Briefe gehen auf Reisen Carl Lampert (1894 - 1944) Briefe gehen auf Reisen

Inhaltsverzeichnis

Vita 3 – 5

Briefe

Carl Lampert 09.02.1941 Dachau, an Julius Lampert 6 – 7 23.08.1941 Stettin, an Alfons Rigger 8 – 13 04.04.1943 Stettin, an Julius Lampert 14 – 15 19.12.1943 An Emma und Föns 16 – 17 09.06.1944 Torgau, an Julius Lampert 18 – 22 09.09.1944 Torgau, an Julius Lampert 23 – 25 16.09.1944 Torgau, an Föns 26 – 31 04.10.1944 Torgau, an Julius Lampert 32 – 33 01.11.1944 Torgau, an Julius Lampert 34 – 36 13.11.1944 Halle an der Saale, an Julius Lampert 37 – 39

Quellen: Carl Lampert Archiv, Herrengasse 6, 6800 Feldkirch, www.carl-lampert.at/archiv 1944)

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Carl ita Lampert (1894

V 1. Kindheit und Studium 2. Priesterlaufbahn/ Rom Carl Lampert stammt aus Göfis, wo er am 9. Seine erste Dienststelle trat Carl Lampert in Januar 1894 als jüngstes von sieben Kindern zur Dornbirn-Markt an, wohin er als Kaplan berufen Welt kam. Die Familie lebte in einfachen Verhält- wurde. Hier suchte er vor allem in vielen Ver- nissen, dennoch konnte der junge Carl nach Ab einen den Kontakt zu den Jugendlichen, die er schluss der Volksschule 1906 zum Staatsgym- auch in verschiedenen Schulen unterrichtete. Der nasium in Feldkirch wechseln. Nach der Matura mit vielen Talenten ausgestattete junge Priester wählte er den Beruf des Priesters und trat im Carl Lampert war schon seit längerem von Bi- Herbst 1914 – nur kurz nach Ausbruch des Ersten schof Dr. Sigismund Waitz für Höheres vorgese- Weltkriegs – in das Fürsterzbischöfliche Priester- hen worden, weshalb er durch diesen 1930 zum seminar in Brixen ein. Dort fiel der Student aus Studium des Kirchenrechts nach Rom gesandt vor allem durch sein feines Wesen, wurde. Durch seine Praxis an der Sacra Rota seine freundliche Art und sein elegantes Äußer- Romana, dem bedeutendsten Gerichtshof an der liches auf. Dies brachte ihm den Spitznamen römischen Kurie, gewann er wertvolle Einblicke „Carlobello“ ein. Fürstbischof Franz Egger er- in das kirchliche Verwaltungs- und Gerichtswe- teilte Carl Lampert im Dom zu Brixen am 12. Mai sen. 1935 beschloss er seine römischen Studien 1918 die Priesterweihe. Am 26. Mai 1918 konnte mit dem Titel „Monsignore“. In Rom hatte Carl der Jungpriester dann in seiner Heimatgemeinde Lampert frohe Jahre erlebt; besonders gern hatte die Primiz feiern. er Pilger aus seiner Heimat durch die Stadt be- gleitet. Später bezeichnete er diese Zeit als die glücklichsten Jahre seines Lebens.

Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert 3 4

Briefe gehenaufReisen |CarlLampert TextV TextCarlita Lampert (1894 - 1944) setzte sich vehementfürkirchliche Anliegen ein. mit großem Verantwortungsbewusstsein und Er übernahmdiese Aufgabe instürmischer Zeit des Tiroler Teils derneuen Administratur ernannt. nuar 1939 wurdeDr. CarlLampert zumProvikar eines residierendenBischofs ernannt. Am 15. Ja- Apostolischen Administrator mitallenRechten 35-jährige Paulus Rusch durch Papst PiusXI.zum dem sogenannten „Anschluss“ –wurdedererst also ineinerbewegtenZeit,wenigeMonatenach der Verlagsanstalt Tyrolia. Am 15. Oktober1938 – gabe wurdeihm1936 übertragen, dieLeitung Diözese Innsbruck gehandelt.Eineweitere Auf- Lampert alsmöglicher künftiger Bischof einer tur Innsbruck-Feldkirch. Immerwiederwurde 1921bestehenden Apostolischen Administra- des kirchlichen Gerichts inInnsbruck inderseit bruck. Erübertrug ihmalsOffizialden Aufbau Carl Lampert am1. Oktober1935 nach Inns- Von Rom ausberiefBischof Sigismund Waitz 3. ProvikarinInnsbruck nis verbracht. 5. Juli 1940 erneutinsInnsbrucker Polizeigefäng- gegen dieNS-Geheimhaltungsvorschriften“ am dieser Tatsache wurdeerwegen „Verstoßes Lampert die Verantwortung übernahm. Aufgrund Todesanzeige gedruckt wurde,fürderen Text Carl geschickt worden, wobeizumBegräbniseine warUrne Neururers anseinePfarrgemeinde schließlich selbst ins Konzentrationslager. Die wald ermordetwurde,brachte Provikar Lampert worden war undam30.Mai1940 inBuchen- in dasKonzentrationslager Dachau eingeliefert von Götzens, , derbereits1939 in Gestapo-Haft genommen.DerFall desPfarrers lichen Gauleitung auf. Mehrmalswurdeerdafür gegen kirchenfeindliche Handlungenderört- nicht Provikar Lampert herankam. tratsehrmutig Bischof Rusch aufgrundeines „Führerbefehls“ ten kircheninternen Gegnerhatte, nachdem eran dasserinLampertbald erkannt, dengefährlichs- Der Innsbrucker GauleiterFranz Hoferhatte sehr 4. KonfliktemitderNSDAP 5. Leidensweg und Hinrichtung Der Leidensweg Carl Lamperts führte ihn ab 25. August 1940 durch die Konzentrationslager Dach- au, Sachsenhausen-Oranienburg und wiederum Dachau. Dort wurde er am 1. August 1941 entlas- sen, erhielt aber in Tirol „Gauverbot“ und musste sich fortan im Gau Pommern/Mecklenburg auf- halten. Dahinter steckte ein ausgeklügelter Plan, Lampert mittels eines Spitzels der Spionage zu überführen und sein Todesurteil vorzubereiten. Dieser Spitzel schleuste sich als „Ing. Hagen“ ein und sammelte fortan das Material für den Prozess. Sein Lügenprotokoll war Grundlage der Anklage gegen Provikar Carl Lampert und führte zu einem dreimaligen Todesurteil, das schließ- lich am 13. November 1944 vollstreckt wurde. An jenem Tag wurde Lampert in Halle an der Saale durch das Fallbeil hingerichtet. Seine Urne wurde dort beigesetzt und nach Kriegsende 1948 nach Göfis zurückgeführt.

Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert 5 Brief von Carl Lampert an Julius

Name: Lampert Karl es reicht für die nächste Zeit! Herzl[iches]. „Ver- geboren am: 9. 1. 94 gelts Gott“ für alle materielle u[nd]. geistige Gef.-Nr. 22706, Bl[ock]. 30 II. Hilfe!

L[ie]b[er]. Bruder! Wieder einmal ein Lebens- Gott sei Dank bin ich gesundheitlich in Ordnung zeichen an Dich als Dank für Dein letztes v[om]. u[nd]. habe die Kältewellen gut überstanden! 29.12. Dein Innsbrucker Besuch freut mich, Fr[äu]l[ein]. Marie betreut dort Heim u[nd]. Freunde in treuer Wie freute ich mich darüber u[nd]. über die tüch- Weise, u[nd]. darüber freue ich mich bes[onders]. tige Schreiberin Rosina! Es ist trostvoll für mich Carl schrieb mir letzthin aus Innsbruck zu wissen, dass Ihr alle gesund seid. die freudige Nachricht, er habe die berechtigte Vielen Dank dann für die Erledigung meiner ma- Hoffnung, dass sein Onkel bald aus dem Spital teriellen Sorgen! An mich selbst bitte das nächs- heimkomme, wie mich das freute, kann mir die te Monat kein Geldbetrag zu senden, Wiedersehensfreude Dachau, den 9. Februar 1941

6 Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert der ganzen Familie vorstellen, u[nd]. bin im Absender: Geiste lebhaft dabei. Ich grüße ihn u[nd]. Papa Meine Anschrift: Fons mit Emma, ebenso Göte Carl u[nd]. T[ante]. Name: Lampert Carl Anna v[on]. Herzen mit tiefem Dank für den noch geboren am: 9. I. 1894 tieferen Griff; ebenfalls vergiss nicht bes[onde- re]. Grüße i[n]. Göfis, Feldkirch u[nd]. Innsbruck Gef[angenen].-N[umme]r. 22706 Bl[ock]. zu bestellen! D[okto]r. Weber u[nd]. Zappinis 30II K 3 Dachau Familiennachrichten haben mir Spaß bereitet, so Herrn Julius Lampert recht, es lebe der Humor! Nur immer froh u[nd]. heiter, ich war auch nie Trübsalbläser u[nd]. bin Poststempel: Göfis 22 es auch heute nicht! Bleib g’sund, auf frohes P[ost]. Feldkirch Wiedersehen, Gau Tirol – Vorarlberg

Dein Bruder Carl

Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert 7 Brief von Carl Lampert an Alfons Rigger

Lieber Fons! Gebirgslandschaft, draußen an allen Orten sam- tagsabendfrohe Menschen auf allen Straßen, die Ich bekam heute erste Post aus meiner Heimat. wir durchfuhren - u[nd]. drinnen i[m]. Auto ein Julius schrieb mir, u[nd]. aus seinem Brief ent- ohne ein Abschiedswort der Heimat Entführter, nehme ich, daß mein erstes Schreiben an ihn Gefangener mit schrecklichem Fahrtziel. Es war auch an Dich gegangen ist. Nun weißt Du etwas wohl die bisher stärkste via dolorosa in meinem von meiner neuen Station, ein weiteres will ich Leben. Dann senkte sich der Vorhang, u[nd]. was Dir heute schreiben. Mein Herz ist heute Abend dahinter liegt, weiß nur Gott allein. Und wieder so übervoll, daß es irgendwo hinaus muß, u[nd]. ist ein Jahr darüber vergangen, und wieder ist wem möchte ich es anders sagen als Dir, mit es samstags abends, der Vorabend jenes 24. Ich dem ich doch in so unzertrennlicher Freundschaft konnte mit meinen Gedanken, die wie Wogen auf verbunden, trotz aller ständigen Morgen ist mich einstürmten, nicht allein in meinem Zim- Jahrestag meiner letztjährigen Einlieferung. Nie mer bleiben, ich ging hinüber ins nahe Heilig- in meinem Leben werde ich diesen 24. VIII. 1940 tum vor den Tabernakel zu dem, der mir Alles ist Stettin, den 23. August 1941 mehr vergessen u[nd]. jene Fahrt mit so furcht- u[nd]. dem zulieb, Gott weiß es, mir auch mein barem Kontrast: Luxus-Auto durch herrliche Leben nie zu

8 Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert teuer ist u[nd]. kein Opfer zu viel sein wird, traste dieses Lebens, die einem zu meistern ein u[nd]. dann ging ich hinaus in den nahen Garten gütiger Vatergott in seiner Liebe auferlädt u[nd]. mit den herrlichen Rasenanlagen u[nd]. Blumen- das halt menschlich manchmal so schwer ist, wie beeten, mit den sorgfältig gepflegten Hecken mir es heute Abend war, u[nd]. doch wieder gut u[nd]. vielen lauschigen Ecken - ein wundervolles sein wird, weil der liebende allwissende Vater im Stück blühender Gottesnatur; mild dämmerte der Himmel es zuläßt. Ich dachte an all die Stationen Abend u[nd]. Sterne leuchteten über Stadt u[nd]. meines Lebens, an Göfis, Feldkirch, Brixen, Dorn- nahen Hafenplätzen, - u[nd]. dann packte es mich birn, Rom, Innsbruck, an Dachau, Sachsenhausen mit Allgewalt das Weh der Zeit u[nd]. so vieler u[nd]. wieder Dachau u[nd]. an all den Freun- 1000 v[on]. armen Menschen; u[nd]. was ich nie deskreis, den ein guter Gott mir immer wieder in allem schweren Leid des vergangenen Jahres zuführte, u[nd]. nun an Stettin u[nd]. meine neue tat - ich weinte, weinte ob all dem Trennungs- Lage; - u[nd]. nun ist diese denkwürdige Stunde weh u[nd]. Leid dieser harten Zeit, nicht als ob wieder überwunden; u[nd]. weil ich es Dir nun ich über mein Los klagte, nein, was ist es auch schreiben kann, wird mir leichter, u[nd]. ich sehe das Verbanntsein v[on]. Heimat u[nd]. Freunden immer wieder, daß gerade in solchen Stunden u[nd]. Arbeitskreis im Vergleich zu dem 1000-fa- der Mensch eben des Menschen bedarf, u[nd]. chen Leid so vieler ärmster Menschen, nein es sei es war das pers[önliche]. Innewerden so harter Kon-

Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert 9 Brief von Carl Lampert an Alfons Rigger

auch nur auf diesem armseligen Schreibeweg. u[nd]. merkte so recht wieder, wie sehr ich sie Ich weiß, wenn Du diese Zeilen liest, lieber Fons, misse. Andern Tags ging’s nach Regensburg, daß Du mit mir fühlst, u[nd]. es ist mir Trost, dies dort hatte ich eine menschenfreundliche Mission zu wissen, daß Du mich verstehst. Meine nicht, u[nd]. konnte Trost empfangen u[nd]. geben. daß diese Stimmung in mir andauert, nein, ich Wieder andern Tags ging es im vollgepfropften weiß, morgen werde ich wieder weiterfahren, der Zuge weiter, abends 6 Uhr in , fand die alte, frohe Kerl zu sein trotz allem, aber es war Stadt ziemlich öde, aber fr[eun]dl[iche]. Aufnah- heute Abend die Auslösung der über Jahresfrist me im Josefskrankenhaus. Den Freitag verbrach- nun über mich verhängten Spannung, u[nd]. so te ich in Berlin - erinnerst Dich noch - wie anders suchten meine Nerven endlich einen Ausweg, heute als damals! Über 3 Stunden weilte ich bei u[nd]. ich mußte Dir nun all dies schreiben, damit dem l[ie]b[en]. Berliner Ep[isco]p[us]., u[nd]. er mir leichter werde. Denn Trennung mit so unge- ließ es sich nicht nehmen, mit persönlich einen wisser Zukunft muß erstmals richtig überwunden feinen Tee zu brauen. Die beiden Berliner-Nächte sein, u[nd]. nun glaub’ ich nach diesem Ergusse verliefen nach dem Motto „im tiefen Keller sitz’ Stettin, den 23. August 1941 mich wieder auf gutem Weg. Hab’ Dank für das ich hier bei keinem Faß voll Rebensaft‘‘. Sams- Anhören meiner Klage! Das Menschenherz ist tags in 2-stündiger Fahrt hieher, 1 Uhr hielt ich halt ein zabblig Ding, u[nd]. menschlich, vielleicht Einzug in die große, unbekannte, neue Heimat, allzu menschlich will es manchmal schlagen. Was die ich bald entdeckte u[nd]. ebenso bald als soll ich Dir v[on]. meinen bisherigen Eindrücken herzlich gute Aufnahme kennen lernte. Die l[ie] sagen? Du weißt u[nd]. mußt es gefühlt haben, b[en]. Schwestern tun alles. Obwohl das Haus wie schwer mein Abschied v[on]. Dir in Innsbruck übervoll an Kranken ist, erhielt ich ein freundlich mir fiel, - verzeih’, wenn ich Dich damals aus Zimmer u[nd]. bin nun mutterlich betreut. Bald Egoismus noch länger zu warten drängte, nach- lernte ich auch den Propst i[n]. Stettin kennen dem Du ja schon so viele Tage u[nd]. Freundes- u[nd]. andere hiesige Confratres, die alle wett- liebe gönntest; - nicht leichter war das Weggehen eifern, mir Heim u[nd]. Wirkungsfeld zu ersetzen. selbst, man gab mir zwar in „großzügiger Weise‘‘ Hier lernt man so recht empfinden, was es heißt, noch Zeit bis montagabend, dann hieß es aber auf im Diasporagebiet Kathole zu sein. Ein eigenes u[nd]. davon. In München nächtigte ich, traf nach Band verbindet diese Menschen, u[nd]. Religion langer Zeit z[um] ersten Mal Toni, wie freuten wir ist hier noch einmal so schön. uns beide, auch manch andere l[ie]b[e]. Menschen traf ich dort, dann fühlte ich die Nähe so vieler l[ie]b[en]. Leidensgenossen,

10 Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert Stettin ist eine schöne, große Stadt mit circa P. T. [?] Mandatsbehörde, nun, ich verlange ja auch 300.000 Einwohnern, aber nur circa 12.000 nicht gerade danach. Über meine nächste Zukunft Katholen. Die Straßen sind breit u[nd]. baumge- mache ich mir zunächst wenige Gedanken, hof- schmückt, u[nd]. herrliche Anlagen durchziehen fentlich geht’s nicht so progressiv weiter wie bis- in ungewöhnlich reichem Ausmaß die ganze her seit meinem Dornbirner Sein. Wie viel Schö- Stadt. Ganz interessant ist die Hafenpartie, die nes schenkte mir eine gütige Vorsehung an Erfolg Oder durchzieht in vielen großen Kanälen das u[nd]. Erleben seither; doch wie dick streute das ganze Gebiet bis hinaus in den Dammsee, bis Schicksal dazwischen, die dicke Drexel-Geschichte hinüber ins große u[nd]. kleine Stettiner Haff u[nd]. ihr Nachspiel i[n] Rom, die Tyrolia-Sendung u[nd]. dann hinauf in die weite Ostsee mit seinen u[nd]. ihr tragischer Ausgang, das Drama mit großen Badeorten. Überaus reich ist die Schif- Friedrich + u[nd]. die letzten Ereignisse als Inns- fahrt, Stettin ist eine Welthafenstadt u[nd]. heute brucker Provikar. Der Herrgott weiß, warum dies einzige sichere Zufluchtsstätte für nordische alles kam, ich danke ihm für alles u[nd]. fühl’ mich Schiffahrt, zugleich Ausfahrtsstation für große gut geborgen. Er schenkte mir dabei so viel Schö- Transporte zeitgemässer Art, also täglich viel zu nes, daß ich darüber sehr beschämt bin u[nd]. mir sehen. Am Mittwoch machte ich eine 2-stündige denke, unbegreiflich, für meine Lausereien hätte Hafenfahrt u[nd]. am Donnerstag mit dem H[- ich es manchmal dicker verdient, u[nd]. derweil errn]. Propst einen Ausflug nach Swinemünde, verklärt u[nd]. alle meine Prüfungen mit so viel eine 3-stündige Seefahrt, Entfernung also Bre- unverdienter Liebe. Ja, Fons, wahr ist es im Le- genz - Konstanz. Morgen werde ich hier mein ben: wer auf Gott vertraut, hat auf festen Grund erstes Hochamt halten, u[nd]. dann harren mei- gebaut; u[nd]. ich weiß, wie ebenso wahr es ist: ner viele ähnliche Wünsche seelsorgl[icher]. Art. denen, die Gott lieben, gereichen alle Dinge zum Und ich werde es gerne tun. Noch hab’ ich keine Besten. Ich muß es hier dankerfüllten Herzens weitere Weisung, ob nur Stettin oder die beiden aussprechen, weil ich die Richtigkeit dieser Worte Provinzen Pommern-Mecklenburg meinen Bewe- so tief, tief erlebt habe, daß ich gottfrohen Her- gungsradius umfassen. Noch ist es ruhig, u[nd]. zens seiner Führung in allem so stark vertraue. ich hab’ bis dato noch nicht einmal eine Vorla- So finde ich mich in dieser Stunde auch wieder dung zu meiner gleich zurecht u[nd]. freue mich, Dir l[ie]b[er]. Fons dies alles schreiben zu können, Dir, den ein gütiges

Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert 11 Text Brief von Carl Lampert an Alfons Rigger

Geschick zum so treuen, lieben Kameraden auf Morgen des 24. VIII. meinen Lebensweg gegeben hat. Dank, vielen in- nigen Dank daher auch auch Dir, l[ie]b[er]. Fons, Frisch erhob ich mich, hörte 1 Stunde Beichte - für alles, alles. - Nun ist es ½ 1 Uhr früh. was ist es schönes - wieder so ganz Priester sein Noch sind die fast tägl[ichen]., nächtl[ichen]. Be- zu können; feierte erstmals wieder ein Hochamt sucher nicht gekommen. Darum will ich den Rest u[nd]. dachte dabei aller Wohltäter, daher auch dieser Nacht versuchen dem Tribut der Müdigkeit fest an Dich u[nd]. die Deinen, daß Gottes Liebe zu verbringen. Leb wohl, Fons, gute Nacht! u[nd]. Segen alle umfange und begleite - dann las ich meine Zeilen v[on]. gestern u[nd]. lächelte ------vor mich hin u[nd]. dachte - o, ich weicher, arm- seliger Held! Und schon wollte ich dies Conterfei mit einer so armseligen Philosophiererei zerrei- ßen; doch nein, Du sollst es sehen u[nd]. lesen; es ist gut, wenn man in Demut seine eigene Stettin, den 23. August 1941 Kleinheit auch andere sehen läßt, dann mag dieser Brief in die verdiente Stelle im Papierkorb landen, wo er hingehört. Schließlich ist es ja so auch richtig; denn nie ist der Mensch menschlich wahrer, als wenn er sich gibt, wie er eben ist. Und das hast Du nun gesehen, wenn Du es noch nicht gewußt hättest. So schaut der „Meinige‘‘ als Held manchmal aus - pfüat Di Gott, schöne Gegend! Hallo, Hallo - die Post, ich sehe schon Deine Schriftzüge, - ich hab’ gelesen u[nd].

12 Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert gesehen! Welche Freude, dieser l[ie]b[e]. Besuch heute serviert er mir eine solche Trost- u[nd]. am heutigen Sonntag, Deine, Emmas, Wilfrieds Freudenplatte. Sieh’ste, Fons, so gut meint er’s u[nd]. Hildas l[ie]b[e]. Zeilen, wie freut mich das mit mir! So rauch’ ich denn selig u[nd]. quietsch- u[nd]. erst das schöne Familienbild, der würdige vergnügt eine Sonntags-Zigarre v[on]. Deiner Papa u[nd]. die zufriedene, schmunzelnde Em- schönen Geschenkskiste u[nd]. werde stolz wie mamama, nicht 50-, nein, 30-jährig (!), u[nd]. das ein Spanier mit Deinen schönen Slips u[nd]. den stolze, fröhliche 3-blättrige Frühlingskleeblatt, erstrangigern Hosenträgern, mit Euch im Geiste wie hübsch; dies Bild bleibt nun in meiner Ver- vereint, eine Stettiner Hafenpartie unternehmen. bannung stets auf meinem Tische ausgestellt; Na, jetzt muß ich aber endlich schließen. Es ist - doch halt noch ein Brief v[on]. Innsbruck, gleich wohl der längste Brief meines Lebens geworden, 3 beieinander, ein langer 3-blättriger, herzlicher Mahlzeit! Gott befohlen, Wiederhören, 1000-mal Brief v[on]. unserem Carl aus Zeltweg, was sind Dein, Euer Carolus. P.S.: An Tante Anne u[nd]. wir doch für eine prächtige Gemeinschaft, die da Karl viele Grüße, auch Hanni u[nd]. Ludwig! im richtigen Moment gerade auf die Sekunde zu- sammenkommt! Ist das nicht ein beglückendes, Was ist denn mit Deiner Gesundheit, mach’ mir prächtiges Zusammenkommen, so auseinander bitte jetzt diese Sorge nicht, kurier’ Dich bald - u[nd]. doch beieinander, fast möchte ich einen alles Beste, Fons! Juchzer tun? Habt Dank, Ihr Lieben mein, vielen Dank! Auch Thaddäus schreibt aus Kassel, v[on]. Midi u[nd]. noch einmal Midi, seinem Herzens- mädel! Es ist auch ein Prachtkerl, was für ein Sonntagsvergnügen heut’! Gestern Abend ließ der Herrgott mich einige Zeit zappeln u[nd].

Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert 13 Brief von Carl Lampert an Julius

Mein lieber Bruder Julius! Gott sei Dank! - Wir Du selber bist also „hinterbliebener Nothelfer“ konnten also wieder einige Zeilen austauschen, im Badruser-Viertel; möge es Dir gelingen, viel - u[nd]. fast gleichzeitig geschah es! Gedanken- helfen zu können in dieser schweren, schweren übertragung! Wenn es auch wenig Frohes war, Zeit! Wie Millionen Male lieber würde ich allüber- was wir einander sagen konnten, so war es, all mithelfend tätig sein, als hier in einsamer Ker- glaube ich, für uns beide doch einigermaßen ein kergruft so trostloser Untätigkeit sich hingeben Trost. Nun danke ich Dir viel-, vielmals für Schrei- zu müssen! Du kennst mich, Julius, u[nd]. kannst ben u[nd]. all die lieben Grüße! Du hast Dir die ermessen, wie schwer, wie unsagbar schwer das knappe Mittagserholungszeit dazu genommen, für mich ist, namentlich in dieser Zeit. Hätte ich das danke ich Dir besonders; andererseits sehe nicht eine innere Kraft, so möcht’ man verzwei- ich, dass Du auch ein „Gefangener“ bist, nämlich feln an solchem Wahnsinn des Lebens. Aber alles der „Arbeit u[nd]. Sorgen“, also sind wir es bei- Geschehen hat schließlich seinen Sinn u[nd]. Stettin, den 4. April 1943 de, bloß in einem unterschiedlichen Sinne, hoffe Zweck gefunden, das muss mich trösten. aber, nicht in einem sinnlosen Unterschiede. Mit Nun ein paar andere Kapitel: größtem Interesse las ich alle Deine Neuigkeiten; 1.) Deine wirtschaftlichen Fragen: Ja, Julius, ich - sie sind wie alles heute kriegsbeschwert. Freue hatte vor, die Restschuldfrage auf Haus Nr. 12 zu mich mit Euch allen, dass Carl noch wohlbehal- regeln u[nd]. sah auch die Möglichkeit dazu; nun ten auf afrikanischer Erde ist! Seine u[nd]. sei- dazu müsste ich aber in Freiheit sein, so kann ich ner Kameraden Heimatsehnsucht fühle ich sehr es nicht; u[nd]. ob u[nd]. wie viel mein Finanzver- nach. An Xaver u[nd]. seine Familie u[nd]. Lena walter Rauch noch an Bargeld vorrätig hat, weiß meine mitsorgenden Grüße! Wir wollen alle Tage ich nicht; auf Grund meiner letzten Order an ihn der fernen Lieben fest gedenken, Ihr in der Hei- dürfte nicht viel mehr da sein. Aber er könnte mat, ich mit Euch im Leid; - u[nd]. Gott mög’alle Dir meine Monatsgehälter laufend überweisen, wieder einmal zusammenführen! wenigstens solange sie noch „am Leben“ sind! Oder vielleicht weiß er Dir sonst einen helfenden Rat? Selbstredend müssen diese notwendigen Hausreparaturen gemacht werden. Ach, wäre ich frei, es wär ein Pappenstiel, dies zu regeln!

14 Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert 2.) Eine Besuchsfrage: Durch Entgegenkommen von diesem meinem Leid, das sie mir nicht übel hiesiger Stelle bestünde für Dich eine Besuchs- nehmen möchten! Es ist eine schwere Prüfung. Am möglichkeit. Vielleicht die letzte, wenigstens 2. / IV. war ich viel an Vaters Grab - 33. Todestag! soweit ich absehen kann; denn nach Überstel- Ob ich ihn bald wiedersehen werde? Aber eines, lung ins Gericht ist es vielleicht fraglich, ich weiß Julius, heut’ schon, - geh’ es, wie es wolle, - als Bitte: es nicht. Hier bin ich aber nur mehr bis längstens Wenigstens ruhen einmal i[n]. Heimaterde! Und [...] Wenn ich mich nun selber frage, ob Du kom- dann klein Adelheids Autowunsch zusammen mit men sollst, dann würde mein Herz ein lautes Ja Onkel Carl u[nd]. Alfons: Ja, l[ie]b[e]. Adelheid, sie sagen; mein Verstand aber sagt: „Julius, tue es wird kommen, diese Fahrt; ist dann O[nkel]. Carl so nicht!“ Es ist alles ja nur für kurze Zeit, u[nd]. die glücklich, sie mitmachen zu können, heissa! - dann Mühe u[nd]. Last der weiten Reise zu beschwer- soll ’s lustig sein u[nd]. schön, andernfalls muss lich u[nd]. vielleicht für Dich u[nd]. mich zu 0[nkel]. Alfons mit Vater Julius dies tun, u[nd]. zwar schmerzlich. Denk’ an mich u[nd]. halt’ Dich auf dafür 2 x; u[nd]. der l[ie]b[e]. Herrgott füge es dann, dem Laufenden über mich, soweit dies möglich dass Onkel wenigstens glücklich herablächeln ist; dann ist ’s genug! Geistig besuchen wir uns könne! Na, Julius, jetzt wirst Du sagen, was der ja stündlich; - u[nd]. vielleicht fügt Gott es sonst alleweil für Gedanken schreibt! U[nd]. ich sage: „Ist noch gnädig, dass es später auch noch ein Wie- es nicht real u[nd]. vernünftig, Möglichkeiten ins dersehen gibt. Auge zu sehen!?“ Das „Tatsächliche“ liegt ja doch in Gottes Hand; - sein Wille geschehe in allem! Mit 3.) Heimatgedanken - u[nd]. Grüße: Wie viele dem Gedanken des Korintherbriefes aber möcht’ hab’ ich solche an all die lieben Orte u[nd]. Men- ich schließen: „Gepriesen sei der Gott u[nd]. Vater schen! Körperlich bin ich gebannt an enge, öde unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Er- Räume, geistig aber bin ich in „freier Fahrt“ barmungen u[nd]. der Gott allen Trostes, der uns stündlich u[nd]. täglich bei all denen, die ich tröstet in all unserer Trübsal; - auf ihn haben wir schätze u[nd]. liebe, mit denen ich mitdachte die Hoffnung gesetzt, dass er uns auch fürder- u[nd]. sorgte u[nd]. arbeitete; u[nd]. Gott weiß hin retten wird“ (Kor. II,1-11). Mit diesem Segens- es, - wie gerne ich es weiter täte. Nun muss ich wunsch verbinde ich heute meine innigsten Grüße mich so bescheiden, gedrückt vom Gedanken: an Dich u[nd]. die Deinen, an meine l[ie]b[en]. „Anstatt zu helfen, bereitest du nur Leid u[nd]. Verwandten u[nd]. Freunde, spez[iell]. in Dornbirn, Sorge!“ - Das, Julius, ist mir das Bitterste. Grü- Innsbruck u[nd]. Wolfurt. Alles Gute u[nd]. g’sund ße, wo Du Gelegenheit hast, u[nd]. sag’ ihnen bleiben! Dein Bruder Carl. Wiederhören! [Am linken Rand:] Wie geht es Carl u[nd]. Wilfried? Viele Grüße an sie u[nd]. ihre l[ieb[en]. Eltern“! Wie Adolfs Friedr[ich].?

Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert 15 Brief von Carl Lampert an Emma und Föns

Liebste Emma u[nd]. liebster Fons! mal wiedersehen?! Wie der Vater im Himmel will! Bis dahin lebe ich in seinem Schutz, dem Gott mit Euch u[nd]. diesem Schreiben! Gib es ich täglich auch Euch so oft empfehle, u[nd]. ich bitte dem, dem es zukommen soll! Verzeih’, wenn weiß, es wird nicht umsonst sein. Die Liebe stirbt ich Euch so bemühen muss! Aber gell, es bleibt nie, - wenn sie Liebe ist, u[nd]. in dieser grüße dies nur bei Euch! Ich muss diesen Weg gehen! u[nd]. segne ich Euch alle aus tiefstem Herzen - Wie geht ’s doch Euch allen u. bes. Karl u. Wil- als Euer alter, bisher immer noch wenigstens mit fried? Welche Sehnsucht habe ich oft zu Euch! der Nase „oben“ schwimmender Onkel C[arl]. - Manchmal scheint mir dies alles fürs Menschen- U[nd]. wen möchte ich nicht alles grüßen! - 19. Dezember 1943 herz fast zu schwer - u. doch, es muss gehen! Ob wir uns auf dieser Welt noch ein- ./.

16 Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert Eine Bitte Wäre es Oskar möglich, mir etwa 2 Ist die strenge Heuzeit nun vorüber, - u[nd]. od. 3 kleinere Kerzenstummel zu senden oder erarbeitet Ihr noch alles? Wie froh wäre ich, ich eine Kerze für mein Sanctissimum! - Auch bitte könnte helfen!! ich nochmal um Schreibpapier u[nd]. Bleistift - (wenn möglich „Bleistiftminen“ für meinen Grüß mir überall hin -----! Dauerstift; in Innsbruck od. Stettin liegen noch C[arl]. solche); Frl. Lippert wäre es sicherlich möglich, mir irgendein englisches Sprachbuch zu vermit- teln! Mein diesmaliges Schreiben wirst Du ver- stehen!

Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert 17 Brief von Carl Lampert an Julius

Treuester Bruder! schon Trost u[nd]. Freude, - u[nd]. wie oft durfte In der Beilage übersende ich Dir auf diesem ich sie auch andern vermitteln!!! Deo gratias! So Wege eine Abschrift einer Vermögens-Angabe, kann ich immer sagen: „Auch wenn ich wandern die ich über Aufforderung des Gerichtes hier muss in Todesschatten, so fürchte ich trotzdem abgeben mußte. *) Ich sende sie Dir, damit Du kein Unheil; denn Du, o Herr, bist ja bei mir!“ darüber informiert bist. Die Aufstellung selbst Es ist dies alles wie ein Wunder; - u[nd]. dieser sagt Dir ja alles!! Dieser Punkt ist für mich ir- merkwürdige Umstand zusammen mit dem disch gesehen der schmerzlichste des ganzen langen Hinausziehen des Falles selbst gibt mir Urteils, weil damit auch Du u[nd]. Deine Familie eine starke Hoffnung, dass Gottes erbarmende wirtschaftlich getroffen bist. Möge Gott dies Un- Güte mich noch einmal solch ungerechter u[nd]. heil von Dir abwenden! Aber die Tatsache eines so schwerer Verfolgung entreißen wird. So lebe solchen Urteils bleibt in seiner ganzen Bitterkeit u[nd]. trage ich in dieser Kraft die so drücken- bestehen, so bitter, weil es eben so ungerecht ist. de Last dieser meiner Lage u[nd]. finde immer Es blieb mir auf diesem langjährigen u[nd]. so wieder die Kraft dazu. Die unverdiente Gnade schmerzlichen Leidensweg nichts erspart, - auch meines unbedingten Gottvertrauens hat mich im- das dicke Ende rückt drohend näher; denn über mer in meinem Leben begleitet u[nd]. ist in der kurz oder lang wird der Fall weiter behandelt Hitze u[nd]. Last dieser meiner Leidensjahre nur werden, u[nd]. ich sehe heute noch nicht viel noch stärker geworden, je stärker das Leid u[nd]. Lichteres über den Ausgang, außer dass die Vor- die Prüfung auf mich eindrangen. Ich hab’ im-

Torgau, den 9. Juni 1944, Herz Jesufest Torgau, sehung mein Gefangensein in einem erträgliche- mer nur einen Gedanken u[nd]. der lautet: „Gott ren Rahmen hält, als es letztes Jahr war u[nd]. weiß u[nd]. sieht alles!“ U[nd]. seinen Willen zu dass ich den Trost, ja das unaussprechliche Glück erfüllen - immer u. unter allen Lagen, - ist mein haben darf, täglich mein Opfer feiern zu können, heißes Wollen; Besseres kann ich ja nicht u[nd]. Still u[nd]. schlicht auf meinem Zellentisch nach nirgends Katakombenart!! Was gab mir das

[Am unteren Rand:] *) [oben einfügen:] u[nd]. dazu ein längst fälliges Schreiben für Dich!!

18 Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert tun, u[nd]. das tröstet mich hinweg, über die so L[ie]b[er]. Bruder, - Du interessierst Dich sicher miesliche Tatsache „hinausgestoßen zu sein“ für mein jetziges Tagewerk. Circa 4 Uhr erhebe vom Mitwirken- u[nd]. Helfen-können in so ich mich, es ist meine ruhigste u[nd]. glücklichste drangvoller Zeit u[nd]. Aufgabe u[nd]. dafür Tages-Stunde. Brevier - h[ei]l[ige]. Schrift - Be- Gegenstand großer Sorge u[nd]. Mühe ande- trachtung sind ihr Inhalt. 5 Uhr beginnt d[as]. ren sein zu müssen, nicht zu reden vom Leben Rumoren, 6 Uhr Aufstehen für U[ntersuchungs- eines „Gefangenersein müssen“ mit all seinen ].-Häftlinge, Zellen räumen etc. ½ 7 Kaffee (?), bitteren u[nd]. bittersten Stunden, die alle Qua- den lasse ich aber bis 9 Uhr. Dafür halte ich mit len menschlichen Elends beinhalten; was ist ein Kameraden, teils körperlich, teils geistig Anwe- Leben ohne Freiheit, - ohne Religion wüsste ich senden, Morgen-And[acht]., Messe u[nd]. Ko- es nicht mehr zu leben! U[nd]. was für Verde- m[munion]. 9 Uhr Frei-Übung i[n]. Ketten; dann mütigungen u[nd]. Gemeinheiten muss man in betreibe ich Englisch u[nd]. Französisch, 11 Uhr Kauf nehmen! - Diese Zeit hat sie ja ohne Maß Essen fassen; dann gibt ’s Verschiedenes, Persön- u[nd]. Zahl für ihre Kinder übrig, die alle zusam- liches, fürs Haus etc. 3 Uhr wieder Frei-Übung in men heute durch ein nie gewesenes Meer v[on]. Ketten, 5 Uhr Abend-Essen fassen, dann wieder Leid schreiten. Was für eine Abrechnung Gottes - Lesen, Studieren, Sinnieren etc. ½ 8 Uhr halte ich u[nd]. wie wird sie erst noch kommen!! So ringe wieder feierl[iche]. Abend-And[acht]. für „meine ich täglich mit meinem Herrgott in unablässigen Pfarrgemeinde“ vor dem Sanctissimum. 9 Uhr Bitten, dass mein armseliges Opfer mit all den Ruhe, wer schlafen kann; sonntags ist ‘s wie Millionenopfern so vieler bester Menschen zur werktags; Anstaltsgottesdienst ist alle Monat ein- Versöhnung gereiche u[nd]. die Menschen wie- mal, den ich aber nur selten besuchen darf! Der der Menschen werden mögen! - U[nd]. Christus Pfarrer „darf“ mit mir nicht sprechen u[nd]. mich wieder Herr u[nd]. König sei! Ohne Ihn nur Tod! nicht besuchen!!

Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert 19 Brief von Carl Lampert an Julius

Dafür ist der „oberste Pfarrer“ bei mir! Ob ich Waren“, d[as]. h[eißt]. Tabak-Sachen, sind für das mit kirchl[icher]. Erlaubnis haben dürfte, mich hier eine „unschätzbare Hilfe“! Nur eine Bit- weiß ich nicht, aber es genügt mir meine Not- te resp[ektive]. Rat möchte ich Dir geben: Nicht lage, u[nd]. dass der Herr so wunderbar zu mir zu „gewichtige Sendungen“ senden; vielleicht kam u[nd]. immer wieder dafür sorgt, dass er bei ohne so gewichtiges Packmaterial wie Holzkiste, mir ist; das beruhigt mich über das „Erlaubt oder macht hier einen zu gewichtigen Eindruck! Ich Nicht-erlaubt“!! O süßes, h[ei]l[iges]. Brot des weiß schon, dass es schwer ist, Packmaterial zu Lebens! Daneben ist für mich eine unsagbare haben - u[nd]. gesicherter so zu senden; aber die Trostquelle, dass Ihr alle so treu u[nd]. hilfreich Vorschriften hier, - es sollten nicht allzu gewichti- mir beisteht! Julius, du kannst es ahnen, was ge Pakete sein, - also dies ein Rat! Niemals aber dies heißt: „Die Heimat u[nd]. die Freunde lassen sollt Ihr senden, was Ihr selber entbehren müss- mich nicht im Stich!“ Das werde ich nie verges- tet!! Ein anderes! Dr. Valentin kommt oder kam sen! 1000 Dank allen, allen! Bezüglich der Pakete also zu Dir u[nd]. Dr. Ender! Ich bin recht froh; er kann ich Dir melden, dass sie mich alle mit dem zeigte mir bei seinem letzten B[esuch]. Dr. En- ganzen Inhalt bisher erreichten - dank wohlwoh- ders u[nd]. Meinrads Schreiben; sag’ Du Mein- lender Stellen; Du u[nd]. alle mögen entschuldi- rad meinen tiefen Dank! Und wie steht ‘s denn gen, wenn ich in Bestätigung nur von „Grüßen“ mit einem neuen, bez[iehungs].- weise zweiten schreibe, es hat seinen tiefen Grund! Gericht! Bin Vertreter?! Ist Aussicht?!! Ich glaube *) wenn der für alles so dankbar, bes[onders]. die „Rauch- Bischof dies vom Gericht verlangt, ja!! Nur soll

Torgau, den 9. Juni 1944, Herz Jesufest Torgau, dies so geschehen, dass Dr. Valentin nicht vor den Kopf ge-

[* = In der drittletzten Zeile einfügen:] *) und weiß!!

20 Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert stoßen ist. Ich werde für den zweiten Prozess braucht Herz u[nd]. Nerven, die von Stahl sind! (Spionage-Verdacht) keinen anderen als ihn Es sind allerhand Gemütsdepressionen durch- haben dürfen, u[nd]. es kommt so viel auf ihn zumachen! Besonders an den Tagen, an denen an resp[ektive]. auf die Verteidigung bei diesem die Transporte von hier zur Hinrichtung nach Prozess. Derzeit scheint er einiges Interesse für Halle gehen; wie sehnt man sich dann in solchen meinen Fall aufzubringen, aber der Mann hat Stunden, wenigstens einen lieben Menschen um ja seine eigene Einstellung u[nd]. dazu soviele sich zu haben, aber auch dieses Leid sei Gott ge- Klienten. Im Ganzen muss ich sagen, die tägliche schenkt! Dann muss ich an das Opferungslied in Erfahrung hier u[nd]. all das Erbarmungslose fa- der Herz-Jesu-Messe denken: „Nur Schmähung natisch Rücksichtlose der Zeit möchten einen nur und Leid hat mein Herz zu erwarten. Da schau Pessimismus schwärzester Art über den Ausgang ich aus, ob einer Mitleid mit mir habe, - niemand sehen lassen. Begreiflicherweise sehnt man sich kommt. Einen Tröster such’ ich, - keinen find’ dann in solcher Lage auf die Hilfe einer Ver- ich!“ - Aber gerade dann find’ ich ihn, - u[nd]. teidigung, die ihr Volles u[nd]. Letztes einsetzt, dieser sagt mir immer wieder: „Der Jünger ist - u[nd]. dies Gefühl mangelt mir bei Dr. Valentin. nicht über dem Meister.“ - U[nd]. dann wird es Tut also, was Euch möglich ist u[nd]. richtig er- zu einem stolzen Tragen, u[nd]. das Menschen- scheint! Ebenso wichtig aber erscheint mir, dass Herz beruhigt sich dann. So vermag ich auch dies eine treue, unablässige Beterschar hinter mir zu tragen: „U[nd]. immer, wenn du glaubst, es steht, dann wird es schon recht werden. Hier geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Licht- heißt es: „Sperare contra spem“, u[nd]. dies stark lein her-----“ U[nd]. das hellste von Dem, der in u[nd]. fest, -das Übrige wird die Zeit heilen! Seit Seiner unendl[ichen]. Liebe bei mir weilt, von 20./XII. 43 bin ich nun schon Todeskandidat u[nd]. Seiner u[nd]. Euerer treuen, sorgenden Liebe in Ketten!! Eine düstere Bergeslast, u[nd]. es u[nd]. Güte, die niemand verlässt, wer Ihn nicht verlässt!

Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert 21 Brief von Carl Lampert an Julius

U[nd]. wie freue ich mich dann, wenn ich Ihm U[nd]. der Herr wird alles einst gut machen. Bis tagsüber all meine Lieben allüberall so recht oft dahin heißt es halt: durchhalten! Was ist schon u[nd]. fest empfehlen kann, ihre Sorgen u[nd]. mein Leid! - Im Millionenleid der armen Mensch- Arbeiten, Nöten u[nd]. Gefahren tragen helfen heit, - auch in Eurem Leid u[nd]. Sorgen! Wieviel, u[nd]. abwehren kann u[nd]. täglich morgens Julius, denke ich daran! Sag’ jedem, dass ich u[nd]. abends den feierlichen sakramentalen keinen Tag keinen vergesse, sag’ dies all meinen Segen nach allen Himmelszonen spenden darf! lieben Freunden, in u[nd]. außer dem Ländle Ja, Julius, wenn mir auch alles genommen ist, u[nd]. dass ich stündlich mit allen bin, vielleicht Freiheit, Beruf, Besitz, Ehre u[nd]. Leben, eines so wirksamer, als wenn ich körperlich bei Euch hat der Herr nicht zugelassen, das „Priestersein- sein dürfte; Gott hat es nun so gefügt! Sein können“ hat alle Gewalttätigkeit nicht vermocht heiligster Wille sei angebetet! Tragt auch Ihr die mir zu rauben!! U[nd]. damit ist mir das Liebste Not der Zeit Gott zu lieb, u[nd]. Er wird alles gut u[nd]. Höchste erhalten geblieben, u[nd]. ich machen, - der größte Trost! Von innigstem Herzen glaube, ich habe das Höchste gewonnen auf Er- grüße, danke u[nd]. segne ich Euch alle; - u[nd]. den, „noch mehr Priester zu sein u[nd]. Opfer“! Gott möge einst ein frohes Wiedersehen daraus Ein Priesterherz u[nd]. Freundesherz ist Jesu machen, wenn Er es schenkt noch einmal in der Herz! U[nd]. Gott möge es gnädig segnen, dass Heimat nach all dieser Not; – sonst aber bei Ihm ich es noch lange u[nd]. immer mehr sein kann! in einer besseren Heimat! Grüß’ mir ganz beson- Dann hab’ ich alles verloren, - aber auch alles ders jene, die meinem Herzen ganz nahe sind;

Torgau, den 9. Juni 1944, Herz Jesufest Torgau, gewonnen! So l[ie]b[er]. Julius, jetzt habe ich Dir - die Liebe stirbt niemals, - erst recht nicht, wenn einen kleinen Blick in mein Sein geben können. sie leiden muss!! - Dieser Brief ist nicht geschrie- Du siehst, ich bin reich trotz allem Elend! ben u[nd]. zu vernichten!

Leb wohl, l[ie]b[er]. Bruder! Carl.

22 Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert Brief von Carl Lampert an Julius

Mein l[ie]bster. Bruder! hinderte, dass 4 Gestapo ihr beiwohnten (Trettin, Hagen u[nd]. 2 andere); als Zeugen waren nur 3 Die Würfel des 8. sind nun gefallen. - Es ist am Gestapo u[nd]. Dr. Cornet, I[nns]b[ruc]k., zuge- besten, ich sende Dir gleich auf diesem Wege lassen! Von allem Anfang an forderte der Präsid[- volle Nachricht, - wenn sie auch unerfreulich ist, ent]. mich auf, endlich zu gestehen, u[nd]. erging wie sie unerfreulicher nicht sein könnte! Nimm sich verschiedentlich in Beschimpfungen gegen sie bitte auf wie ich in aller Ruhe u[nd]. Ergeben- mich! Als Grundlage nahm man wieder die heit - Gott weiß warum u[nd]. wozu -: „Ich wurde famosen Stettiner Protokolle, die ich wie immer auch für diese Beschuldigung (Spionage) zum als erpresst u[nd]. falsch ablehnte, aber trotzdem Tode, zum Verlust der bürgerl[ichen]. Ehrenrechte wurden sie bis zum Schluss als nicht „so er- u[nd]. Beschlagnahme meines gesamten Ver- presst“ genommen, bis ich zum Schlusse Trettin mögens verurteilt!“ Nun bin ich also ausgestattet zu einem Zugeständnis brachte, dass noch nach mit 2x [= zweimal] vom härtesten Urteilsausmaß; jener Misshandlung in Stettin ich weiter unter - das dürfte für diesen Bedarf reichen!! Es hat anderen Drohungen gestanden hätte! Trotzdem mich nicht überrascht! Es erschien mir schon bei lautete des Urteil so!! Die Begründung hieß: Torgau, den 9. September 1944 Torgau, Beginn der Verhandlung als vorgefasst! - U[nd]. „Dies Urteil fußt nicht auf den Stettiner Proto- die ganze Verhandlung erschien mir als eine kollen, sondern auf der Persönlichkeit des Ange- einzige tagelange Beschimpfung. Die Sitzung klagten; l[au]t. erstem Urteil ist der A[ngeklagte]. dauerte von 9 Uhr früh bis abends circa ½ 7 Uhr. überwiesen des Radiohörens, Die Sitzung wurde von Anfang an als geheim mit Ausschluss der Öffentlichkeit erklärt, was aber nicht

Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert 23 Brief von Carl Lampert an Julius

der Feindbegünstigung u[nd]. der Zersetzung Was ich nun über all das denke, kannst Du Dir (genommen vom 1. Urteil, von dem ich übrigens vorstellen. Auch die Umstände waren entspre- in dieser Verhandlung hören musste, dass es chend; ich bekam keine Anklageschrift, über- bereits i[m]. April 44 vom Präsidenten bestätigt haupt noch nie etwas Schriftliches zu Gesicht; die u[nd]. daher rechtskräftig geworden sei!). Also Verhandlung war vom Präsidenten so geführt, ist der Angeklagte der Spionage fähig(!), der Ver- dass ich von vornhinein als „Verbrecher u[nd]. dacht ist hinreichend erwiesen; drum - u[nd]. nun Lügner u[nd]. Staatsfeind“ feststand, von Objek- kommt die schönste Begründung - die Angaben tivität war keine Spur zu sehen! - Dr. Val[entin]. Hagens sind durchaus glaubwürdig, während sah ich einmal vor der Verhandlung ½ St[un- der Angeklagte durchaus unglaubwürdig ist! Zu- de].; während der Verhandlung war er Zuhörer, dem - u[nd]. nun kam noch das Schönere! -: „die sein Schluss-Plädoyer war gut; sonst hatte ich Stettiner Protokolle“ (siehe oben!!) beweisen, niemals Hilfe u[nd]. Gehör. Nun ist mein Trost dass Dr. L[ampert]. zwar davon abgekommen ist, u[nd]. meine Stärke Mathäus 5, 11: „Selig seid von Hagen Originalpläne der Geheim-Waffe zu ihr, wenn euch die Menschen schmähen u[nd]. fordern, aber am 26./I. 43 an Hagen die Forde- verfolgen u[nd]. alles Böse fälschlich wider euch Torgau, den 9. September 1944 Torgau, rung stellte, „ihm andere Unterlagen zu beschaf- aussagen um meinetwillen! Freuet euch u[nd]. fen“ (natürlich alles reine Lügen u[nd]. Erfindun- frohlocket; denn euer Lohn ist groß im Himmel! gen dieses Unmenschen Hagen!); - u[nd]. damit Denn so haben sie auch die Propheten vor euch war der „Verbrecher“ überwiesen! Im Namen des verfolgt.“ - Was nun, - l[ie]b[er]. Julius!? - Ich deutschen Volkes! habe noch einige Tage Sicherheit! Am Sonntag (morgen) will Dr. Valentin kommen, um sich zu besprechen. Ich werde versuchen, Wiederauf- nahme

24 Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert beider Prozesse zu erstreben; ich weiß, dass ich Regelung wirtschaftlicher Angelegenheiten zu damit abgewiesen werde; aber es dürfte damit erreichen; wer sonst mich noch besuchen will ein paar Tage Zeitgewinn erreicht werden. Dann u[nd]. kann, soll es versuchen. Wielange ich werde ich mit Gnadengesuch zugleich operieren, noch lebend zu erreichen bin, weiß ich nicht, es wenn möglich an den Führer; man sagt mir, dass kann auch schnell gehen. Alles steht in Gottes dies einen Aufschub von ein paar Wochen bedeu- Hand, auf ihn vertraue ich, seinen Willen erfüllen te; natürlich wird es wahrscheinlich abgewiesen, will ich u[nd]. bin bereit - auch zum Letzten. Dr. aber der Versuch muss gemacht werden. Euch Valentin will von Dir (durch Dr. Ender) die rasche bitte ich ein Gleiches zu tun, sofort!! U[nd]. zwar Schaffung einer hypothekarischen Belastung bitte ich von mehreren Stellen u[nd]. Personen meines Besitzes im größtmöglichsten Ausmaß! aus! Bitte, aber nicht nur an den Präsidenten des Sende ihm also die Unterlagen! Nun ist alles hiesigen Gerichtes, sondern auch an Führer, an noch ein Wettlauf der Zeit mit dem Tode, - u[nd]. Papen, wenn irgendjemand Verbindung hat; die- „irgendeine“ Erlösung naht. Gesundheitlich so se Aktionen aber dem hiesigen Gerichte wissen passabel, leidlich erholt von den letzten Wochen, lassen! Ob u[nd]. wieweit im Wege über Rom die Verhandlung aber nahm mich sehr mit. „Sie oder anderer Stellen Interventionen Euch mög- sind ja um 20 Jahre älter“, erklärten sie mir bei lich sind, weiß ich nicht, tut, - ich bitte Euch -, der Rückkehr. Innerlich bin ich aber aufrecht. Der was möglich ist. Dr. Valentin will versuchen, eine Verhandlung mochte ich nur mit Mühe zu folgen. Besuchs-Erlaubnis für Dich zur Möge dieser Brief Dich gut erreichen! Meine Ge- bete, meine Liebe u[nd]. Grüße u[nd]. Wünsche sind alle Tage mit Euch allen u[nd]. Dir beson- ders. C[arl].

[Am linken Rand:] „Hausspatz hat Nachricht“ - ist meine Beruhigung.

Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert 25 Brief von Carl Lampert an Föns Text

[Torgau,] 16./9. leidlich in Ordnung u[nd]. hoffentlich so lange, [richtig: Oktober, siehe Daten in 2. Zeile] [19]44 als der bedenklich bedrohte Kopf noch oben bleiben darf. Doch das soll nicht der erste Inhalt Mein liebster, bester Fons! dieses Briefes sein, sondern meine Sehnsucht, Innigst u[nd]. herzlichst erwidere ich Deine lieben mit Dir wieder einmal offen reden zu können; Grüße v[om]. 29.9., die ich am 9.10. erhielt, denn die nun so lange andauernde Trennung u[nd]. Dein wertvolles Paket, das 2 Tage vorher zu von all dem, was mir lieb u[nd]. teuer ist, u[nd]. mir kam! Wenn in der Gefangenschaft Grüße der diese völlige Abgeschnittenheit von meinem Heimat u[nd]. seiner Lieben an u[nd]. für sich- Lebenskreis u[nd]. meiner Lebensaufgabe ist ein schon eine unendliche Freude u[nd]. viel Trost täglich neu zu meistern- des Problem! Nun zu bedeuten, so erst recht in meiner so überaus Deinem Brief. Julius scheint Deinem Bericht ge- harten u[nd]. so lastenden Lage! Ich danke Dir mäß wenig-stens „keinen schlechten“ Eindruck darum aus tiefstem Herzen für diese Deine Liebe von seinem Besuche bei mir heimgebracht zu wie nicht minder für alles andere, was Du u[nd]. haben; dieser Besuch war ja für ihn u[nd]. mich Emma u[nd]. Ihr alle dort in so treuer, sorgender alles eher, denn ein Vergnügen; umso mehr Liebe für mich in meinem harten Los tut! - Dieser freute mich Deine Bemerkung; - u[nd]. so will Torgau, den 16. September 1944 Torgau, Brief kommt außertourlich zu Dir, u[nd]. ich bitte, ich halt weiter wie Ihr dort im Gottvertrauen ihn deswegen auch außertourlich zu behandeln! durchhalten, bis es besser wird, schlechter kann Ich schreibe ihn zur Mittagszeit während draußen es nur noch weniger werden! Der „Anbruch des die Sirene heult, - leider eine gewohnte Musik Morgenrots des Friedens u[nd]. des Sieges“ ist u[nd]. in ihrem heulenden Tone so recht der Aus- ja unverkennbar. Wer u[nd]. wie viele bis dahin druck des heulenden Elends, das uns alle erfüllt. aber noch dran glauben müssen, ist freilich Verzeihe meine Krips-Kraps-Haken, ich habe eine andere Frage; doch auch die Lösung dieser leider manchmal Tage, an denen die Ruhe meiner Frage steht bei Gott u[nd]. kann deswegen auch Nerven sehr zu wünschen übrig lässt; Gott sei nur eine gute sein; u[nd]. so wollen wir uns Dank nur dies, der übrige Organismus ist sonst heute schon mit

26 Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert ihr abfinden, wie immer sie ausfallen mag. Fiat l[ie]b[en]. Emanuel u[nd]. nach Wolfurt fuhrst, - fiat - fiat! Kreuz ist ja Inhalt u[nd]. Sieg des danke ich Dir besonders; wie sehr schätze u[nd]. Christenlebens u[nd]. in unseren Zeiten, die werte ich erst jetzt diese guten, treuen Brüder; Ehre des Priesterlebens. - „Alle Kreuze, Dann in ihnen u[nd]. Euch allen höre ich einen ganz werden die Kreuze, die am Wege die Not Dir vollen, feinen Klang von „guten Kameraden“; schlägt die Du getragen, u[nd]. Gott Dir aufer- grüße sie mir immer wieder u[nd]. sag’ ihnen, legt sich wunderbar zur Brücke sollst Du tragen dass ich täglich u[nd]. wie oft dazu noch bei in starker Geduld. schlagen, Einmal, - hinweg ihnen weile in ihren heute so drangvollen, aber über den reißenden am Ziele Deiner Erdenzeit gerade darum umso wertvolleren Mühen! Wie Strom der Zeit, musst Du hinüber zur Ewigkeit. sehr drängte es mich, wieder einmal bei ihnen rettend ans Ufer der Ewigkeit!“ Dann, l[ie]b[er]. zu sein u[nd]. mit ihnen alles leisten, sorgen Fons, dann unser tiefstes „Deo gratias“! Gewiss und tragen zu können. Dir, l[ie]b[er]. Fons, „aufatmen“, wie gerne möchte ich das auch wie- u[nd]. auch ihnen meinen Dank für Euer Eintre- der einmal tun! Aber ich tröste mich mit dem ten für mich; es ist wertvoll u[nd]. gut, je mehre- Gedanken, es sind keine, die dies heute ganz re es tun, desto besser; es widerstrebt mir zwar können, u[nd]. so will auch ich nicht der „Kurz- im Innersten meines ganzen Seins, um Gnade atmigste“ sein! Kämpfer sein, ist ja derzeit hoch zu bitten, wo ich Recht - u[nd]. zwar so schwer im Kurs, u[nd]. ich will im Kurs nicht sinken! verletztes Recht - zu fordern habe; aber jeder Kurs-Hebungen u[nd]. -Senkungen muss man muss jene Wege gehen, die ihn einmal zu die- halt in Kauf nehmen. Aber mein heiliger oder sem Recht führen können; - u[nd]. diese Wege vielmehr unheiliger Leichtsinn trägt mich immer sind leider nicht immer gewollte, noch weniger wieder über alles hinweg, u[nd]. sei es noch so sind dies immer angenehme; aber ich möchte dick. - Dass Du so lieb warst u.[nd]. gleich zum sie wenigsten mit

Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert 27 Brief von Carl Lampert an Föns

Würde u[nd]. ohne überflüssige Demut gehen!! mir alle von Herzen! Wie lebhaft stehen sie alle Winseln liebe ich nicht, aber aufrecht bitten kann doch immer vor mir, die l[ie]b[e]., ehrw[ürdige]. man auch heute noch; vielleicht führt Gottes Mutter, Frau Rüsch, der l[ie]b[e]., alte Lehrer Hand hier zu besserem Erfolg als menschliches Schwendinger, Fr[äu]l[ein]. Kipf, Braungers, die Fühlen u[nd] mein Erwarten hier zu gewähren Mesnerin v[om]. Fallenberg (am 21. 9. dachte u[nd]. zu hoffen bisher geneigt sind. Ich habe ich bes[onders]. daran!), Vize-Winsauer, Betzler gelernt, alles u[nd]. nichts zu erhoffen u[nd]. - u[nd]. alle anderen, die Du mir nicht nanntest mich mit jeder Gemeinheit u[nd]. Enttäuschung u[nd]. doch genannt waren; denn Dornbirns Tage abzufinden; da bringt mich nichts mehr aus dem leben unauslöschlich in mir u[nd]. die in den Sattel, höchstens, dass sie mir eine alte Wahr- Häusern wie nicht minder, die im „letzten“ Haus, heit immer wieder bestätigen: „Mensch sein, d[as]. h[eißt]. auf dem Friedhof dort wohnen, sie heißt, die Fähigkeit zu haben, Engel, aber auch alle sind u[nd]. bleiben mir unvergessen; denn schwärzester Satan sein zu können“; u[nd]. wenn sie alle waren ja Inhalt u[nd]. Freude u[nd]. Sor- sie Letzteres sind, sind sie ihres Herrn u[nd]. ge meiner so überaus glücklichen Jungpriester- Meisters abscheulichste Abbilder u[nd]. getreue jahre u[nd]. sie blieben es auch in diesen wenig Gefolgsmannen, ich habe es erlebt! - U[nd]. ich lichten Tagen, denen auch heute noch meine Torgau, den 16. September 1944 Torgau, vermag nun wohl zu begreifen, dass eine Ge- Sorge u[nd].Beten u[nd]. Denken gilt! - Sage meinschaft mit ihnen ein künftiges, seliges Leben oder besser schreibe darum Karl u[nd]. Ibba mei- ausschließen müsste; - Abschaum der Mensch- ne Freude u[nd]. meinen Dank für ihre so lieben, heit, wie bist du tief! Wie wohltuend wirkt da treuen Grüße u[nd]. all ihr an mich Denken trotz die Begegnung oder die Erinnerung an edle, ihrer eigenen so schweren Lage; sag’ ihnen, dass gute Menschen! Die lieben Grüße meiner alten kein Tag vergeht, an dem nicht abends u[nd]. Dornbirner Freunde freuten mich tief; - grüß’ sie morgens

28 Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert meine Gedanken sie begleiten u[nd]. ich sie dem Bekannten: + Fr[äu]l[ein]. Weber (sie sandte mir empfehle, der letzter u[nd]. bester Schutz für sie nach ihrem Tod noch ein paar Zigarren!), der ist; - u[nd]. wenn ich morgens u[nd] abends den l[ie]b[e]. Prof[essor]. Agerer +, bitte sag’ seiner sakramentalen Segen auf Katakombenart in alle Familie meine innigste Anteilnahme, ich habe für 4 Himmelsgegenden spende, sind sie beide im- ihn hier mein Katakomben-Opfer dargebracht, - mer besonders kommemoriert! Dies u[nd]. der u[nd]. ebenso der Familie Braunger.- L[ie]b[er]. himml[ische]. Mutter-Segen möge sie schützend Fons, ich freue mich so sehr, dass Du gesund- durch all die vielen Fährnisse geleiten u[nd]. uns heitlich so wohl auf bist u[nd]. gute Ferien hat- alle auf Erden noch einmal zusammenführen, ich test. Ferien..., was für ein Wort!! Dafür hab’ ich vertraue fest darauf; denn größer als der Retter jetzt „’s Pfifle“[das Pfeiflein] u[nd]. bin glücklich ist die Not ja nie! Hoffentlich ist auch inzwischen darüber u[nd]. denke ans „Mosten u[nd]. Kraut- von Carl wieder Nachricht eingetroffen! Sein einstampfen“! Ach ja, wenn es solche Genüsse Bericht entbehrte nicht des Humors; er ist ja noch gäbe, noch einmal gäbe!! - U[nd]. erst auch von dem Holz, das sich nicht so leicht bie- „unsere Amerika-Fahrt zu Mäth“! Na ja, kommt gen lässt; - u[nd]. der l[ie]b[e]. Ibba lebt in allen Zeit, - kommt Fahrt! Ich mache in Träumen der- Lagen als „der Idealist“, wie sehr sehne ich mich zeit die tollsten Reisen, u[nd]. mein Leben ist ja doch danach, diese beiden l[ie]b[en]. Kerle wie- sowieso ein Traum, nur ein sehr schwerer u[nd]. der einmal zu sehen u[nd]. zu sprechen! Lothar überaus drückender, so dass mein Kopf manch- u[nd]. Hans - Vermisste! Ich will ihrer bes[on- mal brennt. Es ist nicht leicht, - Todeskandidat in ders]. gedenken! Die Totentafel verzeichnet Permanenz zu sein! immer mehr Opfer aus dem Kreis der l[ie]b[en].

Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert 29 Text Brief von Carl Lampert an Föns

29. 10. - Lange Zwischenpause, - nun mit Bleistift sem hässlichen Dunkel meines Daseins! Es ist weiter, Tinte dreckt, u[nd]. das Papier ist wie die der reinste Justiz-Mord, der mit mir getrieben Zeit - schlecht! Ein großes Ereignis liegt hinter wird! Es hohnlacht in mir alles, wenn ich das mir - Exz[ellenz]. Tschann’s Besuch! Er tat wohl, Wort Recht höre; - aber auch das wird einmal wenn er auch leider nur sehr kurz war; - es war Sühne fordern wie so millionenfach anderes - ein ersehntes Wiedersehen u[nd]. eine edle Scheußliches. Doch es hat ja keinen Sinn, sich Brudertat! Meine Lage hat sich indes ins noch über die Existenz des Teufels zu unterhalten, wo tiefere Elend verändert, da mein Wiederaufnah- er so reichlich zu erleben ist! Noch mag er trium- me-Gesuch für eine neuerliche Prozessaufnahme phieren, niemals aber wird er siegen! - Christ- abgelehnt wurde. Nun läuft nur noch das Gna- könig-Tag heute, wie leuchtet sein Reich auf im den-Gesuch-Stadium, hier Hinrichtungs-Stadium Dunkel dieser entsetzl[ichen]. Zeit! Fons, immer genannt! Denn Gnade u[nd]. Barmherzigkeit sind mehr wollen wir Ihm zugehören, immer tiefer ja ausgewandert! Fons, Du l[ie]b[er]. Freund, - u[nd]. treuer, damit wir seines Reiches glückseli- ahnst vielleicht, was ich für Zeiten durchmache; ge Herrlichkeit einst miteinander bei Ihm genie- denn so bitteres Unrecht tut weh! Ich habe nur ßen dürfen; sollten diese Zeilen an Dich meine noch eine vernünftige Begründung für all den letzten sein - (ich hoffe es immer noch nicht!), Torgau, den 16. September 1944 Torgau, Wahnsinn, den man mir antut: „Haben sie mich - dann nimm sie als den letzten Wunsch Deines verfolgt, werden sie auch euch verfolgen!“ - Freundes U[nd]. der Gedanke ist das einzige Licht in die- an Dich!

30 Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert Ich habe soeben „mein Hochamt“ gehalten, u[nd]. Verzeihung füralles, was ich weniger gut u[nd. Ihr waret alle dabei bei dieser „Königs- gemacht!“ - ist ’s dies Wort fürs Sterben, ist ’s feier“, u[nd]. ich hab’ Dich u[nd]. all die Deinen gut; ist es fürs Leben, ist ’s auch nicht schlecht, u[nd]. all meine vielen lieben Sorgen- u[nd]. - frohes Wiedersehen ist das Beste! - U[nd]. Freudenkinder Ihm geweiht, u[nd]. es war mir nicht traurig sein! „Freuet Euch, - u[nd]. wie- so eigen froh u[nd]. festlich zu Mute in dieser derum sage ich Euch, freuet Euch!“, - so sprach Stunde, wenn auch der „Kirchenraum“ nur ein Großer einst im tiefsten Leid! Sei Du bei all meine armselige Zelle, u[nd]. die Weihrauchwölk- den Lieben dort u[nd]. all meinen Freunden der lein von einem kleinen Zweiglein einer Heimat- Künder meiner herzl[ichen]. Grüße u[nd]. mei- tanne stammten; - aber ich meine, sie stiegen ner besten Wünsche! Fons, mein guter, liebster doch zu Gott empor als „lieblicher Wohlgeruch“ Freund, Emma, Carl, Ibba, Hildegard, Karl u[nd]. u[nd]. trugen mein heißes Flehen zum Himmel Anna, Hanne u[nd]. Ludwig u[nd]. alle, alle - Gott empor; - u[nd]. so wird auch für mich u[nd]. für befohlen! Mein heutiger Gruß heißt: „Wiederse- Euch alle wieder einmal lichter Festtag sein! Bis hen - u[nd]. dahin, - Geduld! - Fons, ein Wort möchte ich hier Nicht vergessen!“ nicht unausgesprochen lassen, ich sprach es schon einmal, es heißt: „Dank für all Deine Liebe Dein Carl-Onkel Carl.

Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert 31 Brief von Carl Lampert an Julius

Mein l[ie]b[er]. Bruder! sprochen, mehr noch musste unaus­gesprochen Jedes Fest hat seinen Oktavtag; gestern waren bleiben, da eben alles zu knapp u[nd]. beengt es 8 Tage, dass Du mich besuchtest; - u[nd]. das war. - Heute nun kam Dein u[nd]. Rosina’s Brief; war für mich ein großes Fest mit allen möglichen ich danke Gott, dass Du wie­der wohl zu Hause Gedanken, wenn auch nicht lauter festlichen. angekommen bist, wenn auch nach überaus Aber jedenfalls, Du konntest mich u[nd]. ich Dich mühevoller Heimfahrt! Aber alles muss verdient wieder einmal sehen u[nd]. sprechen, u[nd]. in sein, dafür hattest Du bessere Möglichkeit, in Dir sah u[nd]. hörte ich wieder einmal die Hei- Feldkirch meine Wünsche anzu­ bringen.­ Deine mat, u[nd]. das war große, große Freude; Gott u[nd]. Rosina’s Zeilen gaben Befriedigendes wie- lohn’ Dir all diese unendliche Mühe, die damit der, was gesund sein u[nd]. Ähn­liches betrifft; ein für Dich verbunden war, u[nd]. lohne alles Gute, Unterton war nicht zu verkennen, der nun einmal das Du mir brachtest, u[nd]. erfülle alle Wünsche, nicht zu übersehen ist; aber die Zeilen sprachen die Deinen u[nd]. die aller an­derer lieben Men- auch vom „doch u[nd]. dennoch hoffen“, u[nd].

Torgau, den 4. Oktober 1944 Torgau, schen, die durch Dich zu mir kamen, u[nd]. seg- das ist wenigstens etwas, man greift in solchen ne sie u[nd]. mich u[nd]. Euch alle! - Ich wollte Lebenslagen danach, etwa wie ein Ertrinkender schon gleich schreiben, brachte es aber nicht nach einem Strohhalm; aber weißt, Julius, neben fertig; man muss eben zuerst mit allem fertig diesem Strohhalm hab’ ich einen festen, star- werden u[nd]. die nötige Distanz zu allen Dingen ken Balken, der mich durch das zischende u[nd]. des Lebens immer wieder gewinnen; u[nd]. Dein gurgelnde Gewoge meiner bisher­ dunkelsten l[ie]b[er]. Besuch war ja nicht ein gewöhnlicher, Lebensströmung treibt u[nd]. auf dem ich fest er kann ja auch ein letzter oder zumin­dest einer u[nd]. unverrückbar sitze, u[nd]. dieser für lange Zeit gewesen sein! Manches konnte be-

32 Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert Balken heißt „Gottvertrauen“. „Auf Dich, o Herr, u[nd]. Gedenken! Auch , den schwarzen habe ich vertraut, u[nd]. ich werde nicht zu- Weißkopf habe ich am 29. 9. nicht übersehen schanden werden!“ Wenn alles versagt, dies und vertraue weiter auf meinen Schwertmichael hält - u[nd]. verbürgt ein Wiedersehen in der i[n]. Innsbruck. Am 2. 10. kam Fonsens lieber Heimat; darum aushalten u[nd]. vertrauen! Dank Gruß zu mir u[nd]. sagte mir, dass er mich u[nd]. Dir, l[ie]b[e]. Rosina, dass auch Du so denkst! Die meine Schwächen richtig taxierte; - u[nd]. es kam Unterlagen für die Ordnung meiner irdischen An- mir vor, als säßen wir beisammen wie einst in gelegenheiten sind also auf dem Wege; mögen schöneren Tagen. Auch Deinen letzten Torgauer- sie Erfolg haben, ich würde etwas erleichterter Gruß erhielt ich; bezüglich der Wäsche reicht es abtreten; du weißt ja, wie sehr u[nd]. warum zunächst, das andere wird sich finden; leid, sehr dies mich so schmerzt! Dein Brief meldet den leid tut mir, dass Uri andere Verwendung fand, Heimgang v[on]. Freund v[on]. Ganahl u[nd]. grüß’ mir ihn u[nd]. die Seinen! Meine heuti- Meinrads Vater. Ich spreche den beiden Trauer- gen Grüße aber gehen an alle, zu Dir u[nd]. den familien meine innigste Anteilnahme aus u[nd]. Deinen vor allem, zu Carl u[nd]. Juli u[nd]. Xa- mein Memento in sacris. R.I.P. - Größer wird ver, dann an alle Fronten u[nd]. Orte, besonders immer die Zahl nahestehender Menschen, die zu all den Lieben im Ländle u[nd]. Tirol u[nd]. uns vorausgegangen im Zeichen des Glaubens Stettin, die ich jeden Tag im Geiste besuche. Nun u[nd]. im Frieden entschlafen sind, - im Frieden sind leuchtend schöne Oktobertage, als grüße entschlafen, trostvolles Heimgehen! Möge es lächelnd die Rosenkranzkönigin u[nd]. verkläre allen beschieden sein, die heimgehen dürfen mütterlich mild letzte, schwere Tage von Erden- od[er]. müssen! - Heute ist das Fest des Heiligen leid; - drum dies Monat ganz innig im Flehen: v[on]. Asissi, u[nd]. ich denke an liebe Namens- „Maria, breit den Mantel aus!“ Ein inniges tagskinder, Exzellenz Franziscus, Vetter Franz i[n]. „Grüß- u[nd]. Behüt Gott“, Dir u[nd]. allen! Großdorf; am 6. feiert Freund Bruno u[nd]. am 17. 10. 2 Hedwig, - ihnen allen ein Sondergruß Dein Bruder Carl.

Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert 33 Brief von Carl Lampert an Julius

Lieb-Julius! dische Freuden handelt u[nd]. wenn diese auch- Allerheiligen-Abend 1944! - Ich sitze auf meiner nur „Kamerad i[n]. Zelle u[nd]. Leid“ heißen. Zelle, meine Gedanken wogen u[nd]. stürmen So pendeln heute Sinn u[nd]. Gemüt um 2 Pole, u[nd]. wollen das armselige Gehäuse meines freudiges Festgeheimnis - u[nd]. irdische Er- gefangen gehaltenen Leibes fast sprengen; es dennot; - u[nd]. wäre nicht dies Erstere, so wäre ist nicht immer leicht, mit allen einstürmen- das Letztere heute einfach trostlos; da hilft dann den Stimmungen fertig zu werden, speziell an nur ein herzhaftes „Herr, Dir zu lieb, u[nd]. tut ‘s solchen Tagen der Erinnerung; u[nd]. das Men- auch noch so weh!“ - Ich habe heute früh meinen schenherz, verwurzelt u[nd]. durchwachsen mit Festgottesdienst allein gefeiert, aber ich spürte 1000 irdischen Wurzeln, zappelt u[nd]. blutet, so- sehr wohl die „Gemeinschaft der Heiligen“ u[nd]. oft wieder eine ausgerissen wird; wie viele solch dachte an das beglücken- de „Illi autem sunt in ird[ische]. Wurzeln hat das harte Schicksal dieser pace“ - „Diese sind im Frieden!“ - Heut Nachmit- Leidensjahre meinem Herzen mit unbarmherzi- tag machte ich „Gräberbesuch“, u[nd]. darunter ger Faust schon ausgerissen u[nd]. wie wenige waren so viele l[ie]b[e]. Alte u[nd]. so unendlich dieser Wunden sind ganz vernarbt u[nd]. bluten viele Neue, allüberall u[nd]. darunter so viele, Torgau, den 1. November 1944 Torgau, weiter! Wieder hat eine Verfügung des gestrigen so schmerzlich ferne; wahrlich, wäre nicht ein Tages mir etwas weggenommen, was fest u[nd]. ewiges Leben, ein bloß irdisches wäre heute un- teuer in meinem Herzen wurzelte u[nd]. mir viel erträglich; so aber überstrahlt die „gloria Sanc- Trost u[nd]. Ablenkung war; u[nd]. so zappelt torum“ das todtraurige „De profundis“ dieser heute mein Herz wieder einmal mehr als sonst Erde. U[nd]. darin will ich diesen Tag beschlies- u[nd]. muss sich damit abfinden. So sind wir sen, wissend, Gott wird abwischen alle Tränen, - arme Menschen! Das „Losschälen“ schmerzt auch die meinen! Allerseelentag früh! - Wie freue immer, bes[onders]. wenn es bei einem armen ich mich, meine 3 Messen auch in meiner Lage Todeskandidaten um ein paar letzte noch übrig feiern u[nd]. so mich mit der Welt- gebliebene ir-

34 Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert kirche „opfernd u[nd]. betend u[nd]. fürbittend“ Was sagst Du mir - Allerseelentag 1944!? - „Stell für die armen Seelen einschalten zu können auf den Tisch die duftenden Reseden, flicht auch u[nd]. hungernden Seelen hier in der Enge die- blühende Zyanen hinein u[nd]. lass uns von ses Hauses heimlich das Brot des Lebens reichen der Liebe reden, wie einst im Mai!“ Liebe,- wie zu dürfen! Deo gratias! - Kettenklirrend zog der leidest Du in dem Hass dieser Zeit! Hass der Zeit, traurige Zug der hies[igen]. Todeskandidaten in wie quälst Du die Liebe der Ewigkeit!! 3. Novem- der Freistunde „zur Erholung“(!) über den Ge- ber! - Ein quälender todgeängstigter Morgen ist fängnishof; - schon bald ¾ Jahr mache ich täglich soeben überstanden. - Wieder zogen sie heute diese „Erholung“ mit, mit der ganzen Skala der früh wie so oft schon durch die Gänge in aller Gefühle. die einem solchen Schauspiel eigen Frühe, - diese Todesknechte u[nd]. holten da sind! Viele, die hier mit mir sich erholten, hat der u[nd]. dort aus einer Zelle ihre Opfer - 7 Erschie- Tod bereits geholt; - u[nd]. ich walle noch, wie ßungen heute früh!! 3 kamen wieder zurück! lange noch! Aber heute muss ich noch an andere Vorläufig in letzter Minute „begnadigt“, obwohl Fesseln u[nd]. Ketten denken, die arme See- schon fast gestorben; - ach, wie bleiern liegt die- len schmerzend binden, - u[nd]. ich weiß nicht, ser Morgen auf meinem Gemüt! Wie angstvoll welche mehr Pein bereiten, die der armen Seelen horchte das gequälte Ohr auf die schlürfenden im Fegefeuer - oder die so schrecklich klirren- Schritte draußen u[nd]. vermeinte, jetzt u[nd]. den u[nd]. rasselnden der „armen Seelen auf jetzt öffnet sich meine Türe u[nd]. gellt der Ruf Erden“! - Da schreit mein ganzes Herz durch den an mein Ohr: „Aufstehen, fertig machen!“ - Ja, grauen, schwerlastenden Novembernebel z[um]. fertig machen! - 3 mal fuhr der Todeskarren be- Himmel: „Libera eas, Domine, - fac eas, Domine, reits hin u[nd]. her; - ich bete das „proficiscere“ de morte transire ad vitam, - dona nobis - eis - subvenite Sancti Angeli, suscipientes eas...“ Wie requiem...!“ alle Tage, abends, heute, aber in schmerzl[icher]. Todesfrühe ---

Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert 35 Brief von Carl Lampert an Julius

4. November - Carlstag! Welche Erinnerungen! - Nunc reposita est mihi corona Justitiae! - Herr, Die Liebe aber stirbt nie; ich weiß, sie denkt auch schenk sie auch einst mir! Stimmungs-Bilder heute vielleicht wie noch nie an mich, die ewige schwerer Tage geben diese Bilder; ein Ausschnitt u[nd]. irdische! Die erstere kam in mein Herz im nur aus „armen Erdentagen“; ach, wären es nur h[ei]l[igen]., mir so unschätzbaren Frühopfer: die einzigen! Über ihrem „Schwarz-grau“ aber „Siehe, ich bin auch bei Dir, alle Tage Deines erheben sich die Lettern des Psalmisten: „Aff- Leidens, näher, weil gerade so scheinbar ferne; lictus sum et humiliatus sum nimis, rugiebam - Herr, wie danke ich Dir! Aber auch die irdische a gemitu cordis mei“ (Ps.37), - aber auch die fand zu mir in meinen ärmsten Namenstag. Lei- anderen: „Laetati sumus pro diebus quibus nos denskameraden schenkten sie mir, dass Tränen humiliasti - annis quibus vidimus mala“ (Ps.97); in meine Augen traten, u[nd]. die Heimat sandte möge sich Letzeres an allen erfüllen, die sich sie, Fons u[nd]. Emma u[nd]. Hildegards Gruß sehnen nach dem Reich Gottes u[nd]. seiner steht vor mir, Tante Anna’s u[nd]. Götte Karls Gerechtigkeit! Lieb[er]. Julius, hieß die Anschrift Karte fand zu mir, - u[nd]. Du u[nd]. alle übrigen, dieses Briefes; es ändert sich jetzt am Schluß ich weiß, Ihr seid auf dem Wege zu mir, - Liebe dieser Zeilen zu „Lieb[er]. Wilhelm“! Nimm dies Torgau, den 1. November 1944 Torgau, i[n]. Not, - wie leuchtest Du rot! ------U[nd]. als Gruß Deines armen Freundes u[nd]. grüß’ St. Carl lächelt froh auf meinem Zellentisch, - mir alle Freunde wieder u[nd]. auch Julius; möge ein Edelweiß der Heimatberge leuchtet froh auf es nicht mein letzter irdischer an Dich sein; - seinem Bild. denn die Liebe stirbt nicht! - Dieser Brief aber ist „nicht“ geschrieben, sondern gedacht! Leb wohl! - Dein C[arl].

36 Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert Brief von Carl Lampert an Julius

nachmittags 2 Uhr nicht, u[nd] ich trage sie nun zum Lieber, lieber, guter Bruder! Quell aller Liebe, zu Gott, und dort wird sie Nun ist die Stunde gekommen, nur noch inniger, reiner, fester u[nd] – die ‚so schmerzliche’ für Dich u[nd] all hilfreicher – so wollen wir einander meine Lieben, die ‚erlösende’ für mich! lieben u[nd] Bruder sein bis zum frohen Der Kreuzweg geht nun zur letzten Wiedersehen – u[nd] dann erst recht!! – Station, tenebrae factae sunt, – sed dies Julius, dann erst recht selig und froh! albescit, – in Te, Domine, speravi, Alle- Sei nicht traurig, – es ist ja nur ein luja!“ [Finsternis ist geworden, – aber der Tag Übergang – u[nd] ich darf nun vor leuchtet auf, – auf dich, Herr, habe ich gehofft. Dir zum Vater i[m] Himmel, z[um] l[ieben] Jesus Alleluja!] – Z[ur] l[ieben] Muttergottes, zu all unsern l[ieben] So hoffe ich, er wird nun kommen. Angehörigen, Freunden und Nachbarn – grüß’ Nun sage ich mein letztes Lebe- mir zum letzten Mal meinen l[ieben] Osky wohl Dir, mein bester Julius! Du warst u[nd] die ganze Pfarrgemeinde, mir ein guter, treuer Bruder; es tut – ich werde niemanden vergessen, mir so weh, dass ich Dir diesen Schmerz u[nd] bitte, auch mich nicht zu ver- bereiten muss. Gott segne und schütze gessen; – allen, allen Helfern mein Dich und Deine ganze mir so liebe Fa- innigstes Vergeltsgott! – milie, Anna, Rosina, Carl, Josefina, Ju- Oh, wie bin ich froh, dass end- lius, Luzia, Theodor, Kurt und Adelheid, lich ein Ende kommt von all dem ebenso Lena, Xaver und die Seinen. Von harten Leid! – Nun geht ‘s heim! Herzen umarme und segne ich Dich u[nd] – u[nd] ich bleib’ doch bei Euch. – – – Halle an der Saale, den 13. November 1944 alle. ‚Vergelts Gott’ für alle Lieb’ und Sorg’ u[nd] Lebt wohl, wohl, wohl! – Last und Wiedersehen im himmlischen Auf Wiedersehen! Vaterhaus. Ich bin nun recht arm, kann Von Herzen grüßt Dich Dir nichts mehr schenken als meine für immer Dein Carl treue Bruderliebe u[nd] Sorge ubers Grab Wie viel möchte ich noch schreiben! hinaus; denn die Liebe stirbt ja

Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert 37 Text Brief von Carl Lampert an Julius

(NB: Als die Briefe an Julius sowie an die Bischöfe Paulus ich Ihm – – u[nd] dann jetzt die letzte ‚Commu- Rusch und Franz Tschann geschrieben waren, hatte der Ge- nio [Kommunion] vor der großen endgültigen fängnisseelsorger Paul Arthur Drossert dem Provikar die hei- ligen Sterbesakramente gespendet. Dann vollendete dieser [Communio]. So spreche ich jubelnd mein Ite den Brief an seinen Bruder Julius mit folgenden Worten:) missa [Geht, ihr seid entlassen] – consumma- tum est [Es ist vollbracht] – u[nd] segne noch ––– Nun kam gerade der höchste Besuch, – letzte Euch alle, – alle, die meinem Herzen nahe durch Kommunion! – Jesus, lass mich nun Dein sein die Bande des Blutes, der Liebe, des Berufes für immer und bei Dir sein! – So trete ich jetzt u[nd] bes[onders] des Leides. Gruß im Herrn mein „letztes Opfer“ an, um 4 Uhr, mit dem allen! Nunc dimittis servum tuum [Nun entlässt Confiteor [Ich bekenne] meiner Herzensreue – du deinen Knecht] – – Magnificat anima mea mit dem Christ-Kyrie-Ruf eines armen Sünders, [Hochpreiset meine Seele] – –Laetatus sum de mit dem letzten Gloria in excelsis [ Ehre in der his – in do-mum Domini ibimus [Ich freute mich, Höhe] und Credo [Ich glaube] in meinem Leben, als man mir sagte: ‚Zum Haus des Herrn wollen mein letztes suscipe [ Nimm auf] u[nd orate wir pilgern] – –In D[orn]birn, Rom, Innsbruck, fratres [Betet, Brüder], meine letzte Anbetung Stettin,u[nd] Wolfurt, besondere Abschieds- und des euch[aristischen] Heilandes – o wie danke Dankesgrüße! Halle an der Saale, den 13. November 1944

38 Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert (NB: Um 16 Uhr wurden Provikar Msgr. Dr. Carl Lampert, sei- Der Wehrmachtspfarrer Paul Arthur Drossert ne beiden Mitbrüder P. Friedrich Lorenz OMI und Kaplan Her- (1945 von einem Sowjetsoldaten erschlagen) bert Simoleit sowie acht Laien, nämlich der Arbeiter Renier Antonius Bäcker (40 Jahre), Gefreiter Viktor Derda (32 Jahre), hatte diesen Brief an Lamperts Heimatadresse Soldat August Fehst (41 Jahre), Zivilist Hans Heermann (43 nach Göfis gesandt. – Jahre), Flieger Stephan Kwasniewski (45 Jahre), Former Rost- ilav Roszival (21 Jahre), Panzer-Jäger Alois Rytt (22 Jahre), Oberleutnant Claus Schaller (am Hinrichtungstag 35 Jahre) AT-ADF 5. CL PA Göfis 4.38. zur Enthauptung durch das Fallbeil geführt. Beim Verlassen der Todeszelle nahm der Provikar nochmals den Bleistift in die Hand und schrieb schräg über den letzten Briefabsatz:

„Nun ruft Gott mich! Lebt wohl!“

Briefe gehen auf Reisen | Carl Lampert 39 www.carl-lampert.at Feldkirch6800 Herrengasse 6 Carl Lampert Forum Text Text

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