uns, sondern Sie selber. Sie liefern ein be- bei ist es so, dass wir – ich hoffe, Sie erinnern sich schämendes Bild von Zerstrittenheit und Unfähig- noch daran – den Bundesaußenminister Wester- keit. welle gelobt haben. Wir haben ihn dafür gelobt, dass er zuerst nach Polen gefahren ist. Wir haben (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Dr. Ilja ihn dafür gelobt, dass er in der Vertriebenenstif- tungsfrage hart geblieben ist. Aber wir kritisieren Seifert [DIE LINKE] – Norbert Barthle [CDU/ CSU]: Ich kann Ihnen gerne Zitate ihn auch, wenn er in der Bundesrepublik Deutsch- land Menschen beleidigt, die auf soziale Aus- der Grünen liefern! Die sind nicht besser!) gleichsmaßnahmen angewiesen sind. Wir kritisie- Jetzt im engeren Sinne zum Thema. Wir reden ren ihn, wenn er Spenden entgegennimmt und über den Haushalt des Bundesverfassungsgerichts dann die Spender mit Steuererleichterungen be- und den des Bundesjustizministeriums. Ich will mit dacht werden. Wir kritisieren ihn wegen seiner Vet- dem Bundesverfassungsgericht anfangen. terleswirtschaft bei seinen Auslandsreisen. Meine Damen und Herren, es ist unsere Aufgabe und un- Ich will Herrn Professor Dr. Papier meinen Dank aussprechen. Vorgestern hat die Stabübergabe in sere Pflicht als Opposition, eine solche Kritik zu Karlsruhe stattgefunden. Ich will ihm für seine Tä- üben. tigkeit als Präsident des Bundesverfassungsge- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2895 richts danken. Daneben will ich den Glückwunsch diesem Posten für die Opfer von rechtsradikaler an den neuen Präsidenten Professor Voßkuhle, Gewalt ein politisches Zeichen setzen wollen. Die- den der Bundestagspräsident schon heute Vormit- ses politische Zeichen radieren Sie aus. tag ausgesprochen hat, erneuern und auch den (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN neuen Richter Professor Paulus beglückwünschen. und bei der SPD sowie bei Abgeordneten Der Dank gilt nicht allen Urteilen. Aber der Dank der LINKEN – Florian Toncar [FDP]: Das gilt der Gradlinigkeit und der Klarheit, mit der das ist doch Unfug!) Gericht über viele Jahre in Demokratiefragen, in Sie behandeln gleich, was ungleich ist. Das ist der Menschenrechtsfragen und in Bürgerrechtsfragen Fehler. Denn aufgrund des Ausmaßes und der Art Kurs gehalten hat. Mal über Mal hat das Bundes- und Weise, wie die Neonazis und die Rechtsradi- verfassungsgericht – sogar noch vor einigen Ta- kalen unser Land bedrohen, Menschen Schaden gen – die Menschenwürde und das Recht des In- zufügen und Menschen umbringen, haben wir es dividuums hochgehalten und die Freiheit in der mit einer einzigartigen Gefahr zu tun. Es wäre Abwägung von Freiheit und Sicherheit nicht unter schön, wenn diese Koalition das endlich begreifen die Räder kommen lassen. Deswegen will ich an würde. dieser Stelle sagen: Jeder Cent und jeder Euro, den wir im Haushalt für das Bundesverfassungsge- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN richt einsetzen, ist gut angelegtes Geld mit einer und bei der LINKEN sowie bei Abgeord- bürgerrechtlichen Dividende für alle Bürgerinnen neten der SPD – Norbert Barthle und Bürger. [CDU/CSU]: Tosender Beifall bei den Lin- ken!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Frau Bundesjustizministerin, Sie haben zu Be- LINKEN) ginn Ihrer Amtszeit ein Interview im Stern gegeben und davon gesprochen, dass nun ein neuer Geist Da wir schon über Geld reden, will ich auch ei- in der Rechtspolitik einkehrt, dass es einen Rich- nen Posten im Haushalt des Bundesjustizministe- tungswechsel in der Innen- und Sicherheitspolitik riums erwähnen, der sich mit den Opfern rechts- geben wird und dass das Ritual immer schärferer extremistischer Gewalt beschäftigt hat und der sich Gesetze durchbrochen wird. Sie wollten und wol- nunmehr mit den Opfern extremistischer Gewalt len für mehr Bürgerrechtsschutz statt für mehr beschäftigt. Überwachung sorgen. Ich habe das gerne gele- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Eine gu- sen. Aber mir war von Anfang an klar: Das wird die te Entscheidung!) härteste Nuss mit diesem Koalitionspartner. Ich bin der Letzte, der Gewalt von linksextremer So erweist es sich auch. Ich weiß, die Union än- Seite beschönigen will. Ich bin der Meinung, dass dert sich, die Union modernisiert sich mit Hängen die Straftaten von rechts wie von links verfolgt und Würgen und unter Schmerzen. werden müssen. Aber, Herr Kollege Funk, weil Sie (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Mit diesen Punkt angesprochen haben, will ich Ihnen Freude!) sagen: Darum geht es bei diesem Topf überhaupt nicht. Es geht nicht um das Geld für die Verfolgung Aber in Bürgerrechtsfragen und in Freiheitsfragen von Straftätern. Das Geld für die Verfolgung von geht es bei Ihnen immer noch am langsamsten. Straftätern steht im Etat für das Innenressort und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – wird dafür ausgegeben, sowohl linksradikale wie Christine Lambrecht [SPD]: Rückwärts!) auch rechtsradikale Straftäter zu verfolgen. Es geht bei diesem Topf um die Opferentschädigung. Deswegen sage ich: Jawohl, das ist für die Bun- desjustizministerin eine harte Nuss. Die Koalition (Alexander Funk [CDU/CSU]: Genau so ist ist auch in der Rechtspolitik heillos zerstritten und es!) völlig handlungsunfähig. Dafür haben wir ein Opferentschädigungsgesetz, In der kurzen Zeit kann ich es Ihnen nur mit ei- das als Auffangposition allen Opfern rechtsextre- nem Argument verdeutlichen: Die Rechtsaus- mistischer und linksextremistischer Straftaten zur schusssitzung der letzten Sitzungswoche dauerte Verfügung steht. elf Minuten, weil es vonseiten der Koalition und der (Alexander Funk [CDU/CSU]: Wollen Sie den Regierung nicht eine einzige Vorlage gab. Auf der ganz streichen?) Tagesordnung des Rechtsausschusses für die nächste Sitzungswoche gibt es überhaupt nur eine Es geht um etwas anderes. Es geht darum, einzige Vorlage mit der Federführung des Rechts- dass wir seit 1989 die Situation haben, dass bei ausschusses, und das ist ein Antrag der Grünen. uns 150 Menschen von Rechtsradikalen ermordet Von Ihrer Seite, von der Regierungsseite, von der worden sind und dass wir Hunderte, ja Tausende Koalitionsseite gibt es keine einzige. Sie arbeiten von Verletzten und Schwerverletzten durch die nicht mehr, Sie bringen keine einzige Vorlage, und Übergriffe von Neofaschisten und Rechtsradika- deswegen sagen wir Ihnen: Sie sind zerstritten, len haben. Deswegen hat dieses Hohe Haus mit 2896 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Sie leisten nichts, Sie bringen überhaupt nichts zu- dafür nicht ein, das ist so unerträglich an der Sa- stande. che vorbei, dass Sie künftig bei Ihren Vorlesungen darauf verzichten sollten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich hätte hier gern noch ausgeführt, dass ich in einem gewissen Sinne darüber auch froh bin, Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) des Kollegen Nešković? denn wenn ich mir vorstelle, dass Sie das Erschei- nen und die Aussagepflicht bei der Polizei einfüh- Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): ren wollen, dass Sie die Wiederaufnahme zulasten Ja, selbstverständlich. von Angeklagten einführen wollen, dass Sie das Jugendstrafrecht verschärfen und die Prozess- Wolfgang Nešković (DIE LINKE): und die Beratungshilfe beschneiden wollen usw., Herr Kollege Grosse-Brömer, wollen Sie bitte dann bin ich in einem bestimmten Sinne auch froh, zur Kenntnis nehmen, dass ich mich natürlich dass es bei Ihnen ganz langsam geht. freue, wenn Sie meinen Worten mit Andacht lau- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schen, und ich mich noch mehr freue, wenn das und bei der SPD sowie bei Abgeordneten bei Ihnen auch einen gewissen Erfolg hat? der LINKEN) Aber nehmen Sie bitte auch Folgendes zur Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Kenntnis: Im Jahre 1990 war ich Mitglied im Lan- Frau Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger, desvorstand der SPD und zu diesem Zeitpunkt un- bleiben Sie bitte bei den Zitaten, die ich aus Ihrem gefähr zehn Jahre lang Landesvorsitzender der ersten Interview vorgetragen habe. Kämpfen Sie SPD-Juristen in Schleswig-Holstein. Da habe ich weiter für mehr Bürgerrechtsschutz und gegen die gleichen Ideen und Vorstellungen wie Sie hin- mehr Überwachung, gegen das Ritual immer sichtlich der Wiedervereinigung gehabt. Also, das schärferer Gesetze und für einen Rich- war wieder ein Fehlschlag. tungswechsel in der Rechtspolitik. Wenn Sie das durchhalten, haben Sie uns auf Ihrer Seite, aber Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): leider nicht bei dem Haushaltstitel Justiz; ihn wer- Nein, ich habe Sie auch gar nicht persönlich den wir ablehnen müssen. gemeint; ich finde es toll. Das Einzige, was mich wundert, ist der Umstand, dass Sie, wenn Sie frü- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und her einmal so klug politisch aktiv waren, sogar mit bei der SPD) einer juristischen Ausbildung in der SPD, dann diesen Fehler gemacht haben, jetzt bei der Linken Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: mitzuarbeiten. Das verstehe ich dann nicht, aber Das Wort hat nun Michael Grosse-Brömer für das werden Sie sicherlich vor sich selbst ver- die CDU/CSU-Fraktion. antworten müssen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Ungeachtet dessen muss ich natürlich noch kurz Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen zu dem Kollegen Montag kommen; ich hatte gar und Kollegen! Es wurde auch Zeit, dass man hier nicht so viel Platz, alle Stichworte aufzuschreiben. einmal zu Wort kommt. Ich freue mich ja auch, wenn Sie vermeintliche Ich habe Ihre Vorlesung, Herr Nešković, wieder Diskurse zwischen FDP und CSU mit Interesse mit Wonne genossen. Sie haben ausnahmsweise verfolgen. Ihren Ankündigungen dann auch Taten folgen las- (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sen. Ich habe mich in der Tat gewundert, als Sie NEN]: Die gab es wirklich!) gesagt haben, die CDU sei kein Freund der Frei- heit. Ich erlaube mir, nur kurz daran zu erinnern, – Ja, die gab es, bestimmt. Ich habe sie nicht rich- dass wir als CDU/CSU auch in diesem Bundestag tig verfolgen können, aber ich glaube Ihnen natür- bereits die Wiedervereinigung propagiert und uns lich. dafür eingesetzt haben, dass alle Deutschen in In diesem Zusammenhang sollte man noch er- Freiheit leben können, wähnen, dass zum Beispiel Rot-Grün von einer (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Und für das stetigen Harmonie geprägt war. Insbesondere der Recht!) Außenminister und der damalige Kanzler haben sich gemocht und nie etwas Schlechtes überei- bevor Sie überhaupt eine Stellungnahme dazu ab- nander gesagt. Vielmehr herrschte Eintracht; es geben konnten. Unserer Fraktion vorzuwerfen, sie war Friede, Freude, Eierkuchen, im Gegensatz zu habe ein falsches Ideal von Freiheit und setze sich anderen Geschichten. Was die Zerstrittenheit be- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2897 trifft, würde ich ein bisschen tiefer stapeln, als das (Christine Lambrecht [SPD]: Arbeiten Sie in Ihren Reden der Fall ist. überhaupt?) dann muss man im Zweifel auch nicht so viel korri- gieren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Mich wundert es, dass Sie immer die Opferent- Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Kommen schädigung ansprechen. Sie beginnen Ihre Aus- Sie zum Thema!) führungen immer folgendermaßen: Eigentlich gibt es keinen Unterschied. Wir bekämpfen linke Ge- Die Zusammenarbeit ist gut. Machen Sie sich kei- walt genauso wie rechte Gewalt. – Aber Sie finden ne Gedanken, dass wir in rechtspolitischer Hinsicht es jedes Mal komisch, dass man die Opfer der je- zu wenig machen. weiligen Straftaten unterschiedlich behandelt. (Christine Lambrecht [SPD]: Man hört jeden (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil Tag davon, wie gut Sie sind!) es um die Bekämpfung geht!) Derzeit findet der Insolvenzrechtstag in Berlin Ich will Ihnen sagen, was wir gemacht haben. statt. Wir sind mitten in der Arbeit. Sie werden Wenn es das politisch eindeutige Zeichen gegeben noch früh genug Entwürfe bekommen, die dazu haben soll dienen, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Im letzten Jahr gab es (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- 33 000 Insolvenzen. Wir alle müssen daran arbei- NEN]: Sie haben das wieder nicht ver- ten, dass Arbeitsplätze erhalten werden und Un- standen!) ternehmen nicht dadurch stigmatisiert sind, dass – doch, ich glaube, ich habe das verstanden –, nur sie in Zahlungsschwierigkeiten kommen oder unter Opfer rechtsextremistischer Straftaten zu entschä- Umständen sogar Insolvenz anmelden müssen. digen, dann finde ich es gut, dass wir jetzt das Zei- Die Neufassung des Insolvenzrechtes ist eine chen gesetzt haben, dass es völlig gleichgültig ist, große Aufgabe, die wir anpacken. Die Kollegin aus welchen politischen Motiven ein Mensch Winkelmeier-Becker wird das für unsere Fraktion schwer verletzt wird. Es ist sinnvoll, hier keinen übernehmen. Ich glaube, es ist sinnvoll, Insolvenz- Unterschied zu machen und auch bei linksextre- planverfahren zu straffen und zu vereinfachen. Es mistischen Straftaten das politische Zeichen zu ist auch sinnvoll, über eine verbesserte Eigenver- setzen, waltung nachzudenken. Der Insolvenzrechtstag in (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Aber die An- Berlin ist ein guter Anlass, dieses Thema anzu- zahl unterscheidet sich!) sprechen. dass man sie unterlassen soll und man die Opfer Ich komme zum Thema Kindesmissbrauch; es in identischer Art und Weise wie die von rechtsext- ist mehrfach angesprochen worden. Es ist unstrei- remistischen Straftaten entschädigen sollte. tig, dass das kein spezifisches Problem der katho- lischen Kirche ist, sondern ein Problem von Ein- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) richtungen, in denen Kinder betreut und erzogen Wenn Sie so wollen, ist das ein politisches Zei- werden. Die Mehrzahl der Fälle findet ohnehin im chen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass privaten Umfeld statt. linksextremistische Straftaten eine wesentlich hö- Wenn wir eine positive Lehre aus den Vorfällen here Steigerungsrate haben als rechtsextremisti- der letzten Zeit ziehen, dann ist es die, möglichst sche, was die Situation aber nicht besser macht. sensibel zu reagieren und zu überlegen, inwieweit (Zuruf von der LINKEN: Kein Problembe- dieser Missbrauch verhindert werden kann. Das wusstsein!) betrifft vor allem die Sensibilität derjenigen, die in der Schule tätig sind. Vielleicht ist ein noch ge- Ich möchte darauf hinweisen, dass wir nach naueres Hinsehen der Ärzte erforderlich. Ich finde dem Interview, das die Ministerin zu Beginn ihrer es richtig, dass es – auch auf Initiative der Bundes- Amtszeit im Stern gegeben hat, festgestellt haben: justizministerin – runde Tische gibt, wobei die Be- Diese christlich-liberale Regierung teiligten sowohl zurückblicken, um zu überprüfen, (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE was man noch an Entschädigung leisten muss, als GRÜNEN]: Bloß nicht „Schwarz-Gelb“ auch nach vorne, um darüber nachzudenken, wie sagen! Dann gibt es Ärger mit Kauder!) künftige Taten zu verhindern sind. Wir sind der Auffassung, dass man in diesem Zusammenhang wird insbesondere im rechtspolitischen Bereich Mängel im geltenden Recht beseitigen sollte; denn sehr erfolgreich sein, weil wir uns gut verstehen Zusehen und Bedauern reichen nicht mehr aus. und uns vernünftig darüber unterhalten, was ge- macht werden soll. Hierin unterscheiden wir uns vielleicht von Rot-Grün. Wir arbeiten nicht schnell, Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: sondern wir arbeiten sorgsam, Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ströbele? 2898 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS Ja, gerne, wenn sie nicht so lang ist, wie das 90/DIE GRÜNEN]: Die Strafe richtet sich sonst bei ihm der Fall ist. nach der Schuld!) (Otto Fricke [FDP]: Das wird nicht möglich Wir müssen uns damit beschäftigen, wie man auch sein!) auf anderen Feldern sexuellen Missbrauch beseiti- gen kann. Ich bin aber zusammen mit meiner Frak- Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE tion der Auffassung, dass wir die Täter, diejenigen, GRÜNEN): die diese widerlichen Taten begehen, als das be- Herr Kollege, meine Fragen sind immer ganz strafen sollten, was sie sind, nämlich als Verbre- kurz. Ich wollte diese Frage schon vorhin Ihrem cher. Kollegen stellen. Sie kritisieren, dass nur eine (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche neten der FDP) erfolgt, und weisen darauf hin, dass Fälle von se- xuellem Missbrauch in vielen Anstalten vorge- Gleichzeitig denken wir über die Verjährungs- kommen sind. Das ist ohne Zweifel richtig. Wir er- fristen nach. Das wissen Sie; das haben Sie den fahren jeden Tag, dass Menschen aus allen mögli- Zeitungen entnehmen können. Die Debatte darü- chen Bereichen berichten, dass auch ihnen das ber ist mittlerweile in vollem Gange. Wir wollen die passiert ist. strafrechtliche Verjährungsfrist verlängern, weil wir anhand konkreter Beispiele feststellen konnten, (Otto Fricke [FDP]: Ist das schon eine Frage?) dass manche Opfer lange brauchen, um sich zu offenbaren. Insbesondere gilt dies aber auch für Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): die zivilrechtlichen Verjährungsfristen; denn diese Das ist wieder eine sehr kurze Frage. Ich merke beginnen ab dem 21. Lebensjahr und betragen das schon. derzeit drei Jahre ab Kenntnis. Eine Verlängerung macht Sinn. Ich glaube, für das Opfer ist es wich- Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE tig, zu wissen, dass der Täter für diese elende Tat GRÜNEN): bestraft wird; aber mindestens genauso wichtig ist Die entscheidende Frage ist doch: Wie gehen es, sagen zu können: Ich bekomme Schmerzens- die damit um? Die Kritik an der katholischen Kirche geld, ich habe einen Anspruch auf Schadensersatz – gerade seitens katholischer Laienorganisationen, für mögliche Therapiekosten. – Das sind sinnvolle der Katholischen Jugend und anderer – betrifft den Überlegungen in diesem Zusammenhang, die wir Umgang der katholischen Kirche damit, dass sol- rechtspolitisch aufarbeiten müssen. che Vorwürfe gemacht werden und sich Opfer Kollege Montag, weil wir ab und zu auch außer- melden. halb des Plenarsaals diskutieren und fröhlich strei- (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wie ist denn das ten, muss ich Ihnen sagen: An einer Stelle bin ich mit der Odenwaldschule?) völlig entgegengesetzter Auffassung. Sie haben öf- fentlich gesagt, zahlreiche Missbrauchsfälle seien Darum geht es doch. Sie müssen einmal sagen, einer kinderfeindlichen und verklemmten Gesell- wie Sie sich dazu verhalten. Ich denke, in vielen schaft zuzuschreiben. Wörtlich: Fällen wäre heftigere Kritik an der katholischen Kirche angebracht, sowohl ganz oben als auch Wer eine verlogene Sexualmoral predigt, ist ganz unten. Geben Sie mir da recht? Schließen mitschuldig daran, dass hunderte, vielleicht Sie sich dem an? tausende von Kindern und Jugendlichen in Schulen sexuellen Übergriffen ausgesetzt wa- ren. Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Nach meiner Kenntnis hat die katholische Kirche (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: einen Sonderbeauftragten für diesen Bereich ein- So ist es!) gesetzt. Sie wird am runden Tisch teilnehmen. Bi- Ich halte diese Argumentation für sehr, ich sage schof Marx ist zitiert worden. Ich glaube, damit ist einmal, nachdenkenswert. alles gesagt. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das stimmt! Denken Sie!) Wir sind der Auffassung, dass Kindesmiss- Ich meine das in folgendem Sinne: Entlastet man brauch künftig als Verbrechen behandelt werden nicht in Wirklichkeit die Täter, wenn man sagt: „Die muss. Ich glaube nicht, dass eine höhere Bestra- Gesellschaft ist aufgrund ihrer falschen Moral fung per se der einzig wirksame Weg ist, um Straf- schuld und nicht der Täter, der sich persönlich an taten zu verhindern, logischerweise. Deswegen den Opfern vergeht“? sage ich ganz bewusst: Die Strafe muss mit Prä- ventionsmaßnahmen einhergehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das ist die alte 68er-Debatte – ich dachte, wir hät- ten sie überwunden –: Die Gesellschaft ist schlecht Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2899 und produziert dadurch Täter, die nichts dafür Herr Kollege, gestatten Sie, bevor Sie zu Ihren können. Schlussworten kommen, eine Zwischenfrage des Kollegen Wieland? Das verlängert Ihre Redezeit. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat er überhaupt nicht gesagt! Das erfinden Sie jetzt! Den Nachsatz ha- Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): ben Sie erfunden!) Würden Sie die Uhr dann auch anhalten? Bei aller Liebe, darüber sollten wir wirklich einmal Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: nachdenken. Sofort. Wir sind der Auffassung, dass zivilrechtliche und (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU strafrechtliche Verjährungsfristen angepasst wer- und der FDP) den müssten. Unter rechtspolitischen Gesichts- punkten müssen wir darüber nachdenken, wie wir das am besten machen. Das hätte einen Vorteil: Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Das Opfer müsste nicht zweimal vor Gericht er- NEN): scheinen. Es gibt das Adhäsionsverfahren. Im Vielen Dank. – Herr Kollege Grosse-Brömer, Sie Rahmen eines Strafverfahrens kann man gleich- haben jetzt das Beispiel wiederholt, das der Kolle- zeitig über Schadensersatz und Schmerzensgeld ge Uhl vorhin in der innenpolitischen Debatte ge- verhandeln. nannt hat. Den Kollegen Uhl zu belehren, ist meist sehr schwierig bis unmöglich. Bei Ihnen versuche (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ich es einmal. NEN]: Macht aber nie jemand!) (Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Weil er – Das macht keiner. Das stimmt. Aber vielleicht ist recht hat!) das eine Möglichkeit, darauf hinzuweisen, dass es eigentlich sinnvoll wäre, das zu machen. Das Op- – Nein. – Wenn man das Urteil des Bundesverfas- fer nicht zweimal einer öffentlichen Verhandlung sungsgerichtes liest – das muss man natürlich ma- auszusetzen, ist nämlich auch eine Frage der chen – Rücksichtnahme, die die Missbrauchten benötigen. (Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Und ver- Abschließend will ich auf die Vorratsdaten- stehen!) speicherung eingehen; sie ist mehrfach ange- und versteht, sieht man, dass die IP-Adressen sprochen worden. Meist wird behauptet, dass das ausdrücklich unter keinerlei Schutz gestellt wer- Bundesverfassungsgericht die Politik korrigiert. Ich den. Es wird gesagt: Die Vorratsdatenspeicherung erlaube mir nur den Hinweis darauf, dass das Ur- bezogen auf IP-Adressen ist – das kann man be- teil mit 4 : 4 Stimmen verabschiedet wurde – da dauern oder nicht – unverfänglich und darf durch- gibt es noch Abstufungen –, geführt werden. Die Aufforderung des Gerichtes (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- zur Löschung hat sich deswegen auch nicht auf NEN]: Das Ergebnis zählt!) die auf Vorrat gespeicherten IP-Adressen bezo- gen. Wenn ein Betreiber das falsch verstanden sodass das Gericht offenbar nicht vollständig hat, wäre es Ihre Aufgabe als Rechtspolitiker Uhl überzeugt war, dass alles falsch ist. und als Rechtspolitiker Grosse-Brömer, sowohl Wir christdemokratischen Rechtspolitiker sind das BKA als auch die Betreiber darauf hinzuwei- jedenfalls der Auffassung, dass wir die Hinweise sen. Sehen Sie das so wie ich? des Präsidenten des BKA – der Kollege Uhl hat in der vorherigen Debatte, glaube ich, auf ein Bei- Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): spiel hingewiesen –, die er gestern in einer Sitzung Ich sehe ziemlich viele Sachen so wie Sie. In unserer Fraktion gegeben hat, ernst nehmen soll- diesem Fall will ich Ihnen sogar zugestehen, dass ten. Er sagte, dass man einen Sexualstraftäter ei- Sie als Innenpolitiker im Zweifel noch mehr Spezi- gentlich schon längst hätte dingfest machen kön- alwissen haben als ich. Ich verlasse mich auf den nen, wenn es die Vorratsdatenspeicherung gäbe. Präsidenten des BKA und auf dessen Mitarbeiter, Nur weil wir sie nicht haben, ist er immer noch im (Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Da sehen Internet unterwegs und prahlt dort mit seinen se- Sie, wie verlassen Sie sind!) xuellen Übergriffen. der seit Jahren speziell in diesem Bereich arbeitet Wir sind der Auffassung, dass wir schnell han- und recherchiert. deln müssen. Das Gericht hat ja bestätigt, dass die Vorratsdatenspeicherung an sich geeignet und zu- (Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Der ist noch lässig ist. Nur bei der Datensicherheit und - nicht einmal Jurist!) verarbeitung muss nachgebessert werden. Wenn dieser Mitarbeiter, der täglich damit zu tun hat, mir erklärt, dass es mit der Vorratsdatenspei- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: cherung möglich gewesen wäre, einen Täter zu identifizieren, dann glaube ich ihm das erst einmal, 2900 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 ohne Ihre hohe Kompetenz bei diesem Thema zu ben Sie uns ein Sexualstrafrecht hinterlassen, das bestreiten. für den sexuellen Missbrauch von Kindern Geld- strafen vorsah und bei dem man von minder- (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schweren Fällen ausging. Es befand sich auf dem NEN]: Also, machen Sie sich kundig! – niedrigsten Bestrafungsniveau, das es überhaupt Christine Lambrecht [SPD]: Das kann er in der BRD gab. Wir, Rot-Grün, haben das Sexual- noch nachlesen!) strafrecht verschärft. Wir haben die Geldstrafe ge- – Wir wehren uns ja nicht dagegen, täglich klüger strichen. Wir haben die mittelschweren und die zu werden. Ich hoffe, das gilt für alle Fraktionen in schwersten Fälle zu Verbrechen gemacht, die mit diesem Haus. Freiheitsstrafe von 5 bis 15 Jahre belegt sind. Deswegen würde ich Ihnen empfehlen, in diesem (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bereich nicht wieder wie in einem Pawlow’schen Ja!) Reflex erhöhte Strafen zu fordern. Zum Abschluss möchte ich sagen: Ich freue Zu dem Text, den Sie kritisiert haben: Ich bin mich, dass die Bundesjustizministerin zugesagt der festen Überzeugung, dass die Polizei und die hat, die Hände in diesem Bereich nicht in den Staatsanwaltschaft alles, was rechtsstaatlich mög- Schoß zu legen, sondern nachzuarbeiten. lich ist, tun müssen, um Sexualstraftaten aufzude- (Christine Lambrecht [SPD]: Beim IT-Bereich! cken. Die Täter müssen bestraft werden. Alle – Weitere Zurufe) Straftaten geschehen aber in einem gesellschaftli- chen Zusammenhang. Das Verhalten der Opfer, – Ja, ich jedenfalls finde, das ist eine nette Zusa- der Täter und der Organisationen, in denen sie ge- ge. schehen, ist Teil des gesellschaftlichen Kontextes. (Lachen der Abg. Christine Lambrecht Warum haben sich Kinder und Jugendliche jahr- [SPD] – Angelika Krüger-Leißner [SPD]: zehntelang, bis sie Erwachsene im Alter von 30, Legt sie sonst die Hände in den Schoß?) 40 oder 50 Jahren waren, nicht getraut, über diese sexuellen Übergriffe zu reden? Meine These ist: Es gibt dazu auch eine EU-Richtlinie. Durch ge- Das hängt im Wesentlichen mit der verlogenen setzgeberisches Unterlassen würden wir die Si- Sexualmoral in der Gesellschaft zusammen; das cherheit der Menschen gefährden. Dazu sind wir war zumindest in der Vergangenheit der Fall. als CDU/CSU nicht bereit. Abschließend möchte ich der Ministerin für die gute Zusammenarbeit herzlich danken. Wir hören jeden Tag – ich nenne die katholische (Lachen der Abg. Christine Lambrecht [SPD]) Kirche nur als Beispiel, nicht um sie anzuprangern –, dass solche Fälle in den 70er- und 80er-Jahren Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Man innerhalb der Kirche bekannt geworden sind und merkt an den Reden und Feststellungen der Op- die Pfarrer in andere Bezirke oder andere Staaten position, dass Sie das Gefühl haben, dass wir bes- versetzt wurden. Darüber hat man geschwiegen. ser sind, als zurzeit bemerkt wird. Ich sage: Das hängt mit der verlogenen Sexualmo- (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS ral bestimmter Organisationen und der Gesell- 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Wieland schaft zusammen. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war Diese Situation hat sich gewandelt. Ich glaube, ein wahrer Satz!) heutzutage werden solche Fälle häufiger ange- In diesem Sinne freue ich mich auf die weitere gu- zeigt. Wir können sexuellen Missbrauch erfolgrei- te Zusammenarbeit. cher bekämpfen, wenn wir über Sexualität offen reden. Wenn wir uns über dieses Thema in einer (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- offenen Debatte austauschen, dann haben die neten der FDP) Menschen nicht eine so große Scham, solche Vor- fälle anzuzeigen. Kinder und Jugendliche müssen Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: ertüchtigt werden, sich zu wehren und solche Vor- Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich fälle sofort bei einer Vertrauensperson anzuzeigen. Kollegen Jerzy Montag. Das habe ich gemeint, als ich geschrieben habe, dass die sexuelle Verklemmtheit und die verlogene Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sexualmoral in den vergangenen Jahrzehnten eine Danke, Herr Präsident. – Lieber Kollege Grosse- Mitschuld daran hatten, dass diese Fälle so lange Brömer, Sie haben mich persönlich angesprochen verschwiegen worden sind. und einen Artikel zitiert, den ich in der Presse ver- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie öffentlicht habe. Deswegen will ich die Gelegenheit des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]) nutzen, Ihnen zweierlei zu sagen. Als die schwarz-gelbe Koalition 1998 die Regie- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: rungsgeschäfte an Rot-Grün abgeben musste, ha- Herr Kollege, bitte schön. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2901

Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): – Gesagt ist gesagt. Lieber Herr Kollege Montag, mir ist diese Be- Ich glaube, hinter dieser Einschätzung verbirgt gründung immer noch zu einfach. Diese Opfer sich viel mehr, nämlich der tief empfundene schämen sich nicht, weil sie nicht mit Sexualität Wunsch, in eine Große Koalition zurückzukehren. umgehen können, sondern sie schämen sich, weil sie Opfer eines massiven kriminellen bzw. sexuel- (Lachen bei der CDU/CSU – Stephan len Übergriffs wurden. Auch nach Ihren Erklärun- Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Bei Gott gen, die ein bisschen umfangreicher waren als nicht! Keine zweite Zwangsheirat! – Wei- das, was Sie geschrieben haben – der Satz alleine terer Zuruf von der CDU/CSU: Ach herr- klingt ja ein bisschen anders –, bin ich der Auffas- je!) sung, dass es sehr mutig ist, der Gesellschaft mit Die Große Koalition hat gerade auf dem Gebiet der Verweis auf eine bestimmte Moralvorstellung die Rechtspolitik unglaublich viel erreicht. Ich will nur Schuld daran zu geben, dass sich Opfer nicht eher einen Bereich nennen, in dem wir alle, das gesam- offenbaren. te Haus, an einem Strang gezogen haben: das Ich glaube, wer Opfer einer Straftat wird – es Familienrecht. muss sich dabei nicht unbedingt um eine Straftat (Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Insolvenz-recht mit sexuellem Hintergrund handeln, sondern es auch!) kann sich auch um einen Überfall handeln –, hat manchmal ein Problem damit, sich zu offenbaren, Wir haben das gesamte Familienrecht umgekrem- weil er dann die genauen Umstände und den Ab- pelt und es den neuen Herausforderungen ange- lauf schildern muss. Das Problem ist, dass sich passt. Dabei hatten wir alle im Boot. nicht nur Opfer sexueller Straftaten, sondern auch (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das war Opfer anderer Straftaten nicht offenbaren; dafür schön, ist aber vorbei!) gibt es Beispiele. Wie geräuschlos ging das vonstatten! Das nenne Ich glaube, dass es wichtig ist, im Strafrecht die ich sachgerechte Arbeit. Eigenverantwortung des Täters zu betonen. Wer Kinder belästigt oder sexuell missbraucht hat, darf (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ja!) sich nicht vom Acker machen, indem er sagt: Die- Wenn ich aber höre, dass der rechtspolitische se Gesellschaft hat mir gar keine andere Möglich- Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hier keit gelassen. – Das lasse ich als Entschuldigung im Plenum sagt: „Im Zweifel arbeiten wir“, und wei- nicht gelten. ter ausführt: „In dem Fall legt die Frau Ministerin (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Flo- nicht die Hände in den Schoß“, dann stellt sich mir rian Toncar [FDP]) die Frage: Im Zweifel arbeitet ihr? Wir haben große Zweifel daran, dass ihr arbeitet. Und wenn Sie sa- Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: gen, dass die Frau Ministerin in dem Fall nicht die Das Wort hat nun Christine Lambrecht für die Hände in den Schoß legt, war das ein erneuter SPD-Fraktion. Angriff innerhalb der Koalition. (Beifall bei der SPD) (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Da muss man schon suchen und konstruieren!) Christine Lambrecht (SPD): Ich fand es entlarvend, was in der heutigen Debat- Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! te vorgetragen wurde. Lieber Kollege Grosse-Brömer, vorab möchte ich (Beifall bei Abgeordneten der SPD) mich ausdrücklich für Ihre Einschätzung bedanken, dass eine Mitgliedschaft in der SPD eine vernünfti- Traditionell ist es doch so, dass die Haushalts- ge politische Ausrichtung ist. debatte zu Beginn der Legislaturperiode eine erste Möglichkeit bietet, ein Resümee zu ziehen: Was ist (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das passiert? Was hat sich die Regierung vorgenom- habe ich nicht gesagt! Ich habe gesagt: men? Ich hatte gehofft, heute passiert richtig et- besser als bei der Linken!) was, heute wird etwas auf den Tisch gelegt, zu – Natürlich, das hast du nicht gesagt. Es war aber dem man sich positionieren kann. Die Frau Minis- genau so. Wir können das gerne im Protokoll terin hat während ihrer Zeit als Oppositions- nachlesen, politikerin, aber auch im Wahlkampf hohe Erwar- tungen geweckt: Kein Mast war zu hoch, um die (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dann Freiheitsfahne zu hissen. muss ich das korrigieren!) Jetzt, nach nur wenigen Monaten, muss man sofern du das noch nicht hast korrigieren lassen. sagen: Diese Fahne wurde relativ schnell einge- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das rollt. Angefangen hat das Ganze – ich muss das mache ich! – Wolfgang Nešković [DIE immer wieder erwähnen – mit der Positionierung LINKE]: Gesagt ist gesagt!) zum SWIFT-Abkommen. Was haben Sie als Op- 2902 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 positionspolitikerin gegen dieses Abkommen ge- Ich will Ihnen einmal ein paar Punkte vorschla- wettert! Auf keinen Fall wollten Sie dieses Ab- gen; dann werden wir sehen, ob Sie über das reine kommen durchgehen lassen. Es war mit Ihre erste „Wir wollen mal darüber nachdenken“ vielleicht Amtshandlung, in dieser Frage einzuknicken. Ich hinauskommen. Das Thema Kindesmissbrauch glaube, das ist typisch für das, was uns in den ist angesprochen worden. Es ist richtig und wich- nächsten Monaten und Jahren erwartet. tig, dass wir uns mit diesem Thema in der gebote- nen Ruhe beschäftigen und jetzt nicht populistisch Sie haben in der Rechtspolitik kein abgestimm- irgendwelche Vorschläge unterbreiten. Wenn man tes Konzept. Sie haben zwar einen Koalitionsver- sich die Fälle und insbesondere die Situation der trag; aber wahrscheinlich wird das, was in diesem Opfer anschaut, erkennt man, glaube ich, dass es Koalitionsvertrag steht, immer dann, wenn es da- wichtig ist, dass man über eine Verlängerung der rauf ankommt, nicht umgesetzt. Sie haben vorhin Verjährungsfristen nicht nur nachdenkt, sondern gesagt, dass ein Vorhaben nur zustande kommt, Nägel mit Köpfen macht. Die Rechtspolitik kann ih- wenn alle drei Koalitionsfraktionen dem zustim- ren Teil dazu beitragen, dass solche Taten nicht men. Wenn Sie etwas in Ihren Koalitionsvertrag vergessen werden, dass solche Taten geahndet geschrieben haben, dann muss man doch davon werden und die Opfer zu ihrem Recht kommen. ausgehen können, dass Sie sich damals einig wa- Sie sollten sich einmal mit dem Vorschlag der SPD ren. Da können Sie doch jetzt nicht damit ankom- auseinandersetzen, in Bezug auf das Zivilrecht men, eine Einigung müsse erst erreicht werden. über eine Verlängerung der Verjährungsfristen auf Die Erklärung der Ministerin war also entlarvend. 30 Jahre und in Bezug auf das Strafrecht auf Wir werden viele Fragen – wir sind gespannt auf 20 Jahre nachzudenken. Nehmen Sie diesen Vor- Ihre Vorschläge – vor diesem Hintergrund beleuch- schlag an! Machen Sie endlich etwas, statt mit ten. Gemeinplätzen wie „Wir werden darüber nachden- Ich will anfangen mit einem Punkt, den Sie, Frau ken“ zu kommen. Ministerin, in der Öffentlichkeit gerne als eines Ih- Ich glaube, es ist wirklich allerhöchste Zeit, dass rer Projekte beschreiben, nämlich die Pressefrei- die Politik hier einmal klare Worte findet und dann heit zu stärken und Journalisten vor Beschlag- auch etwas tut und sich nicht nur in Allgemeinplät- nahme zu schützen. In Ihrer Regierungserklärung zen verirrt. vom November haben Sie gesagt – das kann man nachlesen –, dass Sie sich sofort mit diesem The- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) ma beschäftigen wollen. Heute mussten wir erfah- Ein weiteres Thema, mit dem Sie sich in diesem ren, dass es bis zur Sommerpause dauern wird, Zusammenhang vielleicht beschäftigen müssen – bis Sie etwas vorlegen. hierbei möchte ich mich jetzt gar nicht zu runden ( [FDP]: Bis zur Oster- Tischen auslassen –, ist die Frage, wie wir mit den pause! – Gisela Piltz [FDP]: Blöd, wenn Fällen umgehen, die bereits verjährt sind. Auch man nicht zugehört hat!) dazu gibt es Vorschläge. Diese würde ich Ihnen gerne unterbreiten, um auch dazu einmal Ihre Po- – Bis zur Osterpause werden Sie etwas vorlegen? sition zu erfahren. Na, dann ist ja nicht mehr viel Zeit. Wir sind ge- spannt darauf. – Ich befürchte aber, dass CDU, Was halten Sie beispielsweise davon, eine CSU und FDP in dieser Frage ähnlich wie in vielen Untersuchungskommission hier im Deutschen anderen Fragen nicht unbedingt schnell zu einer Bundestag einzusetzen, die das ganze Ausmaß Lösung des Problems kommen werden. Ich habe des Missbrauchs ermittelt, und zwar unabhängig, den Eindruck, das ist hier wie im richtigen Leben, und die hierüber dann auch öffentlich Bericht er- wo Dreierbeziehungen auch immer ein Problem stattet? Warum ergreifen wir angesichts solcher darstellen. Politische Dreierbeziehungen werfen of- Fälle, die uns alle berühren und betroffen machen, fensichtlich noch viel mehr Probleme auf. nicht die Möglichkeiten, die wir haben, um auch in den Fällen, die verjährt sind, nichtsdestotrotz zu Wir können uns viele weitere Themen anschau- ermitteln und sie aufzuklären? en. Es werden immer wieder runde Tische be- schworen. Sie sind doch nicht dafür gewählt wor- Ich glaube, das ist ein sehr konkreter Vorschlag. den und Sie sind doch nicht dafür Justizministerin, Denken Sie einmal darüber nach, und legen Sie um runde Tische einzurichten. Wenn man all die vielleicht auch in diesem Fall nicht die Hände in runden Tische, die von der Justizministerin, von den Schoß, sondern werden Sie mal ein bisschen der Familienministerin und von der Bil- aktiver. dungsministerin eingerichtet werden, zusammen- Es ist viel darüber geredet worden, was Sie al- zählt, wird man feststellen, dass man damit einen les vorhaben. Ich hätte heute gerne zu viel mehr Bankettsaal füllen könnte. Ich glaube, das ist nicht Punkten ganz konkret Stellung bezogen. Leider das, was die Politik machen sollte. Die Politik sollte fehlen uns momentan die Vorlagen, die alle ange- Farbe bekennen, sie sollte Vorschläge unterbrei- kündigt wurden – jetzt wieder eine. Wie gesagt, ich ten, statt, wie ich es von den Koalitionspolitikern zu gehe davon aus, dass Sie auch weiterhin nicht ganz vielen Fragen gehört habe, anzukündigen, über die Fragen mal nachdenken zu wollen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2903 sonderlich viel dazu beitragen, weil die Zer- te eingestiegen, aber das mit Kubicki war in der rissenheit spürbar ist. Tat wenigstens unterhaltsam. Ich will dies an einem Punkt deutlich machen: Herr Montag, ich kann Ihnen aber sagen: Ers- Wir alle erinnern uns an die Frage, ob der Staat tens ist Kubicki nicht hier, CDs, also Datenträger, kaufen darf, auf denen Da- (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: ten über Steuerhinterzieher erfasst sind, und wie Sein Geist schwebt über Ihnen!) man in Zukunft damit umgeht. Gerade in der letz- ten Sitzungswoche gab es wieder einen schönen und zweitens ist das kein Fall für die Justiz und in- Chor von Stimmen aus der Koalition. Der Kollege sofern auch noch nicht Gegenstand der Beratung Siegfried Kauder, der Vorsitzende des Rechtsaus- hier, solange er das nicht wahrmacht, was Sie vor- schusses, hat gefordert, dass es in Zukunft ver- gelesen haben. Warten wir es doch einfach ab; boten sein soll, solche CDs anzukaufen. Der Kol- schauen wir mal. lege Ahrendt von der FDP hat ihm sofort beige- (Beifall bei der FDP) pflichtet und gesagt, dass dies jetzt ganz dringend geregelt werden muss. Das kann man auch ver- Ich möchte nun etwas zum Haushalt sagen. Wir stehen; denn beide kommen aus Baden- haben hier zwar nicht viele Veränderungen vorge- Württemberg, und Baden-Württemberg verweigert nommen, aber doch die eine oder andere. Die Mi- sich dem Ankauf. nisterin hat das Thema der Entschädigung von Op- fern extremistischer Gewalt angesprochen. Es ist (Gisela Piltz [FDP]: Wo waren Sie denn?) schon wieder kritisiert worden – Herr Montag, Sie Schließlich sagte der stellvertretende Fraktions- haben es gesagt –, dass hier die Axt angelegt vorsitzende der CDU/CSU, der für diesen Rechts- wird, weil jetzt Opfer jeglicher extremistischer Ge- bereich zuständig ist: Es kommt überhaupt nicht walt begünstigt werden können. Ich finde, dass Sie infrage; über so etwas denken wir nicht einmal damit dem Titel und dem Thema nicht gerecht nach. werden, und ich will Ihnen auch sagen, warum. Das ist Ihre Art, mit Themen umzugehen: Hü, Zunächst einmal muss man sagen, dass die Mit- hott! Hü, hott! Man weiß nicht mehr, wo man steht. tel dieses Titels um das Vierfache ansteigen, näm- lich von 250 000 Euro auf 1 Million Euro. Auch die Ich kann Ihnen nur sagen: Nehmen Sie Ihre Voraussetzungen dafür, diese Mittel zu erhalten, Aufgabe endlich entsprechend verantwortungsbe- werden verändert. Das ist im Sinne der Betroffe- wusst wahr, und hören Sie auf, die Probleme in Ih- nen. Es wurde also keine Axt angelegt, sondern rer Dreierbeziehung öffentlich auszutragen. die Mittel steigen ganz beträchtlich, nämlich um (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sind Sie den Faktor vier. – Das ist das eine. neidisch?) Das andere ist: Es geht am Ende doch darum, Machen Sie endlich eine richtige, eine sachgerech- dass ein Opfer einer Gewalttat, das keinen Scha- te Politik. densersatz bekommt, weil man zum Beispiel den Schädiger nicht kennt, weil er entschwunden ist Vielen Dank. oder weil er keinen Schadensersatz leisten kann, (Beifall bei der SPD) diesen Schadensersatz aus Billigkeitsgründen er- hält. Es wird zuerst geschaut: Bekommt er für die Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Tat einen Ersatz von dem dafür Verantwortlichen? Das Wort hat nun Florian Toncar für die FDP- Deswegen kann man heute noch gar nicht sagen, Fraktion. wie viele Betroffene im Jahr 2010 aufgrund links- extremistischer und wie viele aufgrund rechtsext- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten remistischer Straftaten Leid erfahren und keinen der CDU/CSU) Ersatz bekommen haben. Sie können das nicht sagen, und ich kann das nicht sagen. Es ist völlig Florian Toncar (FDP): überflüssig, zu spekulieren, welche Opfergruppe Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kollegin- mit einer höheren Zahl vertreten ist. Wir wollen et- nen und Kollegen! Es ist schon eine interessante was für die Opfer extremistischer Gewalt tun. Dafür Debatte. Sie pendelt sich ein bisschen so ein: Die nehmen wir sehr viel mehr Geld in die Hand. Das Sozialdemokraten werfen uns vor, dass es die Ge- ist gut und sollte hier nicht kleingeredet werden. setze, die sie gemacht haben, immer noch gibt. (Christine Lambrecht [SPD]: Wo waren Sie denn in der letzten Legislaturperiode?) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das ist ein bisschen schizophren, aber wir haben uns daran gewöhnt. Herr Nešković bietet eine Mi- Der zweite Impuls, den wir als Koalition im schung aus Rechtspolitik und Klassenkampf, und Haushalt setzen, betrifft die internationale Partner- Herr Montag wiederum ist sachfremd in die Debat- schaft, die Rechtsberatung der Bundesrepublik Deutschland zum Thema „Förderung von Demo- 2904 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 kratie und Marktwirtschaft im Ausland“. Das ist ein Da Sie die Große Koalition so gelobt haben und wichtiges Anliegen. Wir können, glaube ich, sagen, Vorschläge verlangen, möchte ich Sie darauf hin- dass das deutsche Recht – egal ob Strafrecht, weisen, dass die Große Koalition gerade in diesem Strafprozessrecht, Verwaltungsrecht oder Zi- Punkt sehr unterschiedlicher Meinung war. Es gab vilrecht – im Ausland auf großes Interesse stößt. einen Vorstoß von Frau Zypries und Herrn Steinb- Wir können sehr viel zur Verbesserung der Situati- rück sowie einen von Herrn zu Guttenberg. Es hat on in Entwicklungs- und Schwellenländern beitra- aber eben nicht geklappt. Wir werden dafür sor- gen. Wir sollten stolz darauf sein, anstatt unseren gen, dass wir das Thema gemeinsam lösen. Was Rechtsstaat – so ist es in dieser Debatte teilweise das Ziel angeht, sind wir uns einig. auch wieder passiert – schlechtzureden. Das ist an (Christine Lambrecht [SPD]: Dann legen vielen Stellen völlig maßlos. Wir sollten stolz sein. Sie was vor! Reden Sie nicht darüber, le- Unser Recht ist international gefragt, und das bil- gen Sie was vor!) det diese Koalition im Haushalt ab. Insofern ist das ein gutes Beispiel dafür, dass die- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordne- se Koalition bestens funktioniert, Frau Kollegin ten der CDU/CSU – Wolfgang Wieland Lambrecht. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben nicht gesagt, dass unser Recht schlecht (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – ist! Die Regierung ist schlecht! Das ist Christine Lambrecht [SPD]: Wann soll zweierlei!) denn das so gewesen sein?) Ich möchte noch auf einige rechtspolitische Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, der Themen eingehen. Aus liberaler Sicht ist die Ent- im Koalitionsvertrag enthalten ist. Es geht dabei scheidung des Bundesverfassungsgerichts in Be- um ein sehr wichtiges Thema, das Staatshaf- zug auf die Vorratsdatenspeicherung zu begrü- tungsrecht. Es ist interessant, dass wir in einem ßen. Wir haben diese Entscheidung erwartet, da Land leben, in dem fast alles umfassend gesetzlich sie der Argumentation unserer Fraktion, die wir in geregelt ist. Aber die Frage, wann der Staat seinen der Vergangenheit auch von diesem Pult aus vor- Bürgern Ersatz schuldet, wenn diese einen Scha- getragen haben, entspricht. Ich denke, dass dieses den erleiden, ist nur fragmentarisch geregelt, und Thema bei der Ministerin in guten Händen ist. Das die entsprechenden Regelungen sind über etliche hat sie in der Vergangenheit gezeigt. Gesetze verteilt, bis hin zum Grundgesetz, das zur Anwendung gebracht werden muss, da es keine Sie hat auch ein weiteres Thema auf die Agen- speziellen Gesetze gibt. Diese Frage ist seit Jahr- da gesetzt – das wird von unserer Fraktion maß- zehnten offen geblieben. Ich finde, ein Rechtsstaat geblich unterstützt –, und zwar die Reform des In- schuldet es seinen Bürgern, ihnen klare Regeln solvenzrechts. In der jetzigen Krise müssen wir bzw. Ansprüche für den Fall zu geben, dass dieser uns überlegen: Ist unser Insolvenzrecht geeignet, Staat sie geschädigt hat und Ersatz leisten muss. den Erhalt von Arbeitsplätzen zu sichern, oder führt es dazu, dass Betriebe kaputtgehen? Ich (Christine Lambrecht [SPD]: Wann kommt glaube, dass wir uns mit den Überlegungen zur das?) Stärkung des Insolvenzplanverfahrens und zu – Ja. Jedenfalls wird das kommen, Frau Kollegin. mehr Eigenverwaltung auf einem guten Weg be- Sie sind sicher froh, dass es diese Koalition jetzt finden. Denn gerade in der Krise müssen für den aufgreift. Erhalt von Unternehmen und Arbeitsplätzen bes- sere Rahmenbedingungen gesetzt werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Folgende Frage hat die Ministerin dankenswer- Herr Kollege, was auch kommt, ist das Ende Ih- terweise in einer Rede in angesprochen: rer Redezeit. Wie können wir das Insolvenzrecht in den Berei- chen reformieren, in denen es heute nicht mehr (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: richtig greift? Das gilt insbesondere für die Ban- Ende der Redezeit!) kenkrise und den Umgang mit den sogenannten systemrelevanten Banken. Ich denke, dass es ei- Florian Toncar (FDP): ner der wichtigen Aspekte dieser Insolvenz- Das Problem sind die vielen Zwischenrufe, Frau rechtsreform ist, sich zu überlegen, wie man mit Präsidentin. diesem Problem umgeht und wie man wieder dazu (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- kommt – das ist in einer Marktwirtschaft nur billig NEN]: Damit muss man fertig werden und und gerecht –, dass jemand, der Fehler gemacht darf nicht immer nur anderen die Schuld hat, auch die unternehmerische Haftung – das geben!) geht bis zum Risiko der Insolvenz – dafür über- nehmen muss. – Wir greifen das auf. Insofern ist die Dürre in der Rechtspolitik der letzten elf Jahre endlich vorbei. (Christine Lambrecht [SPD]: Dann ma- Wir werden das Thema lösen. chen Sie mal einen Vorschlag! Machen Sie doch einen runden Tisch dazu!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2905

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – fen uns vor, dass die Bundesrepublik Deutschland Lachen der Abg. Christine Lambrecht diesen Ansprüchen nicht genügt. [SPD] – Christine Lambrecht [SPD]: Da (Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Nicht müssen Sie ja selbst lachen!) die Bundesrepublik Deutschland, sondern Ihre Partei! Das ist ein Unterschied!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt spricht der Kollege Stephan Mayer für die Sehr geehrter Herr Kollege, das halte ich, mit Ver- CDU/ CSU. laub, für außerordentlich dreist und kühn. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) GRÜNEN]: Er spricht nur für die CSU, wie ich ihn kenne!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): von Frau Wawzyniak zulassen? Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr verehrte Kollegen! Ich komme Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): nicht umhin, auf den Beitrag des Kollegen Sehr gerne. Nešković einzugehen. Sehr geehrter Herr Kollege Nešković, ich mache das nicht deshalb, weil ich Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: den Beitrag so exzellent fand, sondern weil ich es Bitte schön. für außerordentlich bemerkenswert halte, dass Sie die Dreistigkeit besitzen, diesen Redebeitrag aus- Halina Wawzyniak (DIE LINKE): gerechnet am heutigen Tag zu halten, dem Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass sich Mi- 20. Jahrestag der ersten freien und gleichen Wahl chael Schumann bereits 1989 im Namen der Par- zur Volkskammer in der DDR. Sie haben dem tei beim Volk der DDR entschuldigt hat Bundesaußenminister historische Unkenntnis vor- geworfen. (Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: „Die Partei“! Das ist schon bezeichnend! Die (Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Ahnungs- Partei, die Partei, die hat immer recht!) losigkeit!) und dass wir einen Beschluss zur Offenlegung un- – Ahnungslosigkeit. Ich kann diesen Vorwurf an serer politischen Biografien gefasst haben? Ich dieser Stelle nur an Sie zurückgeben. frage Sie: Gibt es einen solchen Beschluss auch (Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Das meinen bei der CDU, die bekanntlich Mitglieder der DDR- Sie doch nicht im Ernst!) CDU in ihren Reihen hat? Es geht hier nicht um Sie persönlich; aber Sie sit- zen auf der Bank einer Fraktion, die Mitglieder hat, Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): die der ehemaligen SED angehört haben, die teil- Frau Kollegin, mir ist bekannt, dass die Links- weise sogar informelle Mitarbeiter der Stasi waren, partei die Nachfolgepartei der SED ist, dass die die also mit dazu beigetragen haben, ein Unrechts- SED insgesamt dieses Unrechtsregime aufrecht- regime über 40 Jahre aufrechtzuerhalten, das den erhalten, unterstützt und gefördert hat, dass es in Forderungen, die Sie hier von sich gegeben ha- Ihren Reihen nach wie vor Ewiggestrige gibt, die ben, gerade nicht Genüge getan hat, nämlich beispielsweise die wunderbare Gedenkstätte in Gleichheit und Freiheit zum Durchbruch zu ver- Hohenschönhausen bekämpfen, lächerlich ma- helfen. chen, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – (Beifall der Abg. Stefanie Vogelsang [CDU/ Wolfgang Nešković [DIE LINKE]: Ist es CSU]) denn falsch, was ich gesagt habe?) dass die rot-rote Regierung in Berlin nach wie vor Ich habe mir zufälligerweise heute Vormittag die nicht die erforderlichen Mittel für den Erhalt der Mühe gemacht, das ehemalige Stasi-Gefängnis in Gedenkstätte beiträgt. Meine sehr verehrte Kolle- Hohenschönhausen zu besuchen. Es ist schon gin, das sind Dinge, die mir bekannt sind. Ich glau- bemerkenswert, was man erfährt, wenn man dort be, es ist richtig, gerade am 20. Jahrestag der ers- durch die Zellen und Trakte geht. Man begreift: In ten gleichen und freien Wahl der Volkskammer der einem Zeitraum von 40 Jahren waren dort insge- DDR darauf hinzuweisen. Herr Nešković, vor die- samt 17 Millionen Menschen eingezäunt und hinter sem Hintergrund habe ich Ihren Beitrag wirklich als Mauern gefangen; Hunderttausende Menschen deplatziert empfunden. Sie hätten hier über jedes wurden in der DDR tagein, tagaus bespitzelt; meh- Thema sprechen können, aber nicht über dieses. rere Tausend Menschen wurden geknechtet und (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gefoltert. Da kann man nur sagen: Si tacuisses, philosophus Sie stellen sich jetzt hier hin und halten ein gro- mansisses. ßes Plädoyer für Gleichheit und Freiheit und wer- 2906 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Frau Bundesjustizministerin, ich bin Ihnen sehr (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Ab- dankbar, dass Sie das Thema Kindesmissbrauch geordneten der FDP – Jerzy Montag so exponiert dargestellt haben und Ihren Dank da- [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das tun für zum Ausdruck gebracht haben, dass die baye- die schon selber!) rischen katholischen Bischöfe heute auf ihrer Früh- Es ist richtig, dass der Staat seinem Strafan- jahrskonferenz in Vierzehnheiligen in Oberfranken spruch gerecht wird. Es ist auch richtig, dass wir deutlich gemacht haben, dass sie anregen werden, uns als Parlament Gedanken darüber machen, wie die diesbezüglichen Leitlinien zu novellieren. Wir wir auf diese erschreckenden Enthüllungen – für müssen klarmachen, dass es keinerlei Tabuisie- mich ist das immer noch nicht fassbar – reagieren. rung geben darf, dass es keinerlei Toleranz ge- Wir sind gut beraten, glaube ich, uns hier kein genüber diesen schrecklichen, unmenschlichen, Stoppschild zu verpassen, sondern uns wirklich of- barbarischen Missetaten geben darf. Es ist mit das fen und vorurteilsfrei über alle möglichen Vor- Schlimmste, was man einem Menschen antun schläge und Diskussionspunkte Gedanken zu ma- kann, wenn man ihm das Recht auf sexuelle chen. Selbstbestimmung nimmt, wenn er Opfer eines entsprechenden Delikts wird. Hier ist der Staat ge- Dazu gehört natürlich, dass man sich Gedanken fordert. darüber macht, sowohl die zivilrechtlichen als auch die strafrechtlichen Verjährungsfristen zu verlän- Natürlich gibt es berechtigte Fragen der Bürge- gern. Dazu gehört natürlich auch, sich Gedanken rinnen und Bürger, wie der Staat darauf reagiert. darüber zu machen, ob man Verbesserungen er- Ich glaube, es ist richtig, deutlich zu machen, dass reichen kann, was den Schadensersatz oder den die katholische Kirche hier ihrer Verantwortung ge- Täter-Opfer-Ausgleich angeht. Meines Erachtens recht werden muss. Ich sage aber auch ganz of- gibt es noch eine sehr berechtigte Forderung: Es fen: Kindesmissbrauch gibt es nicht nur im Bereich wäre richtig, den Kindesmissbrauch vom Vergehen der katholischen Kirche. Es gab auch Kindesmiss- zum Verbrechen hochzustufen. brauch – vielleicht gibt es ihn immer noch – in evangelischen und weltlichen Einrichtungen. Wir sollten auch deutlich machen, dass sich der Groß- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: teil der Fälle von Kindesmissbrauch – leider Gottes Herr Kollege, es gibt noch einen weiteren ist die Dunkelziffer hier offenbar erschreckend Wunsch, eine Zwischenfrage stellen zu dürfen, hoch – im familiären Bereich ereignet. und zwar des Kollegen Sharma. Möchten Sie das zulassen? Sehr geehrte Frau Leutheusser- Schnarrenberger, es ist richtig, hier einen runden Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Tisch zu bilden; ich bin Ihnen für Ihre Initiative Selbstverständlich. Sehr gern. dankbar. Es ist gut, dass sich hier die drei betrof- fenen Ministerien zusammentun. Sehr geehrte Frau Kollegin Lambrecht, ich sage Ihnen ganz of- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: fen: Ich halte nichts davon, jetzt eine Untersu- Bitte schön. chungskommission des Bundestags zu etablieren, weil – ich hege diesen Verdacht einfach – Sie mit Raju Sharma (DIE LINKE): dieser Forderung unterstellen, die katholische Kir- Herr Kollege, Sie haben eben darauf hingewie- che und alle anderen Bildungsträger seien nicht in sen, dass die Bundesjustizministerin zu einem der Lage, diese Untaten aufzuklären. runden Tisch in dieser Angelegenheit eingeladen hat und die runden Tische auch zusammengeführt (Christine Lambrecht [SPD]: Das sieht man doch! werden sollen. Haben Sie zur Kenntnis genom- Das ist keine Sache der Einrichtungen!) men, dass die Bundesjustizministerin, Frau Leu- Dieser Auffassung bin ich dezidiert nicht. Ich habe theusser-Schnarrenberger, nicht nur zu einem Vertrauen in die katholische Kirche. Ich möchte an runden Tisch eingeladen hat, sondern darüber hi- der Stelle auch deutlich machen, dass der Großteil naus die katholische Kirche aufgefordert hat, sehr der katholischen Pfarrer, Priester und Kaplane sei- eng mit der Staatsanwaltschaft zusammenzuarbei- ner Arbeit, auch seiner Jugendarbeit, vollkommen ten? seriös und verantwortungsvoll nachgeht. (Christine Lambrecht [SPD]: Das sieht man! Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Null Toleranz!) Sehr geehrter Herr Kollege, ich habe die gesam- te Debatte sehr intensiv zur Kenntnis genommen Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass und habe mich in dieser Debatte in den letzten Ta- von interessierten Kreisen durchaus ganz bewusst gen und Wochen auch immer wieder persönlich zu nicht nur auf diese Untaten und Verfehlungen hin- Wort gemeldet. Es ist richtig, glaube ich, dass die gewiesen wird, sondern versucht wird, der Institu- katholische Kirche und insbesondere die katholi- tion katholische Kirche nachhaltig zu schaden schen Bischöfe in Bayern heute deutlich gemacht und sie nachhaltig zu erschüttern. haben, dass sämtliche Verdachtsfälle zur Anzeige gebracht werden. Es ist eine herausragende Leis- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2907 tung der katholischen Bischöfe, dass sie heute be- sind. Die Justizministerin hat es bereits deutlich schlossen haben: Auch wenn offenkundig schon gemacht. die Verjährung eingetreten ist, sollen sämtliche Lediglich zwei Aufstockungen verzeichnet dieser Verdachtsfälle offen, vorurteilsfrei und schonungs- Haushalt; der Kollege Toncar ist darauf kurz ein- los zur Strafanzeige gebracht werden. Insoweit gegangen. Zum einen ist im Haushalt eine Aufsto- steht einer konstruktiven Kooperation zwischen der ckung der Mittel für die Beratungshilfe für den Auf- katholischen Kirche und dem Staat überhaupt bau von Demokratie und Marktwirtschaft vorge- nichts im Wege. nommen worden. Hier geht es vor allem um die Auch wir als Parlament sollten die Debatte in jungen Demokratien Mittel- und Osteuropas sowie diesem Sinne und in diesem Geiste führen und die Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Die nicht so, wie es meines Erachtens einige Kollegen deutsche Rechtsordnung ist ein internationaler ganz bewusst und auch interessiert tun, indem sie Standortfaktor der Bundesrepublik Deutschland, nämlich die katholische Kirche insgesamt herab- den wir zugleich über diese Maßnahme weiter in würdigen, indem sie auch nicht davor zurück- den Fokus rücken wollen. Dass wir das bereits schrecken, sogar den Heiligen Vater zu dis- machen, beweist die Bundesratsinitiative der kreditieren und zu beleidigen. Das, sehr geehrter nordrhein-westfälischen Justizministerin Müller- Herr Kollege, halte ich für bodenlos, für unanstän- Piepenkötter. Der Entwurf eines Gesetzes zur Ein- dig und für vollkommen unangebracht. führung von Kammern für internationale Handels- sachen beinhaltet den Vorschlag, Rechtsstreitig- (Beifall bei der CDU/CSU – Christine keiten auch auf Englisch als Gerichtssprache zu Lambrecht [SPD]: Wer hat denn das ge- ermöglichen. Das ist eine konstruktive, wettbe- macht?) werbsorientierte Rechtspolitik. Ich danke der Daran, dass ich zum einen den Bundesaußen- nordrhein-westfälischen Justizministerin, dass sie minister verteidigt habe, zum anderen die hervor- hier Akzente setzt. ragende, konstruktive und sehr einvernehmliche (Beifall bei der CDU/CSU – Jerzy Montag Zusammenarbeit mit dem Bundesjustizministerium [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und dem insgesamt, aber insbesondere auch mit der Spitze Hamburger Senator auch!) des Bundesjustizministeriums lobe, kann man se- hen, dass die bürgerlich-christliche Koalition auf Zum anderen wird es eine Aufstockung beim einem guten Weg ist, dass wir insgesamt, aber ge- bisherigen Fonds für Opfer rechtsextremistischer rade auch im Bereich der Justizpolitik sehr ge- Gewalt geben, und er wird auf Opfer extremisti- deihlich und sehr einvernehmlich zusammenarbei- scher Gewalt insgesamt ausgeweitet. Herr Mon- ten. In diesem Sinne steht einer erfolgreichen Jus- tag – ich schätze Sie sehr als sachkundigen tizpolitik in den nächsten dreieinhalb Jahren nichts Europarechtler –, ich halte es für fatal, eine Unter- im Wege. scheidung zwischen Opfern zu treffen. Wir dürfen nicht den einen Opfern eine Entschädigung ge- Herzlichen Dank. währen und den anderen nicht. Wenn Sie sich den (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Haushaltstitel genau anschauen, stellen Sie fest, dass diese Aufstockung nicht zulasten der Opfer Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: rechtsextremistischer Gewalt geht. Vielmehr wer- Der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion den auch die Opfer linksextremistischer Gewalt be- ist der Kollege Professor Dr. Sensburg. rücksichtigt. Herr Toncar hat eben sehr gut ausge- führt, dass es notwendig ist, zwischen den Opfern (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- nicht zu unterscheiden. Es darf keine Unterschei- neten der FDP) dung geben. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Zahlen sprechen für sich. So ist beispiels- Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): weise in Niedersachsen die Anzahl linksextremisti- Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerin! Liebe scher Straftaten im Jahre 2009 um 15 Prozent ge- Kolleginnen und Kollegen! Wie meine Vorredner, stiegen, genauso wie in der gesamten Bundesre- zumindest diejenigen, die zum Haushalt gespro- publik Deutschland. Das werden wir spätestens im chen haben, bereits ausgeführt haben, konnte der Mai bei der Vorstellung der PKS, der Polizeilichen Titel Justiz nach den Haushaltsberatungen um Kriminalitätsstatistik, sehen. Verfas- rund 5 Millionen Euro auf knapp 490 Millionen Eu- sungsschutzpräsident Fromm äußerte sich am ro heruntergesetzt werden. Wir reden damit über vergangenen Montag in der Welt, bezogen auf die einen Haushaltstitel, dessen Anteil am Ge- Gewalt von links, wie folgt: samthaushalt bei 0,15 Prozent liegt. Wir debattie- ren heute über einen Haushaltstitel, der große Dass die Militanz deutlich zugenommen hat, rechtspolitische Auswirkungen hat und bei dem al- muss ich leider bestätigen. Auch die Zahl der le Möglichkeiten der Einsparung genutzt worden gewaltbereiten Personen hat sich in den letz- ten fünf Jahren deutlich erhöht. Gewalt auf der 2908 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Straße und verdeckt geplante Anschläge (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – nehmen zu … Auch der Angriff auf eine Poli- Christine Lambrecht [SPD]: Diesen zeiwache im Dezember in Hamburg spricht für Schutz gibt es schon!) ein verändertes Niveau. Ich möchte noch zu einem weiteren Thema Ein Rechtsstaat darf die Augen vor keiner Gewalt kommen, zum Europarecht. Durch den fortschrei- verschließen und muss sich gegen Extremismus tenden europäischen Integrationsprozess kommen von links wie von rechts wenden. immer mehr Aufgaben auch auf das Bundesminis- terium der Justiz zu. Dies lässt sich – die Justizmi- (Beifall bei der CDU/CSU) nisterin hat es angesprochen – zum Beispiel am Mir scheint, dass gerade die Vertreter der Fraktion Europäischen Geldsanktionsgesetz erkennen. Die Linke immer wieder eine Verharmlosung linker Wenn mehr Aufgaben, insbesondere beim Bun- Gewalt betreiben. Dazu kann ich nur sagen: Der desamt für Justiz, auf den Bereich des Titels 7 zu- Staat muss sich gegen jede Art von Extremismus kommen, dann müssen wir den Personalansatz richten. erhöhen. Es war richtig, ihn um 99 Stellen zu er- höhen. In anderen Bereichen wurden Stellen ge- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf spart, und damit wurde der Haushalt ausgeglichen. der Abg. [DIE LINKE]) Dieses Beispiel einer umzusetzenden Richtlinie – Ich weiß gar nicht, warum Sie jetzt dazwischen- zeigt, dass der Vertrag von Lissabon den nationa- rufen, Frau Kollegin. len Parlamenten mehr Rechte einräumt und sie Ich zitiere aus der Internetseite der Linken: „Es stärkt. Gemeinsam mit den Kollegen des Europa- gibt keine linksextremistische Gefahr in Deutsch- ausschusses und des Unterausschusses Europa- land.“ In einer Pressemitteilung der Linken vom recht des Rechtsausschusses arbeiten wir daran, 19. Januar 2010 ist im Zusammenhang mit an- die Subsidiaritätsprüfung ganz konkret vorzu- wachsender linker Gewalt von einem Phantom die bereiten. Sie wissen, dass wir nur einen engen Rede. Ich frage mich daher, ob Sie auf einem Au- Zeitrahmen von acht Wochen haben, in dem wir ge blind sind, ob es sich um reinen Populismus die europäischen Vorhaben genauer unter die Lu- handelt oder ob Sie Klassenkampf führen wollen. pe nehmen können. Parteiübergreifend möchte ich deutlich sagen: Der Bundestag sollte die durch den (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vertrag von Lissabon eingeräumten Rechte Die Aufgabe der Justiz muss es sein, klar für selbstbewusst und intensiv nutzen. Wir werden den Schutz unserer Vollstreckungsbeamten und das in der nächsten Zeit tun. insbesondere der Polizistinnen und Polizisten Ich danke Ihnen. einzutreten. Sie sind immer wieder gewaltsamen Angriffen ausgesetzt. Die Angriffe steigern sich. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Erschreckend ist hierbei, dass die Hemmschwelle sinkt und die Intensität der Taten zunimmt. Ich Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: möchte die Relevanz an den Zahlen aus Herr Sensburg, das war Ihre erste Rede hier im Nordrhein-Westfalen verdeutlichen. Alle 90 Minu- Haus. Dazu gratulieren wir Ihnen alle sehr herzlich ten gibt es dort einen Übergriff auf Polizeibeamte. und wünschen Ihnen alles Gute für die Arbeit. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Sind das al- (Beifall) les Linksextreme, oder was?) Ich schließe die Aussprache. Die Dunkelziffer ist – so die Deutsche Polizei- gewerkschaft – weitaus höher. Die christlich- Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel- liberale Koalition steht an der Seite der Polizistin- plan 07, Bundesministerium der Justiz, in der Aus- nen und Polizisten in unserem Land. Wir werden schussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag deshalb ihren strafrechtlichen Schutz im Strafge- der Fraktion Die Linke vor, über den wir zuerst ab- setzbuch da, wo es nötig ist, verbessern. stimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck-sache 17/1035? – Wer stimmt dagegen? – (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Enthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag Ich möchte denen, die dazwischenrufen, sagen: abgelehnt. Zugestimmt hat die einbringende Frak- Gewalttaten gegen Polizeibeamte sind kein Kava- tion, alle übrigen Fraktionen haben den Antrag ab- liersdelikt. gelehnt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zu- Wer stimmt für den Einzelplan 07, Bundesminis- rufe von der LINKEN) terium der Justiz, in der Ausschussfassung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist der Jeder Polizist und jede Polizistin ist auch Familien- Einzelplan bei Zustimmung der Koalitionsfraktio- vater bzw. Familienmutter. Der Staat muss den nen angenommen; dagegen haben die Oppositi- Schutz dieser Personen gewährleisten. Dafür onsfraktionen gestimmt. müssen wir uns einsetzen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2909

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel- wäre Ihnen gegenüber aus Sicht der Koalition nicht plan 19, Bundesverfassungsgericht, in der Ausschuss- fair – oder dass die Kollegen aus der Koalition fassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – über Informationen verfügen, über die die anderen Enthaltungen? – Dieser Einzelplan ist einstimmig ange- Berichterstatter nicht verfügen. nommen. (Ute Kumpf [SPD]: Das wäre ja unerhört! – Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt I.16 auf: Caren Marks [SPD]: Das passt doch!) Einzelplan 17 Das wäre eine Informationspolitik nach Gutsher- Bundesministerium für Familie, Senioren, renart, nach Parteibuch, nach Fraktionszugehörig- Frauen und Jugend keit, die nicht zu akzeptieren ist. Das müsste ab- – Drucksachen 17/616, 17/623 – gestellt werden. Berichterstattung: (Beifall bei der SPD, der LINKEN und Abgeordnete Andreas Mattfeldt dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Caren Rolf Schwanitz Marks [SPD]: Ich bin gespannt, was die Florian Toncar Ministerin dazu sagt!) Steffen Bockhahn Das zweite Beispiel betrifft eine mir gestern zur Sven-Christian Kindler Kenntnis gelangte Vereinbarung bezogen auf den Zivil- Es fällt auf, dass die Berichterstatter für diesen dienst, genauer gesagt: auf die Jugendfreiwilligendiens- Einzelplan nur Kollegen sind. te im Ausland. Aus dieser Vereinbarung, die zwischen Vertretern der Träger der Jugendfreiwilligendienste im Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Ausland und Herrn Staatssekretär Hecken getroffen Die Linke vor. Außerdem liegen ein Entschlie- worden ist, geht hervor, dass diese Träger künftig, of- ßungsantrag der Fraktion Die Linke und ein Ent- fensichtlich in 2010, 1 Million Euro zusätzliche Zu- schließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die schüsse erhalten sollen. Ich spreche das deshalb an, weil Grünen vor. Über diese werden wir morgen nach die Frage, welche haushaltsseitigen Auffang-, Über- der Schlussabstimmung befinden. gangs- und Zuwendungsregelungen man schon in 2010 wegen der Verkürzung der Zivildienstdauer braucht, in Zwischen den Fraktionen ist verabredet, dass den Ausschussberatungen und in den hier eineinhalb Stunden lang debattiert wird. – Da- Berichterstattergesprächen bisher immer unbeantwortet zu sehe ich keinen Widerspruch. Dann ist das so geblieben ist. beschlossen. Ich will den letzten Punkt dieser Vereinbarung Ich gebe das Wort dem Kollegen Rolf Schwanitz zitieren: Beide Seiten – damit auch das BMFSFJ – für die SPD-Fraktion. betonen, dass die Abfederungen, um die es hier (Beifall bei der SPD) geht – 1 Million Euro –, von vornherein als not- wendig erachtet werden. – Es stellt sich hier die Rolf Schwanitz (SPD): Frage: Wie kann eine solche Einschätzung in die- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr ge- se Vereinbarung hineinkommen, wenn man ge- ehrten Damen und Herren! Traditionell beginnt genüber den Berichterstattern die Auffassung ver- man eine Debatte zu einem Einzelplan in der zwei- tritt, es bedürfe einer solchen Veränderung nicht? ten bzw. dritten Lesung mit dem Dank für faire Be- Auch hier sage ich: Es darf keine selektiven Infor- richterstattung und für gute Information durch das mationen geben; eine Informationspolitik nach Haus. Ich kann und will heute nur für die faire Be- Gutsherrenart muss aufhören. richterstattung danken. Das hat Gründe: Nach (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem meinem Dafürhalten hat es, bezogen auf das Mi- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nisterium, Frau Ministerin Schröder, massive De- fizite im Hinblick auf die gewährten Informationen Frau Ministerin, nach der gestrigen Ankündi- gegeben. Da die Defizite so erheblich sind, will ich gung bezogen auf die Verkürzung der Zivildienst- sie hier ansprechen: dauer haben wir nach meiner Einschätzung eine völlig neue Lage. Das erste Beispiel betrifft die Ausgabereste bei den Titeln. Wenn ich es richtig sehe, ist Ihr Ministe- (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: rium das einzige gewesen, das uns bei den Haus- Keiner weiß was Genaues!) haltsberatungen nicht die nötigen Informationen Es gibt eine Ankündigung des Verteidigungsminis- über Ausgabereste bei den einzelnen Titeln gege- ters, die schon gestern bei der Beratung des Etats ben hat. Das ist deswegen besonders schmerzlich, des Verteidigungsministeriums eine Rolle gespielt weil in der Bereinigungssitzung durch die Kollegen hat: Mittlerweile scheint klar zu sein, dass es die aus der Koalition vier Änderungsanträge gestellt Verkürzung der Wehrdienstzeit nicht erst zum worden sind, die mit dem Hinweis auf vorhandene 1. Januar 2011, sondern bereits in 2010 geben Ausgabereste begründet wurden. Daraus ist die wird. Die Verkürzung der Zivildienstdauer soll of- Schlussfolgerung zu ziehen, dass entweder die fenkundig sogar noch früher gelten. Begründungen für diese Anträge falsch sind – das 2910 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Ich will festhalten: Die Koalition hat in der Bereini- dies mit einem signifikanten Aufwuchs bei den gungssitzung eine globale Minderausgabe in Höhe von Freiwilligendiensten einhergehen. 14,2 Millionen Euro im Bereich des Bundesamts für Zi- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS vildienst beschlossen. Sie hat darüber hinaus einen Kür- zungsvorschlag beim Sold gemacht – aber mit einer völ- 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- lig anderen Begründung. Frau Ministerin, Sie haben in ten der LINKEN) der ersten Haushaltsdebatte – das war vor fünf Sitzungs- Was jetzt hier passiert, ist, dass 94 Prozent der wochen – der staunenden Öffentlichkeit zum ersten Mal beim Zivildienst eingesparten Gelder verschwin- gesagt: Diese Verkürzung wird zum 1. Januar 2011 den. kommen. – Das war Ihre Ankündigung. Auf alle von Kollegen und auch von mir gestellten Fragen, welche (Dr. [DIE LINKE]: Skandal!) Auswirkungen diese Verkürzung 2010 hätte, hat Ihr Wenn die gleiche Relation bei der Operation in Haus geantwortet: keine. Das war die Ansage im 2011 angelegt wird, kann ich nur sagen: Gute Rei- Berichterstattergespräch. Das war auch die Ansage in se! der Bereinigungssitzung. Nachdem ich dargestellt habe, was uns ärgert, möchte ich noch eine Bemerkung zu dem Thema Jetzt kommt quasi einen Tag vor Abschluss die- „Evaluation familienpolitischer Leistungen“ ser Beratungen die Information: Es ist alles an- machen. Ich habe einmal bei Google die Wort- ders. Die Verkürzung findet schon in 2010 statt. – gruppe „Evaluation familienpolitischer Leistungen“ Damit ist das, was wir hier im Kapitel „Bundesamt eingegeben. Man erhält 217 000 Treffer, übrigens für den Zivildienst“ angesetzt haben, eigentlich ohne Pressemeldungen, sondern rein informative Makulatur. Einträge auf Homepages im Internet. Da finden sich zum Beispiel Stellungnahmen des DIW zum (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem Familiensplitting und zum Elterngeld, des Ifo- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Instituts zum Familienleistungsausgleich, des IAB Ich kann Ihnen nur sagen: Das ist ein gravierender zu Familienpolitik und Beschäftigung sowie viele Vorgang. So kann man miteinander nicht umge- Stellungnahmen zur Finanzierung familienpoliti- hen. Sie können weder bezogen auf die Fachpoli- scher Leistungen. Ihre Vorgängerin hat ein Kom- tiker, die natürlich berechtigterweise fragen, wie petenzzentrum für familienpolitische Leistungen das nun gehen soll, noch bezogen auf die Haus- eingerichtet. Wichtige und honorige Professoren haltspolitiker erst bestimmte Informationen streu- evaluieren dort unterstützend und begleitend, was en, dann aber einen Tag vorher mit einer ganz an- Sie in diesem Bereich tun. deren Information kommen. Das verändert die Si- Ich frage mich: Was soll eigentlich im Rahmen tuation grundlegend. dieser neuen Evaluation geschehen; was soll da Ich habe die Bitte, dass Sie sich zu diesem Vor- gemacht werden? gang hier erklären, (Caren Marks [SPD]: Vertagen! Aussitzen!) (Caren Marks [SPD]: Ist ja nachher noch Wir haben diese Frage gestellt. Ihr Staatssekretär Gelegenheit! – Ute Kumpf [SPD]: Keiner hat auch geantwortet. Inhaltlich erschließt sich mir weiß, was geschieht!) das trotz der Antwort nicht. Was wollen Sie tun? und zwar nicht nur fachlich-inhaltlich. Ich betrachte Sie wollen jetzt 5,1 Millionen Euro für diese Eva- das wirklich als eine schwere Belastung. Es war luation aus dem Titel für Familien, Gleichstellung immer Geschäftsgrundlage zwischen den Haushäl- und Ältere zur Verfügung stellen. Die Kosten für tern und der jeweiligen Ministeriumsführung gewe- diese neue Evaluation machen 28 Prozent des ge- sen, dass jeder Haushälter, jede Fraktion den glei- samten Titels aus. Da das Ganze gemeinsam mit chen Zugang zu Informationen zur Beratung des dem Bundesfinanzministerium finanziert wird und Haushalts bekommt. Ich habe die Bitte, dass Sie bis 2013 gehen soll, wird diese Evaluation am En- das hier klarstellen und sich dazu positionieren. de 16,6 Millionen Euro gekostet haben. Das wird eine Monsterevaluation von familienpolitischen (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem Leistungen, nachdem hier schon jahrelang evalu- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) iert worden ist. Für 16 Millionen Euro können Sie Wir definieren jetzt natürlich, was hier passieren locker eine kleine Uni kaufen. Ich sage Ihnen: Was soll. Im Bereich Zivildienst wurden in der Bereini- Sie dort tun wollen, werden wir uns im Haushalts- gungssitzung insgesamt 18 Millionen Euro einge- ausschuss gemeinsam gründlichst anschauen; spart, während für die Freiwilligendienste 1 Milli- (Caren Marks [SPD]: Zu Recht!) on Euro draufgesattelt wird. Das ist eine interes- sante Relation. Ich bitte Sie, auch das einmal zu denn es handelt sich um einen großen Batzen kommentieren. Die Sozialdemokraten und auch Geld, der nicht in eine bisher jedenfalls inhaltlich andere Fraktionen haben immer gesagt: Wenn es nicht untersetzte Aktivität münden soll. zu einer solchen Verkürzung kommt, dann muss Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2911

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS die Möglichkeit gehabt, Fragen an die Ministerin zu 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- stellen. ten der LINKEN) (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Letzte Bemerkung, meine Damen und Herren – Die wurden nur nicht beantwortet!) meine Nachredner werden sicherlich auch noch Ich habe von Ihnen im Ausschuss nicht viele ge- darauf eingehen –: Das, was Sie im Bereich hört. Die Ministerin und der Staatssekretär haben Rechtsextremismus tun, ist völlig unzureichend. alle Fragen der Berichterstatter und der Mitglieder Wir haben das kritisiert. des Haushaltsausschusses beantwortet. (Beifall bei der SPD und der LINKEN so- (Caren Marks [SPD]: Dass Sie nicht rot dabei wie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES werden!) 90/DIE GRÜNEN – Caren Marks [SPD]: Die Ministerin hört leider nicht zu!) Frau Ministerin, ich darf Ihnen Dank aussprechen für die gute Zusammenarbeit mit dem Haushalts- Ich versteife mich jetzt nicht darauf, dass Sie im ausschuss und insbesondere mit den Berichter- Koalitionsvertrag wie eine Monstranz vor sich her- stattern. tragen, dass künftig auch gegen Islamismus und Linksextremismus Projekte ins Leben gerufen Der Haushalt des Familienministeriums weist für werden sollen. Herr Staatssekretär Kues, habe ich das Jahr 2010 6,543 Milliarden Euro aus und zeigt gelesen, hat auf die Frage, was das inhaltlich hei- damit eine absolute Kontinuität zu den vergange- ßen soll, geantwortet, bis zum zweiten Quartal wol- nen Jahren. In zahlreichen Ausschussberatungen le man dafür Ideen sammeln. Wir werden also se- haben wir in den vergangenen Wochen die einzel- hen. Aber dass Sie im Gegensatz zu dem Etat der nen Posten des Entwurfes beraten und zum Teil Bundesjustizministerin, die die Mittel dafür aufge- hart, aber sachlich gestritten. In meiner letzten Re- stockt hat, den Plafond so gelassen haben, wie er de zum Regierungsentwurf habe ich gesagt, dass ist, und dafür 2 Millionen Euro aus nicht veraus- wir sparen müssen, um unsere Kinder vor allzu gabten Mitteln für den Kinder- und Jugendplan großen Schulden zu bewahren. Ich habe aber nehmen, ist eine klare Drohung für die Zukunft. auch gesagt, dass wir mit Verstand und vor allen Dingen an der richtigen Stelle sparen müssen, Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: damit die Familien von uns die Unterstützung be- Herr Kollege! kommen, die sie wirklich brauchen. Gerade des- halb, Herr Schwanitz, ist Evaluation so wichtig; Rolf Schwanitz (SPD): denn so bekommen wir die Wirksamkeit unserer familienpolitischen Maßnahmen deutlich vor Augen Denn damit ist die Mittelkürzung vorprogram- geführt. miert. Da werden wir dranbleiben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Herzlichen Dank. Ute Kumpf [SPD]: Ich wünsche mir den (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem Kollegen Stünker zurück!) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Dem geht es leider schlecht, Frau Kollegin. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wenn wir über das Familienressort sprechen, Andreas Mattfeldt ist der nächste Redner für die sollten wir uns ein Beispiel an unseren Kindern CDU/CSU-Fraktion. nehmen. Bei meinen beiden Kindern sehe ich täg- lich, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) (Ute Kumpf [SPD]: Wie sehen Sie das von Berlin aus? Werden die überwacht?) Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): wie sie ihr begrenztes Taschengeld zur Verwirkli- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte chung ihrer Wünsche einsetzen. Wenn am Mo- Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! natsende kein Geld mehr da ist, müssen sie eben Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zualler- auf CDs, Süßigkeiten und die beliebte Jugendzeit- erst, Frau Präsidentin: Auch Männer verstehen et- schrift verzichten. Das haben sie sehr schnell ge- was von Familienpolitik. Ich denke, deshalb dürfen lernt; sie wissen mit ihrem Geld gut zu haushalten. auch Männer heute zu diesem Thema sprechen. Vor allen Dingen haben sie gelernt, ihr knappes (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Budget nicht für unnütze Dinge auszugeben. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das NEN]: Das handhaben wir hier schon län- hätten Sie auch mal lernen sollen!) ger so!) Daran sollten und müssen wir uns ein Beispiel Herr Schwanitz, Ihre Kritik an der Ministerin ist nehmen. Wir können den Bundeshaushalt nicht absolut nicht gerechtfertigt. Sie haben mehrfach immer weiter ausufern lassen und neue Schulden machen, um Dinge zu finanzieren, von denen wir 2912 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 von vornherein wissen, dass wir sie uns nicht leis- (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Wir auch!) ten können. fehlt das bei Ihnen völlig, Herr Bockhahn. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Das stimmt NEN]: Die größte beschlossene Neuver- nicht!) schuldung aller Zeiten!) Herr Bockhahn, Sie haben Anträge eingebracht, in Dies gilt für alle Einzelpläne in diesem Haus, auch denen doch tatsächlich gefordert wird, den Fami- für den Einzelplan 17, den Haushalt des Familien- lienetat um 9,8 Milliarden Euro aufzustocken. ministeriums. (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Weil es nötig Nach den letzten, zugegebenermaßen äußerst ist, Herr Mattfeldt!) anstrengenden Wochen der Haushaltsberatungen kann ich sagen: Der Spagat zwischen Begehrlich- Das ist erheblich mehr als die 6,5 Milliarden Euro, keiten und Sparsamkeit ist uns Haushältern ge- über die wir jetzt diskutieren. Dazu kann ich Ihnen meinsam mit den Fachpolitikern und dem Ministe- nur sagen: So funktioniert Oppositionsarbeit nicht; rium gelungen. In einem gemeinsamen Kraftakt so werden Sie nicht ernst genommen, nicht im haben wir es geschafft, unseren Beitrag zur Kon- Parlament und schon gar nicht von den Bürgerin- solidierung des Haushaltes zu leisten. Darüber nen und Bürgern. hinaus haben wir es geschafft, die Projekte, die in (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- der Wirksamkeit für unser Land bedeutend sind, neten der FDP) mit zusätzlichen Mitteln auszustatten. Im Bereich des Familienetats ist es uns trotz ei- Mir ganz persönlich liegt am Herzen, zu erwäh- nes hohen Anteils gesetzlich festgelegter Leistun- nen, dass es uns gelungen ist, die Nettokreditauf- gen gelungen, einen Beitrag zur Haushaltskonsoli- nahme um 5,6 Milliarden Euro auf immer noch dierung zu leisten. Wir haben es immerhin durch 80,2 Milliarden Euro abzusenken. Ich sage ganz Einsparungen bei den unterschiedlichen Haus- ehrlich: Mir ist es nicht leicht gefallen, meine Zu- haltstiteln geschafft, ein Einsparvolumen von stimmung zu dieser hohen Neuverschuldung zu 17 Millionen Euro zu erbringen. geben. Eigentlich wollten wir sogar 22 Millionen Euro (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Das einsparen. Allerdings haben wir in der Union es für kommt erst morgen! – Caren Marks sinnvoll gehalten, die Mittel für die Bundesstiftung [SPD]: Sie können morgen noch Nein sa- „Mutter und Kind“ um 5 Millionen Euro gegen- gen!) über dem Regierungsentwurf anzuheben. Aber vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirt- (Beifall bei der CDU/CSU) schaftskrise führt – das sollten auch Sie begriffen haben – leider kein Weg daran vorbei. Der Regierungsentwurf sah in diesem Bereich für 2010 92 Millionen Euro vor. Weil wir in der Union Das bedeutet aber auch, dass jeder Einzelne von der Wirksamkeit der Arbeit, die die Stiftung von uns die Verantwortung trägt, die Neuverschul- leistet, überzeugt sind, sind wir der Auffassung, dung nicht weiter ausufern zu lassen. Wir dürfen dass diese Stiftung wie 2009 auch in diesem Jahr die aktuelle Krise nicht als Ausrede benutzen, alle 97 Millionen Euro erhalten soll. Die Bundesstiftung Ausgabenwünsche, die an uns herangetragen hilft schwangeren Frauen in Notlagen ganz unbü- werden, zu erfüllen. rokratisch. Sie unterstützt sie finanziell. Das Ziel (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: der Stiftung ist es, das ungeborene Leben zu Steuergeschenke für Hoteliers!) schützen und die Bedingungen für die Schwangere zu verbessern. Sie erleichtert unter ganz schwieri- Deswegen ist jedes Ministerium gefordert, seinen gen Voraussetzungen nicht nur den Start in die El- Beitrag zu leisten und auch das eine oder andere ternschaft, sondern trägt auch zur Armutspräventi- Mal Nein zu der einen oder anderen Begehrlichkeit on bei. Außerdem leistet sie im System der Frühen zu sagen. Hilfen einen wertvollen Beitrag und kann so helfen, (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kinder zu schützen. Deshalb haben wir diese Zum Betreuungsgeld!) 5 Millionen Euro zusätzlich eingestellt. Auch das gehört zur Politik. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) Herr Bockhahn, ich habe Ihre Ausgabenwün- sche gesehen. Sie sind ausufernd. Das darf ich Ih- Weiterhin unterstützen müssen wir die alleiner- nen sagen. Wenn ich mir die Anträge, die die Linke ziehenden Frauen und Männer. Sie stehen mehr in die Beratungen eingebracht hat, anschaue, als andere vor dem Problem, Familie und Er- dann kommen mir Zweifel, ob so Oppositionsarbeit werbsarbeit in Einklang zu bringen. Auch deshalb aussieht. Während sich alle anderen Oppositions- gelingt es leider einem hohen Anteil Alleinerzie- parteien mehr oder weniger um Vorschläge für ei- hender nicht, sich aus der SGB-II-Bedürftigkeit zu ne Gegenfinanzierung bemüht haben, befreien. Es ist unsere Pflicht, gemeinsam mit den Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2913

Unternehmen die Rahmenbedingungen so zu set- Ich werde mich dafür stark machen, dass diese zen, dass auch Alleinerziehende mit kleinen Kin- Mittel zur Finanzierung von Anschlusslösungen dern einer Erwerbsarbeit nachgehen können. Stär- sowie für die Stärkung der Freiwilligendienste kung von Erwerbsarbeit ist die beste Armutsprä- eingesetzt werden. Wir müssen und werden den vention. Zivildienstleistenden, die nicht direkt im Anschluss an ihren sechsmonatigen Zivildienst eine Lehrstel- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – le oder einen Studienplatz bekommen, Möglichkei- Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Gerade ten bieten, die biografische Lücke zu schließen. bei den Minijobs!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU Deshalb ist es weiterhin von großer Bedeutung, und der FDP – Sönke Rix [SPD]: Haben dass wir unsere Kraftanstrengung fortführen und Sie das mit der FDP schon geklärt?) gemeinsam mit den Ländern und vor allem den Kommunen eine verlässliche und qualitativ gute Außerdem müssen wir die Lücke, die durch die Kinderbetreuung für alle Altersgruppen weiter- Verkürzung der Zivildienstzeit entsteht, durch ver- entwickeln. stärkte Nutzung der Freiwilligendienste füllen. Die jungen Erwachsenen wollen ihren Beitrag für unse- (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Dafür brau- ren Staat leisten. Damit sie dies können, sind wir chen die Kommunen aber Geld! – Caren alle hier gefordert, sie darin zu unterstützen, sich Marks [SPD]: Ihnen fehlt das Geld hier- mit gesellschaftlichem Engagement für die Allge- für!) meinheit einzusetzen. Von dem Engagement die- Wir müssen außerdem für flexible Arbeitszeitrege- ser jungen Menschen habe ich mich zusammen lungen werben, damit es diesen Müttern und Vä- mit Herrn Dr. Kreuter, unserem Zivildienst- tern möglich ist, arbeiten zu gehen. Auf diese Wei- beauftragten, erst vor kurzem in einer Zivildienst- se können wir sie in den ersten Arbeitsmarkt zu- schule überzeugen können. rückholen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir (Ute Kumpf [SPD]: Keine Sprechblasen! Sie sprechen in diesen Tagen viel vom Sparen. Ande- müssen Geld liefern!) rerseits wird gerade an uns Haushältern von allen Seiten eine Reihe von Begehrlichkeiten herange- Wir können es uns allein aus volkswirtschaftlichen tragen. Ich sage es ganz deutlich: Wir alle in die- Gründen nicht leisten, auf einen arbeitsfähigen sem Hause sind gefordert, nicht nur die Haushäl- Bürger und eine arbeitsfähige Bürgerin zu verzich- ter, sich zukünftig in einer gemeinsamen Kraftan- ten. strengung darüber Gedanken zu machen, an der Mein Fazit ist: Wenn es uns gelingt, die Rah- richtigen Stelle zu sparen. menbedingungen für alleinerziehende Mütter und (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Väter weiter zu verbessern und die Kinderbetreu- Sparen Sie doch die Wehrpflicht ein!) ung noch weiter auszubauen, dann wird das für die Sozialsysteme und vor allen Dingen auch für die Wir alle sollten und müssen unseren Beitrag zur Konsolidierung des Bundeshaushalts von enor- Konsolidierung des Bundeshaushaltes leisten. mem Nutzen sein. Übrigens gilt das auch für die Lassen Sie uns gemeinsam diese Aufgabe bewäl- kommunalen Haushalte. tigen, damit auch kommende Generationen in un- serem Land eine lebenswerte Zukunft haben. Vielen Dank. Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Aus- blick auf den nächsten Haushalt wagen. Für 2011 (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) stehen wir vor der großen Herausforderung, die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse einzu- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: halten. Das wird natürlich auch am Etat des Fami- Für die Fraktion Die Linke spricht Steffen lienministeriums nicht spurlos vorbeigehen. Bei al- Bockhahn. len Ambitionen, die wir beim Sparen haben, müs- sen wir aber genau hinsehen, wo wir sparen. (Beifall bei der LINKEN)

Durch die im Koalitionsvertrag vereinbarte Ver- Steffen Bockhahn (DIE LINKE): kürzung des Wehrdienstes und damit auch der Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen Dauer des Zivildienstes werden in unserem Ein- und Herren! Herr Kollege Schwanitz hat es ange- zelplan – die Experten streiten sich noch – zwi- sprochen: Es gab durchaus Defizite bei den Be- schen 150 und 200 Millionen Euro frei. Ich sage richten. Kollege Mattfeldt hat völlig zu Recht fest- aber hier ganz deutlich: Ich halte es für äußerst ge- gestellt, dass alle Anfragen beantwortet sind. Aber fährlich, Herr Schwanitz, dieses Geld aus- ich muss feststellen, dass die Antworten, die uns schließlich zur Konsolidierung des Bundeshaushal- schriftlich überreicht wurden, offensichtlich nicht tes zu verwenden. unbedingt mit dem Stand von heute übereinstim- (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Wo waren die men – und das ist ein Problem. Anträge?) 2914 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem gendienst leistet, soll einen besseren Zugang zum BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Studium erhalten. Ich kenne das aus Gesprächen mit Menschen, die in der DDR bei der NVA waren. Wir haben in Deutschland leider auch heute 18 Monate waren Pflicht, wer scheinbar freiwillig noch die Wehrpflicht, also den Zwang für junge 36 Monate machte, hatte bessere Studienmöglich- Männer, den Umgang mit Waffen, das Zerstören keiten. Das kann doch nicht das Ziel der FDP sein. und Töten zu lernen. Aber zum Glück gibt es we- nigstens einen Wehrersatzdienst, um stattdessen (Beifall bei der LINKEN – Thomas Jarzombek zu helfen, zu unterstützen und Gutes zu tun. Aber [CDU/CSU]: Aber Ihres?) auch der Wehrersatzdienst ist ein Zwangsdienst. Ich schlage Ihnen stattdessen vor: Machen Sie Herr Kollege Mattfeldt, ich kann mich noch sehr sich Gedanken über eine Alternative zum Zivil- genau an meine Zeit in der Zivildienstschule in dienst! Machen Sie sich Gedanken über einen öf- Barth/Pruchten – ohne den Zivildienstbeauftragten fentlich geförderten Beschäftigungssektor! Bezah- – erinnern. Ich darf Ihnen sagen: Die wenigsten len Sie Arbeit statt Arbeitslosigkeit und finanzieren meiner Kolleginnen und Kollegen hatten das Ge- Sie so gesellschaftlich notwendige Arbeit. Nehmen fühl, in erster Linie etwas für Deutschland zu tun. Sie Mecklenburg-Vorpommern als Beispiel; dort Die meisten haben gesagt: Ich muss meinen Zivil- gab es das. Schauen Sie sich Berlin an; dort gibt dienst abreißen. es das. Das sind sehr gute Beispiele, die Ihnen al- (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Ich darf!) len helfen sollten, dieses Prinzip zu verstehen und einzusehen, dass Sie damit etwas für die gesamte – „Ich muss meinen Zivildienst abreißen“ haben Gesellschaft tun. die meisten gesagt, weil es ein Zwangsdienst ist. – Dieser Zwangsdienst sollte abgeschafft werden. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Ich füge hinzu: Wir sind völlig schmerzfrei, wenn Sie das als Ihr Programm ausgeben. Wir werden Das ist aber gar nicht so einfach; denn wir ha- den Menschen zwar sagen, dass es nicht Ihr Pro- ben es uns in unserer Gesellschaft mit den fleißi- gramm ist, aber wir werden Sie dabei unterstützen, gen und überaus preiswerten jungen Männern, die es einzuführen. im Zivildienst tätig werden, bequem gemacht. Sie arbeiten in Kindergärten, in Alten- und Pflegehei- Ich komme zu einem anderen Thema. Frau men, in Krankenhäusern und vielen anderen Ein- Gruß, bevor Sie sich wieder aufregen: Herr Toncar richtungen. Dort leisten sie gesellschaftlich zwin- sitzt neben Ihnen. Er kann Ihnen das erklären. Im gend notwendige Arbeit. Wenn man sich von ei- Einzelplan 17 des Bundeshaushaltes finden sich nem solchen System verabschieden will – die Ver- Extremismusprogramme wieder. Deshalb ist es kürzung des Zivildienstes auf sechs Monate kann richtig, wenn ich darüber spreche. nur als Einstieg in den Ausstieg vom Zivildienst be- (Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Aussteiger- trachtet werden –, dann muss man dies rechtzeitig programme!) vorbereiten. Vor allen Dingen muss man anständi- ge Alternativen schaffen. Genau das aber ver- Die Bundesregierung hat – das ist heute mehr- säumt die Bundesregierung. fach deutlich geworden – in allen Bereichen fest- gestellt, dass es keine Notwendigkeit gibt, eigen- Wenn man diese Verkürzung durchführt, muss ständige Programme gegen Rechtsextremismus man sich über Folgendes im Klaren sein. Es ist in- zu führen. Es müssen immer Programme gegen zwischen offenkundig, dass die meisten Träger Extremismus sein. Das offenbart einen großen des Zivildienstes sagen: Mit sechs Monaten kön- Mangel an Problembewusstsein. Ich möchte Ihnen nen wir nichts anfangen. Die Zeit, die die Zivil- ein gravierendes Beispiel nennen. In Limbach- dienstleistenden bei uns in den Einrichtungen sind, Oberfrohna in Sachsen gibt es ein erhebliches ist viel zu kurz. – In der Folge werden die Zivil- Problem mit rechtsextremistischen Gewalt- und dienststellen abgebaut, aber die Aufgaben, die die Straftaten. Allein im letzten Jahr – die Zahl stammt Zivis erledigt haben, bleiben meistens liegen. Das vom Verfassungsschutz Sachsen, nicht von mir – ist zum Nachteil aller in Deutschland. gab es 37 eindeutig rechtsextreme Straftaten, kei- Wenn man wenigstens die Freiwilligendienste ne einzige der Linken. erheblich ausbauen würde – wofür man Zeit (Zuruf von der LINKEN: Hört! Hört!) bräuchte –, dann wäre das ein Schritt in die richti- ge Richtung. In Limbach-Oberfrohna gibt es ein Bündnis, das sich für Demokratie und Toleranz einsetzen möch- (Beifall bei der LINKEN) te. Der CDU-Landtagsabgeordnete Hippold lädt zu Man könnte die Hoffnung haben, dass das pas- diesem Bündnis das NPD-Mitglied des örtlichen siert. Jedoch sollen mehr als 150 Millionen Euro Stadtrates ein, das mitgestalten soll, wie dieses beim Zivildienst eingespart werden; bei den Frei- Bündnis arbeiten möge. willigendiensten kommt nur 1 Million Euro hinzu. (Lachen bei Abgeordneten der SPD) Das Verhältnis stimmt nicht. – Ich habe noch eine tolle Idee der FDP kennengelernt: Wer Freiwilli- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2915

Auf jede Kritik, auch der Kirchen, dass das doch vor allem auch sieht, dann muss man sagen: Das wohl nicht sein könne, kommt die Reaktion, die ist nicht nur eine Verunglimpfung von parlamenta- NPD sei eine demokratisch legitimierte Partei, man rischen Parteien, sondern auch eine ziemlich dürfe sie nicht rausschmeißen, sondern müsse das schamlose Instrumentalisierung des mit ihnen zusammen regeln. Das ist fehlendes Un- Extremismusproblems, was Sie hier betreiben. rechtsbewusstsein. (Lachen bei der LINKEN – Caren Marks (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abge- [SPD]: Dass das Aussehen im Plenum ordneten der SPD und des BÜNDNIS- Thema ist, ist wirklich eine Unverschämt- SES 90/DIE GRÜNEN) heit! – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Frechheit! – Gegenruf des Abg. Dr. Peter Die NPD ist eine verfassungsfeindliche Partei. Tauber [CDU/ CSU]: Ihr seid doch die rot (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: lackierten Faschisten!) Aber die Linke auch! – Dorothee Bär Ich fordere Sie auf, dieses Thema in Zukunft viel- [CDU/ CSU]: Die Linke auch!) leicht etwas sachlicher zu diskutieren. Verstehen Sie das endlich! Der Rechtsextremis- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – mus ist ein großes Problem. Frau Bär, wenn Sie Zurufe von der LINKEN – Gegenruf des meinen, Programme gegen Rechtsextremismus Abg. Dr. [CDU/CSU]: Was sei „Saufen gegen rechts“, dann glaube ich, dass war das eben? – Weiterer Zuruf von der Sie zu oft in Bayern unterwegs waren. CDU/CSU: Er hat gesagt, wir arbeiten mit (Beifall bei der LINKEN – Dorothee Bär den Nazis zusammen! – Gegenruf vom [CDU/CSU]: Pfui! Sie werden vom Verfas- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: In Sachsen sungsschutz beobachtet! Sie sind unter ist es so! – [SPD]: Ein Beobachtung! Sie sind linksextrem!) unmögliches Verhalten! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Frau Präsidentin, das geht Ich will Ihnen deutlich sagen: Wir haben ein nicht!) Problem, das Sie offensichtlich unterschätzen. Der Rechtsextremismus in Deutschland ist eine Gefahr Frau Präsidentin, was machen wir denn jetzt? für die Demokratie und eine Gefahr für die Verfas- sung. Das sagen nicht nur Linke, das sagen auch Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: der Präsident des Bundesverfassungsschutzes Ich nehme an, dass Sie jetzt erst einmal Ihre und viele andere. Reden Sie einmal mit Opfern Rede halten. Wenn jemand eine Zwischenfrage rechtsextremer Gewalt, dann werden Sie begrei- stellen will, dann wird er die stellen. Wir werden im fen, dass das, was Sie hier tun, eine Verharmlo- Protokoll nachschauen, was hier gesagt worden sung ist. ist, weil wir nicht alles genau verstanden haben. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hart- Florian Toncar (FDP): wig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Sie Gut, Frau Präsidentin. lenken doch von Ihrer Verfassungsfein- Die Familienpolitik der Bundesregierung ist ein dlichkeit ab!) Politikbereich, dem große Priorität beigemessen Wenn Sie sich anschauen, was in Dresden pas- wird. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Erhö- siert ist und was am Wochenende wieder in Lü- hung des Kindergeldes eine der Kernforderungen beck bevorsteht, dann werden Sie begreifen, wa- und eine der Kernmaßnahmen unseres Wachs- rum der Kampf gegen Rechtsextremismus viel tumsbeschleunigungsgesetzes gewesen ist, dass wichtiger ist als alles andere, was Sie in Sonntags- es mehr als die Hälfte des Entlastungsvolumens reden immer wieder einfordern. des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes aus- macht und die Bundesregierung damit von Anfang (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- an klargemacht hat, dass ihr die materielle Ver- NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Ab- sorgung von Familien mit Kindern ein wichtiges geordneten der SPD – Dorothee Bär Anliegen ist. [CDU/ CSU]: Sie sollten sich wirklich schämen!) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Kindergelderhöhung hat direkten Einfluss auf Für die FDP-Fraktion hat Florian Toncar das die Höhe des Kindesunterhalts. Das kann man in Wort. der Düsseldorfer Tabelle nachsehen. Die Sätze (Beifall bei der FDP) sind umgehend gestiegen. Das wirkt sich auch in unserem Bundeshaushalt aus, und zwar im Be- reich der gesetzlichen Pflichtleistungen, beim Un- Florian Toncar (FDP): terhaltsvorschuss. Daran kann man ablesen, wel- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle- gen! Kollege Bockhahn, wenn man Sie hört und 2916 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 che Verbesserungen diese Koalition für die Fa- der sie bekommen sollen. Wir müssen uns frei von milien geschaffen hat. Vorbehalten einmal überlegen, wie wir sicherstel- len können, dass das Geld, das wir dafür in die Wir haben darüber hinaus zusätzliche Ausgaben Hand nehmen, auch da ankommt und dafür ver- beim Elterngeld veranschlagt. Diese Leistung wird wendet wird. Das ist etwas, wo Sie nicht dazwi- mehr Geld in Anspruch nehmen, und zwar aus schenrufen müssen, sondern sagen können, dass Gründen, die politisch gewollt sind. Die sogenann- Sie das auch so sehen. ten Partnermonate werden heute stärker in An- spruch genommen als in der Vergangenheit. Aus (Beifall bei der FDP – Kai Gehring diesem Grund haben wir höhere Ausgaben im Be- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo lässt reich der Pflichtleistungen. Das ist für die FDP eine sich das am Haushalt ablesen? – Sören erfreuliche Entwicklung. Bartol [SPD]: Sie haben es nicht verstan- den!) (Beifall bei der FDP) Wir haben uns darüber hinaus in diesem Jahr Wir haben uns darüber hinaus im Zusammen- mit der Zukunft des Zivildienstes zu beschäfti- hang mit dem Arbeitslosengeld II mit der Situati- gen. Verschiedene Redner haben dieses Thema on von Kindern zu beschäftigen. Das hat uns das angesprochen. Der Koalitionsvertrag enthält die Bundesverfassungsgericht aufgegeben. Das hat klare Aussage, dass die Verkürzung zum 1. Januar keinen Einfluss auf diesen Einzelplan, aber natür- des Jahres 2011 in Kraft treten soll. Was das Ziel lich große Bedeutung für das, was wir an ergän- angeht, sind wir uns einig: Wir wollen die Verkür- zenden Maßnahmen im Familien- oder Ju- zung auf sechs Monate. gendbereich zu vereinbaren haben. Für uns ist wichtig, dass es eine Neuberechnung der Regel- (Sören Bartol [SPD]: Ich dachte, Sie wollen sätze gibt, die nachvollziehbar ist und sich am ei- abschaffen!) genständigen Bedarf von Kindern orientiert. Um es – Das ist das, was im Koalitionsvertrag steht. Sie deutlich zu sagen: Es ist völlig klar, dass ein Kind haben die weitergehenden Wünsche der FDP ver- einen Bedarf an Windeln oder Schulmaterial hat, standen. Die haben wir weiterhin. der eingerechnet werden muss, aber eine fiktive Einrechnung von anteiligen Ausgaben für Alkohol (Ute Kumpf [SPD]: Ach so! Das ist gar nicht oder Tabakwaren nicht dazugehört. Das muss ei- gültig!) genständig und nachvollziehbar berechnet werden. Wir haben einen Kompromiss gefunden, der, Das wird diese Koalition machen. wie ich glaube, an dieser Stelle mehr Freiheit für (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) die Betroffenen bedeutet, jedenfalls besser ist als das, was heute Rechtslage ist. Insofern ist das ein Wir haben uns darüber hinaus vorgenommen, gehöriger Fortschritt für die Betroffenen. die Teilhabe an Bildung, die soziale und kulturelle Teilhabe dieser Kinder zu verbessern. Das müs- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) sen wir nach dem Urteil des Bundesverfassungs- gerichts machen. Das wollen wir auch tun – das ist jedenfalls die Vorstellung der FDP-Fraktion –, und Wir wollen das machen, indem wir klare Daten zwar insbesondere in Form von Sachleistungen nennen. Das ist so von uns im Koalitionsvertrag wie Schulessen oder Musikunterricht, um eine festgelegt. Mindestteilhabe dieser Kinder an Bildung und kul- Es ist völlig klar, dass wir parallel zur Verkür- turellen Leistungen der Gesellschaft sicherzustel- zung des Zivildienstes die Freiwilligendienste len. stärken müssen. Es ist völlig klar, dass man das (Beifall bei der FDP – Caren Marks [SPD]: nicht ersatzlos wegfallen lassen kann. Das ist auch Wieso nur eine Mindestteilhabe? Teilhabe nicht geplant. komplett für alle!) (Sönke Rix [SPD]: Wo spiegelt sich das im – So steht es auch im Urteil des Bundesverfas- Haushalt wider?) sungsgerichts, das im Übrigen Ihr Gesetz kassiert – Das spiegelt sich auch im Haushalt wider, Herr hat, nicht unseres. Kollege Rix. Eigentlich wollte ich nur einmal darstellen – (Caren Marks [SPD]: Wo denn?) auch wenn Sie das gar nicht mehr gewöhnt sind –, dass man lösungsorientiert denken kann. Denn wir haben den Betrag für die Freiwilligen- dienste erhöht. Die Verkürzung tritt erst nächstes (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Jahr in Kraft; das wissen auch Sie. Insofern ist die NEN]: Was ist denn Ihre Lösung? – Caren Aufregung auch hier übertrieben und fehl am Plat- Marks [SPD]: Nur haben wir die Lösung ze. nicht gehört!) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordne- Ich finde, Schulessen und Musikunterricht sollten ten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Dinge sein, bei denen wir uns einig sind, dass Kin- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2917

Sie sind nicht auf dem Laufenden! – Was ausbauen. Herr Wissing, immerhin Finanzexperte sagt Herr Guttenberg?) der FDP, stellt das Elterngeld sogar komplett infra- ge und bezeichnet es als eine unsinnige Leistung, Ich habe gesagt, dass der Koalitionsvertrag gilt. die die breite Masse gerne einmal mitnehme. Das Das ist für mich die Grundlage dieses Haushalts. hört sich nicht gut an für das Elterngeld. In der (Zuruf von der LINKEN: Hauptsache, die Re- Antwort auf meine schriftliche Frage in der letzten gierung weiß das auch!) Woche zu den Plänen beim Elterngeld lese ich: Die Bundesregierung prüft, aber was es kosten Wir haben über das Thema Zivildienst auch un- soll, weiß sie noch nicht so genau. Das hört sich ter der Frage zu diskutieren, ob es andere Instru- nicht gut an für das Elterngeld. Quo vadis, Eltern- mente geben soll, die ersatzweise greifen. Ich sa- geld? ge für die FDP-Fraktion: Eine mögliche freiwillige Verlängerung des Zivildienstes darf zu einem nicht (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- führen: Es darf nicht zu einem faktischen Zwang wie bei Abgeordneten der SPD) des Zivildienstleistenden kommen, neun oder zwölf Das zweite Beispiel ist das Kindergeld. Von Monate arbeiten zu müssen, weil nur solche Stel- wegen Kindergelderhöhung. Der Ministerpräsident len existieren und ausgeschrieben werden. Der von Schleswig-Holstein, – entscheidende Unterschied zwischen Zivildienst er ist von der CDU –, und Wehrdienst ist, dass der Wehrpflichtige in eine konkrete Einheit einberufen wird – er kann sich (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das ist ein das nicht aussuchen –, wohingegen der Zivil- sehr guter Mann!) dienstleistende dazu verpflichtet ist, sich eine Stel- stellt das Recht auf Kindergeld komplett infrage, da le zu suchen. Wenn diese nur für neun oder zwölf wir in Deutschland – ich zitiere – „Kindergeld zah- Monate ausgeschrieben werden, hat er im Endef- len an Eltern, die das gar nicht nötig haben“. Ich fekt keine andere Wahl. Das wollen wir natürlich finde, das hört sich nicht gut an für das Kindergeld nicht; denn das würde dazu führen, dass Zivil- in diesem Land. An einer Stelle hat der Minister- dienstleistende jedenfalls faktisch im Durchschnitt präsident allerdings recht, und zwar wenn er be- länger dienen müssten als Wehrdienstleistende. mängelt, dass die Kindergelderhöhung auf Hartz- Wir werden darauf achten, dass eine solche Unge- IV-Leistungen komplett angerechnet wird und des- rechtigkeit nicht eintritt. halb bei den Familien im Leistungsbezug nicht an- Ich möchte für das Thema Familie, Beruf und kommt, obwohl besonders sie dies brauchen wür- Pflege auf die Rede der Kollegin Miriam Gruß ver- den. Das ist vom Ministerpräsidenten sehr gut be- weisen. Wir haben etliche Baustellen im Bereich obachtet, allerdings sagt er gleich dazu, dass er der Familienpolitik, der Politik für Senioren, für keine Lösung für dieses Dilemma hat. Wir Grüne Frauen und für die Jugend. Wir als Koalition sind haben eine Lösung für dieses Dilemma. Wir schla- uns da einig und gut aufgestellt. gen eine Kindergrundsicherung vor. Diese würde gewährleisten, dass die Kinderförderung in diesem Vielen Dank. Land endlich vom Kopf auf die Füße gestellt wür- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) de. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das Wort hat die Kollegin Katja Dörner für Das dritte Beispiel ist das Betreuungsgeld. Bündnis 90/Die Grünen. Frau von der Leyen hat eigentlich das Richtige da- zu gesagt. Sie hat gesagt, das wäre eine „bil- Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): dungspolitische Katastrophe“. Dem ist nichts hin- zuzufügen. Deshalb sollte man es am besten Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegin- sang- und klanglos beerdigen. Die geschätzten nen! Liebe Kollegen! Ich muss schon sagen, Herr 2 Milliarden Euro jährlich, die uns das zukünftig Mattfeldt, Herr Toncar, Ihre schönen Sonntagsre- kosten soll, sollte man besser in die Kitas investie- den heute Abend können nicht verschleiern, dass ren: in mehr Kitaplätze, in bessere Kitaplätze, bei- auch in familien- und kinderpolitischen Fragen in spielsweise in kleinere Gruppen, in die Ausbildung erster Linie Zwist und Chaos in der schwarz- gelben Koalition herrschen. der Erzieherinnen und Erzieher und auch in eine bessere Entlohnung dieser pädagogischen Fach- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kräfte, die eine höhere Wertschätzung in unserer sowie bei Abgeordneten der SPD und der Gesellschaft mehr als verdient hätten. Ich denke, LINKEN – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: darüber sind wir uns alle hier einig. Wo haben Sie das denn gesehen?) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ich werde Ihnen jetzt Beispiele nennen. Dann sowie bei Abgeordneten der SPD und der werden Sie selber sehen, wie ich darauf komme. LINKEN) Das erste Beispiel ist das Elterngeld. Von we- Die FDP hat in ihren Wahlprogrammen an di- gen Elterngeld verlängern, weiterentwickeln und versen Stellen die Elternbeitragsfreiheit gefordert. 2918 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Allerdings habe ich jetzt vernommen, dass Herr Frau Ministerin, ich habe den Eindruck, nicht nur Wissing auch diese Leistung für unsinnig hält; da- Frau von der Leyen tanzt Ihnen auf der Nase her- rauf gehe ich an dieser Stelle aber nicht ein. Bei- um, sondern die halbe Koalition. Das muss ein tragsfreiheit – richtig so, sagen wir Grünen. Aber Ende haben. Schaffen Sie endlich Klarheit, auf Fakt ist: Durch Ihre kommunalfeindliche Politik was sich die Familien in den nächsten Jahren tat- sächlich einstellen können bzw. – das muss man (Caren Marks [SPD]: Ja, genau!) fast so sagen – auf was sie sich bei dieser Regie- haben Sie den Kommunen Milliarden Euro entzo- rung wohl einstellen müssen. gen. Noch eine Anmerkung zu einem Thema, das (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ uns alle sicherlich sehr beschäftigt: zu den vielen DIE GRÜNEN) Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen, die in letzter Zeit öffentlich wurden. 20 Euro mehr Kindergeld, aber um 30 Euro höhere Vor zwei Wochen – noch zu einem Zeitpunkt, als Kitagebühren, das ist die Folge schwarz-gelber drei Ministerinnen meinten, Zeit damit verplempern Politik. Das ist das Gegenteil von familienfreund- zu können, indem sie darüber streiten, wer den lich. schöneren runden Tisch veranstaltet – habe ich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Satz von Ministerin Schröder gelesen, es sei sowie bei Abgeordneten der SPD und des falsch, jetzt nur die katholische Kirche an den Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE] – Mar- Pranger zu stellen. Es stimmt: Missbrauchsfälle cus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: kommen auch in Institutionen anderer Träger vor. Das war fachlich falsch!) Aber von 27 katholischen Bistümern sind – so viel wissen wir bis jetzt – 22 betroffen. Ich erwarte von Zurück zum Betreuungsgeld. Statt es einfach zu der Familienministerin, da sie auch für Kinder zu- beerdigen, geht es beim Betreuungsgeld richtig rund: Barzahlung, Gutscheine, Sachleistungen, ständig ist, dass sie sich ganz eindeutig zur Anwäl- tin der Kinder und Jugendlichen, zur Anwältin der Gutscheine für Hartz-IV-Beziehende, Barzahlun- gen für die anderen, Einbeziehung in ein Bildungs- Opfer dieser abscheulichen Verbrechen macht und sich nicht etwa in die Phalanx von Kleinrednern, konto und jetzt – tatarata – Rentenanwartschaften. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Elterngeld, Kin- Verharmlosern und Vertuschern einreiht. dergeld, Betreuungsgeld – ich habe den Eindruck, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in dieser Koalition darf jeder alles vorschlagen. sowie bei Abgeordneten der SPD – Doro- thee Bär [CDU/CSU]: Das hat sie ja über- (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Wo sind denn haupt nicht gemacht! – Thomas Ihre Vorschläge, Frau Dörner? – Thomas Jarzombek [CDU/ CSU]: Das ist jetzt aber Jarzombek [CDU/CSU]: Steht das eigent- nicht fair! Das ist ja schon fast eine Unter- lich im Haushalt, Frau Kollegin?) stellung!) Jeder darf jederzeit alles sagen, alles infrage stel- len, inklusive Koalitionsvertrag. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: (Caren Marks [SPD]: Genau! Gemacht wird ja Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Ende eh nichts!) kommen. Jeder kann irgendwo ein Papier einreichen. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hauptsache, man steht damit dick in der Presse. Ich komme zu meinem letzten Satz. – Meine (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Kollegin Renate Künast hat es in der gestrigen SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Debatte, wie ich finde, absolut richtig auf den Sönke Rix [SPD]: Nur entschieden wird Punkt gebracht. Sie hat gesagt: Die Kinder bedür- nichts! – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: fen des besonderen Schutzes der Gesellschaft Steht das denn im Haushalt oder nicht? und nicht der Papst. – Wir Grüne erwarten, dass Gucken Sie doch mal nach! Dann wissen Ministerin Schröder als zuständige Ministerin dem Sie, was passiert!) gerecht wird. – Entschieden wird nicht, regiert wird nicht, und Ih- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN re familienpolitische Agenda, liebe Kolleginnen und und bei der SPD sowie bei Abgeordneten Kollegen von der Koalition, ist nicht bemerkens- der LINKEN) wert. Das Chaos, das hier produziert wird, ist be- merkenswert. Das ist aus meiner Sicht unübertrof- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: fen. Das Wort hat die Bundesministerin Dr. Kristina (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schröder. sowie bei Abgeordneten der SPD – Georg (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Schirmbeck [CDU/CSU]: Seien Sie doch nicht so hart mit uns!) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2919

Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für (Caren Marks [SPD]: Die Erklärung des El- Familie, Senioren, Frauen und Jugend: terngeldes hatten wir vor vier Jahren!) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle- Das ist ein Bedürfnis von jungen Männern und von gen! Gut ist ein Kompromiss ja angeblich dann, jungen Frauen. Deshalb werde ich bald, sehr zü- wenn jeder glaubt, er hätte das größte Stück vom gig, einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem so- Kuchen bekommen. Dies mit Blick auf den Einzel- wohl das geplante Teilelterngeld umgesetzt als plan 17, der ein Gesamtvolumen von auch eine Ausweitung der Partnermonate auf den 6,54 Milliarden Euro hat, zu behaupten, wäre si- Weg gebracht wird. cherlich etwas gewagt. Für die Familien und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft haben wir (Caren Marks [SPD]: Das steht aber auch dennoch gute Ergebnisse erzielt. Der Einzel- nicht im Haushalt!) plan 17 zeigt: Diese Koalition stärkt Familien den Kinder wiederum haben vor allen Dingen das Rücken, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, Bedürfnis, behütet und geborgen aufzuwachsen und diese Koalition investiert in den Zusammenhalt und teilzuhaben am Wohlstand und an den Chan- der Gesellschaft, gerade in wirtschaftlich schwieri- cen unserer Gesellschaft. Das darf kein Privileg gen Zeiten. der Kinder starker Eltern sein. Mit dem Ausbau (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) der Kinderbetreuung investieren wir gerade in die Bildungschancen derjenigen, denen diese Chan- Ich danke allen, die sich dafür in den Haushalts- cen nicht in die Wiege gelegt wurden. Insofern se- verhandlungen der letzten Wochen eingesetzt ha- he ich in dem Urteil des Bundesverfassungsgerich- ben. Mein Dank gilt den Mitgliedern des Familien- tes zur Höhe des Hartz-IV-Regelsatzes für Kinder ausschusses und den Berichterstattern für die bis- auch einen familienpolitischen Auftrag, nämlich je- her konstruktive Zusammenarbeit. dem Kind eine faire Chance zu geben. Es geht Herr Schwanitz, Sie haben gerade einige Punk- nicht nur um das finanzielle Existenzminimum – te angesprochen. Zu § 14 c des Zivildienstgeset- Nahrung, Wohnen, Kleidung, medizinische Ver- zes werde ich später noch etwas sagen. Was das sorgung –, es geht auch um faire Chancen auf Bil- Thema Zivildienst angeht, scheint mir allerdings dung und damit auch auf gesellschaftlichen Auf- wirklich ein Missverständnis vorzuliegen. Die Vor- stieg. schläge, die der Bundesverteidigungsminister ges- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Ab- tern präsentiert hat, besagen, dass die Verkürzung geordneten der FDP – Sven-Christian der Dienstzeit schon für die wirken soll, die zum Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 1. Oktober 2010 eingezogen werden. Ihr Dienst Was ist mit dem Betreuungsgeld?) endet also nicht am 30. Juni 2011, sondern am 31. März 2011. Auch wir mussten einen Beitrag zur Haushalts- konsolidierung erbringen. Es ist mir wichtig, darauf (Caren Marks [SPD]: Ja, wir können rechnen!) hinzuweisen, dass wir versucht haben, ausschließ- Auf den Haushalt 2010 hat die Verkürzung also lich dort nach Einsparpotenzialen zu suchen, wo keinerlei Auswirkungen. Kinder und Familien möglichst wenig betroffen sind. Die Einsparungen, die im Einzelplan 17 reali- (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) siert wurden, werden überwiegend durch Einspa- Alles das, was Herr zu Guttenberg gestern vorge- rungen beim Zivildienst bestritten. Die Ausgaben schlagen hat, wird erst 2011 wirksam. Deswegen für den Zivildienst sinken wegen der geplanten ging Ihre Kritik an diesem Punkt leider ins Leere. Verkürzung der Wehrpflicht, die beim Zivildienst nachvollzogen wird, ohnehin. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wenn Weil wir aber unabhängig vom Zivildienst den sich Herr Schwanitz besser vorbereitet Dienst junger Menschen am Gemeinwohl für sehr hätte, hätte er das erkennen müssen!) wichtig halten, werden wir auch die Förderung der Jugendfreiwilligendienste neu strukturieren. Junge Meine Damen und Herren, beginnen wir mit Frauen und Männer wollen sich engagieren, und dem größten Posten im Einzelplan 17, nämlich die Gesellschaft ist auf dieses Engagement ange- dem Elterngeld. Mit den knapp 4,5 Milliarden Eu- wiesen. Deshalb ist es das Ziel der Bundesregie- ro, die wir für das Elterngeld ausgeben, reagieren rung, die Freiwilligendienste erheblich aus- wir auf ein Bedürfnis junger Mütter und junger Vä- zubauen. ter. Wir treffen damit den Nerv der heutigen El- terngeneration. Das zeigt vor allen Dingen das ho- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU he Interesse an den Partnermonaten, die mit und der FDP – Ute Kumpf [SPD]: 1 Million 80 Millionen Euro mehr zu Buche schlagen als im Euro sind ganz schön wenig!) letzten Jahr. Mit dem Elterngeld haben wir ein tie- Den finanziellen Spielraum dafür eröffnet uns, ins- fes Bedürfnis von jungen Familien getroffen: das besondere ab 2011, die geplante Streichung des Bedürfnis, Zeit für familiäre Verantwortung zu ha- § 14 c Abs. 4 des Zivildienstgesetzes. ben, ohne den Beruf an den Nagel hängen zu müssen. 2920 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

(Zurufe von der SPD: Das ist aber eine Mogel- aber nicht nur an Geld denken, sondern für den packung!) Zusammenhalt unserer Gesellschaft wird Zeit mehr und mehr zur zweiten Leitwährung. Deshalb wird Statt einer gesonderten Förderung für anerkannte allein mit Blick auf die Haushaltslage schon eines Kriegsdienstverweigerer, die als Ersatz für den Zi- klar: Wenn wir unserer Verantwortung gegenüber vildienst ein Freiwilliges Soziales Jahr oder ein nachfolgenden Generationen gerecht werden wol- Freiwilliges Ökologisches Jahr ableisten wollen, len, dann werden wir im nächsten Jahr nicht jedes wollen wir FSJ und FÖJ insgesamt besser fördern. Problem allein nur mit mehr Geld lösen können. Die dadurch frei werdenden Mittel von über 30 Millionen Euro sollen ab 2011 in vollem Umfang in die Förderung der Jugendfreiwilligendienste flie- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: ßen. Sie möchten eine Zwischenfrage auch jetzt nicht zulassen? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Wichtig war mir dabei, dass die Träger der Frei- Familie, Senioren, Frauen und Jugend: willigendienste in den Bereichen Sport, Ausland Neue Wege sind gefragt, um auf die Bedürfnis- und Kultur nicht die Leidtragenden dieser Neu- se von Kindern, von Eltern und vor allen Dingen strukturierung sind; denn diese Träger sind zur Re- auch von älteren Menschen reagieren zu können. finanzierung der Plätze besonders auf § 14 c Zivil- Die Familien-Pflegezeit, für die ich mich einsetze, dienstgesetz angewiesen. ist ein solcher neuer Weg. Ich möchte den Men- schen damit Zeit für Verantwortung geben. Wir wissen, dass kranke und ältere Menschen Herr Schwanitz, deshalb haben wir immer ge- so lange wie möglich zu Hause bei der Familie sagt, dass wir hier keine Übergangsregelungen, bleiben möchten. sondern eine Sonderregelung schaffen müssen. (Ute Kumpf [SPD]: Das hatten wir schon ein- (Caren Marks [SPD]: Ja, am Parlament vor- mal, Frau Schröder!) bei!) Wir wissen, dass die Zahl der Pflegebedürftigen In der letzten Woche ist es uns mit den Trägern demografiebedingt rasant ansteigen wird. Wir wis- der Freiwilligendienste gelungen, in den Bereichen sen, dass viele Menschen ihre betagten Angehöri- Sport und Ausland eine solche Sonderregelung zu gen aus Verantwortung, aber vor allen Dingen treffen, mit der ihr Platzangebot auf hohem Niveau auch aus Liebe zu Hause pflegen. Wir wissen, abgesichert wird. dass diese Menschen dabei ein großes Opfer (Ute Kumpf [SPD]: Kungelrunde! Das hät- bringen und dabei oft auch die Grenzen ihrer Be- ten Sie transparenter und demokratischer lastbarkeit überschreiten. Wir wissen auch, dass machen können!) die meisten dieser Menschen berufstätig sind, dass sie ihr Einkommen brauchen und dass es mit Diese Mittel für 2010 stammen aus den Mitteln Mitte/Ende Fünfzig ein sicherer Weg in die Arbeits- gemäß § 14 c des Zivildienstgesetzes. Insofern losigkeit wäre, länger oder ganz aus dem Beruf sind das exakt die Mittel, die uns der Haushalts- auszusteigen. ausschuss für genau diesen Bereich gewährt hat. Weil wir all das wissen, dürfen wir die Men- (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schen, die diese Doppelbelastung schultern, nicht NEN]: Was ist denn mit den anderen alleinlassen. Freiwilligendiensten?) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Mit den Trägern im Kulturbereich sind wir noch Ute Kumpf [SPD]: Geschultert wird das in Gesprächen, aber ich bin mir sicher, dass wir doch vor allem von älteren Frauen!) auch hier eine gute Lösung finden werden. Menschen, die ihr Leben lang viel gearbeitet ha- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ben, verdienen einen würdigen Lebensabend, und Menschen, die ihnen diesen würdigen Lebens- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: abend schenken, verdienen unsere Unterstützung. Frau Ministerin, Herr Schwanitz würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deshalb hoffe ich auch auf Ihre Unterstützung Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für und Ihre konstruktive Kritik, wenn ich diesen Vor- Familie, Senioren, Frauen und Jugend: schlag in die parlamentarischen Gremien einbrin- Ich will hier jetzt erst einmal im Zusammenhang gen werde, und ich hoffe, dass nicht nur solche vortragen. Danach können wir das gerne machen. Vorwürfe geäußert werden, wonach dem ein veral- tetes Familienbild oder ein veraltetes Frauenbild Wenn wir über Investitionen in den Zusammen- zugrunde liegt; denn ich sage Ihnen eines: Diese halt unserer Gesellschaft reden, dann sollten wir Menschen, die zu Hause ihre Angehörigen pfle- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2921 gen, brauchen unsere Unterstützung, aber bitte Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: nicht den anmaßenden Vorwurf, sie hätten ein Zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kolle- veraltetes Familienbild oder ein veraltetes Frauen- gen Sven-Christian Kindler das Wort. bild. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sön- Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE ke Rix [SPD]: Sagt doch keiner!) GRÜNEN): Frau Ministerin Schröder, Sie haben gerade von Es stimmt: Durch die Familien-Pflegezeit wird Ehrlichkeit und von einem konstruktiven Austausch mehr Flexibilität von uns allen und insbesondere gesprochen. Ich finde es wichtig, dass man diesen auch von den Arbeitgebern verlangt. Ich denke in der Politik pflegt. Sie haben gesagt, dass man aber, dass die Unternehmen ein Interesse daran neue Wege ausprobieren und Barrieren abbauen haben, nicht auf dem Höhepunkt des Fachkräfte- sollte. Ich frage mich allerdings, warum Sie nicht mangels auf ihre erfahrensten Mitarbeiter verzich- auf die Frage des Kollegen Schwanitz bezüglich ten zu müssen. der Ausgabereste eingegangen sind. Sie haben Mit der Familien-Pflegezeit gewinnen wir auf je- auch Zwischenfragen verweigert. Anscheinend den Fall Zeit für Verantwortung. Damit tragen wir können Sie oder wollen Sie sie nicht beantworten. den unterschiedlichsten Bedürfnissen, die ich ge- (Zurufe von der CDU/CSU) rade aufgezählt habe, Rechnung. Diese Bedürfnis- se werden wir mit Geld allein nie erfüllen können. – Lassen Sie mich bitte ausreden. Ich finde, gerade auch in einer Haushaltsdebatte Wir haben am 5. Februar 2010 einen Bericht können wir auch von der Opposition erwarten – bekommen, in dem es heißt, dass wir bis zur das gehört zur Ehrlichkeit dazu –, dass sie ehrlich Rechnungslegung warten müssen, die im Ap- sagt, dass wir nicht alle Probleme mit Geld werden ril 2010 beendet wird. Erst dann könne man die lösen können. Das erwarte ich gerade von einer Ausgabereste feststellen und sagen, wie hoch sie Opposition, die in dieser Woche so wortreich einen sind. Das BMU zum Beispiel hat uns die Ausgabe- konsequenten Sparkurs angemahnt hat. reste bereits Anfang Januar zugestellt. Der Austausch mit denjenigen, die von der Fa- Die Koalition hat innerhalb der Bereinigungssit- milien-Pflegezeit unmittelbar betroffen sind, ist mir zung mehrere Anträge gestellt, in denen zu lesen sehr wichtig. Das gilt auch bei anderen Themen. war, dass die Mittel gekürzt werden können, weil Denn ich glaube, dass wir in der Gesellschaftspoli- Ausgabereste vorhanden sind. Ich finde es unge- tik nur dann etwas bewegen können, wenn wir den heuerlich, dass anscheinend nur der Koalition In- Dialog mit allen relevanten gesellschaftlichen formationen über die Ausgabereste zugeleitet wur- Gruppen suchen. Angesichts der schockierenden den. Die Opposition wurde außen vor gelassen. Fälle von Kindesmissbrauch habe ich mich des- (Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt ja wegen dafür eingesetzt, dass wir ein Gespräch mit nicht!) Vertretern aller Institutionen führen, denen wir un- sere Kinder anvertrauen. Meines Erachtens kön- Neue Wege bedeutet für Sie anscheinend, die Ko- nen wir nur so ein wirksames Konzept für die Zu- alition zu bevorzugen und die Opposition weiterhin kunft entwickeln. auszuschließen. Das ist ungeheuerlich. Vielleicht sollte man aufgrund des Verlaufs die- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei ser Debatte Folgendes sagen: Ob es um wirksa- der SPD und der LINKEN) men Kinderschutz, um Pflege oder um gesell- schaftliches Engagement geht: Neue Wege finden Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: wir nur dann, wenn viele danach suchen. Neue Frau Ministerin, möchten Sie antworten? Wege finden wir nicht, wenn einer sucht und die anderen damit beschäftigt sind, Barrieren aufzu- Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für bauen. Deshalb sollten gerade wir Familienpolitiker Familie, Senioren, Frauen und Jugend: mit unserem vergleichsweise kleinen Etat, mit dem Herr Kollege Kindler, ich kann leider nichts da- wir auf eine Vielfalt von gesellschaftlichen Proble- ran ändern, dass wir erst am Ende der Rech- men reagieren müssen, offen sein für einen kon- nungslegung, also Anfang April, einen vollständi- struktiven und sachlichen Austausch und eine gen Überblick über die Restmittel im Haushalt vor- konstruktive, sachliche sowie vertrauensvolle Zu- legen können. Ich weiß nicht, worauf Sie sich be- sammenarbeit. ziehen. Herzlichen Dank. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – GRÜNEN]: Auf die Koalition!) Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Eine sehr Ich kann daran leider nichts ändern. Ich halte gute Rede! Das ist eine tolle Frau! Davon nichts davon, Ihnen unvollständige, eventuell fal- könnt ihr was lernen!) sche oder noch nicht wirklich geprüfte Berichte zu- 2922 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 kommen zu lassen. Sie werden sie nach Ende der sagte beispielsweise der Chef der CSU- Rechnungslegung erhalten. Landesgruppe, Hans-Peter Friedrich, bei einer re- duzierten Wehrpflicht lohne sich die Ausbildung (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE von Zivildienstleistenden für viele soziale Organi- GRÜNEN]: Das haben Sie doch so be- sationen nicht mehr; man müsse mehr Geld in die schlossen! – Georg Schirmbeck Hand nehmen und überlegen, den Zivildienst auf [CDU/CSU]: Wir haben von Natur aus ei- freiwilliger Basis zu verlängern. Der dafür zustän- nen viel besseren Überblick!) dige Kollege von der FDP, Florian Bernschneider, sagt: Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Sönke Rix hat jetzt das Wort für die Der Vorschlag der Union bedeutet faktisch die SPD-Fraktion. Rückkehr zu einem Zivildienst, der länger als der Wehrdienst dauert. (Beifall bei der SPD) Ich kann Ihnen da nur zustimmen; Sie haben da Sönke Rix (SPD): vollkommen recht. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen Der Streit ist also mitten in der Koalition; und Herren! Frau Ministerin, Sie haben gerade da- (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Wir haben keinen von gesprochen, neue Wege zu gehen, konstruktiv Streit! Wir diskutieren nur!) und offen zu sein; das ist gar keine Frage. Sie müssen uns aber genehmigen, dass wir Sie zu- die Debatte, wie man in Zukunft mit dem Zivildienst mindest darauf aufmerksam machen, wenn Sie umgeht, ist in vollem Gange. falsche Wege gehen. Wir wollen keine Barrieren (Zuruf der Abg. Ingrid Fischbach [CDU/ CSU]) legen, aber zumindest auf falsche Wege hin- weisen. – Ich verstehe Ihre heftigen Reaktionen gar nicht. (Beifall bei der SPD) Setzen Sie sich mit Ihrem Koalitionspartner an einen Tisch und machen Sie keine faulen Kom- Wir haben das Gefühl, dass insbesondere bei promisse! Es ist doch folgendermaßen: Die FDP der Verkürzung des Wehrdienstes und damit möchte den Wehrdienst abschaffen; das kann ich auch bei der Verkürzung des Zivildienstes fal- durchaus verstehen. Die Union möchte den Wehr- sche Wege gegangen werden. Dass wir heute da- dienst, so wie er jetzt ist, erhalten. Aber es ist doch rüber diskutieren, liegt unter anderem daran, dass kein guter Kompromiss, den Wehrdienst dann ein- es sich um einen Posten im Haushalt von immer- fach auf sechs Monate zu verkürzen. hin über 631 Millionen Euro handelt. Das ist nicht irgendeine Summe oder irgendein kleines Projekt (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des am Rande, sondern eine erhebliche Maßnahme. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Debatte kocht nicht nur aufgrund der Tatsache Das ist doch ein Kompromiss, der absolut nach hoch, dass der Verteidigungsminister vorgeschla- Hilfe schreit, ein fauler Kompromiss. gen hat, die Verkürzung vorzuziehen. (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Sie ver- (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Der Vertei- stehen das nicht! Deshalb sind Sie in der digungsminister ist auch ein guter Mann!) Opposition!) Ich habe gelesen, dass Sie darüber nicht so erfreut Die Einrichtungen, die Zivildienstleistende einset- sind und das unabgesprochen aus der Regierung zen, können in sechs Monaten gar nichts mit den gedrungen ist. So stand es zumindest in der Mär- jungen Männern anfangen. Ihre Idee ist konzept- kischen Allgemeinen Zeitung. los. Hätten Sie sich doch auf unser Modell geei- (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Was lesen nigt! Sie denn für Zeitungen?) (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Ja nicht! Ich wollte nur darauf aufmerksam machen. Ich Dann wären wir Opposition!) kann es verstehen, dass Herr zu Guttenberg diese Hätten Sie doch gesagt: Wir wollen beim Wehr- Diskussion lostritt – die Verteidigungspolitiker kön- dienst möglichst viel Freiwilligkeit einräumen und nen wohl mehr dazu sagen –, um vielleicht von verstärkt die Freiwilligendienste ausbauen! Dann den Fehltaten seines Ministeriums im Rahmen der hätten wir erheblich mehr erreicht. Kunduz-Affäre abzulenken. (Beifall bei der SPD) (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das war jetzt billig!) Sie haben es heute wieder in Ihrer Rede er- wähnt – Frau von der Leyen hat das, glaube ich, Die Debatte über die Verkürzung des Zivildiens- auch erwähnt –: Die Mittel, die durch die Verkür- tes ist aber nicht neu; sie ist nicht nur deshalb in zung des Zivildienstes frei werden, sollen quasi Gang gekommen, weil Herr zu Guttenberg vorge- ungekürzt für die Freiwilligendienste zur Verfü- schlagen hat, es vorzuziehen; die Debatte über gung gestellt werden. den Umgang mit diesem Thema ist schon älter. So Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2923

(Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Was hat denn Geld im Haushalt umgehen, und nicht nur darauf Frau von der Leyen damit zu tun?) verweisen, dass Ihre Ideen längst noch nicht um- gesetzt sind. Einigen Sie sich mit dem Koalitions- Es liegen immer noch keine Konzepte vor. Statt- partner in der Frage der Verkürzung des Zivildiens- dessen hatten Sie die Idee – Sie haben das - tes! Einigen Sie sich endlich mit Ihrem Kollegen de angesprochen –, § 14 c Abs. 4 Zivildienstgesetz Verteidigungsminister, wann das umgesetzt wer- zu streichen. Damit haben Sie bei den Trägern der den soll, damit die Träger des Zivildienstes endlich Freiwilligendienste in den Bereichen Kultur und Klarheit haben! Sport und bei den Auslandsdiensten für Unruhe gesorgt. Dann haben Sie in einer nächtlichen Sit- Schönen Dank. zung eine Einigung mit den Trägern erzielt. Da- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- rüber ist die FDP wohl erst hinterher informiert ten der LINKEN und des BÜNDNISSES worden, das Parlament in Gänze gar nicht. Sie ge- 90/DIE GRÜNEN) hen da mit Gesetzen und mit Mitteln in Millionen- höhe um; das betrifft den Haushalt. Heute sagen Sie, das werde nur für ein Jahr gelten; die Organi- sationen werden dann zu Recht wieder bei Ihnen Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: auf der Matte stehen. Es ist wirklich ein Skandal, Miriam Gruß hat das Wort für die FDP-Fraktion. dass Sie hier am Parlament vorbeiagieren. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der SPD) der CDU/CSU) Gerade sind wir in der Debatte auf die Frage der Extremismusprogramme gekommen. Sie haben Miriam Gruß (FDP): die Frage von Herrn Kindler, wie Sie mit den Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen Haushaltsresten umgehen, nicht beantwortet. Es und Herren! Auf Schuldenbergen können Kinder ist ein Skandal, dass Sie immer noch nicht erken- nicht spielen und erst recht nicht lernen. Das sage nen: Die Bekämpfung von Rechtsextremismus und ich nicht nur heute anlässlich der Haushaltsdebat- die Bekämpfung von Linksextremismus sind völlig te, sondern das habe ich schon in den letzten Jah- unterschiedliche Dinge. ren immer wieder gesagt. Dieser Satz muss gera- de für uns als Familienpolitiker, die hier die Zukunft (Zuruf von der CDU/CSU: Beides muss getan der Familien gestalten, eine ständige Mahnung werden!) sein. Wir müssen darauf achten, dass wir die Sie haben trotz der steigenden Zahl der Gewalt- nächsten Generationen nicht mit einem Haushalt taten im rechtsextremistischen Bereich immer noch belasten, der ihnen Möglichkeiten nimmt und den nicht erkannt, dass Sie die Mittel erhöhen müssen. Kindern Chancen verbaut. Stattdessen bleibt es beim gleichen Betrag. Sie (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- nehmen 2 Millionen Euro aus dem Kinder- und Ju- NEN]: Deshalb bauen Sie jetzt den gendplan, um sie für zwei Projekte gegen Linksex- höchsten Schuldenberg aller Zeiten! – tremismus und Islamismus – so heißt es, glaube Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Deshalb ich, in Ihrem Titel – zu verwenden, die nicht einmal entlasten Sie die Hoteliers, die Erben, die definiert sind, von denen man in Hamburg und Unternehmer!) Berlin, wo die Projekte angeblich umgesetzt wer- den sollen, noch nichts gehört hat. Das gilt nicht nur für den globalen Haushalt des Deutschen Bundestages und dieser Koalition, Frau Kollegin, Sie müssen hier schon deutlich sondern auch für den Etat der Familien. Es ist machen, was Sie mit dem Geld – – ganz klar – die Ministerin hat es schon gesagt –: (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: „Frau Wenn jedem alle Wünsche erfüllt würden, hätten Kollegin“? Das heißt „Frau Ministerin“! Ein wir einen enormen Aufwuchs. Das geht nicht. bisschen mehr Respekt! – Gegenruf der Deswegen müssen wir auch in diesem Haushalt Abg. Caren Marks [SPD]: Ganz locker mit Maß und Ziel walten, und das haben wir getan. bleiben! Sie ist nach wie vor Abgeordnete! (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten Sie hat ihr Mandat, glaube ich, nicht zu- der CDU/CSU) rückgegeben! – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wo sind wir denn hier? Nur Demgegenüber bauen andere Kolleginnen und weil Sie hier mit Ihrer Gartenkleidung auf- Kollegen hier Luftschlösser auf. Das hilft nicht wei- treten, können Sie die Ministerin nicht be- ter. Wir haben uns an den Realitäten und an dem leidigen! Sie sitzt auf der Regierungs- orientiert, was im Koalitionsvertrag vereinbart ist. bank, dann ist sie Ministerin! So viel Ver- Damit komme ich schon zu den einzelnen The- stand sollten sie von der SPD doch ha- men. ben! Wo sind wir denn?) Im Bereich Kinder und Jugendliche war es – Entschuldigung. – Frau Ministerin, Sie müssen uns immer wichtig, eine eigenständige Jugendpoli- schon etwas deutlicher machen, wie Sie mit dem tik zu betreiben. Dazu bekennen wir uns weiterhin. 2924 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Uns war aber auch wichtig, Kindern Schutz und uns den klaren Auftrag gegeben, die Kinder stärker Chancen zu bieten. Auch dieses Ziel verfolgen wir in den Fokus zu nehmen. Das werden wir tun. In weiterhin. Beim Kinderschutzgesetz müssen wir unsere Lösung werden wir insbesondere den Bil- überlegen, auf welche Bereiche es ausgeweitet dungsaspekt einbringen, was uns allen nur am werden soll. Nach wie vor stehen wir dazu, dass Herzen liegen kann. es ein Kinderschutzgesetz geben soll, und zwar Noch einmal zur finanziellen Situation. Es ist na- mit den beiden Komponenten „Prävention“ und „In- türlich wichtig, zu wissen, ob die vielen familienpo- tervention“. litischen Leistungen, die wir gewähren, wirklich bei Im Bereich der Familie stehen wir zu den Er- den Familien ankommen. Deswegen ist es richtig kenntnissen, die das gesamte Haus in den ver- und wichtig, dass wir weiterhin die Evaluation der gangenen Jahren mehrfach von Experten geliefert familienpolitischen Leistungen vorantreiben. Ich bekommen hat: Familien brauchen vor allen Din- finde es gut, dass wir den Haushalt so aufgestellt gen Zeit, Geld und Infrastruktur. Diese drei Prinzi- haben, dass wir Weichen stellen können. Die Er- pien haben wir realisiert. Wir werden das mit die- kenntnisse der Evaluation kommen uns zugute; sem Haushalt und mit den zukünftigen Haushalten denn nichts ist schlechter, als Geld als Monstranz weiterhin tun. vor uns herzutragen, während es bei den Familien nicht ankommt. „Zeit“ heißt, Zeit für Kinder zu haben, heißt aber auch, Zeit für Pflege zu haben. Deswegen ist es (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) richtig und wichtig, hier eine Initiative zu starten Gerade in den letzten Sitzungswochen wurde viel und für Familien in allen Lebenslagen Möglichkei- über das Thema Gleichstellung gesprochen. Wir achten ten zu schaffen, Zeit zu haben. darauf, dass die Gleichstellung in Unternehmen weiter- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) hin im Blick bleibt. Wir haben das Modellprojekt Logib-D zum Laufen gebracht; ich finde das richtig und Zur Infrastruktur. Nachdem wir in den letzten wichtig. Das Projekt ist bereits in den ersten Unterneh- Jahren großen Wert darauf gelegt haben, die men gestartet. Auch diesen Aspekt behält die Koalition Quantität auszubauen, setzen wir nun auf die Qua- im Auge. Ich freue mich aber auch, dass es im Ministe- lität, aber natürlich auch weiterhin auf die Quanti- rium ein neues Referat gibt, das sich speziell mit Fragen tät. Wir müssen uns mit den Ländern darüber einig der Jungen- und Männerpolitik befasst; denn eine solche werden, wie wir im frühkindlichen Bereich einheitli- Blickwinkelerweiterung brauchen wir. Das ist ganz che Standards schaffen und die frühe Phase der wichtig. Wir werden weiterhin die Mädchen fördern und Kinder noch besser nutzen; denn in dieser Phase im Blick haben, aber auch die Jungen. Ich freue mich sind Kinder wie Schwämme, saugen alles auf, wol- über dieses neue Referat in Ihrem Ministerium, sehr ge- len alles wissen. Was wir im frühkindlichen Bereich ehrte Frau Ministerin. investieren, wird sich später tausendfach auszah- len, werden wir als Staat später nicht ausgeben Wir haben hier viel über den Zivildienst und müssen. den Extremismus debattiert. Da meine Redezeit leider abgelaufen ist, möchte ich nur noch Ihnen, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) sehr geehrter Herr Kollege von der Linken, etwas Bei der Infrastruktur ist aber auch wichtig, dass sagen, weil Sie mich namentlich angesprochen wir die Arbeitszeit in den Blick nehmen. Da brau- haben. Ich weise ausdrücklich zurück, dass ich ein chen die Familien mehr Flexibilität, und da müssen Problem damit hätte, gegen rechts zu kämpfen. wir mehr Unterstützung bieten. Im Übrigen geht es (Steffen Bockhahn [DIE LINKE]: Das habe ich nicht nur um Kleinstkinder, sondern um Kinder in gar nicht gesagt!) allen Lebensphasen. Auch Kinder im Alter von vier, fünf oder sieben Jahren brauchen Infrastruk- Ich weiß nicht, ob Sie über mein Leben Bescheid tur und Unterstützung. Deswegen müssen wir wissen. Aber Sie finden mich auch auf Demonstra- auch hier den Blickwinkel erweitern. tionen gegen rechts, genauso wie viele andere Kolleginnen und Kollegen dieser Koalition. Deswe- Bezüglich der finanziellen Situation hat diese gen weise ich Ihre Unterstellung auf das Äußerste Koalition bereits gehandelt. Wir haben mit dem zurück, dass wir den Kampf gegen rechts nicht Wachstumsbeschleunigungsgesetz die Familien mehr betreiben würden, nur weil wir unseren erheblich entlastet. Blickwinkel erweitern. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Schuldenauf- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) baugesetz!) Wir haben das Kindergeld erhöht, die Freibeträge Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: erhöht und damit ein Signal gesetzt, dass Kinder Ich möchte auf einen Zwischenruf von vorhin zu- nicht einfach kleine Erwachsene sind, sondern ei- rückkommen. Das Protokoll liegt uns jetzt vor. nen eigenständigen Bedarf haben. So werden wir Ausweislich des Protokolls hat der Kollege Peter mit dem Thema auch umgehen, wenn wir in die- Tauber gesagt: „Ihr seid doch die rot lackierten Fa- sem Jahr die Vorgaben des Bun- schisten!“. Herr Tauber, dafür erteile ich Ihnen eine desverfassungsgerichts umsetzen. Das Gericht hat Rüge und mache im Übrigen deutlich, dass Ver- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2925 gleiche mit dem Nationalsozialismus hier im Hause – Und die Hotels. Danke. nichts zu suchen haben. Das Vorzeigeprogramm der Familienministerin (Beifall bei der SPD, der LINKEN und mit dem Betreuungsausbau für 35 Prozent aller dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Kleinkinder zwischen ein und drei Jahren ist ge- bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von scheitert. Was geschieht nun mit den Kleinkindern, der CDU/ CSU) wenn das erste Lebensjahr zu Ende geht? Im An- schluss an das Elterngeld ist kein Krippenplatz in Ich gebe jetzt das Wort der Kollegin Heidrun Sicht. Ist denn das Kind nach Ihrer Auffassung mit Dittrich. zwölf Monaten schon erwachsen? Muss es dann (Beifall bei der LINKEN) nicht mehr betreut werden? Auch geeignete Ta- gesmütter gibt es nicht flächendeckend, und sie Heidrun Dittrich (DIE LINKE): werden schlecht bezahlt. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte (Beifall bei der LINKEN) Damen und Herren! Die Regierung tönt lauthals: Die Familie ist das Kernstück der Gesellschaft. – In Niedersachsen, woher ich komme, gibt es für Aber wie sieht denn die Wirklichkeit aus? Können unter Dreijährige eine Versorgerquote von nur Kinder geplant werden, wenn befristete Beschäfti- 12 Prozent, in Nordrhein-Westfalen von nur gungsverhältnisse zur Normalität werden? Wird ei- 11,6 Prozent. Die Eltern in den alten Bundeslän- ne werdende Mutter wieder eingestellt, wenn ihr dern müssen rumdümpeln, bis der Rechtsan- Arbeitsverhältnis durch Befristung ausgelaufen ist? spruch auf einen Kindergartenplatz für Kinder ab Das Institut der deutschen Wirtschaft schreibt: drei Jahren greift. Der Fortschritt, dass im Jahr 41 Prozent der unter 20-Jährigen haben eine be- 2009 73 Prozent aller Väter immerhin zwei Monate fristete Stelle; bei den 20- bis 25-Jährigen ist es Elternzeit nahmen, wird durch die fehlende Kin- noch jeder Vierte. – Ungesicherte Arbeitsver- derbetreuung nach 14 Monaten komplett aufgeho- hältnisse bedeuten unsichere Einkommen und im ben. Es werden wieder die alten Rollenverhältnis- Allgemeinen schlecht bezahlte Arbeit. Hierzulande se zementiert; gehen Menschen arbeiten und sind trotzdem arm; ( [DIE LINKE]: Sauerei!) sie müssen beim Jobcenter aufstocken. denn ein Elternteil muss zu Hause bleiben und das Die Familienministerin spricht gern von gleichen Chan- Kind betreuen. Dieser Elternteil ist traditionell die cen für alle Kinder. Aber welche Kinder und Familien Frau; denn die hat offensichtlich schon 12 Monate werden gefördert? Die Einführung des Elterngeldes Elternzeit genommen. 2007 zeigt: die der Mittel- und Oberschicht. Zulasten der Erwerbslosen wurde die Bezugsdauer des Elterngel- Obwohl das Elterngeld vorrangig Besserverdie- des in Höhe von 300 Euro monatlich um zwölf Monate nende bedient, stehen auch diese Elternteile nach verkürzt. Das ist ein Verlust in Höhe von 3 600 Euro für einem Jahr vor dem Nichts. Sie locken die Eltern ein Jahr. Einkommensschwache Familien werden zum damit in eine Falle: erst die Anreize und dann kei- Spielball der Politik. Mit dem geplanten Betreuungsgeld ne Anschlussbetreuung. Ihre Familienpolitik ist ve- in Höhe von 150 Euro monatlich ab 2013 werden ein- rantwortungslos, kommensschwache Familien dazu verführt, ihre Kinder (Beifall bei der LINKEN) nicht in einer Kita anzumelden, damit sie Betreuungs- geld anrechnungsfrei zusätzlich zu Hartz IV oder zum gegenüber den Eltern und gegenüber den Kindern. Minijob erhalten. Warum werden eigentlich pünktlich Deshalb lehne ich diesen Familienhaushalt ab. In- zum Ende der Elternzeit 150 Euro Betreuungsgeld ge- dem Sie den Armen den Kitaplatz abkaufen, wer- zahlt? Um die Nachfrage nach Kinderbetreuungsplätzen den die Integration der Kinder und ein gemeinsa- ab dem ersten Lebensjahr zu senken. Damit geben Sie mes Lernen, was zur Chancengleichheit führen zu, dass der Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder könnte, von Anfang an unmöglich gemacht. unter drei Jahren nicht vorankommen soll. Das Sonder- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ vermögen in Höhe von über 4 Milliarden Euro für den DIE GRÜNEN) Kita-Ausbau beinhaltet nur den Aufbau von Kinderta- gesstätten. Die Regierung investiert in Beton statt in Pä- Die Vereinbarkeit von Kindererziehung und Er- dagogik. werbstätigkeit ist in den alten Ländern der Bun- Für die Einstellung von Erzieherinnen fehlt das desrepublik seit über 60 Jahren nicht erreicht. Was in Frankreich seit den 50er-Jahren möglich ist, Geld. Dafür sind die Kommunen zuständig. Es feh- nämlich für jedes Kind ab dem dritten Monat einen len aber bundesweit 80 000 Erzieherinnen. Die Betreuungsplatz zu stellen, und was in der DDR Kommunen können sich neue Personaleinstellun- für Kinder ab dem ersten Jahr möglich war, ist in gen nicht leisten, weil sich die Bundesregierung der Bundesrepublik bis heute nicht möglich. Wer Steuergeschenke an Großbanken und Großkon- nicht arbeitet, kann keine Rente aufbauen. Die Al- zerne leistet. tersarmut von Frauen ist vorprogrammiert. Sie er- (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Und die Ho- legen die soziale Verantwortung für die Familie tels!) einseitig den Frauen auf. Das betrifft die Betreuung 2926 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 der Kinder und die Pflege. Sie kaufen den Frauen Paul Kirchhof – und er hat recht. Die zentrale die Berufe ab. Hätten wir mehr Kinderbetreuung, Funktion der Familien haben die Väter und Mütter könnten mehr Frauen arbeiten, und wir würden unserer Verfassung erkannt. Deswegen haben sie wieder Frauenberufe im öffentlichen Dienst einrich- in Art. 6 GG die Funktionsbedeutung der Familie in ten, Stellen für Erzieherinnen, Sozial-arbeiterinnen einer so herausragenden und hervorragenden und Sprachlehrerinnen. Geld ist genug da. Es Weise niedergelegt. Dort steht geschrieben, dass muss umverteilt werden. Eltern und Familien unter dem besonderen Schutz des Staates stehen. Der besondere Schutz gilt al- (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Umverteilung ist so auch für Eltern, die Verbindung von Mann und Ihr einziges Konzept! Das ist unglaublich!) Frau auf Lebenszeit. Die Millionärsteuer ist nur ein Beispiel dafür, wie (Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und dieser Staat zu mehr Einkommen kommen könnte. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Außerdem können Sie auch am Verteidigungsetat sparen. – Stöhnen Sie nicht! Das ist kein veraltetes Fami- lienbild. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU – Ute Kumpf [SPD]: Der beläuft sich nämlich auf 31 Milliarden Euro, Herr Geis!) während der kleine Familienhaushalt 2,56 Milliarden Euro beträgt. Damit möchten Sie Ich zitiere das Urteil des Verfassungsgerichts den Zusammenhalt der Gesellschaft organisieren. zum Nachzug von Familien – wenn Sie das Ver- Sie organisieren damit die Spaltung zwischen Arm fassungsgericht nicht achten wollen, dann können und Reich. Sie so stöhnen –: „Voraussetzung für die bestmög- liche geistige und seelische Entwicklung von Kin- (Beifall bei der LINKEN) dern“ sind die Eltern. – Das sollten wir nicht miss- achten. Wer das missachtet, macht einen ent- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: scheidenden Fehler an dieser Stelle. Das Wort hat der Kollege Norbert Geis für die CDU/ CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU) Ich möchte in diesem Zusammenhang noch ein Wort zu den gleichgeschlechtlichen Lebensge- meinschaften sagen: Sie sind mit der Elternschaft Norbert Geis (CDU/CSU): nicht gleichzustellen. Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr ver- ehrten Damen und Herren! Es ist schon wahr, was (Widerspruch bei Abgeordneten der SPD Sie sagen: Die Familie ist der Angelpunkt der Ge- und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sellschaft. Nur wenn es gelingt, die Bindekräfte der – Caren Marks [SPD]: Was sagt denn Familie zu erhalten, werden wir morgen noch Kul- Herr Westerwelle dazu?) tur haben, werden wir einen stabilen Staat und ei- – Stöhnen Sie nicht! Genau so steht es im Urteil ne stabile Gesellschaft haben. Deswegen kommt des Verfassungsgerichts zu gleichgeschlechtlichen es darauf an, dass unsere Generation ihrem Er- Lebensgemeinschaften. ziehungsauftrag gerecht wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir müssen unsere Kinder und Jugendlichen zu freiheitsfähigen Menschen heranziehen. Nur dann Sie genießen nicht den Schutz der Verfassung. werden wir morgen genügend Erfinder, genügend Das muss bei einer solchen Diskussion einmal Firmengründer, genügend Arbeitsplätze und genü- klargestellt werden, weil es inzwischen vergessen gend Menschen, die in die Sozialsysteme einzah- wird. len, haben. Wir werden nur dann genügend Nach- (Caren Marks [SPD]: Das ist diskriminie- frager und genügend Anbieter haben. Wir werden rend, was Sie hier sagen! – Ute Kumpf auch nur dann unseren Staat und unsere Zukunft [SPD]: Sie müssen immer Ihr Lieblings- sichern, wenn wir unsere Gesellschaft in freiheits- thema unterbringen!) fähige Hände weitergeben können. Deswegen kommt es entscheidend darauf an, dass die Fami- Schutz von Ehe und Familie heißt nicht, dass in lien ihren Auftrag erfüllen und ihre Kinder und Ju- diesen Schutz Großeltern und Verwandte einbe- gendlichen zu freiheitsfähigen Menschen heran- zogen sind; es geht nur um den Schutz der Klein- ziehen, zu Menschen, die in der Lage sind, die kul- familie. In diesen Schutz einbezogen sind die al- turellen Werte zu erkennen, die fest in unserer Ge- leinerziehenden Frauen und diejenigen Eltern, die sellschaft verankert sind, und für die die Freiheit nicht verheiratet sind; sie genießen den gleichen eine große Bedeutung hat. Schutz. (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Die Staaten gäben ihre Zukunft in die Hände der Familien, schreibt der frühere Verfassungsrichter Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2927

– Lassen Sie mich doch in Ruhe reden. Vielleicht Kita ist eine Hilfe, aber kein Ersatz für die Erzie- ist es ganz günstig, wenn Sie ab und zu auch eine hung durch Familie. Wer das annimmt, der ist auf gegenteilige Meinung hören. Wenn Sie sie nicht dem Holzweg. hören wollen, dann können Sie hinausgehen. (Beifall bei der CDU/CSU – Caren Marks (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Ab- [SPD]: Darum geht es ja auch nicht! – Zu- geordneten der FDP – Swen Schulz rufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS [Spandau] [SPD]: Das ist keine Majes- 90/DIE GRÜNEN) tätsbeleidigung!) – Ich weiß schon, was Sie sagen wollen; aber das Es muss in der Demokratie möglich sein, eine ge- ist mir ziemlich gleichgültig. Was die Linken sagen, genteilige Meinung zu hören. Lassen Sie mich fort- ist hier sowieso ohne Bedeutung. fahren. (Widerspruch bei der LINKEN – Beifall bei Meine sehr verehrten Damen und Herren, der der CDU/CSU – Swen Schulz [Spandau] Schutzauftrag, wie er in der Verfassung niederge- [SPD]: So viel zum Thema Demokratie!) schrieben ist, hat zwei Aspekte: – Sie von der Linken haben ein völlig falsches Fa- Erstens. Der Staat ist nicht berechtigt, allzu milienbild. Ihr Familienbild kommt aus dem Mar- schnell in die Freiheitssphäre der Familie einzu- xismus, und der gehört in die Mottenkiste des vor- greifen. Der Staat ist beschränkt auf sein Wächter- letzten Jahrhunderts. amt. Wenn sich irgendwo eine Gefährdung der (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Ab- Kinder abzeichnet, ist es deswegen nicht richtig, geordneten der FDP – Zurufe von der dass das Jugendamt sofort kommt und die Kinder LINKEN – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: wegnimmt. Das geschieht zurzeit in Deutschland. Lassen Sie andere Meinungen zu!) Das ist verfassungsrechtlich bedenklich. Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine (Ute Kumpf [SPD]: Es geht um den Schutz der wichtige Aufgabe ist es also, diese drei Ziele zu ei- Kinder!) nem Ausgleich zu bringen. Nun kommt es darauf Zweitens. Der Staat muss die Familien vor allem an, dass wir Ehe und Familie den richtigen Rang in fördern. Dabei geht es darum, dass er drei gegen- unserer Gesellschaft einräumen. Ich glaube, dass läufige Ziele zu einem Ausgleich zu bringt. Das dies ein wichtiger Auftrag an die Familienpolitik ist. erste Ziel ist, dass Ehen geschlossen und Familien Die Familienpolitik ist deshalb ein ganz zentrales gegründet werden. Feld der Gesellschaftspolitik. (Caren Marks [SPD]: Was ist mit nicht verhei- Ich danke der Frau Ministerin, dass sie mit so rateten Paaren?) viel Elan ihr Amt wahrgenommen hat. Sie haben unsere Unterstützung. Ich freue mich über den Das zweite Ziel ist, dass den jungen Menschen die runden Tisch, den Sie zusammen mit Frau Scha- Möglichkeit geboten wird, Geld zu verdienen und van und natürlich auch mit Frau Leutheusser- in der Wirtschaftsordnung ihre Frau oder ihren Schnarrenberger geschaffen haben. Ich hoffe, Mann zu stehen. Das dritte Ziel ist die Erziehung dass er zum Erfolg führt. von Kindern. Berufsausübung und Erziehung von Kindern Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: stehen oft im Gegensatz. Es ist Aufgabe der Poli- Herr Kollege Geis! tik, zu ermöglichen, dass beide Ziele vereinbar sind: zum einen die Familienpräsenz und zum an- Norbert Geis (CDU/CSU): deren die Berufsausübung. Ich freue mich über Ihre Initiative zur Familien- (Beifall der Abg. Dorothee Bär Pflegezeit. Wir werden Sie unterstützen. [CDU/CSU] – Ute Kumpf [SPD]: Genau! Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Das sagen Sie mal Ihren Geschlechtskol- die Aufmerksamkeit. legen!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Um das zu gewährleisten, sind eine Menge Dinge neten der FDP) zu erledigen. Für uns gilt insbesondere, uns Ge- danken darüber zu machen, wie wir dafür sorgen können, dass es mehr Zeitarbeitsplätze gibt. Ich Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: denke an Telearbeitsplätze, die es den Frauen er- Kai Gehring hat das Wort für Bündnis 90/Die möglichen, daheim präsent zu sein. Grünen.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): DIE GRÜNEN: Männer! Männer!) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle- – Das passt Ihnen nicht. gen! Herr Geis, ich habe mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen, dass auch einem Großteil Ih- 2928 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 rer Fraktion ein Teil Ihrer Ausführungen ziemlich Ohne Quote bleiben Frauenförderung und Ge- peinlich gewesen ist. Ich kann das nachvollziehen. schlechtergerechtigkeit reine Lippenbekenntnisse. Deutschland kann es sich schlichtweg nicht leis- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ten, die Talente von Frauen weiter zu vergeuden. bei der SPD und der LINKEN – Georg Frau Schröder, Ihre Frauenpolitik ist von vorges- Schirmbeck [CDU/CSU]: Hallo?!) tern. Packen Sie endlich die Gleichstellung in der Toleranz gegenüber Intoleranz gehört hier wirklich Privatwirtschaft an! nicht ins Haus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich möchte sehr deutlich sagen, dass in Regen- und bei der LINKEN sowie bei Abgeord- bogen-Familien, wo zwei Mütter oder zwei Väter neten der SPD) womöglich ein Leben lang verbindlich Verantwor- tung für Kinder übernehmen und sich fürsorglich Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: um ihre Kinder kümmern, Herr Kollege Gehring, möchten Sie eine Zwi- (Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Geht doch schenfrage der Kollegin Gruß zulassen? biologisch gar nicht!) Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): übrigens konservative Werte gelebt werden, die Ja, gerne. Sie eigentlich unterstützen müssten. (Rolf Schwanitz [SPD]: Sehr richtig!) Miriam Gruß (FDP): Diese Familien haben denselben Schutz des Herr Gehring, sind Sie bereit, anzuerkennen, Grundgesetzes verdient und dieselbe Wertschät- dass der Fall Telekom ja genau zeigt, dass man zung der Gesellschaft und des ganzen Parlamen- jenseits der Einführung einer gesetzlichen Quote tes wie alle anderen Familien in diesem Land Lösungen in Unternehmen finden kann und dass auch. es auch zu diesen Lösungen kommt? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordne- bei der SPD und der LINKEN sowie bei ten der CDU/CSU – Caren Marks [SPD]: Abgeordneten der FDP) Wenn wir noch 500 Jahre warten! Wie viele DAX-Unternehmen machen das Solange Sie das nicht begreifen, sind Sie in der denn noch?) Neuzeit nicht angekommen. Nun zum Einzelplan 17. Er zeigt ja, dass es der Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Koalition und auch der Ministerin ziemlich schwer- Ich erkenne an und finde es auch toll, dass die fällt, klare Entscheidungen zu treffen und richtige Deutsche Telekom als erstes DAX-30- Prioritäten zu setzen. Es zeigt sich auch, dass die Unternehmen diesen Schritt macht. Dies sollten Leitung eines Ministeriums nicht mit der eines Po- wir vonseiten der Politik unterstützen und begleiten nyhofes gleichzusetzen ist. Ich wünsche Ihnen in- und uns ganz klar im Sinne eines Gleichstellungs- sofern künftig ein glückliches Händchen. Ich möch- gesetzes auch für eine Quote in der Privatwirt- te ein paar kritische Punkte ansprechen. schaft einsetzen. Wir müssen das unterstützen. Wir sehen doch, dass Frauen in Führungspositio- Ich finde es – das sage ich bewusst als Mann – nen leider immer noch Seltenheitswert haben. schlicht peinlich, dass sich Ministerin Schröder in der Frauenpolitik ausgerechnet von der Privatwirt- (Ute Kumpf [SPD]: Die Frauenquote in der schaft überholen und vorführen lassen muss. FDP-Fraktion ist niederschmetternd!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Es sollte uns allen am Herzen liegen, dass Frauen wie bei Abgeordneten der SPD) die gleichen Karrierechancen haben wie Männer. Deutschland ist hier aber gleichstellungspolitisches Mit der Einführung einer Quote für das Manage- Entwicklungsland, was man sowohl in den Groß- ment hat die Deutsche Telekom einen mutigen konzernen als auch in den Universitäten sehr deut- Schritt in Richtung Gleichstellung in der Privat- lich sehen kann. wirtschaft getan. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- (Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Ich finde, wie bei Abgeordneten der LINKEN) das ist peinlich!) Deshalb muss man sich hier kluge Instrumente Ministerin Schröder setzt weiterhin auf Unverbind- und Anreize überlegen, wozu wir immer wieder lichkeit und warme Worte; das ist mehr als mutlos. Vorschläge gemacht haben, die Sie von der Bun- Ich sage als männlicher Feminist für die grüne desregierung gerne aufgreifen können, um endlich Bundestagsfraktion: Schritte in die richtige Richtung zu gehen. (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ Ich möchte noch andere aktuelle Punkte an- DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei sprechen. Sie sind eine Krach- und Chaoskoaliti- Abgeordneten der LINKEN) on, wenn es um die Wehrpflicht geht. Vor lauter Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2929

Pirouettendrehen allein in den letzten Tagen müss- sollten Sie endlich einen Ausstiegsbeschluss her- te Ihnen völlig schwindelig sein. Mir fällt es fast beiführen. Sie sollten dafür sorgen, dass aus den schwer, das alles mitzuverfolgen. Aber halten wir Pflichtdiensten ausgestiegen und endlich massiv in einmal fest: Die Union sind die letzten Mohikaner den Ausbau der Freiwilligendienste investiert wird. in diesem Parlament, die sich an der Wehrpflicht (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- festklammern. Mit der FDP haben wir in der letzten wie bei Abgeordneten der SPD) Legislaturperiode noch gemeinsam für den Aus- stieg aus der Wehrpflicht gekämpft. Jetzt ist sie in Als einer der letzten Redner in dieser Debatte den Koalitionsverhandlungen umgefallen. Schade! sage ich: Hören Sie auf, die Jugendlichen zu ig- Letztlich gab es mit der Verkürzung auf sechs Mo- norieren! Jugendliche kamen heute noch gar nicht nate einen faulen Kompromiss. richtig vor. Ich erwarte aber, dass Herr zu Guttenberg und (Miriam Gruß [FDP]: Das stimmt nicht, Herr Frau Schröder sich da zusammensetzen, abstim- Kollege!) men Wertschätzen Sie zum Beispiel, dass Jugendliche (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sich beteiligen wollen, dass es ihnen um Partizipa- sowie bei Abgeordneten der SPD und der tion geht. Neulich hatten wir die Abschlusskonfe- LINKEN) renz zum Bundesprogramm für mehr Jugendbetei- ligung. Da erwartet man eigentlich, dass gesagt und diesem Parlament ein gemeinsames, einiger- wird, dass man sich weiter um die Jugendbeteili- maßen schlüssiges Konzept vorlegen, statt in den gung kümmern will. Das ist aber nicht erfolgt. Was Medien öffentlich herumzudilettieren. So geht das geschieht da jetzt? Die Jugendpolitik sollte unter nicht weiter. Schwarz-Gelb nicht völlig in der Bedeutungslosig- Die Wehrpflicht ist ungerecht, sie ist sicherheits- keit verschwinden. Mit Sachsen wird offensichtlich politisch überflüssig, sie ist unvertretbar teuer, und das erste Bundesland aus der Jugendhilfe aus- sie ist ein tiefer Eingriff in die individuellen Frei- steigen. heitsrechte junger Männer. Deshalb müssen wir da (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Da haben wir aussteigen. die Auffangorganisation NPD im Land!) (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ Das sind sehr bedenkliche Entwicklungen. Man DIE GRÜNEN und der LINKEN) darf nicht auf dem Rücken der Jugendlichen den Geben Sie endlich Ihr Wehrpflichtdogma auf! Ge- Haushalt zusammenstreichen. Das müsste eigent- hen Sie die neuen Wege, die Sie eben angekün- lich großer Konsens in diesem Haus sein. digt haben! Die Pflichtdienste haben keine Zukunft (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- mehr, sondern die Zukunft liegt in den Freiwilligen- wie bei Abgeordneten der SPD) diensten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich sage Ihnen auch: Die Verlängerungsoption Herr Kollege, kommen Sie zum Ende, bitte. beim Zivildienst ist letztlich eine Verlängerung des Zivildienstes und eine Abkopplung von der Wehr- Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): pflicht. Ja. – Ich möchte mit einem Appell enden, auch aufgrund der Sprechblasen zum Thema Extre- (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Haben Sie was mismus. Ich wünsche mir, dass hier endlich Kon- gegen Freiwilligkeit?) sens darüber herbeigeführt wird, dass man vor al- – Von wegen Freiwilligkeit. Das setzt man dann lem gegen Rechtsextremismus kämpfen muss. noch davor. Aber es ist eine Krücke und keine (Beifall bei der LINKEN – Andreas Mattfeldt Brücke, und Sie schließen damit auch keine bio- [CDU/CSU]: Und gegen links nicht?) grafische Lücke, wie hier angekündigt wird; das ist Unsinn. Das ist schon jetzt der Fall. – Gegen links auch. (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Nur Misstrau- en gegenüber unseren Verbänden! Natür- Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: lich wollen es die Träger! Führen Sie doch Herr Kollege. mal Gespräche mit den Trägern!) Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie schaffen es einfach nicht, die Frage nach dem Aber wenn im Jahre 2009 über 20 000 rechts- Sinn zu beantworten, den ein sechsmonatiger extreme Straftaten – Wehr- und Zivildienst haben soll. Statt diese Legis- laturperiode mit Verkürzungs- bzw. Verlänge- rungsdebatten zu vergeuden, Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege! (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Gähn, gähn! Wie lang sind fünf Minuten?) 2930 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bun- – ich komme zum Schluss – destages. Ich kann in diesem Zusammenhang nur den amerikanischen Juristen Darrow zitieren, der Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: vor 100 Jahren mit satirischem Unterton sagte: Aber definitiv. Die erste Hälfte unseres Lebens wird von den Eltern ruiniert, die zweite von den Kindern. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kardinal Frings hat es so ausgedrückt: – laut Bundeskriminalamt begangen wurden, dann muss hierauf die Priorität liegen. Also hören Die Zukunft des Volkes hängt nicht von der Sie endlich auf, die Extremisten alle in einen Topf Zahl der Kraftwagen ab, sondern von der Zahl zu werfen, der Kinderwagen. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Gewalt ist Darüber müssen wir hier sprechen. Gewalt! Es gibt keine gute und schlechte (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Gewalt!) Jeder, der nur ein bisschen finanzpolitisches und konzentrieren Sie sich auf das, was wirklich Gespür in seinen Fingern hat, der muss doch se- wichtig ist: den Kampf gegen Rechtsextremismus hen, dass die Schulden dieses Landes nicht nur und für die Demokratie. als Zahl im Haushalt stehen. Die Schulden dieses (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Landes spiegeln sich in den Geburtenstatistiken der SPD und der LINKEN) wider. (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Genau so ist Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: es!) Der Kollege Thomas Jarzombek hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. Wir haben heute eine Geburtenrate von 1,4. Die Frage ist, wie wir alle unsere Aufwendungen in der (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sozialversicherung zukünftig decken können, wenn es so weiter läuft. Meine Damen und Herren Thomas Jarzombek (CDU/CSU): von Rot-Grün, da haben Sie, was diese Entwick- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich lung betrifft, sieben Jahre verloren. habe in dieser Debatte zwei Beobachtungen ge- Erst mit als Bundeskanzlerin und macht. Erstens finde ich es ziemlich unglaublich, in mit als Familienministerin ist welcher Art und Weise hier Linksextremismus ver- hier etwas passiert. In diesen vier Jahren ist der harmlost wird. Etat von 4,4 um 50 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wi- gestiegen. Tatsache ist doch: Unter Rot-Grün gab derspruch bei der LINKEN) es für Familie und Kinder keine Lobby. – Meine Damen und Herren von den Linken, dass (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie das nicht juckt, ist mir klar. – Aber dass die Gedönskanzler Schröder hat Ihre Familienpolitiker SPD das so sieht, wie sie es sieht, finde ich er- am langen Arm verhungern lassen. staunlich; da hätte ich persönlich mehr Anstand an dieser Stelle erwartet. (Ute Kumpf [SPD]: So ein Quatsch! – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Be- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – treuungsausbau! Kindergeld! Machen Sie Rolf Schwanitz [SPD]: Sie sehen das doch mal selber was!) falsch! – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ausgerechnet!) Ich kann aus eigener Erfahrung in Nordrhein- Westfalen sagen, was 39 Jahre SPD-Politik für die Familien gebracht haben: eine Betreuungsquote Anstatt sich aufzuregen, sollten Sie vielleicht für unter Dreijährige von 2,8 Prozent, die niedrigste den Vorschlag aufgreifen, den ein Kollege der in ganz Deutschland. Linkspartei in der ersten Lesung gemacht hat, (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Hört euch nämlich endlich einmal Aussteigerprogramme für das mal an!) die Linkspartei zu etablieren. Mit Schwarz-Gelb haben wir es in Nordrhein- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Westfalen geschafft, die Anzahl der Plätze in fünf Ich habe heute noch eine zweite Beobachtung Jahren nahezu zu verzehnfachen. gemacht. Wie es um die Familienpolitik bei der (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Opposition bestellt ist, zeigt die Tatsache, dass al- le Vorredner von der Opposition mit Ausnahme Wir mussten das aufräumen, was Sie hinterlassen des Kollegen Gehring nicht einen Satz zum Thema haben. Kinder und Familie verloren haben. Wir haben hier offensichtlich ein Problem. Wir sind hier nicht Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2931

Wir werden an dieser Stelle weitermachen. man immer mehr Kinder schreien. Da, wo die Lin- Denn wir müssen etwas tun. Wir haben schon eine ken regieren, hört man höchstens noch die Eltern Menge getan, zum Beispiel für die Infrastruktur. schreien. Fast 10,5 Milliar-den Euro aus dem Konjunkturpa- Vielen Dank. ket werden bis 2013 in Betreuungsplätze für un- ter Dreijährige investiert. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Ab- geordneten der FDP – Widerspruch bei (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Große Koali- der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE tion!) GRÜNEN) Die rot-grüne Koalition hat im Jahr 2005 eine Quo- te von 13,7 Prozent hervorgebracht, was die Be- Vizepräsident Dr. : treuungsplätze für unter Dreijährige betrifft. Dank Herr Kollege Jarzombek, ich gratuliere Ihnen zu Ursula von der Leyen haben wir heute eine Quote Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag. von 20 Prozent erreicht. Wir werden 35 Prozent in 2013 erreichen. Dafür steht auch dieser Haushalt. (Beifall) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das Wort hat jetzt die Kollegin Caren Marks von der SPD-Fraktion. Wir tun mehr für die Eltern. Wir als Union haben das Elterngeld eingeführt. Wir werden auch das (Beifall bei der SPD – Dorothee Bär Teilelterngeld einführen und damit eine gute Wei- [CDU/ CSU]: Das war gerade so ein terentwicklung ermöglichen. Ich nenne weiterhin schönes Schlusswort von Thomas! Und die steuerliche Abzugsfähigkeit der Kinderbe- jetzt kommt doch noch jemand!) treuungskosten und nicht zuletzt die Erhöhung des Kindergeldes, die wir mit dem Wachstumsbe- Caren Marks (SPD): schleunigungsgesetz vorgenommen haben. Ich Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! glaube, das ist richtig. Denn in sieben Jahren gab Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kol- es keine Erhöhung des Kindergeldes, obwohl die lege Jarzombek, Sie haben eben gesagt, da, wo Ausgaben für die Kinder von Jahr zu Jahr steigen. die Union regiert, sei es um die Familienpolitik be- sonders gut bestellt. Der Focus hat vor einigen Wochen von der Fa- milie eines Hochschuldozenten – er gehört also (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Da hat er recht!) nicht zum Prekariat – berichtet. Er kann es sich In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, wo die noch nicht einmal erlauben, mit seinen drei Kin- Union regiert, ist es aber ganz besonders schlecht dern in den Urlaub zu fahren. Es ist daher wichtig, um den Ausbau der frühkindlichen Bildung und Be- dass wir mehr finanzielle Leistungen für Familien, treuung bestellt. Das ist und bleibt richtig. die sich in der Mitte der Gesellschaft befinden, be- reitstellen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- ten der LINKEN und des BÜNDNISSES (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 90/DIE GRÜNEN – Georg Schirmbeck Damit kommen wir zu einem ganz entscheiden- [CDU/CSU]: 13 Jahre Gerhard Schröder!) den Punkt. Denn wir als Union sind die Einzigen, Zu dem Betreuungsgeld will ich gar nicht mehr die den Eltern Wahlfreiheit lassen. Die Geburten- viel sagen. Da kann ich mich durchaus der vorhe- zahlen erlauben es uns nicht, aus ideologischen rigen Familienministerin, Frau von der Leyen, an- Gründen nur auf ein ganz bestimmtes Familien- schließen. Es ist Unsinn und eine bildungspoliti- modell zu setzen. sche Katastrophe, und das wird es auch bleiben. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS Wir müssen Eltern Wahlfreiheit bieten. Wenn das 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- Betreuungsgeld – in welcher Form der Umsetzung ten der LINKEN) auch immer – dazu beiträgt, dass insbesondere Frau Ministerin Schröder, Politik ist eigentlich in Familien mit mehreren Kindern, bei denen die fi- der Verantwortung, klare Antworten auf die ge- nanzielle Lage möglicherweise auch aufgrund ei- sellschaftspolitischen Herausforderungen zu ner Teilzeitarbeit sehr schwierig ist, eine bessere geben. Dies trifft ganz besonders auf unser Res- Unterstützung von uns bekommen und das wiede- sort, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, zu. rum dazu beiträgt, dass wir eine höhere Geburten- Die Bekämpfung der Kinder- und Familienarmut, rate und mehr Kinder bekommen, dann ist es ge- die Begleitung des demografischen Wandels, mehr nau die richtige Politik, die wir als Koalition ver- Teilhabe für Jugendliche und die konsequente abredet haben. Gleichstellung von Männern und Frauen: Im Ein- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Flo- zelplan 17 finden wir leider kaum Antworten auf rian Toncar [FDP]) diese und weitere Herausforderungen. Deshalb kann ich nach der heutigen Debatte nur Im Bereich der Gleichstellungspolitik wird das das Fazit ziehen: Da, wo die Union regiert, hört ganz besonders deutlich. Der Lohnunterschied 2932 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 zwischen Männern und Frauen beträgt skandalöse Sie hatte eine solche Evaluation bereits in Auftrag 23 Prozent. Der Frauenanteil in deutschen Vor- gegeben, die Ergebnisse liegen massenweise vor ständen und Aufsichtsräten ist lächerlich gering. und sind keineswegs veraltet. Es mangelt nicht an Das schreit geradezu nach einer aktiven Gleich- Daten, sondern an Ihrem politischen Gestal- stellungspolitik. Doch was macht die Frauenminis- tungswillen. terin? – Die Telekom ist mit ihrer aktuellen Ent- (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Katja Dörner scheidung für eine Frauenquote entschlossener [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) als die zuständige Ministerin. Ja, es ist richtig: Familien wünschen sich bei der Wer wie Frau Schröder unbeirrt auf Freiwilligkeit Pflege mehr Unterstützung. Im wahrsten Sinne in der Wirtschaft setzt, nimmt die Realität in den des Wortes „sparsam“ ist das unausgereifte Kon- meisten Unternehmen nicht zur Kenntnis. Die Zeit zept der Ministerin zur Pflegeteilzeit für pflegende ist mehr als reif für verbindliche Regelungen. Angehörige. Der O-Ton der Ministerin ist entlar- (Zuruf der Abg. Ingrid Fischbach [CDU/ CSU]) vend. Sie sagt: Der Pflegeversicherung käme die Familienpflegezeit langfristig zugute; denn Pflege Die SPD fordert eine gesetzliche Quotenregelung zu Hause koste weniger als im Heim. „Hört, hört!“, für Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten. Ich sage ich da nur. Erschreckend ist die fehlende Re- höre schon die konservativen Bedenkenträger: flexion darüber, dass es in den allermeisten Fällen Gibt es denn genügend qualifizierte Frauen für die Frauen sind, die Angehörige pflegen. Frauen diese Posten? – Erstens ist das der Fall; es gibt sind häufig im Niedriglohnsektor zu finden. Wer sie. Zweitens, wer hat eigentlich nach der Qualifi- von ihnen kann ohne Kompensation vier Jahre kation der Männer gefragt, meine Herren? lang von 75 Prozent des Gehaltes leben? Das An- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- gebot geht an der Lebenswirklichkeit vieler vorbei. NISSES 90/DIE GRÜNEN) (Dorothee Bär [CDU/CSU]: Was ist denn Ihre Bei der Überwindung der Entgeltungleichheit ver- Lösung?) lässt sich die Ministerin mit einem unverbindlichen Ich frage mich, meine lieben Kolleginnen und Lohnprüfungsverfahren ebenfalls auf das rein freiwilli- Kollegen von der Union, warum Sie die von der ge Handeln einzelner Unternehmen. Auch diesbezüglich SPD geforderte bezahlte Pflegezeit von zehn Ta- gibt es kein entschlossenes Handeln, sondern nur Mut- losigkeit. Die SPD sagt: Wir brauchen endlich ein wirk- gen nach wie vor ablehnen. Gerade zu Beginn der sames Entgeltgleichheitsgesetz. Gerade heute haben So- Pflege, die in der Regel von heute auf morgen zialwissenschaftlerinnen noch einmal die Notwendigkeit notwendig wird, brauchen Familien Zeit, um Infor- eines Gesetzes betont. mationen und Hilfe zu suchen und sich auf die neue Situation einzustellen. Die jetzige Bundesregierung hat ganz offen- sichtlich dringenden Beratungsbedarf in Sachen Es bleibt festzustellen: Auch in der Haushaltspo- Genderkompetenz. Umso bedauerlicher ist es, litik entzieht sich die Bundesregierung der Verant- dass die schwarz-gelbe Koalition die Förderung wortung. Sie handeln nicht dort, wo es nötig ist, sie des Gender-Kompetenz-Zentrums Mitte des Jah- zaudern und prüfen, bestenfalls hören wir Appelle res einstellt und künftig auf gute, wissenschaftliche an Wirtschaft und andere. Ich wünsche mir für die Politikberatung verzichtet. Menschen in unserem Land, dass sich die Ministe- rin Schröder den Herausforderungen unserer Zeit Die Antidiskriminierungsstelle ist zwar mit stellt. Wir alle, vor allem wir Frauen, erwarten zu genauso viel Geld wie im Vorjahr ausgestattet, ich Recht konkretes Handeln statt ein Herumstochern habe allerdings große Zweifel, ob die Bundesregie- im Nebel. Vielleicht wird es ja noch etwas. rung eine zielführende Antidiskriminierungspolitik wirklich will. Denn der Kurs, den Sie, Frau Ministe- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- rin, auf EU-Ebene verfolgen, ist ein Trauerspiel. ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Sie blockieren in Brüssel eine neue Antidiskrimi- – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Sie können nierungsrichtlinie. uns nicht in Generalhaftung nehmen!)

(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Sie sollten Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: einmal etwas Nettes sagen!) Ich schließe die Aussprache. Das ruft sogar öffentliche Proteste von Amnesty In- Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel- ternational hervor. plan 17, Bundesministerium für Familie, Senioren, (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Positiv den- Frauen und Jugend, in der Ausschussfassung. ken!) Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer Über die 5 Millionen Euro für die Evaluation stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion Die von familienpolitischen Leistungen kann man Linke auf Druck-sache 17/1036? – Gegenstim- sich nur wundern. Mein Kollege hat das schon an- men? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist gesprochen. Vielleicht ist es ratsam, Frau Schrö- abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktio- der, dass Sie mit Ihrer Amtsvorgängerin sprechen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2933 nen, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Zu- nicht genügend ausgereifte Konzepte vorliegen, stimmung der Fraktion Die Linke und Enthaltung hat die Koalition entsprechende Sperren vor- der SPD-Fraktion. genommen. Was nützen die schönen Ankündigun- gen, die im Koalitionsvertrag festgeschrieben und Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ein- in den Medien immer wieder dargestellt werden, zel-plan 17 in der Ausschussfassung. Wer stimmt und was ist das Gerede vom Gesamtkunstwerk dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der wert – davon hat Kollege Barthle am Dienstag ge- Einzelplan 17 ist angenommen mit den Stimmen sprochen –, wenn nicht konkrete Politik dahinter- der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der steht? Oppositionsfraktionen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.17 auf: ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Einzelplan 30 – Patrick Meinhardt [FDP]: Konkreter Bundesministerium für Bildung und For- kann Politik gar nicht sein!) schung Man kann es als Mangel bezeichnen, wenn kei- – Drucksachen 17/620, 17/623 – ne klaren Konzepte vorliegen und man nicht sehen kann, wie es mit den Projekten im Jahr 2011 über- Berichterstattung: haupt weitergehen soll. Wir wissen zwar, wie Abgeordnete Eckhardt Rehberg schwierig die Haushaltslage ist, aber es ist nicht Klaus Hagemann gut, dass keine mittelfristige Finanzplanung vorge- Ulrike Flach legt worden ist. Dadurch entsteht gerade im For- Michael Leutert schungsbereich und im Bildungsbereich, die auf Priska Hinz (Herborn) unser Geld angewiesen sind, Unsicherheit, weil Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Frak- man nicht weiß, wie es mit der Finanzierung der tion Die Linke vor, über den wir am Freitag im An- Projekte weitergeht. Wir wissen, dass vor der Wahl schluss an die Schlussabstimmung abstimmen in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai 2010 werden. (Patrick Meinhardt [FDP]: Das ist die, vor der Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind Sie zittern!) für die Aussprache anderthalb Stunden vorgese- hen. Gibt es Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. nicht gestrichen werden soll, jedoch keine Klarheit darüber herrscht, was danach geschieht. Ich sehe Dann ist das so beschlossen. nur die Gefahr, dass das, was vor der Wahl ge- Ich eröffne die Aussprache und erteile als ers- sperrt wurde – so hieß es dieser Tage –, nach der tem Redner das Wort dem Kollegen Klaus Hage- Wahl gestrichen wird. Ich frage: Ist es so? mann von der SPD-Fraktion. (Patrick Meinhardt [FDP]: Das ist blühende (Beifall bei der SPD) Fantasie!) Der Schuldenberg ist gewachsen. Sie legen noch einmal 80 Milliarden Euro obendrauf. Klaus Hagemann (SPD): (Patrick Meinhardt (FDP): Wie viel wollten Sie Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen drauflegen? und Herren! Es ist jetzt gleich 19.15 Uhr und wir beraten den Einzelplan 30, den Haushalt, der zu- Sie müssen einmal die Zinsen bezahlen. Die kunftsgerichtet ist. Die Medien haben kein Interes- Schuldenbremse greift außerdem im nächsten se mehr. Ich freue mich, dass Sie, liebe Zuhörerin- Jahr. Da sind mit 10 Milliarden Euro zusätzlichen nen und Zuhörer, noch so zahlreich hier sind und Einsparungen schon erhebliche Dinge zu beach- der Debatte folgen. ten. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Und ihr der FDP sowie bei Abgeordneten der macht jetzt Sparvorschläge in Höhe von LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE 80 Milliarden Euro!) GRÜNEN) – Ihr habt die Mehrheit, und ihr habt entsprechen- Man sollte vielleicht einmal überlegen, ob man die- de Vorschläge zu machen. Doch die hat auch Herr ses Thema im Rahmen der Beratungen des Haus- Schäuble in seiner Rede am Dienstag nicht vorge- haltes 2011 nicht etwas früher behandeln sollte. tragen. Es ist kein klares Konzept vorgelegt wor- den. Die Financial Times Deutschland, nicht gera- Bei diesem Haushaltsentwurf muss ich, wie in de der Hort der Sozialdemokratie, der ersten Lesung, feststellen: Viele Titel sind ge- sperrt. Sie sind während der Haushaltsberatungen (Patrick Meinhardt [FDP]: Oh! Das hat er auch nicht entsperrt worden, Frau Ministerin. Es sind schon festgestellt!) sogar noch zusätzliche Sperren durch die schwarz-gelbe Koalition hinzugekommen. Weil 2934 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 schreibt, dass nicht einmal die Andeutung eines durch das Ministerium zu nennen. Das alles müs- Konsolidierungskonzeptes durch den Finanzminis- sen wir in Erinnerung rufen dürfen, lieber Kollege. ter vorgelegt wurde. (Beifall bei der SPD – Axel E. Fischer (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sehr rich- [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: Das ist aus tig!) rot-grüner Zeit!) In der 16. Legislaturperiode, also während der Wir dürfen darauf hinweisen, dass ihr von Großen Koalition, haben wir bei den Haushaltsbe- Schwarz-Gelb hier viel zu tun und im Ministerium ratungen – jetzt wollte ich den Kollegen Willsch als darauf hinzuweisen habt. Zeugen aufrufen, aber er ist nicht da – immer noch (Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ Geld obendraufgepackt. CSU]: Das Aufräumen von dem, was ihr (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Der hat jetzt eine hinterlassen habt! Ganz genau!) kleine Pause gemacht! Das steht ihm zu!) Die Ausgaben für die atomaren Altlasten in den Ich verweise auf das BAföG. Dort haben wir im Forschungsreaktoren sind erneut gestiegen und parlamentarischen Verfahren erhebliche Mittel steigen weiter. Sie steigen ins Unermessliche; mit obendraufgepackt. 4 Milliarden Euro ist dafür zu rechnen. Die Atom- wirtschaft in Hamm-Uentrop lässt grüßen. Sie (Patrick Meinhardt [FDP]: Beim BAföG? Über- wird nicht herangezogen, oder wenn, dann nur ein haupt nicht! Falsch!) wenig. Diese Punkte sind als negativ herauszustel- Jetzt sind durch die Koalition sogar Mittel gestri- len. chen worden (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Ulrike Flach [FDP]: Das ist jetzt wirklich mu- DIE GRÜNEN) tig!) In der Großen Koalition und auch unter Rot- – ob das Ihre Leistung ist, weiß ich nicht –, bei- Grün haben wir einiges bewegt und nach vorne spielsweise beim Titel „Klimaforschung und Le- gebracht, dessen Ernte Sie jetzt einbringen kön- bensraum Erde“ haben Sie 4,5 Millionen Euro ge- nen. Die Exzellenzinitiative ist gestartet worden. strichen. Liebe Frau Flach, in den Bereichen, in Der Pakt für Forschung und Innovation wurde un- denen es deutliche Kürzungen geben könnte, bei- ter Rot-Grün gestartet. spielsweise bei der Öffentlichkeitsarbeit oder beim (Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: Be- Personalaufbau, haben Sie im Gegensatz zur Op- willigungsbescheide versaut!) positionszeit jetzt keine Kürzungsanträge gestellt. Die hätten wir gerne unterstützt. Ich muss sagen: Die Hightech-Strategie wurde in der Großen Koali- Die FDP ist als Tiger in der Opposition gestartet tion gestartet. Herr Fischer, der Rechnungshofbe- und als Bettvorleger in der Koalition gelandet. richt zur Umsetzung des Nationalen Entwicklungs- plans Elektromobilität liegt jetzt vor. Da ist festzu- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS stellen, dass bisher nur wenig Geld verausgabt 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Pat- worden ist. Der Hochschul-pakt I ist zu nennen. rick Meinhardt [FDP]) Mehr Studienplätze wurden geschaffen. Nordrhein- – So ist es. Wenn man keine Konzepte hat, kann Westfalen ist dabei stark im Rückstand. Rheinland- man das sagen, lieber Kollege Meinhardt. Pfalz, mein Bundesland, hat 50 Prozent mehr Stu- dienplätze geschaffen, als es sich verpflichtet hat- In den zurückliegenden Jahren hatte das Parla- te. Das muss positiv erwähnt werden. ment 500 Millionen Euro mehr bewilligt, als im Lau- fe der Zeit ausgegeben worden sind. Da muss (Beifall bei der SPD – Patrick Meinhardt man noch einmal genauer hinschauen. Sie haben [FDP]: Die rote Brille!) über die globale Minderausgabe hinaus nicht alles Der Clusterwettbewerb und viele andere Punkte Geld, das das Parlament zur Verfügung gestellt sind zu nennen. hatte – in der letzten Legislaturperiode 500 Millionen Euro –, verausgabt. Das fehlt na- Ich darf noch einmal an das Ganztagsschul- türlich Kindern, Jugendlichen, Bildung und For- programm erinnern. Es ist notwendig, dies fortzu- schung. Darauf müssen wir genauso hinweisen setzen. Das hat auch Frau von der Leyen am wie auf die Flops, die wir festzustellen haben. Die Dienstag gesagt. Das Ganztagsschulprogramm Forschungsprämie ist zu nennen. Ebenso das musste damals gegen heftigsten Widerstand von Technikum: 4 Millionen Euro Ausgaben, ein Prakti- Union und FDP durchgesetzt werden. kumsplatz, nein, zwischenzeitlich sind zwei ent- (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Stimmt standen, habe ich gehört. doch gar nicht! – Ulrike Flach [FDP]: Nein! (Patrick Meinhardt [FDP]: Lächerlich!) Nein! Lieber Herr Hagemann, wir haben zugestimmt!) Unter anderem ist auch – das ist nicht lächerlich; das ist alles vom Rechnungshof festgestellt – die fehlende Kontrolle der Bewilligungsbescheide Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2935

Frau Schavan, ich finde es ganz toll, dass Sie im Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Handelsblatt dafür einstehen, für Grundschulen Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen 1 Milliarde Euro mehr bereitzustellen. und Herren! Herr Kollege Hagemann, es ist immer sehr leicht, uns auf der einen Seite mangelnden (Beifall der Abg. Dagmar Ziegler [SPD]) Sparwillen vorzuwerfen – das haben Sie gerade Ich finde es gut, dass Sie das ankündigen. Aber wieder getan; aber Sie arbeiten mit Buchungstricks Sie haben zurzeit keine Kompetenz, das durchzu- in den Einzelplänen 32 und 60 – setzen. Denn das Kooperationsverbot im Grund- (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: So ist das!) gesetz steht dagegen. Lassen Sie uns gemeinsam dieses Kooperationsverbot aus dem Grundgesetz und sich auf der anderen Seite zu beklagen, dass streichen. Dann kann das Versprechen von Frau hier und da womöglich gestrichen worden ist. Die- Schavan auch umgesetzt werden. ser Haushalt, Einzelplan 30, ist ein Aufwuchshaushalt. Dieser Haushalt für 2010 (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordne- wächst im Vergleich zu 2009 um 660 Millionen Eu- ten der LINKEN und des BÜNDNISSES ro. 90/DIE GRÜNEN) (Klaus Hagemann [SPD]: Das ist gesperrt!) Wir haben versucht, unser Wahlprogramm durch Haushaltsanträge umzusetzen. Wir haben Die Bundesregierung, die Regierungsfraktionen Anträge eingebracht, in denen wir fordern, dass haben Wort gehalten. In der Krise wollen wir Bil- das BAföG deutlich erhöht wird und dass für eine dung und Forschung stärken. Das ist die Über- „gute Lehre“ an den Hochschulen mehr Geld zur schrift für diesen Einzelplan. Verfügung gestellt wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wie wol- Wenn wir als Haushälter uns darüber unterhal- len Sie das finanzieren? Nachher sind es ten, wie denn die Steuermittel, die im Einzelplan 160 Milliarden Schulden!) 30 im Bereich der Forschung eingestellt worden – Es ist gegenfinanziert, lieber Herr Kollege sind, eingesetzt werden und welche Wirkungen sie Schirmbeck. entfalten, dann muss man sich überlegen, Herr Kollege Hagemann, ob das wirklich die Ernte der Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Saat ist, die Sie in den Boden gebracht haben, Herr Kollege Hagemann. oder ob das die Ernte ist, die seit dem Jahr 2005, seit Annette Schavan das Bildungs- und For- Klaus Hagemann (SPD): schungsministerium führt, in den Boden gebracht wurde. Wir hätten mit unserem Konzept sogar weniger Schulden aufgenommen als ihr. Wir sind nur – in (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Anführungszeichen – bei 77 Milliarden Euro gelan- neten der FDP) det, Wenn man sich die Entwicklung im Bereich der (Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Durch Buchungs- Projektförderung ansieht, stellt man fest: Hier ist tricks in den Einzelplänen 32 und 60!) ein Aufwuchs zu verzeichnen. Im Jahr 2005 gab es während ihr bei 80 Milliarden Euro liegt – Schul- 11 500 Einzelprojekte, heute gibt es 18 000. Das ist die erste Schavan-Kurve, die ich Ihnen aufzei- denrekord! ge. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Noch deutlicher wird diese Entwicklung am Auf- Kommen Sie bitte zum Schluss. wuchs der Mittel für die Projektförderung. (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Ja!) Klaus Hagemann (SPD): Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Wir Im Jahre 2004, also zu Ihrer Regierungszeit, wa- werden darauf hinarbeiten, dass unsere genannten ren es 1,8 Milliarden Euro, heute sind es Initiativen und Anträge berücksichtigt und in Politik 3,4 Milliarden Euro. Das ist die zweite Schavan- umgesetzt werden. Kurve, die ich Ihnen vorhalte. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der SPD) Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Betrag von 3,4 Milliarden Euro sagt eigentlich gar nichts aus. Die Frage ist doch: Welche Wirkungen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: entfalten diese Mittel? Das Wort hat der Kollege Eckhardt Rehberg von der CDU/CSU-Fraktion. (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Richtig!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 2936 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Herr Kollege Hagemann, insgesamt 130 Berichte Wir haben etwas anderes getan – dafür bedan- musste uns das Ministerium innerhalb weniger ke ich mich ganz ausdrücklich beim Ministerium Wochen zustellen; fünf Berichtsanträge davon wa- und bei den Kolleginnen und Kollegen der Arbeits- ren von der Regierungsfraktionen. Einer dieser Be- gruppen Bildung und Forschung von CDU/CSU richte ist hochinteressant. Darin geht es um die und FDP –: Wir haben die Mittel für die Innovati- Wirkungen des 6-Milliarden-Euro-Programms und onsförderung in den neuen Bundesländern um der Hightech-Strategie. Wenn Sie sich diesen Be- 6 Millionen Euro aufgestockt; denn diese Mittel richt genau ansehen, stellen Sie fest, dass darin werden gut abgerufen. die Wirkungen für die einzelnen Bereiche aufge- (Ulrike Flach [FDP]: So ist das!) führt sind: Umwelttechnologie 1,5 Millionen Ar- beitsplätze, optische Technologien 110 000 Be- Damit werden 17 Verbundprojekte in den neuen schäftigte. Aber das ist nicht mein zentraler Punkt. Ländern gefördert. Hinzu kommen die Hebelwir- kungen, die ich dargestellt habe. Mein zentraler Punkt ist, dass von externen Gutachtern nachgewiesen wurde, dass mit jedem Aufgrund der demografischen Entwicklung, des im Bundeshaushalt eingesetzten Euro im Durch- Rückgangs der Geburtenzahlen und des Rück- schnitt 5,20 Euro aufseiten der Wirtschaft aktiviert gangs der Schulabgängerzahlen haben wir uns da- wurden. Das heißt, 600 Millionen Euro, die im Jah- rüber hinaus Gedanken gemacht: Was können wir re 2009 investiert wurden, haben aufseiten der tun, damit auch die Hochschulen in den neuen Wirtschaft 3 Milliarden Euro aktiviert. Das ist aus Ländern Mittel und Möglichkeiten haben, für sich meiner Sicht der Sinn von Politik: dass wir Mittel zu werben? Wir haben eine Hoch- einsetzen und dadurch die Wirtschaft angeregt schulmarketingkampagne speziell für die Hoch- wird. In diesem Fall hat sie die von uns eingesetz- schulen in den neuen Bundesländern initiiert und ten Mittel sogar verfünffacht. dafür 2 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Herr Kollege Hagemann, all das ist auch gegenfinan- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – ziert. Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Ludwig Ehrhard wäre stolz auf uns!) Wir haben uns auch gefragt: Die Investitionen in welche Zukunftstechnologien müssen wir erhö- Besonders abstrus finde ich in diesem Zusam- hen? Die Mittel für die Entwicklung energieeffizien- menhang den Antrag der Linken. Darin wird ernst- ter Antriebstechnologien werden um 1 Million Euro, haft vorgeschlagen, bei der industrienahen Inno- die Mittel für die Biotechnologie um vationsförderung 216 Millionen Euro zu strei- 5 Millionen Euro und die Mittel für die biomedizini- chen. Das betrifft zwar den Haushalt des Bundes- sche Forschung um 3 Millionen Euro erhöht. Wir wirtschaftsministeriums, das ZIM, aber ich frage haben hier umgeschichtet und im Bereich der For- Sie: Haben Sie sich wirklich gut überlegt, was Sie schung Prioritäten gesetzt, weil wir fest davon da formuliert haben, Herr Kollege Leutert? überzeugt sind, dass gerade der Bereich der For- Sie schreiben, diese Mittel sollten für struktur- schung gestärkt werden muss, damit Deutschland schwache Regionen, für Klimaschutz und Ökologie seine Wettbewerbsfähigkeit und seine Exportfä- zur Verfügung gestellt werden. Wissen Sie eigent- higkeit behält und ausbaut. lich, dass ein Drittel der ERP-Mittel in die Bereiche Ökologie und Klimaschutz fließt? Wissen Sie ei- gentlich – das sage ich im Hinblick auf die struk- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) turschwachen Regionen –, dass im Jahr 2009 ins- Herr Kollege Hagemann, damit hier keine Märchen gesamt 742 Millionen Euro aus dem ZIM abgeflos- aufkommen: Die nicht geprüften Verwendungsnach- sen sind und davon ein Drittel, also etwa weise sind eine Erblast von Rot-Grün. Ich will Ihnen 250 Millionen Euro, in die neuen Bundesländer ge- das ganz kurz mit einigen Zahlen belegen: 2005 waren flossen ist? knapp 4 000 Nachweise offen, 2009 noch 1 924, also Das, was Sie in Ihrem Antrag zur Hebelwirkung knapp 2 000. Zugleich – ich habe das deutlich gemacht bei den Arbeitskräften und zur Umsatzgenerierung – hat sich die Anzahl der Projektförderungen in diesem schreiben, können Sie nicht ernst meinen. Zeitraum mehr als verdoppelt. Das heißt, das Schavan- 80 Prozent der Mittel dieses Programms kamen Ministerium musste erst einmal den Müll aufräumen, kleinen und mittelständischen Unternehmen mit den Rot-Grün hinterlassen hat. weniger als 50 Beschäftigten zugute. Wir wären (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir neten der FDP) das tun würden! Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Linken, ich kann Ihnen nur den Wenn Sie hier versuchen, den Eindruck zu erwe- Rat geben: Ziehen Sie diesen unsinnigen Antrag cken, dass diese offenen Nachweise ein Ver- zurück. Diese Maßnahmen hätten verheerende säumnis des BMBF unter Annette Schavan sind, Folgen, insbesondere für die neuen Bundesländer. kann man entgegenhalten, dass diese Zahlen und der Bericht des Bundesrechnungshofes Ihre Be- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) hauptung deutlich widerlegen. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2937

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Sie haben vorhin kritisiert, dass wir in unserem Herr Kollege Rehberg, erlauben Sie eine Zwi- Punkt 8 eine Kürzung bei der technologieorientier- schenfrage des Kollegen Hagemann? ten Innovationsförderung vorgeschlagen haben. Erstens handelt es sich um eine Kürzung der Stei- Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): gerung, die Sie vorgesehen haben. Aber gerne. (Heiterkeit des Abg. Georg Schirmbeck [CDU/CSU]) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Hagemann, bitte. – Ja, das muss man einmal sagen. – Zweitens ha- ben wir uns vor allem auf die Bereiche konzen- triert, in denen die Abflüsse in den vergangenen Klaus Hagemann (SPD): Jahren vor allem an große Unternehmen gegan- Herr Kollege Rehberg, sind Sie bereit, zur gen sind, die bereits technologiestark sind. Wir ha- Kenntnis zu nehmen, dass in dem abgestimmten ben dann vorgeschlagen – damit mache ich Sie Bericht des Bundesrechnungshofes – nach einer auf einen Fehler beim Lesen aufmerksam –, dass heftigen Diskussion im Haushaltsausschuss; Sie die Projektförderung des Bundes – ich zitiere – an erinnern sich – auch steht, dass erneut Fälle da- Kriterien wie Unterstützung strukturschwacher Re- zugekommen sind und es noch einen riesigen gionen, Klimaschutz, Ökologie und öffentliche Ge- Rückstand gibt, dass Bewilligungsbescheide nicht sundheit gekoppelt werden. – Da gibt es, wenn ich in der vorgeschriebenen Zeit kontrolliert worden Sie richtig verstanden habe, keine Differenzen. Sie sind? Wollen Sie das zur Kenntnis nehmen? haben aus diesem Antrag aber offensichtlich das Gegenteil herausgelesen. Insofern lege ich Wert Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): auf diese Korrektur. Das kann ich nicht zur Kenntnis nehmen; denn der Sachstand ist: 2005 waren 4 000 Nachweise Und Sie haben den letzten Satz unterschlagen. Wenn wir alle wissen, dass der Haushalt, der zur offen, heute knapp 2 000. Das heißt, die Zahl der Altfälle wurde halbiert. Außerdem sind pro Jahr Verfügung steht, nicht unbegrenzt ist, muss man in der Tat politische Prioritäten setzen. Die politische zwischen 3 000 und 4 000 neue Projektförderun- gen hinzugekommen. Das heißt, es müssen neue Priorität, die wir setzen, besteht darin, diese Mittel Nachweisprüfungen durchgeführt werden. umzuverteilen, sie dem Bildungs- und Hochschul- sektor zugutekommen zu lassen. Wir wissen doch, Was Sie zu sagen versäumt haben: 2005 waren dass dieser Sektor massiv unterfinanziert ist und in – nach meiner Kenntnis – nur noch ein oder zwei der nächsten Zeit, insbesondere auf dem zweiten Mitarbeiter damit befasst, die Verwendungsnach- Bildungsgipfel, über Verbesserungen verhandelt weise zu prüfen. Die Personalaufstockung von wird. heute dient unter anderem dazu, sicherzustellen, dass Projektförderungen sachgerecht geprüft wer- Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): den können, und selbstverständlich vorab, damit Frau Kollegin Sitte, es tut mir leid: Ein Minus ist überhaupt Projektförderungen initiiert werden kön- bei mir immer noch ein Minus. nen. Wir räumen hier in zweierlei Hinsicht die Alt- lasten weg, die Sie hinterlassen haben. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Dafür gibt es ei- nen Aufwuchs an anderer Stelle!) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – [SPD]: Aber Wir haben uns politisch dafür entschieden, die Sie waren vier Jahre mit in der Regie- Mittel für die Innovationsförderung zu steigern. rung!) Wenn Sie vorschlagen, diese Mittel um 216 Millionen Euro zu kürzen, dann sind das Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: 216 Millionen Euro weniger. Herr Kollege Rehberg, auch die Kollegin Sitte (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Nein! Wir hat das Bedürfnis, Ihnen eine Frage zu stellen. Er- wollen, dass dieses Geld der Bildungs- lauben Sie das? und Hochschulsektor bekommt!) Frau Kollegin, Sie müssen doch bitte einmal zur Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Kenntnis nehmen, dass wir im Bildungsbereich ei- Gerne. nen Aufwuchs um 400 Millionen Euro veranschlagt haben. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bitte. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: 350 Millionen Eu- ro!) Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): – Entschuldigung, 350 Millionen Euro. Herr Kollege, ich möchte Ihnen keine Frage stel- 400 Millionen Euro sind es bei der Forschung. Sor- len, sondern, wie es nach der Geschäftsordnung ry, ich korrigiere mich hier gerne. möglich ist, eine Zwischenbemerkung machen. 2938 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Frau Kollegin Sitte, kommen Sie mir bitte nicht Herr Kollege Hagemann, es ist jetzt Mitte März. mit Haushalts- und Fiskalpolitik. Sie haben im Ge- Vor fünf Monaten wurde die Bundesregierung ge- samtetat 2010 einen Aufwuchs von 45 Milliarden bildet. Deswegen bringen wir als Haushälter Euro beantragt. selbstverständlich Sperren aus – das ist unser gu- tes Recht –, (Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Hallo!) (Klaus Hagemann [SPD]: Ja, natürlich!) Allein für den Einzelplan 30 haben Sie 1,3 Milliarden Euro mehr beantragt. Das halte ich weil wir fragen wollen, wie effizient die Programme nicht nur für politisch fragwürdig, sondern ich halte sind, die es geben wird. Ich denke, dass genau es auch für unverantwortlich, eine solche Politik dies die richtigen Ansätze sind. auf Kosten der Kinder und Kindeskinder zu ma- Ich nenne zum Beispiel die Stärkung der Leis- chen, Frau Kollegin Sitte. tungsfähigkeit des Bildungswesens mit (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – 95 Millionen Euro, die Sprachförderung, die außer- Michael Leutert [DIE LINKE]: Bei 80 Milli- schulische Bildung, die frühkindliche Bildung, die arden Euro neuen Schulden ist das ein Gestaltung der neuen Ganztagsschulangebote, lo- schlechtes Argument!) kale Bildungsbündnisse und das Förderprogramm „Lernen vor Ort“. Daneben investieren wir – Herr Leutert, ich sage Ihnen nur eines losgelöst 370 Millionen Euro in die berufliche Bildung. Wir von der Bildungs- und Forschungspolitik: Allein der wollen die Berufsorientierung nach der 7. Klasse Zuschuss für den Gesundheitsfonds und die stärken und fördern, damit es nicht mehr zu so vie- Arbeitslosenversicherung beträgt insgesamt len Abbrüchen kommt. Ich denke, genau dies ist 18 Milliarden Euro. Dafür verwenden wir Steuer- die richtige Politik. mittel, wodurch wir alles belasten: zum Beispiel Mieten und Pachten und insbesondere die hohen Ein Letztes, das Thema BAföG. Einkommen, weil 60 Prozent der Steuern von den (Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD] mel- 10 Prozent der Steuerpflichtigen gezahlt werden, det sich zu einer Zwischenfrage) die am meisten Steuern bezahlen. Wir erhöhen eben nicht die Arbeitslosenbeiträge oder die Versi- cherungsbeiträge, wodurch der kleine Mann belas- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: tet würde. Entschuldigen Sie einen kleinen Moment, Herr Kollege Rehberg. – Zwischenfragen sind er- (Klaus Hagemann [SPD]: Das kommt wünscht, aber wenn es zu viele werden, dann ent- noch! – Michael Leutert [DIE LINKE]: Das steht ein falscher Eindruck der Debatte. kommt noch! – Christian Lange [Back- nang] [SPD]: Was machen Sie im Juni? (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geben Sie es doch zu!) Das ist aber eine wichtige Frage!) – Nein, wir machen das ganze Gegenteil. In diesen Ich frage Sie jetzt noch einmal: Erlauben Sie ei- 80 Milliarden Euro stecken die 18 Milliarden Euro ne Zwischenfrage des Kollegen Rossmann? sehr wohl mit drin. Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Toten- Nein, ich möchte jetzt zum Schluss kommen. stille!) (René Röspel [SPD]: Ich erinnere mich bisher Die ganze Gesellschaft hat eine Herausforde- nur an zwei Zwischenfragen!) rung zu bestehen, und zwar den massiven Rück- gang der Zahl der Geburten und damit den massi- Da die Uhr weitergelaufen ist, Herr Präsident, er- ven Rückgang der Zahl der Schulabgänger. In höhe ich meine Redezeit mit Ihrem Einverständnis dem Haushalt werden genau hier Prioritäten ge- noch einmal um 30 Sekunden. setzt, obwohl – das sage ich ganz ausdrücklich – (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Schulpolitik nicht Bundessache ist. NEN]: Dann gibt es eine Kurzintervention! (Klaus Hagemann [SPD]: Deswegen: Koope- Das dauert wieder!) rationsverbot raus!) Der Bund und die Koalitionsfraktionen stellen sich Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: aber diesen Herausforderungen. Ja.

Eine Herausforderung ist unter anderem – das hängt Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): beides zusammen –, dass im Schnitt 8 Prozent der Ganz kurz noch zum BAföG. Da Sie sich als Schulabgänger – in der Spitze sind es 12,7 Prozent – SPD hier hinstellen und über BAföG-Steigerungen keinen Schulabschluss haben. Die durchschnittliche reden, lassen Sie mich eines noch kurz andeuten: Rate von Ausbildungsabbrüchen beträgt knapp In Ihrer Regierungszeit stieg das BAföG für die 22 Prozent; es geht bis zu 26 Prozent. Gerade im Bil- Studierenden innerhalb von sieben Jahren um dungsbereich müssen Sie sich die Aufwüchse anschau- 34 Euro, unter Ministerin Schavan stieg es für die en. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2939

Studierenden innerhalb von fünf Jahren um gesetzt zu haben, dann geht der Blumenstrauß an 108 Euro. Peter Struck, den damaligen Fraktionsvorsit- zenden. Er hat diesen Weg nämlich mit freige- Das heißt, bei uns stimmen Anspruch und Wirk- macht. Es wäre nur ehrlich, dass wir anerkennen, lichkeit und bei Ihnen nicht. es hat eine Leistung in der Großen Koalition gege- Herzlichen Dank. ben, und Sie anerkennen: Da hat die SPD und ihr Fraktionsvorsitzender der Bundesbildungsministe- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – rin einen gehörigen Schub gegeben, als es darum Klaus Hagemann [SPD]: Da mussten wir ging, sich gegen den Finanzminister und dessen Frau Schavan zum Jagen tragen!) Kalkulationen durchzusetzen. Diese Ehrlichkeit darf man einfordern, wenn wir einen sachlichen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Aussprachekreis in Bezug auf die Bildung und For- Der Kollege Rossmann wünscht jetzt das Wort schung in den letzten Jahren und in der Zukunft zu einer Kurzintervention. In Anbetracht der fortge- pflegen wollen. schrittenen Stunde darf ich Sie aber bitten, in Zu- kunft auf zu viele Zwischenfragen und Kurzinter- Danke schön. ventionen zu verzichten. (Beifall bei der SPD) (Dagmar Ziegler [SPD]: Bildung ist wichtig!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Rossmann, Sie haben das Wort. Bitte. Ich erteile Herrn Rehberg zur Erwiderung das Wort. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Präsident, diese Kurzintervention ist darin Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): begründet, dass wir als Opposition aufmerksam Ich halte mich, wie versprochen, kurz. Zum BA- zuhören, wenn etwas gänzlich Neues verkündet föG: Herr Kollege, ich bin immer dafür, dass wir wird. Eben war nämlich die Rede davon, dass es unsere Erfolge gemeinsam verkaufen. Ich wende ein neues Ganztagsschulprogramm geben soll. mich aber dagegen, dass man so tut, als ob man Weil die Ganztagsbetreuung in Deutschland so in Bezug auf das BAföG auf einmal den Stein der wichtig ist und wir alle in diesem Hause wissen, Weisen erfunden hat, und anderen vorwirft, nichts dass sie mit Gerhard Schröder und Edelgard Bul- oder zu wenig zu tun. mahn ihren Anfang genommen hat, die dafür 4 Milliarden Euro bereitgestellt haben, interessiert (René Röspel [SPD]: Deswegen sollten Sie es uns natürlich, wenn ein Abgeordneter der das auch nicht tun!) hochmächtigen Regierungsfraktion jetzt ein neues Wir können beide gern in eine Diskussion über Ganztagsschulprogramm ankündigt. Deshalb sind die Steuerpolitik von Rot-Grün einsteigen. Da fällt wir ausgesprochen interessiert daran, zu hören, mir insbesondere ein Ereignis ein: mit wie vielen Milliarden Euro Ihr neues Ganztags- schulprogramm ausgestattet ist. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Eigen- heimzulage!) Im Übrigen würde ich in dieser Kurzintervention gern noch darauf hinweisen, dass immer gesagt die Steuerreform 2000. Sie haben für die steuerliche wird, es gebe einen Verzug in Bezug auf innovati- Freistellung der Veräußerungsgewinne aus Beteiligun- ve Maßnahmen. Ich möchte die Kollegen der jetzi- gen an Kapitalgesellschaften gestimmt. Das Minus bei gen Mehrheitsfraktionen daran erinnern, dass wir den Einnahmen aus der Körperschaftsteuer betrug schon viel weiter gewesen wären, wenn Sie den 24 Milliarden Euro. Kumulativ waren das Vorstoß, den Gerhard Schröder damals gemacht 120 Milliarden Euro. Wenn Sie das nicht getan hätten, hat, mitgetragen und ihn nicht dreieinhalb Jahre dann hätten Sie in Ihrer rot-grünen Zeit genug Geld ge- blockiert hätten. Dieser sah nämlich vor, 6,6 Mil- habt, um mehr für Bildung und Forschung zu tun. liarden Euro aus der Eigenheimzulage in Innova- Herzlichen Dank. tion für Bildung und Forschung umzuwidmen. Wenn Sie diese Mittel freigegeben hätten, wäre (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – das eine gute gemeinsame Bilanz geworden. Christian Lange [Backnang] [SPD]: Halten wir fest: kein neues Ganztagsschulpro- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS gramm! – Klaus Hagemann [SPD]: Den 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordne- Mund zu voll genommen!) ten der LINKEN) Wir dürfen mit Recht feststellen, dass wir ge- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: meinsam für das BAföG streiten. Die ganze Wahr- Das Wort hat der Kollege Michael Leutert von heit ist aber, dass es bei diesem Thema in der der Fraktion Die Linke. Großen Koalition gewiss ein bisschen Gerangel gegeben hat. Wenn aber jemandem das Verdienst (Beifall bei der LINKEN) gebührt, die BAföG-Reform der Großen Koalition gegen verschiedene Widerstände am Ende durch- Michael Leutert (DIE LINKE): 2940 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! schwachen Regionen trägt die anwendungsnahe Frau Ministerin, der hier vorgelegte Haushalt ist Forschung zur Stärkung regionaler Wirtschafts- durch drei Merkmale gekennzeichnet. Erstens: Alte strukturen bei. Probleme werden nicht angegangen. Zweitens: (Beifall bei der LINKEN) Fehlentwicklungen werden nicht korrigiert. Drit- tens: Sie verwechseln Überschriften mit Konzep- Zum dritten Punkt: Wo sind die Konzepte, die ten. zu den Titeln gehören? Man muss schon sagen: Respekt! Ich habe es im Haushaltsausschuss Zum ersten Punkt: Seit Jahren ist allen das ebenfalls angesprochen: Die Abteilung Überschrif- Problem des Fachkräftemangels bekannt. Lösen ten hat zumindest in quantitativer Hinsicht sehr gut kann man es unter anderem durch Weiterbildung. gearbeitet. Es ist die Rede von Bildungsbündnis- Viele Menschen mit geringem Einkommen – das sen, -allianzen und -pakten, die geschmiedet wer- gilt insbesondere für die über 30-Jährigen – kön- den sollen, von Zukunftskonten, Bildungsschecks nen sich die Weiterbildung aber nicht leisten. Ge- usw. Die Konzepte dazu haben wir aber nicht be- nau aus diesem Grund brauchen wir ein Erwach- kommen. Wenn es Vorüberlegungen gibt, lassen senenbildungsförderungsgesetz: um den Betrof- sie nichts Gutes erahnen. Das möchte ich an zwei fenen finanziell unter die Arme zu greifen. Beispielen aufzeigen. (Beifall bei der LINKEN) Erstens: die lokalen Bildungsbündnisse. Da- Das hat im Übrigen schon 2004 eine unabhän- für wollten Sie 32 Millionen Euro zur Verfügung gige Expertenkommission der Bundesregierung stellen. Die Kollegen aus Ihren Fraktionen haben festgestellt. Sie hat den exakt gleichen Weg vor- die Summe in ihren Verhandlungen schon auf geschlagen. Getan hat sich vonseiten der Regie- 21 Millionen Euro zusammengekürzt. Bis heute rung aber nichts. Wir Linken haben wiederholt ei- habe ich auf meine mehrmaligen Nachfragen nach nen Antrag gestellt, den Sie im Ausschuss aber den Konzepten keine Antwort bekommen. Herr leider abgelehnt haben. Kollege Rehberg, Sie hatten so schöne Schavan- Diagramme dabei; ich habe zwei Schavan-Be- Ein zweites Beispiel für nicht angegangene alte Pro- richte mitgebracht. Ich habe zum einen eine halbe bleme ist der Hochschulpakt. Auch hier ist seit langem DIN-A-4-Seite erhalten. Die Kernaussage steht im bekannt, dass es eine Diskrepanz zwischen ständig stei- letzten Satz: Derzeit wird ein detailliertes Förder- genden Studierendenzahlen und einer zu geringen An- konzept erarbeitet. zahl an zur Verfügung stehenden Studienplätzen gibt. Darauf wurde schon im Jahr 2006 durch die Hochschul- Zweitens: Zukunftskonten. Hier liegt ebenfalls rektorenkonferenz hingewiesen. Zur Lösung des Prob- kein Konzept vor. In diesem Fall habe ich eine lems wurde ein Mehrbedarf von 2,3 Milliarden Euro – Antwort von nicht einmal einer halben Seite, den und zwar jährlich – festgestellt. Im vorgelegten Haus- zweiten Schavan-Bericht, erhalten; ich habe ihn halt werden für die Verbesserung der Studienkapazitä- mitgebracht. Hier steht, dass Gelder für die vorbe- ten gerade einmal 250 Millionen Euro eingeplant. Aber reitenden Aktivitäten zur Entwicklung eingeplant auch hier haben Sie die Möglichkeit, dem Antrag der werden sollen. Linken zuzustimmen. Hier wird allen Ernstes von uns erwartet, dass wir Projekten zustimmen, für die es keine Konzep- Zum zweiten Punkt: Fehlentwicklungen, die te gibt und bei denen wir nicht wissen, wohin die nicht korrigiert werden. Seit Jahren weisen wir Lin- Reise gehen soll. ken darauf hin, dass es notwendig ist – Herr Kolle- (Ulrike Flach [FDP]: Sie hätten ja mit sperren ge Rehberg, wir hatten das Thema gerade –, bei können!) Förderinstrumenten auf Synergieeffekte zu setzen. Wenn man zum Beispiel beim Spitzencluster- Frau Ministerin, das, was man den knappen Zei- wettbewerb Forschung und Entwicklung als Brü- len der beiden Blätter entnehmen kann, zeigt aller- cke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft fördern dings, in welche Richtung in Ihrem Haus gedacht will, dann sollte auch die Förderung strukturschwa- wird: Letztendlich planen Sie eine weitere Privati- cher Regionen als Kernaufgabe enthalten sein. sierung der Bildungsvorsorge. Durch den ganzen Wenn dem nicht so ist, gewinnen wirtschaftlich eh Haushalt zieht sich der Gedanke: Wer Bildung will, schon stark entwickelte Regionen. Man sieht das, soll in Zukunft dafür bezahlen. Es ist hier hinläng- wenn man einen Blick auf die Liste der Gewinner lich bekannt, dass Sie für Studiengebühren sind. der zweiten Runde des Spitzenclusterwettbewerbs (Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Wir wirft: Dort ist kein ostdeutsches Projekt mehr ver- erweitern das BAföG! Ist das angekom- treten. men?) Wir sagen Ihnen deshalb ganz klar: Sie sollten Ich halte es aber schon für ein starkes Stück, dass die für den Spitzenclusterwettbewerb vorgesehe- Eltern jetzt auch noch Bildungskonten für ihre Kin- nen zusätzlichen Mittel in Höhe von 15 Millionen der – ähnlich der Riester-Rente oder einem Bau- Euro besser für die Förderung der Forschung an sparvertrag – anlegen sollen. Dabei ist völlig unge- Fachhochschulen ausgeben. Gerade in struktur- klärt: Was passiert eigentlich mit den Leuten, die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2941 nicht sparen können? Was ist mit den Leuten, die Herr Rehberg hat bereits auf die gespart haben, aber in Hartz IV fallen? Werden die 700 Millionen Euro zusätzlich in diesem Jahr hin- Bildungskonten dann als Vermögen angerechnet gewiesen – plus Verpflichtungsermächtigung! Wir und abgezogen? Wie sind da Ihre Vorstellungen? Haushälter wissen, wie schwierig es ist, beim BMF Verpflichtungsermächtigungen durchzusetzen. An anderer Stelle sprechen Sie davon, den Kin- Herr Hagemann, ich schätze Sie ja sehr, aber ich dern Schecks für ihre Bildung auszuhändigen. muss Sie doch einmal fragen: Wie kommen Sie Vielleicht ist das eine gute Vorbereitung auf Bil- auf die verwegene Idee, dass wir wegen einer dungsgutscheine, die sie später vom Amt erhalten Landtagswahl ein solch großes Projekt gefährden könnten; aber ich glaube, das kann nicht Sinn und würden? Zweck der Sache sein. Ich möchte gerne wissen, wer auf die Idee gekommen ist, einem Kind mit ei- (Lachen bei der SPD, der LINKEN und nem Scheck zu zeigen, was sein Schicksal der dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Chris- Gemeinschaft wert ist. tian Lange [Backnang] [SPD]: Sie machen schon seit Monaten nichts anderes in die- Frau Ministerin, das, was Sie hier vorhaben, ist sem Hause! Stillstand pur! Seit Monaten!) unsozial. Das kann man nur ablehnen; wir Linken werden es auch ablehnen. Um es zusammenzu- Es geht um ein Plus-Projekt, lieber Herr Hage- fassen: Der Haushalt setzt die falschen Schwer- mann, das selbstverständlich umgesetzt wird. Da- punkte, ist nicht mit Konzepten untermauert und für stehen wir. enthält stattdessen unsoziale Ideen. Aus diesen (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Gründen müssen wir diesen Haushalt ablehnen. Christian Lange [Backnang] [SPD]: Eben, (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dag- für den Stillstand!) mar Ziegler [SPD]) Warum sollten wir plötzlich auf die wirklich verwe- gene Idee kommen, zusätzliche Investitionen in Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bildung und Forschung nach einer Landtagswahl Das Wort hat die Kollegin Ulrike Flach von der zurückzunehmen? Bei aller Liebe und bei der Vor- FDP-Fraktion. liebe der SPD im Augenblick zur Rumklopferei: (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Halten Sie uns für fahrlässig? (Zurufe von der SPD, der LINKEN und dem Ulrike Flach (FDP): BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja!) Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Das ist ein sehr ernstes Projekt. Jeder, der mich Kollegen! Man kann in diesen Tagen sehr viel über kennt – ich bin seit zehn Jahren im Bundestag –, die Koalition und ihre Außendarstellung lesen; man weiß, wie sehr ich für Bildung und Forschung ste- kann auch sehr viel darüber diskutieren. Eines he und wie stolz wir darauf sind, dass wir das um- kann man aber überhaupt nicht sagen: dass wir setzen. Sie haben mein Wort dafür, dass dies so uns an der wichtigsten Stelle der deutschen Politik, sein wird. bei der Stärkung von Bildung und Forschung, nicht einig sein sollten. Dieser Haushalt steht sozusagen (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – als Leuchtturmprojekt für genau dieses Ziel. René Röspel [SPD]: Auch das Wort des Finanzministers?) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) – Ja, auch das Wort des Finanzministers. Man kann sich natürlich in einzelnen Millionen und Milliönchen verfangen. Wir haben hier eine Variante. In diesem Haus- halt ist es zum ersten Mal so, dass das BMBF Mit- (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: tel für FuE für andere Ministerien verteilen soll. „Milliönchen“ passt!) Herr Rehberg und ich haben uns sehr intensiv da- Fakt ist aber, dass wir in den Koalitionsverhand- für eingesetzt: lungen ein Plus von 12 Milliarden Euro ausgehan- (Klaus Hagemann [SPD]: Mit unserem Druck!) delt haben. Wir sind stringent dafür, dass das in Zukunft direkt (Klaus Hagemann [SPD]: Das steht noch nicht bei den anderen Ministerien angesiedelt wird, und im Gesetz!) zwar mit dem strikten Vermerk, den wir dem Fi- Das unterscheidet uns beträchtlich von Ihnen. Lie- nanzministerium erst abringen mussten, dass das ber Herr Hagemann, Ihnen ist das nie gelungen. ausschließlich für FuE eingesetzt wird, also nicht für Schreibmaschinen, nicht für Kaffeemaschinen (Klaus Hagemann [SPD]: Das stimmt nicht!) und sonst etwas, sondern für Sachen, die wir in die Dieses Plus von 12 Milliarden Euro macht sich im Zukunft dieses Landes investieren wollen. Haushalt natürlich auch entsprechend bemerkbar; (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das das ist doch gar keine Frage. beruhigt uns jetzt! – Michael Leutert [DIE LINKE]: Warum lachen Sie eigentlich die 2942 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

ganze Zeit? – Heiterkeit im ganzen Hau- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: se) Frau Kollegin Flach, erlauben Sie eine Zwi- schenfrage des Kollegen Hagemann? – Liebe Kollegen, ich habe einfach eine gewisse Sympathie für Sie. So ist das. Ulrike Flach (FDP): (Heiterkeit im ganzen Hause) Natürlich. Lassen Sie mich aber etwas zu einem Punkt (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das sagen, der mir schon Sorgen bereitet, über den wir ist nicht so natürlich! Das haben wir eben seit vielen Jahren diskutieren und von dem Sie gemerkt!) wissen, dass die Bildungspolitiker der FDP zu Tei- len – nicht alle – immer der Meinung waren, dass Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: es ein Fehler war: das Kooperationsverbot. Mein Bitte, Herr Hagemann. Hauptbemühen in den nächsten Monaten wird da- rauf liegen, gemeinsam mit Herrn Rehberg sicher- zustellen, dass wir diese zusätzlichen Mittel auch Klaus Hagemann (SPD): wirklich in den Ländern anlanden können, Frau Kollegin Flach, Sie haben richtig gesagt, dass wir uns da bemüht haben. Sind Sie bereit, (Beifall bei Abgeordneten der FDP und auch mitzuteilen, dass Sie eine kräftige Morgen- der CDU/CSU – Klaus Hagemann [SPD]: gabe, ein Hochzeitsgeschenk, nämlich 800 000 Den Gemeinden!) Euro, mitgegeben haben, damit die Zuständigkeit und zwar trotz des Fehlers, den Sie gemeinsam für den Windkanal von einem Ministerium zum an- mit der CDU/CSU begangen haben. deren wechseln kann?

(Klaus Hagemann [SPD]: Und Teilen der Ulrike Flach (FDP): FDP!) Lieber Herr Hagemann, Sie machen jetzt Wind. Das ist des Mutes unserer Bildungsministerin wert, (Beifall bei der FDP) die an dieser Stelle bekanntlich über ihren Schat- ten springen muss. Das tut sie aber. Für uns ist Wenn der Windkanal im Wirtschaftsministerium wirklich entscheidend, dass wir das zusätzliche ordnungsgemäß angesiedelt wird, dann ist sicher- Geld in den Ländern anlanden können. Das ist gut lich ein Investitionszuschuss notwendig. Das wis- für unsere Kinder, und dafür steht diese Koalition. sen Sie genauso gut wie ich. Natürlich mangelt es beim Windkanal an Investitionen. Das BMBF hat (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – es nicht leisten können. Im BMWi werden wir nun Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- dafür sorgen, dass es passiert. NEN]: Die FDP hat sich schon wieder da- von distanziert!) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordne- ten der CDU/CSU – Dr. Petra Sitte [DIE Wir als Haushälter haben noch eine weitere Erb- LINKE]: Turbo-Injection!) last von Ihnen übernommen, nämlich den wunder- baren europäischen Windkanal. Herr Hagemann, – So ähnlich. Sie haben uns damals gefragt: Setzt ihr das jetzt Unter dem Strich sind sich die Haushälter der wirklich um? Ich habe Ihr Scheitern in dieser Hin- Koalition mit diesem Haushalt der Verantwortung sicht noch gut in Erinnerung. Uns ist es gelungen. für die Zukunft dieses Landes voll bewusst. Ich will Wir setzen es um. Wir setzen es hin zum Wirt- bei dieser Gelegenheit auf das BAföG verweisen. schaftsministerium. Dahin gehört es nämlich, weil Ich habe genauso wie Herr Rossmann und die es um Raum- und Luftfahrt geht. meisten anderen noch erlebt, dass Frau Bulmahn (René Röspel [SPD]: Sie haben Erfahrung im mit ihrem Korbmodell scheiterte. Ich bin froh und Produzieren von heißer Luft!) glücklich, dass es jetzt offensichtlich mit der Mehr- heit dieses Hauses gelingt, das BAföG auf solidere Wir werden natürlich sehr stringent auf das Wirt- Beine zu stellen. Ich kann Ihnen für die FDP sa- schaftsministerium schauen; denn dort gibt es eine gen, dass das wahrscheinlich noch nicht das Ende ganze Reihe von ähnlichen Projekten. Wir werden vom Lied ist; denn es kommt darauf an, dass wir darauf schauen, dass das effizient eingesetzt wird. Menschen unterstützen, die sich sonst keine Bil- Wir werden darauf schauen, dass die Wirtschaft an dung leisten können. Dazu gehört zwingend das dieser Stelle Geld ins System gibt, was die FDP zweite Bein, nämlich Stipendien. Ich will genauso seit vielen Jahren fordert. Lieber Herr Hagemann, wie beim letzten Mal an dieser Stelle darauf ver- das ist Ihnen nie gelungen. Sie haben immer nur weisen, welch ein erfolgreiches Modell wir hier auf gesagt: Die Wirtschaft profitiert davon. – Nie haben den Weg bringen. Sie zusätzliches Geld hereinbekommen. Das ist aber unser Ziel, und wir sind jetzt den ersten (Beifall bei der FDP) Schritt gegangen. Da Sie so gerne nach den Prozenten fragen: (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Die neueste Prozentzahl für NRW besagt, dass Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2943

37 Prozent der Geförderten aus bildungsfernen heruntergerechnet. Das bedeutet für den Bund ei- Schichten kommen und einen Migrationshinter- ne Reduzierung seiner Verpflichtungen um grund haben. Lieber Herr Rossmann, was wollen 4 Milliarden Euro bis 2015. Das ist nicht gerade Sie eigentlich noch mehr? wenig. Sie können die Finanzierungslücke zwar schönrechnen, aber die Probleme im Bildungssys- (Klaus Hagemann [SPD]: Mehr!) tem werden dadurch nicht geringer. – Noch mehr? Das ist ja toll. Wir sind gerne bereit, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch mehr zu tun. Aber Ihre Modelle haben null und bei der SPD sowie bei Abgeordneten Prozent gebracht. der LINKEN) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Die Geldlücke korrespondiert leider mit ganz kon- Wir bringen hier ein Modell auf den Weg, wel- kreten Defiziten bei der Kinderbetreuung an den ches dazu führen wird, dass auch bildungsferne Hochschulen. Durch Rechentricks verschwindet Schichten Bildung bekommen. Das ist nach rund kein einziges Defizit. zehn Jahren SPD-Regierung auch dringend not- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ wendig. DIE GRÜNEN) (Klaus Hagemann [SPD]: Sogar die Wirtschaft Wenn aber 85 Prozent der öffentlichen Bil- hat Bedenken!) dungsausgaben von Ländern und Gemeinden ge- Wir werden uns in den nächsten Monaten auf leistet werden, dann ist es von zentraler Bedeu- ausdrücklichen Wunsch der Gesundheitspolitiker tung, ob das Geld, das der Bund mehr ausgeben mit dem Fakt befassen, dass der Hochschulpakt will, überhaupt dort ankommt, wo die Hauptprob- offensichtlich dazu tendiert, Studienplätze nicht im leme in unserem Bildungssystem bestehen. teuren, sondern im preisgünstigen Bereich in den Ländern zu fördern. Ich bitte Sie hier um Ihre Un- terstützung; Herr Rehberg, Sie haben hier schlicht die Un- wahrheit gesagt. Das Ganztagsschulprogramm (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Die Regie- von Rot-Grün läuft aus, und es gibt keine Fortset- rung oder uns?) zung. denn wir brauchen Ärzte in diesem Land. Ich bin (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei fest davon überzeugt, dass wir hier gemeinsam der SPD und der LINKEN) etwas auf den Weg bringen müssen. Nordrhein- Westfalen hat einen Vorschlag gemacht. Ich bitte Was findet stattdessen statt? Die Bundesministerin Sie alle, sich in Ihren Ländern diesen Vorschlag denkt sich stattdessen ein teures Begabtenförde- anzuschauen und darüber nachzudenken, wie wir rungsprogramm aus, gemeinsam die medizinische Versorgung in die- (Patrick Meinhardt [FDP]: Sehr gut!) sem Land verbessern können. das an den Hauptproblemen vorbeigeht, will aber, (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Mei- dass die Länder dieses mitfinanzieren. nen Sie uns? – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht an alle MPs!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Lassen Sie es uns anpacken, Herr Gehring. Das wird helfen. Das heißt, dass die Länder noch weniger Geld zur Verfügung haben, um die eigentlichen Hauptprob- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) leme im Bildungssystem zu bearbeiten. Sie schlie- ßen hier nicht eine Lücke, sondern Sie schaffen Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: zusätzliche Probleme. So sieht es nämlich aus. Das Wort hat die Kollegin Krista Sager von Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und LINKEN) bei der SPD) Jetzt haben Sie – das konnte man heute in den Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zeitungen lesen – angekündigt, Sie wollten die Steuerreform doch ganz schnell vorziehen und auf Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die den Weg bringen. Diese Ankündigung ist ein direk- Bundesregierung hat angekündigt, sich mit 40 Prozent an der Deckung der Finanzierungslü- ter Anschlag auf die Bildungspolitik in den Ländern und Gemeinden. cke beim Zehn-Prozent-Ziel im Bereich Forschung und Bildung zu beteiligen. Schauen wir uns die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Entwicklung genau an. Als Erstes wird in Kumpa- bei der SPD und der LINKEN – Patrick nei von Bund und Ländern die Finanzierungslücke Meinhardt [FDP]: Von Finanzen keine Ah- schöngerechnet. Sie wird um ungefähr nung!) 10 Milliarden auf 13 Milliarden Euro 2944 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Wir alle wissen doch, wie es in den Haushalten der verkünden, da Sie mit der FDP in einem Boot sit- Länder und Gemeinden aussieht. Es ist die Rede zen, wobei die Liberalen die Allerletzten sein wer- von 10 bis 20 Milliarden Euro Mindereinnahmen den, die kapieren, dass der Föderalismus und der durch diese Steuerreform. Frau Flach, ich frage Wettbewerb nicht alle Probleme in diesem Land Sie: Wo ist denn da das Leuchtturmprojekt für die lösen. Bildung? Sie reißen eine riesige Lücke und sagen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie dann, dass Sie sich am Lückenschluss beteiligen. bei Abgeordneten der SPD) Das kann doch wohl kein Leuchtturmprojekt sein. Frau Flach, Sie sind offensichtlich die Einzige in (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, diesem Saal, die nicht mitbekommen hat, dass die bei der SPD und der LINKEN – Patrick FDP als Allererstes gegen diesen Meinungswandel Meinhardt [FDP]: Wir vertrauen den Men- von Frau Schavan protestiert hat. schen!) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Die Konstruktionen, mit denen Sie versuchen, die wie bei Abgeordneten der SPD) Barrieren zu umschiffen, die Sie sich mit der Föde- ralismusreform selber aufgebaut haben, sind in- Frau Schavan, Sie haben jetzt drei Dinge er- zwischen nur noch peinlich und an Abenteuerlich- reicht: Sie haben sich erstens aus der öffentlichen keit kaum noch zu überbieten, Schusslinie gebracht, Sie haben zweitens sicher die Mehrheit der Bevölkerung in dieser Frage auf (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Ihrer Seite, und Sie haben drittens erreicht, dass wie bei Abgeordneten der SPD) die FDP als die Blöde dasteht. ob das das Konjunkturprogramm oder Ihre Bil- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dungsbündnisse vor Ort sind. Inzwischen sind bei der SPD und der LINKEN – Kai Geh- ganze Heerscharen von Beamten in Bund und ring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Ländern nur noch damit beschäftigt, zu klären, wie war schon vorher so!) man Verfassungsprobleme löst, statt damit, wie man die Probleme in der Bildung löst. Das ist wirk- In dieser Hinsicht haben Sie eines mit der Bundes- lich absurd. kanzlerin gemeinsam. Sie haben bewiesen, dass Sie intelligenter und wendiger als Ihr Koalitions- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und partner sind. Aber wo ist die Lösung des Prob- bei der SPD) lems? Sagen Sie nicht nur, dass Sie etwas dazu- Jetzt wird es interessant: Frau Schavan – das gelernt haben, sondern ergreifen Sie eine ernst zu hat man jetzt lesen können –, Sie haben sich in nehmende politische Initiative, um an die Lösung der Frage der gesamtstaatlichen Verantwortung für dieses Problems heranzugehen! Das ist für die Bil- die Bildung gewissermaßen von der Saula zur dung in diesem Staat dringend erforderlich. Paula gewandelt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ der SPD und der LINKEN) DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Dass Sie irgendwann merken, dass Sie als Bun- Das Wort hat die Bundesministerin Dr. Annette desministerin nicht die ganze Zeit mit Ihrer baden- Schavan. württembergischen Landesbrille herumrennen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) können, war abzusehen; (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für DIE GRÜNEN und der SPD) Bildung und Forschung: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! denn schließlich kann man nicht jahrelang als Meine Damen und Herren! Derzeit findet in Köln Bundesbildungsministerin erklären, dass man für Europas größte Bildungsmesse, die didacta, statt. die Hauptprobleme im Bildungssystem keinerlei Wer sich das Programm mit vielen Veranstaltun- Zuständigkeit hat. Wir alle machen Fehler. Leider gen über fünf Tage ansieht, der weiß, dass ist es aber so, dass Herr Müntefering und Herr Deutschland für viele, auch aus benachbarten Stoiber – das sind nämlich die Hauptverantwortli- Ländern, ein attraktiver Standort geworden ist, um chen gewesen – sich mit dem Grundgesetz eine über Perspektiven in Bildung und Wissenschaft zu ziemlich schlechte Spielwiese zum Begehen von diskutieren. Fehlern ausgesucht haben, weil man die Fehler leider nur schwer rückgängig machen kann. Für diejenigen, die da ausstellen, diskutieren und präsentieren, ist es ein ermutigendes Signal, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie dass diese Bundesregierung der Bildung und der bei Abgeordneten der LINKEN) Wissenschaft Priorität einräumt. Der Haus- Interessant finde ich schon, dass Sie, Frau Scha- halt 2010 ist ein deutliches, starkes Signal an alle van, Ihre Revision in dem Moment besonders laut Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2945 in Deutschland, die in Bildung und Bildungspolitik Deutschland gehe den richtigen Weg, da es an engagiert sind. den Vorhaben festhalte, die Priorität hätten –, son- dern auch mit den Konzepten, die dahinterstehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir beteiligen uns so konsequent wie nie zuvor an Das bezieht sich auf die Summen. Herr Hage- der Umgestaltung und Weiterentwicklung der mann, ich musste eben schon ein bisschen frühkindlichen Bildung. Ob das die Bildungshäu- schmunzeln. Ich bin gar nicht geneigt, über die ser sind, ob das das Haus der kleinen Forscher ist, letzten vier Jahre zu schimpfen, auch wenn ich von ob das Erzieherinnenfortbildungen sind, ob das Ihnen immer wieder kritisiert werde. flächendeckende Sprachförderungen sind: So konkret war es nie. Da Politik mit dem Betrachten (Klaus Hagemann [SPD]: Nein, ich habe Sie der Wirklichkeit beginnt, rate ich Ihnen, sich die gelobt!) konkreten Fortschritte vor Ort anzuschauen. Viele Da bin ich fast gezwungen, irgendwie zu antworten Partner machen mit. Die frühkindliche Bildung bei und zu sagen: Es war doch nicht alles Mist! Ich uns wird sich in einer Schnelligkeit wie nie zuvor finde eigentlich, das ist den Menschen gegenüber entwickeln. irgendwie blöd; sie verstehen uns nicht. (Klaus Hagemann [SPD]: Die Kitas klagen, Zu Ihrem Beispiel mit der mittelfristigen Fi- dass sie kein Geld haben!) nanzplanung: Eine solche Planung haben wir Wir arbeiten an lokalen Bündnissen für mehr Bil- doch in den letzten vier Jahren nie gehabt. dungsgerechtigkeit. Ich kann gut verstehen, dass (Klaus Hagemann [SPD]: Was?) man einer Bildungsministerin, die zehn Jahre Kul- tusministerin war, diese zehn Jahre und das damit Es gab jedes Jahr das Theater, dass all das, was verbundene Selbstbewusstsein immer wieder ein- im Haushalt des Vorjahres veranschlagt worden mal in Erinnerung ruft; das finde ich in Ordnung. war, im darauffolgenden Haushalt nur fortge- Ich stehe nämlich dazu. Ich habe nicht für das schrieben wurde. Es musste jedes Mal beim Punkt Kooperationsverbot gesorgt. null angefangen werden. Jedes Mal hat der Fi- nanzminister einen blauen Brief an die Bildungs- (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sie haben ministerin geschrieben – er ging natürlich zeit- von der Bundesratsbank geredet!) gleich an die Presse –, um deutlich zu machen, Sie werden keinen einzigen Satz von mir finden, dass diese Ministerin wieder viel zu viel fordert. mit dem ich zum Ausdruck gebracht habe: Födera- Dieses Theater ist in dieser Legislaturperiode lismus heißt Kooperationsverbot. Föderalismus erstmals beendet. heißt: Jeder muss wissen, wofür er Verantwortung (Widerspruch bei Abgeordneten der SPD) trägt; keiner kann seine Verantwortung an einen anderen abgeben; es gibt nach der Verfassung ei- Ja, es ist beendet. – Dieser Haushalt soll in der ne klare Aufgabenverteilung. Wir sollten an der für mittelfristigen Finanzplanung um 12 Milliarden Eu- moderne föderale Systeme kennzeichnenden kla- ro aufwachsen. Der Finanzminister hat vor Beginn ren Verteilung von Verantwortung festhalten; denn der Verhandlungen über den Haushalt 2010 ganz es macht überhaupt keinen Sinn, wenn der Bund deutlich gemacht, dass zeitnah die ersten für die Finanzierung aufkommt, wenn die Länder 750 Millionen Euro und im nächsten Jahr die dies nicht mehr leisten können. Wenn dies ge- nächsten 750 Millionen Euro zur Verfügung ste- schieht, kann das Ziel von 10 Prozent nicht er- hen. Durch dieses Aufwachsen wird der Haushalt reicht werden. Stattdessen kommt es dann zu ei- jetzt einen Gesamtumfang von 12 Milliarden Euro ner Verschiebung und zum Ausschluss einer zent- erreichen. ralen politischen Ebene. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wi- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) derspruch bei Abgeordneten der SPD) Deshalb habe ich mich in diesem Sinne ausge- – Ich verstehe, dass Sie neidisch sind. Wie Sie drückt. Ich werde für ein realistisches Vorgehen wissen, hat er es genau so gesagt. Das ist der werben. große Unterschied zu vorher. Bleiben Sie doch einfach ein bisschen näher an der Wahrheit. Das Ich weiß genau, wie es weitergeht: Die parla- dient eher der Glaubwürdigkeit in der Öffentlich- mentarische Opposition wird mich irgendwann mit keit. einem Antrag dazu auffordern, zu sagen, ob ich meine Ankündigung einhalte. Dieses wunderbare ( [SPD]: Warum schreibt Spiel können wir gern spielen; das machen wir man es dann nicht hinein in die mittelfris- auch. tige Finanzplanung?) (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Überzeugungskraft dieses Haushalts hat Nicht spielen, liefern und machen!) aber nicht nur etwas mit seinem Aufwuchs zu tun – durch ihn sind wir übrigens international ebenfalls – Das ist in Teilen ein Spiel. Sie wissen genau, in einer interessanten Position; die Wirtschaftskrise dass wir jetzt die Zeit nutzen. hat in vielen Bereichen zugeschlagen; viele sagen, 2946 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

(Dagmar Ziegler [SPD]: Dass Sie sich nicht mich noch gut an die Debatte, als hier an meinem durchsetzen werden!) Platz Peer Steinbrück gestanden hat und vor allen Dingen an die Adresse seiner eigenen Fraktion ge- – Wie hieß der Kovorsitzende? Fragen Sie einmal richtet erklärt hat, dass er doch zugeben müsse, den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten! Er dass es Frau Schavan war, die die BAföG- hat mir noch vor einigen Wochen gesagt, er werde Erhöhung gewollt habe. sich nach der Verabschiedung des Ganztags- schulprogramms kein zweites Mal in sein Land (Klaus Hagemann [SPD]: Weil wir Druck ge- hineinregieren lassen. Das Ganztagsschulpro- macht haben, Frau Schavan!) gramm sei der Sündenfall gewesen, so lautete die – Weil Sie Druck gemacht haben auf Ihren Fi- Argumentation aus der SPD. Also tun Sie nicht so nanzminister? Na gut, das ist eine neue Variante. scheinheilig! Die Variante ist klasse: SPD macht Druck auf (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wider- Steinbrück, und dann kommt das, was die Bil- spruch bei Abgeordneten der SPD) dungsministerin immer schon wollte. So war das bei der Lehre, genauso war das beim BAföG! Ich glaube, dass wir in unserem Koalitionsver- trag deutlich gemacht haben, dass es eine Menge (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und Dinge gibt, die wir gemeinsam tun können und der FDP – Zurufe von der SPD) auch gemeinsam tun werden. Die BAföG-Erhöhung ist, wie Frau Flach eben (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Dann fan- gesagt hat, ein wichtiges Instrument der Grundsi- gen Sie an!) cherung. Deshalb wird es kontinuierlich weiterent- wickelt. Wir werden nicht sieben oder acht Jahre Das bezieht sich aber nicht allein auf die Projekte lang nichts tun und keinerlei Anpassungen an die im Koalitionsvertrag, sondern dazu gehören auch Lebenshaltungskosten vornehmen, und erst recht die großen Pakte. Hierzu muss ich einmal sagen: werden wir, wenn wir das BAföG erhöhen, nicht Über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, wurde darüber das machen, was Sie während Ihrer Regierungs- geredet, dass die Lehre ein Stiefkinddasein an zeit gemacht haben: Sie haben nämlich das Geld, den deutschen Universitäten friste. das Sie für die BAföG-Erhöhung benötigt haben, (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Ja!) den Studenten an anderer Stelle wieder wegge- nommen. – Und, was haben Sie gemacht? (Klaus Hagemann [SPD]: Wir haben 5 Prozent (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Was vorgeschlagen!) hat denn Koch damals gemacht, als es um die Bologna-Zentren ging?) Wir werden die Hightech-Strategie auf die Be- reiche Gesundheit, Klima und Energie, Mobilitäts- – Auf den Satz habe ich gewartet. Dazu kann ich sicherheit und Kommunikation konzentrieren. Wir nur sagen: Eine Ministerin setzt entweder ein Pro- werden sie auch nach Europa tragen. Ich glaube, jekt so um, dass es nicht beim Bundesverfas- es ist ein ganz zentraler Punkt, dass wir unsere sungsgericht landet, oder sie setzt sich nicht forschungspolitischen Erfahrungen in die Europäi- durch. sche Union einbringen. Das Gleiche, was für Jetzt liegt der erste Vorschlag auf dem Tisch, Deutschland gilt, gilt nämlich auch dort: Wir brau- die Säule „Hochschulpakt“ als dritte Säule zu ver- chen insgesamt mehr Investitionen in die For- ankern. schung. Wir müssen Unternehmen in diesem Sin- ne mobilisieren. Das Gleiche gilt auch für die Zu- (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- sammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirt- NEN]: Haben wir schon vor drei Jahren gefordert! – Weiterer Zuruf vom BÜND- schaft. NIS 90/DIE GRÜNEN) Wir sind verlässliche Partner der Hochschulen und der Forschungsorganisationen in den neuen Es gibt den Vorschlag zu einer Säule, die aus- Ländern. Ich weiß, warum Sie das nicht wahr- schließlich auf die Lehre konzentriert ist. Die Ver- handlungen mit den Ländern laufen wunderbar. nehmen; denn nur wer in die neuen Länder fährt, mit Rektoren und Verantwortlichen in unseren For- Wir werden erstmals in der Geschichte der Bun- desrepublik Deutschland nicht nur viel Bundesgeld schungsinstituten spricht, der bekommt das mit und erfährt, dass Kontinuität in der Förderung und in die Forschung investieren, sondern viel Geld, bei den Konzepten viel bewirkt. Deshalb werden nämlich genauso hohe Milliardenbeträge wie für wir mit großer Konsequenz bei all dem, was die die schon bestehende Exzellenzinitiative, für die neuen Länder und den Pakt für Forschung und In- Lehre in die Hand nehmen. Das sind unsere star- ken Signale auch an die Studierenden. novation angeht, weitermachen. Damit entstehen genau die Leuchttürme, die in den strukturschwa- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) chen Regionen notwendig sind. Zum BAföG ist schon viel gesagt worden. Wir erhöhen es und modernisieren es. Ich erinnere Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2947

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – (Klaus Hagemann [SPD]: Deswegen kürzen Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Wei- Sie beim DAAD!) termachen! Weitermachen!) – Ich kürze nicht, sondern wir verstärken. Wir stärken nicht nur die Allianzen zwischen Was die Ganztagsschulen angeht – Herr Reh- Wissenschaft und Wirtschaft, den Spitzencluster- berg hat es angesprochen –, ist der Wunsch Wettbewerb und die Innovationsallianzen, son- dern wir arbeiten auch – das steht ebenfalls im (Klaus Hagemann [SPD]: Ah! Neue Ankündi- Koalitionsvertrag – daran, wie wir steuerliche An- gungen!) reize für Investitionen unserer Unternehmen in der über 7 000 erfüllt worden, Herr Hagemann. Wir Forschung und Entwicklung schaffen können. Das werden, wenn die Phase des Bauens zu Ende ist auch ein völlig neues Instrument, das es bislang geht, den Schulen in jedem Land die Servicestelle in Deutschland nicht gegeben hat. Auch damit zur Verfügung stellen, die Schulentwicklung er- werden wir den Forschungsstandort Deutschland möglicht und begleitet. Das sind nicht Milliarden, stärken. sondern Millionen; aber auch das ist eine richtige (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Antwort auf Schulentwicklung in Deutschland und ein Beispiel für Zusammenarbeit. Nachdem wir über zehn Jahre lang über die Abwanderung von Spitzenforschern diskutiert ha- Ich danke den Mitgliedern des Haushaltsaus- ben, kommt jetzt schon die zweite Runde an Spit- schusses und den Regierungsfraktionen dafür, zenforschern über Humboldt-Professuren nach dass ein solcher Haushalt entstehen konnte, des- Deutschland. Sehen Sie sich einmal die Listen an: sen Wachstumsrate höher ist als die Wachstums- Das sind absolute Spitzentypen aus allen Regio- rate des Bundeshaushaltes. Das ist ein gutes Zei- nen der Welt. Dafür ist viel investiert worden. Ich chen und ein starkes Signal. glaube, das ist eine Investition, durch die Men- Herzlichen Dank. schen nach Deutschland geholt werden, die im Üb- rigen auch für unsere Studierenden und für unsere (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Hochschulen interessant sind. Wir holen nämlich die Besten nach Deutschland, weil wir immer wie- Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: der neue Akzente brauchen.Wir wollen, dass die- Das Wort hat jetzt die Kollegin Dagmar Ziegler ses Land eine Talentschmiede ist. Wir haben von der SPD-Fraktion. schon manches erreicht und werden genau auf diesem Weg weitergehen. (Beifall bei der SPD)

Dagmar Ziegler (SPD): Wenn Sie sich ewig über Eliten- und Begab- Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehr- tenförderung aufregen – ich habe überhaupt nicht ten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und verstanden, welchen Zusammenhang Sie eben Kollegen! Vielleicht können wir uns in dieser De- zwischen Schluss mit Ganztagsschulen und Be- batte wenigstens auf eines einigen: Alle Bildungs- gabtenförderung herstellen wollten –, dann kann politikerinnen und -politiker in diesem Haus eint die ich nur sagen: Ich stehe zur Talentförderung. Ich Überzeugung, mit ihrer Arbeit etwas für die Zu- stehe zu Spitzenforschern. Ich bin der Meinung: kunft unseres Landes zu leisten. Bildung hat eine Wer sich um die Spitze nicht kümmert, der wird Schlüsselfunktion für die Lebenschancen der Men- auch dauerhaft die Breite nicht mehr mit Bildung schen und auch für den Wohlstand von morgen. und Wissenschaft erreichen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dass wir uns trotzdem in der Bildungspolitik im- Wir bauen die Internationalisierung unserer Bil- mer wieder streiten müssen, liegt daran, dass man dungs- und Forschungspolitik konsequent aus. in zentralen Grundsatzfragen ganz unterschiedli- cher Überzeugung sein kann: Sehe ich Bildung als (Klaus Hagemann [SPD]: Es wird beim DAAD öffentliches Gut an, oder sehe ich es mehr als Pri- gestrichen!) vatangelegenheit an? Möchte ich die Chancen- Wenn wir eine solche Debatte führen, dann sollten gleichheit verbessern oder aber bestimmte Grup- wir über den eigenen Tellerrand hinausschauen pen bevorzugen? Das sind Grundsatzfragen, auf und auch die Verantwortung wahrnehmen, Herr die Union und FDP andere Antworten geben als Hagemann, die über Baden-Württemberg, Rhein- die Sozialdemokratie. land-Pfalz und Schleswig-Holstein hinausgeht. Die Das Ergebnis ist – wie in fast allen anderen Poli- Internationalisierung, die sich auf die Schwellen- tikfeldern auch – eine schwarz-gelbe Klientelpolitik, und Entwicklungsländer bezieht, ist für uns ein die die Bildungschancen privatisiert, die Zukunft Schwerpunkt. Auch hierzu finden Sie in diesem der Menschen deren Herkunft überlässt und die Haushalt erste Ansätze. enormen sozialen Ungleichheiten in der Bildung verfestigt, 2948 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

(Albert Rupprecht [Weiden] [CDU/CSU]: Die Das Bundesverfassungsgericht hat uns die Be- HIS-Studie hat das widerlegt!) kämpfung von Bildungsarmut als Auftrag gege- ben. Heute gab es von der Ministerin kein Wort statt Bildungspolitik am Ziel gleicher Chancen auf dazu. Eigenständige Kinderregelsätze, die die beste Bildung für alle auszurichten. gleiche Teilhabe an Bildung für alle Kinder und Ju- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) gendlichen auf der materiellen Seite absichern, sind die eine Seite der Medaille. Die andere Seite Herr Leutert hat die Stichworte heute schon ge- lautet: Stärkung der Bildungsinfrastruktur. nannt: Studiengebühren, Stipendien, Bildungs- sparkonten, Betreuungsgeld. Weil aber auch (Beifall bei der SPD) Schwarz-Gelb weiß, dass eine solche Politik Nun hat auch die Bundesbildungsministerin das schnell als sozial kalt erkannt werden könnte, wird Wort Bildungsarmut neuerdings in ihren Wort- das „Hauptgericht“ der Bildungsprivatisierung mit schatz aufgenommen. Mir ist aber noch nicht klar ein bisschen Sozialsymbolik und Fürsorgerhetorik geworden, was sich eigentlich hinter ihren „Bil- garniert, in der Hoffnung, dass die Menschen nicht dungsbündnissen“ verbergen soll. Auch dazu hat merken, was ihnen da tatsächlich serviert werden sie keine Ausführungen gemacht. Sehr wohl ist mir soll. Außerdem ist die Bildungspolitik der schwarz- aber klar, was die Bundesregierung machen müss- gelben Bundesregierung bislang über Ankündi- te, wenn sie es mit der Bekämpfung von Bildungs- gungen nicht hinausgekommen. Ihre Gestaltungs- armut ernst meinen würde: Sie müsste alles da- kraft erschöpft sich in ganzen Ketten von Ankündi- ransetzen, gemeinsam mit den Ländern eine ver- gungen – manchmal sogar falscher –, etwas tun zu bindliche nationale Initiative zur Stärkung und Ver- wollen, ohne dass sie konkret sagen würde, was. besserung der Bildungsinfrastruktur zu vereinba- Bildungssparen, lokale Bündnisse, Ausbildungs- ren. schirm, Weiterbildungsallianzen, Bologna- Mobilitätspaket – statt diese Vorhaben und Pro- (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann jekte hier zur Debatte zu stellen, finden sich nur [SPD]) marketingoptimierte Überschriften und Etiketten. Konkret müsste das bedeuten: Erstens. Ver- (Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP) bindliche Vereinbarungen für den weiteren Ausbau und einheitliche Qualitätsstandards in der frühkind- Wir hätten unsere Rede fast gemeinsam schreiben lichen Bildung. können. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Genau!) (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Wenn es so auf- fällt!) Zweitens. Verbindliche Vereinbarungen für den flächendeckenden Ausbau der Ganztagsschulan- – Genau. gebote. Drittens. Verbindliche Vereinbarungen für (Heiner Kamp [FDP]: Ah! Kaderschmiede! eine bessere Personalausstattung von Kitas, Kin- Hört! Hört!) dergärten und Schulen. Meine Damen und Herren, mit dem gescheiter- (Beifall bei der SPD) ten Bildungsgipfel vom Dezember letzten Jahres Viertens. Verbindliche Vereinbarungen für eine ist der Bildung mindestens ein halbes Jahr verlo- Fachkräfteoffensive bei Erzieherinnen und Erzie- ren gegangen. hern. Fünftens. Verbindliche Vereinbarungen für (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Gebührenfreiheit von Anfang an. Jetzt richten sich die Erwartungen auf das nächste (Beifall bei der SPD) Treffen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten Und schließlich: Verbindliche Vereinbarungen für im Juni. Liebe Ministerin, es wird höchste Zeit, ein kostenloses warmes Mittagessen in allen Kitas dass Sie liefern und wir hier im Bundestag endlich und Schulen, für Lehrmittelfreiheit und kostenlosen einmal wieder über konkrete Vorschläge der Bun- Förderunterricht überall und für flächendeckende desregierung diskutieren können. Schulsozialarbeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann der LINKEN) [SPD]) Ich habe die Befürchtung, dass beim dritten Bil- Wenn Sie diese Schwerpunkte setzen würden – dungsgipfel einmal mehr über Finanztransferwege mit dem Fokus auf starke Institutionen und funktio- gestritten, aber wieder nicht über Bildung geredet nierende Infrastrukturen, abgesichert durch wird. Dabei glaube ich, dass der Bildungsgipfel Rechtsansprüche –, dann hätten Sie unseren ehr- 2010 nach den beiden glücklosen Anläufen 2008 lichen Respekt und unsere volle Unterstützung. und 2009 tatsächlich eine echte Chance bieten Sie brauchen nur den politischen Gestaltungswil- könnte: für substanzielle Schritte, für mehr Chan- len und den richtigen Ansatz. cengleichheit und für substanzielle Ver- einbarungen zur Bekämpfung von Bildungsarmut. (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2949

Eine letzte Bemerkung zum Stichwort Symbol- schen Ihrer Bildungspolitik, meine Damen und Her- politik. Politik sollte nicht nur lernfähig, sondern ren auf der linken Seite dieses Hauses, und unse- immer auch glaubwürdig sein. Wenn Frau Scha- rer Bildungspolitik ist in erster Linie eine Frage der van neuerdings beim Thema Bildungsföderalismus Geisteshaltung. mit der Forderung, das schon so oft zitierte Koope- (Beifall bei der FDP – Klaus Hagemann [SPD]: rationsverbot aufzuheben, Lernfähigkeit unter Be- Siehe Herr Westerwelle!) weis stellen möchte, dann kann das nur glaubwür- dig sein, wenn sie diesem Haus einen entspre- Wir wollen kreative Kräfte in unseren Kindergärten, chenden Gesetzentwurf für eine Grundgesetz- Schulen und Hochschulen freisetzen und fördern. änderung vorlegt. Sie wollen Dirigismus und bürokratische Hürden. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der FDP) Wenn Sie, Frau Ministerin, das nicht tun, werden Wir wollen faire Möglichkeiten für öffentliche und wir es tun. freie Schulen und Hochschulen, während Sie im- mer noch an Ihren staatsgläubigen Konzepten aus Vielen Dank. dem 19. Jahrhundert festhalten. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Patrick Meinhardt Wir wollen Selbstverantwortung und Chancen- von der FDP-Fraktion. gleichheit am Start an den Bildungseinrichtungen in Deutschland. Sie wollen Leistung bestrafen und (Beifall bei der FDP – Kai Gehring neue Hürden aufbauen. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie halten Sie es mit dem Föderalismus? – Krista (Beifall bei Abgeordneten der FDP – La- Sager [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: chen bei der SPD – Klaus Hagemann Herr Meinhardt, sagen Sie doch mal et- [SPD]: Lächerlich!) was zum Kooperationsverbot!) Kurz: Sie glauben immer noch an zentrale Steu- erung. Wir setzen auf individuelle Förderung und Patrick Meinhardt (FDP): die Vielfalt der Bildungswege; das ist auch der Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kolle- richtige Weg. gen! Bildung ist die soziale Frage des (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der 21. Jahrhunderts. Gerade weil dies so ist, gerade CDU/CSU) weil wir Bildungsarmut in diesem Land wirksam bekämpfen müssen und gerade weil die Schaffung Bei der Forschung legen wir dynamisch zu. Der von mehr Bildungsgerechtigkeit die Perspektive gerade veröffentlichte Europäische Innovationsan- dieser Regierung der Mitte ist, werden wir in den zeiger spricht eine ganz klare Sprache. Deutsch- kommenden vier Jahren 12 Milliarden Euro mehr land zählt neben den skandinavischen Ländern in die Hand nehmen. Dies ist ein historisches und Großbritannien zu den innovativsten Ländern Wachstum für den Bildungsbereich. Dies ist die in der EU. Im internationalen Standortwettbewerb Botschaft dieser Bundesregierung: Wir werden in ist es für uns Deutsche außerordentlich wichtig, al- Deutschland für mehr Bildungsgerechtigkeit sor- le verfügbaren Kräfte zu mobilisieren. gen. Deswegen wollen wir den Forschern bereits in (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) diesem Jahr ermöglichen, ihre Forschungsergeb- nisse auf eine mögliche spätere Anwendung hin zu Der von der Regierung der Mitte eingebrachte untersuchen. Sie sollen in die Lage versetzt wer- Bundeshaushalt ist ein deutliches Zeichen des den, den nächsten Schritt zu gehen, nachdem sie Aufbruchs, ein deutliches Zeichen der Modernisie- ihre eigentlichen Entdeckungen in der Grundlagen- rung unseres Landes. Mit einem Plus von forschung abgeschlossen haben. Daher werden 750 Millionen Euro, einer Steigerung von wir noch in diesem Jahr – das ist, wie Sie gesehen 56 Prozent bei der Begabtenförderung, von haben, im Haushalt verankert – das Instrument der 69 Prozent bei der Modernisierung und Stärkung Validierungsförderung als eigenständige Förderli- der beruflichen Bildung, von 54 Prozent beim le- nie einführen. Das ist ein enorm wichtiger Ansatz benslangen Lernen setzen wir ein glasklares Zei- in der Forschungspolitik. chen: Bildung und Forschung haben für uns obers- te Priorität. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – René Röspel [SPD]: Herr Meinhardt, För- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) derung oder Forschung?) Mit diesen Maßnahmen schlägt die Bundesre- An dieser Stelle möchte ich auch auf die neue gierung der Mitte ein neues Kapitel für eine mo- Hightech-Strategie der Regierung der Mitte zu derne Bildungs- und Forschungspolitik auf. Um ei- sprechen kommen. Ein Beispiel für das Neue ist nes sehr deutlich zu sagen: Der Unterschied zwi- das Instrument der Innovationsallianzen, in denen 2950 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 bei Forschung und Entwicklung Wirtschaft und aus euch. Wir investieren in eure Köpfe. Denn wir Wissenschaft bei bestimmten anwendungsnahen trauen euch was zu. Themen zusammenarbeiten. Genau so muss es Vielen herzlichen Dank. gehen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) (René Röspel [SPD]: Das gibt es doch seit 2007 schon!) Konkret schlägt sich das bereits im Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität nieder. Wir Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: wollen die Forschung und Entwicklung, die Markt- Das Wort hat die Kollegin Dr. Rosemarie Hein vorbereitung und die Markteinführung von rein von der Fraktion Die Linke. elektrisch angetriebenen Fahrzeugen voranbrin- (Beifall bei der LINKEN) gen. Jetzt werden wir die Entwicklung verstetigen und dem Technologiefortschritt anpassen. An vie- Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE): len Stellen dieser Wertschöpfungskette gibt es Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! noch erheblichen FuE-Bedarf, Optimierungsbedarf 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sollen in und Vernetzungsbedarf. Auch dabei haben wir uns der Bundesrepublik Deutschland künftig für Bil- in dieser Koalition gemeinsam auf einen erfolgrei- dung und Forschung ausgegeben werden. Das chen Weg gemacht. scheint ein ehrgeiziges Ziel zu sein; denn Deutsch- (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der land liegt hier immer noch unter dem OECD- CDU/CSU) Durchschnitt. Gleichzeitig wird landauf, landab die große Abhängigkeit des Bildungszuganges von der Ich bin mit dem Tempo dieser Regierung bei sozialen Herkunft beklagt, was offensichtlich auch Bildung und Forschung sehr zufrieden. Erst haben die Bundesbildungsministerin umtreibt. Darum be- wir die Bildungsprämie auf 500 Euro verdreifacht. gründet sie einen Großteil der Finanzposten im Bil- Fragen Sie vor Ort in Ihren Wahlkreisen nach. dungshaushalt – wie mein Kollege Vorredner auch Jetzt haben wir eine deutlich attraktivere Höhe. – mit der Absicht, einen Nachteilsausgleich für die Diese Entscheidung war goldrichtig. Schwächeren leisten zu wollen, um soziale Ge- (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der rechtigkeit herzustellen. CDU/CSU) Doch bleiben wir zunächst bei den Zahlen: Dann kommt die BAföG-Modernisierung mit der 10 Prozent im Bundesdurchschnitt. Man wolle den Erhöhung der Freibeträge und Bedarfssätze, dem Ländern helfen – so war zu lesen und zu hören –, Ende für die Altersgrenze von 30 Jahren bei der dieses Ziel ebenfalls zu erreichen. Schon diese Masterförderung und für die Benachteiligung bei Formulierung macht deutlich, worum es geht: Nicht einem Fachrichtungswechsel, mit einer besseren der Bund will zahlen, sondern die Länder sollen Anerkennung von Kinderbetreuungszeiten, einem zahlen. Abbau von Bürokratie, einer Vereinfachung des Zur Illustration möchte ich Ihnen drei Zahlen Verfahrens und der klaren Ansage, alle zwei Jahre nennen: 11, 23 und 3. Nein, meine Damen und eine Anpassung vorzunehmen. Das bedeutet in Herren von der FDP, das ist nicht das neue Steu- vier Jahren circa 1,6 Milliarden Euro mehr. Das ist erkonzept der Linken ein wirkliches Aufwuchsprogramm für die Studie- renden in der Bundesrepublik Deutschland. (Patrick Meinhardt [FDP]: Würde uns auch wundern!) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) – das würde Sie wundern, mich auch –, sondern Im gleichen Atemzug werden wir eine unglaubli- das sind die Bildungsanteile in den aktuellen che Ungerechtigkeit in diesem Land beenden. Haushalten von Bund, Ländern und Kommunen. 98,1 Prozent der Studierenden wird die Chance Mehr als 11 Prozent wendet meine Heimatstadt auf ein Stipendium vorenthalten. Das ist durch Magdeburg in diesem Jahr für die Bildungsfinan- und durch unsozial. Wir wollen die Rate der Sti- zierung auf, und zwar ohne Kinderbetreuung, über pendien verfünffachen und damit endlich die rote 23 Prozent das Land Sachsen-Anhalt, aus dem ich Laterne bei der Begabungsförderung abgeben, komme, und gerade einmal 3 Prozent stehen im damit in diesem Land wieder mehr Bildungsge- Bundeshaushalt zur Verfügung. rechtigkeit bei der Talentförderung herrscht. Der Haushalt des BMBF umfasst knapp 11 Mil- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) liarden Euro. Allein für das geplante Steuersen- Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen kungspaket will die Bundesregierung ab 2011 und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, mehr als das Doppelte ausgeben. Oder: Für die wir glauben an die Menschen in unserem Land, an Bildung will der Bund jährlich im Durchschnitt ihre Talente, an ihre Kreativität und an ihre Leis- 3 Milliarden Euro mehr ausgeben, achtmal so hoch tungsbereitschaft. Wir wollen den Menschen mit sollen die Steuergeschenke ab 2011 ausfallen. diesem Haushalt ein Zeichen geben: Macht was Man darf gespannt sein, in welcher Grö- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2951

ßenordnung dieses Steuerpaket, das Sie bereits ein Leistungsstipendium vielleicht helfen, aber angekündigt haben, ausfallen wird. Wie wäre es nicht denen, die es wirklich nötig haben. damit: Lassen Sie es einfach. Geben Sie dieses (Beifall bei der LINKEN) Geld in die auskömmliche Finanzierung von Bil- dung. Das Programm des Bundes wirkt fast wie eine Gelddruckmaschine; denn der Bund finanziert das (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem Stipendium mit einem Anteil von nur 75 Euro – das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) entspricht einem Viertel –, weitere 75 Euro sollen Das wären zusammen 27 Milliarden Euro mehr pro von den Ländern kommen und die Hälfte aus pri- Jahr, und damit würden wir den nötigen Zielzahlen vater Hand. Für den Bund nenne ich das eine or- ein gutes Stück näherkommen. dentliche Rendite, praktisch gesehen ist es aber ein weiterer Einstieg in die Privatisierung der Bil- (Beifall bei der LINKEN – Patrick Meinhardt dungskosten. Die Mittel für dieses Programm wä- [FDP]: Wir vertrauen den Menschen!) ren besser im BAföG-System für Schülerinnen und Wer 3 Milliarden Euro zusätzlich in die Bildung Schüler sowie Studierende aufgehoben; denn da- investieren will, aber Steuergeschenke in Höhe rauf gibt es wenigstens einen Rechtsanspruch. von 24 Milliarden Euro macht und dann noch be- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abge- hauptet – wie Sie eben, Herr Meinhardt –, dass mit ordneten der SPD und des BÜNDNIS- dem Haushalt den sozialen Ungerechtigkeiten im SES 90/DIE GRÜNEN) Bildungssystem entgegengewirkt werden soll, Doch an das BAföG gehen Sie sehr vorsichtig her- (Patrick Meinhardt [FDP]: Exakt!) an. Bis heute gibt es kein auskömmliches Angebot. der hat offensichtlich ein komisches Verständnis Man darf gespannt sein, was Sie noch vorlegen von sozialer Gerechtigkeit. werden. Wir brauchen die Aufstockung der Beträ- ge, die Erweiterung des Kreises der Anspruchsbe- (Beifall bei der LINKEN und der SPD so- rechtigten und die Beendigung der Rückzahlungs- wie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES pflicht. Das wäre ein wirklicher Nachteilsausgleich. 90/DIE GRÜNEN) Das Stipendienprogramm ist es nicht. Sie haben die 1,3 Milliarden Euro, die wir bean- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- tragt haben, kritisiert. Dabei waren wir noch be- neten der SPD) scheiden gewesen. Aber auch 11 Milliarden Euro sind ja nicht nichts. Man kann auch damit Vernünf- Nehmen wir den Bereich der beruflichen Bil- tiges tun. dung, den die Bundesministerin gern als das Flaggschiff des deutschen Bildungswesens be- Schauen wir uns die Details an: Für den zeichnet. Dafür gibt es sogar noch Bundeszustän- Nachteilsausgleich ist der Bundesregierung etwas digkeiten. Wir werden Anfang April den Berufsbil- Seltsames eingefallen: ein nationales dungsbericht erhalten. Der wird uns den Spiegel Stipendienprogramm. vorhalten: Immer noch sind es 1,5 Millionen junger (Patrick Meinhardt [FDP]: Hervorragend!) Menschen zwischen 20 und 30 Jahren, die keine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Wir Herr Meinhardt hat eben darüber gesprochen. Das hört sich zunächst gut an. Ein Leistungsstipendi- werden wohl erstmals mit Zahlen über die Bugwel- le konfrontiert werden, also mit der Zahl jener Ju- um soll es sein, ganz nach dem Motto: Leistung gendlichen, die sich in Schulen weiter in Warte- muss sich wieder lohnen. schleifen befinden und gar nicht erst einen Ausbil- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) dungsplatz erhalten. Ihre Projekte dort wirken wie – Sie klatschen an der falschen Stelle. – Die eine Notfallambulanz: Übergangsmaßnahmen, am Mangel wird herumgedoktert, eine konjunk- Chance, ein Leistungsstipendium zu erhalten, ha- ben nur diejenigen, die die Hürde genommen ha- turunabhängige Ausbildungsfinanzierung steht nicht zur Debatte. ben, ein Studium finanzieren zu können; aber da- ran scheitern viele in diesem Land. Dort liegt die Ganz peinlich wird es, wenn man auf die Felder soziale Ungerechtigkeit. schaut, bei denen die Bundesregierung überhaupt keine Kompetenzen hat. Gegen die lokalen Bil- (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der dungsbündnisse ist eigentlich nichts zu sagen, SPD) wenn es um die Öffnung von Schule geht; aber Sie Was glauben Sie, wie es Jugendlichen aus wollen leistungsschwache Kinder und Jugendliche Hartz-IV-Familien oder aus Familien mit geringem stärker fördern. Förderunterricht wollen Sie anbie- Einkommen gelingen soll, ein Studium zu finanzie- ten. Aber individuelle Förderung ist ein Auftrag an ren? Von einem Leistungsstipendium haben nur die Schule und nicht an zusätzliche private Anbie- diejenigen etwas, deren Eltern so viel verdienen, ter. Wenn Sie auf diesem Gebiet etwas tun wollen, dass sie das Studium finanzieren können, oder muss das Geld in die Schulen fließen. diejenigen, die nur wenig jobben müssen, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Denen kann 2952 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Das Ganztagsschulprogramm ist auch ein Prob- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lem. Jetzt planen Sie 6,3 Millionen Euro ein. Was sowie bei Abgeordneten der SPD und der wollen Sie damit eigentlich finanzieren? Für Be- LINKEN) sichtigungsreisen wird es wahrscheinlich reichen, Das ist auf unserem Mist gewachsen. Ich finde, für mehr aber nicht. Sie sollten einen Vorschlag vorlegen, das konkret Ich bleibe dabei: Das Kooperationsverbot war ändern und dieses Kooperationsverbot aufheben. der schwerste bildungspolitische Fehler in der jün- Dann kann man einen gesamtstaatlichen Bil- geren Geschichte. Darum, Frau Schavan: Nutzen dungsaufbruch auch wirklich organisieren. Sie einfach den Antrag der Linken, der in der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- nächsten Sitzungswoche im Plenum behandelt wie bei Abgeordneten der SPD) wird. Legen Sie einen entsprechenden Gesetzent- wurf vor. Wir wollen für alle drei Ebenen – Bund, Ich finde es schon witzig, dass Sie landauf, Länder und Kommunen – die gleiche Verantwor- landab mit der rosaroten Brille der Ministerin her- tung bei der Finanzierung. Mit „11, 23 und 3“ muss umlaufen und überall „12 Milliarden Euro für Bil- Schluss sein. Wir wollen eine Gemeinschaftsauf- dung“ promoten. Dabei stehen im Haushalt 2010 gabe Bildung, und die kann nur in gleicher Verant- lediglich 700 Millio-nen Euro, und das auch noch wortung finanziert werden. Dafür treten wir ein. als ungedeckte Schecks, da sie mit Sperrvermer- Das, was Sie leisten, reicht bei weitem nicht aus. ken und Ländervorbehalten versehen sind. Allein deshalb muss man fragen: Wie wollen Sie das ei- (Beifall bei der LINKEN) gentlich über die Dauer einer Legislaturperiode hinbekommen? Dazu kann man nur sagen: Die Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: schwarz-gelbe Bildungsrepublik bleibt offensicht- Das Wort hat der Kollege Kai Gehring vom lich eine Fata Morgana. Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) bei der SPD) Was für den Haushalt 2010 gilt, wird beim Haushalt 2011 noch viel schlimmer: Wir haben ei- Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ne explodierende Schuldenlast. Sie haben eine nie Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! da gewesene Rekordneuverschuldung beschlos- Frau Schavan, ich möchte direkt auf Ihre Rede re- sen. Es gibt eine Schuldenbremse, die Sie einhal- agieren, weil ich finde, dass das, was Sie hier zur ten müssen. Also müssen Sie ab dem nächsten Föderalismusreform vorgetragen haben, so nicht Jahr um mindestens 10 Milliarden Euro pro Jahr stehen bleiben kann. Das war Geschichtsklitte- kürzen. Dann gibt es noch den Steuersenkungs- rung. Das waren Halbwahrheiten. Das kann man fetischismus der FDP. Wie wollen Sie vor diesem Ihnen nicht durchgehen lassen. Hintergrund das 12-Milliarden-Euro-Ziel erreichen? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Eine Antwort darauf fände ich sehr interessant. wie bei Abgeordneten der SPD) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Sie waren damals für das Kooperationsverbot. wie bei Abgeordneten der SPD) Dazu gibt es Äußerungen von Ihnen. Zum Beispiel Wir Grüne haben verschiedene Finanzierungs- im Ausschuss und auch öffentlich haben Sie sich vorschläge gemacht. Bei einem hoffe ich immer dazu geäußert. noch, dass er irgendwann aufgegriffen wird: beim (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bildungssoli. Mit dem Bildungssoli ließe sich ein Ja! Natürlich!) gesamtstaatlicher Bildungsaufbruch organisieren. Dazu sollten Sie stehen und nicht einfach das Ge- Geld ist das eine; das andere ist die Prioritä- genteil vorgaukeln. Das wäre dann eine Stärke von tensetzung. Wir sagen ganz klar: Wir brauchen Ihnen. Dann könnte man sagen: Von Saula zur einen Aufstieg durch Bildung statt einer blockierten Paula. Lasst uns gemeinsam etwas machen und Gesellschaft. Wir brauchen ein gerechtes Bil- dieses unsinnige Kooperationsverbot wieder auf- dungssystem statt des weit verbreiteten Schubla- heben. dendenkens. Wir brauchen mehr Akademiker und keinen immer größeren Fachkräftemangel. Diese (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Prioritäten setzen Sie von Schwarz-Gelb leider der SPD und der LINKEN) überhaupt nicht, sondern Sie stellen die Weichen Sie haben es doch dem damaligen Einsatz von falsch. Ein Beispiel dafür ist die Studienfinanzie- Opposition und SPD zu verdanken, dass Sie nicht rung. Sie veranschlagen 300 Millionen Euro öffent- Ihr halbes Ministerium schließen mussten; dann liche Mittel für ein nationales Stipendienprogramm, wären Sie nur noch Forschungsministerin. Ohne das aus unserer Sicht weiterhin ungeeignet ist, uns und ohne die Aufweichung des Kooperations- deutlich mehr junge Menschen für ein Studium zu verbotes im Wissenschaftsbereich gäbe es doch gewinnen. Das ist die falsche Priorität. heute gar keinen Hochschulpakt. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2953

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Erwartungen zurückbleibt und dass Worte und sowie bei Abgeordneten der SPD – Eck- Taten massiv auseinanderklaffen. hardt Rehberg [CDU/CSU]: Wir werden (Klaus Hagemann [SPD]: Aber nur in NRW!) das Gegenteil beweisen!) Wenn Sie eine dritte Säule im Hochschulpakt Wenn Sie für mehr Bildungsgerechtigkeit sorgen schaffen wollen, finden wir das erst einmal vielver- wollen, sollten Sie stattdessen Ihre Sparstrumpf- sprechend; denn wir haben hier vor drei Jahren novelle beim BAföG aufbessern und es um min- Anträge gestellt, die ähnliche Vorschläge enthiel- destens 5 Prozent erhöhen. Dann wäre der Bil- ten, wie man die Lehre deutlich stärken und ver- dungsgerechtigkeit viel mehr Genüge getan als mit bessern kann. Ich hoffe, dass das ernst gemeint ist dem Stipendienprogramm. und nicht die schwarz-gelb regierten Bundesländer (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor der Blamage bewahren soll, dass sie keine sowie bei Abgeordneten der SPD und der Studienplätze aufbauen. Diese Säule muss ein LINKEN) Meilenstein und eine echte Qualitätsoffensive für die Lehre werden; das ist uns wichtig. Wir wollen Die zentralen Projekte, die Sie ansprechen, sind einen echten Pakt für die Studierenden, der deut- unausgegoren und unterfinanziert. lich mehr Studienplätze, gute Studien- und Lehr- (Dagmar Ziegler [SPD]: Unbekannt!) bedingungen, eine bessere Studienfinanzierung und einen Abbau der Zugangshürden vorsieht. Auf Ich nenne zwei Beispiele dafür. Was genau steckt dem nationalen Bologna-Gipfel im Mai und auf im Bologna-Qualitätspaket, das Sie nach zwei Bil- dem Bildungsgipfel im Juni dieses Jahres – Sie dungsstreiks angekündigt haben? gipfeln ja jetzt wieder ganz viel – (Dagmar Ziegler [SPD]: Ja, eben!) Wie wollen Sie die Studienbedingungen und die Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Qualität der Lehre tatsächlich verbessern? Wie viel Kommen Sie bitte zum Schluss. Geld legen Sie auf den Tisch? Sind auch die Län- (Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Sehr gute Be- der bereit, Geld in die Hand zu nehmen? Es reicht merkung!) an so einer Stelle nicht, Ankündigungsministerin zu bleiben und durch die Presselandschaft zu stolzie- Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ren. Hierbei ist vielmehr ein ganz konkretes Kon- – müssen Sie verbindliche Beschlüsse fassen, zept gefordert, das Sie dem Bundestag vorlegen statt uns weiterhin halbherzige Ansätze zu präsen- müssen. tieren. An den Ergebnissen Ihrer Gipfel werden wir (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Sie messen. wie bei Abgeordneten der SPD) Danke. Das zweite Beispiel ist der Hochschulpakt. Es (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN müssen dringend mehr Studienplätze aufgebaut und bei der SPD sowie bei Abgeordneten werden; aber der Studienplatzaufbau verläuft der LINKEN) schleppend. Die Zwischenbilanz ist alarmierend. Man muss nur einmal nach Nordrhein-Westfalen schauen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Albert Rupprecht von (Klaus Hagemann [SPD]: Ja, genau!) der CDU/CSU-Fraktion. Gerade die schwarz-gelb regierten Länder müssen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) hier in die Puschen kommen. Absolutes Schluss- licht ist NRW. Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU): (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD] – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle- Klaus Hagemann [SPD]: So ist es!) gen! Wir erleben derzeit unter Ministerin Schavan eine historische Aufholjagd der deutschen For- Dort müssen noch 15 000 Studienplätze aufgebaut schung zurück an die Weltspitze. Das Herzstück werden. Dort hat man bisher nur 40 Prozent der ist die Hightech-Strategie. Die institutionelle Förde- zwischen Bund und Ländern verabredeten Zielzahl rung und die Projektförderung befinden sich auf erreicht. Das ist ein Armutszeugnis. sehr hohem Niveau. Bei den Spitzenclustern set- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zen wir europaweit Maßstäbe. sowie bei Abgeordneten der SPD und der Deutschland ist Weltspitze bei der medizini- LINKEN) schen Forschung. Deutsche Forscher sind auf Dort ist Alarmstufe gelb angesagt. Man kann das dem Weg, die Alzheimer-Krankheit früher zu er- nicht als Erfolgsmeldung bezeichnen. An den Uni- kennen und zu behandeln. Deutsche Forscher sind versitäten in NRW sind sogar 7 000 Studienplätze auf dem Weg, neue Verfahren im Kampf gegen abgebaut worden. Das ist eine schlechte Bilanz. Krebs zu finden. Das sind nur zwei Beispiele von Das zeigt, dass der Hochschulpakt I weit hinter 2954 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 vielen, die zeigen: Wir sind Weltspitze, und For- ( [DIE LINKE]: Alle stärken, das schung kommt auch bei den Menschen an. finde ich sehr schön!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das geht aber nicht, indem wir alle gleichmachen und die Starken schwächen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich glaube, wir alle wären gut beraten, diese Leis- tungen stärker hervorzuheben und den Menschen Sehr geehrte Damen und Herren, es gibt – das Hoffnungen zu machen, statt das Wertvolle durch gehört zur Klarheit und Wahrheit dazu – noch eine Kleinkrämerei und irrationale Technikfeindlichkeit große Schwachstelle: schlechtzureden. (Dagmar Ziegler [SPD]: Eine?) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) die Umsetzung dieser Spitzenforschung in neue Wir sind Weltspitze in der Bildungsforschung, in Unternehmen und neue Produkte. Das ist in den der optischen Forschung, der Klimaforschung, der nächsten Monaten die große Aufgabe der christ- Umweltforschung, der Agrarforschung, der bio- lich-liberalen Koalition. chemischen Forschung und der Materialforschung, Wir werden in den nächsten Monaten wichtige um nur einige Bereiche zu nennen. Maßnahmen, die beschlossen und im Koalitions- (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das ist lei- vertrag festgeschrieben wurden, in Angriff neh- der falsch!) men: Die von Ministerin Schavan ins Leben gerufene Erstens. Wir schaffen einen attraktiven Wagnis- Exzellenzinitiative hat an den Hochschulen – das kapitalmarkt. wurde in mehreren entsprechenden Untersuchun- Zweitens. Wir werden in den nächsten Wochen gen dokumentiert – nachweislich einen Motivati- einen Vorschlag zur steuerlichen Forschungsförde- onsschub ausgelöst. rung vorlegen. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das stimmt Drittens. Es kann nicht sein, dass die Fraunho- aber nicht!) fer- und Max-Planck-Institute großartige Ideen für Das Fördersystem der DFG ist absolute Weltspitze neue Produkte in der Schublade verschwinden und hat Weltruf. lassen, weil es ihnen zu oft verboten ist, junge Un- ternehmen zur Vermarktung zu gründen. All das ist nicht vom Himmel gefallen, sondern wurde, auch von der Bundespolitik, hart erarbeitet. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Was? Das stimmt ja gar nicht!) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Oh! Deswegen müssen wir auch im Bereich der Wis- Wer hat das denn gemacht?) senschaftsfreiheit neue Wege gehen. Die Wissen- schaft braucht mehr Freiheit. Das ist eine außerordentliche Leistung von Minis- terin Schavan. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Agnes Alpers [DIE LINKE]: Was ist los?) Viertens. Wissenschaftler müssen schneller er- kennen, ob ihre Forschungsergebnisse marktfähig Man muss schon ein ziemlicher Kleingeist sein, um sind. Deswegen wird die Ministerin in den nächs- all das zu unterschlagen, wie es die Opposition in ten Tagen als neue Maßnahme die Validierungs- dieser Haushaltsdebatte tut. förderung vorstellen. Klar ist: Man muss Spitzenleistung, Exzellenz (Dagmar Ziegler [SPD]: Oh! Schon in den und Elite auch wollen. Wir wollen Spitzenleistun- nächsten Tagen? So schnell? – Swen gen, Schulz [Spandau] [SPD]: Ach! Das ist (Agnes Alpers [DIE LINKE]: Wir auch! Spitzen- doch wieder etwas Geklautes!) leistungen von allen!) All diese Maßnahmen sind ein historisch einzig- weil wir der festen Überzeugung sind, dass wir den artiger Kraftakt. Im Haushalt für das Jahr 2005, al- Schwachen nur dann helfen können, wenn sich die so unter Rot-Grün, waren für Bildung und For- Starken entfalten und einen großen Beitrag zur So- schung 7 Milliarden Euro veranschlagt. Im Haus- lidargemeinschaft leisten können. halt für Bildung und Forschung für das Jahr 2010 sind es beinahe 11 Milliarden Euro. Das ist eine (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Steigerung um 57 Prozent. Dagmar Ziegler [SPD]: Aber nicht auf Kosten der Schwachen!) Was für den Bereich der Forschung gilt, gilt auch für die Bildung. Ihr Vorwurf, die Regierung – Das geht auch nicht auf Kosten der Schwachen, mache hier zu wenig, ist absurd. Der Hochschul- sondern wir müssen alle Gruppen der Gesell- pakt war richtig und wichtig. Jetzt kommen neue schaft, Starke und Schwache, stärken und stabili- Maßnahmen hinzu: der Qualitätspakt Lehre, die sieren. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2955

BAföG-Erhöhung, lokale Bildungsbündnisse, die die im Koalitionsvertrag stehen, sind reine Lippen- Weiterentwicklung des Ausbildungspaktes und vie- bekenntnisse, nichts Konkretes steckt dahinter. les andere mehr. Natürlich stehen im Haushalt auch ein paar gute Die Bundeskanzlerin hat den Ländern angebo- Dinge. ten – das ist absolut außergewöhnlich –, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) 40 Prozent der Kosten der Maßnahmen, die auf dem Bildungsgipfel beschlossen werden, zu tra- – Sie bauen durchaus auf der richtigen Politik von gen, und das, obwohl der Bund nur 8 Prozent der Rot-Grün und der Großen Koalition auf; das will ich Bildungskosten zu tragen hätte, da dies eigentlich der Fairness halber sagen. in der Zuständigkeit der Länder liegt. (Beifall bei der SPD – Patrick Meinhardt Das ist ein Angebot an die Kinder dieses Lan- [FDP]: Märchen! – Georg Schirmbeck des, das ist ein Angebot an Eltern und Lehrer, aber [CDU/ CSU]: Ihre Welt ist so einfach: Die das ist auch ein Angebot an die Ministerpräsiden- einen sind die Guten, die anderen die ten. Von den SPD-Ministerpräsidenten höre ich bis Schlechten!) dato aber herzlich wenig. Sie äußern sich weder Aber die Frage ist doch: Was macht die neue Re- zu den Inhalten noch geben sie die Zusage, dass gierungskoalition an eigener Politik? auch sie die notwendigen Landesmittel zur Verfü- gung stellen, damit wir das 7-Prozent-Ziel errei- Schauen wir uns den Bereich der Hochschulen chen. an: Frau Schavan hat eine große Initiative für eine bessere Lehre angekündigt, und zwar 2 Milliarden (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Was ist Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren. Doch denn mit den CDU-Ministerpräsidenten?) was steht in diesem Haushalt? Kümmerliche Wenn der SPD die Bildung so wichtig ist, dann ist 2 Millionen Euro. Unseren Antrag, diesen Titel auf- der Bildungsgipfel der Tag der Bewährung. Am 10. zustocken, hat die Regierungskoalition abgelehnt. Juni kommt es zum Schwur. Die christlich-liberale Das war also nicht gerade ein Glanzstück der Re- Regierung will die Bildungsrepublik Deutschland. gierungskoalition. Unser Angebot steht. Jetzt ist die SPD gefragt, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ jetzt sind ihre Ministerpräsidenten am Zuge. DIE GRÜNEN) Herzlichen Dank. Oder nehmen wir das BAföG: Wir haben eine (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- starke Ausweitung des BAföGs beantragt. Die Re- neten der FDP) gierungskoalition hat das abgelehnt, sie will nur ei- ne kleine, moderate Anpassung vornehmen, und Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: für die möchte sie sich auch noch feiern lassen. Da Das Wort hat der Kollege Swen Schulz von der Herr Rehberg, Frau Schavan und Frau Flach in SPD-Fraktion. dieser Debatte behauptet haben, im Vergleich zu Rot-Grün würden sie auf großartige Weise mit dem BAföG umgehen, will ich daran erinnern, wie das Swen Schulz (Spandau) (SPD): mit dem BAföG war: Unter der Regierung Kohl – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! CDU, CSU, FDP, mit dem zuständigen Minister Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Koa- Rüttgers – wurde das BAföG kurz und klein ge- litionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP steht hauen. in der Einleitung zum Bildungskapitel Folgendes: (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ Wir wollen mehr Chancengerechtigkeit am DIE GRÜNEN) Start, Durchlässigkeit und faire Aufstiegschan- cen für alle ermöglichen. Wir wollen Deutsch- Rot-Grün – wir – mussten das BAföG erst mühsam land zur Bildungsrepublik machen, mit den wieder aufbauen, und das in einer Situation, in der besten Kindertagesstätten, den besten Schu- uns die Bundesratsmehrheit von CDU/CSU und len und Berufsschulen sowie den besten FDP jeden erdenklichen Knüppel zwischen die Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Beine geworfen hat. In der Großen Koalition muss- te die SPD das BAföG gegen anfänglichen Wider- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) stand von Frau Schavan und der CDU/CSU si- Was da im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und chern und konnte erst spät eine Verbesserung des FDP steht, ist ein großartiges Ziel. BAföGs durchsetzen. Meine sehr verehrten Da- men und Herren von der Regierungskoalition, ich Die Frage ist aber: Was passiert konkret? Uns finde, Sie sollten beim Thema BAföG ganz ruhig liegt der erste Haushalt dieser Regierungskoalition sein, statt sich hier aufzuspielen. vor. Der Haushalt ist ein Gradmesser dafür, was tatsächlich passiert. Der Haushalt ist das Buch der (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS Wahrheit. Wenn man sich den Haushalt genau an- 90/ DIE GRÜNEN – Patrick Meinhardt schaut, muss man feststellen: Die großen Worte, [FDP]: Wer vor nicht allzu langer Zeit sie- ben Jahre regiert hat, sollte schweigen!) 2956 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

Wir freuen uns, wenn wir einen Erkenntnisge- haben, aus. Sie verabreichen noch ein paar Beru- winn beobachten können wie bei dem, was Sie higungspillen, finden salbungsvolle Worte oder du- jetzt beim BAföG planen; das ist wenigstens et- cken sich ganz weg, aber eines machen Sie nicht: was. Leider gibt es Themen, über die Frau Scha- die Probleme tatsächlich anpacken. Das wird klar, van zwar viel redet, für die sie aber nichts tut. Bei- wenn man in den Haushalt sieht. Das sind die Fak- spiel Schule: Sie wollen jetzt die Grundschulen ten. Darum können Sie nicht herumreden. unterstützen, insbesondere Grundschulen in sozia- Wir von der SPD wollen keine Klientelpolitik ma- len Brennpunkten. Das ist ein sehr diskutabler An- chen, so wie Sie es tun, sondern wir wollen gute satz. Sie brauchen dafür aber eine Änderung des Bildung für alle. Dafür haben wir entsprechende Grundgesetzes. Wenn man das, was Frau Scha- Änderungsanträge zum Haushalt gestellt. Diese van in der Öffentlichkeit gesagt hat, ernst nehmen haben Sie abgelehnt. Deswegen ist dieser Haus- darf, sind Sie inzwischen dazu bereit. Aber wo halt nicht zustimmungsfähig. bleibt die konkrete Initiative, wo wird das, was Sie sagen, handfest? Frau Schavan, Sie sind Bun- Herzlichen Dank. desministerin, und Sie sind auch Abgeordnete. Er- (Beifall bei der SPD) greifen Sie die Initiative und machen Sie einen konkreten Antrag! Ich mache Ihnen einen Vor- schlag: Lassen Sie uns gemeinsam Butter bei die Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Fische geben, lassen Sie uns gemeinsam hier im Das Wort hat der Kollege Michael Kretschmer Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf zur von der CDU/CSU-Fraktion. Abschaffung des Kooperationsverbotes einbrin- (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) gen! Ich werde Sie anschreiben und Ihnen das entsprechend vorschlagen. Dann wollen wir einmal Michael Kretschmer (CDU/CSU): sehen, ob Sie es ernst meinen, liebe Frau Scha- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was van. bleibt am Ende dieser Debatte? Es bleiben viel (Beifall bei der SPD) Gutes, eine positive Bilanz und traurige, reflexhafte Kritik der Opposition. Das ist schade, weil Sie da- Dann gibt es Themen, Frau Schavan, zu denen mit den Blick auf ein wirklich großartiges Ergebnis Sie sich, obwohl diese Themen bildungspolitisch verstellen, das seine Ursache und seine Begrün- wichtig sind, nicht einmal äußern, etwa zur Frage dung natürlich in dieser Koalition hat. des Betreuungsgeldes. Das ist für viele Kinder, die in schwierigen familiären Verhältnissen leben, (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- eine Maßnahme zur Verhinderung von Bildung. NEN – Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS Frau Schavan, ich behaupte, Sie sind klug genug, 90/DIE GRÜNEN]: Super Koalition! – Kai um das zu wissen. Trotzdem schweigen Sie zu Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: diesem Thema. Aber den Grundschülern helfen Chaostruppe!) wollen! Dabei müssen Förderung und Unterstüt- Letzten Endes ist das das Ergebnis einer Zusam- zung vor der Schule einsetzen. Das blenden Sie menarbeit über viele Jahre. Viele Ideen – auch von aus. Hier verletzen Sie Ihre Pflicht als Bildungsmi- Kollegen, die nicht der Regierung angehören – nisterin, Frau Schavan. sind hier eingeflossen. Es ist schade, dass Sie da- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ rüber den Stab brechen. Das spricht nicht für Sie. DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Nun zur Finanzsituation der Länder und Kom- CDU/CSU und FDP sind es gewöhnt, dicke munen. Diese sind ja nun hauptsächlich für die Bretter zu bohren. Bildung zuständig. Sie brauchen dringend Geld für eine bessere Bildung, aber die Regierungskoalition (Lachen des Abg. Klaus Hagemann [SPD] haut den Ländern und Kommunen mit einer ve- – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- rantwortungslosen Steuerpolitik finanziell die Beine NEN]: Vor allem in der Koalition!) weg. Sie sind nicht mehr in der Lage, eine vernünf- Das ist gerade im Bereich der Bildung und der For- tige Bildungspolitik zu machen. schung notwendig, wenn man erfolgreich sein will. Wir wollen das ändern; wir stehen dagegen auf. Wir haben einen Aufwuchs von 3 Milliarden Euro in Aber wo sind Sie, Frau Schavan? Wo sind Sie bei nur fünf Jahren durchsetzen können. Das ist eine dieser bildungspolitisch so wichtigen Frage? Im- gewaltige Zahl. mer dann, wenn es wirklich ernst und hart wird, Wir planen weitere Projekte. Dazu gehört das tauchen Sie ab, Frau Schavan. Das ist einer Bil- Wissenschaftsfreiheitsgesetz. dungsministerin nicht würdig. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) (Beifall bei der SPD) Es ist uns in der vergangenen Legislaturperiode Meine sehr geehrten Damen und Herren von gelungen, vieles in diesem Bereich zu bewegen; der Regierungskoalition, Sie ruhen sich auf den Er- aber wir wollen noch mehr. Unser Standort soll folgen, die Sie gemeinsam mit der SPD errungen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2957 noch attraktiver werden. Das geht nur, wenn man Erhöhung um 2 Prozent und eine umfassende Re- gemeinsam – Bund und Länder – in den Fachar- form geben. Eine solche Modernisierung ist in den beitsgruppen zusammenarbeitet. letzten Jahren nicht durchgeführt worden. Wir se- hen konkrete Änderungen beim BAföG vor, so zum Ich erinnere mich: Als ich zum ersten Mal Mit- Beispiel bei der Altersgrenze, und wir erweitern die glied des Deutschen Bundestages war – damals Möglichkeit, mit Kind zu studieren. All das ist not- regierte Rot-Grün –, gab es Befristungsregeln und wendig. Die jungen Leute, die BAföG beziehen, den Dudenhausen-Erlass. Diese Zeiten sind längst werden es uns danken. Diese Kritik werden sie vorbei. Die Hochschulen und die Forschungsein- nicht verstehen. richtungen atmen auf. Das ist das Ergebnis einer Politik, die auf Leistung setzt und den Hochschulen (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) und Forschungseinrichtungen Freiheit gibt. Herr Kollege Rupprecht hat den Wissenstransfer (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – angesprochen. Das wird in der nächsten Zeit ein Klaus Hagemann [SPD]: Das haben wir wichtiges Thema für uns sein. Gestern war ich gemeinsam gemacht, Herr Kretschmer!) beim Senat der Leibniz-Gemeinschaft; der Kollege Hagemann war dabei. Dort wird ganz selbstver- – Herr Hagemann, ich finde es sehr traurig, dass ständlich über Netzwerke zur Verwertung gespro- Sie das alles immer nur kritisieren. Natürlich haben chen. Es gibt zum Beispiel ein Translationszent- viele Kollegen mitgewirkt. Ich bin bereit, das zuzu- rum. Es ist dort angekommen, dass wir wollen, gestehen, weil ich mich über die Fachdiskussion dass das Wissen, das wir mit staatlichen Mitteln freue. Ich kann Sie nur einladen, auch in Zukunft möglich machen, auch zu neuen Produkten führt. mitzuarbeiten, zum Beispiel am Auch in dieser Hinsicht sind wir erfolgreich gewe- Stipendienprogramm. sen. Die Politik der vergangenen Jahre hat sich Wir haben gesagt: In diesem Land gibt es keine ausgezahlt und zahlt sich weiterhin aus. Darauf Stipendienkultur. – Wir haben das über viele Jah- kann man stolz sein. re, vielleicht sogar Jahrzehnte, gemeinsam kriti- (Klaus Hagemann [SPD]: Genau!) siert. Jetzt macht diese Regierung einen wirklich großartigen Vorschlag, nämlich ein Wir können mittlerweile sagen – auch die For- Stipendienprogramm für einen großen Teil der schung sieht das so –: Wir haben Amerika über- Studierenden. holt. Im Jahr 2000 lagen wir bei der Produktion von forschungs- und wissensintensiven Gütern noch (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) hinter Amerika. Mittlerweile liegen wir vorn. Insgesamt 10 Prozent wollen wir erreichen. Ich (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So glaube, man sollte das gut finden und mit daran wie Westerwelle Brasilien entdeckt hat!) arbeiten, dass am Ende tatsächlich 10 Prozent der jungen Leute ein Stipendium erhalten können. Das ist ein großer Erfolg. Sie sollten nicht den Stab darüber brechen und Wir werden die Gespräche über die steuerliche nicht sagen – denn es stimmt nicht –, dass Men- Forschungsförderung in diesem Jahr abschließen. schen aus sozial schwachen Familien keine Chan- Die steuerliche Forschungsförderung ist ein sehr ce haben. Im Gegenteil: Es gibt in diesen Familien wichtiges Instrument, mit dem wir den For- einen unglaublichen Leistungswillen. Wir wollen schungsstandort Deutschland international wett- hoffen, dass viele von ihnen ein solches Stipendi- bewerbsfähig halten können. um bekommen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Für uns ist wichtig, dass wir denjenigen, die es (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – schwer haben, helfen. Bei den Reformen von Zuruf von der LINKEN: Machen Sie doch Hartz IV, im Rahmen der Neuberechnung und der keine falschen Hoffnungen!) Neuausrichtung, werden wir mehr für die Bildung von Kindern tun. Ich glaube, wir werden deutlich Wir haben die zweite Phase der Exzellenziniti- über das hinausgehen, was das Bundesverfas- ative gestartet. Wir sagen ganz klar: Es kann nicht sungsgericht uns aufgegeben hat. Ich finde es sein, dass eine Spitzenuniversität nicht auch in der richtig, dass dies auch in Form von Sachleistungen Lehre spitze ist. Deswegen wird es diese dritte geschieht, zum Beispiel bei Nachhilfe oder bei der Säule, die die Bundesministerin angekündigt hat, Förderung von Mitgliedschaften in Vereinen; dafür geben. 200 Millionen Euro pro Jahr für mehr Quali- bitte ich um Unterstützung. Die jungen Leute brau- tät in der Lehre sind eine klare Ansage und ein chen das. Wir können nicht zulassen, dass auch in deutliches Zeichen. Zukunft 20 Prozent der unter 15-Jährigen zu einer (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Risikogruppe gehören und irgendwann die Schule abbrechen. Die Bildungsrepublik Deutschland Das BAföG wurde angesprochen. Dazu muss braucht jedes Talent. Jeder braucht eine Chance. man sagen: Es ist ungerecht, die Ankündigungen Gerade dort, wo es notwendig ist, müssen wir hel- in Bausch und Bogen kleinzureden. Es wird eine fen. 2958 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel- Michael Leutert [DIE LINKE]: Da können plan 30 – Bundesministerium für Bildung und For- Sie ja mal in Sachsen mit der Bildungsre- schung – in der Ausschussfassung. Wer stimmt für publik anfangen!) den Einzelplan 30 in der Ausschussfassung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Einzel- Wir sind auf einem guten Weg und werden auch plan 30 ist in der Ausschussfassung mit den Stim- in den nächsten Jahren Schwerpunkte setzen. Alle men der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen sind eingeladen, daran mitzuwirken. Es lohnt sich, der Oppositionsfraktionen angenommen. sich für Forschung und Entwicklung einzusetzen. Denn für eine Wissensgesellschaft sind dies die Wir sind damit am Schluss unserer heutigen zentralen Investitionen, wenn sie auch in Zukunft Tagesordnung. wettbewerbsfähig sein will. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Bundestages auf morgen, Freitag, den 19. März 2010, 9 Uhr, ein. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Sitzung ist geschlossen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: (Schluss: 21.04 Uhr) Ich schließe die Aussprache. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 31. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 18. März 2010 2959

(A) (C) Anlage zum Stenografischen Bericht

Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten

DIE GRÜNEN entschuldigt Koch, Harald DIE LINKE 18.03.2010 Abgeordnete(r) bis Kramme, Anette SPD 18.03.2010 einschließlich Liebing, Ingbert CDU/CSU 18.03.2010 Möller, Kornelia DIE LINKE 18.03.2010 Barchmann, Heinz- SPD 18.03.2010 Pflug, Johannes SPD 18.03.2010 Joachim Rief, Josef CDU/CSU 18.03.2010 Burchardt, Ulla SPD 18.03.2010 Roth (Esslingen), KarinSPD 18.03.2010 Cramon-Taubadel, BÜNDNIS 90/ 18.03.2010 Scharfenberg, Elisa- BÜNDNIS 90/ 18.03.2010 Viola von DIE GRÜNEN beth DIE GRÜNEN Götz, Peter CDU/CSU 18.03.2010 Dr. Scheer, Hermann SPD 18.03.2010 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 18.03.2010 Senger-Schäfer, Kath- DIE LINKE 18.03.2010 Gohlke, Nicole DIE LINKE 18.03.2010 rin Golze, Diana DIE LINKE 18.03.2010 Dr. Steffel, Frank CDU/CSU 18.03.2010 Granold, Ute CDU/CSU 18.03.2010 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 18.03.2010 Heinen-Esser, Ursula CDU/CSU 18.03.2010 DIE GRÜNEN Hempelmann, Rolf SPD 18.03.2010 Werner, Katrin DIE LINKE 18.03.2010 Hörster, Joachim CDU/CSU 18.03.2010* * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parla- Hoff, Elke FDP 18.03.2010 mentarischen Versammlung des Europarates Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ 18.03.2010 (B) (D)