2020 | 2 Serge Audier, Jurgen Reinhoudt, Neoliberalismus
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2020 | 2 Serge Audier, Jurgen Reinhoudt, Neoliberalismus. 19./20. Jahrhundert – Histoire Wie alles anfing: Das Walter Lippmann Kolloquium. contemporaine Aus dem Amerikanischen übersetzt von Michael DOI: Hein, Hamburg (kursbuch.edition) 2019, 303 S., ISBN 10.11588/frrec.2020.2.73336 978-3-96196-082-8, EUR 26,00. Seite | page 1 rezensiert von | compte rendu rédigé par Werner Bührer, München Am 26. August 1938 trafen in Paris 26 Wissenschaftler, Staatsbeamte und Industrielle zu einem fünftägigen Kolloquium zusammen, um über Möglichkeiten der Verteidigung und Erneuerung des Liberalismus zu debattieren. Organisiert hatte das Treffen der französische Philosoph Louis Rougier. Als Anlass diente eine Europareise des renommierten amerikanischen Journalisten Walter Lippmann, der mit seinem 1937 erschienenen Buch »The Good Society« den Versuch unternommen hatte, den wirtschaftlichen und politischen Liberalismus angesichts des Siegeszugs von Faschismus, Nationalsozialismus und Kommunismus zu erneuern und damit zu »retten«. Das Colloque Walter Lippmann wurde und wird in der einschlägigen Literatur als Geburtsstunde des in den späten 1970er- und den 1980er-Jahren weltweit triumphierenden »Neoliberalismus« gewürdigt. Eine deutsche Übersetzung des 1939 in französischer Sprache veröffentlichten Protokolls lag bislang jedoch nicht vor. Hier haben der an der Sorbonne lehrende Philosoph und Soziologe Audier und der an der Hoover Institution der Stanford University forschende Reinhoudt mit Hilfe des Übersetzers Michael Hein nun dankenswerter Weise Abhilfe geschaffen – allerdings unter Verzicht auf präzise quellenkritische Anmerkungen. Für die Übersetzung wurde beispielsweise nicht das französische Original, sondern die amerikanische Fassung verwendet – ohne dieses Vorgehen wenigstens zu problematisieren. Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. Auf gut 60 Seiten bieten Audier und Reinhoudt zunächst eine gelungene zeit- und ideengeschichtliche Einordnung des Kolloquiums. Ihrer Interpretation, dass »diejenigen, die heutzutage als ›Neoliberale‹ bezeichnet werden, häufig einem Freihandels- und Marktradikalismus das Wort reden, der meilenweit entfernt ist von den verschiedenen Versionen eines ›Dritten Weges‹, wie sie in den 1930er-Jahren« (S. 59) und auch von den Teilnehmern des Kolloquiums diskutiert wurden, kann man nur zustimmen. Zwar zählten zwölf der Teilnehmer zur 1947 gegründeten, Herausgegeben vom Deutschen Historischen Institut Paris | als »neoliberale Denkfabrik« höchst einflussreichen Mont publiée par l’Institut historique Pèlerin Society – aber die 14 anderen eben nicht. Somit wäre es allemand irreführend, eine bruchlose Kontinuität zum Colloque Walter Lippmann zu behaupten. Anschließend stellen Audier und Reinhoudt die 26 Teilnehmer in sehr hilfreichen, mehr oder weniger ausführlichen Kurzbiografien vor. Die größte Gruppe stellten die Ökonomen – darunter Friedrich August von Hayek, Robert Marjolin, Ludwig von Publiziert unter | publiée sous CC BY 4.0 2020 | 2 Mises, Wilhelm Röpke und Alexander Rüstow, die alle später als 19./20. Jahrhundert – Histoire Politikberater eine wichtige Rolle spielten –, gefolgt von Staats- und contemporaine Verwaltungsbeamten wie Jacques Rueff, Industriellen wie Louis Marlio und schließlich Philosophen und Soziologen wie Raymond DOI: Aron. 10.11588/frrec.2020.2.73336 Der Einladung Rougiers nicht gefolgt waren u. a. der Seite | page 2 niederländische Historiker Johan Huizinga, der spanische Philosoph José Ortega y Gasset und der britische Ökonom Lionel Robbins. Die Liste der Teilnehmer und Geladenen lässt erkennen, dass eine Art »liberales Netzwerk« schon vor dem Kolloquium im Entstehen begriffen war. Der zweite Teil umfasst das Protokoll der Tagung. Nach einleitenden Vorträgen von Rougier und Lippmann mit anschließender Diskussion widmeten sich die Teilnehmer, übrigens ausschließlich Männer, einem breiten Spektrum an Themen: der Frage, ob die Niedergang des Liberalismus endogene Ursachen habe, den Auswirkung der kriegswirtschaftlichen Transformation auf den Liberalismus, dem Zusammenhang von Liberalismus und ökonomischem Nationalismus, der Haltung des Liberalismus zur sozialen Frage, den verschiedenen Ursachen für den Niedergang des Liberalismus, der Agenda zu seiner Rettung und schließlich den theoretischen und organisatorischen Problemen seiner Erneuerung. Das Protokoll spiegelt, wie Audier und Reinhoudt zu Recht anmerken, »offene und zum Teil hitzige Debatten wieder«, Beleg für eine tiefe »Heterogenität« (S. 64). Uneins waren sich die Diskutanten beispielsweise über die Ideen von Keynes, über die Beurteilung von nationalen und internationalen Kartellen, über die Rolle des Staates im Wirtschaftsgeschehen sowie darüber, ob der Liberalismus fähig sei, »seine sozialen Aufgaben zu erfüllen« und ob das »liberale System die Ursache« der »zahllosen Ungleichgewichte« sei, »die unsere Wirtschaft im Verlaufe der letzten zehn Jahre gekennzeichnet haben« (S. 203). Selbst über den Namen herrschte zeitweise Uneinigkeit: Als Alternativen waren u. a. »konstruktiver«, »positiver«, ja sogar »linker Liberalismus« im Gespräch (S. 43f.) Einig waren sich hingegen alle darüber, dass, so Lippmann, »nur der Preismechanismus, wie er auf freien Märkten funktioniert, eine Organisation der Produktion ermöglicht, die geeignet ist, den bestmöglichen Gebrauch von den Produktionsmitteln zu machen und die Bedürfnisse der Menschen maximal zu befriedigen« (S. 248). Kein Zweifel, das Protokoll der Tagung stellt ein Schlüsseldokument der Geschichte des »Neoliberalismus« dar, und es verdeutlicht, dass diese Denkschule nicht auf Deregulierung, Steuersenkung, Liberalisierung und Privatisierung à la Reagan und Herausgegeben vom Deutschen Thatcher reduziert werden sollte. Historischen Institut Paris | publiée par l’Institut historique allemand Publiziert unter | publiée sous CC BY 4.0 2020 | 2 Thomas Bantle, Alexander Pschera, Peter Trawny 19./20. Jahrhundert – Histoire (Hg.), Zwischen Mythos und Widerstand. Ernst contemporaine Jüngers »Auf den Marmorklippen«, Frankfurt a. M. DOI: (Vittorio Klostermann) 2019, 216 S. (Jünger Debatte, 2 10.11588/frrec.2020.2.73337 [ 2019]), ISBN 978-3-465-04383-6, EUR 48,00. Seite | page 1 rezensiert von | compte rendu rédigé par Danièle Beltran-Vidal, Lyon Outre le dossier consacré aux »Falaises de marbre«, le deuxième numéro de »Jünger Debatte« contient cinq articles sur d’autres sujets et une rubrique informant le lecteur des derniers livres parus sur l’auteur. Comme dans le précédent numéro, une petite partie est consacrée à des documents d’archives et, pour finir, on peut lire la bibliographie commentée de la réception de l’œuvre d’Ernst Jünger dans l’espace francophone de 1921 à 1945. Le dossier s’ouvre sur la contribution de Siegfried Lokatis, »Ernst Jüngers ›Marmorklippen‹. Benno Ziegler und die Hanseatische Verlagsanstalt« qui évoque la publication des »Falaises de marbre«. Parmi les innombrables correspondances d’Ernst Jünger qui éveillent actuellement l’intérêt des chercheurs, se trouve en effet celle entre Ernst Jünger et son éditeur, Benno Ziegler, plus de 500 lettres, conservées, pour l’essentiel, au Deutsches Literaturarchiv de Marbach, mais aussi aux archives de la Leipziger Buchwissenschaft (Bibliotop). De 1932 à 1949, la maison d’édition de Hambourg, Hanseatische Verlagsanstalt (HAVA), édita les écrits d’Ernst Jünger de cette période, du »Travailleur«, jusqu’aux »Falaises de marbre«. Les lettres d’Ernst Jünger mettent en relief son évolution au cours de ces années, tout en permettant »d’analyser concrètement son comportement durant le Troisième Reich et d’en donner, dans ce contexte, une nouvelle évaluation«. Ces lettres sont, d’après Siegfried Lokatis, des »documents d’une rare clarté sur l’exil intérieur de l’auteur«. Parallèlement, on peut lire un aperçu de l’histoire de la maison d’édition durant cette période troublée. L’auteur évoque, en particulier, ses compromissions durant la dictature nazie et la guerre, les difficultés rencontrées, les stratégies mises en œuvre pour contourner la censure, puis, après la guerre, son purgatoire sous les forces d’occupation anglaise et américaine. Sur cette toile de fond aux couleurs sombres, il estime qu’Ernst Jünger et ses »Falaises de marbre« se détachent pour ainsi dire comme une figure lumineuse et une page ensoleillée de la maison Herausgegeben vom Deutschen Historischen Institut Paris | d’édition. L’incroyable concours de circonstances qui permit à publiée par l’Institut historique la maison d’édition de publier »Sur les Falaises de marbre«, en allemand déjouant la censure, est décrit avec minutie. La correspondance témoigne enfin de l’amitié qui lia Ernst Jünger à son éditeur Benno Ziegler. À sa mort, en 1949, Jünger mit fin à sa collaboration avec la Hanseatische Verlagsanstalt. L’exploitation de cette correspondance permet d’élucider certaines questions qui avaient pu donner lieu dans le passé à des interprétations erronées. Publiziert unter | publiée sous CC BY 4.0 2020 | 2 Dans sa contribution »Attentate sind Scheinlösungen. Ernst 19./20. Jahrhundert – Histoire Jünger und der Widerstand«, Michael Großheim relève dans les contemporaine écrits d’Ernst Jünger une allusion récurrente à une visite qu’il reçut de nuit en 1938, et qui l’inspira dans son activité d’auteur DOI: en introduisant cette scène dans »Les Falaises de marbre«. Or 10.11588/frrec.2020.2.73337 cette entrevue entre le narrateur de l’ouvrage et son visiteur, le Seite | page 2 prince Sunmyra, met en lumière le jugement d’Ernst Jünger sur l’acte de résistance. Michael Großheim s’intéresse